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Full text of "Jahresbericht der Schlesischen Gesellschaft für Vaterländische Kultur"

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HARVARD UNIVERSITY. 


LIBRARY 


OF THE 


MUSEUM OF COMPARATIVE ZOÖLOGY. 


N 


ort \ \S | 


Dreiundsiebzigster 


| Jahres-Bericht 


der 


Schlesischen Gesellschaft 


- für vaterländische Gultur. 


Boath&lt 


den Generalbericht über die Arbeiten und Veränderungen 
der Gesellschaft 


im Jahre 1895. 


Hierzu ein Ergänzungsheft bibliographischen Inhalts. 


—— > 


“ Breslau. 
G. P. Aderholz’ Buchhandlung. 
1896. 


| Ä "a SMBIDEN stloaihnile N 


Inhalt des 73. Jahres- Berichtes. i un 


Allgemeiner Bericht 


über die Verhältnisse und die Wirksamkeit der Gesellschaft im Jahre 1895, nn 
abgestattet vom ersten General-Secretair, Staatsanwalt Dr. jur. Keil... 1 
Beni über die, Billa Ol arres s ER n 
Beviehiniber das Herbar der Gesellschaft .:........-....censoncsseennenon: 8 
Bericht über die Kassenverwaltung für das Jahr 1895 ......:..... zerceeeen 8 

Verzeichniss sämmtlicher Mitglieder der Schlesischen Gesellschaft für vater- 

ländische Cultur. Etatszeit 1896 und 1897. 
Präsidium der Gesellschaft. Secretaire der Seetionen. Beamte .... 9 
BinkeimuischenMitelleder nn... cn enden nis ot. ENSPIKE 
ANSWERS N een a AN ER MEERE 25 
Elmenumiteledeni een, re ie a a 5) 
Vorzespondizende Mitelieden ... u... 322 nane ann ne nelne 31 
Mitglieder der Section für Obst- und Gartenbau ................... 36 
Wanderversammlung zu Schweidnitz am 30. Juni 1895 .........2.222 222... 41 
I. Abtheilung: Medicin. 
a. Sitzungen der medicinischen Section. 

Adler: Demonstration eines Falles von Dystrophia muscularis progressiva .. 77 
Alexander: Die Photographie des Blasen-Innern mit Demonstrationen ..... 73 
Baumm: Demonstration einer Symphyseotomirten ........-.ersee2ceeeeneee 143 
Born: Demonstration der neuen Steger’schen Gehirnmodelle ............... 93 
Bornstein: Ueber den Einfluss heisser Bäder auf den Stoffwechsel ........ s0 

Brieger: Ueber die operative Behandlung endocranieller Complicationen 
ebronischersMittelohr-Biterungens.... 2... u. ..0u0 02 denen nenne 136 
Cohn, H.: Demonstration eines Falles von Glaukom .......-.-.-...2 22220. 16 

— Antrag zur Wahl einer Commission, betreffend die Verhütung der 
BlenlorzHoe1, NEONALOLIINS. Se ee a en een rein et nine- 43 


= Bericht und Vorschläge dieser Commission ......-.rerseseernercneen: 52 


IV Inhalts -Verzeichniss. 


Cohn, H.: Gesuch an den Herrn Oberpräsidenten Fürsten von Hatzfeldt .... = 
— Zuschrift an den Magistrat der Haupt- und Residenzstadt Breslau..... 58 
— Belehrung über die Gefahr der Augenentzündung der Neugeborenen... 59 

Courant: Sactosalpinx hämorrhagica bei erworbener Atresia tubae......... 149 
— Demonstration eines neuen Scheidenspiegelhalters..................... 154 

Ephraim: Ueber directe Laryngoskopie ..........- MR ax apa ehe] NE 133 

Henle. Ueber Desinfection von frischen Wunden... 2... ee 7 
— Vorstellung eines Kranken (operirt wegen Chondrom des Kehlkopfes).. 9 

Herz: Weber die Behandluns derilyphlitiden.. 2... 2.24. zu .2rer ee 146 

Hürthle: Ueber die Verbesserung der Methode zur mechanischen Registrirung 

derHerztöne, und ihrefrrgebnisse 2.2... 22 0.002002 Be 81 
— Ueber Haemosterin, einen neuen Bestandtheil des Blutes .............. 83 

Jatlassohn:, Weber) Stomatitis aphthosa nr. m 89 
— Ueber die Behandlung der Gonorrhoe mit Silber-Casein (Arganin) ..... 92 

Kader: Vorstellung eines 6jährigen Knabens, bei welchem der Verschluss 

des oberen Urachusendes ausgeblieben ist.......................0.0. 9 

Keilmann: Erfahrungen über die Verhütung der Blennorrhoea neonatorum . 10 
— Discussion über. diesen‘ Vortrag. 2... Le 17 
— Weber künstliche Ernährung... Su. Sue. 2 116 

Kolaczek: Ueber ein Magenvertikel, das eine Neubildung vorgetäuscht hat.. 71 

Küstner: Adnexexstirpation und Pean-Segond’s Castration uterine .......... 10 
— Vorstellung eines 3jährigen Kindes mit ausgedehnter Bauch-Blasenspalte 67 

Landmann: Demonstration eines Falles von Conjunctivaltubereulose ....... 46 
= ßreher, KremdkörperiindemOrbitan. Jon 77 

Mann: Ueber die cerebrale Hemiplegie ................... BIRNEN 78 


Neisser: Ueber Versuche zur Verhütung der gonorrhoischen Urethral-Infection 62 
— Vorstellung eines Kranken mit Lupus serpiginosus und Carcinom im 


Gesichn 2 EAN BER RENEEAREEN LEE EN BAR RN ir Bde 89 
Oppler: Der Mageninhalt beim Carcinoma ventriculi....... RL RER RR 1 
— Ueber chronische Diarrhoe in Folge mangelnder Magensaftsecretion ... 138 


Reinbach: Vorstellung eines Falles von Struma, der durch Thymusfütterung 


geheilt wurde. 32.1. en 2 NE HUeUlsle nn Eu a pe Le 2 88 
Röhmann: Ueber Caseinsilber — Arganin......... „...enccccceenn RE THRD 92 
Rosenfeld: Zur Diagnose und Therapie der Uratdiathese ........ EN RaEE 33 

— Die Grundgesetze der Acetonurie und ihre Behandlung ... ........... 98 

— Zur Behandlung der harnsauren Diathese .......................... 109 

Spitzer: Die Oxydationskraft todterGewebe -.:.....2 2. Au 46 

° Steinschneider: Zur Biologie der 'Gonoeoceen..: .2. ne VE Se 50 
Stern: Ueber eigenartige periodische Aenderungen der Athmung .........-- 35. 


— Klinisch - bacterologische Beiträge zur Pathologie und Therapie des 
Abdominaltyphus 1.1.22... an lm u) 4 Man EI ge 88 


Inhalts- Verzeichniss. V 


Seite 

Stolper: Vorstellung einer Frau mit allgemeiner Careinomatose............. 68 
Thiemich: Ueber künstliche Ernährung magendarmkranker Säuglinge ...-.. 123 
Viertel: Demonstration eines Falles von intermittirender Hydronephrose .... 40 
— Demonstration des Nitze’schen Harnleiterkathetercystoskopes.........- 75 
— Demonstration eines intravesical operirten Blasentumors .............- 155 

b. Sitzungen der hygienischen Section. 

Ficker: Ueber bacteriologische Luftuntersuchungen............-.e.r.....0: 7 
Eine HebertBettimulehi nA ER RLN A EEREN  na re n 6 
— Untersuchungen des Grundwassers im Bereiche der Stadt Breslau ..... 6 
Gottschlich: Einige neuere meteorologische Apparate..............-. aan 7 


Holdefleiss: Erfahrungen der letzten 15 Jahre über die Verwerthung der 
SishechenAhlallstoffe. 2 ach een lache nie welhundaete Bes la uk 1 

Neisser, M.: Die Organisation von bacteriologischen Diphtherie-Diagnosen in 
Bra Ai EREINe NEE EEE HEBEN CHEN ee 7 


HI. Abtheilung: Naturwissenschaften. 


a. Sitzungen der naturwissenschaftlichen Section. 


Althans: Mineralogische Mittheilungen :. ..:.. ....-.-:..ssemmeenaeshenaes 2 
Fischer: Demonstration eines Gascalorimeters .... ......22-22ccceeneenen- 1 
Kreeh: Weber die Geologie des Glatzer Gebirges .............:...Nenueae. B) 
— Ueber die alpinen Erdbeben-Linien und ihre muthmaassliche Beziehung 
Auedenuschlesisehen Erdbeben. . 2.2... ....2.0.22oceenesen mens: 5 
Galle: Allgemeine Uebersicht der meteorologischen Beobachtungen auf der 
Kgl. Universitäts-Sternwarte zu Breslau im Jahre 189................ 109 
— Einige Zusätze, Nachträge und Berichtigungen zu „Grundzüge der 
Sehlesisechen. Klimatologieet. CH IN ENINENLR 114 
Gallinek: Ueber den weissen Jura bei Inowrazlaw ...............s2.2.222.- 101 
Grützner u. Höhnel: Zur Kenntniss der Metaplumbate der Erdalkalien ... 93 
Gürich: Ueber Facieswechsel im Palaeozoieum........::..2erc2eccsescenn. 3 
— Vorlegung des Schlesien enthaltenen Blattes der vom Geologischen Comite 
heraussesebenen Rarte/ von Europas... N. ne. 3 
Herz: Ueber Salvadorit, einen neuen Kupfer-Eisen-Vitriol .................. 107 
Kerles: Weber ein Eisloch in ‚Schlesien... nV... TEEN. 97 
Leonhard: Ueber die Kreideformation in Oberschlesien ......-............ 6 
Leonhard u. Volz: Das mittelschlesische Erdbeben vom 11. Juni 1895 .... 9 
Meyer, O. E.: Hertz’sche und Tesla’sche Versuche mit Hilfe der Elektrisir- 
wasehine,ohnelindueLoB" KH DANER N. MRARTII IN. Be nenn 1 
— Demonstration einer stereoskopischen Erscheinung -.......:--+-- +... 4 
Maler Weber Achat und Hyalit.....-....-.....22.2..2. hestkkessanhanit use: 4 


— Ueber die Umwandelung klastischer Gesteine in Schiefer ....-....».-- 108 


VI Inhalts - Verzeichniss. 


Seite 

Mützel: Ueber hochgespannte Wechselströme hoher Frequenz (Teslaströme) 77 
Boleck: Ueber /Caleiumcarbid und Aeetylen.n =. sr. Peer 3 
Scholz, M.: Ueberführung aliphatischer Oxime in Pyridinderivate......... 8 
Scupin: Ueber die Histologie von fossilen Ganoidschuppen................. 100 
Volz: Beiträge zur Kenntniss der St. Cassianer Korallen................... 7 
— Zur Entstehung der Dolomitkogel in Süd-Tirol......................- 92 
= Die Systematik der.AtossilenWKoralleneee u 101 


b. Sitzungen der zoologisch-botanischen Section. 


Born: Ueber die Resultate der mikroskopischen Untersuchung künstlich 


vereinigter.-Amphibienlarven.. 2... 2 1010 SIR SEE 1 
Chun: Zur Biologie der pelagischen Süsswasserfauna .......-......-...- EIS 
Cohn, F.: Ueber die botanische Forschungsreise des Dr. F. Reinecke auf den 

Samoainselm .....Iu.-ercncuunseenlenednunnunsnenunensuntenenenere: 1 
Eitner: Nachträge zur Flechtenflora Schlesiens.........-..-......eserr0n: 9 


Endres: Ueber Anstich- und Schnürversuche an Eiern von Triton taeniatus 27 
Fiek u. Schube: Ergebnisse der Durchforschung der schlesischen Phanero- 


camentloragim Jahre nlSgn Ser ee RR odlecın oc 83 
Reinecke: Weber!Samoae u N a Un 66 
Rosen: Ueber die Nucleolen und Attractionssphären in den Pflanzenzellen.. 26 

— Mittheilungen über einige neue Methoden und Ergebnisse der Nahrungs- 

mittel-Mikroskopie:........n. 2a 18 NINE) Are ee Se 34 
Schröder: Ueber die von Professor Dr. Schröter in Kleinasien gesammelten 

Algen. Nas m er al IR sale. er 2 

— Die Algenflora. der Hochgebirgsregion des Riesengebirges ... .......- 35 


c. Sitzungen der Section für Obst- und Gartenbau. 


Reinecke: Die Nutzpflanzen Samoas und ihre Verwendung...............- 29 
Richter: Baumanpflanzungen in den Strassen............ NL. ade 
Rosen: Rosa virginiana Mill. hybrida „Pauline Cohn“ ................. -n- 21 
Scholz, Mortimer: Ueber Verholzungen der Blüthenstengel einiger kraut- 

arligen Gulturptlanzen, ...2. Jr Zur. was stage er ee PIE ee 
Sutter: Ueber die Düngung der Obstbäume und Fruchtsträucher, sowie über 

das von ihm construirte und patentirte Locheisen.........-......:: AR 9) 
Tschaplowitz: Bestrebungen im deutschen Gärtnerstande ..........-..:-- 46 


III. Abtheilung: Geschichte und Staatswissenschaften. 


a. Sitzungen der historischen Section. 


Bauch: Die Anfänge des Studiums der griechischen Sprache und Literatur 
in: Norddeutsehland ........2...- 1.0.0 \ a ER. DE ER ER EEE Eu 2 
— Der humanistische Dichter George von Logau ......:..-..222.» NAulaeR 5 


Inhalts -Verzeichniss. vi 


Seit 
Kaufmann: Ueber die letzten beiden Bände des Werkes „Die Begründung ; 
Besplentschenfkreiches;/ von H. v.ıSybel un leeen nnenn... 1 
Neustadt: Die ältesten Ansprüche der Hohenzollern auf Schlesien ......... 35 
Reimann: Ueber die Schwierigkeiten, welche sich dem Präsidenten Washington 
1793 bei Aufrechthaltung des Friedens entgegenstellten................ 3 
b. Sitzungen der Section für Staats- und Rechtswissenschaft. 
Elster: Die Versicherung gegen Arbeitslesiekeitug 2... sen. en. 5 
Gothein: Die Productionsverhältnisse der Edelmetalle..................... 1 
esezinkelsiur die, Mitslieder der Section „> u... une cuaa..coonennononnne 7) 


Nekrologe auf die im Jahre 1895 verstorbenen Mitglieder. 


Beck, Otto, Kaufmann und Lotterie-Collecteur in Breslau ................. 1 
Becker, Carl Otto, Dr. med., praktischer Arzt in Liegnitz.................- 1 
Bock, Andreas, Apotheker und Fabrikbesitzer in Breslau .... ............- 9 
Gottstein, Jacob, Dr. med. und Professor in Breslau .... .... ». 2.2.2.2. 3 
Gühmann, Paul, Dr. ımed., praktischer Arzt in Breslau ............ -....-- 5 
EiermereihsnBheodor, Kaufmann in Breslauer... vos engere 5 
Janicke, Otto, Dr. med., Sanitätsrath in Breslau.......................... %) 
Kabierske, Eduard, Dr. med., praktischer Arzt in Breslau .. ...... »..-.. 8 
Kayser, Wilhelm, Dr. theol. und phil., Dompropst in Breslau .............. 8 
v. Kulmiz, Paul, Dr. phil., Rittergutsbesitzer auf Conradswaldau ........... 10 
Lindemann, Ferdinand, Bürgermeister von Jauer..............cescce22... 10 
Meyer, Samuel, Dr. med., Sanitätsrath in Breslau...............ceecscen.. 12 
Peck, Reinhold, Dr. phil., Museumsdirector in Görlitz...........--......0.. 13 
Roeder, Theodor, Dr. med., Geh. Sanitätsrath in Deutsch-Lissa.... ...... 14 
Spiegel, Moritz, Steindruckereibesitzer in Breslau ...........-..-..-cr200. 15 
Sheinteld, Siegmund, Banquier in Liegnitz .............»-...-zurccnen o- 15 
ANezmer, Hermann, Apotheker in Breslau. ........ »...-.2..smsencneo...- 16 


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Schlesische Gesellschaft für vaterländische Gultur. 


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73, 
Jahresbericht. Allgemeiner Bericht. 
1895. 
@e seRye Bro) 


Allgemeiner Bericht über die Verhältnisse und die 
Wirksamkeit der Gesellschaft im Jahre 1895, 


abgestattet 
in der ordentlichen General-Versammlung am 9. December 1895 
vom 


Staatsanwalt Dr. jur. Keil. 


z. Z. erstem General-Secretair, 


Die Schlesische Gesellschaft für vaterländische Cultur hat auch in 
dem zweiten Jahre der nunmehr abgelaufenen Etatsperiode von 1893 
bis 1895 unter der bewährten Leitung ihres hochverehrten Präses, 
Geheimen Medicinalrathes Professor Dr, Heidenhain, fortgewirkt in 
gemeinnütziger Thätigkeit für die heimathliche Provinz und auf dem 
Gebiete der Wissenschaft überhaupt. 


Die ordentliche General- Versammlung hat im vergangenen Jahre 
am 3. December unter dem Vorsitze des derzeitigen Präses stattgefunden, 
der bei der Eröffnung der Versammlung durch Beläge nachwies, dass 
die vorgeschriebene Bekanntmachung in der Schlesischen und in der 
Breslauer Zeitung zweimal ordnungsmässig erfolgt sei. Hierauf erstatteten 
der erste General-Secretair, Staatsanwalt Herr Dr. jur. Keil, den Ver- 
waltungsbericht und der Schatzmeister, Herr Fabrikbesitzer Max Wis- 
kott, den Kassenbericht. 


Es folgte die Berathung über den Antrag Holz: 


„Ueber die Einsetzung eines Ausschusses zur Berathung über den 
Bau eines Gesellschaftshauses.“ Der Antrag wurde angenommen, und 
die für diesen Zweck gewählte Commission besteht aus den Herren: 

Kaufmann und Fabrikbesitzer Max Wiskott, 

Geheimer Commerzienrath Leopold Schöller, 

Oberbürgermeister G. Bender, 

Universitäts-Professor Dr. med. Hermann Cohn, 

Bankier Albert Holz, 

Commissionsrath Benno Milch und 

Geheimer Medieinalrath, Professor Dr. Albert Neisser. 
1835, | 1 


Jahresbericht der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. 


Im Laufe des vergangenen Jahres hatte die Gesellschaft viele 
schmerzliche Verluste zu beklagen, sie verlor 


an Directorial-Mitgliedern 


die beiden Herren: 


1 
2. 


Dompropst Professor Dr. Kayser und 
Apotheker Hermann Werner; 


an wirklichen einheimischen Mitgliedern 


die Herren: 


Ile 


ee 


Bock, J. A., Fabrikbesitzer und Apotheker, 
Gottstein, Dr. med., Universitäts-Professor, 
Gühmann, P., Dr. med., 

Heinrich, Th., Kaufmann, 

Janicke, Otto, Dr. med., Sanitätsrath, 


. Kabierske, Dr. med., 
. Spiegel, Steindruckerei-Besitzer; 


an wirklichen auswärtigen Mitgliedern 


die Herren: 


1% 


Becker, C., Dr. med., praktischer Arzt in Liegnitz, 


2. v. Kulmiz, Paul, Dr. phil., Rittergutsbesitzer auf Conrads- 


> 


waldau bei Saarau, 


. Lindemann, Geheimer Regierungsrath, Bürgermeister in Jauer, 
. Röder, Dr. med., Geheimer Sanitätsrath in Deutsch-Lissa, 


Steinfeld, Siegmund, Banquier in Liegnitz; 


an Ehrenmitgliedern 


die Herren: 


1. 


2. 
3. 


Knoblauch, Dr., Geheimer Regierungsrath und Professor, 
Präsident der Kaiserlich Carolinisch-Leopoldinischen Deutschen 
Akademie der Naturforscher in Halle a. $., 

Love£n, Dr. phil., Professor der Zoologie in Stockholm, 
Willkomm, Dr. phil., Professor, Direetor des botanischen 
Gartens in Prag; 


an correspondirenden Mitgliedern 


die Herren: 


le 


Danielssen, Dr. med., Chefarzt am Langegaards-Hospital in 
Bergen (Norwegen), 

Peck, Dr. phil., Conservator des naturhistorischen Museums 
in Görlitz, | 

Schneider, Dr. med., Stabsarzt der Niederländischen Armee 
a. D., Surabaya (Java), | 


. Senoner, Dr. phil., Bibliothekar der k. k. geologischen 


Reichsanstalt in Wien, 


Allgemeiner Bericht. 3 


Dagegen sind im Jahre 1895 aufgenommen worden 


A. als wirkliche einheimische Mitglieder 


die Herren: 


1% 


oa 


Alexander, Karl, Dr. med., praktischer Arzt, 


2. Alexander, Dr. med., Regierungs- und Medicinalrath, 
3. 
4. Barth, Adolf, Dr. med,., Universitäts-Professor und Director 


Baenitz, Karl, Dr. phil., Privatgelehrter, 


der Klinik für Ohren- und Kehlkopfkrankheiten, 


. Baumm, Paul, Dr. med., Direetor der Provinzial-Hebammen- 


Lehranstalt, 


. Berliner, Martin, Dr. med., praktischer Arzt, 

. Bobrecker, G., Dr. med., praktischer Arzt, 

. Bodmann, Hermann, Pianist und Director, 

. Bönninghaus, Dr. med., praktischer Arzt, 

. Brehm, F., Dr. phil., Privatdocent, 

. Brössling, C., Stadtrath, 

. Courant, Georg, Dr. med., praktischer Arzt, 

. Czerny, A., Dr. med., Professor, Direetor der Universitäts- 


Kinder-Klinik, 


. Dittrich, Rudolph, Oberlehrer und Professor, 
. Eekardt, Paul, Dr. med., Speeialarzt für Ohren- und 


Nasenkrankheiten, 


. Eitner, Eugen, Kaufmann, 

. Engel, Hermann, Dr. med., praktischer Arzt, 

. Grünberg, J., Dr. med., praktischer Arzt, 

. Grüttner, Richard, Kaufmann, 

. Gürich, G., Dr. phil., Privatdocent, Oberlehrer an der ev. 


Realschule I, 


. Guhrauer, Leopold, Dr. med., praktischer Arzt, 

. Härtel, Georg, Bandagist, 

. Hamburger, Ernst, Dr. med., praktischer Arzt, 

. Heckel, Hans, Dr. med., praktischer Arzt, 

. Heffter, Emil, Director, 

. Herz, Hans, Dr. med., praktischer Arzt, 

. Heydweiller, Adolf, Dr. phil, Universitäts-Professor, 
. Hoelscher, J., Königl. Garten-Inspector, 

. Joachim, A., Dr. med., praktischer Arzt, 

. Ittmann, Ludwig, Dr. med., praktischer Arzt, 

31. 
32. 
33, 
34. 
35, 


Kaufmann, Eduard, Dr. med., Universitäts-Professor, 

Kaufmann, Georg, Dr. phil., Universitäts-Professor, 

Kümmel, Werner, Dr. med., Privatdocent, 

Kuhn, Leo, Dr. med., 

Lasch, Otto, Dr. med., Specialarzt für Hautkrankheiten, 
1% 


Jahresbericht der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. 


. Lindenberg, G., Landgerichts-Director, 

. Lipmann, Ernst, Dr. jur. 

. Loebinger, Edwin, Dr. med., praktischer Arzt, 
. Löser, Nathan, Dr. med., Kreisphysikus a. D., 
. Miehle, Fedor, Apotheker, 

. Muther, R., Dr. phil., Universitäts-Professor, 
42. 
. Noack, Ludwig, Landesrath, 

. Graf Fernando von Oriola, Premier-Lieutenant a. D. 

. Pavel, C., Rechtsanwalt, 

. Petrich, E., Landgerichtsrath, 

. Pietrusky, W., Dr. med,, praktischer Arzt, 

. Rohde, E., Dr. phil., Universitäts-Professor, 

. von Richthofen, Major z. D., Stabsoffizier beim General- 


Neisser, Gustav, Dr. jur., Rechtsanwalt, 


Commando des VI. Armeecorps. 


. von Rümpker, Kurt, Dr. phil., Universitäts-Professor, 
. Sachs, Albert, Dr. med., praktischer Arzt, 

. Sachs, Heinrich, Dr. med., praktischer Art, 

. Schiffer, Georg, Dr. med., praktischer Arzt, 

. Scholtz, Mortimer, Apotheker, 

. Scholtz, M., Dr. phil., Privatdocent, 

. Seupin, Hans, Dr. phil., 

. Seidelmann, Oskar, Dr. med., praktischer Arzt, 

. Seyda, A., Dr. phil., vereideter Chemiker, 

. Spitz, Max, Dr. med., praktischer Arzt, 

. Spitzer, Wilhelm, Dr. med., praktischer Arzt, 

. Titze, A., Dr. med., Privatdocent, | 

. Traugott, Richard, Dr. med., praktischer Arzt, 

. Veith, Franz, Dr. med., praktischer Arzt, 

. Vollbreeht, Hans, Dr. med., Stabsarzt und Bataillonsarzt 


im 51. Regiment, 


.‚ Wichura, Dr. med., Stabsarzt im 11. Regiment, 
. Woy, R., Dr. phil., vereideter Chemiker; 


B. als wirkliche auswärtige Mitglieder 


die Herren: 


NO Op w 


. Aderhold, Dr. phil. in Prockau. 
. Biermer, Magnus, Dr. jur., Professor an der Akademie in 


Münster i. Westf., 


. Kauffmann, Franz, Fabrikbesitzer in Tannhausen, 

. Kauffmann, Wilhelm, Fabrikbesitzer in Wüste- Giersdorf, . 
. Kauffmann, Georg, Dr. phil. in Wüste-Giersdorf, 

. Kurella, H., Dr. med., praktischer Arzt in Brieg, 

. Liehtwitz, Dr. med,, Kreis-Physikus in Ohlau, 


Allgemeiner Bericht. 5 


8. Rapp, Georg, Fabrikdireetor in Mochbern, 
9. Sachs, E., Stadtrath a. D. in Berlin. 


C. Zu Ehrenmitgliedern 
wurden ernannt die Herren: 
1. Althans, Geheimer Oberbergrath in Berlin, am 21. Juni 1895, 
2. Reimann, Dr. phil, Geheimer Regierungsrath, Professor, 
Real-Gymnasial-Director a. D., am 13. Juni 1895, 
3. von Trautschold, Dr phil, Professor, Wirklicher russischer 
Staatsrath, Excellenz, Karlsruhe i. B., am 12. Januar 1895. 


D. Zum correspondirenden Mitgliede 
wurde ernannt Herr 
Gaupp, E., Dr. med., Universitäts-Professor in Freiburg in 
Baden, am 1. März 1895. 
Die Gesellschaft zählt mithin 
396 wirkliche einheimische Mitglieder, 
158 wirkliche auswärtige Mitglieder, 
29 Ehrenmitglieder und 
125 correspondirende Mitglieder. 

Die Section für Obst- und Gartenbau besteht für sich aus 142 Mit- 

gliedern. 

Im Laufe des Jahres 1895 haben drei Präsidial-Sitzungen 

stattgefunden: 

1. Am 12, Januar 1895 handelte es sich um Cooptation von Mit- 
gliedern des Directoriums. Es wurden in das Direcetorium ge- 
wählt die Herren: 

Geheimer Sanitätsrath Dr. Grempler, 

Stadtrath und Director H. Milch und 

Apotheker Hermann Werner; 
ferner als Stellvertreter der Schlesischen Gesellschaft in die 
Commission des hiesigen Museums die Herren: 

Geheimer Sanitätsrath Dr. Grempler und 

Kaufmann und Fabrikbesitzer Max Wiskott. 

2. Am 15. März 1895 wurden die Berichte der Commission für 
Schaffung eines Vereinshauses erstattet. 

3. Am 14. October 1895 wurden verschiedene Vereine, von denen 
seit Jahren keine Gegensendungen erfolgten, aus dem Schriften- 
tausche der Gesellschaft ausgeschlossen. Der Bildung eines 
Central-Comites für Beobachtung von schlesischen Erdbeben 
wurde zugestimmt. 


6 Jahresbericht der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. 


Allgemeine Sitzungen haben im Jahre 1895 stattgefunden; 

1. Am 14. Januar sprach Herr Professor Dr. Pax über die pflanzen- 
geographische Gliederung Europas. 

. Am 11. Februar hielt im Auditorium des physiologischen Instituts 
Herr Professor Dr. Frech einen Vortrag mit Demonstrationen: 
Ueber die neueren Ansichten, betreffend den geologischen Auf- 
bau der Gebirge. 

3. Am 11. November sprach Herr Professor Dr. Caro: Ueber 

Kaiser Alexander I. von Russland und die Polen, 
4. Am 9. December hat Herr Professor Dr. Hirt einen Vortrag 


„Ueber die sogenannte Nervosität und verwandte Zustände“ 
gehalten. 


[89] 


Die Allgemeine Wanderversammlung hat am 30. Juni in 


Schweidnitz stattgefunden und war mit einem Ausfluge nach Kreisau 
verbunden. 


Die Feier des diesjährigen Stiftungsfestes hat am 14. December in 
den Räumen der Vereinigten Loge stattgefunden. 
Mit dem 72. Jahresberichte wurde als Ergänzungsheft ausgegeben: 


Professor Dr. phil. J. Partsch, Litteratur der Landes- und Völker- 
kunde der Provinz Schlesien. Heft II. 


Ueber die Thätigkeit der einzelnen Sectionen haben die Herren 
Seceretaire Nachstehendes berichtet: 


Die medieinische Section 
hielt im Jahre 1895 21 Sitzungen. 

Zu Secretairen wurden für die Etatsperiode 1896/97 die Herren 
Geh. Medicinalrath Professor Dr. Ponfick, Geh. Medicinalrath Professor 
Dr. Mikuliecz, Geh. Medieinalrath Professor Dr. Born, Geh. Medicinal- 
rath Professor Dr. Neisser, Professor Primärarzt Dr. Buchwald und 
Dr. med. $. Asch sen. gewählt. &% 


Die Section für öffentliche Gesundheitspflege 
hielt im Jahre 1895 1 Sitzung. 


Zu Secretairen für die Etatsperiode 1896/97 wurden wieder die 
Herren Geh. Medicinalrath Professor Dr. Flügge, Sanitätsrath Professor 
Dr. Jacobi und Professor Dr. Herm. Cohn gewählt. 


Die näturwissenschaftliche Section 
hielt im Jahre 1895 8 Sitzungen, 


Zu Secretairen für die Btatsperiode 1896/97 wurden die Herren 
Geh. Regierungsrath Professor Dr, Th, Poleek und Professor Dr. 
Hintze wiedergewählt, 


Allgemeiner Bericht. 7 


Die botanische Section 
hielt im Jahre 1895 8 Sitzungen, 
Zu Secretairen für die Etatsperiode 1896/97 wurden die Herren 
Geh. Regierungsrath Professor Dr. Ferdinand Cohn und Professor 
Dr. Chun gewählt. 


Die historische Section 
hielt im Jahre 1895 4 Sitzungen. 
Zu Secretairen wurden für die Etatsperiode 1896/97 die Herren 
Direetor Professor Dr. Reimann, Professor Dr. Krebs und Professor 
Dr. phil. Kaufmann gewählt. 


Die Section für Staats- und Rechtswissenschaft 
hielt im Jahre 1895 3 Sitzungen. 
Zu Secretairen für die Etatsperiode 1896/97 Be die Herren 
Professor Dr. Elster, Staatsanwalt Dr. jur. Keil, Geh. Commerzienrath 
Leopold Schöller Ad Reichsbank-Director ee gewählt. 


Die Section für Obst- und Gartenbau 
hielt im Jahre 1895 8 Sitzungen. 

Zum Seecretair für die Etatsperiode 1396/97 wurde Herr Geheimer 
Justizrath Biernacki, zu dessen Stellvertreter Herr Garten- Inspector 
J. Hölscher und in den Verwaltungsvorstand die Herren Buchhändler 
Max Müller, Obergärtner Schütze und Apotheker Mortimer 
Scholtz gewählt. 


Bericht über die Bibliothek. 


Die im Laufe des Jahres 1893 der Schlesischen Gesellschaft zu- 
gegangene Litteratur setzt sich, wie in früheren Jahren, zusammen: aus 
den Gegensendungen der Akademien, Gesellschaften ete., mit denen die 
Schlesische Gesellschaft in Schriftenaustausch steht, ferner aus Ge- 
schenken von Behörden und Privatpersonen und aus den von der Buch- 
handlung Trewendt & Granier hier abgelieferten Schriften des bo- 
tanischen Lesezirkels. 

Diese Zugänge zur Bibliothek wurden nach laufenden Nummern 
gebucht und gemäss dem Vertrage vom 15. Juli 1886 den Vertretern 
der Königlichen und Universitätsbibliothek an vier Terminen zur Ver- 
_ waltung übergeben, nämlich: 

1. am 17. April 1895 Nr. 4399—4579, 

2. am 11. Juli 1895 Nr. 4580—4734, 

3. am 17, October 1895 Nr. 4735—4919 und 
4. am 16. Januar 1896 Nr. 4920—5090, 


s Jahresbericht der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. 


An allen vier Terminen fungirte als Vertreter der Königlichen und 
Universitätsbibliothek Herr Ober-Bibliothekar G. d. Boor. 
Im Laufe des Jahres sind dem Schriftentausch unserer Gesellschaft 
neu zugetreten: 
1. California Academy of Sciences. San Francisco Cal., 
2. Norske Folkemuseum in Christiania (Norwegen), 
3. Akademischer Verein Deutscher Historiker in Wien, 
4, Entomologiska Föreningen in Stockholm. 
G. Limpricht. 


Bericht über das Herbar der Gesellschaft. 

Im Laufe des Jahres 1895 wurde der Rest der Gräser und ein 
Theil der Cyperaceen aufgeklebt und theilweise hinsichtlich der Be- 
stimmung revidirt. 

Von Benützern der Sammlungen sind noch Herr Dr. Weberbauer 
und Herr Drd. Fedde zu nennen. 


Breslau, im Januar 1896. 
Th. Schube. 


Bericht über die Kassenverwaltung für das Jahr 1895. 
Am Schlusse des Jahres 1894 war ein Bestand von 51 200 Mark an 
Bifeeten und; 2.1... amt ee 714,37 Mark 
in baar, mithin ein Vermögen von 51 914,37 Mark 
vorhanden. Hierzu traten an Einnahmen im Laufe des 
Jahres, 1895. . , Wodka ni uam. 13 111,90 Mark, 
| 13 826,27 Mark, 
während verausgabt wurden . . . „ 2.2.2..2...13640,41 = 
verbleiben 185,86 Mark, 
welche als baarer Kassenbestand in das Jahr 1896 übernommen werden. 
Von den in dem Depositorio des Rathhauses lagernden 51 200 Mark 
wurden 300 Mark Prämien- Anleihe gekündigt, dagegen 300 Mark 
preussische Consols, ausserdem aus den Ueberschüssen des laufenden 
Jahres 1000 Mark 4procentige schlesische Boden-Oredit-Pfandbriefe an- 
geschafft. 
Das Vermögen der Gesellschaft beträgt somit 52 385,86 Mark und 
hat sich gegen voriges Jahr um 471,49 Mark vermehrt. 
Breslau, den 24. März 1896, 
Max Wiskott. 


Kassen-Abschluss für das Jahr 1895. 


Allgemeine Kasse. 


Einnahme, 
An Bestand aus dem Jahre 1894. . 


An Zinsen von Werthpapieren: 
pro I. Semester . 
un 


” ” 


An gekündigten Werthpapieren 


An Convertirungsprämie auf 2000 A Schlesische Pfandbriefe . 


An Zinsen vom Baarbestand bei der Städtischen Bank. 


An Beiträgen einheimischer Mitglieder: 


pro I. Semester von 357 Mitgliedern & 5 M. 


” ” ») >} 7 9) a 4', M 
ee N 
yR} ») » » 7 vb) a 4"), M 


An Beiträgen auswärtiger Mitglieder: 
pro anno von 154 Mitglieder & 6 M.. 


An Jahres-Beitrag des Provinzial-Ausschusses. 


55 des Magistrats zu Breslau . 


An Miethe pro 1895 des Vereins für Geschichte und Alterthum. 


Aussergewöhnliche Einnahmen: 


2 verkaufte Ergänzungshefte: Partsch, Litteratur der Länder- u. Volkskunde 


2 verkaufte Liederbücher der Schles. Gesellschaft. 


Neu erworbene Werthpapiere: 


4 °, Preuss. consol. Staatsanleihe .. .. .. 300 M 

4 %, Schlesische Bodeneredit-Pfandbriefe . . . 3700 ,„ 
dagegen sind gekündigt und zurückgezahlt: 

3% °, Preuss. Prämienanleihe. . . ..... 300 M 

3‘, ' Oberschles. Eisenbahn-Prioritäten . . . 2700 


EB) 


4000 M 


3000 M 


Werth- 


papiere 
2) 


51200 


1000 


92200 


Baaı 
M u 
7114 | 37 
9771| — 
990 | 50 
3090 | 75 
67|ı — 
A| (6 
1785| — 
a 
1775| — 
3 I 5) 
994 | — 
3000 | — 
00, m 
100 | — 
Ja 
ler > 
19820 027 


Allgemeine Kasse. 
Ausgabe. 


Für Miethe an den Verein christl. Kaufleute inel. Wassergeld. . 
„ Gehalt an den Castellan.. 

„ Honorare und Remunerationen 

„ Pension an Frau Reisler 

„ Heizung. 

» Beleuchtung . DE 
„ Prämie an SER etkChe Feuenversichernng 
„ Schreib-Bedürfnisse . 

„ Zeitungs-Inserate . 

„ Druckkosten . . 
„ Anschaffung von Büchern und Tousnalen 5 
»  Buchbinder-Arbeiten . 

„» Porto-Auslagen . 

„ Kleine Ausgaben . 


„ Beitrag zu den Meuckkosten, von nMeskei, Molluckentange vandehlesten 
an Kern’s Verlag, II. Rate 


„ Zinsen an Castellan Kreusel für seine kirterleste een 


‚„ Beitrag für die Vorarbeiten zum Bau eines Vereinshauses an den 
Breslauer Gewerbe-Verein 


„ gekaufte nom. 300 Mark 4 %, Preisen. Console i : 
„ gekaufte nom. 3700 Mark 4%, Schles. Bodencredit- Pfandbriefe Ser. IV 


Kassenbestand am 31. December 189 . 


Effeeten-Bestand am 31. December 1895: 


3'/, % Oberschl. Eisenb.-Prior. Litt. E. 2700 .M | gekündigt und 
3‘), %, Preuss. Prämien-Anleihe . . 300 .# ) zurückgezahlt. 
4%, „ eonsol. Staats-Anleihe. 3 
a 
. an Aanıkerenien Pfandbriefe 
3% 2b) ”) 
Schlesische Bankverein- Anteil 
3'/, °) Posener Pfandbriefe. 
4°, Schlesische Bodeneredit- Pfandbriefs Ber, Iv 
Neu erworben: 
4 °), Preuss. consol. Anleihe . .. . i 
4 °/, Schlesische Bodencredit- dbnete Litt. ıv ; 


Max Wiskott, z. Z. Schatzmeister der Gesellschaft. 


Werth- | B 
papiere BE 


er. Ber er. 
| 
— 1800, 
1200 
jan De 
22 150 | — 
mn 163 | 99 
Pr 194 | 66 
E* 26| — 
en 971% 
> 170 | 80 
= a 
5 in 
RS 205 | 59 
Eu 304 | 32 
Anh 442 | 60 
er 150. — 
#3 10) = 
> 0) — 
ee 317 | 10 
Eee 
2 185 | 86 
22000 
15900 
2000 
2000 
300 
4000 
2000 
300 
3700 | 
5220013826 |, 27 


Geprüft und richtig befunden: Albert Holz, z. Z. Revisor der Gesellschaft. 


Voranschlag der Einnahmen und Ausgaben der Allgemeinen Kasse für die Jahre 1896 und 1897. 


1896 1897 
en 

Einnahmen. Mark, Mark. Ausgraben. Mark. 
I Zinsen vons\Verihpapieren 2... 1940 1940 a1, Miethersess 2 EI AE RER 1860 
la Vieroitungenen Sa. ee 300 

I. | Beiträge: 
N Si ueae II. | Gehalt dem Castellan und Pension .................... 1350 
WVl# Neuwjahreseschenkeg m. .....2... 0 a 9 
in BLUE WE ee u nn VerilsRürs Heizung ss... ee 280 
III. | Beitrag des Provinzial-Ausschusses jährlich ....... ..... 3000 3000 UT Beleuchtunesren. „ee 230 
VII. | Unterhaltung der Mobilien, Neu-Anschaffungen .......... 50 
DAR anne Deiinp zuce PPlapiettalen nn ee nee see nr 2 NINE ORlenerSVfensicherunas Gebühr re 26 
V. | Miethe vom Verein für Geschichte und Alterthum Schlesiens 100 100 IS OBuggSchreibbeganiesen. ‚ur. Seren ee 50 
Re Zeitungs Anzeigenesen . . 2. ee as 180 
N NE N ea ae rar 2 ” Xu Druokkosten al. een 2500 
IT Buchbinderarbeitenwen . rn me 150 
ROT Boris ae en a nee a ee Meta 250 
DEINZS | Kleines Ausgaben... 2.00 Rs RE: 250 
DU. Rün verschiedenesSechonen. . 2.2... 2 mes 300 
SV. Bibliothek g..y. sr . La A 500 
XV Il Unyorhergesehene Ausgaben 2 2... 2.2... 2... 300 
Summa der Einnahmen | 9890 | 9890 Summa der Ausgaben | 8585 


Breslau, den 9. December 1895. 


Das Präsidium der Schlesischen Gesellschaft für vaterländische Cultur. 
R. Heidenhain, G. Bender, Keil, Ponfick, Max Wiskott, 


Präses. Vice-Präses. General-Secr. zweiter Gen.-Secr. Schatzmeister. 


Kassen- Abschluss der Section für Obst- und Gartenbau für das Jahr 1895. 


Effecten 
Einnahmen. ı 
An Vortrag aus Rechnung 1894 27600 
„ Mitglieder-Beiträgen: 
107 Beiträge für 1895 == 
„ Garten-Erzeugnissen: 
Verkaufte Baumschul-Artikel . 5519 #4 80% 
5 Blumen, Obst und Gemüse Sal AO — 
„ Subventionen: 
Subvention vom Schles. Provinzial-Ausschusse für 1895. —ı 
„ Zinsen: 
31, %, vom 1./10. 1894 bis 30.9. 1895 von 
1800 MH Preuss. Consols EM — % 
4 %/, vom 1./10. 1894 bis 30./9. 1895 von 3000 M 
Schlesische Bodencredit-Pfandbriefe Ser. IV. 120 „ — , 
3%, %, v. 1./10. 1894 bis 30./11. 1895 von 3000 .M 
Oberschl. Eisenb.-Prioritäts-Obligat. Litt. E. 122 ,„ 50 „ 
4%, für 1895 von 8000 4 Schlesische Boden- 
eredit-Pfandbriefe. 320m, =, 
4 %, für 1895 von 3800 M Prenestsehe Consols la 
31 % für 1895 von 5000 MM Preussische 
Central-Pfandbriefe Kür, — 5 
3, %, für1895 I.Sem.v. 3000 M Schl. Pfandbriefe Domes 
3%, für 1895 II.Sem. v. 30004 ,, ” 45 5, — 
3%, % für 1895 von 3000  Schlesische 
Bodeneredit-Pfandbriefe . : DIESE, 
Zinsen auf Rechnungsbuch der Schles Dandach. 
Bank für 1895 . 50, 75 ” 
»  Verschiedenem: 
Valuta für gekündigte Oberschl. Eisenb.-Prior. Lit. E. 3000 M 
Convertirungsprämie von 3, %/, auf 3 %, für 3000 M 
Scehlesische Pfandbriefe . NUDE a 
„ Lesezirkel: 
20 Beiträge für 1895 a3 M. _ 
„ #ffeeten: 
Für neu angeschaffte Schlesische Bodeneredit-Pfandbriefe Ser. III | 6000 
33600 


Baar 


M 


1891 


476 


1153 


14686 


N 


69 


25 


90 


Ausgaben. 


Für den Garten: 


Görtnergehalt, Heizung und Beleuchtung 1704 M 56 
Arbeitslöhne . 2448 „ 21 
Dungstoffe . MO 0 
Wildlinge und Kdelreiner a 20220 
Baulichkeiten, Utensilien etc. 416 „ 74 
Porti, Steuern etc.. 228. 90 
„ den Lesezirkel: 
Colportage . 120 M — 
Buchbinderarbeit 2908 
Journale . 92, — 
» Insgemein: 
Gekaufte 6000 #% Schlesische 3 '/, /, Bodencredit- 

Pfandbriefe 8. III inel. St. und Zinsen . 6153 M 45 
Aufbewahrungsgebühr für Effeeten . Tome ll 
Gratis-Sämereien-V ertheilung : Id 20 
Druckkosten-Antheil am Tahresbericht Re 
Prämien, Beiträge, Inserate, Porti ete. . lose 4 


„  Eiffeeten: 
Gekündigte Oberschles. Prioritäts-Obligationen Litt. E. . 


Cassa-Bestand im Vortrage. 


Effecten-Bestand im Vortrage: 


31, %, Preussische Consols e 1800 M — 
4 °/, Sehlesische Bodeneredit-Pfandbriefe. 11000 „ — 
4 %, Preussische Consols. ; 3800 „ — 
3", %, Landschaftliche Central- en. 5000 „ — 
3 °%, Sehlesische Pfandbriefe . 3000 „ — 
3", ° Schles. Bodeneredit-Pfandbriefe 6000 „ — 


Max Müller, 
z. 7. Kassenvorsteher. 


Effeeten 
M 


30600 


33600 


Baar 

NM N 
5269 67 

241 | 68 
6722| 23 
| 8 
14686 | 90 


Verzeiehniss 


sämmtlicher 


Mitglieder der Schlesischen Gesellschaft 
für vaterländische Cultur. 


Bor die Htatreı von 1e96 und Is 


Die römischen Ziffern hinter den Namen bezeichnen die Sectionen (I. die medi- 
einische, II. die hygienische, III. die naturwissenschaftliche, IV. die zoologisch- 
botanische, V. die historische, VI. die Section für Staats- und Rechtswissenschaft, 
VI. die entomologische, VII. die archäologische, IX. die Section für Obst- und 
Gartenbau, denen die betreffenden Herren beigetreten sind. Die Sitzungen der 
einzelnen Sectionen werden jedesmal durch die Zeitungen bekannt gemacht; 
übrigens haben nach $ 5 der Statuten alle Mitglieder der Gesellschaft das Recht, 
an denselben theilzunehmen. 


Präsidium der Gesellschaft. 


A. Vollziehender Ausschuss. 


Herr Geheimer Medicinalrath, Professor, Dr. Heidenhain, Präses. 

— Oberbürgermeister G. Bender, Vice-Präses. 

— Staatsanwalt Dr. jur. Keil, General-Secretair. 

— Geheimer Medieinalrath, Professor, Dr. Ponfick, zweiter General- 
Secretair. 

— Kaufmann und Fabrikbesitzer Max Wiskott, Schatzmeister. 


B. Direetoren. 
Herr Cohn, Ferdinand, Dr., Geheimer Regierungsrath und Professor. 
— Förster, Dr., Geheimer Medieinalrath und Professor. 
— Grempler, Dr., Geheimer Sanitätsrath. 
— Grünhagen, Dr., Geheimer Archivrath und Professor. 
— Körner, Th., Dr. med, 
— Ladenburg, Dr. Geheimer Regierungsrath und Professor. 
— Milch, H., Stadtrath, Director. 


i0 Jahresbericht der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. 


Herr Müller, J., Apothekenbesitzer. 
— Polleck, Dr., Geheimer Regierungsrath und Professor, 
— Schöller, Leopold, Geh. Commerzienrath. 


C. Secretaire der Sectionen. 
Herr Asch, $., sen. Dr. med., Secretair der medic. Section. 


-—— Biernacki, Geh. Justizrath, Secretair der Section für Obst- und 


Gartenbau. 


— Born, Dr., Professor und Prosector, Secretair der medic. Section. 
— Buchwald, Dr., Professor, Primärarzt, Secretair der medieinischen 


Section. 


— Chun, Dr., Professor, Secretair der zoologisch-botanischen Section. 
— Cohn, Ferd., Dr., Geheimer Regierungsrath, Professor, Seeretair 


der zoologisch-botanischen Section. 


-- Cohn, Hermann, Dr., Professor, Secretair der hygien. Section. 
— Elster, Dr., Professor, Secretair der Section für Staats- und 


Rechtswissenschaft. 


— Flügge, Dr., Geheimer Medieinalrath, Professor, Secretair der 


hygienischen Section. 


— Hintze, Dr., Professor, Seceretair der naturwissenschaftlichen Section. 
— Jacobi, Dr., Sanitätsrath, Königlicher Polizei-Stadt-Physikus von 


Breslau, Seeretair der hygienischen Section. 


— Kaufmann, Dr. phil., Universitäts - Professor, Secretair der 


historischen Section. 


— Keil, Dr. jur., Staatsanwalt, er der Section für Staats- und 


eeleenschaft. 


— Krebs, Dr., Professor, Secretair der historischen Section. 


— Mannowsky, Reichsbank-Direetor, Secretair der Section für 


Staats- und Rechtswissenschaft. 


— Mikulicz, Dr, Geheimer Medieinalrath und Professor, Secretair 


der medien Section. 
— Neisser, Dr. med., Professor, Geheimer Medieinalrath, 
der nediorndehen Section. 


Secretair 


— Poleck, Dr., Geh. Regierungsrath und Professor, Seeretair der 


natur irensohättänen Section. 


— Ponfick, Dr., Geh. Medieinalrath und Professor, Beenkiuie der 


medicinischen Section. 


— Reimann, Dr., Geh. Regierungsrath, Professor, Ehren-Mitglied, 


Secretair Br historischen Section. 


— Schöller, Leopold, Geh, Commerzienrath, Beeseien der Section 


für Ban und Rechtswissenschaft. 


D. Als Rechnungs-Revisor: 
Herr Holz, Albert, Banquier. 


Mitglieder-Verzeichniss. 11 


E. Für die Bibliothek und die Museen. 


Herr Galle, Dr., Geheimer Regierungsrath, Professor. 
— Limpricht, Oberlehrer an der evang. Realschule II, Custos der 


Bibliothek. 


— Bchube, Dr., Oberlehrer am Realgymnasium am Zwinger, Custos 


der Herbarien und der naturwissenschaftlichen Sammlungen. 
Beamte: Kreusel, Castellan, Blücherplatz 16 (alte Börse). 


Die Bibliothek ist jeden Mittwoch von 3—5 Uhr, das Herbarium 


jeden Donnerstag von 3—5 Uhr Nachmittags geöffnet. 


Namen und Wohnungen der einheimischen Mitglieder. 
1. Herr Abel, J., Dr. phil., Privatdocent, Ill. 1892, Universität, 


2. 


15. 


16. 


chem. Institut. 

Adler, A., Dr. med., I. II. III. IV. 1892, Neue Schweid- 
nitzerstr. 13. 

Agath, Georg, Kaufmann, II. IX. 1891, Höfchenerweg, 
Asath’sche Villa. 

Ahrens, F,, Dr. phil., Univers.-Professor, III. 1892, Kron- 
prinzenstr. 52. 

Alexander, Dr. med., Privatdocent, I. II. 1885, Bahnhof- 
strasse 7. 

Alexander, H., Dr. phil., III. 1892, Königsplatz 8 (Berlin). 

Alexander, Dr., Reg.- u. Medieinalrath, I. II. III. IV. 1895, 
Augustastr. 66. 

Alexander, Carl, Dr. med., I. II. III. 1895, Ring 28. 

Anderssohn, A,, sen., Kaufmann, III. 1888, Anderssohn- 
strasse 9. 

Asch, $., sen., Dr. med., I. II. 1857, Klosterstr. 1. 

Asch, Robert, Dr. med., Primärarzt, 1. II. 1890, Nikolaistadt- 
graben 18. z 

Auerbach, L., Dr. med., Univers.-Professor, I. II. IIL. IV. 
1856, Agnesstr, 2. 

Auras, R., Kaufmann, II. III. IV. 1892, Zimmerstr. 5/7. 

Baenitz, C,, Dr. phil., Privatgelehrter, I. II. III. IV. 1895, 
Fürstenstr. 22. 

Barth, A., Dr. med., Univers.-Prof., Director der Klinik für 
Ohren-u. Kehlkopfkrankheiten, I. II. III.IV. V. 1895, Paulstr. 33. 

Baum, H., Redaeteur und Rittergutsbesitzer, II. VI. 1889, 
Charlottenstr. 18. 


Jahresbericht der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. 


17. Herr Baumm, P., Dr. med., Director der Provinzial-Hebammen- 


18. 


19: 
20. 
21. 


22. 
23. 


24, 
25. 
26. 
27. 


28. 
AB) 
30. 


31. 
32. 


33. 
34. 
39. 
36. 


37, 


38. 
39. 


40. 
4]. 
42. 


43. 
44, 


45. 
46, 


Lehranstalt, I. II. IX. 1895, Kronprinzenstr, 23/25. 

Bauch, G., Dr. phil., Professor, Oberlehrer, V. 1883, Ohlau- 
ufer 32a. 

Beck, Arthur, Kaufmann, VI. 1893, Neue Taschenstr. 31. 

Becker, Directorial-Assistent, VIII. 1886, Berlinerstr. 56a. 

Bender, Oberbürgermeister, II. V. VI. VII. 1891, Museums- 
strasse 7. 

Berliner, M., Dr. med., I. II. 1896, Friedrich-Wilhelmsstr. 72. 

Bielschowsky, Emil, Dr. med., I. II. 1889, Neue Schweid- 
nitzerstr. 4. 

Biernacki, Geh. Justizrath, IV. IX. 1892, Monhauptstr. 18. 

Blankenheim, H., Apotheker, II. III. 1893, Monhauptstr. 1a, 

Bluhm, W., Apotheker, II. III. IV. 1875, Tauentzienstr. 32b. 

Bobertag, Dr. phil., Professor, Oberlehrer, V. 1872, Lehm- 
damm 60. 

Bobrecker, G., Dr. med., I. II. 1896, Matthiasplatz 15. 

Bodmann ‚Herm,, Pianist und Director, IV. 1895, Königsstr. 5. 

Böhme, Dr. med., Generalarzt 1. Kl. des VI. Armee-Corps, 
I. II. IV. V, 1893, Kaiser Wilhelmstr. 106. 

Boenninghaus, G., Dr. med., I. HI. 1895, Moltkestr. 15. 

Böttner, F., Dr. phil, Gymnasial-Oberlehrer, V. 1893, 
Breitestr. 19. 

Born, Dr. med., Professor und Prosector, I. IV. 1875, 
Zimmerstr. 5/7. 

Bornemann, Geh. Ober-Regierungsrath, V. VI. 1889, Ber- 
linerstr. 77. t 

Braem, F., Dr. phil., Privatdocent, IV. 1895, Matthiasplatz 16. 

Brieger, Oscar, Dr. med., Primärarzt, I. II. 1892, Königspl. 2. 

Bröer, Max, Dr. med., Sanitätsrath, I. II. III. VIII. 1874, 
Carlsplatz 3. Ri 

Brössling, C., Stadtrath, VI, 1896, Ohlauer Stadtgraben 6. 

Bruck, Julius, Dr. med., Univers.-Professor, I. II. III. 1871, 
Schweidnitzerstr. 27. 

Bruck, Leonh., Banquier, VI. 1880, Carlsstr. 7. 

Büchler, Oskar, Dr. med., III. 1885, Carlsstr. 45. 

Buchwald, Dr. med., Professor, Primärarzt, I. II. IV. 1878, 
Neudorfstr. 5. 

Burchardt, Dr. med., Sanitätsrath, I. Il. 1873, Forcken- 
beckstr. 11. 

Burgfeld, Louis, Rentier, III. V. 1892, Tauentzienplatz 8. 

Callomon, P., Dr. med., I. II. 1893, Paulstr, 19. 

Caro, Georg, Dr. jur., Kaufmann, VI. 1877, Berlin. 


Mitglieder-Verzeichniss. 13 


47. Herr Caro, Siegmund, Dr. med., Sanitätsrath, I. II. 1868, Garten- 


strasse 0. 

Caro, Jacob, Dr. phil., Univers.-Professor, V. 1886, Kaiser 
Wilhelmstr. 97. 

Chotzen, M., Dr. med., I. II. 1888, Tauentzienplatz 1b. 

Chun, C., Dr., Universitäts- Professor, Direetor des zoolo- 
gischen Museums, III. IV. 1891, Heiligegeiststr. 13. 

Cohn, Ferdinand, Dr. phil. et med., Geh. Regierungsrath, 
Professor, Director des pflanzenphysiologischen Instituts, 
II. II. IV. IX. 1852, Tauentzienstr. 3a. 

Cohn, Hermann, Dr. med. et phil., Universitäts- Professor, 
I. II. III. 1864, Schweidnitzerstadigraben 25. 

Courant, Georg, Dr. med., I. II. II. V. 1895, Tauentzienpl. 8. 

Cramer, Ernst, Dr. med., I. U. II. 1892, Zimmerstr. 11. 

Cramer, F., Regierungs- und Baurath, U. IH. V. 1893, 
Palmstr. 23. 

Creutzberger, $., Dr. med., I. II. V. 1892, Höfchenstr. 12. 

Croce, Richard, Dr. med., I. II. 1894, Paulstr. 12. 

Czerny, A., Dr. med., Professor, Director der Universitäts- 
Klinik für Kinderkrankheiten, I. II. 1895, Gr. Feldstr. 16. 

Dittrich, Fürstbischöfl. Ober-Consistorialrath, V. VI. 1863, 
Domplatz 2. 

Dittrich, C., Dr. med., Sanitätsrath, I. II. 1893, Alexander- 
strasse 12. 

Dittrich, Rudolph, Professor, Oberlehrer, IV. 1896, Paulstr. 15. 

v. Dömming, Alfred, Regierungsrath, VI. 1893, Gr. Feld- 
strasse 10b. 

Diresidnier, "M., Dr. mied., 1. II. 11.1893, Scheitnigerstr. 9. 

Drobnig, M., Dr. phil., Apothekenbesitzer, I. II. III. IV. 
1894, Ring 44. 

Dyhrenfurth, Dr. med., I. II. 1879, Moltkestr. 10. 

Eckardt, Paul, Dr. med., I. II. IV. 1895, Alexanderstr. 2. 

Eckhardt, Wilhelm, Stadtrath, IV. VI. IX. 1879, Albrechts- 
strasse 37. & 

Ehrlich, Eugen, Kaufmann, II. III. IV. IX. 1879, Schweid- 

nitzerstadtgraben 16. 

Ehrlich, J., Kaufmann, II. III. IV. V. VI. 1889, Sadowa- 
strasse 37. 

Eicke, Dr. med,, Sanitätsrath, Besitzer einer Irren- Anstalt, 
I. U. 1881, in Pöpelwitz. 

Eidam, Eduard, Dr. phil, Universitäts- Professor, Director, 
If. IV. VII. 1875, Matthiasplatz 6. 

Eitner, Eugen, Kaufmann, III. IV. 1895, Vorwerksstr. 8. 


14 


Jahresbericht der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. 


73. 


82. 


83. 
84. 
85. 


56. 
37. 


88. 
89. 
90. 
Hl. 
92. 
93. 
94, 


95. 


96. 
97. 


Herr 


Elias, Dr. med., Geh. Sanitätsrath, I. II. 1875, Kaiser 
Wilhelmstr. 18. 

Elster, Dr. phil., Universitäts - Professor, V. VI. 1888, 
Vietoriastr. 14. 

Engel, Herm., Dr. med., I, II. 1894, Klosterstr. 7. 

Ephraim, A., Dr. med., I. II. 1895, Tauentzienstr. 26. 

Freiherr von Falkenhausen, Rittmeister a. D., VL. 1877, 
Wallisfurth bei Glatz. 

Fendler, Justizrath, Rechtsanwalt und Notar, VI. 1881, 
Palmstr. 27. 

Fiedler, Dr. phil., Direetor der Königl. Ober- Realschule, 
II. III. 1859, Lehmdamm 3. 

Fischer, B., Dr. phil., Director, I. III. 1892, Paulstr, 38. 

Flügge, Dr. med., Geh. Medieinalrath, Professor, Director 
des hygienischen Instituts, I. II. 1887, Ohlauerstadtgraben 16. 

Förster, Dr. med., Geh. Medieinalrath, Professor, Director 
der ophthalmiatrischen Klinik, I. I. III. 1855, Ohlauerstadt- 
graben 17/18. 

Foitzick, M., Geh. Ober-Bergrath, IH. IV. V. 1890, Moritz- 
strasse 13. 

Fränkel, Ernst, Dr. med., Univers.-Professor, 1. II. 1571, 
Tauentzienstr. 67. 

Fränkel, Gustav, Dr. med., Sanitätsrath, I. II. 1874, Neue 
Schweidnitzerstr. 16. 

Frank, H., Rentier, III, IV. V. IX. 1890, Kaiser Wilhelmstr. 93. 

v. Frankenberg-Proschlitz, Geh. Reg.- und Curatorial-Rath, 
SINE SRVENVE1893, Menessir 8. 

Frech, F., Dr. phil., Brenn, a, des palunntolosrschen 
Instituts, II. IV. 1893, Neudorfstr, ja 

Freund, 2@ 2. Draamed ara N 1889, Schweidnitzer- 
stadtgraben 27. = 

Freund, Geh. Justizratb, Rechtsanwalt und Notar, Stadt- 
verordnetenvorsteher, V. VI. 1865, Schweidnitzerstadtgr. 20. 

Freund, J., Dr. jur., Amtsgerichtsrath, VI. 1894, Kaiser 
Wilhelms? 68. 

Freund, P., Dr., prakt. Zahnarzt, I. II. III. IV. 1894, Neue 
Schwitänikreiehr. 12. 

Fridrichow.iez, Apotheker, III. IV. 1888, Scheitnigerstr. 44. 

Friedenthal, A., Kaufmann, VI. 1837, Salvatorplatz 8. 

Friedlieb, Dr. theol., Univers.-Professor, V. 1847, Schmiede- 
brücke 35. 

Friese, F,, Stadt-Bau-Inspector, I. II. III. 1894, Goethestr. 12. 

Fritsch, Apothekenbesitzer, II. III. 1887, Blücherplatz 3, 


Mitglieder-Verzeichniss. 15 


98. Herr Galle, Dr. phil, Geh. Reg.-Rath und Professor, Direetor 


I 
100. 


101. 
102, 


103. 
104. 


105. 
106. 
107. 
108. 
102 


1), 
Ual- 


12 
113. 
114. 


115. 
116. 


INT; 
118. 


RI. 
120. 
121. 


122. 
123. 


124, 
125, 


126. 


der Universitäts-Sternwarte, Ill. 1852, Universität. 
Geisler, C., Dr. phil., III. VI. 1894, Augustastr. 14a. 


_Gellner, Dr. med., Kreiswundarzt, I. I. III. IV. 1892, 


Claassenstr. 3. 

Ginsberg, S., Dr. ıned., I. II. 1895, Kaiser Wilhelmstr. 3. 

Goldschmidt, Michael, Kaufmann, VI. IX. 1870, Freiburger- 
strasse 24. 

Goldstein, A., Dr. med., I. II. III. 1889, Claassenstr. 19. 

Goldstein, A., Kaufmann, V. VI. 1889, Kaiser Wilhelm- 
strasse 66. 

Goldstein, J., Kaufmann, V. VI. 1889, Kaiser Wilhelm- 
strasse 66. 

Grempler, Dr. med., Geh. Sanitätsrath, I. 1854, Gartenstr. 46. 

Groche, M., prakt. Stenograph, V. VI. 1892, Klosterstr. 6. 

Groenouw, A., Dr. med., Privatdocent, I. II. III. IV. 1893, 
Carlsstr. 1. 

Grosspietsch, J., Commissionsrath und Hoflieferant, V. VI. 
1887, Schweidnitzerstadtgr. 22. 

Grünberg, J., Dr. med., I. II. 1896, Enderstr. 21. 

Grünhagen, Dr. phil., Geh. Archivrath und Professor, 
V. VI. 1851, Neue Taschenstr. 17. 

Grünhagen, Wilh., Rentier, II. III. IV. 1881, Moritzstr. 7. 

Grüttner, Oskar, Kaufmann, V. VI. IX. 1883. Ring 41. 

Grüttner, Curt, Regierungsrath, III. V. VI. 1890, Kaiser 
Wilhelmstr. 70. 

Grüttner. Richard, Kaufmann, II. 1896, Blumenstr. 6. 

Grützner, General-Landsch.-Syndikus, V. VI. 1892, Taschen- 
strasse 18. 

Grund, Max, Kaufmann, VI. 1880, Kaiser Wilhelmstr. 22. 

Gürich, G., Dr. phil., Oberlehrer und Privatdocent, IH. IV. 
1895, Matthiasplatz 10. 

Guhrauer, Leopold, Dr. med., I. II. 1895, Zimmerstr. 23. 

Haber, Siegfried, Kaufmann, 11. V. VI. IX.1887, Neuegasse 13a. _ 

Härtel, H., Fabrikant chirurg. Instrumente, I. II. 1873, 
Weidenstr. 33. 

Härtel, G., Bandagist, I. II. 1896, Thiergartenstr. 63. 

Hainauer, Julius, Commissions-Rath, Buchhändler, II. V. 1871, 
Schweidnitzerstr. 52. 

Hamburger, E., Dr, med., I. II. 1895, Junkernstr. 7. 

Hancke, Dr. jur., Geriehts- Assessor, VI. 1890, Tauentzien- 
platz 11. 

Hannes, Dr. med., I, I. 1873, Albrechtsstr. 30. 


Jahresbericht der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. 


Hartmann, A., Mathematiker, III. IV. 1892, Salzstr. 17. 
von Haugwitz, Rüdiger, Regierungsrath, III. IV. 1892, 
Matthiasplatz 14. ! 

Hecke, Oscar, Dr. med., I. 1880, Blumenstr. 4., 

Hecke, H., Justizrath, Rechtsanwalt und Notar, V. VI. 1893, 
Zwingerstr. 5. 

Heckel, Hans, Dr. med., I. II. V. 1895, Gartenstr. 40. 

Heffter, Emil, Director, III. V. 1895, Kronprinzenstr. 44, 

Heidenhain, Dr. med., Geh. Medieinalrath, Professor, Director 
des physiologischen Instituts, I. II. II. IV. VI. 1859, 
Ohlauerstadtgraben 16. 

Heilborn, Max, Dr. med., I. I. 1876, Junkernstr. 12. 

Heilbrunn, $., Dr. med., I. II. 1892, Gräbschneirstr. 3, 

Heimann, Dr. med., I. II. 1877, Telegraphenstr. 7. 

Heimann, Geh. Commerzienrath und Banquier, VI. 1885, 
Ring 33. 

Heller, Dr. med., I. III. 1853, Taschenstr. 7. 

Hensel, Paul, Stadtgerichtsrath a. D.,, HI. V. VI. 1877, 
Garvestr. 16. 

Herrmann, E. Dr. med. I. I. III. IV. 1994, Friedrich- 
Wilhelmsstr. 76. 

Hieirz,, E., Dr’Smed., 11.21.111.21896)2Gartenstr2 Ge 
Heydweiller, A., Dr. phil., Universitäts- Professor, II. III. 
IV. V. 1895, Salowastr. 50. 

Hiller, Dr. med., Stabsarzt a. D., Privatdocent, I. II. 1883, 
Friedrich-Wilhelmsstr. 71. 

Hintze, Dr. phil., Professor, Direetor des mineral. Museums, 
II. III. IV. 1887, Neue Matthiasstr. 8. | 

Hirt, Ludwig, Dr. med., Universitäts-Professor, I. II. 1871, 
Museumsplatz 3. ; ; 

Hoelscher, J., Königl. Garten-Inspector, IV. IX. 1896, 
Sternstr. 23. 

Holdefleiss, Dr. phil., Professor, Director des landwirth- 
schaftlichen Instituts, II. III. IV. 1879, Rosenthalerstr. 1b. 

Holz, Albert, Banquier, V. VI. 1887, Gartenstr. 20. 

Honigmann, Dr. jur., Rechtsanwalt, VI. 1887, Carlsstr. 28, 

Hübner, Gen.-Landsch.-Syndikus a. D., Geh. Regierungsrath, 
V. VI. 1854, Gartenstr. 109. 

Hübner, A., Stadtrath u. Kaufmann, V. 1856, Albrechtsstr. 51. 

Hürthle, Dr. med., Universitäts-Professor, I. II, IH. IV. 1893, 
Palmstr. 3. 

Hulwa, Franz, Dr. phil., vereid. Chemiker, II. II. IX, 1871, 
Tauentzienstr. 68, 


Mitglieder-Verzeichniss. 17 


154. Herr Jacobi, J., Dr. med., Professor, Sanitätsrath, Polizei-Stadt- 


155. 
156. 


157. 
158. 
159. 


160. 
161. 
"62. 


163. 
164. 
165. 
166. 
167. 


168. 
169. 
170. 


EN, 
172. 
173. 
174. 
175. 
176, 


Kür. 


178. 
E49. 


180. 


181. 
182. 
183. 
184. 


Physikus, I. II. 1874, Moltkestr. 18. 

Jänicke, Arthur, Dr. med., I. II. 1880, Gartenstr. 75. 

Jadassohn, Dr. med., Primärarzt, I, I. Ill. 1892, Königs- 
platz 7. 

Jllner, R., Dr. med., I. II. 1894, Friedrich-Wilhelmsstr. 2a. 

Joachim, A., Dr. med., I. II. 1876, Alexanderstr. 21. 

Jonas, V., Dr. phil., Zahnarzt, I. II. III. IV. 1893, Neue 
Taschenstr. 1a. 

Jttmann, Ludwig, Dr. med., I. II. 1895, Schmiedebrücke 54. 

Jünger, A., Buchhändler, 11l. IV. VI. 1884, Breitestr. 1. 

Juliusburger, Eduard, Dr. med., I. I. 1874, Neue Schweid- 
nitzerstr. 17. 

Junger, Ernst, Gärtnereibesitzer, IV. 1872, Lehmdamm 34. 

Jungmann, Dr. med., I. II. 1894, Tauentzienstr. 6a. 

Just, Emil, Apotheker, III. IV. 1893, Matthiasplatz 2. 

Kamm, M., Dr. med., I. II. III. 1890, Matthiasplatz 1. 

Kast, Dr. med., Professor, Direetor der medicinischen Klinik 
und Poliklinik, I. II. III. 1892, Neue Taschenstr. 32. 

Kaufmann, E., Dr. med., Universitäts-Professor, I. II. 1895, 
Forckenbeckstr. 10. 

Kaufmann, Georg, Dr. phil., Universitäts-Professor, V. 1895, 
Rosenthalerstr. 1b. 

Kauffmann, $., Kaufmann und Fabrikbesitzer, VI. 1887, 
Tauentzienplatz 3a. 

Kayser, Dr. med,, I. I. VI. 1884, Tauentzienstr. 1. 

Keil, Dr. jur., Staatsanwalt, V. VI. 1887, Augustastr. 5i. 

Keil, Fr., Geh. Baurath, VI. 1892, Kaiser Wilhelmstr. 81. 

Kemna, Julius, Fabrikbes., VI. 1880, Kaiser Wilhelmstr. 64. 

Kempner, Dr. med., Sanitätsrath, I. II. 1373, Tauentzienpl. 15. 

Kiesewalter, Dr. med., Oberstabsarzt und Regimentsarzt, 
I. II. III. 1892, Grosse Feldstr. Ile. 

Kirchner, Dr. med., Generalarzt a. D., I. II. 1892, Kaiser 
Wilhelmstr. 118. 

Kirsch, Oberst z. D., III. 1885, Moritzstr. 25. 

Kleinwächter, W., Dr. med., I. I. III. 1893, 'Tauentzien- 
strasse 738. 

Kleudgen, Dr. med., Heilanstaltsbesitzer, I. II. 1881, 
Tauentzienplatz 11. 

Kny, Dr. phil., Prof., Direetor, 1V.1869, in Wilmersdorfbei Berlin. 
Kobligk, Staatsanwalt, V. VI. 1892, Sadowastr. 40. 

Kobrak, Georg, Dr, med,, I. I. 1892, Königsplatz 3b. 

Köbner, Hugo, Dr. med,, I. II. 1880, Schweidnitzerstr. 9. 

2 


18 


Jahresbericht der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. 


185. Herr Köhler, General-Lieutenant a. D., Excellenz, V. 1874, 


204. 


205. 


Gartenstr. 104. 

Körber, W., Dr. phil., Gymnasial-Oberlehrer, V. 1883, 
Palmstr. 10. 

Körner, Theodor, Dr. med., I. II. 1875, Claassenstr. 7. 

Körner, Paul, Fabrikbesitzer, II. 1885, Kaiser Wilhelmstr. 42. 

Kohn, Richard, Dr. med., I. II. 1884, Telegraphenstr. 9. 

Kohn, $., Dr. med., I. II. III. 1893, Tauentzienstr. 2. 

Kolaczek, Dr. med., Universitäts-Professor, I. II. 1875, 
Kaiser Wilhelmstr. 58. 

Kolbenach, F., Staatsanwalt, VI. 1888, Nikolaistadter. 25. 

Kopisch, Stadtrath u. Kaufmann, III. IV. IX. 1889, Ernststr. 4. 

von Korn, H., Stadtältester und Verlagsbuchhändler, IV. IX. 
1853, Schweidnitzerstr. 47/48. 

Krause, Robert, Dr. med., I. Il. 1890, Ring 26. 

Krause, Max, Dr. med., I. II. 1894, Bohrauerstr. 12. 

Krebs, Dr. phil., Professor, Oberlehrer, V. 1873, Charlotten- 
strasse 3. 

Krienes, Hans, Dr. med., Stabsarzt, I. II. III. 1893, Goethe- 
strasse 11. 

Kümmel, W., Dr. med., Privatdocent, I. IV. 1895, Ohlauer- 
stadtgraben 18. 

Küntzel, Dr. med., Oberstabsarzt und Regimentsarzt, 1. II. 
III. 1892, Charlottenstr. 16. 

Küstner, Dr. med., Medieinalrath und Professor, Director 
der Geburtshilflichen Klinik, I. I. Ill. 1893, Maxstr. 5. 

Kuhr, Leo, Dr. med., I. II. 1895, Sonnenstr.' 28. 

Kutzleb, Dr. phil., Professor, General-Seeretair des Land- 
wirthschaftlichen Centralvereins, III. IV. VI. IX. 1888, 
Mattbiasplatz 6. 

Kuznitzky, Dr. med,, I. I. Ill. VI. 1892, Neue Taschen- 
strasse 6. 

Ladenburg, Dr. phil, Geheimer Regierungsrath, Professor, 
Director des chem. Instituts, I. III. VI. 1889, Kaiser 
Wilhelmstr. 108. 

Lange, Dr. med., Geh. Sanitätsrath, I. 1853, Ursulinerstr, 5/6. 

Landmann, Dr. med., I. II. 1890, Tauentzienstr. 10, 

Landsberg, P., Dr. med., I. II. 1892, Gneisenauplatz 6. 

Lasch, Otto, Dr. med., I. II. 1895, Ohlauerstr. 45. 

Lasinski, Dr. med., J. II. 1874, Neue Taschenstr. 23. 

Lasker, M., Dr. med., I. II. 1892, Ernststr. 1. 

Leonhard, R., Dr. phil, III. IV. 1893, Schweidnitzer- 
stadtgraben 14. 


Mitglieder-Verzeichniss. - 19 


213. Herr Lesser, Adolf, Dr. med., Prof., Stadt-Physikus, I. II. 1886, 


214. 
215. 


3/16. 
217. 


218. 


232. 


234, 


236. 


237. 
238. 


Kaiser Wilhelmstr. 80. 

Limpricht, G., Realschul-Oberlehrer, IV. 1877, Palmstr. 29. 

Lindenberg, G., Landgerichts-Director, V. VI. 1896, Kron- 
prinzenstrasse 69. 

Lipmann, Ernst, Dr. jur., V. VI. 1895, Tauentzienstr. 3a. 

von Lippa, Lazer, Regier.-Assessor, II. VI. 1893, Charlotten- 
strasse 14. 

Loebinger, Edwin, Dr. med., I. II. III. IV. 1895, Neue 
Taschenstr. 13, 

Loeschmann, E., Dr. phil., III. IV. 1894, Schuhbrücke 38/39. 

Loeser, Dr. med., Kreis-Physikus a.D., I. II. III. IV. 1895, 
Gartenstr. 58. 

Loewenhardt, Felix, Dr. med., I. I. III. 1892, Carlsstr. 1. 

Lühe, W., Amtsgerichtsrath, V. VI. 1884, Bahnhofstr. 17. 

Magnus, Hugo, Dr. med., Univers.-Professor, I. II. 1882, 
Gartenstr. 96. 

Malachowski, E., Dr. med., I. II. 1889, Blumenstr. 6. 

Mannowsky, Reichsb.-Director, II. III. VI. 1891, Wallstr. 11. 
Markgraf, Dr. phil., Professor, Direetor d. Stadt-Bibliothek, 
V. 1865, Rossmarkt 7/9. 

Martins, O., Dr. med., I. II. 1894, Alexanderstr. 56. 

Martini, Dr. med. et phil., Sanitätsrath, II. III. 1871, 
Taschenstr. 25. 

Martius, Georg, Stadtrath, V. VI. 1887, Vorwerksstr. 29. 

Maschke, Dr. phil., Medieinal-Assessor, II. III. IV. 1855, 
Tauentzienstr. 12. 

Graf von Matuschka, Königl. Forstmeister a. D., VIL IX. 
1872, An der Kreuzkirche 4. 

Meilly, Dr. med., Oberstabsarzt I. Kl, Garnisonarzt von 
Breslau, I. II. III. 1892, Forckenbeckstr. 4. 

Meitzen, W., Geh. Bergrath a. D., III. IV. V. 1892, Neue 
Taschenstrasse 5. 

Merkel, E., Realgymnasiallehrer, IH. IV. 1884, Thiergarten- 
strasse 43. 

Methner, Alf., Dr. med., dirigirender Arzt, I. I. III. 189j, 
Klosterstr. 12. 

Meyer, ©. E.,Dr. phil., Geheimer Regierungsrath, Professor u. 
Director des physikalischen Cabinets, III. 1878, Schuhbr, 38/39, 

Mez, Carl, Dr. phil., Privatdocent, IV. 1890, Monhauptstr. le. 

Mikuliez, Dr. med., Geheimer Medicinalrath und Professor, 
Direetor der chirurgischen Klinik, I. I. III. 1890, Villa Sachs, 
Auenstr. 32. 


DES 


a 


20 


Jahresbericht der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. 


239. Herr Milch, Ludwig, Dr. phil., Privatdocent, III. IV. 1892, Kaiser 


240. 


241. 


Wilhelmstr. 58. 

Mileh, Benno, Commissionsrath und Director der Breslauer 
Baubank, III. IV. VI. IX. 1893, Holteistr. 44. 

Milch, H., Stadtrath, Director, II. VI. IX. 1893, Tauentzien- 
platz 12. 

Miehle, F., Apotheker, II. III. 1896, Ring 59. 

Molinari, Leo, Geh. Commerzienrath, italienischer Consul, 
VI. 1883, Kaiser Wilhelmstr. 113. 

Morgenstern, E., Verlagsbuchhändler, II. V. VI. 1861, 
Garvestr. 18. 

Müller, Max, Verlagsbuchhändler, IV. IX. 1869, Teichstr. 8. 

Müller, Julius, Apotheker, I. II. IH. 1873, Kaiser Wil- 
helmstrasse 17. | 

Mugdan, Joachim, Kaufmann, III. IV. V. VI, 1877, Ring 49. 

Muther, R., Dr. phil., Univers.-Professor, III. VIII. 1895, 
Neue Gasse 13. 

Neefe, Dr. phil., Direetor des städt. stat. Amts, II. V. VI. 
1887, Klosterstr. 69. 

Neisser, Albert, Dr. med., Geh. Medicinalrath und Professor, 
Direetor der Univers.-Klinik für Hautkrankheiten, I. I. IV. 
1832, Museumsstr. 11. 

Neisser, Gust., Dr., Rechtsanwalt, VI. 1895, Taschenstr. 23. 

Nesemann, Dr. med., Bez.-Physikus, I. II. III. 1891, Kaiser 
Wilhelmstr. 54. 

Neumann, O., Major z. D,, II. VI. 1894, Kaiser Wilhelmstr. 93. 

Neumeister, Dr. med., I. II. 1873, Klosterstr. 8. 

Neustadt, L., Dr. phil., U. V. VI. 1837, Sonnenstr. 17. 

Niche, Edmund, Apotheker, III. IV. 1885, Kaiser Wilhelm- 
strasse 87. 

Nitsche, J., Dr. med., Sanitätsrath, I. U. III. 1893, Kaiser 
Wilhelmstr. 40. 

Nitschke, Th., Kaufmann, III, 1889, Moritzstr. 24. 

Noack, Ludwig, Landesrath, VI. 1896, Museumsplatz 9. 

Opitz, Otto, Kaufmann und Fabrikbesitzer, II. III. 1888. 


Ohlauerstadtgraben 20. 
Oppler, B.,-Dr. med., I. II. 1894, Museumsplatz 10. 


Graf Fernando von Oriola, Prem.-Lieut. aD, II. VI. 
1896, Goethestr. 16. i 

Pannes, Dr. phil., Apotheker, II. III. 1874, Kaiser Wilhelm- 
strasse 44. ' 
Partsch, Carl, Dr. med., Univers.-Professor, I. II. 1880, 
Tauentzienstr. 11. 


Mitglieder-Verzeichniss. 21 


265. Herr Partsch, J., Dr. phil., Univers.-Professor, Il. V. 1893, 


266. 
267. 


268. 
269. 


270. 
271. 
272. 
273. 
274. 


Sternstr. 22. 

Pavel, C., Rechtsanwalt, V. VI. 1896, Kupferschmiedestr. 17. 

Pax, Ferd., Dr. phil., Professor, Direetor des botanischen 
Gartens, III. IV. IX. 1892, An der Kreuzkirche 35, 

Peiper, R., Dr. phil., Prof., Oberlehrer, V. 1867, Paulstr. 20. 

Petrich, E., Landgerichtsrath, V. VI. 1896, Kaiser Wilhelm- 
strasse 39. 

Pfannenstiel, Dr. med., Prof., I. II. 1891, Tauentzienstr. 84b. 

Pietrusky, W., Dr. med., I. II. 1896, Gneisenauplatz 4. 

Pinno, H., Berghauptmann, II. III. V. 1892, Neue Taschenstr. 2, 

Pohl, J., Dr. med., Badearzt, I. II. III. 1893, Goethestr, 18. 

Poleck, Dr. phil., Geh. Reg.-Rath und Professor, Director des 
pharmaceutischen Instituts, II. III. 1868, Schuhbrücke 38/39. 

Ponfick, Dr. med., Geh. Medieinalrath, Professor, Director 
des pathologischen Instituts, I. II. 1878, Nowastr. 3. 

Poppe, Oscar, Rechtsanwalt und Notar, II. VI. 1887, 
Junkernstr. 1/2. 

Prausnitz, G,, Dr. phil., III. 1892, Tauentzienplatz 6. 

Pringsheim, Max, Kaufmann, III. VI. 1888, Gartenstr. 65. 

Pringsheim, Fedor, Stadtrath, VI. 1892, Schweidnitzer- 
stadtgraben 10. 

von Prittwitz und Gaffron, Reg.-Ref. a. D. V. VI. 1873, 
Teichstr. 5. 

Promnitz, F., Dr. phil., Fabrikbesitzer, II. IV. IX. 1892, 
Tauentzienstr. 66. 

Graf von Pückler-Burghauss, Königl. Wirkl. Geheimer 
Rath, Excellenz, Ober-Mundschenk, General-Landschafts- 
Direetor und Königl. Kammerherr, V. VI. IX. 1875, General- 
Landschaft. 

Graf von der Recke-Volmerstein, General-Landschafts- 
Repräsentant und Königl. Kammerberr, V. VI. 1863, Kleinburg. 

Reich, Carl, Dr. med., I. II. 1875, Neue Graupenstr. 14. 

Reichelt, Const., Dr. med., Sanitätsrath, I. II. III. 1880, 
Matthiasplatz 17, 

Reinbach, Dr. med, I. II. 1874, Freiburgerstr. 24. 

Reitzenstein, Herm., Amtsriehter, VI. 1891, Berlinerpl. 22. 

Ribbek, General-Director, VI. 1893, Nikolaistadtgraben 12, 

von Richthofen, Major beim General-Commando des VI. 
Armeecorps, II. III. IV. V. 1895, Kronprinzenstr. 44. 

Richter, Emil, Dr. med., Med.-Rath, Professor, I. Il. 1872, 
Kaiser Wilhelmstr. 115, 

Richter, Dr. med., Sanitätsrath, I. IL. 1889, Gräbschnerstr., 5, 


22 


292. Herr 


293. 


— 


Jahresbericht der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. 


Richter, Bruno, Kunsthändler, III. IV. V. IX. 1886, Schloss- 
Ohle 1/3. : 

Richter, H., städtischer Garten-Inspector, IV. IX. 1887, 
Breitestr. 25. 

Riegner, Oscar, Dr. med., Sanitätsrath und Primärarzt, I. II. 
III. 1874, am Allerheiligen-Hospital. 

Riemann, Paul, Kaufmann u. Handelsrichter, VI. IX. 1380, 
Kaiser Wilhelmstr. 37. 

Riesenfeld, B., Dr. med., 1. 1874, Ohlauerstadtgr. 28. 

Riesenfeld, E., Dr. med., I. II. 1887, Tauentzienstr. 1. 

Röhmann, Dr. med., Univers.-Professor, I. II. III. 1888, 
Ohlauufer 19. 

Rohde, E., Dr. phil., Univers.-Professor, III. IV. 1895, 
Goethestr. 6. 

Rosemann, Dr. med., I. II. 1877, Lessingstr. 15. 

Rosen, F., Dr. phil., Privatdocent, III. IV. IX. 1891, Kleine 
Domstr. 7. 

Rosenbach, Dr. med., Univers.-Professor, I. II. III. 1878, 
Königsplatz 6. 

Rosenfeld, Georg, Dr. med., I. II. 1886, Schweidnitzer- 
stadtgraben 26. 

Rosenstein, M., Dr. med., I. II. 1893, Gartenstr. 64. 

Rosenthal, J., Dr. med., Badearzt, I. II. 1892, Augustastr. 42. 

Rüdiger, General-Direcetor, V. VI. 1893, Bahnhofstr. 23. 

Rügner, Dr. med., Sanitätsrath, I. II, 1870, Tauentzien- 
strasse 79. 

von Rümker, Kurt, Dr. phil., Univers.-Prof., II. IV. VI. IX. 
1895, Kaiser Wilhelmstr. 68. 

Sachs, Albert, Dr. med., I. II. 1895, Ohlauerstr. 43. 
Sachs, Emil, Kaufmann und Rittergutsbesitzer, IV. V. 1888, 
Gartenstr. 19. Eier 

Sachs, H., Apotheker, II. III. 1892, Ohlauerstr. 3. 

Sachs, Heinrich, Dr. med., I. II. 1896, Tauentzienplatz 9. 
Sackur, Paul, Dr, med., I. II. 1894, Neue Taschenstr. 25. 

Sandberg, Ernst, Dr. med., I. II. 1876, Junkernstr. 11. 

Schäfer, Friedrich, Dr. med., I. II. 1881, Tauentzienpl. 10. 
Schiewek, Dr. phil., Prof, Oberlehrer, V. 1875, Sieben- 
hufenerstrasse 4. 

Schiff, Dr. phil., Oberlehrer, III. IV. 1888, Palmstr. 38. 

Schiffer, Georg, Dr. med., I. II. 1895, Klosterstr. 5. 

Schlesinger, Ad., Dr. med., I. II. 1881, Ring 57. 

Schlesinger, Julius, Rentier, V. VI. 1887, Kaiser Wilhelm- 
strasse 77, 


Mitglieder-Verzeichniss. 23 


821. Herr Schmeidler, Dr, med., Sanitätsrath, I. II. 1870, Schweidnitzer- 


822. 
323. 


324. 
325. 
326. 
327. 


stadtgraben 21b, 

Schmiedel, Dr. med,, Sanitätsrath, Bez.-Physikus, I. II. 1882, 
Bahnhofstr. 17. 

Schöller, Leopold, Geh. Commerzienrath, II. VI. 1874, 
Königsplatz 5a. 

Schollmeyer, Ober-Bergrath, III. 1890, Forekenbeckstr. 9. 

Scholtz, Mortimer, Apotheker, III. IV. IX. 1895, Paulstr. 36. 

Scholtz, M., Dr. phil., Privatdocent, III. 1895, Gartenstr. 30. 

Schönborn, Dr. phil., Professor, Oberlehrer, V. VI, 1875, 
Paulstr. 9. 

Sehottländer, Julius, Banquier u. Rittergutsbesitzer, VI. 1874, 
Tauentzienplatz 2. 

Schottländer, P., Dr. phil,, IV. 1892, Tauentzienplatz 2. 

Schube, Theodor, Dr. phil., Oberlehrer, III. IV. 1836, Teich- 
strasse 29. 

Schulte, Dr. med., Oberstabsarzt I. Kl. u. Reg.-Arzt, I. II. 
III, 1892, Wallstr. 25. 

Schulze, Dr. phil., Direetor, II. III, IV. 1886, Matthiaspl. 14. 

Schütze, J., Obergärtner, IV. IX. 1892, Tauentzienstr. 86/88. 

Schwahn, Dr. med., Sanitätsrath u. Kreis-Physikus, 1. II, III, 
1883, Seminargasse 13. 

Schweitzer, Hugo, Kaufmann, II. III. 1889, Höfchenstr. 12. 

Schweitzer, $., Partieulier, V. VI. 1889, Gartenstr. 62. 

Scupin, H., Dr. phil., III. IV. 1896, Sadowastr. 42. 

Seidelmann, O., Dr. med., I. 1895, Tauentzienstr. 63a. 

Seidel, Hermann, Fabrikbesitzer und Kaufmann, III. IV. IX. 
1872, Ring 27. 

Senftleben, Dr. med., Sanitätsrath, I. II. III. 1876, Kaiser 
Wilhelmstr. 13. 

Seyda, A., Dr. phil., vereid. Chemiker, II. III. 1895, Palm- 
strasse 14. 

Simm, Felix, Dr. med., I. II. 1876, Freiburgerstr. 42. 

Simon, Hermann, Dr. med., I. II. 1885, Gartenstr. 47/48. 

Skene, Carl, Kaufmann u. Fabrikbesitzer, VI. 1880, Schweid- 
nitzerstadtgraben 18. 

Skutsch, Dr.med., Sanitätsrath, I. II. 1880, Tauentzienstr. 26b. 

Sombart, Dr. phil., Univers.-Professor, V. VI. 1890, Kaiser 
Wilhelmstr. 101. 

Spitz, Baruch, Dr. med., I. II. 1890, Neue Schweidnitzerstr. 1. 

Spitz, Max, Dr. med,, I. II. III. 1895, Gartenstr. 10. 

Spitzer, Wilhelm, Dr. med., Badearzt, I. 1895, Moritzstr. 37. 

Steinitz, $S., Dr. med,, I. II. 1877, Ernststr. 7. 


24 


Jahresbericht der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. 


351. Herr Steinschneider, Dr. med., Badearzt, I. II. 1890, Moritzstr. 15. 


352. 
353. 


354. 
399. 
356. 
397. 
398. 
359. 
360. 
361. 
362. 
363. 


364. 
369. 


368. 


Stenzel, Dr..phil., Prof., III. IV. 1858, Ohlauerstadtgr. 26. 

Stern, Emil, Dr. med., Sanitätsrath, Stadtkreis-Wundarzt, 
I. II. 1873, Tauentzienplatz 3. 

Stern‘, R., Dr. med., Privatdocent, I. II. IH. 1893, Bahnhof- 
strasse 2. 

Steuer, Philipp, Dr. med., Sanitätsrath u. Stadtrath, I. I. 
1873, Gartenstr. 62. 

Suermondt, William, Bergwerksbesitzer, III. VIII. 1892, 
Kaiser Wilhelmstr. 97. 

Tietze, A., Dr. med., Privatdocent, I. 1875, Ohlauufer 7. 

Töplitz, Th., Dr. med., I. I. 1875, Teichstr. 2. 

Traugott, Richard, Dr. med., I. U. 1875, Schweidnitzerstr. 28. 

Trewendt, Ernst, Verlagsbuchhändler, I. V. VI. 1880, 
Salvatorplatz 8. 

Tscehackert, Dr. phil, Geh. Regierungs- und Provinzial- 
Schulrath, Professor, V. 1883, Garvestr. 13. 

Ulrich, Dr. med., Medieinal-Assessor, I. II. III. 1873, Bahn- 
hofstrasse 23. 

Unruh, F., Dr. med., I. II. 1874, Sadowastr. 40. 

Veith, Franz, Dr. med., I. II. 1875, Heiligegeiststr. 14a. 

Viertel, Dr. med., Sanitätsrath, I. II. 1875, Neue Schweid- 
nitzerstr. 12. 

Vollbrecht, Hans, Dr. med., Stabs- u. Bataillonsarzt, 1. II, 
III. V. 1895, Augustastr. 69. 

Volkmann, W., Dr. phil., Oberlehrer, V. 1883, Goethestr. 11. 

Volz, Dr., Prof., Dir. des Kgl. Friedrichs-Gymnasiums, II. 
Ill. V. 1893, Weinstr. 40/46. | 

Volz, W,, Dr. phil., Assist. am 'paläontolog,. Institut, IIL. IV. 
1895, Weinstr. 40/46. 

Wagner, E,, Dr, phil, Mathematiker, IH. VI. 1892, Augusta- 
strasse 40. 

von Wallenberg-Pachaly, Gotth., Banquier und Consul 
von Schweden und Norwegen, VI. IX. 1887, Kaiser Wil- 
helmstr. 112. 

Walter, Stadtrath u. Rittergutsbesitzer auf Eisenberg, III. 1855, 
Blumenstr. 5. 

Weberbauer, A., Dr. phil., Privatdocent, III. IV. IX. 1894, 
Gneisenauplatz 2. 

Weidemann, F., Kaufmann, IV. IX. 1895, Kaiser Wilhelm- 
strasse 45. 

Weile, Max, Dr. med., I. II. 1894, Gellhornstr. 2. 

Weinhold, Friedr., Dr. med., I. I. III. 1892, Ring 8. 


Mitglieder-Verzeichniss. 25 


377. Herr Weiske, Dr. phil., Professor, Director des thierchemischen 


378. 


379. 


380. 
381. 


382. 


383. 
384. 
385. 


386, 
387. 
388. 


389. 
390. 
Il. 
392. 


396. 


© 


Instituts, III. 1881, Monhauptstr. 1b. 

Weissstein, A., Dr. phil., Apothekenbesitzer, I, II. III. 1878. 
Hintermarkt 4. 

Wernicke, ©., Dr. med., Medicinalrath, Professor, Director 
der psychiatrischen Klinik und Poliklinik, I. II. III. 1885, 
Klosterstr. 10. 

Werther, M., Dr. med., I. II. 1892, Tauentzienplatz 11. 

Wichura, Dr. med., Stabsarzt im 11. Regiment, I, 1895, 
Paradiesstr. 30. 

Wiener, Max, Dr. med., Universitäts-Professor, I. II. 1879, 
Tauentzienstr. 65. 

Winckler, V., Dr. med., I. II. 1874, Gartenstr. 77. 

Wiskott, Theod., Commerzienrath, VI. IX, 1873, Ohlauufer 6. 

Wiskott, Max, Fabrikbesitzer und Kaufmann, III. V, VI. 
1872, Kaiser Wilhelmstr. 69. 

Wocke, Dr. med., IV. VII. 1847, Klosterstr. 10. 

Wolff, Paul, Kaufmann, III. IX. 1870, Klosterstr. 12. 

Wolff, Dr. med,, Geh. Regierungs- und Med.-Rath, I. II. 1865, 
Flurstr. 3. 

Wolff, Hugo, Fabrikbesitzer, II. IX. 1891, Tauentzienstr, 74a. 

Wolff, A., Dr. med., I. II. 1893, Neue Taschenstr. 3. 

Wolffberg, Dr. med., I. II. III. 1887, Freiburgerstr. 9. 

Wollner, Dr. med., Geheimer Sanitätsrath, I. I. 1876, 
Tauentzienplatz 1. 

Woy, R., Dr. phil., vereideter Chemiker, Il. III. 1895. 
Vorwerksstr. 17. 

Graf York von Wartenburg, Paul, Majoratsbesitzer, VI. 
1866, Kl.-Oels. 

Zahn, A., Partieulier, III. 1890, Brüderstr, 3f. 

Zopf, Professor, Oberlehrer, III. 1877, Verläng. Sternstrasse. 


B. Wirkliche auswärtige Mitglieder. 

Adelt, Dr. med., Sanitätsrath und Kreis-Physikus in Bunzlau. _ 
1893. 

Aderhold, Rud., Dr. phil. in Proskau. 1896. 

Adler, $., Dr., Sanitätsrath und Kreis-Physikus in Brieg. 
1890. 

Alter, Dr., Sanitätsrath, Director der Provinzial- Irrenanstalt 
in Leubus. 1886. 

Altmann, L., Kaufmann in Katiowitz. 1889. 

Apfeld, Fabrikbesitzer in Neisse. 1888. 

vom Berge-Herrndorf, Major a. D. in Neisse. 1888, 


26 


Jahresbericht der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. 


8. Herr Biermer, M., Dr., Professor in Münster i. W. 1895. 


$h 
10. 
13. 
12. 


13. 


14. 
15. 
16. 


1% 
18. 
19; 


20. 
21% 
22. 


23. 
24. 


25. 
26. 


Block, Salo, Kaufmann in Kattowitz. 1889. 

Bock, Louis, Kaufmann in Kattowitz. 1889. 

Brand, I., Hauptmann in Berlin im Kriegsministerium. 18883. 

Creydt, Th., Rittergutsbesitzer und Lieutenant der Reserve 
in Jauer. 1892. 

Dieck, Dr. phil., Oberlehrer und Hauptmann a. D. in Gold- 
berg i. Schl. 1875. 

Donders, Maschinen-Inspector in Kattowitz. 1889. 

Dorn, Dr. med., Sanitätsrath, Stabsarzt z. D. in Jauer. 1892. 

Dyhrenfurth, Walter, Rittergutsbesitzer in Jacobsdorf bei 
Kostenblut. 1889. 

Dyhrenfurth, Felix, Dr. in Schockwitz bei Kattern, 1889. 

Epstein, Rechtsanwalt in Kattowitz. 1889. 

Färber, Dr. med.,, Geh. Sanitätsrath und Kreis-Physikus in 
Kattowitz. 1889. 

Fernbach, L., Zeitungsbesitzer in Bunzlau. 1893. 

Fiebig, Dr., Professor in Patschkau. 1837. 

Fränkel, $., Dr. med., Rittergutsbesitzer in Neukirch bei 
Breslau. 1881. 

von Frankenberg-Ludwigsdorf, General-Major z. D. 
auf Nieder-Schüttlau. 1870. 

Freund, Dr. med., Sanitätsrath in Gleiwitz. 1889. 

Fröhlich, Dr. med,, prakt. Arzt in Bismarckhütte. 1892, 

Gallinck, E., Rittergutsbesitzer in Krysanowitz. 1893. 

Gläser, Dr. med., prakt. Arzt in Danzig. 1893. 

Glaser, Dr. med., prakt. Arzt in Kattowitz. 1889. 

Glaser, M., Mühlenbesitzer in Kattowitz. 1889. 


Gewerbe-Verein für Gleiwitz und Umgegend in Gleiwitz. 1872, 
. Herr Grossmann, Dr, phil., Archivrath und Archivar des Königl. 


Haus-Archivs in Berlin. 1870. 
Grotefend, Dr. phil., Archivrath in Schwerin i. M. 1872. 
Grundey, M., Königl. Landmesser in Kattowitz. 1894. 
Guercke, Stadtrath und Buchhändler in Jauer. 1892. 
Günter, A., Dr. med. in Jauer. 1892. 
Haake, H., Fabrikbesitzer in Brieg. 1890. 
Harttung, Helmuth, Apotheker und Stadtrath in Jauer. 1886 
Haupt, C. E., Königl. Gartenbau-Direetor in Brieg. 1890. 
Heimann, Max, Dr., Rittergutsbesitzer auf Wiegschütz bei 
Cosel OS. 1865. 
Heintz, A., Dr., Director in Saarau. 1893. 
von Hellmann, Dr. jur., Stadtrath und Rittergutsbesitzer auf 
Schloss Dalkau bei Qaritz. 1854. 


Mitglieder-Verzeichniss, 27 


42. Herr Hennet, Dr. med., Ober-Stabsarzt in Görlitz. 1869. 


43. 
44, 


Herold II., Joh., Rechtsanwalt in Schweidnitz. 1894. 

Hermann, Ober-Reg.-Rath u. Eisenbahn-Director in Halle a./S. 
1886. 

Herrnstadt, Dr. med, in Reichenbach i. Schl. 1892. 

Hirche, Apotheker in Landeck. 1881. 

Freiherr von Huene, Major a. D. auf Mahlendorf bei Grüben. 
1865. 

Jäkel, Otto, Dr. phil. in Berlin N. 1887. 

Kahlbaum, Dr. med., Direetor der Heilanstalt in Görlitz. 
1882. 

Karau, 6., Dr. phil. in Inowrazlaw. 1892. 

Kauffmann, G., Dr. phil. in Wüstegiersdorf. 1895. 

Kauffmann, F,, Fabrikbesitzer in Tanhausen, 1895. 

Kauffmann, W., Fabrikbesitzer in Wüstegiersdorf. 1895. 

Kepp, Direetor der Zuckerfabrik in Alt-Jauer. 1892. 

Knappe, O., Banquier in Jauer. 1892. 

Knauer, A., Pfarrer in Pilchowitz. 1881. 

Knautke, K., Gutsbesitzer in Schlaupitz, Kreis Reichenbach 
i. Schl. 1894, 

Koffmane, Gustav, Lic. theol., Pastor in Kunitz. 1881. 

Kossmann, Landgerichtsrath in Liegnitz. 1886. 

Kramsta, Richard, Rentier in Dresden. 

von Kramsta, Georg, Rittergutsbesitzer in Frankenthal. 1880. 

Kreuschner, Rudolf, Steuerrath in Frankfurt a. M. 1886. 

Krieg, Otto, Fabrikdireetor in Eichberg bei Schildau. 1874. 

Kühn, Julius, Dr. phil, Geh. Regierungsrath und Professor in 
Halle a. S. 1858, 

Kühn, Rechtsanwalt in Jauer. 1892. 

Kuntze, A., Apotheker in Hundsfeld. 1894, 

Kurella, H., Dr. med., prakt. Arzt in Brieg. 1895. 

Kuznitzky, Ernst, Kaufmann in Kattowitz. 1889. 

Landsberger, A., Bankier in Kattowitz. 1889. 

Langenhan, A., Director in Liesnitz. 1881. 

Langner, Dr. med. in Gnadenfrei i. $S. 1891. 

Lehmann, Dr., Professor, Director in Kiel. 1884, 

Lichtwitz, Dr. med., Kreis-Physikus in Ohlau. 1896. 

Limpricht, Dr. pbil. Kartograph in Berlin. 1890. 

Lissner, Dr. med., pract. Arzt in Koberwitz. 1894. 

Loebinger, Dr. med., Sanitätsrath in Kattowitz. 1889. 

Loewy, Dr. med. in Bunzlau. 1893. 

Mager, B,, Stadtrath und Kaufmann in Jauer. 1892. 

Maiwald, P., dipl. Chemiker in Schwientochlowitz OS. 1894. 


96. 


101. 
102. 
103. 


104. 
105. 
106. 
107. 
: 108. 
109, 


110. 


11j. 


Jahresbericht der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. 


Mannigel, Dr. med., Ober-Stabsarzt I. Kl. u. Regimentsarzt 
in Glogau. 1888. 

Mattheus, Stadtrath, Bankier in Liegnitz, 1886. 

Menzel, Bergmeister und Hütten-Direetor in Samuelglück. 
1839. 

Metke, A., Hütten-Inspector in Baildonhütte bei Kattowitz. 1889. 

Michael, Richard, Dr.. phil. in Berlin. 1893. 

Müller, General-Major a. D. in Bunzlau. 1893, 

Münscher, Dr., Proreetor und Professor in Jauer. 1892. 

Neisser, Dr., Sanitätsrath in Berlin W., Matthäikirehstr. 13. 
1886. 

Neisser, Clemens, Dr. med., Oberarzt a. D. in Leubus. 1889. 

Nentwig, Erster Staatsanwalt in Beuthen 08. 1887. 

Neutschel, Oskar, Chemiker in Zabrze. 1889, 

Noss, Dr. phil., Professor in Jauer. 1892. 

Nothmann, Julius, Kaufmann in Kattowitz. 1889. 

Nothmann, Max, Kaufmann in Kattowitz. 1889. 

Oelsner, Ludwig, Dr. phil., Professor in Frankfurt a. M. 


1853. 
Oertel, Ottomar, Oberbürgermeister in Liegnitz. 1886. 


Ollendorff, Moritz, Kaufmann in Berlin SW., Königgrätzer- 
strasse 28. 1889. 

Peltasohn, Justizrath, Rechtsanwalt und Notar in Liegnitz. 
1886. 

Pfeiffer, Dr. phil., Apotheker in Steinau a/O. 1879. 


. Philomathische Gesellschaft in Glatz. 1856. 
100. 


Philomathie in Reichenbach in Schl. 


Herr 


Presting, A., Apotheker in Domslau. 1893. 
Pritsch, Justizrath u. Landschafts-Syndikus in Jauer, 1892. 


Se. Durchlaucht der Herzog Victor von Ratibor, Fürst von 


Herr 


Corvey, Prinz von Hohenlohe-Waldenburg-Schillingsfürst in 
Rauden. 1892. 

Rapp, Georg, Fabrikdirecetor in Mochbern. 1895. 

Reinkober, Dr. med., Königl. Kreis-Physikus in Trebnitz. 
1887, 

Richters, Dr. phil., Director der chemischen Fabrik in 
Saarau. 1874. 

Richters, Th., Fabrikdireetor in Woischwitz. 1893. 

Rieger, Dr. med. in Brieg. 1892. 

Röhricht, W., Justizrath, Rechtsanwalt in Liegnitz. 1886. 

Röpell, M., Ober-Regierungsrath und Eisenbahn-Präsident in 
Kattowitz. 1888. 

Rose, H. Realgymnasial-Professor in Neisse, 1888. 


Mitglieder-Verzeichniss. 29 


112. Herr Rüdenburg, B., Markscheider in Kattowitz. 1889. 


113. 
114. 
115. 


“E16. 


Sachs, E., Stadtrath a. D. in Berlin. 1889. 

von Salisch, Rittergutsbezitzer auf Postel bei Militsch. 1892. 

Schadow, B., Rittergutspächter in Niederhof bei Breslau. 
1894. 

Freiherr von Schleinitz, Ober-Forstmeister in Liegnitz. 
1892. 

Schmidt, Dr. med. in Jauer. 1892. 

Schmula. Landgerichtsrath a. D. in Oppeln. 1893. 

Schneider, Dr., Sanitätsrath in Mogwitz. 18883. 

Schöffer, Kaufmann in Liegnitz. 1886. 

Scholtz, Kreisthierarzt in Reichenbach in Schl. 1891. 

Scholtz Il., W., Lehrer in Jauer. 1892. 

Schubert, Richard, Dr. med., prakt. Arzt in Saarau. 1894. 

Schüller, P., Dr. med. in Domslau. 1893. 

Schumann, Carl, Dr. phil, Custos am Königl. botanischen 
Museum in Berlin. 1875. 

Schwarz, Fr., Dr., Professor in Eberswalde. 1883. 

Schwarz, C., Kaufmann in Liegnitz. 1886. 

Seiffert, Dr. med., prakt. Arzt in Brieg. 1895. 

Silberstein, Siegfried, Kaufmann in Kattowitz. 1889. 

Serlo, W., Berg-Assessor in Charlottenburg. 1893. 

Soczachewski, A., Mühlenbesitzer in Liegnitz, 1894. 

Sperr, jun., Apotheker in Brieg. 1890. 

Stahr, Dr., Sanitätsrath und Rittergutsbesitzer auf Wilxen 
bei Obernigk. 1881. 

Stoll, G., Königl. Oekonomierath in Proskau. 1866. 

Graf von Stosch, Georg, Kreisrichter a. D. auf Hartau bei 
Langheinersdorf. 1871. 

Strahl, Hauptmann und Lehrer an der Kriegsschule in Anelam 
(Pommern). 1888. 

Süssbach, Dr. med., Sanitätsrath in Liegnitz. 1886. 

von Tempsky, Hermann, Rittergutsbesitzer auf Baara bei 
Schmolz. 1872. 

Tippel, O., Chefredaeteur in Schweidnitz. 1894. 5 

Tornier, Dr. med. in Obernigk. 1892. 

Treu, Professor, Director in Potsdam. 1884. 

Treumann, Julian, Dr. phil. in Hannover. 1889. 

Troska, Albrecht, Dr. jur., Gerichts-Assessor a. D. in Leob- 
schütz. 1882. 

Unverricht, H., Dr. med., Professor, Director in Magdeburg. 
1881, 

Völkel, Betriebsführer u. Obersteiger in Schloss Neurode. 1360. 


30 


_ Jahresbericht der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. 


146. Herr Vogel, Hütten-Inspecetor in Rosdzin OS. 1889. 


147. 


148. 


149. 


150. 
151. 


> w 


14. 
15, 


Voltz, Dr., Seceretair des Berg- und Hüttenmännischen Ver- 
eins in Kattowitz. 1889. 

Vüllers, A., Güter- und Bergwerks-Director in Paderborn. 
1886. 

Wache, A., Regierungsrath in Elberfeld. 1889. 

Waeber, R., Seminar-Director in Brieg. 1886. | 

Websky, Egmond, Dr., Geh. Commercienrath in Wüste- 
waltersdorf. 1882. 

Weltzel, Augustin, Dr., Geistlicher Rath und Pfarrer in 
Tworkau bei Kreuzenort. 1860. 

Wilde, Dr., Stabsarzt in Peterswaldau. 1891. 

Wohltmann, Dr. phil., Professor in Poppelsdorf. 1892. 

Wolf, Amtsgerichtsrath in Bunzlau. 1893. 

Zahn, Oberlehrer an der Landwirthschafts-Schule in Brieg. 
1890. 

Ziolecki, Königl. Baurath in Bunzlau. 1893. 

Zwanziger, Eberhard, Fabrikbesitzer in Peterswaldau. 1891. 


€. Ehren-Mitglieder. 

Beyrich, Dr. phil., Professor, Geh. Bergrath, Direetor der 
geologischen Landesanstalt in Berlin. 

Bunsen, Dr. phil., Professor, Grossherzogl. Wirkl. Geheim- 
rath, Excellenz in Heidelberg. 

Dudik, Dr., mährischer Landeshistoriograph in Brünn. 

Freund, W. A., Dr. med., Professor in Strassburg i. E. 

Fritsch, Dr. med., Professor, Geh. Medicinalrath, Direetor der 
geburtshilflichen Klinik in Bonn. 

Geinitz, Dr. phil., Geh. Hofrath, Director des u Mine- 
ralien-Cabinets in Dresden. 

Grützner, Dr. med., Professor in Tübingen. 

von Hauer, Franz, Dr., K. K. Hofrath und Intendant des 
K. K. naturhistorischen Hof-Museums in Wien. 

Heine, Dr., Director der Ritter- Akademie und Domherr in 
Brändenbirk a. H. 

Hooker, Sir, J. D., Dr. in Bagshot bei ion 

Le Tolit Aug., Dr., Diveetor der Soeiete nationale des sciences 
naturelles in Cherbourg. 

Lister, Sir, Dr., Professor in London. 

Menz ei Adolf, Professor, Mitglied des Sehdtes. der Königl. 
Alndenie der Künste in Berlin. 

von Miaskowski, Dr,, Geh. Hofrath, Professor in Leipzig. 

Müller, Carl, Dr. phil. in Halle a. 8. 


Mitglieder-Verzeichniss. 31 


16. Herr Baron von Müller, Ferdinand, Dr., Gouvernements-Botaniker, 


26. 


a 


. Herr 


Direetor der naturhistorischen Erforschungs- Commission für 
Australien in Melbourne. 

Freiherr von Nordenflycht, Königl. Ober-Präsident der 
Provinz Schlesien a. D. 

Pringsheim, Dr. phil., Professor, Geh. Regierungsrath in 
Berlin. 

Baron von Richthofen, Ferdinand, Dr., Professor in Berlin. 

Schönwälder, Dr. phil., Professor in Görlitz. 

Schwarz, Reichsgerichts-Rath in Leipzig. 

v. Staff, genannt v. Reitzenstein, Kgl. General-Lieutenant 
a. D., Excellenz, auf Conradsreuth bei Hof in Bayern. 

von Trautschold, Dr., Professor, Wirklich russischer, 
Staatsrath, Excellenz, in Karlsruhe Baden, 

von Uechtritz-Steinkirch, Königl. Kammergerichts-Rath 
in Berlin. 

Virchow, Dr., Geh. Medieinalrath und Professor in Berlin. 

Waldeyer, Dr. med., Geh. Medicinalrath, Professor, Director 
der Anatomie in Berlin, 

Wattenbach, Dr. phil., Geh. Regierungsrath und Professor 
in Berlin. 

Willkomm, Dr., Professor, Direetor des botanischen Gartens 
in Prag. 

Witte, Landgerichts-Präsident in Düsseldorf. 


D. Correspondirende Mitglieder. 

Abesgs, Dr., Geh. Sanitätsrath, Direetor des Kgl. Hebammen- 
Lehrinstituts in Danzig. 

Amo y Mora, Don Marianna del, Dr., Professor in Granada. 

Ardissone, Francesco, Professor der Botanik an der land- 
wirthschaftlichen Akademie und Director des botanischen 
Gartens an der Brera in Mailand, 

Arzruni, A., Dr. phil., Professor in Aachen. 

Ascherson, P., Dr. phil., Professor der Botanik in Berlin. 

Agsustin, Wirklicher Geh. Ober-Finanzrath in Karlsruhe. 

Freiherr v. Babo, A. W., Director der k. k. oenologischen 
und pomologischen Lehranstalt in Klosterneuburg bei Wien. 

Bachmann, Dr., Privatdocent in Prag. 

Bail, Dr., Professor am Realgymnasium und Direetor der natur- 
forschenden Gesellschaft in Danzig. 

Bleisch, Dr. med., Kreis-Physikus u. Sanitätsrath in Strehlen. 

Blümner, Dr. phil, Professor in Zürich. 

Böttiger, Dr. phil., Professor und Hofrath in Erlangen. 


Bosshard, Adolf, Präses des Schweizerischen Obst- und 
Broca, Dr., Chirurgien des Höpitaux, Professeur aggrege in 


Buhse, F., Dr. med., Secretair des naturhistorischen Vereins 


Öelakovsky, Ladislav, Dr., Professor der Botanik in Prag. 
Claus, Dr., Professor der Zoologie in Wien, Director der 


Conwentz, Dr., Professor, Direetor des Westpreussischen 


von Döller, Major, Vice-Präses des Karpathen- Vereins in 


Dohrn, Anton, Professor, Dr., Direetor der zoologischen Station 
Eitner, Robert, Redaeteur der Monatshefte für Musikgeschichte 


Freiherr v. Ettingshausen, Const., Dr., Professor in Graz. 
Eulenberg, Dr., Geh. Ober-Medicinalrath und vortragender 
Rath im Ministerium für geistliche, Unterrichts- und Medi- 


Faye, F. C., Dr. med., Professor, Direetor der geburtshilfl. 
Klinik, Leibarzt Sr. Majestät des Königs: von Schweden und 
Norwegen, Präsident der Societ€E de Medieine in Christiania, 

Fiek, E., Apotheker in Cunersdorf bei Hirschberg i. Schl. 

Freiherr von Fireks, Königl. Hauptmann a. D., Geheimer 


Fischer von Waldheim, Dr., Professor der Botanik und 


Freiherr von Friesen, Präses des Landes-Obstbau-Vereins 
für das Königreich Sachsen auf Rötha bei Leipzig. 

Fritze, R., Gutsbesitzer auf Rydultau bei Czernitz OS, 

Gaupp, Dr. med., Professor und Prosector in Freiburg i. B. 


32 Jahresbericht der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. 
13. Herr Borzi, A., Dr., Professor der Botanik in Messina. 
14. — 

Weinbau-Vereins in Pfäffikon bei Zürich. 
15. — Briosi, Dr., Professor der Botanik in Pavia. 
IH — 
Paris, 
17. — Bürkli-Ziegler, Stadt-Ingenieur in Zürich. 
18. — 
in Riga. 
19. — 
20 
zoologischen Station in Triest. 
21. — 
Provinzial-Museums in Danzig. 
22. — Daubre&e, Dr., Mitglied des Instituts in Paris. 
23. — Debey, Dr. med. in Aachen. 
24, — 
Kesmark (Ungarn). 
25. — 
in Neapel. 
26. — Dzierzon, Pfarrer in Karlsmarkt bei Stoberau. 
27. — 
in Berlin. 
28. — d’Elvert, k. k. Finanzrath in Brünn. 
29. — 
30. — 
einal-Angelegenheiten in Berlin. | 
3l. — Favre, Alphonse, Dr., Professor in Genf. 
82. — 
Do 
34. — 
Regierungsrath in Berlin. 
35. — 
Director des botanischen Gartens in Warschau. 
36. — Fristedt, Dr,, Professor in Upsala. 
31. — 
38. — 
39. — 
40. — Gerhardt, Oberlehrer in Liegnitz, 


Mitglieder-Verzeichniss. 33 


41. Herr Freiherr von Gildenfeld, Präses des Vereins für Garten- 
bau für die Herzosthümer Schleswig-Holstein in Kiel. 


42. — Görlich, Pfarrer in Liebenthal. 

43. — Günther, Siegmund, Dr., Professor, Custos am naturwissen- 
schaftliehen Museum, South-Kensington, London. 

44. — Guhrauer, Dr. phil., Gymnasial-Direetor in Wittenberg. 

45. — Hagen, Dr. phil., Professor in Königsberg. 

46. — Hagen, Dr., Professor in Berlin. 

47. — Hartig, Robert, Dr., Ober-Forstrath, Professor in München. 

48. — Haszlinsky, Dr., Professor in Eperies (Ungarn). 

49. — Hellwig, Lehrer in Grünberg in Schl. 

50. — Helm, Otto, Stadtrath und Medieinal-Assessor in Danzig. 

5l. — Hering, E., Dr. med., Professor in Prag. 

52. — Hernando y Espinosa, Don Benito, Dr., Professor in Granada. 

53. — Herzog, Dr. phil., Medicinal-Assessor, Apotheker in Braun- 
schweig. 

54, — Holmgren, Fritbjof, Dr., Professor der Physiologie in Upsala, 

55. — Hoyer, Dr., Wirklicher Staatsrath, Professor, Excellenz in 
Warschau. 


56, — Jühlke, Hofgarten-Director der Königl. preussischen Gärten 
in Potsdam. 


57. — Kanitz, Dr., Professor, Director des botanischen Gartens in 
Klausenburg. 
58. — Kenngott, Dr. phil., Professor in Zürich. 
59. — Kerner, von Marilaun, Anton, Dr., Professor, Direetor des 
botanischen Gartens in Wien. 
60. — Kirchner, Dr. phil., Professor in Hohenheim. 
61. — Kleefeld, Dr. med., Sanitäfsrath in Görlitz. 
62. — Klein, Dr. theol., Pfarrer in Gläsendorf bei Schreibendorf. 
63... — Knothe, Dr., Professor am Kadettenhause in Dresden. 
64. — Koch, R., Dr. med., Geh: Regierungsrath, Director des Instituts 
für Infectionskrankheiten in Berlin. 
65. — Köbner, Dr. med., Professor in Berlin, 
66. — Kraatz, G., Dr. phil. in Berlin. 2 
67. — Kraus, J. B., k. k. Münz- und Bergwesens-Hofbuchhaltungs- 
Official in Wien. 
68. — Krone, Hermann, Privatdocent der Photographie am Königl. 
sächsischen Polytechnikum in Dresden. 
69. — Kühne, Dr. med., Geh. Hofrath, Professor in Heidelberg. 
70. — Leimbach, Dr., Professor, Director des Real-Gymnasiums 


in Arnstadt i. Thür. 
71. — Lichtheim, Dr. med., Professor in Königsberg. 
72. — Lindner, Dr. phil., Professor in Halle, 


100, 


101. 
102. 
103. 

104, 


105. 


106. 


— 


Jahresbericht der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. 


. Herr Litten, Dr. med., Professor in Berlin. 


Lutter, R., Dr., Professor, Director der Sternwarte in 
Düsseldorf. 

Meyer, Alexander, Dr. jur. in Berlin. 

Müller-Strübing in London. 

Nawrocki, Dr., Professor in Warschau. 

Neubert, Wilb., Dr. phil. in Stuttgart. 

Neugebauer, Dr. med., Professor in Warschau. 

Neuland, Königl. preuss. Oberst a. D. in Berlin. 

Neumann, Dr. med., Kreis-Physikus in Berlin. 

Niederlein, Gustav, Inspeetor in Buenos-Aires, Argentinien. 

Nothnagel, Dr., Hofrath, Professor in Wien. 

Orth, A., Dr. phil., Professor in Berlin. 

Penzig, Dr. phil., Professor und Direetor des botanischen 
Gartens und des Instituts Henburg in Genua. 

Petzold, Dr. med., Wirklicher Staatsrath und Professor, 
Excellenz in Dorpat. 

Pinzger, Dr., Gymnasial-Direetor in Saalfeld. 

Pistor, Dr., Regierungs- und Medicinalrath in Frankfurt a. O. 

Rayer, Dr. med., Membre de I’Institut et de l’Academie de 
Me&deeine, President de la Societe de biologie in Paris, 

Saeccardo, P. A., Professor der Botanik in Padua. 

von Sachs, J., Dr., Geh. Hofrath, Professor, Director des 
botanischen Instituts in Würzburg. 

Sadebeck, R., Dr., Professor in Hamburg, 

Sandberger, Fridolin, Dr., Professor in Würzburg. 

Saussure, Henri, Dr., Professor in Genf. 

Schöbel, Pfarrer in Ottmuth bei Gogolin. 

Schomburg, R., Professor, Director des botanischen Gartens 
in Adelaide (West-Australien). 

Schultz, Alwin, Dr, phil., Professor in Prag. 

Schwendener, Dr. phil., Professor in Berlin. 

Sonderegger, Dr., Sanitätsrath in St. Gallen. 

Sorauer, Dr. phil., Professor in Proskau. 

Stache, Dr., k. k. Bergrath und Reichsgeologe in Wien. 

Stevenson, J. J., Professor an der Universität New-York. 

Strähler, Fürstlicher Oberförster a. D., Jauer, 

Stur, k. k. Ober-Bergrath und Director der k. k, geologischen 
Reichsanstalt in Wien. 

von Tichatscheff, Kaiserlich russischer Kammerkerr in 
Paris. 

Temple, Rudolf, Bureau-Chef der General-Assecuranz in 
Budapest. 


Mitglieder-Verzeichniss. 35 


107. Herr Tietze, Dr. phil., Reichsgeologe in Wien. 


108. 
102. 


110, 
LIT. 


112. 
113. 
114. 
lan 
116, 


IeIer. 
118. 


161,9. 
120. 


121. 
122. 


123. 


Tschackert, Dr., Professor in Halle. 

Verneuil, Chirurgien des Höpitaux, Professeur agrege in 
Paris, 

Wartmann, Dr., Director in St. Gallen. 

Weeber, k. k. Landes-Forstinspector und Forsttaxator in 
Brünn. 

Wegehaupt, Gymnasial-Oberlehrer in Gladbach. 

Weigert, Carl, Dr. med., Professor in Frankfurt a. M. 

Weniger, Dr., Gymnasial-Direetor in Weimar. 

Wetschky, Apotheker in Gnadenfeld OS. 

Wilekens, Dr. med., Professor an der Hochschule für Boden- 
cultur zu Wien. 

von Wilmowsky, Geh. Justizrath in Berlin. 

Wiesner, Dr., Professor und Director des pflanzenphysio- 
logischen Instituts der Universität in Wien. 

Wittiber, Dr., Professor, Secretair der Philomathie in Glatz. 

Wittmack, Dr., Geh. Regierungsrath, Professor, Custos des 
landwirthschaftlichen Museums in Berlin. 

Wittrock, Dr., Director des Reichsmuseums in Stockholm. 

Wood, Dr., Professor, Präsident der Philosophical Society 
in Philadelphia. 

Freiherr von Zigno, Achilles, Podesta von Padua. 


BEL 


Verzeichniss 


der 


Mitglieder der Section für Obst- und Gartenbau. 


Seeretair: Herr Geh. Justizrath O. Biernacki. 


Stellvertreter: Herr P. Hoelscher, königl. Garten-Inspeector. 


Verwaltungsvorstand: Herren Apotheker Mortimer Scholtz, Verlags- 


buchhändler Max Müller, Kunstgärtner J. Schütze. 


A. Einheimische. 


1. Herr Agath, G., Kaufmann und Mitinhaber der Firma A. Friebe, 


aa rom 


Hummerei 18. 
Beuchel, Jos., Obergärtner, Schweidnitzerstr. 37. 
Biernacki, O., Geh. Justizrath, Monhauptstr. 18. 
Blottner, Königl. Kanzlei-Rath a. D., Neue Junkernstr. 4b. 
Brieger, Kunst- und Handelsgärtner, N. Tauentzienstr. 33/34. 
Cohn, F,, Dr. phil. et med., Geh. Regierungsrath, Professor, 
Director des pflanzenphysiologischen Instituts, Tauentzien- 
strasse 3a, 
Eckhardt, W., Kaufmann und Stadtrath, Albrechtsstr. 37. 
Ehrlich, Eugen, Kaufmann und Fabrikant, Schweidnitzer- 
stadtgraben 16. i 
Erbe, Joh., Friedhofsverwalter, Oswitzer Chaussee. 
Frank, H., Rentier, Kaiser Wilnelmstr. 93. 
Franke, L., Kunst- und Handelsgärtner, Neue Graupenstr. 10. 
Friedländer, $., Hofbäckermeister, Ohlauerstr. 39. 
Goldschmidt, M. L., Fabrikbesitzer, Freiburgerstr. 24. 
Grüttner, O., Kaufmann, Ring 41. | 
Guillemain, F., Kunst- und Handelsgärtner, Michaelisstr. 5. 
Haber, Siegfr., Kaufmann, Neuegasse 13a. 
Hanke, G., Eisenbahn-Betriebs-Secretair, Neue Junkerstr. 4a. 
Heinrich, Th., Kaufmann, Alexanderstr. 22. 
Heinze, E., Kunstgärtner, Parkstr. 37a. 
Hoelscher, P,, Garten-Inspector im botanischen Garten. 
Hulwa, F., Dr. phil,, vereideter Chemiker, Tauentzienstr. 68. 
Jeschke, Carl, Landschaftsrath a. D., Klosterstr. 31. 


Mitglieder-Verzeichniss. 37 


23. Herr Junger, H., Kunst- und Handelsgärtner, Lehmdamm 34. 


24. 
25. 
26. 
Zul. 


28. 
29. 
30, 


31. 
32. 
38. 


34. 
35. 
36. 
37, 
88. 


39. 
40. 
41. 
42, 
43. 


44, 


45. 
46. 


47. 
48. 
49, 
50. 
91. 
52. 
.53. 
54. 
95. 
56. 


97 


— 


Kärger, C. H. L., Kaufmann, Nikolaistadtgraben 24, 

Kiekheben, Verwalter des städt. Schulgartens in Scheitnig. 

Kopisch, Stadtrath und Kaufmann, Ernststr. 7. 

von Korn, H., Stadtrath und Verlags-Buchhändler, Schweid- 
nitzerstrasse 47. 

von Korn, P., Rittergutsbesitzer, Tauentzienstr. 85. 

Kraft, Arndt, Obergärtner im zoolog. Garten. 

Kutzleb, Dr. phil., General-Seceretair des Landwirthschaftlichen 
Centralvereins, Matthiasplatz 6. 

Lange, Rud., Partieulier, Victoriastr. 12, 

Marx, H., Canonieus, Domstr. 5. 

Graf Matuschka, Königl. Forstmeister a. D., An der Kreuz- 
kirche 4. Be 

Menzel, A., Garten-Ingenieur, Gartenstr. 61. 

Milch, B., Commissionsrath und Director, Holteistr. 44, 

Milch, H., Stadtrath, Tauentzienplatz 12. 

Möslinger, O., Partieulier, Tauentzienstr. 37. 

Mrosowsky, (C., Kunstgärtner, Friebe’scher Eiskeller, 
Höfchenerweg. 

Müller, Max, Verlagsbuchhändler, Teichstr. 8. 

Mündel, Erd., Rittergutsbesitzer, Kronprinzenstr. 38. 

Nagel, C., Handelsgärtnereibesitzer, Lohestr., Nagelhaus. 

Neddermann, C., Kaufmann u, Fabrikant, Am Rathhause 15. 

Pax, Dr.. Professor, Director des botanischen Gartens, An der 
Kreuzkirche 3. 

Pförtner v. d. Hölle, R., Generallandschafts- Repräsentant, 
Rittmeister a. D., Augustastr 49. 


‚Promnitz, F., Dr. phil., Fabrikbesitzer, Tauentzienstr. 66. 


Graf von Pückler, Wirklicher Geheimer Rath, Excellenz, 
General-Landschafts- Director, Königlicher Kammerherr und 
Ober-Mundschenk. 

Ranft, A., Handelsgärtnereibesitzer, Bohrauerstrasse. 

Richter, H., städtischer Garten-Inspector, Breitestr. 25. 

Richter, Bruno, Kunsthändler, Schloss-Ohle 1/3. 

Riemann, Paul, Kaufmann, Kupferschmiedestr. 8. 

Rosen, Dr. phil., Privatdocent, Kleine Domstr. 7. 

Sachs, E., Stadtrath a. D., Tauentzienstr. 74. 

Schmeisser, Garten-Ingenieur, Schillerstr. 14. 

Schmidt, A., Kaufmann, Klosterstr. 74, 

Scholtz, M., Apotheker, Paulstr. 36. 

Sehütze, J., Obergärtner, Tauentzienstr. 86/88. 

Seidel, H., Kaufmann, Thiergartenstr. 29. 


Pe oo 


I. — 
10. — 


Jahresbericht der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. 


' Seidel, H., Landschaftsgärtner, Friedrich-Carlstr. 36. 


Senzky, W., Kunst- und Handelsgärtner, Maxstr. 32a. 

Stoll, G., Oekonomierath, Monhauptstr. 6 

Szmula, Ziegeleibesitzer in Grüneiche. 

Techell, B., Kaufmann, Tauentzienstr. 78. 

v. Wallenberg-Pachaly, G., Banquier, Consul von Schweden 
und Norwegen, Kaiser Wilhelmstr. 112, 

Weidemann, Franz, Kaufmann, Kaiser Wilhelmstr. 45. 

Winkler, F., Raths-Maurermeister, Bismarckstr. 20. 

Wiskott, Th., Commerzienrath, Ohlauufer 6. 

Wolff, P., Kaufmann, Klosterstr. 86. 

Wolff, Hugo, Director, Forekenbeckstr. 8. 

Zwiceklitz, V., Fabrikdireetor, Gräbschnerstr. 3. 


B. Auswärtige. 


Aderhold, Dr. phil. in Proskau O8, 

Behnsch, R., Baumschulenbesitzer in Dürrgoy bei Breslau. 

Bretzel, Obergärtner in Hartlieb bei Breslau. 

Bürgel, Fürstlicher Garten-Direetor in Schloss Wittgenstein 
bei Bacau in Rumänien. 

Freiherr von Czettritz-Neuhaus, Landesältester, Land- 
schafts-Direetor auf Kolbnitz bei Jauer. 

Eichler, ©., Königl. Garten-Inspector, Stadtrath a. D. in 
Grünberg i. Schl. | 

Fischer, Obergärtner in Glogau. 

Fitzner, W. Fabrikbesitzer in Laurahütte OS. 

Galle, C., Kunst- und Handelsgärtner in Trebnitz, 

ee " Lehrer und Cantor in Bahnhof Kohlfurt. 


11. Gartenbau- ee in Ratibor. 


12. Herr 
13. — 
14. — 
15. — 
Ve, 


18. — 
19. — 


Gireoud, H., Garten-Direcetor in EN 

Goy, 8. E., Kaufmann in Pitschen. 

Graf von Harrach, E., auf Klein-Kriehen bei Lüben. 

Haupt, C. E., Königl. Gartenbau-Direetor in Brieg. 

Heimann, M., Dr., Rittergutsbesitzer in Wiegschütz bei 
Cosel OS. 

Reichsgraf zu Herberstein, $., Freiherr v. Neuberg und 
Guttenhaag, k. k. Kämmerer u. s. w. zu Gratz, auf Grafen- 
ort bei Habelschwerdt. 

Hiller, F. H., Lehrer in Brieg, 

Graf von Hochberg, B., auf Rohnstock. 


20. Se. Durchlaucht Hugo Fürst zu Hohenlohe-Oehringen, Herzog 


von Ujest auf Slawentzitz, 


Mitglieder-Verzeichniss. 39 


21. Herr Kambach, Rechnungsrath in Görlitz. 


22. 
23. 
24. 


25 


27. 


28. 
2 


30. 


31. 
32, 
33. 


34. 
3. 
36. 


51. 
92. 


Kittel jun., Obergärtner in Eckersdorf, 
Klings, P., Hoflieferant in Berlin, Unter den Linden 19, 
Klose, F., Baumschulenbesitzer in Spalitz bei Oels. 


. Fräulein v. Kramsta, M,, Mittergutsbesitzerin auf Muhrau bei Striegau. 
26. Herr Kühnau, W., Kunstgärtner in Damsdorf bei Kuhnern. 


Lauterbach, Dr., Rittergutsbesitzer in Stabelwitz bei Deutsch- 
Lissa. 

Leschick, F., Fabrikbesitzer in Schoppinitz. 

von Lieres und Wilkau, Rittergutsbesitzer auf Pasterwitz 
bei Wangern. 

von Lieres und Wilkau, Rittergutsbesitzer auf Gnichwitz 
bei Canth. 

Löw, G., Apotheker in Stroppen bei Gellendorf. 

Malke, Paul, Obergärtner in Leuthen bei Deutsch-Lissa. 

Methner, P,, Kaufmann und Fabrikbesitzer in Landeshut in 
Schlesien. 

Müller, O., Superintendent in Michelau bei Böhmischdorf. 

Nitschke, Rittergutsbesitzer in Girlachsdorf bei Nimptsch, 

von St. Paul, Corvetten-Capitain z. D., Hofmarschall in 
Fischbach in Schl. 

Peicker, W., Hofsärtner in Rauden OS. 

Plosel, .J., Obergärtner in Falkenberg OS. 

Graf von Praschma auf Schloss Falkenberg OS. 

von Prittwitz und Gaffron auf Moisdorf bei Jauer. 

Radler, Landesältester und Kreisdeputirter in Polnisch-Jägel 
bei Strehlen. 

Graf v. d. Recke-Volmerstein, Rittmeister, Landesältester 
und Generallandschafts-Repräsentant auf Kraschnitz. 

Gräfin Reichenbach, geb. Gräfin Bethusy-Huc, zu Festenberg. 

Reil, Rittergutspächter in Chorulla bei Gogolin, 

v. Reinersdorf-Paczensky, Rittmeister a. D., Majoratsherr 
‚auf Ober-Stradam bei Stradam. 

Rother, Garten-Director in Striesewitz bei Lissa (Posen). 

Sachs, P., Rittergutsbesitzer in Wiltschau bei Rothsürben, 

von Salisch, Rittergutsbesitzer auf Postel bei Militsch. 

Graf Schack von Wittenau, A., gen. Graf von Dankel- 
mann, in Beuthen a. OÖ, 

Graf von Schlabrendorf und Seppau, Erb-Ober-Land- 
baumeister, Majoratsherr auf Seppau bei Quaritz. 

Schnabel, R., Baumschulenbesitzer in Ohlgut bei Münsterberg, 

Stahr, Rittergutsbesitzer, prakt. Arzt, Dr. med, in Wilxen bei 
Obernigk, 


40 Jahresbericht der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. 


53. Herr Stefke, A., Apotheker in Lissa bei Breslau. 


54, — Stephan, J., Vorsteher der Provinzial-Gärtner-Lehranstalt in 
Koschmin, Posen. 

55. — Stern, Baumschulenbesitzer in Dürrgoy bei Breslau. 

56. — Stittner, H., Kunstgärtner in Cammerau bei Schweidnitz. 

57. — Streubel, W., Kunst- und Handels-Gärtner in Hassitz bei 
Glatz. 

58. — Sutter, A., Landes-Bauinspeetor, Hauptmann a. D., Schweidnitz. 

59. — Teicher, P., Kunst- und Handelsgärtner (in Firma G. Teicher) 

in Striegau. 

60. — von Tempski, H., Rittergutsbesitzer auf Baara bei Schmolz. 

61. — Töpffer, C., Kaufmann in Maltsch a. O. 

62. — Tripke-Ellsnig, Rittergutsbesitzer in Rzegnowo bei Gnesen. 

63. — Tschaplowitz, Dr. phil. in Proskau. 


64. Löbliche Verwaltung des von Lestwitz’schen Fräulein-Stiftes in 
j Tschirnau bei Reisen. 
65. Herr Wagner, Dr. med. in Stadt Königshütte.. 


66. — von Weallenberg - Pachaly, C., Rittergutsbesitzer auf 
Schmolz. 

67. — Walther, Stadtrath a. D. und Rittergutsbesitzer auf Eisenberg 
bei Strehlen. 

68. — Websky, E., Dr. phil., Geh. Commercienrath in Wüstewalters- 
dorf. 

69. — Weikert, Pastor in Gross-Wandriss bei Mertschütz. 

70. — Weinhold, E., Kunst- und Handelsgärtner in Hirschberg. 


71. — Freiherr v, Welczek, B., Kaiserl. Legations-Secretair a. D., 
Majoratsherr auf Laband OS. 

72. — Werner, F., Bergverwalter in Myslowitz. 

73. — von Zawadzky, F., Landesältester auf Jürtsch bei Canth. 


Sections-Versammlung in der Regel am zweiten Montage jeden Monats 
Abends um 7 Uhr. 


Die‘ resp. Mitglieder dieser Section ersucht der Secretair dringend, ihm 
etwaige Veränderungen ihres Wohnortes anzuzeigen. 


Wanderversammlung 


der 


Schlesischen Gesellschaft für vaterländische Cultur 


zu Schweidnitz 
Sonntag, den 30. Juni 1895. 


Während die Vaterländische Gesellschaft in den letzten Jahren ihre 
sommerlichen Wanderfahrten nach entfernteren Orten, wie Bunzlau und 
Hirschberg, unternommen hatte, war für den 30. Juni dieses Jahres eine 
näher gelegene Stadt als Ziel des Ausfluges erkoren worden, Schweidnitz, 
die durch ihren ‚‚Schöps‘ altberühmte, in das fruchtreiche grüne Hügel- 
selände zwischen Zobten und Eulengebirge so anmuthig gebettete ehe- 
malige Residenz piastischer Herzöge und frühere starke Festung des 
grossen Königs, welche nun, ihres Mauerkranzes entkleidet, in ge- 
deihlichster Entwickelung aufblüht als eine Zierde des Schlesierlandes. 
Es war eine recht stattliche Schaar von Mitgliedern der Gesellschaft 
und Gästen — zusammen wohl gegen 80 — die sich am Sonntag früh 
gegen 9 Uhr auf dem Freiburger Bahnhofe zur gemeinsamen Reise ver- 
einigte und bei der Ankunft auf dem Schweidnitzer Bahnhofe um 10°/, Uhr 
von dem schon Tags zuvor dort eingetroffenen Präses, Geheimen 
Medieinalrath Professor Dr. Heidenhain, und dem Ortscomite, dem die 
Herren Erster Bürgermeister Thiele, Bürgermeister Philipp, Stadt- 
verordnetenvorsteher Barchewitz, Gymnasialdireetor Dr. Monse, 
Öberstlieutenant z. D. Otto, Prof. Dr. Rost, die Stadträthe Wahren- 
holz, Juncker und Franeisei sowie die Rechtsanwälte-Kassel und 
Herold II. angehörten, mit herzlicher Begrüssung empfangen wurde. 
Zunächst begab man sich über den mit hübschen Anlagen geschmückten 
Wilhelmplatz nach der nahen Braucommune, um in deren grossem, 
schattigem Garten bei den Klängen der gerade dort concertirenden tüch- 
tigen Stadtcapelle das zweite Frühstück einzunehmen. Bei der sengen- 
den Gluth mundete das kühle, nach böhmischer Art ausgezeichnet ge- 
braute Bier vortrefflich. Der kurze Weg nach dem Hause der Loge 
„Zur wahren Eintracht“, in dessen mit Büsten und Bildern geziertem Saale 
die wissenschaftliche Sitzung gegen 11'/, Uhr begann, gab den Bres- 


43 Jahresbericht der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. 


lauer Gästen, zu denen sich noch Vereinsgenossen aus Jauer und Liesnitz 
gesellt hatten, Gelegenheit, einen Theil der an Stelle der abgetragenen 
Festungswerke erstandenen neuen, breit angelegten und mit geschmack- 
vollen Gebäuden besetzten Sirassenzüge kennen zu lernen. In dem 
geräumigen Logensaale hatte sich schon eine beträchtliche Zahl von 
einheimischen Zuhörern, darunter auch mehrere Damen, eingefunden, so 
dass die Redner eine recht ansehnliche Corona vor sich hatten. Nach- 
dem der Präses der Gesellschaft, Geh. Rath Heidenhain, die Sitzung 
eröffnet hatte, hiess Erster Bürgermeister Thiele die Mitglieder dieser 
so hochgeschätzten wissenschaftlichen Vereinigung namens der Stadt und 
des Comites in warmen Worten willkommen in den Mauern von 
Schweidnitz. Der Vorsitzende dankte ebenso herzlich und bemerkte 
dabei, man werde sich vielleicht darüber wundern, dass die Gesellschaft 
bei der Bestimmung ihrer Versammlungsorte bisher stets an Schweidnitz 
vorbeigegangen sei, während sie doch viel weiter entfernte Städte schon 
besucht habe. Der Grund dafür sei die Befürchtung des Präsidiums 
gewesen, Schweidnitz werde, da es den Breslauern schon so bekannt 
und vertraut sei, nicht.mehr genügende Anziehungskraft ausüben; diese 
Annahme aber habe sich als durchaus irrig erwiesen, denn als in diesem 
Jahre als Ziel des Ausfluges neben Glogau und Oppeln auch Schweidnitz 
genannt worden sei, habe dieser Vorschlag allseitigen Beifall gefunden, 
und die grosse Zahl der heute Erschienenen beweise, dass man die 
richtige Wahl getroffen habe. Eine wissenschaftliche Gabe den Mit- 
gliedern darzubringen, wie es sonst wohl meist geschehen, war der 
Präses leider diesmal nicht in der Lage, denn Prof. Dr. Josef Partsch, 
der die Zusammenstellung der auf die Landes- und Volkskunde 
von Schlesien bezüglichen literarischen Erscheinungen übernommen 
hat, ist durch andauernde Krankheit verhindert gewesen, den schon bis 
zur vorjährigen Versammlung in Hirschberg ershienenen ersten beiden 
Heften nunmehr das dritte folgen zu lassen. Auch der 72. Jahresbericht 
für 1894 hat die Presse noch nicht verlassen, | 

Geh. Rath Heidenhain übertrug nunmehr den Vorsitz an den 
Ersten Bürgermeister Thiele und berief die Herren Geh, Reg.-Rath 
Professor Dr. Cohn und Geh. Bergrath Althans aus Breslau sowie 
Gymnasialdireetor Dr. Monse und Oberstlieutenant Otto aus Schweidnitz 
zu Beisitzern im Tagespräsidium. Von den angemeldeten sieben Vor- 
trägen hielt den ersten Oberlehrer Dr. Worthmann aus Schweidnitz, 
der in kurzen knappen Zügen, dabei aber klar und anschaulich, die in 
‘ vier Abschnitte zerfallende Geschichte der Stadt Schweidnitz 
schilderte; zum Schlusse wies er darauf hin, dass dem in der neueren , 
Zeit so kräftig emporgediehenen Gemeinwesen nur eines noch fehle, 
ein Denkmal, das eine sichtbare Erinnerung bilde an die weltbewegenden 
Thaten der jüngsten Vergangenheit, und gab der zuversichtlichen Hoff- 


Wanderversammlung. 43 
nung Ausdruck, dass unser Jahrhundert nicht zu Ende gehen werde, 
ohne dass des Ehrenbürgers von Schweidnitz, des grossen Schlachten- 
denkers Moltke, hehre Gestalt sinnenden Auges vom Postamente nieder- 
blicke, den kommenden Geschlechtern eine Mahnung an die grosse Zeit 
der Entstehung von Kaiser und Reich. 

Als zweiter Redner sprach Professor Dr. Frech über Erdbeben, 
wobei er besonders Ursache, Ausdehnung und Wirkung des Erdstosses, 
der am 11. Juni d. J. das Sudetengebiet betroffen hat, eingehend erörterte. 
Geh. Medieinalrath Professor Dr. Ponfick behandelte sodann die trei- 
benden und hemmenden Kräfte des Wachsthums in unserem Orga- 
nismus, und Professor Dr. Ahrens führte einige neue Beleuchtungs- 
arten vor, vornehmlich das Acetylengas und die Spiritusglühlichtlampe. 
In dem fünften Vortrage erörterte Geh. Medicinalrath Professor Dr. 
Mikuliez die Bedeutung der Schilddrüse für den gesunden und 
kranken Menschen, die Kropfbildung und den Cretinismus, die beide 
in einer anormalen Function bezw. dem Fehlen jenes Organes ihren 
Ursprung haben. Dann erklärte Professor Dr. Born an vergrösserten 
genauen Abbildungen die von ihm erzielten, höchst sonderbaren Ver- 
wachsungen von Thieren und zwar von Larven des Wasser- und des 
Grasfrosches. Schliesslich sprach Professor Dr. Hermann Cohn über 
Verhütung der Blindheit mit besonderer Berücksichtigung der so 
überaus gefährlichen, aber leicht zu verhindernden Augenentzündung 
Neugeborener. 

Sämmtliche Vorträge, von denen die meisten durch Demonstrationen, 
Präparate, Bilder und Karten erläutert wurden, waren ausserordentlich 
interessant und ernteten lebhaften Beifall. 

Nachdem der Vorsitzende namens der Anwesenden allen Rednern 
den wohlverdienten Dank abgestattet und sodann die Sitzung geschlossen 
hatte, kehrte man zur Braucommune zurück, in deren schönem, luftigem, 
mit Laubgewinden und dem Stadtwappen geschmücktem Saale das 
Mittagmahl eingenommen werden sollte. Es waren dazu vier lange 
Tafeln hergerichtet worden, die am oberen Saalende quer gestellte 
Präsidialtafel und drei Längstafeln; neben jedem Gedeck lag die Tisch- 
karte, auf deren erster Seite das in Farben sauber ausgeführte Stadt- 
wappen prangte, welches im ersten und vierten Felde eine goldene 
Krone in Schwarz, im zweiten einen rothen Greifen in Silber und im 
dritten, als redendes Zeichen, ein schwarzes Schwein auf silbernem 
Grunde zeigt. Die Speisenfolge wies sieben Gänge auf, die sämmtlich 
' sehmackhaft zubereitet waren und in gefälliger Anrichtung dargeboten 
wurden. Da der Präses in weiser Vorsicht die Reihe der Trinksprüche 
ziemlich spät eröffnete, konnte deren Zahl nicht, wie es sonst leider 
so oft geschieht, ins Unendliche wachsen. Geh. Rath Heidenhain 
widmete sein Glas dem Kaiser und Könige in einem formvollendeten, 


44 Jahresbericht der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. 


geistvollen Toast. Als er am Morgen durch das Rasseln der Trommeln 
auf der Schweidnitzer Hauptwache erweckt worden sei, habe dieser 
kriegerische Klang seine Gedanken auf den grossen Preussenkönig ge- 
lenkt, der Schlesien seinem Staate einverleibt und dadurch vielleicht 
vor schwerem Unheil bewahrt habe. Auf einer Pfingstwanderung über 
den Kamm des Riesengebirges sei ihm ein merkwürdiger Gegensatz 
aufgefallen. Auf der preussischen Seite habe das prächtige Thal mit 
seinen schmucken Städten und Dörfern in hellem Sonnenschein klar da- 
gelegen, drüben auf der österreichischen aber sei die Tiefe mit dichtem, 
finsterem Gewölk erfüllt gewesen, welches das Böhmerland den Blicken 
völlig entrückt habe. Und ein ähnlicher Contrast zeige sich in der 
Lage der Deutschen, die da unten wohnen. Hier in Preussen schirme 
die starke Hand des königlichen Friedensfürsten deutsche Sitte und 
deutsche Art, hier winke der deutschen Bevölkerung in gedeihlicher 
Entwickelung eine lichte Zukunft; dort in Böhmen laste auf dem 
Deutschen ein düsteres Geschiek, dort sei er in seinem wirthschaftlichen 
und geistigen Fortschritt gehemmt, ja kaum noch geduldet. Vor einem 
solchen Schicksal habe Friedrichs des Grossen That unser Schlesien 
gerettet und seine Nachfolger haben das Werk, das er begonnen, fort- 
gesetzt in treuer Fürsorge für das Wohl unserer Heimath, nicht am 
wenigsten unser regierender Herr, dem das erste Glas geweiht sein 
solle. Mit Begeisterung stimmten alle Theilnehmer an dem Festmahle 
in den Hochruf ein. Im Anschlusse daran wurde das erste der von 
unbekannter Hand gespendeten prächtigen Tafellieder, „An den Zobten“ 
betitelt, gesungen, wobei ein Tischgenosse die Begleitung auf dem Clavier 
vorzüglich ausführte. Der zweite Toast, von Geh. Rath Cohn in 
bekannter humorvoller Art ausgebracht, galt der Stadt Schweidnitz, die 
von alten Zeiten her stets mit Breslau in engster Beziehung gestanden, 
deren streitbare Bürgerschaft manchen blutigen Strauss gegen die Land- 
beschädiger gemeinsam mit den Mannen Breslaus ausgefochten und dann 
nach errungenem Siege mit diesen in Schöpsbier Brüderschaft getrunken 
habe. Die Vaterländische Gesellschaft sei noch durch ganz besondere 
Beziehungen mit Schweidnitz verknüpft, denn hier habe eine ältere 
Schwester von ihr bestanden, die Oekonomisch-patriotische Societät, die 
in Jauer noch heute fortlebt. Erster Bürgermeister Thiele dankte 
und trank seinerseits auf die Schlesische Gesellschaft für vaterländische 
Cultur. Staatsanwalt Dr. Keil aus Breslau gedachte in seiner dem 
Ortsausschusse, der so trefflieh für die gute Aufnahme der Gäste gesorgt 
- hatte, gewidmeten Tischrede des grössten Sohnes von Schweidnitz, des 
Schöpfers unseres Landrechtes, Svarez, und Oberstlieutenant Otto for- 
derte, an den Schluss des Vortrages von Dr. Worthmann anknüpfend, 
die Anwesenden auf, für das geplante Moltkedenkmal ein Scherflein 
beizutragen; die sofort vorgenommene Sammlung ergab die ganz erkleck- 
liche Summe von einigen achtzig Mark. 


Wanderversammlung. 45 


Schon während des Essens, das etwa eine Stunde länger dauerte, 
als im Programm vorgesehen war, hatte draussen der Donner eines 
heftigen Gewitters gegrollt, und als man die von ihren Eigenthümern 
mit liebenswürdiger Bereitwilligkeit zur Verfügung gestellten Landauer 
bestieg, um nach Creisau hinauszufahren, fielen schwere Tropfen aus 
dem tief herabhängenden, dunkelgrauen Gewölk. Doch liess man sich 
dadurch den Genuss der herrlichen Fahrt in der erheblich abgekühlten 
Luft nicht verkümmern, und prächtig war der Blick auf die dunkel- 
blauen Bergzüge, den Zobten mit den Költschenbergen zur linken und 
die langgestreckte Eulenkette zur rechten Hand, die sich hinter dem 
sanft gewellten Vorlande anscheinend fast greifbar nahe erhoben. Auf 
der Rampe des äusserlich sehr einfachen Schlosses Creisau, die von zwei 
französischen Geschützen flankirt wird, empfingen Graf und Gräfin 
Moltke sowie Major Freiherr von Schuckmann von den Leib- 
kürassiren die Gäste und geleiteten sie in die inneren Räume, wo die 
zahllosen, theils auf Postamenten aufgestellten und an den Wänden 
hängenden, theils in Schränken geborgenen Ehrengaben — Reiter- 
standbilder, Porträts, Adressen, Ehrenbürgerbriefe u. s. w. — welche 
dem verewigten Marschall von seinen dankbaren Königen und Kaisern, 
von deutschen Fürsten und Waffengefährten, von Städten und einzelnen 
Personen verehrungsvoll dargebracht worden sind, besichtigt und be- 
wundert wurden. Von den Zimmern, die der Feldmarschall bewohnt 
hat, sind einige, wie das Rauchzimmer, nicht mehr in dem alten Zu- 
stande; das schlichte Schlafgemach aber ist noch vollkommen so einge- 
richtet wie zu Lebzeiten Moltke’s. Da steht neben dem Bett auf dem 
Nachttische noch die Perrücke, die er zu tragen pflegte; in den Ecken 
neben dem breiten Fenster hängen die mit Widmungsinschriften be- 
druckten Bänder und Schleifen zahlreicher Kränze. In die Wand des 
Treppenhauses ist jene kostbare Erztafel eingelassen, welche die 
deutschen Städte dem grossen Strategen bei seinem 90. Geburtsfeste 
zum Geschenk gemacht haben. Der Freund alter, stilgerechter Möbel findet 
in der Einrichtung des Schlosses vieles Schöne, besonders aus der 
Rococozeit; eine grosse Vase aus Meissener Porzellan ist ein wahres 
Prachtstück von feinster Ausführung. Doch nicht so lange, wie man es- 
wünschte, konnte man in dem an vaterländischen Erinnerungen so 
reichen Schlosse verweilen, denn draussen harrten die Wagen zur Fahrt 
durch den weit gedehnten Park. Mit diesem hat sich Moltke selbst ein 
Denkmal gesetzt, hier hat sein mit einem innig empfindenden Feingefühl 
für die Reize der Natur begabter Geist schöpferisch gewaltet. Die 
meisten der Bäume sind nach seiner Anordnung und unter seiner Auf- 
sicht gepflanzt, die vielverschlungenen, auf- und niederführenden Pfade 
nach seinem Plane angelegt. Ein Theil des Parkes liegt auf dem 
rechten hohen Ufer der Peile; hier bieten sich entzückende Fernsichten 


46 Jahresbericht der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. 


hinüber zur hohen Eule mit ihrem Thurme, und hier oben erhebt sich 
auch auf einem freien, von Fichten umrauschten Platze ein kleiner 
Ziegelrohbau im Rundbogenstil, die stille Gruft, in der zu Füssen von 
Thorwaldsen’s Christus neben dem Marschall, an dessen Sarge vorn die 
Kränze des Kaiserpaares und des Generalstabes liegen, seine Gattin und 
seine Schwester, Frau von Burt, die letzte Ruhestätte gefunden haben. 
Schauer heiliger Andacht erfüllen den Besucher dieses geweihten Ortes, 
um den der Geist des Verklärten noch zu schweben scheint. 

Von dem Parke aus erfolgte die Weiterfahrt nach Take dene 
wo man bei einem Glase Bier noch beisammenblieb, bis der 9 Uhr- 
Zug die Gäste .nach Königszelt zurückführte, von wo die Breslauer 
Herren theils mit dem Sonderzuge, theils mit dem Hirschberger Schnell- 
zuge die Heimreise antraten. 


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schlesische Gesellschaft für vaterländische Cultur. 


SCKIS 


73. I. Abtheilung. 
Jahresbericht. Mediein. 
1895. a. Medieinische Section. 
&c NZ 240 


Sitzungen der medicinischen Section im Jahre 1895. 


1. Sitzung vom 4. Januar 1895. 
Vorsitzender: Herr Geh. Rath Ponfick. Schriftführer: Herr Dr. Tietze. 


Tagesordnung: 


Herr Professor Hirt: Bericht über die Sachverständigen-Gutachten 
in dem Münchener Schwurgerichts-Processe Czynski. 


Der Vortrag wird an anderer Stelle veröffentlicht werden. 


2. Sitzung vom 11. Januar 1895. 
Vorsitzender: Herr Geh. Rath Mikulicz. Schriftführer: Herr Dr. Kaufmann. 
Vor der Tagesordnung. 
Der Herr Vorsitzende bittet die Anwesenden, zur Ehrung des Ge- 
dächtnisses des gestern verstorbenen Herrn Professor Gottstein sich 
von den Sitzen zu erheben. Dies geschieht. 


Tagesordnung: 

1) Herr Dr. Oppler: 

Der Mageninhalt beim Carcinoma ventrieuli. ') 

Ich möchte hier einige Thatsachen berichten, welche mir bei der 
Untersuchung zahlreicher Mageninhalte von careinomatösen Mägen — wozu 
ich in meinem früheren Wirkungskreise sehr reiche Gelegenheit hatte — 
aufgefallen sind. An und für sich genommen würden diese Dinge viel- 
leicht wenig bedeuten, aber zusammengehalten mit anderen Erscheinungen 
sind sie doch recht wichtig. Und da ich Werth darauf lege, sie Ihnen, 
m. H., in diesem Rahmen vorzuführen, so möchte ich mir erlauben, 
gleichzeitig den jetzigen Stand der Ansichten über den Mageninhalt beim 
Careinoma ventrieuli kurz zu skizziren. 

Je weiter wir nämlich, m. H., in der Kenntniss des Mageninhaltes 
fortschreiten, um so mehr erkennen wir, wie eigenartig besonders der 
des Careinoma ventriculi sich verhält. Wir können daher aus seiner 


!) Der Vortrag ist in extenso in der Deutschen medieinischen Wochenschrift 
erschienen. 


1895, ı 


2) Jahresbericht der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. 


Untersuchung allein. mitunter die Diagnose stellen. Das ist natürlich 
enorm wichtig, da in diesem Stadium, wenn noch kein Tumor vorhan- 
den resp. palpabel ist, die Operation natürlich weit bessere Chancen 
bietet. 

Schon seit langem hat man übrigens diesem Mageninhalt grosse 
Aufmerksamkeit geschenkt und glaubte bereits in dem Fehlen der freien 
Salzsäure ein speeifisches Zeichen für das Carecinom zu besitzen. Aber 
einmal trifft das nicht immer zu und zweitens findet es sich auch bei 
manchen anderen Affeetionen, so dass es hier wohl nur als das Zeichen 
der Kachexie resp. der concomitirenden Gastritis anzusehen ist. Eben- 
sowenig war in ‘dieser Hinsicht mit dem Befunde von organischen 
Säuren oder verändertem Blute etwas anzufangen. . 


Ein weit wichtigeres Zeichen, m. H., ist die von Boas beschriebene 
häufig vorkommende Milchsäurebildung beim Magencareinom, welche 
allerdings nur unter gewissen Cautelen constatirt als beweisend an- 
sesehen werden kann. Sie findet sich bei anderen Magenaffecetionen gar 
nicht, oder nur excessiv selten (Fälle von Rosenheim, Thayer, 
Strauss), so dass sie ein wichtiges diagnostisches Zeichen ist. Hammer- 
schlag, Schüle, Ewald, Strauss und auch ich auf Grund zahlreicher 
Untersuchungen konnten die Thatsache bestätigen. 


Das Fehlen der Milchsäurebildung beweist übrigens nichts gegen 
Careinom. Nothwendig ist für ihr Auftreten erstens eine gewisse 
motorische Insufficienz und zweitens die Abwesenheit freier Salzsäure. 
Daher sind es zumeist Pyloruscareinome und weit vorgeschrittene Cur- 
vaturen- oder Fundus - Careinome (nach Infiltration der Museularis), 
welche die höchsten Grade der Milchsäureproduction zeigen, in manch’ 
anderen Fällen fehlt sie bis zum Exitus letalis. Ich hatte Gelegenheit 
2 Pyloruscareinome zu: beobachten, welche wohl riesenhafte Stagnation, 
aber anfangs auch noch freie Salzsäure zeigten; in dem Augenblicke erst, 
als diese verschwand, setzte mit einem Male die Milchsäurebildung ein. 


Gestatten sie mir auch, m. H., darauf hinzuweisen, dass die bei 
gutartigen Pylorusstenosen nicht selten angetroffene Schwefelwasserstoff- 
bildung, bei carcinomatösen nie beobachtet ist, dass diese dagegen 
wiederum nach Strauss grosse Neigung zu Gasgährungen erkennen 
lassen. 


Die Fermente zeigen kein charakteristisches Verhalten, Wie wir 
beim Magencareinom vollständige Integrität, Verminderung und Erlöschen 
der Labproduction finden, je nach dem Grade der allgemeinen Schleim- 
hauterkrankung, so sehen wir ein ähnliches Verhalten auch beim Pepsin. 
Die Angabe von Hammerschlag, dass frühzeitiger Pepsinmangel ein 
diagnostisches Kriterium für das Carcinoma ventriculi sei, kann ich auf 
Grund eigener Untersuchungen nicht bestätigen. 


I. Abtheilung. Medicinische Section. 3 


Die diagnostische Verwerthbarkeit mikroskopischer Befunde gipfelte 
bisher in dem allerdings nicht gar so seltenen Auftreten von Krebszell- 
nestern, Eiter und Geschwulstpartikelchen. Ich habe, m. H., in dieser Be- 
ziehung meine Aufmerksamkeit besonders den Mikroorganismen geschenkt. 
Selten wird man diese in irgend einem Mageninhalte je ganz vermissen, 
ebenso selten aber wird man finden, dass sie vor allen anderen Ele- 
menten das Gesichtsfeld beherrschen. Wenn ich von Hefe und sarcina 
ventrieuli absehe, so kommt das nach meinen Erfahrungen nur beim 
Magenkrebs vor, besonders in jenen Fällen, die auch reichlich Milch- 
säure aufweisen. Und zwar sind es hier vornehmlich in langen Fäden 

auftretende Stäbchen, vermuthlich ein bestimmter Saprophyt, den ich 
_ übrigens bisher nieht zu züchten vermochte. In salzsäurehaltigen Magen- 
inhalten bei gutartiger Ectasie habe ich sie nie finden können; in beiden 
Arten von Fällen aber stets reichlich Hefe. 

Im Gegensatze zum Verhalten dieser Bacterien steht das der Sareine. 
Ich habe an anderer Stelle, m. H., bereits darauf hingewiesen, dass sie 
sich bei vielen Magenerkrankungen zufällig, bei der Ectasia ventriculi 
fast regelmässig und beim Careinom trotz der entgegengesetzten Angaben 
der Lehrbücher selten oder nie findet. Ich kann diese frühere Mittheilung 
auch heute noch vollkommen aufrecht erhalten, nur dass mir einige 
seither beobachtete Fälle, die ich als Uebergangsfälle bezeichnen möchte, 

wie ich glaube den Schlüssel zu diesen divergirenden Angaben gegeben 
haben. In beiden Fällen (Pyloruscareinomen) war bei hoch entwickelter 
Stagnation der Ingesta noch freie Salzsäure und Sareine vorhanden; 
beide verschwanden im weiteren Verlaufe und machten die eine der 
Milchsäure, die andere den oben beschriebenen Stäbchen Platz. Meine 
Erklärung dieser Beobachtung ist folgende: Die Stagnation verursacht 
das Wachsthum der Sareine, die freie Salzsäure fördert es und ver- 
hindert das Aufkommen der Bacterien; mit dem Fortschreiten des Pro- 
cesses versiegt die Salzsäure, Milchsäure tritt auf und schafft nun für 
die Bacterienvegetation die günstigsten Bedingungen, so dass die Sareine 
. verdrängt wird. Sieht man nur das eine Stadium dieses fortschreitenden 
Processes, so kann man freilich leicht zu falschen Schlüssen kommen. 
Den einen dieser Fälle möchte ich Ihnen, m. H., wegen des grossen 
Interesses, das sie bieten, in ganz flüchtigen Umrissen schildern. 

Es handelt sich um einen 47jährigen Droschkenkutscher, der Ende 

Juni v. J. in meine Beobachtung trat. Er fühlte sich seit etwa 

1'/, Jahren krank mit Erscheinungen von Seiten des Magens, seit einem 

Vierteljahr war eine erhebliche Verschlimmerung eingetreten. Damals 

klagte er über häufiges saures Aufstossen, Sodbrennen, Uebelkeiten nach 

jedem Essen, Magendrücken und Magenschmerzen; Erbrechen (Speisen 

mitunter vom Tage vorher) trat täglich auf, Blut war nie darin. Appetit 

war gut, Stuhlgang sehr angehalten. Der Patient fühlte sich sehr matt 
1# 


4 Jahresbericht der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. 


und schwach. Die Untersuchung des sehr abgemagerten doch nicht 
gerade kachektischen Patienten ergab lautes Succeussionsgeräusch, einen 
stark durch Gas geblähten Magen, der bis fast zur Symphyse reichte und 
etwas descendirt war, sowie einen etwa wallnussgrossen, beweglichen 

Tumor in der Pylorusgegend. Im nüchternen Magen fanden sich reich- 

liche kaffeesatzähnliche Massen, die freie Salzsäure und Sareina ventr. 

(weder Milchsäure noch Bacterien) enthielten. In Folge täglicher Aus- 

spülungen besserten sich fast alle Symptome, während der allgemeine 

Verfall rapide fortschritt. Die Diagnose wurde auch mittels Durch- 
leuehtung controlirt. Im Laufe der nächsten Wochen verschwanden 
nun allmählich Salzsäure und Sareine und die im nüchternen Magen 
stets reichlich vorhandenen Speisereste enthiellen nunmehr regelmässig 
Milchsäure in grosser Menge und jene oben beschriebenen Baeterien. 
Der Patient entschloss sich schliesslich zur Operation. Es wurde ein 
fast völlig obturirendes Pyloruscareinom gefunden und durch Resection 
entfernt. Der Patient befindet sich jetzt vollkommen wohl, hat bisher 

50 Pfd. zugenommen; der Mageninhalt verhält sich nach jeder Richtung 

hin ganz normal. 

Fassen wir nun, m. H., die Eigenschaften des Mageninhaltes beim 
Careinoma ventriculi nochmals kurz zusammen: 

1. Bei intacter motorischer Function (Careinome des Magenkörpers) 
fehlt oft die freie Salzsäure, in seltenen Fällen findet sich Milch- 
säurebildung, nie Sarcine, mitunter Eiter, Geschwulstpartikel, 
Bacterienketten. 

2. Bei stark gestörter motorischer Function: 

a. Wenn freie Salzsäure noch vorhanden ist (beginnende Pylorus- 
carcinome), finden wir auch Sareine, mitunter Krebszellnester ete., 
Neigung zu Gasgährung, nie Milchsäure und Bacterienfäden; 

b. wenn freie Salzsäure nicht mehr vorhanden ist (vorgeschrittene 
Careinome jeder Art, insbesondere Pyloruscareinome), treten 
Milchsäure und Baeterienrasen auf, mitunter Geschwulstipartikel 
u. s. w., Neigung zu Gasgährung, nie Sareine. 

Wenn Sie mich nun fragen, m. H., ob wir bei Anwendung aller 
dieser Untersuchungsmethoden — ‚angenommen wir können mit ihrer 
Hilfe die Diagnose eine Zeit lang früher stellen — die Mageneareinome 
so früh zur Operation zu bringen vermögen, dass die Mehrzahl der Fälle 
gute Chancen bietet, so wird sich darauf nicht mit einem einfachen Ja 
oder Nein antworten lassen. Gestatten Sie mir, dass ich die maass- 
gebenden Gesichtspunkte kurz erörtere, 

Zwei Operationen kommen für das Careinoma ventriculi im Wesent- 
lichen in Betracht: die Magenresection und die Gastroenterostomie. Die 
erstere schafft nieht nur für den Chymus wieder freie Bahn, sondern 
sucht auch den Tumor vollständig zu entfernen, damit den Krankheits- 


I. Abtheilung. Medicinische Section. 5 


process zu beendigen und vermag selbst geschehene Veränderungen, wie 
die der Secretion, wieder zu repariren. Die Resection wirkt also causal, 
sie stellt das ideale Verfahren dar, und wir müssen versuchen, ihr 
möglichst zahlreiche Fälle zuzuführen. Anders die Gastroenterostomie. 
Durch eine Fistel zwischen Magen und Jejunum wird der careino- 
matös verengte Pylorus umgangen, also lediglich die mechanische Störung 
beseitigt. Die Operation ist also nur bestimmt, palliativ zu wirken und 
hat ausser den gemeinsamen Contraindicationen, wie vorgeschrittene 
Kachexie etc., noch die der ungestörten Motilität. 

Beginnen wir unsere Betrachtung mit den Carcinomen der Curva- 
turen, der Magenwände und des Fundus, wobei ich vorweg bemerken 
möchte, dass besonders die ersteren weit häufiger sind, als im Allgemeinen 
seglaubt wird, und meiner Ansicht nach, wie auch aus manchen neueren 
Statistiken hervorgeht, den Pyloruscareinomen an Häufigkeit mindestens 
sleichkommen. Diese Careinome nun beginnen schleichend, die Be- 
schwerden steigern sich nur langsam, und wenn der Patient den Arzt 
aufsucht, besteht das Leiden meist über Jahr und Tag. Auch dann ent- 
zieht sich der Tumor oft noch der Palpation. Einmal nämlich liegt er 
meist, wofern der Magen nicht descendirt ist, unter den Rippen, ferner 
wachsen diese Tumoren sehr langsam und gehören schliesslich über- 
wiegend den sogenannten infiltrirenden Formen an, die der palpirenden 
Hand wohl das undeutliche Gefühl der Resistenz, doch selten das des 
umschriebenen Tumors gewähren. Ich glaube behaupten zu können, 
dass es zu jeder Operation zu spät ist, wenn ein solches Careinom erst 
palpabel ist. Gerade in diesen Fällen also müssen wir versuchen, die 
Diagnose vorher zu stellen, aber selbst dann ist es oft schon zu spät, 
weil die Kranken eben zu spät den Arzt aufsuchen. Mehrere derartige 
Fälle sind mir in Erinnerung. Die Diagnose war auf Grund des 
Maseninhaltbefundes gestellt; nach Eröffnung der Bauchhöhle zeigte 
sich das Careinom so ausgedehnt, dass an eine Operation nicht zu 
denken war. Immerhin gelingt es glücklicherweise in einer Reihe von 
Fällen früh genug zu diagnostieiren und rechtzeitig zu operiren, auf den 
Tumor darf man allerdings nicht warten wollen, 

Auch für die Gastroenterostomie liegen diese Fälle nicht günstig. 
So lange die Motilität gut ist, liegt keine Indication dazu vor; in den 
späteren Stadien pflegt sich allerdings motorische Insufficienz einzustellen, 
schafft dann aber schon vermöge ihrer Genese die ungünstigsten Ope- 
rationsbedingungen. Sie wird ja hier nicht verursacht durch eine Ver- 
lesung des Pylorus, die den Magen dann consecutiv vergrössert, sondern 
durch eine Durchsetzung der Museularis mit Tumormassen. Hier kann 
der Magen, obgleich er nie von Speisen leer wird, ganz klein sein, weil 
die starren Wände der Dehnung einen übergrossen Widerstand bieten, 
und er liest dann häufig genug völlig unter dem Rippenbogen, durch Ad- 


6 Jahresbericht der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. 


häsionen fixirt, dem Messer ganz unerreichbar. Aber selbst wenn der 
Magen descendirt ist in Folge der beschwerenden Wirkung des Neo- 
plasmas, wird oft kaum der Raum vorhanden sein zur Anlegung der 
Magen-Dünndarmfistel. Diese Fälle passen dann höchstens für die neuer- 
dings empfohlene Jejunostomie. 


Ganz anders, m. H., und weit freundlicher ist das Bild glücklicher- 
weise beim Pyloruscarecinom. Die Kranken werden durch die Beschwerden 
der gestörten Motilität, insbesondere durch das Erbrechen, so früh zum 
Arzte getrieben, dass häufig der kleine stenosirende Tumor noch nicht 
palpabel ist, hier muss dann das ganze Rüstzeug unserer Untersuchungs- 
methoden in Anwendung kommen. Gelingt es dann die Diagnose zu 
stellen, so hat man Monate gewonnen und findet meist für die Resection 
ausserordentlich günstige Verhältnisse vor. Ich habe einerseits mehrfach 
Gelegenheit gehabt, derartige Fälle mit vorzüglichem Erfolge operiren 
zu lassen, andererseits auch zu beobachten, dass bei Patienten, welche 
die Operation verweigerten, vom Augenblicke der Diagnosenstellung bis 
zum Auftreten des Tumors mehrere (bis 4) Monate vergingen. Die 
kleinen Tumoren beschränken sich meist genau auf den Pylorus und 
sind mit Leichtigkeit zu entfernen. Der Erfolg ist geradezu ein zauber- 
hafter. Die im Vordergrunde stehenden Beschwerden der gestörten 
Motilität verschwinden mit einem Schlage und selbst die Secretions- 
thätigkeit kann wieder zur Norm zurückkehren, wie ein Fall von Rosen- 
heim und der von mir eben mitgetheilte beweisen. 


Aber auch für die Gastroenterostomie sind die Chancen hier weit 
besser. Die Kranken sind wegen der enormen Stenosenbeschwerden 
meist unschwer zur Operation zu bewegen, der Magen ist sehr gross 
(freilich mitunter auch papierdünn) und es steht zur Anlegung der Fistel 
gewöhnlich eine ausgedehnte, neoplasmafreie Fläche zur Verfügung. 
Die Verhältnisse liegen eben mitunter, auch wenn man glaubt, die 
Diagnose noch so früh gestellt zu haben, durch Adhäsionen, Metastasen 
u.5.w. so ungünstig, dass man sich mit der Palliativoperation begnügen 
muss, die übrigens in diesen Fällen den Kranken den Haupttheil ihrer 
Beschwerden nimmt. Ja es scheint sogar durch Ausschaltung des Pylorus 
die Wachsthumsenergie der nicht mehr stetig gereizten Neubildung 
eine geringere, der Verlauf ein milderer, langsamerer zu werden. Und 
obwohl sich natürlich die secretorische Function in diesen Fällen nie 
wieder bessert, werden meist ganz erhebliche temporäre Gewichts- 
zunahmen und eine namhafte Verlängerung des Lebens erzielt. 

So sehen wir denn, m. H., dass wir zwar heute in der Diagnostik 
des Magenkrebses ein gut Stück weiter sind, als noch vor wenig 
Jahren, dass aber eine weitere Ausbildung und Verfeinerung unserer 
Methoden dringend nothwendig erscheint, wenn wir nicht annehmen 


I. Abtheilung. Medicinische Section. 


I 


wollen, dass es überhaupt schon zu spät ist, wenn der Patient die ersten 
Beschwerden empfindet. 


Discussion: 


Herr Geh. Rath Mikuliez: Fühlbarer Tumor und Stenose des 
Pylorus bilden die Hauptsymptome für die Chirurgen. Für die Früh- 
formen (mit Salzsäure und Sarcine) sind die Untersuchungen der inneren 
Kliniker wichtig. Der Chirurg bekommt meist erst die Spätformen. 


Herr Dr. Werther hat auch in Spätfällen noch freie Salzsäure ge- 
funden. Er hält dafür, dass Milchsäurebildung anhebt, sobald der Krebs 
verjaucht. 


Herr Dr. Buchwald glaubt, dass man eine Diagnose auf Grund 
der Angaben des Vortragenden nicht absolut sicher stellen kann, 


Herr Dr.Kader: Unverricht fand, dass dieVerdauungs-Leucocytose 
bei Magencareinom nie vorhanden ist. Dies Symptom sei ebenso wichtig, 
wie alle anderen. 


Herr Dr. Oppler: Milchsäure tritt nicht nur bei ulcerirten Car- 
einomen auf, sondern auch bei ganz kleinen, nicht ulcerirten. 


Herr Dr. Rosenfeld: Das Gesetz: „Mangel der Salzsäure und 
Vorhandensein der Milchsäure sichert die Diagnose‘ hat Ausnahmen. 
Sarcine kommt in kaffeesatzähnlichem Mageninhalt bei Careinom doch 
zuweilen vor. Charakteristisch ist das Symptom nicht, 


2) Herr Dr. Henle: 
Ueber Desinfection von frischen Wunden.!) 


Nachdem in der Chirurgie die Antiseptik von der Aseptik da gänzlich 
verdrängt ist, wo es sich um Wunden handelt, welche als nicht in- 
fieirt angesehen werden können, ist man neuerdings noch einen Schritt 
weiter gegangen und hat auch die antiseptische Behandlung der infieirten 
Wunden als aussichtslos fallen lassen wollen. Anlass hierzu gaben 
Versuche, welehe von Renault und Bouley, von Collin, Niessen 
und schliesslich am eingehendsten von Schimmelbusch ausgeführt 
wurden und deren Resultat in Kürze folgendes ist: wenn man eine 
frische Wunde an einem Thier mit einem für dieses sehr virulenten 
Mikroorganismus infieirt und darauf noch so schnell mit den energischsten 
Mitteln desinfieirt oder sterilisirt (verschorft), so geht das Thier nichts- 
destoweniger an Allgemeininfeetion zu Grunde. Diese kommt durch 
eine sehr schnelle Aufnahme der DBacterien, resp. körperlichen 


\) Das Thema wird von dem Verfasser an anderer Stelle demnächst aus- 
führlicher besprochen werden. 


. Jahresbericht der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. 


Elemente überhaupt von frischen Wunden aus zu Stande, welche 
sich auf verschiedene Weise experimentell beweisen lässt. Einmal 
gelingt der eulturelle Nachweis von Baecterien, die auf frische Wunden 
gebracht sind, schon 5—10 Minuten nach erfolgter Infeetion (Schimmel- 
busch), dann auch lassen sieh Zinnober oder 'Tusche-Körnchen schon 
5 Minuten nach dem Auftupfen einer Aufschwemmung derselben auf 
frische Wunden in deren Umgebung (Henle) und nach 12 Stunden 
in der Milz (Schimmelbusch) bei geeignetem Verfahren nachweisen. 


Durch diese Thatsachen würde bewiesen, dass jede Desinfection 
von Wunden nutzlos und demnach zu verwerfen sei, wenn wir uns 
nicht sagen müssten, dass zwischen Milzbrand und ähnlichen Infecetionen 
einerseits und den nach Art der Wundinfeetionen verlaufenden Processen 
andererseits der grosse Unterschied vorhanden wäre, dass bei jenen als 
Allgemeinerkrankungen jeder in den Kreislauf gelangende Baeillus 
den Tod herbeiführen kann, während bei diesen nur die in der 
Wunde verbleibenden Mikroorganismen schädlich sind, die in 
den Kreislauf gelangenden durch die natürlichen Schutzvorriehtungen 
des Thierkörpers an sich zu Grunde gehen. Der Grund dieses Unter- 
schiedes beruht auf der verschieden reichlichen Production von Angriffs- 
stoffen, welche, was den Milzbrand anlangt, bei dem einzelnen Mikro- 
organismus genügen, die Schutzstoffe des Körpers so weit zu neutralisiren, 
dass Vermehrung der Bacillen erfolgen kann, während es des Zu- 
sammenwirkens einer grösseren Zahl von Bacterien der Wundinfections- 
krankheiten bedarf, wenn die Angriffsstoffe in genügender Menge 
produeirt werden sollen. Diese letztere Art von Bacterien muss also 
entweder in grossen Mengen vereint vorgehen, oder sie müssen im Körper 
einen locus minoris resistentiae finden, wo auch wenige eingedrungene 
Mikroorganismen sich zunächst festsetzen und so weit vermehren können, 
dass nun secundär auch ein gesunder Körper den Angriffen erliegt. Die 
Bacterien der Wundinfectionskrankheiten finden einen derartigen locus 
minoris resistentiae in der Wunde und es lässt sich auch mikroskopisch 
nachweisen, dass noch 6—8 Stunden nach Infection einer frischen Schnitt- 
wunde an einem Kaninchenohr mit Sreptococcen diese auf die nächste 
Nachbarschaft der Wunde beschränkt sind. Demonstration von Präparaten. 


Zu den Desinfectionsversuchen dienten ebenfalls Kaninchenohren 
und Sreptocoeccen und zwar wurden sowohl ganz hochvirulente aus 
Reineulturen oder aus der Milz an Sreptococcen-Septicämie verendeter 
Kaninchen, als auch menschlicher Eiter mit für Kaninchen weniger 
virulenten Sreptoeoccen benutzt. Als Desinfection diente meist 1 : 1000 
Sublimat, doch wurden Controlversuche auch mit Carbol ete. angestellt. 
Im Allgemeinen war das Resultat immer dasselbe: bei Desinfection 
der Wunden bis 6 Stunden nach der Infeetion bleibt das betreffende 


Abtheilung. Medieinische Section. I 


Ohr frei von Erysipel; bei später erfolgter Desinfection (bis 8 Stunden 
und darüber) tritt die Erkrankung später ein und verläuft milder als 
am nicht desinfieirten Controlohr. 

Auch für Milzbrand lässt sich etwas Aehnliches durch folgenden 
Versuch nachweisen. Infieirt man 2 frische Wunden an zwei ver- 
schiedenen Kaninchenohren mit sporenfreiem Milzbrand, desinfieirt das 
eine Ohr mit 1 : 1000 Sublimat bald nach der Infeetion und amputirt 
beide Ohren zu einer Zeit, wo noch nicht der ganze Organismus mit 
Milzbrandbaeillen überschwemmt ist, zwecks mikroskopischer Unter- 
suchung, so sind in der desinfieirten Wunde keine Baeillen nach- 
zuweisen, während in der nicht desinfieirten dieselben in den Lymph- 
bahnen massenhaft vorhanden sind. (Demonstration.) 

Derartige Versuche sprechen dafür, dass die Desinfection einer 
Wunde, wenn sie rechtzeitig erfolgt, sehr wohl zum Ziele führen kann 
und es ist daher vorläufig den infieirten oder verdächtigen Wunden 
gegenüber das antiseptische Verfahren auch in Zukunft beizubehalten. 


Diseussion. 


Herr Geh. Rath Mikulicz: Die Versuche von Henle sind werth- 
voll, weil durch Schimmelbusch’s Versuche, die Henle mit anderen 
entgegengesetzten Resultaten wiederholt hat, ein Nihilismus in der Wund- 
behandlung einzureissen drohte. 


3) Herr Dr. Kader stellt einen sechsjährigen Knaben vor, bei 
welchem der Verschluss des oberen Urachusendes ausgeblieben ist, 

Die Harnblase mündet nach aussen durch den Nabel. Der Nabel 
liegt an normaler Stelle, ist ca. 1 Mark-Stück gross, radiär gefaltet, 
zeigt in der Mitte eine trichterförmige Vertiefung. Diese Vertiefung 
entspricht der Mündung des Urachus, ist für eine 0,6—0,7 em dicke 
Sonde bequem durchgängig, 

Die äusseren Geschlechtstheile sind bis auf linksseitige Hydrocele 
normal entwickelt. 

Die Urethra ist für einen 0,5—0,4'/, cm dieken Katheter bequem 
durchgängig. 

Der Knabe ist im Stande, den Harn sowohl per vias naturales 
wie per Nabelmündung zu entleeren, zieht den letzteren Weg vor, 


Die Harnblase ist sehr gross, fasst ca. 350 cem Harn. 


4) Herr Dr. Henle stellt einen Patienten vor, welchem wegen Chon- 
 drom (Bechondrom) des Kehlkopfes (2 symmetrische Tumoren auf der 
Platte des Ringknorpels) die Laryngofissur und Exstirpation des Tumors 
gemacht wurde. Der Tumor theilweise verknöchert. Auffallend das 
symmetrische Auftreten; dieses macht den Fall zum Unicum, 


10 | Jahresbericht der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. 


3. Sitzung vom 25. Januar 1895. 


Vorsitzender: Herr Prof. Neisser. 
Tagesordnung: 
1) Herr Prof. Küstner: 
Adnexexstirpation und Pe&an-Segond’s Castration uterine. 


Der Vortrag ist in der Deutsch. med. Wochenschr. (1895, No. 12 u. 15) 
veröffentlicht. 


2) Herr Dr. Keilmann: 


Erfahrungen. über die Verhütung des Blennorrhoea neonatorum. 

Die sonorrhoische Conjunctivitis der Neugeborenen ist immer noch 
nicht ausgerottet und immer noch stehen sich maassgebende Ansichten 
gegenüber in Beantwortung der Frage, wie die genannte Erkrankung am 
zweckmässigsten verhütet werden könne. Als vor ca. einem Jahre auf 
einem Klinischen Abende dieser Gesellschaft ein Kind mit Blennorrhoe 
der Augen demonstrirt wurde, das nicht nach Crede&’s Vorschrift behandelt 
worden war, wurde von autoritativer Seite darauf hingewiesen, dass in 
der That die Bl. nicht verschwinden würde, wenn nicht die Crede&’sche 
Anwendung des argentum nitricum obligatorisch gemacht würde; in ihr 
liege die einzige wirksame Maassregel. Dass jenes Kind erst am 
siebenten Tage erkrankt war, wurde in der betreffenden Discussion 
völlig vernachlässigt. Einerseits diese letztere 'Thatsache, anderseits der 
Umstand, dass andere Verfahren eben so gute, ja noch bessere Resultate 
erzielt haben, ohne die Nachtheile des Crede&’schen Verfahrens zu be- 
sitzen, veranlasst mich, die seit jenem Abende an der Küstner’schen 
Klinik gemachten Erfahrungen dieser Versammlung mitzutheilen. 


Die Beurtheilung der Erfahrungen bezw. die Nutzanwendung der- 
selben kann niemals zu einem werthvollen Resultat führen, wenn 
nicht die Primärinfeetion von der Secundärinfeetion in der Betrachtung 
streng geschieden wird, Beide sind ganz besonders zu betrachten und 
gegen beide ist gesondert Prophylaxe zu treiben. Unter Primärinfection 
verstehe ich die auf dem Kreissbett, unter Secundärinfection die während 
des Wochenbettes erfolgende; gegen beide Schutzmaassregeln zu erproben 
und zu üben gehört zu den Aufgaben des Geburtshelfers. Die Gefahr 
der Infeetion des Kindes in diesen Zeiten ist unvergleichlich grösser, als 
im späteren Leben, und muss daher streng geregelte Maassnahmen be- 
. dingen. : 

Diejenigen Maassregeln, die zur allgemeinen Einführung empfohlen 


werden können, werden jedoch nicht allein nach dem Erfolge bestimmt ' 


werden müssen, sondern auch nach der allgemeinen Durchführbarkeit 
in der Praxis. 


I. Abtheilung. Medicinische Section. 11 


Was nun die Primärinfeetion auf dem Kreissbett betrifft, so muss 
man sich zunächst über den Zeitpunkt der Infection klar sein, will man 
rechtzeitig Prophylaxe üben. Da ist es denn wohl kaum zweifelhaft, 
dass unter sonst normalen Verhältnissen Infeetionen erst nach der Geburt 
zu Stande kommen. 

Bei jeder normalen Geburt bleibt das Auge des Kindes geschlossen 
bis zum vollendeten Austritt des Rumpfes und erst wenn das Kind an- 
fängt zu schreien, kommt die Musculatur des Gesichts in Action. Beim 
Durchtritt des Kopfes durch die Scheide werden die oberen Augenlider 
über den Bulbus gezogen und bei der normalen Schädellage wird so ein 
sicherer Verschluss des Auges geschaffen. Zwar sind Fälle mitgetheilt, 
in denen schon unmittelbar nach der Geburt eine ausgebildete Blennorrhoe 
diagnostieirt werden konnte; in allen diesen Fällen lagen jedoch abnorme 
Verhältnisse vor, die die Möglichkeit der Infeetion insbesondere durch 
die Finger der Untersuchenden boten. Dass die Gonococcen durch das 
Fruchtwasser hindurch den Conjunctivalsack infieiren könnten, erscheint 
nicht glaubhaft. 

Abnorm verlaufende Geburten aber verlangen besondere Beurtheilung 
sowie besondere Indicationsstellung für therapeutische und prophylaktische 
Maassnahmen. Für die grosse Masse der normalen oder annähernd 
normalen Geburten steht jedoch fest, dass das Auge erst nach der Geburt, 
infieirt werden kann. Der Unterschied der Infectionsmöglichkeit auf dem 
Kreissbett und der während des Wochenbettes liegt also nur darin, dass 
der Infeetionsstoff im ersteren Falle am Auge und dessen Umgebung 
haftet und beim Oeffnen des Auges spontan eintritt, während in späterer 
Zeit die Gonococcen erst durch Vermittelung von Personen oder Gegen- 
ständen auf das Auge oder in dasselbe übertragen werden müssen. 
Vom Standpunkte dieser Beurtheilung der Verhältnisse erscheint es 
ausserordentlich einfach, die Primärinfeetion zu verhüten, wenn es gelingt, 
den Infectionsstoff von den Augenlidern und deren Umgebung fortzu- 
schaffen, ehe das Auge geöffnet wird. Damit wäre nicht nur alles er- 
reicht, sondern darin läge allein ein prophylaktisches Verfahren. 
Das Crede’sche Verfahren nun kann von diesem Gesichtspunkte aus 
nicht darauf Anspruch machen, als ein prophylaktisches bezeichnet zu 
werden, weil es weder ein gesundes Auge zur Voraussetzung hat, noch 
die Erkrankung verhütet, vielmehr die Infection als bereits gegeben an- 
sieht und nur die Entwickelung der Krankheit zu hemmen anstrebt; es 
sollen doch mit der Argentumlösung die in den Conjunctivalsack einge- 
drungenen Gonococcen zugleich mit der Epithelschicht vernichtet werden. 
Halb jedoch ist die Maassregel, wenn nicht gleichzeitig das Auge und 
dessen Umgebung mechanisch von den haftenden Keimen gereinigt wird, 
denn in jedem Augenblicke kann dann die direete Infecetion noch statt- 
finden. Immun wird aber die Conjunetiva durch die Aetzung nicht — 


107 | Jahresbericht der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. 


im Gegentheil, sie wird gerade noch empfänglicher dadurch, dass sich 
nach der Aetzung ein traumatischer Katarrh entwickelt. Die glänzenden 
Resultate, die Cred& mit seiner Behandlung der Augen erreicht hat, 
sind eben gerade darauf zurückzuführen, dass er auf sorgfältige Reinigung 
der Augen vor der Einträufelung des Mittels grosses Gewicht gelegt, 
während seine Anhänger das Wesentliche in der Instillation des Arg. 
nitr. sehen und offenbar — das geht aus den Publicationen hervor — 
die Reinigung des Auges als mehr nebensächliche Maassregel gar nicht 
oder nur unvollkommen berücksichtigen. So ist es auch erklärlich, dass 
so gute Resultate, wie sie Cred& erzielt hat, im Allgemeinen nicht er- 
reicht worden sind. Während Cred& bei mehr als 2000 Kindern 
3 Blennorrhoen gesehen, d. h. 0,1°/, der Fälle, haben nach ihm beispiels- 
weise Felsenreich— Wien eine Erkrankungsziffer von 1,9%), Beumer 
und Peiper— Greifswald 1,3%,, Bröse—Berlin 1,5%, festgestellt. Das 
Gesammtresultat der von 16 Autoren an 14500 Kindern gemachten Be- 
obachtungen findet seinen Ausdruck in 116 Primärerkrankungen, d. h. 
0,79%, (ef. Küstner’s Berichte und Arbeiten Wiesbaden 1894 p. 292). 
Diese Zahl zeigt, dass selbst in Anstalten unter sachverständiger Leitung 
und Beobachtung die Blennorrhoe nicht aus der Welt geschafft worden 
ist. Um wie viel weniger also können die Cred&’schen Maassnahmen 
in der allgemeinen Praxis richtig verstanden und erfolgreich angewendet 
werden. 

Bei den stetig sich steigernden Anforderungen an die Prophylaxe 
genügt die Cred&’sche also nicht mehr, gewährt vor Allem nicht die 
wünschenswerthe absolute Sicherheit. Dazu kommt, dass der 
Cred&’schen Prophylaxe Schäden anhaften, die in keiner Weise unter- 
schätzt werden dürfen: die Schwierigkeit der Durchführung für Ungeübte 
z. B. Hebammen, die fast stetig als Folge der Argentum -Instillation 
auftretende Conjunctivitis, die sogar klinisch zur Verwechselung mit 
echter Blennorrhoe führen kann (cfr. Ahlfeld, Lehrbuch der Geburts- 
hilfe 1895) u. s. w. Diese Umstände allein motiviren das Suchen nach 
neuen, besseren Methoden, die vor Allem der Aufgabe der Prophylaxe, 
ein gesundes Auge gesund zu erhalten, mehr genügen. 

Von verschiedenen Seiten sind Versuche gemacht worden, so von 
Kaltenbach, der reines Wasser zur Reinigung der Augen empfahl 
und diese Empfehlung mit Resultaten seiner Versuche stützte, die in 
0°/, (830 Kinder). beredten Ausdruck finden. Von 7216 nach seiner 
Methode in verschiedenen Kliniken behandelten Kindern erkrankten 37, 
d.h. 0,51°%,. Insgesammt also waren die Resultate besser als die der 

Cred&’schen Behandlung. Jedoch konnte auch Kaltenbach sich 
offenbar nicht freimachen von der Annahme, dass — wenigstens in einer 
grossen Anzahl der Fälle — Gonococcen i. p. in den Conjunctivalsack ein- 
dringen; weshalb er es für nothwendig hielt, dass neben der mechani- 


1. Abtheilung. Medicinische Section. 13 


schen Reinigung der Lider und ihrer Umgebung eine Auswaschung des 
Conjunectivalsackes, wenn auch nur mit Wasser, erfolgen müsse, Diese 
Annahme kann aber nur richtig sein, wenn man den Gonococcen der 
Umgebung Zeit lässt, in den Conjunetivalsack einzudringen. Macht man 
es dagegen möglich, die Lider und ihre Umgebung, bevor das Auge ge- 
öffnet wird, gut zu reinigen, so ist damit die Möglichkeit, dass 
Gonococcen überhaupt in den Conjunctivalsack kommen, beseitigt. So- 
mit läge hierin eine vollkommen genügende Prophylaxe. Diese äussere 
Reinigung der Augen ist nun in der That möglich und bietet den Vor- 
theil, dass 1) die Aufmerksamkeit auf die rechtzeitige Reinigung con- 
centrirt bleibt, 2) ein Hineinwischen von Infectionsstoffen in das Auge 
ausgeschlossen ist. Nur eine Bedingung muss dabei erfüllt werden, 
dass nämlich das Auge gereinigt wird, bevor es geöffnet wird. Es hat 
also die Reinigung zu erfolgen unmittelbar nach dem Austreten des 
Kopfes vor Geburt des Rumpfes, welche Zeit meist ausreicht. Wenn, 
wie es bei Mehrgebärenden vorkommt, Kopf und Rumpf in einer Wehe 
ausgestossen werden, so können die Augen trotzdem noch vor dem 
Oeffnen gereinigt werden. Es gehört zu den Vorbereitungen 
für den Empfang des Kindes, dass neben der Zurichtung, 
etwa der Nabelbändehen, auch ein Schälchen mit Wasser oder einer 
sonstigen für geeignet gehaltenen Flüssigkeit nebst einigen Waite- 
bäuschen zurechtgestellt werde. Die Hand, die den Dammschutz besorgt, 
wischt, nachdem das Gesicht über den Damm geschnitten ist, sofort 
mehrfach die Augenlider und ihre Umgebung ab, bis die Vernix caseosa 
und mit ihr die Gonococcen entfernt sind. In der Küstner’schen 
Klinik zu Dorpat ist zum Abwischen der Augen eine Zeit lang Sublimat 
in einer Lösung von 1:5000 benutzt worden. Dann ist dauernd eine 
1/, :1000 Lösung von Jodtrichlorid in Gebrauch genommen worden. Ich 
bemerke hierzu, dass nicht etwa Sublimatlösung instillirt worden ist, 
wie von Winckel in seinem Lehrbuch berichtet (ef. Erdberg, Diss. 
Dorpat 1892). In der Dorpater Klinik wurde, was nach übereinstimmen- 
der Annahme der Autoren in Rücksicht auf die Blennorrhoe von 
Wichtigkeit ist, die Scheide der Kreissenden sorgfältig desinfieirt. So 
ergab sich, dass bei dieser Behandlung von 450 lebenden Kindern 2 an 
Blennorrhoe erkrankten gleich 0,4°,. Das gleiche Verfahren ist 
nun seit dem 1. April 1894 in der hiesigen Klinik eingeführt worden 
und obgleich aus anderen Gründen jegliche Desinfection der Scheide 
unterlassen worden ist, ist von den seit jener Zeit lebend geborenen 
500 Kindern, die der prophylaktischen Reinigung ihrer Augen unterzogen 
werden konnten, kein einziges erkrankt. Zwei Primärinfeetionen, die 
vorgekommen sind, fallen unserer Prophylaxe nicht zur Last. Das eine 
Kind kam drei Tage nach der Geburt erst in die Anstalt und zeigte 
bereits Schwellung der Conjunctiven; das zweite Kind wurde un- 


14 | Jahresbericht der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. 


mittelbar nach Eintritt der Mutter ins Haus geboren, ehe sie auf das 
Kreissbett gebracht -werden konnte. Prophylaktische Maassnahmen 
konnten hier erst relativ spät vorgenommen werden. Alle Kinder also, 
deren Augen auf die oben dargelegte Weise behandelt worden sind, 
sind bis zum siebenten Tage gesund geblieben. Dieses Resultat ist von 
besonderer Bedeutung, weil die Gonorrhoe hier ausserordentlich ver- 
breitet ist und ich glaube, dass ein Procentsatz von 15—20 nicht zu 
hoch gegriffen ist. Alle Fälle von Gonorrhoe der Mütter zu constatiren, 
hat bekanntlich seine Schwierigkeiten; ich habe im Scheidensecret von 
14 Schwangeren bezw. Wöchnerinnen Gonococcen constatirt. In diesen 
14 Fällen blieben die Kinder gesund; besondere Maassregeln wurden bei 
diesen nicht angewendet. Wenn man sich dessen erinnert, dass 
Leopold und Wessel bei 13 Schwangeren 17 Mal gonococcenfreies 
Secret, einmal gonococcenhaltiges gefunden haben, und von den Kindern 
dieser Schwangeren 17 gesund blieben, das eine aber erkrankte, so 
muss die Maassregel, die oben genannte Kinder vor Erkrankung schützte, 
doch wirksam gewesen sein. Und so ist denn auch das Gesammt- 
resultat besser, als das mit dem Cred&’schen Verfahren erzielte. Es 
steht also dem nichts im Wege, dass man Kindern, die einer Infeetions- 
gefahr überhaupt nicht ausgesetzt sind — und das sind mindestens 75 %, 
— nicht ohne jegliche Indieation einen traumatischen Conjunctivalkatarrh 
beibringt. Die Durchführung dieser ausserordentlich einfachen Reinigung 
der Augen ist leicht und kann auch von Hebammen mühelos und erfols- 
reich ausgeführt werden. Sowohl die Schülerinnen in Dorpat haben es 
leicht erlernt, wie auch an der hiesigen Anstalt die Reinigung der 
Augen nicht von mir, sondern von der Hebamme ausgeführt wird. Das 
Alles bezieht sich auf die Primärinfeetion, die nach übereinstimmender 
Ansicht der Geburtshelfer und Ophthalmologen spätestens bis zum fünften 
Tage Folgeerscheinungen macht. Alle nach dem fünften Tage auf- 
tretenden Erkrankungen sind als Spät- bezw. Secundärinfeetionen aufzu- 
fassen. Diese zu verhüten ist in Anstalten schwieriger, als in der 
Privatpraxis. Absolute Sauberkeit ist das einzige Mittel gegen diese 
Uebertragung des Infeetionsstoffes,; während des Wochenbettes liegt die 
Gefahr besonders darin, dass reichliches Secret, in welchem sich — 
wie zweifellos nachgewiesen ist — die vorher vielleicht spärlich vor- 
handenen Gonocoecen lebhaft vermehren, sich nicht nur an den Ge- 
schlechtstheilen, den Vor- und Unterlagen, sondern leicht auch sonst an 
der Wäsche, besonders aber an den Händen findet. Wenn die anerzogene 
Sauberkeit der Mutter :und des Personals nicht ausreicht, so ist die 
_ Gefahr sehr gross; dass man die tägliche Besorgung der Kinder vor der 
der Mütter vornehmen lässt, in keinem Falle aber die Kinder unmittelbar 
nach Reinigung der Mütter anfassen lässt, ist zwar eine Schutzmaassregel, 
deren Durchführung jedoch nicht einmal unter Controle seitens der Mutter, 


I. Abtheilung. Medieinische Section. 15 


geschweige denn ohne dieselbe vom Pflegepersonal — wie es eben 
meist ist — zu erwarten ist. Allein zuverlässig in dieser Hinsicht wäre 
die Isolirung des Kindes von der Mutter in Hinsicht des Raumes und 
des Personals. Das ist aber ganz unmöglich in Fällen, in denen die 
Mutter ihr Kind stillt, in allen anderen Fällen ist es schwer. So habe 
ich denn zwei Epidemien zu beklagen, deren eine 4 Kinder betraf, 
während die andere auf 2 Kinder beschränkt blieb. Die 4 Kinder er- 
krankten zwischen dem 9. und 13. Juli 1894, und der Ausgangspunkt 
der Erkrankung war das eine der oben erwähnten, prophylaktisch gar 
nicht behandelten Kinder, in dessen nächster Nachbarschaft sich jene 
Kinder befanden. Ein fünftes Kind bekam in derselben Zeit und in 
demselben Saal eine Conjunctivitis, die ich deshalb nicht für gonorrhoisch 
halte, weil alle Erscheinungen wieder in wenigen Tagen geschwunden 
waren. Gonococcen habe ich in diesem Falle nicht gefunden, was ich 
jedoch bei nur einmaliger Untersuchung auch von zwei der anderen 
Fälle constatiren muss, ohne dass deshalb das klinische Bild Zweifel 
aufkommen lässt. Keins dieser Kinder erkrankte vor dem siebenten 
Tage, zum Theil erst am neunten und zehnten Tage etc. Ein Fall 
entzog sich der Beobachtung, die anderen habe ich bis zur völligen 
Heilung behandelt und zeigte kein Fall Complicationen. Die zweite 
Gruppe wird von zwei henachbarten Kindern gebildet, die im September 
am siebenten und neunten Lebenstage gleichzeitig erkrankten. Bei der 
Mutter des einen ist nachträglich Gonorrhoe nachgewiesen worden. Hier- 
bei sei einer Thatsache gedacht, die in prophylaktischer Hinsicht nicht 
ohne Bedeutung ist. Die erste Epidemie betraf durchweg Kinder, die zu 
einer Gruppe von 118 täglich gebadeten Kindern gehörten. Unter 
den nächsten 400 nicht mehr gebadeten Kindern sind nur jene beiden 
Spätinfectionen vorgekommen, über deren Zustandekommen mir nichts 
Näheres bekannt ist, da ich zu jener Zeit nicht anwesend war. Die 
Infeetion des Auges im Bade, sei es durch das von der Körperoberfläche 
aus infieirte Wasser, sei es durch die anderweitig inficirte Wanne, ist 
ausserordentlich leicht möglich. Ich habe in einer Veröffentlichung, 
welche die Bedeutung des Bades und seine Unterlassung für die Diätetik 
der ersten Lebenswoche beleuchtet, bereits darauf hingewiesen und halte 
die Unterlassung des täglichen Bades für eine wichtige prophylaktische Maass- 
regel gegen die Secundärinfection. Lassen wir das Bad auch aus 
anderen noch wichtigeren Gründen fort, so ist es in Strassburg nur aus 
Rücksicht auf die Blennorrhoe abgeschafft. 

Ist es bekannt, dass nun die Secundärinfection bei Ausübung der 
 Crede&’schen Prophylaxe nicht nur nieht eingeschränkt wird, sondern, 
wie Krukenberg beispielsweise berichtet, zweifellos begünstigt wird, 
so darf auch von diesem Gesichtspunkte aus das Cred&’sche Verfahren 
verworfen werden. Die glänzenden Resultate, die die Cred €’sche Prophy- 


16 Jahresbericht der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. 


laxe erreicht hat, indem der Procentsatz von 25, ja sogar 50 auf 
0,79 herabgesetzt ist; ist durch unser Verfahren noch übertroffen, was 
sich in einem Procentsatz von etwa 0,2 aussprieht. Die leichte Durch- 
führbarkeit unseres Verfahrens giebt ausserdem die Gewähr dafür, dass 
der Schutz, den die Neugeborenen in der Anstalt geniessen, ihnen auch 
ausserhalb der Anstalten zu Theil werden kann, sobald die Lehranstalten 
dies Verfahren annehmen. 
Die Discussion wird auf die nächste Sitzung vertagt. 


4. Sitzung vom 1. Februar 1895. 
Vorsitzender: Herr Prof. Born. Schriftführer: Herr Dr. Gaupp. 


Herr Prof. Hermann Cohn bat, vor der Debatte über Blennorrhoea 
neonatorum einen Fall von Glaukom vorstellen zu dürfen, der 14 Jahre 
lang mit Eserin behandelt wurde., 

In der December-Sitzung des Vereins der Aerzte des Reg.-Bez. 

Breslau fand eine Debatte über Atropin und Eserin stait. Bei dieser 
wurde von geschätzter Seite bemerkt, dass das Eserin oft iritische 
Reizung bei Glaukom verursache. Dieser Ansicht pflichtete ich bei, be- 
merkte jedoch, dass in vielen Fällen das Eserin, ganz wie es Laqueur 
angegeben, unschätzbare Dienste leiste. So behandle ich einen Herrn, 
der seit 14 Jahren fast alle Abende Regenbogenringe ums Licht sieht, 
die sofort nach einem Tropfen Eserin verschwinden. Es wurde damals 
mehr oder weniger verblümt bezweifelt, dass es sich um ein Glaukom 
handle. 
Heut erlaube ich mir den Kranken der Gesellschaft vorzustellen, 
der eben jetzt einen Prodromal-Anfall von Glaukom hat, da er heut 
der Vorstellung wegen kein Eserin eingegossen. Jeder Zweifel, dass es 
sich um Glaukom handelt, wird nun beseitigt sein. Patient, 46 Jahre 
alt, stammt aus einer Glaukomfamilie; sein Vater wurde an Glaukom 
operirt. Ich kenne ihn seit 18 Jahren, wo er noch frei von Prodromen 
war. Im November 1881 begannen die Regenbogen und Nebel; sie 
verschwanden prompt auf Eserin; damals konnte der Anfall auch durch 
',stündiges Lesen coupirt werden. Die subjeetiven Erscheinungen 
sind seitdem fast allabendlich seit 14 Jahren aufgetreten und 
durch Eserin beseitist worden. Als er wegen eines intercurrenten 
Blasenleidens im Januar 1894 das Eserin einige Tage aussetzte, trat ein 
acut entzündlicher Anfall auf, der schon zur Irideetomie Veranlassung 
geben sollte, der aber doch dem Eserin völlig wich. Ebenso wieder- 
‚holte sich die acute Entzündung im Februar 1894 und wurde wieder 
durch Eserin beseitigt. Heut hat jedes Auge H4'5 und 8 — 1. Das , 
Gesichtsfeld ist ganz normal geblieben, Excavation nicht zu sehen. 
Von Iritis oder hinteren Synechien trotz täglichem 14 Jahre lang fort- 
gesetztem Eseringebrauch keine Spur, 


I. Abtheilung. Medicinische Section. 1.7 


Ich habe eine Reihe anderer Fälle 3—5 Jahre nur mit Eserin hin- 
gehalten. Diese werden in einem besonderen Aufsatze in der Berl. 
klin. Wochenschrift veröffentlicht werden. 


Tagesordnung: 
Diseussion über den Vortrag des Herrn Dr. Keilmann: 
„Ueber die Prophylaxe der Blennorhoea neonatorum“. 


Herr Prof. Hermann Cohn: Gelegenheits-Ursache zu seinem Vor- 
trage gaben, wie Herr Dr. Keilmann andeutete, einige Bemerkungen, die 
ich vor 1'/,, Jahren an einem klinischen Abend machte, als ein mit 
‚Mund- und Augen-Gonorrhoe erkranktes Kind aus der Frauenklinik 
vorgestellt wurde. Da ich fragte, ob das Kind nicht prophylaktisch mit 
Argentum behandelt worden sei, wurde mir damals entgegnet: Das 
Kind habe allerdings keinen Höllenstein erhalten; allein die Ursache sei 
eine Spätinfeetion gewesen, die die schmutzige Mutter verursacht 
habe. Gegen meinen Einwand, dass das Argentum ja sicher, andere 
Mittel aber unsicher seien, wurde mir erwidert, die Einspritzungen 
von Sublimat (1 : 7000) leisteten denselben Schutz. 


Ich konnte damals, da der Schluss der Sitzung bevorstand, nicht 
in eine längere Discussion eingehen. Um so mehr danke ich Herrn 
Collegen Keilmann dafür, dass er durch seinen jetzigen Vortrag zu 
einer hoffentlich recht nutzbringenden Debatte im grossen Style über 
die vielen Fragen von allgemeiner Tragweite, die sich an das Thema 
knüpfen, Veranlassung gegeben. 


I. Ich beginne mit der Mutter aller Therapie, mit der Statistik 
der Blennorrhoen. Seit 30 Jahren habe ich dieses Kapitel in Vor- 
trägen und Schriften behandelt, besonders ausführlich in den 3 Ausgaben 
der Bulenburgischen Eneyklopädie und in meinem Lehrbuch der Hygiene 
des Auges, 


Durehschnitilich zeigten 15°/,, meiner Augenkranken Blennorrhoe 
der Neugeborenen. Dieselbe Zahl hat Valenta als Durchschnitt aus 
allen Augenanstalten gefunden. Seit Jahrzehnten beobachtete ich, dass 
die Krankheit viel häufiger in der Armenpraxis, als in der Privat- 
praxis sei, in ersterer 20%, ,, in letzterer 5 %,.- 


Unter etwa 50 000 Augenkranken, die ich von 1866—1891 gesehen, 
waren in den 5 Lustren 17, 19, 16, 12 und 10°/,, Blennorrhoen in der 
Armenpraxis und 9, 6, 5, 4, 3°%,, in der Privatpraxis. In den letzten 
Jahren nimmt die Zahl wieder zu, so betrug sie 1893: 11%,,, resp. 6°%o- 

Sehr gut scheint mir die Enqu&te, welche College Neisser be- 
Sonnen; ich habe ihm auch sofort nicht blos die Zahlen für 1893, 
sondern auch die Namen der blennorrhoeischen Kinder aus der Armen- 


praxis und wenigstens die Anfangsbuchstaben der Kinder aus der 
1895, 9 N 


18 Jahresbericht der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. 


Privatpraxis gesendet, damit die vielen Fälle, die zu 3—4 Aerzten 
gehen, nicht als verschiedene in der General-Uebersicht aufgeführt werden, 


Merkwürdig ist, dass Silex in seiner neuesten Mittheilung genau 
dieselben Zahlen für Berlin, wie ich in meiner Anstalt gefunden. 
1878, also vor Crede’s Methode, kamen nämlich in Schweigger’s 
Augenklinik 12%,,, 1889—1894:. 10—12°/,,, wobei ein Material von 
60 000 Augenkranken zu Grunde gelegt wurde. 


Eine Abnahme der Blennorrhoeen war also weder in 
Berlin noch bei mir zu finden, natürlich, weil die Cred&’sche Pro- 
phylaxe bei den Privatentbindungen, von denen die blennorrhoe- 
ischen Kinder. in die Augenklinik kamen, nicht geübt worden war. 

Dem gegenüber kann nicht oft genug betont werden, dass nach der 
Zusammenstellung von Prof. Haab in Zürich in den Entbindungs- 
anstalten: \ 

vor Cred& unter 42 000 Geburten 9%, 
nach Cred& unter 10000 Geburten nur 1°), 
an Blennorrhoe erkrankten. 

Diese Zahlen sprechen mehr, wie lange Aufsätze. 


II. Ich wende mich nun zur Verhütung der secundären Infection. 

Die meisten Fälle kommen am 3. oder 5. Tage zur Behandlung, 
und wenn sie später kommen, so erzählen die Angehörigen, dass die 
Eiterung mehr oder minder stark am 3.—5. Tage begonnen habe. Nur 
sehr selten wird ein Fall in die Augenklinik gebracht, der nachweislich erst 
später begonnen. Spätinfeetionen gehören daher gewiss zu den 
Seltenheiten. 

Wir müssen hier unterscheiden zwischen den Spätinfeetionen, die in 
einer Gebäranstalt von einem blennorrhoeischen Kinde auf andere 
gesund geborene Kinder endemisch übertragen wurden, und solehen, 
die von der kranken Mutter auf ihr Kind übergingen, 

Wir haben gehört, dass in der Frauenklinik 6 gesunde Kinder 
durch 2 blennorrhoeische Kinder angesteckt wurden. 

In früheren Zeiten waren solche Epidemien in Gebäranstalten 
noch viel häufiger. Aus der grossen Tabelle von Hausmann eitire ich 
nur, dass im Jahre B% 

1817—70 in der Berliner Charite 7—21 %,, 


1827—77 in Breslau 7—18 %, 
1826—75 in Dresden 2—25 %, 
1828—79 in Stuttgart nn 


Kinder erkrankten. 

Es erblindeten in der Gebäranstalt zu Christiania 6—12 °/,, in der 
Findelanstalt zu Prag in den Jahren 1806—39: 6%, der Kinder an 
Blennorrhoe, 


I. Abtheilung. Medicinische Section. 19 


Professor Fuchs in Wien zeigte in seinem ausgezeichneten Buche 
„Ueber die Verhütung der Blindheit“, dass in den Gebäranstalten der 
Berliner Charite 2°%,, in München 2%,, in Dresden 4°/,, in Stuttgart 
4%, in der Wiener und Prager Findelanstalt sogar 21 resp. 45°, Kinder 
Schädigungen der Augen durch Blennorrhoe erfuhren. 

Längst hat man gewusst, dass diese furchtbaren Ziffern nur durch 
Uebertragung von Kind zu Kind hervorgerufen wurden, und dass nur die 
strengste Sauberkeit und die Trennung der Kranken von 
den Gesunden solche Epidemien verhüten. 

Früher konnte man allerdings den Gonococcen-Eiter nicht von 
unschuldigen Secreten unterscheiden; trotzdem war ja klinisch die 
_ Diagnose der Augenblennorrhoe stets so leicht, dass sie auch ohne 
Mikroskop gestellt werden konnte. 

Heut untersucht man das Secret der Wöchnerinnen sorgsam, und 
wir haben von Herrn Collegen Keilmann gehört, dass er bei vierzehn 
Wöchnerinnen gonococcenhaltigen Eiter gefunden. Natürlich ist in 
solchen zweifellosen Fällen ja doppelte Vorsicht nöthig, zumal be- 
kanntlich Bumm nachgewiesen, dass gerade im Wochenbett die Gono- 
eoecen sich ausserordentlich vermehren. Solche Fälle müssten natürlich 
ganz besonders streng isolirt werden. 

Zur Prophylaxe von nalen haben die Hygieniker längst folgende 
5 Punkte vorgeschlagen: 

1) muss eine gonorrhoische Mutter auf die Gefahr besonders auf- 

merksam gemacht werden; 

2) muss sie sofort separirt werden sammt ihrem Kinde, wenn 
Augen-Blennorrhoe sich zeigt; 

3) müssen die wenigen Wöchnerinnen, die in der Droschke oder im 
Vorsaal entbunden werden, über deren Scheidensecret man 
also vorher keine Auskunft haben konnte, und bei denen die 
Augen des Kindes keiner Desinfecetion unterzogen werden konnten, 
aus Vorsicht in ein besonderes Zimmer gelegt und mit 
Argentum eingetropft werden; 

4) müssen nur solche Wärterinnen zugelassen werden, welche auf 
Reinlichkeit dressirt sind; Hilfswärterinnen, welchen die Gefahren 
der Blennorrhoe nicht bekannt sind, dürfen nicht thätig sein; 

5) müssen Taschentücher, Handtücher, Wannen, Waschbecken, 
Leinenstücke und alle sonstigen Utensilien in so grosser 
Menge vorhanden sein, dass nichts von einem Kinde auf das 
andere übertragen werden kann. 

Also die Prophylaxe der Spätinfection besteht, wie bekannt, in 
srösster Sauberkeit und Isolirung der Kranken. Lefort hat gezeigt, 
dass im Pariser Findelhause die früher dort sehr häufigen Hausepidemien 
aufhörten, als jedes Kind, das Eiterung zeigte, sofort isolirt wurde. 

9% 


20 Jahresbericht der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. 


Ganz ähnlich ist es mit den Spätinfeetionen in der Privatpraxis. 
Hier ist natürlich nur das eine Kind, oder wenn es Zwillinge sind, die 
beiden Kinder der Wöchnerin in Gefahr. Hier muss ebenso vernünftige 
Belehrung der Mutter und der Wärterin stattfinden, damit nicht die 
Augen des Kindes mit schmutzigen Fingern oder mit Utensilien, die bei 
der kranken Mutter gebraucht wurden, berührt werden. 

Es werden ja auch die Tripperkranken stets gewarnt, mit dem 
Handtuch oder mit den Fingern ins Auge zu kommen. Daher ist jetzt auch 
der Augentripper der Erwachsenen sehr selten geworden; sowohl 
Hirschberg als ich haben nur 1 %,, unter den Augenkranken. In den 
letzten Jahren habe ich gar keinen Fall mehr gesehen. Aber auch hier 
ist die Umgebung zu warnen. Vor einigen Jahren behandelte ich die 
50 jährige Frau eines Rechtsanwalts, welche ihrem Sohne, einem Studenten, 
der an Tripper und Bubonen litt, Umschläge aufgelegt hatte. Etwas 
Eiter muss in ihr Auge gekommen sein; es waren massenhaft Gono- 
coecen nachzuweisen, das rechte Auge der Dame ging bis auf Licht- 
schein verloren, das andere wurde nur durch einen mit eiserner Conse- 
quenz 18 Tage lang getragenen Schutzverband gerettet. 


III. Ich komme jetzt zur Prophylaxe der primären Infeetion 
zunächst in Anstalten. 


Herr Dr. Keilmann sagt: „Ein Tropfen Silberlösung ist gar keine 
Prophylaxe, sondern eine Therapie.‘ Im strengen Sinne des Wortes 
hat er Recht. Es ist eine Therapie; denn es zerstört dieser Tropfen 
die Gonococcen, die bereits ins Auge gekommen sind. Aber zugleich 
verhütet er doch dadurch auch, dass eine weitere Züchtung derselben 
im Auge stattfindet. Wir wollen kein Spiel mit Worten treiben. Sonst 
müssten wir sagen: Die Prophylaxe beginnt gar nicht beim Kinde und 
gar nicht bei der Mutter; denn auch bei ihr behandeln wir ja schon die 
Gonocoeccen therapeutisch; die wahre Prophylaxe soll schon beim Vater 
beginnen. Der Vater, der einen Tripper hat, soll keinen Bei- 
schlaf ausüben; dann wird weder Frau noch Kind Gonorrhoe be- 
kommen. Hierin können die Hausärzte gar nicht energisch genug sein; 
sie müssen den infieirten Männern den Coitus untersagen und Personen 
mit schwerem Nachtripper vor dem Heirathen warnen. 

Aber ist nun einmal die Mutter mit Tripper infieirt, so muss die 
Prophylaxe bei. der Mutter beginnen. Ich gestatte mir nicht im Min- 
desten ein Urtheil über die Maassnahmen, welche die Frauenärzte in 
dieser Beziehung bevorzugen. Als ich das Kapitel Blennorrhoe für mein 
Lehrbuch schrieb, habe ich verschiedene, sehr hervorragende Frauenärzte 
angefragt über die präventive Desinfeetion der Scheide der 
Schwangeren, und ich habe ganz verschiedene Auskünfte erhalten. 
Die Einen wollten durchaus die Vagina mit Carbol ete, reinigen, Andere 


I. Abtheilung. Medieinische Section. 91 


warnten davor. Von Herrn Collegen Keilmann hörten wir, dass sogar 
mit einer Bürste und Seife die Scheide ausgebürstet worden; doch 
schien er selbst nicht zu den Anhängern der Methode zu gehören. 
Ueber diese Punkte mögen sich also die Frauenärzte bei der Dis- 
eussion aussprechen, 

Aber über die prophylaktischen Augeneinträufelungen erlaube ich 
mir mitzusprechen. Vor Cred& existirten nur zwei Methoden: 1) die 
einfache Reinigung der Augen und 2) die Reinigung mit des- 
infieirenden Flüssigkeiten, 

Da sich die Gonococcen auf der Haut der Lider und an den 
Wimpern befinden können, so werden sie beim Oeffnen ins Auge ge- 
rathen. Das Hebammenlehrbuch von 1892 betont daher mit Recht das 
sorssame Abwischen der Lider. Da heisst es wörtlich in $ 324: 
„Die Hebamme wird einsehen, wie ausserordentlich wichtig es- ist, dass 
sie dem Kinde, sobald der Kopf geboren ist, diesen verderblichen 
Schleim mit reinem Wasser von den Augen abwäscht. Von 
der Sorgfalt, welche sie hierbei anwendet, wird oft die Gesundheit 
der Augen des Kindes abhängig sein.“ Ferner sagt das Hebammen- 
lehrbuch im $ 218: „Vor Allem wasche sie dem Kinde sofort 
nach Hervortritt des Kopfes, bevor es noch die Augen ge- 
öffnet hat, die Augenlider mit reinem Wasser gründlich von 
dem anhaftenden Schleime der mütterlichen Geburtswege.“ 
Sehr verständis wird aber hinzugefügt, dass, wenn die Mutter eines an- 
steckenden Schleimflusses verdächtig ist, nach der Reinigung noch ein 
Tropfen 2procentiger Höllensteinlösung in jedes Auge gegossen werden soll. 

Die erste Aufgabe wird also gewissdie sein — und darin stimmeich Herrn 
Collesen Keilmann vollkommen bei —, durch mechanische Reinigung 
die Gonoeoccen zu entfernen. Aber gerade beim Abwaschen der Lider 
mit Schwämmen oder Läppchen sind oft erst recht die Coccen in die 
Bindehaut hineingewischt worden. Auch das Badewasser ist schon 
früher als Träger beschuldigt worden, besonders von Schirmer, welcher 
meint, dass dies eine Menge Vaginalschleim von der Haut des Kindes 
entfernt und die Coccen ins Auge bringt. Er rieth daher, den Kopf 
nach der Geburt nicht zu baden, sondern zunächst mit einem 
trockenen Tuche abzuwischen und erst am nächsten Tage das Ge- 
sicht in einer Waschschüssel zu waschen. Bei Befolgung dieser Methode 
hat er unter 50 Geburten keinen Fall von Blennorrhoe gehabt. Das 
ist also eigentlich dieselbe Methode und derselbe Erfolg, den uns Herr 
Dr. Keilmann vorgetragen. 

Das Abwischen ist freilich etwas Anderes, als das Auswaschen 
der Augen mit destillirtem Wasser, welches auch manche Geburts- 
helfer rühmten. Abegg hatte damit 5°%,, Kaltenbach sogar 0%, 
Cohn in Schröder’s Klinik 2°), Blennorrhoe. In neuester Zeit sprieht 


$ Jahresbericht der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. 


En 


153) 


sich auch Silex für Ausspülen mit einem kräftigen Wasserstrahl 
aus; der Schleim soll von den noch geschlossenen Lidern mit Watte, 
die in abgekochtem Wasser angefeuchtet ist, abgewischt und darauf ge- 
achtet werden, dass kein Badewasser beim Baden ins Auge spritzt. 
Er stützt sich auf Piringer’s Versuche, nach welchen der Trippereiter 
bei 100facher Verdünnung unschädlich wird. 

Diese Art der Reinigung mag in Anstalten mit ausgezeichnet ge- 
schultem und sauberem Personal nützlich sein; für alle Fälle reicht sie 
nicht aus. Ich habe ein Kind behandelt, dessen Augen vom Arzte mit 
Wasser gehörig ausgewaschen worden, und das doch die schlimmste 
Blennorrhoe zeigte. 

Betreffs der Reinigung mit desinficirenden Flüssigkeiten verweise 
ich auf folgende zum Theil aus Fuchs entnommene Tabelle. Es hatte 


Olshausen bei Carbol (1%). . . 2. 8%, Blenn. 
=) bei) Carbol(2INye Ic. u. Aldo Dune 
Späthbei Carbolä(lWj) ner un. 2.00. uraalAnınE- 
Kon kenbierszibei Garbola (2 )a a. 22 2 
Sichröder.bei Sublimat 7 u. 2. nd „Aalen = 
2 bei Zineum sulfo-carbol . . . DR 


A\v 


Erdbergbei Sublimat (1:7000) . . . 04% a) 
Dann wurde die Salieylsäure von Bischoff, das Chlorwasser 
von Schmidt-Rimpler, das Thymol von Schirmer, die Borsäure 
von Wecker und das übermangansaure Kali von Valenta em- 
pfohlen. Cred& hatte Anfangs auch Borsäure genommen, war aber 
damit nicht zufrieden und griff zur Silberlösung. 


3) Eingiessungen von Höllenstein. v. Gräfe hatte 1854 
betont, dass es kein besseres Mittel zum Heilen der Blennorrhoe gäbe, 
als Argentum. Aber auf den glücklichen Gedanken, prophylaktisch 
den Höllenstein zu geben, ist er leider nicht gekommen. Dies verdankt 
man Cred&, der 1882 seine Methode veröffentlichte und sich dadurch 
unsterblich machte. 


Seine Vorschrift muss aber auch ganz genau befolgt werden. Er 
sagt: „Die Kinder werden nach der Abnabelung zunächst von der Haut- 
schmiere und dem an ihnen haftenden Blute, Schleime u. s. w. in der 
bekannten Weise befreit, dann in das Bad gebracht und dabei die 
Augen mittels eines reinen Läppcehens oder besser mittels reiner 
Watte, nicht mit dem Badewasser, sondern mit anderem reinen 
gewöhnlichen Wasser äusserlich gereinigt, namentlich von den Lidern 


!) Irrthümlicherweise hatte ich in der Tabelle nicht 0,4°/,, sondern 4°], an- 
geschrieben, da ich diese Zahl aus dem Vortrage des Herrn Dr. Keilmann ge- 
hört und notirt hatte; doch ergiebt sich aus der Dissertation des Herrn Erdberg, 
die ich damals nicht zur Hand hatte, dass die Zahl 0,4°/, nur beträgt. 


I. Abtheilung. Medieinische Section. 93 


alle anhaftende Hautschmiere beseitigt. Dann wird auf dem Wickel- 
tische vor dem Ankleiden des Kindes jedes Auge mittels zweier 
Finger ein wenig geöffnet, ein einziges am Glasstäbehen hängendes 
Tröpfehen einer 2procentigen Lösung von Höllenstein der Hornhaut bis 
zur Berührung gebracht und mitten auf sie fallen gelassen. Jede weitere 
Berücksichtigung der Augen unterbleibt. Namentlich darf in den nächsten 
24—36 Stunden, falls eine leichte Röthung oder Schwellung 
der Lider mit Schleimabsonderung erfolgen sollte, die Ein- 
träufelung nicht wiederholt werden.‘ 

Bei dieser Methode hatte Cred& in 3 Jahren bei 1160 Geburten 
nur 1 Fall von Blennorrhoe, also nicht 1 %,,, „und bei diesem einen 
Falle war im Drange der Geschäfte die Einspritzung ver- 
sessen worden“, also in Wirklichkeit 0°), ,- 

Späth, der früher 190 °/,,, dann bei Carbol 14 %,, Blennorrhoe 
sah, hatte mit Cred& nur 7 %,,- | 

Felsenreich statt 43 %/,, nur 10 %o- 

Bayer statt 123 °/,, sogar 0 %,- 

Krukenberg statt 130 %,, nur 1 %o- 

Fuhrmann 0°%,,, und die Zusammenstellung von Professor 

Haab in Zürich ergab statt der früheren 89%,, nur noch 10% ,- 

Eine kleine Differenz bestand nur zwischen Königstein und 
Fürst; letzterer wünschte die Eintropfung sogleich nach der Geburt, 
ersterer wie Cred& nach dem Bade. Das scheint mir eben wieder ein 
Vorzug der Cred&’schen Methode, dass man sich Anfangs gar nicht um 
die Augen des Kindes zu kümmern braucht und seine ganze Aufmerk- 
samkeit der Beendigung der Geburt zuwenden kann. 

Nun ist es eigentlich ganz unbegreiflich, warum ein so einfaches 
und gutes Mittel von vielen Geburtshelfern noch immer nicht obli- 
gatorisch eingeführt wird. 

Wenn man es nicht anwendet, muss man sich doch wie bei jedem 
Mittel fragen: 

1) Hat es in einer Reihe von Fällen die Krankheit nicht verhütet? 

2) Hat es den Augen in anderer Art Schaden gebracht? 

1) Hatesineiner Reihe von Fällen die Blennorrhoe nicht 
verhütet? Bei Cred& sind 1000 Fälle ohne Blennorrhoe. Wenn ander- 
wärts wieder einige Fälle notirt werden, so ist offenbar die Ursache 
die, dass nicht genau nach Cred&’s Vorschrift eingetropft worden ist, 
Und selbst wenn diese Fälle nach der Angabe von Herrn Dr. Keilmann, 
falls ich recht verstanden habe, 7 pro Mille ergaben, so ist das doch 
reeht wenig; kamen doch nach seinen Mittheilungen bei Sublimat nach 
Erdberg 4 pro Mille, bei Wasserreinigung nach Kaltenbach 5 pro 
Mille vor. Bei guter Procedur, wie sie der Meister Cred& machte, trat 
gar keine Blennorrhoe auf, 


4 Jahresbericht der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. 


2) Hat der Tropfen Höllenstein den Augen in anderer 
Art Schaden gebracht? Diese Besorgniss schreckt leider viele Ge- 
burtshelfer von Cred&’s Methode ab. Sie sahen am nächsten Tage 
das Auge, welches den $ilbertropfen erhalten, geröthet, einen Binde- 
hautkatarrh. Das ist zweifellos richtig. Ich habe diese katarrha- 
lische Reizung auch gesehen und zwar in einem Falle, wo ich das zweite 
Auge, als das erste an Blennorrhoe erkrankt war, täglich prophylaktisch 
mit einem Tropfen 2procentiger Argentumlösung 8 Tage lang behandelte, 
entsprechend den Angaben von Fränkel in Chemnitz. | 

Röthe, etwas Lichtscheu, Thränen, auch ein wenig Schwellung trat 
ein, aber keine Spur von Hornhauterkrankung. Zwei Tage 
nach dem Aussetzen des Mittels war die Bindehaut wieder blass und 
jede abnorme Erscheinung verschwunden. Fränkelhatsechs Wochen 
lang täglich einen Tropfen eingespritzt und ohne Verband dadurch das 
andere Auge der Kinder geschützt und niemals eine üble Folge gesehen. 

Wo sind denn nun die Fälle, in denen ein Auge wirklich ge- 
sehädigt worden ist?? Zeigen Sie sie mir doch! In der Literatur 
finde ich nichts, und sicher würden doch solche Fälle von den Gegnern 
Cred&’s mit Vorliebe geschildert worden sein. Ich habe niemals ein 
Ause zu sehen bekommen, das durch Cred&’s Prophylaxe Schaden er- 
litten. Dasselbe versicherte mich der verstorbene College Dr. Fuhr- 
mann, der in der hiesigen Hebammen-Lehranstalt täglich die Methode 
anwendete, 

Dass der künstliche Katarrh der Bindehaut den Gonococcen ihre 
verderbliche Arbeit erleichtert, ist durch nichts bewiesen. Kommt 
ein Gonococcus auf eine gesunde Conjunctiva, so ruft er die Blennorrhoe 
ebenso sicher hervor, wie auf einer katarrhalischen. Es darf eben kein 
Gonococeus auf die Schleimhaut gebracht werden, und aus der Luft 
fällt ja keiner darauf. 

Nun sagt man auch: der Tropfen a schmerzt. Ja, gewiss 
schmerzt er; aber das Impfen schmerzt auch und ruft sogar mitunter 
Fieber hervor; trotzdem ist es obligatorisch eingeführt. 

Jene leichten vorübergehenden Reizungen der Bindehaut veranlassten 
aber Schröder und Kaltenbach, wieder zu Wasser oder zu Subli- 
mat zurückzukehren; allein die oben angegebene Tabelle zeigt, dass 
doch wieder Fälle von Blennorrhoe dabei auftraten, ebenso bei Zineum 
sulfo-carbolieum. 

Nun hören wir von Herrn Dr. Keilmann, dass blosses Abreiben 
mit Jodtrichlorid die Krankheit in 500 Fällen verhütet habe. Ich 
bezweifle die Richtigkeit nicht im Entferntesten. Gute mechanische 
Reinigung ist gewiss viel werth, und Cred& und andere Geburts- 
helfer, auch das Hebammenlehrbuch, betonten schon lange diese 
sorgsame Reinigung der Lider gleich nach der Geburt des Kopfes; 


I. Abtheilung. Medicinische Section. 95 


aber sie muss doch viel schwieriger exact auszuführen sein, als das 
Eingiessen eines Tropfens Höllenstein; sonst wäre wohl nicht Cred& 
auf seine Methode gekommen. In Entbindungs-Anstalten mit gut ge- 
sehulten Wörterinnen mag das ausschliessliche äussere Reinigen zum 
Ziele führen. Vielleicht kommt man nach Silex auch mit Ausspritzung 
der Augen mit einem tüchtigen Wasserstrahl zum Ziel. 


Ich glaube nicht, dass sie sich für die Privatpraxis eignet. Warum 
sollen wir also die ganz sichere und unschädliche Cred&’sche 
Methode aufgeben? Professor Fuchs empfiehlt auch das Cred&’ sche 
Verfahren als das sicherste, glaubt aber, von den Hebammen ausser- 
dem die sofortige Reinigung der Lider mit einer desinfieirenden 
Flüssigkeit verlangen zu sollen, da beide Methoden zusammen eine 
noch grössere Garantie dafür geben, dass die Infection vermieden wird. 


IV. Verhütung der Primär-Infection in der Privatpraxis. 
Was hat man hier gegen die Cred&’sche Methode vorgebracht? 
1) Die Reizung, deren Gefahrlosigkeit ich nachgewiesen habe, und 
2) die Ungeschicklichkeit der Hebammen. 


Nun bemerkt Cred& sehr richtig, dass nach alten Verordnungen in 
die Hebammenschulen nur Frauen angenommen werden dürfen, 
„welche schmale, geschmeidige und geschickte Hände mit 
feiner Haut und schlanken, gelenkigen, nicht zu kurzen Fingern haben, 
frei von Warzen, Schwielen und Verunstaltungen.“ Leider, fügt Crede& 
mit feinem Sarkasmus hinzu, besteht eine derartige Verordnung für 
Aerzte nicht, und sein Urtheil falle nach 30jähriger Thätigkeit mehr 
zu Gunsten der Hebammen als der Aerzte in dieser Hinsicht aus. 

Der kleine Handgriff, einen Tropfen ohne Rohheit ins Auge zu 
bringen, kann mit Leichtigkeit eingeübt werden; es werden ja viel 
schwierigere Handgriffe den Hebammen gelehrt. Man lasse jede 
Hebamme im Examen unbarmherzig durchfallen, wenn sie diesen kleinen 
Dienst nicht ordentlich leisten kann. Der Glasstab ist besser als die 
Pipette, da mit jenem keine Verletzung denkbar ist. Steffan sagt mit 
Recht: „Ein Hebammenstand, dem dieses Verfahren nicht anvertraut 
werden könnte, hat überhaupt keine Existenzberechtigung.“ 
Aehnlich äussert sich Prof. Haab. Dr. Fuhrmann liess in der 
zweiten Hälfte des Hebammencursus die Schülerinnen selbst die Methode 
ausüben und hat nie einen Schaden dabei gesehen. 

Am meisten zu beklagen ist das Gutachten der preussischen 
wissensehaftlichen Deputation für das Medicinalwesen vom 
Jahre 1887 (Referent Schröder), welches sagt: „Das Verfahren von 
Cred& ist sehr gut, hat jedoch den Nachtheil, dass die Bindehaut sehr 
leicht gereizt wird. Wird den Hebammen diese Prophylaxe überlassen, 
so können sie leicht, allzu sorglos, den Ausbruch der Blennorrhoe 


96 Jahresbericht der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. 


übersehen. Es wird abgerathen, den Hebammen in der Privatpraxis 
das Verfahren zu überlassen.‘* 

Ich frage immer wieder: Wo sind denn die Fälle von Reizung der 
Bindehaut, die Schaden gebracht haber? Wie kann ein Ausbruch von 
Blennorrhoe übersehen werden, da sie ja notorisch nach Höllenstein 
nicht ausbricht. Und wenn wirklich schlecht eingegossen worden, wie 
kann denn die Hebamme die Schwellung und Eiterung übersehen? Jeder 
Laie sieht doch, wenn Eiter aus einem Auge fliesst. Ich wiederhole 
immer wieder: dieses überaus schwache Gutachten der obersten 
wissenschaftliehen medieinischen Behörde hat die Blindheit vieler 
Kinder in Preussen verschuldet und wird sie weiter ver- 
sehulden. 

Die Methode muss meines Erachtens wie Zwangsimpfung ein- 
geführt, aber wie bei dieser muss auch das Volk durch Vorträge 
und populäre Schriften über die Nützlichkeit der Methode aufgeklärt 
werden. 

Und nun komme ich zu dem Einwurfe, den man oft hört. Viele 
Väter und Mütter, die sich rein von jeder Gonorrhoe wissen, werden 
das Verfahren nicht gestatten. 

Hier kann eben nur Belehrung helfen. Man muss möglichst ver- 
breiten, dass auch Kehlkopfkatarrhe, die ganz unschuldiger Natur 
sind, genau so wie syphilitische mit Argentum behandelt werden. Ganz 
ebenso werden auch gewöhnliche Bindehautkatarrhe gerade wie die 
Blennorrhoeen mit Argentum geheilt. | 

Die Belehrung ist immer das Wichtigste. Sie sollte eigentlich 
schon in der Schule beginnen. Sie werden mir nicht zutrauen, dass 
ich wünsche, dass in der höheren Töchterschule über den Tripper ge- 
sprochen werden soll. Aber warum soll nicht in den höheren Volks- 
schulklassen in der. Anthropologie mitgetheilt werden, dass es eine sehr 
gefährliche Krankheit der Augen giebt, die in den ersten Lebenstagen 
ausbricht, die durch einen Tropfen Höllenstein sicher verhütet werden 
kann, und bei der, falls sie ausgebrochen, die schleunigste ärztliche 
Hilfe nöthig ist. 

In Havre wird schon seit Jahren allen Personen, die ein Kind an- 
melden, auf der Mairie eine Belehrung von Briere mitgegeben. 
Fienzal hat sogar vorgeschlagen, schon bei der Eheschliessung den 
Eltern ein Avis aux parents betreffs der Blennorrhoe einzuhändigen. 

Wenn einzelne Geburtshelfer etwas laxer in der Prophylaxe vor- 
‚gehen, als die Augenärzte, so liegt dies daran, dass sie die schreck- 
lichen Ausgänge vieler Fälle gar nicht sehen. Am neunten Tage 
verlässt das Kind die Entbindungsanstalt, da eitert das Auge wohl, aber 
die Cornea ist noch nicht durchbrochen; erst später platzt sie, und die 
Augenärzte und die Blindenanstalten sehen das traurige Ende. 


I. Abtheilung. Medicinische Section. 27 


Und nun komme ich zum Wichtigsten: 


V. Meldepflicht. 


Von vielen Autoren wird sie gewünscht, damit kein Fall vernach- 
lässigt und keine Epidemie möglich werde. In Sachsen ist sie durch 
Cred&’s Bemühungen seit 1835 eingeführt. Aber auch in Schlesien 
ist sie längst vorgeschrieben. Im Breslauer Amtsblatte vom 7. November 
1884 ist eine Polizei-Verordnung für die Provinz Schlesien erschienen, 
die am 20. October 1884 vom Oberpräsidenten Herrn von Seydewitz 
erlassen wurde. Da heisst es im $ 4: „dass jeder Fall von eitriger 
Augenentzündung der Neugeborenen ohne Verzug dem zuständigen 
Physikus schriftlich oder mündlich anzuzeigen ist.‘ 


Was geschieht nun, wenn die Hebamme in der Privatpraxis den 
Fall dem Physikus anzeigt? Er kann, da kein öffentliches Interesse 
vorliegt, wie mir von zuständiger Seite mitgetheilt wurde, nicht persönlich 
zu dem Kinde gehen; er kann nur moralisch auf die meldende 
Hebamme einwirken und ihr ans Herz legen, bald einen Arzt zu rufen. 
Da die Hebamme nicht Portofreiheit hat, wird sie nicht gern an den 
Kassenarzt oder Armenarzt schreiben. 


Früher geschah es sehr oft, aber auch jetzt noch in einzelnen 
Fällen, dass die Hebammen aber gerade die Zuziehung eines 
Arztes verhindern und ihren Kamillenthee selbst gegen den Willen 
der Mutter so lange anwenden, bis unheilbare Schäden im Auge ent- 
standen sind. Erst im vorigen Jahre notirte ich einen Fall, in dem die 
Hebamme 3 Wochen lang gegen Zuziehung eines Arztes opponirte, und 
einen anderen Fall, in dem die Hebamme 14 Tage lang Milch ins Auge 
siessen liess. Wir Aerzte können allerdings solche Hebammen anzeigen ; 
aber welcher anständige Mensch giebt sich gern zum Denuneiren her? 
Und die Geldstrafe steht dann auch nicht im Verhältnisse zu der Misse- 
that, die die Hebamme begangen. 

Interessant dürfte es übrigens sein, zu erfahren, dass, wie das 
Univers. - Curatorium im April 1884 berichtet, seitens der Hebammen- 
lehranstalten die Hebammen auf die hierselbst gemachten diesbezüglichen 
günstigen Erfahrungen aufmerksam gemacht und zur Anwendung des 
Cred&’schen Mittels angehalten werden sollten, — was auch ge- 
schehen ist. 


Wenn ich nun auch mit fast allen Augenärzten davon überzeugt 
bin, dass die obligatorische Einführung der Cred&’schen Methode das 
Beste ist, so hüte ich mich doch, der geehrten medieinischen Section 
eine dahin lautende Resolution zu unterbreiten. In gelehrten Gesell- 
schaften erreicht man damit nichts. Nur durch beständige Betonung 
und durch Empfehlung seitens der Lehrer der Geburtshilfe können wir 
etwas erreichen, 


38 Jahresbericht der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. 


Aber ich beantrage, eine Commission zu wählen, welche 
die Vorschläge auszuarbeiten hat, durch welche wir sonst 
noch die Blennorrhoe verhüten können. Dahin gehört u. a. 
die Betonung der schnellsten Meldepflicht und eine Belehrung, die auf 
den Standesämtern vertheilt werden soll. 

Die Blennorrhoe ist ein durch richtige Hygiene vollkommen aus der 
Welt zu schaffendes Leiden. Es giebt in der ganzen Mediein keine 
andere Krankheit, die so absolut sicher zu vermeiden ist. Wer sich an 
der Prophylaxe betheiligt, thut ein humanes Werk; denn durch sie 
können jährlich 30 000 Menschen weniger erblinden und über 100 000 
ihre volle Sehschärfe erhalten, wahrlich ein Werk, eines Tropfens 
Höllensteins werth! 


Herr Prof. Neisser: Meine Herren! Die ausführlichen Bemer- 
kungen, die soeben Herr College Cohn vorgetragen hat, haben den 
Standpunkt, den ich in der Discussion einnehmen wollte, eigentlich etwas 
verschoben. Während ich herkam in der Absicht, der möglichst allge- 
meinen und obligatorischen Einführung des Cred&’schen Verfahrens das 
Wort zu reden und davor warnen wollte, am Cred&’schen Verfahren 
die unbestreitbar guten Resultate desselben durch Verbesserungsvor- 
schläge, selbst wenn dieselben auch gut studirt und erprobt wären, in 
Zweifel zu ziehen, bin ich heute in der Lage, einerseits den, wie ich 
glaube, übertriebenen Lobeserhebungen des Cred&’'schen Verfahrens 
seitens des Herrn Collegen Cohn entgegenzutreten, andererseits seine 
Angriffe auf die Keilmann’sche Methode abzuweisen. 


Herr College Cohn stellt es so dar, als wenn das Cred&’sche 
Verfahren wirklich unfehlbar und überall und ausnahmslos wirksam sei. 
Ist denn das der Fall? Hat er nicht selbst eine ganze Anzahl Statistiken 
vorgetragen, in denen zwar gegen die Zeit vor der Anwendung des 
Cred&’schen Verfahrens die glänzendsten Resultate zu verzeichnen sind, 
die aber doch nicht den Grad der Vollkommenheit aufweisen, den 
College Cohn ihnen vindieirt! Es sind da zwar sehr wenig Fälle von 
Blennorrhoeen verzeichnet, aber sie sind doch da und man kann daher 
nicht sagen, dass diese Methode unangreifbar ist, noch dazu, wenn es 
sich in der Discussion um eine andere Methode handelt, die auf 500 Fälle 
nicht einen einzigen Fehlfall ergeben hat. Weniger wie 0 °/, Blennorrhoeen 
kann man doch schliesslich nicht erzielen. Diese 0°/, der Küstner’schen 
Methode muss Herr College Cohn also noch anfügen der Liste der- 
‚jenigen nicht nach Cred& vorgehenden Autoren, welche er als ungünstig 
bezeichnet hat; dadurch aber verschiebt sich doch das Gesammtresultat 
dieser nicht nach Öred& behandelten Neugeborenen ganz erheblich, 

Es ist übrigens ganz begreiflich, dass diese Autoren, welche nicht 
wie Crede&, eine stark desinficirende 2°/, Argentum nitricum-Lösung zur 


I. Abtheilung. Medieinische Section. 39 


Instillation verwandten, sondern irgend eine andere Flüssigkeit und gar 
Aqua destillata, so schlechte Resultate erzielten. Denn bei dieser 
Methode wird gerade das Gegentheil von dem erreicht, was gewünscht 
wird; die Gonococcen werden geradezu in das Auge hineingewaschen 
und zwar mit Flüssigkeiten, welche sie nicht tödten. Es ist das ein 
Analogon zu der alten Tripperbehandlungsmethode, bei der man Lösungen, 
die auf das Tripvergift nicht den - geringsten Einfluss hatten, injieirte 
und dadurch natürlich eher eine Verschleppung des Trippers auf der 
Harnröhrenschleimhaut, statt eine Vernichtung desselben erzielte. Daher 
denn auch die früher ganz vernünftige Lehre, die ja die herrschende 
war, man solle bei frischem Tripper nicht injieiren, weil man sonst un- 
nöthig dieKrankheit in der Harnröhre eventuell bis in die Blase verschleppe. 
Ganz denselben Fehler aber macht man, wenn man nicht 
senügend desinfieirende Lösungen zum Auswaschen der 
Augen anwendet. Man wischt die vor der Augenöffnung nur an der 
Aussenfläche der Lider und an den Lidrändern haftenden Gonococcen in 
die Conjunctiva und wird auf diese Weise wahrscheinlich mehr 
Blennorrhoeen erzielen, als wenn man das Auge ganz in Ruhe ge- 
lassen hätte. 

Gegen das Cred&’sche Verfahren wird von vielen Seiten eingewandt, 
ohne dass ich mir darüber ein Urtheil erlauben kann, die 2°/, Argentum- 
lösung sei schädlich für das Auge. Gar sehr schädlich kann sie gewiss 
nicht sein, denn es ist nirgends eine wirkliche bleibende Störung an der 
Conjunctiva oder gar an der Hornhaut beobachtet worden. Der durch 
die Einträufelung entstehende Katarrh hat an sich gewiss keine ernste 
Bedeutung; es ist jedoch sehr wahrscheinlich, dass ein durch die 
Argentumlösung gereiztes Auge für spätere, sogenannte Secundär- 
Infeetionen zugänglicher ist, als ein gesundes. Ich kann, wie gesagt, 
über diese Frage nicht mitsprechen, jedoch hat es mich frappirt, dass 
noch heut vor der Sitzung einer unserer vortreftlichsten Augenärzte mir 
sagte, er würde sich wohl hüten, seinen Kindern eine 2%, Argentum- 
lösung ins Auge zu träufeln, 

Alle diese Einwände sind wohl aber nicht die Hauptargumente der- 
jenigen, welche das Cred&’sche Verfahren zu verbessern suchen. So- 
weit ich es übersehe, behaupten sie nur, seine Anwendung sei so 
schwer, dass nur geschickte und zuverlässige Personen — und sind das 
alle unsere Hebammen? — es so ausführen könnten, dass es einerseits 
sicher seine Zwecke erfülle, andererseits nicht schade. Diesen Ein- 
wänden gegenüber möchte ich allerdings glauben, dass das in der 
Küstner’schen Klinik geübte Verfahren der Reinigung des äusseren 
Auges viel einfacher und leichter erlernbar sei, als die geschickte 
Einträufelung von 1 oder 2 Tropfen der Argentumlösung ins Auge. 
Aber auch das ist eine Frage, über die wir hier schwer discutiren 


30 | Jahresbericht der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. 


können. Nur Hebammenlehrer und Kliniker, die mit einem grossen 
Wartepersonal reichliche Erfahrungen gemacht haben, werden darüber 
ein Urtheil abgeben können, welche Methode die leichter erlernbare sei. 
Dass die Küstner’sche Methode der einfachen Reinigung ausreicht 
und bei guter Handhabung ebenso viel leistet, als das Cred&’sche 
Verfahren, das, meine Herren, seheint mir sicher bewiesen; denn bessere 
Resultate als keinen Erkrankungsfall auf 500 Fälle kann man nicht er- 
warten. 

Ich bin aber auch gar nicht erstaunt über diese guten Resultate. Leider 
hat aber Herr College Keilmann diesen Punkt, der mir einer der 
wichtigsten zu sein scheint, nur so nebenbei erwähnt. In der That ist 
der Ueberzug des Auges mit Vernix caseosa, das Anhaften 
der Gonocoecen an dieser abwischbaren Schicht, der 
springende Punkt seiner Behandlungsmethode, vorausgesetzt dass 
das Entfernen .dieser Schicht vor sich geht, ehe das Kind 
die Augen Öffnet. 

Da komme ich allerdings auf einen Punkt, der einer weiteren 
Diseussion bedarf. College Küstner wünscht, dass in der Wehenpause 
nach der Austreibung des Kopfes sofort mit der einen freibleibenden 
Hand das Auge abgewischt und gereinigt werde. Soviel ich weiss, hat 
sein Amtsvorgänger, Herr College Fritsch, gelehrt, dass sofort die 
weitere Austreibung des Kindes durch Einlegen des Fingers unter die 
Achsel zu unterstützen sei. Dann aber würde ja diese Zeit, welche für 
die Reinigung des Auges gerade die wichtigste ist, verloren gehen. Ist 
das Auge aber erst einmal geöffnet, dann muss auch ich sagen, halte ich 
die Chancen, dass durch das einfache äussere Abwischen die Gonococcen 
entfernt und, was noch schwieriger ist, nicht durch einfach mechanische 
Manipulationen ins Auge hineingebracht werden, für viel ungünstiger bei 
der Keilmann’schen Methode. Dann würde auch ich dafür plaidiren, 
mit einer sicher desinfieirenden, wenn auch vielleicht etwas reizenden, 
aber sonst unschädlichen Lösung, der 2 °/, Argentumlösung, zu desinfieiren. 
Ob man das Prophylaxe oder schon Therapie nennt, ist wohl dabei 
sanz gleichgültig, das ist ein Streit um Worte, der wenig von Be- 
lang ist. 

Man könnte aber die Frage aufwerfen: „Ist es denn durchaus noth- 
wendig, eine so stark ceoncentrirte Argentumlösung anzuwenden, wenn 
man solche Reizerscheinungen fürchtet? Ist es in der That richtig, dass 
erst eine 2%, Concentration des Argentum nitricum, dieses besten aller 
 Desinfeetionsmittel gegen’den Gonococeus, genügt, um wirklich momentan 
die Gonococeen zu tödten? Das ist sicherlich nicht der Fall. Man kann viel 
schwächere Lösungen in Anwendung ziehen, nur müssen diese etwas länger 
mit der Conjunctivaloberfläche in Berührung gelassen werden. Versuche 
mit Gonococcen-Öulturen haben das bewiesen, Ob diese etwas längere 


I. Abtheilung. Medicinische Section. 3] 


Bespüluug — bis 30 Secunden etwa — technisch ausführbar ist, weiss 
ich nicht. 

Fasse ich also all’ das bisher Ausgeführte zusammen, so glaube ich 
mich dahin schlüssig machen zu können, dass das Ored&’sche Verfahren, 
so bahnbrechend es auch gewirkt hat und so wunderbar auch seine 
Resultate einer der schlimmsten Erkrankungen gegenüber gewesen sind, 
doch nicht als das alleinseligmachende Verfahren eo ipso hingestellt 
werden kann, da wir sehen, dass auch auf eine noch viel harmlosere 
und unschädlichere Weise dasselbe Ziel erreicht werden kann. 

Ich höre eben den Einwurf: „Die von Keilmann vorgetragenen 
Resultate sind doch nur dadurch so glänzende, dass er selbst mit speciell 
darauf gerichteter Aufmerksamkeit diese Versuche geleitet hat. In der 
Praxis, namentlich den Hebammen überlassen, wird sich die Sache 
sewiss ganz anders stellen.“ Meine Herren, ganz derselbe Vorwurf 
trifft das Cred&’sche Verfahren und entschuldigt die mit ihm und trotz- 
dem beobachteten Misserfolgee Man kann eben mit dem Ored&’schen, 
wie mit dem Küstner’schen Verfahren 0°, erreichen, nur muss das 
eine wie das andere gut angewendet werden und wir alle sind davon 
überzeugt, dass die Misserfolge nicht dem Verfahren als solchem, sondern 
nur seiner schlechten Anwendung zuzuschreiben sind. 

Deshalb eben meine ich, geht der Streit gar nicht um die Vor- 
züglichkeit des Verfahrens als solchen, sondern nur darum, welches 
leichter anzuwenden, leichter zu erlernen und sicherer 
durchzuführen ist, 

Leider hat nun Herr College Keilmann diese Frage der Prophylaxe 
der Blennorrhoe verquickt mit einer zweiten, allerdings nicht minder 
wichtigen Frage der Secundärinfection, d. h. zufälliger Tripper- 
Conjunectivalinfeetion neugeborener Kinder, so sehr wir es ihm anderer- 
seits hoch anrechnen, dass er ohne Rücksicht auf seine eigene, gewiss 
peinliche Empfindung, diese in der Klinik gemachten Erfahrungen mit- 
getheilt hat. Leider kommen ja überall in grösseren Anstalten mit ihrem 
häufig sehr unzuverlässigem Wartepersonal solche Zufälle vor; es giebt 
kein Hospital der Welt, in dem nicht von Zeit zu Zeit durch Unvor- 
sichtigkeit und Nachlässigkeit trotz aller Aufsicht und trotz des besten 
Willens der Leiter desselben Unglücksfälle, Verwechselungen und der: 
gleichen vorkommen. So traurig solche Zufälle sind, so sind sie doch 
oft genug erst der Ausgangspunkt weiterer Studien und die Grundlage 
für die geeignete Prophylaxe zur Verhütung ähnlicher Zufälle gewesen. 

In den von Keilmann mitgetheilten Fällen von Secundärinfeetion 
_ bei Neugeborenen liegt die Sache so, dass sie mir ein werthvoller 
Beitrag zu sein scheinen zu der Frage, wie überhaupt Kinder auf zu- 
fällige Weise mit Gonoeoccen infieirt werden. Die Frage der Vulvo- 
vaginitis der kleinen Mädchen ist in den letzten Jahren häufig diseutirt 


° Jahresbericht der Schles. Geseilschaft für vaterl. Cultur. 


© 
b 


worden; meiner Ansicht nach ist sie gar nicht anders zu deuten, als 
dass in fast allen es’ weniger die Hände, die Handtücher ete. gewesen 
sind, welche die Gonococcen verschleppt haben, als das Badewasser; 
und so ist es wohl hier der Fall. 

Ich möchte dabei anfügen, dass ich glaube, dass die Schleimhaut der 
Kinder im Ganzen viel empfänglicher für Gonococceninfectionen ist, als 
die Schleimhaut der Erwachsenen. Ich glaube, dasselbe Verhältniss, wie 
es besteht zwischen der Vagina der Erwachsenen, die fast nie (ausser 
in fast ganz seltenen Fällen zugleich mit der Defloration) mit Gonococcen 
infieirt wird, und der Vagina der Kinder, welche ungemein leicht 
infieirt werden kann, dieses selbe Verhältniss ist auch vorhanden 
für die Conjunetiva der Erwachsenen gegenüber der Conjunetiva der 
Neugeborenen. Dass die Conjunctiva der Erwachsenen empfänglich 
ist, darüber ist ja kein Zweifel. Ich glaube nur, bei den 
Millionen von Gonorrhoefällen, die auch bei ganz unsauberen und auf 
sich wenig achtenden Menschen an den Genitalien vorkommen, müsste 
die Zahl der Gonorrhoeen der Conjunctiva viel grösser sein und viel 
häufiger durch zufällige Berührungen mit unsauberen Händen und 
Gegenständen entstehen, wenn nieht eine gewisse Unempfänglichkeit der 
Conjunctiva bei den Erwachsenen bestände. 

Ich möchte dabei einschalten, dass ich auch das Verfahren des Herrn 
Collegen Keilmann, Gonococcen bei den Gravidisim Vaginaisecret 
zu suchen, für nicht besonders geeignet halten kann. Gewiss wird man 
hin und wieder bei Existenz einer Cervicalgonorrhoe im Vaginalschleim 
Gonococcen finden, aber doch natürlich bei der Unmasse von dort 
hausenden anderen Bacterien viel schwieriger, als wenn man das Secret 
dem Cervix selbst oder der Urethra entnimmt, 


Wie dem aber auch sei, dem Wunsche, dass nach Möglichkeit für eine 
Verallgemeinerung des prophylaktischen Verfahrens, mag es nun das 
Cred&@’sche oder das heute von Keilmann vertretene sein, gesorgt 
werde, dem schliesse ich mich vollkommen an und ich kann nicht recht 
verstehen, warum der anerkannten, nicht aus der Welt zu schaffenden 
Thatsache gegenüber, dass durch Einführung des Cred&’schen Verfahrens 
vielleicht die häufigste Ursache der Erblindung aus der Welt geschafft 
werden kann, Behörden und gewisse ärztliche Körperschaften sich ab- 
lehnend verhalten; selbst wenn wir zugeben wollen, dass das Cred&’sche 
Verfahren an sich vielleicht noch nicht das allerbeste und durch ein 


anderes vielleicht ebenso sicheres und noch unbedenklicheres zu er- 
‚setzen sei. — 


Herr Prof. Küstner betont den Ausführungen des Herrn Cohn 
gegenüber, dass es sich bei ihm ebensowenig wie bei den übrigen 
Gynäkologen Deutschlands, welche die Cred&@’sche Prophylaxe nicht an- 


I. Abtheilung. Mediecinische Section. 33 


wenden, nicht um ein ‚noch nicht‘‘, sondern um ein „nicht mehr‘ handelt. 
Diejenigen, welche die Cred&’sche Methode nicht mehr anwenden, 
thun es mit deshalb, weil sie die dieser Methode folgende Conjunctival- 
reaction für nicht gleichgültig halten, nicht gleichgültig besonders mit 
Rücksicht auf die Secundärinfeetion. Naturgemäss ist aus mehreren 
Gründen die Secundärinfection in den Kliniken mehr zu fürchten, als die 
primäre. Ein Conjunetivalkatarrh, welcher die constante Folge der 
Argentumeinträufelung darstellt, macht die Conjunctiva für die secundäre 
Gonococceninfeetion in höherem Maasse empfänglich, als es die nicht 
gereizte Conjunctiva ist. Auf 5 von den 22 grossen geburtshilflichen 
Kliniken Deutschlands wird das Cred&’sche Verfahren nicht mehr geübt 
— auf Olshausen’s, Hegar’s, Ahlfeld’s, Loehlein’s und der von 
Redner geleiteten. Einige von den Vertretern der Cred&’schen 
Prophylaxe lassen dieselbe nur in der Klinik, nicht in der Poliklinik 
anwenden, oder daselbst nur facultativ, so Pernice und Schatz. 
Einige benutzen schwächere Argentumlösungen, so Schultze (1'), %,) 
und Gusserow (1°,). Fehling ist von der Kaltenbach’schen zur 
Cred&’schen Prophylaxe zurückgekehrt. Für äusserst bedenklich hält 
es K., den Hebammen die Argentumlösung in die Hand zu geben, und 
beruft sich zur Begründung dieses abfälligen Urtheils auf seine lang- 
jährige Erfahrung als Hebammenlehrer. Er befindet sich in voller Ueber- 
einstimmung mit Ahlfeld, welcher meint, dass nicht 25°, der 
Hebammen den Tropfen in die Lidspalte hineinbrächten, 


Endlich weist K. noch einmal darauf hin, dass, so gut die Erfolge 
mit der Ored&’schen Prophylaxe laut den verschiedenen Statistiken 
seien, die an seiner Klinik erzielten von Dr. Keilmann berichteten nie 
übertroffen, meist bei weitem nicht erreicht seien. Natürlich müsse auch 
eine so einfache Manipulation, wie das Abwischen des noch ge- 
schlossenen Auges, gut und mit einem gewissen Verständniss gemacht 
werden und so wird auch auf diesem Gebiete die Individualität der 
Hebamme oder des Assistenzarztes in den Resultaten einen Ausdruck 
finden, 


Prof. H. Cohn erwiderte Herrn Prof. Neisser etwa Folgendes: 
Ein Verdiet habe ich gar nicht ausgesprochen, sondern nur gezeigt, dass 
der Meister Cred& selbst 0°, Blennorrhoe bei seiner Methode hatte. 
Wer genau nach seinen Angaben gearbeitet, hatte auch keine Er- 
krankung zu verzeichnen. Wäre die äussere Reinigung der Augenlider 


nach der Geburt des Kopfes — die ja längst empfohlen war und die 
im Hebammenlehrbuch genau so vorgeschrieben ist, wie sie Herr 
College Keilmann vorgetragen, — wäre diese Methode ausreichend 


erschienen, so hätte sich eben Cred& nicht von ihr abgewendet und 
den Tropfen Silberlösung für nöthig erachtet. 
1895. 3» 


34 Jahresbericht der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. 


Indessen sehr gern schreibe ich auf Wunsch des Herrn Neisser 
unter die Tabelle: „Mit destillirtem Wasser hatten Abegg 3°), 
Kaltenbach 0°%,, E. Cohn bei Schröder 2°/,‘ auch noch hinzu: 
„Keilmann 0°%,“, obgleich die Methode des Letzteren doch eine andere 
ist. Jene Autoren spritzten die Augen mit Wasser aus, Dr. Keil- 
mann wischt sie von aussen ab. 

Wenn einer unserer vortrefflichsten Augenärzte Herrn Collegen 
Neisser gesagt hat, er würde seinen Kindern eine 2%, Argentumlösung 
nicht ins Auge träufeln, so wäre es recht wünschenswerth, wenn der- 
selbe die schlimmen Erfahrungen, die er gemacht, bald veröffentlichen 
möchte. 

Wenn betont worden ist, dass viele Hebammen zu ungeschickt seien, 
um den Tropfen Silberlösung in Ruhe auf dem Wickeltische dem Kinde 
einzuflössen, so kann man kaum annehmen, dass diese Hebammen in der 
Eile nach der Geburt des Kopfes die Augen gründlich von aussen mit 
der einen ihnen frei bleibenden Hand abwischen werden. Indessen, das 
muss die Zukunft lehren. 

Betreffs der geringeren Empfänglichkeit der Bindehaut der Er- 
wachsenen gegen Gonococcen kann ich leider Herrn Collegen Neisser, 
dessen besondere Verdienste um die Gonococcenlehre ich ja immer 
öffentlich anerkannt habe, nicht beistimmen. Nach den Erfahrungen 
aller Augenärzte schreitet der Process bei Erwachsenen leider viel 
rapider fort, als bei Kindern. Wie oft hat schon die kleinste Menge 
hervorspritzenden Eiters die ganz gesunde, nicht katarrhalische Binde- 
haut von Aerzten und Wärterinnen so inficirt, dass trotz bester Be- 
handlung das Auge nach 2—3 Tagen verloren war! 

Wenn jetzt der Augentripper bei Erwachsenen viel seltener ge- 
worden, als früher, so liegt meines Erachtens die Ursache weniger in 
der geriugeren Empfänglichkeit der Conjunetiva der Erwachsenen, als 
darin, dass jeder Tripperkranke — besonders beim Militair, wo früher 
viel mehr Fälle vorkamen — vom Arzte auf die furchtbare Ge- 
fahr aufmerksam gemacht wird, der das Auge bei Infectionen aus- 
gesetzt ist. 

Und wenn auch manche Tripperkranke sich geniren, bald zum 
Arzte zu gehen, so werden sie doch durch ihre Freunde und durch 
die populären — sonst gewiss nicht zu empfehlenden Broschüren, die viel 
vom Publikum gekauft werden, auf die Vorsichtsmaassregeln betreffs der 
Augen hingewiesen. 

Herrn Med.-Rath Küstner erwidere ich Folgendes: Dass verschiedene 
Geburtshelfer die Methode von Cred& „noch nicht‘ üben, habe ich gar 
nicht gesagt, sondern nur bedauert, dass einzelne sie „nicht mehr“ an- 
wenden. Diese überschätzen eben den kleinen Katarrh der Binde- 
haut, welcher der Einträufelung folgt. Herr Prof. Küstner meint, dass 


I. Abtheilung. Medicinische Section. 35 


ein soleher Katarrh die Schleimhaut für die secundäre Gonococcen- 
Infeetion empfänglicher macht, als die nichtkatarrhalische; dafür fehlt 
aber der Beweis. Da die gesunde Conjunctiva für die kleinsten 
Spuren von Gonococcen-Biter im höchsten Maasse empfänglich 
ist und sofort stets mit einer wüthenden, gefahrvollen Entzündung 
reagirt, so kann doch die katarrhalische Bindehaut nicht noch empfäng: 
licher sein. 

Man darf den Fall meines Erachtens nicht mit einer katarrhalischen 
Affection der Kehlkopf- oder Bronchialschleimhaut vergleichen, auf 
welcher gewiss auffallende Mikroben leichter haften und sich entwickeln, 
als auf einer nichtkatarrhalischen. Denn die Gonococcen fallen ja nicht 
aus der Luft auf die Bindehaut; sondern sie werden bei Secundär- 
Infeetionen in Folge von Unsauberkeit hineingewischt und ver- 
nichten dann das gesunde Auge eben so schnell als das katarrhalische. 

Würde wirklich der Argentum-Katarrh die Bindehaut für Gonococcen 
empfänglicher machen, so müssten ja bei den Versuchen von Fränkel 
und von mir die Gonococcen, die in Nachbarauge wimmelten, in dem 
prophylaktisch mit Argentum behandelten, also künstlich kätarrhalisch 
gemachten Auge viel eher Blennorrhoe hervorgerufen haben. Dies war 
aber nicht der Fall. 

Wenn die von Herrn Küstner genannten 5 Gynäkologen die 
Crede&’sche Methode nicht mehr anwenden, so wollen wir einmal erst 
ihre Statistik abwarten. Ob die Geburtshelfer, welche zuschwächeren 
Argentumlösungen übergegangen, eben so gute Resultate ergeben werden, 
scheint mir zweifelhaft. Denn Cred& giebt ausdrücklich an, dass nach 
seinen Versuchen schwächere Lösungen nicht geschützt haben, dass der 
Tropfen durchaus 2°/, enthalten müsse. Man würde also nur das gute 
Cred&’sche Verfahren in Misscredit bringen, wenn man zu schwächeren 
Lösungen zurückginge und es trotzdem Cred&’sches Verfahren nennen 
wollte. 

Die Angst mancher Gynäkologen vor dem Ored&’schen Tropfen 
scheint mir ganz unbegründet. Zeigen Sie mir, ich wiederhole es 
immer wieder, einen einzigen Fall, wo das Auge geschädigt worden. 
Wenn wirklich alle Hebammen so ungeschickt wären, wie hier behauptet 
worden, so wäre ja längst ein Fall von Verletzung mitgetheilt worden; 
ich finde aber nichts darüber in der Literatur. Dr. Fuhrmann erzählte 
mir, dass alle Hebammen in der hiesigen Lehranstalt diesen kleinen 
Dienst sehr gut leisten konnten. 

Ich glaube, dass die Secundärinfectionen bei Epidemien in Anstalten 
nicht durch Argentum-Katarrhe der Bindehaut, sondern durch Unsauber- 
keit der Wärterinnen und durch Mangel an Isolirungen der Erkrankten 


hervorgerufen werden, 
3# 


) 


36 Jahresbericht der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. 


Herr Prof. Neisser: Herrn Collegen Cohn muss ich mit Bezug 
auf die Deutung der‘von ihm und Fränkel gemachten Versuche, durch 
tägliehe Einträufelung von Argentumlösung ins gesunde Auge bei er- 
kranktem zweiten Auge das gesunde zu schützen, erwidern, dass diese 
Versuche nichts beweisen gegen unsere Annahme, dass die prophylaktische 
Argentumeinträufelung, resp. der dadurch erzeugte Katarrh das Auge 
empfänglicher macht für spätere Gonococceninvasion. Er vergass, dass 
in seinen Versuchen eben täglich, wenn ich so sagen darf, die Pro- 
phylaxe wiederholt worden ist, während wir von der Annahme ausgehen, 
dass nur einmal bei der Geburt Argentum eingeträufelt und dadurch 
eine Conjunetivitis erzeugt wird, welche nachher nicht weiterer pro- 
phylaktischer Behandlung unterworfen wird. 


Herr Dr. Keilmann: Dass die Blennorrhoe der Augen mit den 
verderblichen Folgen heutzutage noch ebenso häufig ist, wie früher, ist 
in keiner Weise wunderbar; bis in den wissenschaftlichen Instituten 
längst erprobte Verfahren auch dem grossen Publikum Nutzen bringen, 
muss nach vielfachen Erfahrungen eine viel längere Zeit, als ein Jahr- 
zehnt vergehen. Man denke nur an die Wochenbetterkrankungen, die 
doch nunmehr in den Kliniken zu den grossen Seltenheiten gehören und 
in der Privatpraxis nahezu unvermindert sind. Wie man die Blennorrhoe 
zu verhüten hat, ist nun noch nicht einmal in den Kliniken eine abge- 
schlossene Frage. Herr Professor Cohn ist sicher im Irrthum, wenn er 
anzunehmen scheint, dass es an der nun 10 Jahre alten, aber durchaus 
nicht allgemein anerkannten Cred&’schen Prophylaxe nichts mehr zu 
bessern giebt. Zunächst kann ich es mir nicht versagen, auch meiner- 
seits auf die Zahlen hinzuweisen, trotzdem Herr Professor Neisser 
dieses schon mit Nachdruck gethan. Ich habe die auf Grund der Be- 
obachtungen von fast 15 000 Kindern von Erdberg festgestellte Er- 
krankungsziffer von 0,8 °/, bereits angeführt; Herr Professor Cohn ver- 
zichtet auf diese günstigere Zahl und stützt sich auf die von Haab aus- 
gerechnete Procentziffer von 1,0 und nennt dabei das Cred&’sche Verfahren 
ein absolut sicheres, das nur eben eingeführt zu werden braucht, um 
die Blennorrhoe aus der Welt zu schaffen. Wenn vorher 25 %, oder gar 
50 °/, der Kinder erkrankten, so ist es allerdings ein kolossaler Erfolg 
der Cred&’schen Prophylaxe, dass nach ihrer Einführung nur noch 1 %, 
Erkrankungen vorkommen. Wenn aber andererseits von je 100 Kindern 
eins erkrankt, so ist doch die Krankheit noch lange nicht aus der Welt 
geschafft. Mit dem Kaltenbach’schen Verfahren und dem in der 
Küstner’schen Klinik geübten sind nun noch bessere Resultate 
erzielt worden. — Dieses zu widerlegen wäre die einzige Aufgabe einer 
erfolgreichen Opposition. Die Primärinfeetion zu verhindern und Maass- 
regeln zu ihrer Verhütung zu erproben, ist. allein der Geburtshelfer in 


I. Abtheilung. Medicinische Section. 37 


der Lage; die Secundärinfecetion unterliegt seiner Beurtheilung nur für 
die Zeit des Wochenbettes und ist insofern von Wichtigkeit, als in 
dieser Zeit sich leichter Infectionen ereignen können, als sonst. Die 
Entscheidung der Frage, ob eine Infeetion bei der Geburt oder in 
späteren Tagen des Wochenbettes eingetreten ist, muss desgleichen dem 
Geburtshelfer vorbehalten bleiben, weil die tägliche Beobachtung seiner- 
seits bei Weitem sicherere Anhaltspunkte für Feststellung des Beginns 
der Erkrankung bietet, als die Anamnese, die in ophthalmologischen 
Kliniken oder Polikliniken aufgenommen wird. Alle Erkrankungen in 
der ersten Lebenswoche der Geburt und deren Leitung zur Last zu 
legen ist bequem, führt jedoch nicht zu einer correcten Beurtheilung der 
ätiologischen Verhältnisse. Diese Scheidung aber ist streng einzuhalten 
und nach unseren Erfahrungen an nun fast 1000 Kindern tritt die 
Secundärinfeetion in den Vordergrund des Interesses; diese darf in 
keiner Weise mit der Primärinfection zusammengeworfen werden, weil 
die Prophylaxe in ganz verschiedener Weise geübt werden muss; die 
Anamnese giebt aber dazu keine Berechtigung, wenn exacte ärztliche 
Beobachtung derselben gegenübersteht. 


Die Infection auf dem Kreissbett zu verhindern ist, wie ich aus- 
seführt habe, in vollkommener Weise möglich und die beiden Be- 
dingungen, die Herr Proiessor Neisser mit Recht für diese Möglichkeit 
in Anspruch nimmt, sind erfüllt. Die Bedeutung der Vernix für die 
mechanische Entfernung der Gonococcen habe ich hervorgehoben und 
Zeit genug zum Abwischen der Augen ist vorhanden. Das sofortige 
Ausziehen des Rumpfes nach Geburt des Kopfes ist als Kunstfehler zu 
bezeichnen und ist auch von Fritsch!) nicht gelehrt worden. Fritsch 
gestattet das Ausziehen des Rumpfes nur, wenn bestimmte Anzeigen 
vorhanden sind, verbietet es für die normale Geburt und auf die kommt 
es an. Im Uebrigen öffnet das Kind meist auch nach Geburt des Rumpfes 
die Augen nicht sofort. 

Auf alle in der Discussion berührten Punkte einzugehen, muss ich 
unterlassen, insbesondere da manche von ihnen nicht eigentlich zur 
Sache gehören. Es bleibt mir nur übrig, einige Bemerkungen über die 
Nachtheile des Cred&’schen Verfahrens zu machen. 

Wenn ich vorher noch ein Wort von dem demselben nachgerühmten 
Vortheil, dass die ganze Procedur erst „auf dem Wickeltisch“ vorgenommen 
werden kann, sagen darf, so kann ich diesen Vortheil einfach nicht ein- 
sehen. Die „Beendigung der Geburt‘ erfordert — das ist sicher — in 
den ersten Minuten nach Austritt des Kindes die allergeringste Auf- 
merksamkeit, während Y, oder !/, Stunde später die Mutter leicht der 


) Cfr. Fritsch. Klinik der geb. Op., III. Aufl. pag..37 u. 38. 


38 Jahresbericht der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. 


ausgiebigsten, ganz in Anspruch nehmenden Hilfe bedürftig sein kann. Die 
Nachgeburtszeit ist für die Mutter die gefährlichste; ihre Vorgänge be- 
ginnen aber frühestens einige Minuten nach Geburt des Kindes. Man 
nutze, wozu auch immer, diese Minuten aus, nachher findet man leicht 
keine Zeit. Die Behandlung der Augen erfordert im Uebrigen nur 
Secunden, höchstens eine Minute. Die Nachtheile der Einträufelung sehe 
ich in der stets eintretenden Reaction, die sich als oft nicht unbeträcht- 
liche Schwellung, eitrige Secretion, kurz als ausgesprochener Conjunctival- 
katarrh darstellt. Nieht aber fürchte ich diesen Katarrh direet und an 
sich, sondern als Vermittler der Infeetion, Und hierbei erscheint mir 
noch wesentlicher, als die Präparation des Nährbodens für die Gonocoecen- 
entwickelung durch den traumatischen Katarrh, die Bedeutung dieses 
Katarrhs als Veranlassung zur Gonococceninvasion. 

Wenn die Gonocoeeen nieht bei der Geburt in das Auge gelangen — 
und das kann verhindert werden —, so werden sie wohl in den aller- 
meisten Fällen von Fingern hineingetragen, zumeist und am häufigsten 
von der Mutter. 

Welche Veranlassung hat nun aber die Mutter oder sonst Jemand, 
das Auge des Kindes zu betasten, wenn es gesund ist? Sicher keine! 
Und das geschieht auch nicht. Wenn aber das Auge „entzündet“ ist, 
sich sogar Eiter daran findet, dann wird es besehen und befühlt, der 
Hebamme gezeigt, der Grossmutter u. s. w. Von diesen untersucht 
wiederum Jedes das Auge — die Grossmutter ‚‚macht selbst‘ Umschläge 
mit warmer Brustmilch, die Hebamme erklärt mit sachverständigem 
Gesicht, es sei nichts Besonderes und verordnet Kamillenihee, nachdem 
sie die Augen „sorgfältig untersucht‘ hat. Sie hat kurz vorher die 
Mutter gereinigt und sich die Finger wohl infieirt, sehr ausnahmsweise 
aber desinfieirt. Und wenn in den nächsten Tagen die Entzündung nicht 
gebessert erscheint, vielleicht sogar verschlimmert, so wird die gefahr- 
volle Behandlung erst recht fortgesetzt. Alle Bedenken der Angehörigen 
werden von der Hebamme zerstreut, die Consultation des Arztes wird für 
unnütz erklärt, denn sie weiss es ja ganz genau, dass es immer so ist; 
ja, dass das Auge entzündet ist, beweist ja gerade, dass sie ihre Pflicht 
gethan, der bösen Krankheit durch Argentum vorgebeugt hat. In der 
That kann man von der Hebamme auch nicht verlangen, dass sie der- 
artige Erscheinungen von der specifischen Erkrankung unterscheidet; 
erklärt doch Bumm!) für Katarrh, was Kroner als Blennorrhoe ohne 
Gonococcen beschreibt und schliesst eine andere Aetiologie als die pro- 
phylaktische Einträufelüng von Argentumlösung aus. Auch Ahlfeld 
hat gelegentlich einen Argentumkatarrh für beginnende Blennorrhoe ge- 


‘) Der Mikroorganismus der gonorrhoischen Schleimhaut - Erkrankungen 
„Gonococeus - Neisser“, Wiesbaden 1837, 


I. Abtheilung. Medicinische Section. 39 


halten und umgekehrt. Dass das durchaus möglich ist und, abgesehen 
von dem positiven Gonococcenbefunde (Hebamme!), die Zweifel erst 
durch den klinischen Verlauf gelöst werden, weiss ich aus eigener Be- 
obachtung. Dass nach Hinträufelung des Mittels das Auftreten einer 
blennorrhoischen Erkrankung ausgeschlossen sei, kann ich kurz als 
unrichtig bezeichnen. Die auseinandergesetzte ätiologische Bedeutung 
der Argentum-Instillation wird auch von Bumm hervorgehoben und der- 
selbe Autor weist darauf hin, dass Hirschberg mit Recht eine gleich 
bedeutsame Rolle zufälligen Reizzuständen der Augen Erwachsener zu- 
schreibt, denen gerade ein leichter Katarrh Veranlassung wird, im Schlaf 
oder wachend die eigenen Augen mit den Fingern zu berühren und etwa 
an diesen haftendes gonorrhoisches Secret an die Conjunctiva zu bringen, 
Ein gesundes Auge löst derartig gefährliche Reflexbewegungen nicht aus. 
Wie lange in den Härden einer Hebamme die Lösung 2procentig bleibt 
und wie zuverlässig und geschickt die Instillation ausgeführt wird 
sind Fragen, deren Beantwortung sicher nicht zu Gunsten der Zuver- 
lässigkeit der Cred&’schen Methode in der allgemeinen Praxis 
ausfallen kann. 


Die von uns geübte Methode kann von jedem Menschen ausgeübt 
werden, denn sie stellt keine Anforderungen besonderer Technik, sondern 
stellt nur eine Bethätigung der allgemeinen Sauberkeit dar, die heut- 
zutage an der Spitze jeder geburtshilflichen Lehre steht und zu jeder 
seburtshilflichen Manipulation gehört, Dass in solcher zielbewussten 
Sauberkeit allein das Heil liegt, muss aber nachdrücklich betont werden, 
damit nicht bei Anwendung der einen Maassregel auf die Zuverlässigkeit 
der anderen gerechnet wird und aus der doppelten eine halbe 
Maassregel wird. 


Herr Bezirksphysikus Dr. Nesemann: Herr Professor Cohn hat 
auch der Polizei-Verordnung für die Provinz Schlesien Erwähnung ge- 
than, nach welcher die Hebammen verpflichtet sind, jeden Fall eiteriger 
Ausenentzündung bei Neugeborenen dem Physikus anzuzeigen. Er hatte 
daran die Erwägung geknüpft, ob der Physikus nach erfolgter Meldung 
überhaupt wirksame sanitätspolizeiliche Maassregeln treffen könne, 


Wie wir nun soeben gehört haben, kann es vorkommen, dass in 
einer wohlgeleiteten Anstalt eine Uebertragung der Krankheit auf Andere 
stattfindet. Um so näher liegt die Gefahr, dass ausserhalb der Anstalten 
durch die Hebammen, welche von einem neugeborenen Kinde zum andern 
gehen, die Krankheit verschleppt wird. Die Maassregeln würden sich 
also ebenso wie beim Wochenbettfieber hauptsächlich gegen etwaige 
Weiterverbreitung durch die Hebammen zu richten haben. Im Uebrigen 
bin ich noch nicht in die Lage gekommen, sanitätspolizeiliche Maass- 
regeln in dieser Beziehung zu erproben, denn mir ist bisher noch nie 


40 Jahresbericht der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. 


ein Fall von eiteriger Augenentzündung der Neugeborenen angezeigt 
worden. : 

In Betreff der Prophylaxe der Blennorrhoea neonatorum halte ich 
es allerdings wohl für möglich, dass die Hebammen das Einträufeln der 
Höllenstein-Lösung lernen, aber nach anderen Erfahrungen für sehr wahr- 
scheinlich, dass sie zum grösseren Theile die Methode in der Praxis 
verlernen oder nicht mehr üben. Je einfacher eine prophylaktische 
Methode ist und je mehr dieselbe sich als Reinlichkeits-Maassregel dar- 
stellt, desto mehr wird sie sich bei dem Gros der Hebammen einbürgern 
und desto mehr ist von ihrer Wirksamkeit zu erwarten. 


Herr Dr. Wolffberg: Meine Herren! Was ich zu sagen habe, 
bezieht sich nicht unmittelbar auf den zur Discussion stehenden Gegen- 
stand, sondern auf die durch den Gonococeus hervorgerufene Augen- 
eiterung der Erwachsenen. Es handelt sich um ein meiner Ansicht nach 
hoehwichtiges therapeutisches Hilfsmittel. Bei der höchst ungünstigen 
Prognose, welche die genannte Krankheit gewährt, glaube ich mit meinen 
Erfahrungen, wenn sie bis jetzt auch nur auf drei Fälle sich erstrecken, 
nicht zurückhalten zu dürfen, da diese drei Fälle einen überraschend 
günstigen Verlauf nahmen, und zwar ist es die Anwendung des Formal- 
dehyd, welcher ich diese Erfolge zuschreibe. Herr Professor Ferdinand 
Cohn lenkte im vergangenen Jahre durch einen längeren Vortrag in 
dieser Gesellschaft die Aufmerksamkeit auf dies äusserst kräftig wirkende 
Antisepticum. Die Anwendung des Mittels geschah in einer Lösung von 
1:500 zweimal täglich in der Sprechstunde, während die ganze übrige 
Zeit Wattebäusche, die in einer Lösung von 1:1000 getränkt und auf 
Eis gekühlt waren, aufgelegt wurden. Je früher das Mittel zur An- 
wendung gelangt, um so sicherer scheint die Wirkung. Bei der Blenn. 
neonat. habe ich nur dann Erfolge gesehen, wenn während der ersten 
drei Tage der Erkrankung das Formaldehyd bereits angewandt werden 
konnte. In späteren Stadien schiekte ich es der Eintröpfelung von 
argent. nitr. (2 °/,) voraus, Die Beobachtungen sind, wie gesagt, noch 
nicht abgeschlossen, doch hielt ich es für meine Pflicht, in Anbetracht 
der Gefährlichkeit der genannten Krankheit und der Unzulänglichkeit 
der bisherigen Therapie Ihnen diese vorläufige Mittheilung zu machen. 


5. Sitzung vom 22. Februar 1895. 
Vorsitzender: Herr Privatdocent Dr. Buchwald. Schriftführer: Herr Dr. Drewitz. 
Tagesordnung: 
1) Herr Dr. Viertel: 
Demonstration eines Falles von intermittirender Hydronephrose. 


Nach einigen einleitenden Bemerkungen, welche den bisherigen Ar- 
beiten über die fragliche Materie sowohl in ätiologischer, als auch in 


I. Abtheilung. Medieinische Section. 41 


operativ-therapeutischer Hinsicht gelten, wird der jetzt 21jährige Kranke 
vorgestellt. Ueber seinen allgemeinen Gesundheitszustand ist nichts Be- 
sonderes zu erwähnen. Seit dem 6. Lebensjahre bemerkte er von Zeit 
zu Zeit, in etwa vierwöchentlichen Zwischenpausen, zunächst das schnelle 
Auftreten einer mannsfaustgrossen, prallen Geschwulst in der Unter- 
bauchgegend etwas links von der Mittellinie, dem am nächsten Tage 
heftige, kolikartige Leibschmerzen folgten, die, von copiösem Erbrechen 
begleitet, sich zu fast unerträglicher Höhe steigerten, um nach 24—36 
Stunden wieder nachzulassen. Zugleich fiel alsdann unter sehr reichlicher 
Urinentleerung die Geschwulst ab. 

Vor 6 Jahren sah ich Patienten in einem solchen Anfall; P, war 
stark collabirt, der Puls klein und elend; starkes Erbrechen von schleimig- 
wässrigen grünlichen faden Massen. Zwischen Symphyse und Nabel etwas 
links von der Mittellinie fühlte man im Leibe eine schon bei leiser Be- 
tastung äusserst schmerzhafte pralle, etwa mannsfaustgrosse Geschwulst. 
Die ganze Anamnese leitete auf bestehende intermittirende Hydronephrose 
hin; da der Zustand des Kranken dies recht wünschenswerth erscheinen 
liess, suchte ich den Anfall durch eine unter antiseptischen Cautelen aus- 
geführte Punetion und Entleerung der Geschwulst zu beendigen, was auch 
gelang. Die entleerte Flüssigkeit war deutlich sauer, hellstrohgelb, 
1005 spez. Gewicht, harnstoffhaltig, während aus der Blase gleichzeitig 
mittelst Katheters ein 1017 spez. Gewicht zeigender rothgelber Urin ge- 
wonnen wurde, 

Da Patient durch das andauernde Bestehen dieser sich immer 
wiederholenden Ataquen völlig an jeder anhaltenden Thätigkeit gehindert 
wurde, ersuchte er mich Ende 1894, ihn auf operativem Wege zu heilen. 
Ich schlug ihm vor, die Operation beim Eintritt eines Anfalls vorzunehmen. 
Die Auslösung eines solchen war grade in Kürze zu erwarten. Percussion 
und Palpation des Abdomens zeigten nichts Abnormes. Bei der eysto- 
skopischen Untersuchung fand sich auf der linken Seite ein übrigens normal 
aussehender schlitzförmiger Ureter. Er zeigte in seinem dem Cystoskope 
zugänglichen Theile lebhafte Peristaltik, doch „ging er leer“, d. h. er 
entleerte absolut nichts. (Demonstration der Photographie dieser Ureter- 
öffnung.) Der Ureter der gesunden rechten Seite zeigte dieselbe 
Physiognomie, doch arbeitete er viel langsamer und zeigte weder in der 
Grösse seiner Oeffnung noch in der Menge des herauswirbelnden Secretes 
irgend welche Symptome, welche auf eine compensatorische Hypertrophie 
der rechten Niere hätten hinweisen können. 

Da ich im Herbst 1894 noch kein für die Sondirung der Ureteren 
beim Manne geeignetes Cystoskop besass, war damit die endoskopische 
Untersuchung beendet. (Vom Chirurgencongress 1895 brachte ich Nitze’s 
Instrument mit und untersuchte den Patienten; ich konnte den Ureter 
leicht entriren, aber nach 2 em tiefem Eindringen in den Ureter ward 


Fr 


42 Jahresbericht der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. 


das Instrument aufgehalten und fand festen Widerstand, ohne dass man 
jedoch das Gefühl eines vorliegenden Concrementes gehabt hatte.) 

Schon am Tage nach der ersten Untersuchung etablirte sich unter 
beginnenden Schmerzen der Tumor und schritt ich daher zur Operation, 
Die ziemlich pralle, glatte Geschwulst reichte von Nabelhöhe abwärts 
bis 6 cm oberhalb der Symphyse, überragte die Mittellinie nach rechts 
um zwei querfingerbreit und reichte nach links bis in die Mamillarlinie. 
Das Colon descendens lag seitlich nach aussen. Versuche, den Tumor 
nach hinten und oben an den ursprünglichen Sitz der linken Niere zu 
bringen, wurden bei verschiedener Haltung und Lage des Patienten unter- 
nommen, misslangenaber, weshalb ich unter Schleich’scher Local-Anästhesie 
mittelst 6 cm langen Schnittes in der Linea alba das Abdomen eröffnete 
und das Peritoneum parietale an die Haut säumte. Nachdem ich durch 
Ablastung und Differenzirung der — abwechselnd gefüllten und wieder 
entleerten — Blase und der Urachusgegend mich vor Ueberraschungen 
von dieser Seite gesichert, suchte ich nochmals den Tumor: nach hinten 
oben zu schieben um so vielleicht die Knickung des Ureters auszugleichen. 
Man hätte die Niere dann in dieser günstigen Lage von einem extraperi- 
tonealen Lendenschnitt her in üblicher Weise fixiren können. Der Tumor 
aber sass ganz fest vor der Lendenwirbelsäule und so zog ich seinen 
unteren Pol in die Bauchwunde, fixirte ihn durch sorgfältige, eng bei 
einandersitzende Nähte, wie es bei Anlegung einer Darmfistel mit der 
Darmwand gemacht wird, und incidirte nun. Es entleerte sich eine 
grosse Menge klarer, neutral reagirender farb- und geruchloser Flüssig- 
keit von 1005 spec. Gew., die keinen Harnstoff enthielt. 

Der durch die Ineisionswunde in den Sack geführte Finger gerieth 
in eine durch vorspringende Septa mit vielen Buchten ausgestattete 
Höhlung. Zwischen letztem Lenden- und 1. Kreuzbeinwirbel erreichte 
man mit der äussersten Fingerkuppe eine spornartige Falte. 

Nach dem Befunde musste man annehmen, dass sich die intermittirende 
Hydronephrose hier auf dem Boden einer angebornen Dystopie der 
linken Niere (mit entsprechend kürzerem Ureter?) entwickelt hatte. 

Da der Sporn weder von einem Bauch-, noch Lenden- oder Flanken- 
schnitt in ausreichender Weise wäre zugänglich gewesen, blieb nur für 
eine radicale Heilung die Exstirpation des Sackes zur Erwägung zu 
ziehen; wie dies von Israel in einem ähnlichen Falle ausgeführt worden. 
Nachdem das Secret des Cystensackes — durch Heberdrain entleert — 
dauernd aufgefangen werden konnte, wurde zunächst durch einige Tage 
Menge und Qualität des Secretes beider Nieren gesondert beobachtet. 

Es war dies deshalb durchzuführen, weil der Ureter der Cystenniere, 
unwegsam blieb. (Injeetion feingepulverter Kohle in den Cystensack, 
Sondirung des Ureters unter Leitung des Auges von der Blase aus.) 
Es zeigte sich nunmehr, dass die Mengen der beiderseits entleerten 


I. Abtheilung. Mediceinische Section. 43 


Flüssigkeit sich untereinander gleich waren, je 500—600 cbem in 24 
Stunden. 

Wohl aber war in qualitativer Hinsicht eine gewisse Compensation 
zu bemerken; schon in der Differenz des specifischen Gewichtes: rechts 
1025—1030 ziemlich constant, links 1005—1010; ausserdem fehlte links 
der Harnstoff. — Die Herren Buchwald und Stern haben freundlichst 
wiederholt Harnuntersuchungen vorgenommen. Es stand nun zu befürchten, 
dass die rechte Niere nach Exstirpation der linken der Bewältigung einer 
die bisherige um das Doppelte übersteigenden Flüssigkeitsmenge nicht 
gewachsen war und der Ausgang sich leicht zu einem für den Kranken 
verhängnissvollen gestalten konnte. 

Bei einem Versuche, den Harn durch Verabreichung von Methylen- 
blau per os anzufärben, zeigte sich, dass die Niere links das Methylen- 
blau als Leukobase ausschied d. h. der Harn blieb farblos und erst durch 
längeres Stehen an der Luft wurde er blaugrün, während die rechte Niere 
tiefblaugrünen Urin absonderte. 

Da durch die Unwegsamkeit des linken Ureters eine retrograde Er- 
weiterung desselben von der Blase aus, etwa wie bei einer tiefsitzenden 
Oesophagusstrietur von einer Magenfistel aus, ausgeschlossen, Patient 
auch mit seinem jetzigen Zustande — er trägt einen Reeipienten und 
hat nie wieder einen Anfall gehabt — sehr zufrieden ist, ist Weiteres 
zunächst abzuwarten, 


Sollte ich wieder vor die gleiche Lage gestellt werden, so würde 
ich — natürlich aseptischen Inhalt der Oyste vorausgesetzt — von einer 
Laparotomie aus eine breite Anastomose zwischen dem untern Pole der 
Geschwulst und dem Scheitel der Blase anlegen und so den Ureter 
dauernd ausschalten. Ich möchte diese Operation, die meines Wissens 
noch von Niemandem vorgeschlagen ist, Nephrocystanastomose nennen, 


Nachschrift: Anfang Juni stellte sich Patient wieder vor. Er ist 
Landwirth geworden und frei von allen Beschwerden, 


2) Antrag des Herrn Professor H. Cohn: 


In der vorigen Sitzung habe ich am Schlusse meiner Bemerkungen 
über die Verhütung der Blennorrhoe einen Antrag gestellt. Derselbe 
lautete: „Die medieinische Seetion wolle eine Commission wählen, welche 
Vorschläge für die Verhütung der Blennorrhoe ausarbeiten möge,“ 

Ich halte es für nothwendig, dass etwas für die Verhütung 
der Krankheit geschieht; denn ich habe nachgewiesen, dass die 
Blennorrhoeen in Breslau nicht abgenommen, sondern eher etwas zuge- 
nommen haben. Und doch stehen wir der Entstehung dieses Leidens 
nicht machtlos gegenüber, wie z. B. bei Influenza oder Diphtherie, son- 
dern wir können sie durch verständige Prophylaxe völlig aus der Welt 
schaffen, 


44 Jahresbericht der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. 


Ich halte es für erspriesslich, eine Commission mit der genannten 
Aufgabe zu betrauen, da ihre Vorschläge von besserer praktischer 
Wirksamkeit sein können, als die eines einzelnen Arztes. 

Meiner unmaässgeblichen Ansicht nach wären besonders drei Punkte 
der Commission ans Herz zu legen: 


1) Die Betonung der vorzüglichen Anordnungen des 
Hebammen-Lehrbuches. Da heisst es nämlich wörtlich in $ 324: 
„Die Hebamme wird also einsehen, wie ausserordentlich wichtig es ist, 
dass sie dem Kinde, sobald der Kopf geboren ist, diesen verderb- 
lichen Schleim sofort mit reinem Wasser von den Augen abwäscht. 
Von der Sorgfalt, welche sie hierbei anwendet, wird oft die Gesund- 
heit des Kindes abhängig sein.“ 


Ferner sagt $ 218: ,„‚Die Augen der Neugeborenen sind bei allen 
Schwangeren, welche an ansteckendem Schleimfluss leiden, 
sehr gefährdet. Um einer Erkrankung derselben vorzubeugen, dringe die 
Hebamme auf die Zuziehung eines Arztes schon während der Ent- 
bindung. Bis der Arzt zur Stelle, suche die Hebamme die Scheide der 
Kreissenden von dem ansteckenden Schleime durch Ausspülen und 
Abtupfen möglichst gründlich zu reinigen, und vor Allem wasche sie 
dem Kinde sofort nach Hervortritt des Kopfes, bevor es noch 
die Augen geöffnet hat, die Augenlider mit reinem Wasser 
gründlich von dem anhaftenden Schleime der mütterlichen Geburtswege 
ab. Sofort nach dieser Reinigung aber träufle sie dem Kinde einen 
Tropfen 2procentige Höllensteinlösung in jedes Auge.“ 


Also die mechanische Reinigung, wie sie Herr Dr. Keilmann jetzt 
empfiehlt, und die Cred&’sche Methode empfiehlt bereits das Heb- 
ammen - Lehrbuch, letztere allerdings nur bei verdächtigen Müttern. 
Würden beide Methoden gemeinsam, wie schon Fuchs vor 10 Jahren 
in seiner Preisschrift vorschlug, stets angewendet werden, so wäre 
Blenn. neon. unmöglich. 


2) Die energische Betonung der Meldepflicht. Sie existirt 
in Breslau seit 28. October 1884. In der damals erschienenen, im 
Amtsblatt vom 7. November 1384 abgedruckten Polizei- Verordnung für 
die Provinz Schlesien ‚Ueber die Erfüllung der den Hebammen in 
sanitätspolizeilichem Interesse auferlegten Verpflichtungen‘ heisst es in 
$ 4: „Jeder Fall von eitriger Augenentzündung der Neugeborenen ist 
ohne Verzug dem zuständigen Physikus schriftlich oder mündlich 
anzuzeigen.‘ 

Diese Meldepflicht scheint aber nicht immer erfüllt zu werden, Die 
Commission wird auf die grosse Wichtigkeit der Meldepflicht aufmerksam 
zu machen haben, damit in Anstalten durch rechtzeitiges Ein- 
greifen des Physikus eine schleunige Isolirung der Erkrankten oder 


I. Abtheilung. Medicinische Section. 45 


bei Platzmangel eine Evacuation der Kranken veranlasst und so 
der Ausbruch einer Epidemie vermieden werde. 

Ferner wird von der Commission zu erörtern sein, was seitens der 
Physiker geschehen kann, wenn Fälle von Blennorrhoe bei Privatentbin- 
dungen gemeldet werden, damit schleunige Herbeischaffung ärztlicher 
Hilfe gesichert werde. 

3) Die Abfassung einer kurzen Belehrung. In Havre wird 
eine Belehrung über die Blennorrhoe jeder Person mitgegeben, welche 
die Geburt eines Kindes auf der Mairie anmeldet. Aehnliches soll auch 
hier geschehen. Da ist gewiss noch manches Auge zu retten, da ja die 
Krankheit fast immer erst am 3. Tage ausbricht. 

Die Belehrung müsste auf die Gefahr des Leidens und auf die 
Maassnahmen aufmerksam machen, welche bis zur schnellen Zuziehung 
eines Arztes nöthig sind. 

Sollte die geehrte medieinische Section mit mir der Ansicht sein, 
dass durch die angedeuteten Vorschläge auch nur einige Kinder ihr 
Augenlicht intaet erhalten könnten, so ersuche ich, meinen Antrag anzu- 
nehmen und eine Commission von 5, 7 oder 9 Collegen zu wählen. 
Am besten wäre es wohl, Frauenärzte, Augenärzte, Kinder- 
ärzte und Physiker in die Commission zu wählen. 


Discussion: 

Herr Prof. Mikuliez möchte die Vorschläge des Herrn Prof. Cohn 
in 2 Theile zerlegen: 1) in administrative, die den Behörden gegeben 
werden sollen, 2) in wissenschaftliche; letztere will der Redner aber 
ausgeschlossen wissen. 

Herr Prof. Küstner meinte, dass die Vorschläge des Herrn Prof. 
Cohn verfrüht seien, weil die vorbereitenden Arbeiten noch nicht ab- 
geschlossen sind. 

Professor H. Cohn bemerkte, dass auch er gegen wissenschaft- 
liehe Resolutionen einer Commission sei und nur wünsche, dass dieselbe 
administrative Vorschläge mache. Verfrüht scheine ihm die Wahl einer 
Commission aber nicht, da über „Meldepflicht“ und „Belehrung“ sich 
die Collegen schnell einigen werden, so dass eine Vorbeugung praktisch 
bald ins Werk gesetzt werden könne, Diese hindere ja Niemand, 
weitere wissenschaftliche Beobachtungen zu machen. e 

Sollte aber die geehrte Gesellschaft keine Commission wählen 
wollen, so würde er als Privatarzt eine Belehrung drucken und den 
Melde-Aemtern übergeben lassen. Gewiss wäre es aber nützlicher, wenn 
eine solche Belehrung von der medieinischen Section und nicht von einem 
Privatmanne ausginge. 

Der Antrag Cohn wird mit dem beschränkenden Amendement 
Mikulicz angenommen. Es wird eine Commission von 5 Mitgliedern 
gewählt (Küstner, Cohn, Jacobi, Neisser, Czerny). 


46 Jahresbericht der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. 


3) Herr Dr. Landmann: 

Demonstration eines Falles von Conjunctivaltuberculose. 

14 jähr. sonst gesunder Junge ohne erbliche Belastung. Papillomartige 
Wucherung auf der Schleimhaut des oberen Lides in der Nähe der 
temp. Commissur. Praeauriculardrüsen. Verimpfung eines excidirten 
Schleimhautstückchens in die vordere Kammer eines Kaninchens ergiebt 
typische Iristubereulose. 

Die bald nach der Vorstellung ausgeführte operative Beseitigung der 
nicht geschwürigen und auch nicht verkäsenden Wucherung ergab eine 
glatte Narbe, bis jetzt — Mai 95 — kein Recidiv. 


4) Herr Geh. Rat Ponfick: Demonstration des Zwerges mit dem 
Vogelkopf Dobos Janos. 
Herr Prof. Cohn theilt die Augenuntersuchung dieses Zwerges mit. 


6. Sitzung vom 8. März 1895. 
Vorsitzender: Herr Geh. Rath Mikulicz. Schriftführer: Herr Dr. Tietze. 
Vor der Tagesordnung: 
Herr Geh. Rath Mikulicz theilt der Gesellschaft den am Morgen 


erfolgten Tod des Dr. Bruno Mester mit und widmet dem Verstorbenen 
einen kurzen Nachruf. Die Versammlung erhebt sich von den Sitzen. 


De 

1) Herr Dr. Spitzer: 

Die Oxydationskraft todter Gewebe. 

Die Frage, auf welchem Wege der lebende Organismus es fertig 
bringt, sonst so schwer zerstörbare Verbindungen wie die Eiweisskörper 
und die Kohlehydrate mit Leichtigkeit zu oxydiren, unter Bedingungen, 
die ausserhalb des Organismus niemals zur Zerstörung dieser Stoffe 
führen, hat das lebhafteste Interesse der Physiologen von dem Augen- 
blick an hervorgerufen, wo es galt an Stelle einer allmächtigen Natur- 
kraft unserm Verständniss näher liegende physikal.-chemische Gesetze 
den Erscheinungen des Lebens zu Grunde zu legen. 

Die Untersuchung der Mechanik der intravitalen Oxydationen erfährt 
eine Förderung durch die eigenthümliche Thatsache, dass auch todte Ge- 
webe, nicht nur dann, wenn sie eben dem Körperinnern frisch ent- 
nommen sind, sondern auch nach Alkoholfällung in getrocknetem Zustande 
im Stande sind, Oxydationen sonst schwer zerstörbarer Verbindungen herbei- 
zuführen. 

Schmiedeberg und Jaquet hatten bereits gefunden, dass Salieyl- 
aldehyd und Benzylalkohol durch Digestion mit todten Geweben in die 
bezüglichen Säuren übergeführt wurden (Oxydation). Lepine hatte die 


I. Abtheilung. Medicinische Section, 47 


Claude Bernard bereits bekannte Thatsache, wonach dem Blut zugesetzter 
Traubenzucker aus demselben verschwindet, wieder aufgenommen, die 
Untersuchungen von Kraus und die des Vortragenden hatten gezeigt, 
dass die Glycolyse ein Oxydationsvorgang ist. (Bildung von CO,, Ab- 
sorption von Sauerstoff, Unmöglichkeit des Eintritts der Glycolyse bei 
Luftabschluss.) 

Des ferneren hatten Untersuchungen des Vortragenden gezeigt, dass 
die Oxydation des Traubenzuckers keiner speeifischen Eigenschaft des 
Blutes zuzuschreiben ist, sondern wie die Oxydation der erwähnten 
Aldehyde und Alkohole aufeinersämmtlichenZellen, sämmtlichen 
todten Geweben innewohnenden Fähigkeit beruht. 

Werden die erwähnten Oxydationsvorgänge unter gemeinsamem 
Gesichtspunkte betrachtet, so fällt als wesentlichstes Moment auf, dass 
schon kleine Mengen der Gewebe, wenn auch im Laufe längerer Zeit — 
grosse oxydative Leistungen vollbringen, dass diese Fähigkeit der Gewebe 
ein Ende nur erreicht beim Fehlen zu oxydirender Substanz oder beim 
Abschluss des Luftsauerstoffs, dass diese Kraft selbst unendlich lange 
erhalten bleibt (wenn die Gewebe nach Alkoholfüllung in trockenem Zu- 
stande aufbewahrt werden), nur durch Kochen, starke Säuren und Alkalien 
vernichtet werden kann. Die Thatsache, dass geringste Mengen todter 
Gewebe grosse Quantitäten oxydabler Substanzen zerstören können, 
ohne im mindesten an ihrer Kraft Einbusse zu erleiden, somit ein 
dauerndes Kraftreservoir darstellen, bedarf einer Erklärung. 

Dieselbe wird dadurch am besten gegeben, wenn wir zunächst bedenken, 
dass auch in der anorganischen Welt uns ähnliche Vorgänge bekannt 
sind, wie die eben geschilderten. Die „katalytischen“ Oxydationen, wie 
sie z. B. durch Palladium, Platin, etliche Metalloxyde, Vanadium, 
Kupferchlorid ete. in Anwesenheit des molecularen Luftsauerstoffs vor 
sich gehen, zeigen auch die Eigenthümlichkeit, dass die geringsten 
Mengen der erwähnten Metalle unendlich lange Zeit hindurch grosse 
oxydative Leistungen zu vollbringen im Stande sind. 

Lassen wir z. B. Wasserstoff auf Platinmohr bei Zutritt atmosph, 
Luft einwirken (Döbbereiner’sches Feuerzeug), so entsteht H,O, so lange 
als Wasserstoff entwickelt wird und Luft zutritt; die Fähigkeit des 
Platinmohrs erleidet keine Beschränkung, selbst nicht durch unendlich” 
lange Thätigkeit. Wir erklären diesen Vorgang dadurch, dass wir an- 
nehmen, dass das Platin in diesem Falle das Sauerstoffmolecul „spaltet‘*, 
in seine Atome zerlegt und dieselben an das Wasserstoffmoleceul gehen 
lässt. Das Platin hat das „passive‘‘ Sauerstoffmolecul zu einer chemischen 
Action befähigt, es „activirt“. Den Process bezeichnen wir als ‚Acti- 
virung‘“ oder „Sauerstoffübertragung‘‘ und erklären ihn des näheren — 
wenigstens ist dies zunächst die einfachste Annahme — durch abwechselnde 
Oxydation und Reduction des Platins, wie folgende Gleichungen zeigen: 


48 Jahresbericht der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. 


1. H,u-. Bis 0,0007 H,0 
11. PtO - H, — Pt ! 3,0 


In derselben Weise erfolgt z. B. die bekannte Zerlegung „Katalyse‘“ 
des Wasserstoffsuperoxyds in Wasser —- Sauerstoff durch die erwähnten 
Metalle 

I. PR {+ H,0, = PtO + H,O 
II. PO + H,0, — Pt + H,0 + 0,. 


Bei dem ersten Vorgange wirkt das Platin als „Sauerstofferreger‘‘, 
das Wasserstoffmoleeul als „Sauerstoffnehmer“, der Luftsauerstoff dient 
als „„Sauerstoffspender“. 

Bei der Zerlesung des H,O, ist dasselbe zugleich O Spender und 
Nehmer (mit 2 verschiedenen Moleculen). Das Platin selbst bleibt am 
Ende des Vorgangs unverändert und wird von neuem wirksam. In der- 
selben Weise könnte nun auch die Fähigkeit todter Gewebe oxydirend zu 
wirken dadurch erklärt werden, dass dieselben als „Sauerstofferreger“ 
den Luftsauerstoff „activiren“ und auf schwer oxydablen Verbindungen, 
Traubenzucker, Alcohole ete. übertragen, 


Diese Fähigkeit, das O-Molecul resp. O-haltige Verbindungen zu spalten 
haben nun todte Gewebe in der That. Schon Schönbein hatte constatirt, 
dass sämmtliche Zellen und deren Bestandtheile im Stande sind H,O, zu 
zerlegen, und dies viel stärker und rascher, als es Platin z.B. vermag — 
welchen Vorgang wir eben durch O-Uebertragung erklärten. A. Schmidt 
hatte gezeigt, dass im Blute nur die zelligen Elemente H,O, zu katalysiren 
vermögen, dass das Blutplasma unwirksam ist und durch vergleichende 
Untersuchungen des Vortragenden wurde erwiesen, dass im Blute z. B. 
die Oxydationskraft (Fähigkeit Dextrose zu zerstören) absolut parallel 
geht mit der Katalyse des H,O,, insofern als das Serum beides nicht 
vermag, dagegen wohl ein Clna-Extract der Blutzellen nach beiden Rich- 
tungen wirksam ist ete. ete. Auch bei den Geweben zeist sich dieser 
Parallelismus; so intensiver eine Zellart H,O, zerlegte, desto stärker 
wirkte sie oxydirend (auf Traubenzucker z. B.). 


War durch diese Thatsachen schon erwiesen, dass die Gewebe die 
Kraft hatten O-haltige Verbindungen wie das H,O, zu zerlegen, so be- 
durfte es jedoch noch des Nachweises, dass auch die wesentlich schwerere 
Spaltung des O-Moleculs, wie sie zur Oxydation des Traubenzuckers, der 
Alkohol ete., ja nöthig ist, durch die Gewebe möglich ist. 

Das liess sich ebenfalls beweisen u. z. durch einige auf dem Wege 
der Oxydation eintretende organische Farbstoffsynthesen, die durch todte 
Gewebe sich erzielen liessen. 

Von der Thatsache ausgehend, dass gewisse organische Farbstoffe 
z. B. Indamine, Indophenole etc. aus farblosen Vorstufen dann entstehen, 
wenn letztere (in Lösung) mit Luft intensiv geschüttelt werden, wobei 


I. Abtheilung. Medieinische Section. 49 


diese Vorstufen sich mit dem Luftsauerstoff selbst oxydiren, wurden 
Zellextraete oder Gewebsbrei aus beliebigen zellreichen Organen (Drüsen, 
Leber, Thymus ete.) mit wässrigen, farblosen Lösungen solcher Vorstufen 
z. B. Mischungen von & Naphtol und Paraphenylendiamin, & Naphtol und 
Dimethyparaphenylendiamin, Toluylendiamin resp. Dimethylanilin einerseits 
und Paraphenylendiamin andererseits ete. ete. zusammengebracht und 
hierbei beobachtet, dass die (Oxydation) Farbstoffbildung ausserordentlich 
beschleunigt wurde. Wurden z. B. mit Organbrei Buchstaben geschrieben 
auf Filtrirpapier, das mit diesen Lösungen getränkt war, so waren diese 
Buchstaben binnen wenigen Minuten intensiv blau, resp. violett oder grün etc. 
(je nach der Wahl der Vorstufe) geworden, während das übrige 
Papier viele (24) Stunden farblos, resp. nur sehr schwach gefärbt blieb. 
Diese Beschleunigung der Farbstoffbildung findet nur darin ihre Erklärung, 
dass der Luftsauerstoff durch die Gewebeextracte an die „Vorstufen“ 
geleitet, resp. befähigt wird (in atomistischem Zustande) zu einer Ver- 
bindung mit jenen zusammenzutreten, „‚activirt‘“ wird. 

Neben dieser oxydationserregenden Kraft haben jedoch diese Gewebe 
auch die Fähigkeit zu redueiren, z. B. die gebildeten farbigen Verbindungen 
in farblose Leucoverbindungen zurückzuverwandeln. Dieser letztere Vor- 
gang tritt ein, wenn wir die sonst gut oxydirenden Gewebe bei Luft- 
abschluss auf die erwähnten farbigen Substrate einwirken lassen, oder 
dann und — dies auch bei Luftzutritt — wenn die oxydirende Kraft 
der Gewebe bis zum Verschwinden abgenommen hat z. B. bei längerem 
Liegen des Gewebsbreies bei Zimmertemperatur (ohne dass hierzu 
Fäulniss einzutreten brauchte), 

Genau so wie wir die in Anwesenheit todter Gewebe vor sich 
gehenden Oxydationen auf O-Uebertragung durch jene zurückführen, so 
werden auch die intravitalen Oxydationsprocesse eine gleiche Erklärung 
finden. Hiermit soll nicht andererseits behauptet werden, dass sämmtliche 
Oxydationen im lebenden Organismus auf diesem Wege zu stande kommen 
müssten; für einzelne wird die gegebene Erklärung sicher zutreffen. 

Unsere Vorstellung, welche die von Traube vertretenen Anschauungen 
wieder aufnimmt und für dieselben aus den Vorgängen in todten Geweben 
grundlegende Beweise gegeben hat, schliesst die anderen von Pflüger, 
Schmiedeberg etc. aufgestellten Theorien über die Oxydationen im lebenden 
Organismus nicht völlig aus. 


Diseussion: 

Herr Prof. Röhmann weist auf den Widerspruch zwischen den 
Spitzer’schen Experimenten und der Theorie von Hoppe—Seyler hin. 

Herr Prof. Neisser: Wie verhalten sich die Versuche zu der Arbeit 
von Ehrlich über das Sauerstoffbedürfniss des Organismus. 

Herr Dr. Spitzer: Die Versuche von Ehrlich sind zum Theil 
ähnlich, doch sind keinesfalls die vom Vortragenden gezogenen Schlüsse 

133, A % 


50 Jahresbericht der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. 


daraus entwickelt; Ehrlich’s Versuche erstrecken sich nur auf eine 
Gruppe der Oxydationsvorgänge im Organismus, die Oxydation reduei- 
render (autoxydabler) Substanzen; die erwähnten Versuche behandeln 
jedoch die Oxydation schwer oxydirbarer Verbindungen. 


2) Herr Dr. Steinschneider: 
Zur Biologie der Gonococcen. 


Meine in Verbindung mit Dr. Schäffer in diesem Winter vorge- 
nommenen Versuche hatten folgende Ergebnisse: 

Das von uns bei der Cultur der Gonococcen seit längerer Zeit an- 
gewendete Ausstreichen der gonorrhoischen Secrete mit der Platinöse 
auf in Petri’schen Schalen vorbereiteten Serum Agar-Platten hat sich 
sehr gut bewährt. Noch mehr aber bewährte sich und kann daher em- 
pfohlen werden das Aufpinseln mit sterilem Pinsel, wodurch man leichter 
isolirte, daher besser zu differeneirende und zum Abimpfen geeignete 
Colonien erzielen kann. 

Das von Finger, Ghon und Schlagenhaufer empfohlene Harn 
Agar hat bei wiederholten Versuchen keine befriedigenden Resultate er- 
geben. Unsere Annahme, dass vielleicht der von Finger mit über- 
tragene Eiter als Nährboden gedient haben könne, findet eine Bestätigung 
durch Folgendes: Wenn wir steril aufgefangenen Eiter mit Gonococcen 
vermengten und damit Impfungen auf Agar anstellten, so konnten wir zu- 
weilen, allerdings nicht in allen Versuchsfällen, Wachsthum erzielen. 

Versuche darüber, wie lange Gonococcen, die in Wasser oder Urin 
aufgeschwemmt wurden, lebens- und entwiekelungsfähig blieben, ergeben 
zwar bei verschiedenen Versuchen nicht gleichmässige Resultate, liessen 
jedoch so viel erkennen, dass in beiden Flüssigkeiten Gonococcen unter 
Umständen mehrere Stunden entwickelungsfähig bleiben. 

Aus Versuchen in Bezug auf die Widerstandskraft der Gonococcen 
gegen höhere oder niedrigere Temperaturen ging hervor, dass die Gono- 
coccen bei einer Temperatur von 40° ©. schon binnen 12 Stunden 
ihre Entwickelungsfähigkeit verloren, dieselben aber bis zu 48 Stunden 
in Zimmertemperatur (18° C.) beibehielten. 

Versuche mit concentrirteren Lösungen von Argentum nitricum liessen 
erkennen, dass die Gonococcen in einer lprocentigen Lösung bis zu 
25 Seeunden lang ihre Lebenskraft erhalten konnten, dieselben jedoch 
in einer zweiprozentigen Lösung von Argentum nitricum schon nach 
5 Secunden verloren. 


Eine in das subeutane Bindegewebe eines ganz gesunden Menschen 
vorgenommene Einspritzung einer vollen Spritze einer sehr reichlichen 
Aufschwemmung von Gonococcen - Reinceultur in mit Wasser ver- 
dünntem Serum hatte nicht die allergeringste Reaction zur Folge. Da 
wir schon vor zwei Jahren einen ähnlichen Versuch mit dem gleichen 


I. Abtkeilung. Medicinische Section. 51 


Ergebnisse gemacht hatten, so glauben wir zu dem Schlusse berechtigt 
zu sein, dass unter normalen Verhältnissen Gonococcen im subeutanen 
Bindegewebe keine Eiterung verursachen können. Analoge Versuche 
an Kaninchen und Meerschweinchen gaben, wie erwartet werden konnte, 
ganz analoge Resultate. 


Discussion. 

Herr Dr. Jadassohn: Ist Herrn Dr. Steinschneider aufgefallen, 
dass Gonococcen auf Löffler’schem Serum-Agar schlechter wachsen? 

Herr Dr. Steinschneider: Ja. — Demonstration. 

Herr Dr. Jadassohn: Es müssen auch bei dem Wachsthum der 
Gonococcen Differenzen in der Zubereitung des Agar eine Rolle spielen. 
Herr Geh. Rath Ponfiek fragt den Vortragenden, ob er Injectionen von 
Gonccoccen in seröse Säcke gemacht hat. \ 

Herr Dr. Steinschneider: Ja, es sind bei Meerschweinchen 
Aufschwemmungen in das Peritoneum injieirt worden. Eine eitrige 
Peritonitis trat nicht ein. 


3) Herr Geh. Rath Ponfick: Demonstration eines Affenmädchens. 


Sitzung der Commission am 2. März 1895 
° zur Discussion der Anträge des Herrn Prof. H. Cohn. 


Anwesend die Herren Küstner, Cohn, Neisser, Czerny, 
Jacobi. 

Die Commission beschliesst: 

1. Eine Enquete über die Häufigkeit der Blennorrhoea neonatorum 
in Breslau vorzunehmen, 

Die Herren Cohn und Jacobi werden ein bezügliches Cir- 
eular an die hiesigen Augenärzte versenden. 

(Tag der Infection anzugeben.) 

2. Bei den Geburtsanmeldungen solle den Meldenden eine Belehrung 
über die Verhütung der Blennorrhoe übergeben werden. 

Die Fassung wird beschlossen, nachdem der von Prof. Cohn 
gearbeitete Entwurf, der sich theilweise an die Belehrung, welche 
in der Stadt Havre vertheilt wird, anlehnt, bei den Mitgliedern 
eireulirt hat, 

3. Es soll durch Zuschrift an den Oberpräsidenten, resp. auch an 
den Polizei-Präsidenten zu Breslau eine bezügliche Einwirkung 
auf die Hebammen angeregt werden, 

4. Es soll eine grössere Enquete über das Vorkommen der 
Blennorrhoe in Deutschland und Oesterreich-Ungarn durch Um- 
frage bei den Direetoren der Gebäranstalten und insbesondere 
auch der geburtshilfliehen Kliniken vorgenommen werden. 

Herr Küstner übernimmt die Fassung und Versendung der 
Zuschrift, 

As 


592 Jahresbericht der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. 


5. Herr Cohn übernimmt es, Umfrage bei den Augenärzten Deutsch- 
lands bezüglich der vorliegenden Frage zu halten. 


7. Sitzung vom 15. März 1895. 
Vorsitzender: Herr Prof. Neisser. Schriftführer: Herr Dr. Schäffer. 
1) Herr Prof. H. Cohn: 


Bericht und Vorschläge der Commission zur Verhütung der Blennorrhoea 
neonatorum. 


M. H.! In der Sitzung der medieinischen Section am 1. Februar 
erlaubte ich mir den Antrag zu stellen, dass eine Commission ge- 
wählt werden. möge, welche praktische Vorschläge für die Verhütung 
der Blennorrhoea neonatorum ausarbeiten solle. 


Die Diseussion über diesen Antrag wurde für die Sitzung am 
22. Februar verschoben. In dieser begründete ich den Antrag und gab 
einige Gesichtspunkte an, welche der Commission für ihre Arbeiten 
unterbreitet werden könnten. 

Herr Geh. Rath Mikulicz erklärte sich für Wahl einer solchen 
Commission, jedoch mit der Einschränkung, dass dieselbe mit theore- 
tischen und offenen therapeutischen Fragen sich nicht beschäftigen, 
sondern nur administrative Vorschläge machen solle, die auf allgemein 
anerkannten hygienischen Grundsätzen basiren. Damit stimmte auch die 
geehrte Section überein, und unter dieser Einschränkung wurde eine 
Commission gewählt, bestehend aus den Herren Professoren Czerny, 
Jacobi, Küstner, Neisser und mir. 

Ich wurde beauftragt, die Commission einzuberufen und bat die 
Herren für den 2. März zu einer Sitzung. 

Ich spreche es mit Freude aus: So wenig harmonigeh die Dis- 
cussion am 1. Februar in der Seetion gewesen, so harmonisch verlief 
diese Commissionssitzung am 2. März. 

Ich erlaubte mir, Herrn Collegen Jacobi zum Vorsitzenden der 
Commission vorzuschlagen; derselbe wurde auch sogleich gewählt. 

Dann unterbreitete ich die Vorschläge, die ich schon in den 
Februar-Sitzungen der med. Section hier angedeutet, der Commission, 
welche sich sehr schnell über die prineipiellen Punkte einiste und meine 
Anträge annahm. 

Die Commission beschloss also zweierlei: 1) eine Eingabe an den 
Herrn Oberpräsidenten. und 2) die Vertheilung einer Helehzung auf 
den Standesämtern. 


In der Eingabe an den Herın Oberpräsidenten sollte gebeten werden, 
den Hebammen die $$ 218 und 324 des preuss. Hebammenlehrbuchs, 
sowie die in Vergessenheit gerathene Meldepflicht wieder einschärfen 
zu lassen, 


I. Abtheilung. Medicinische Section. 58 


Auch der Entwurf einer Belehrung über die Gefahren der 
Blennorrhoe, den ich in theilweiser Anlehnung an die in Havre zur 
Vertheilung kommende Belehrung ausgearbeitet, fand in der Commission 
Anklang. Es wurde aber beschlossen, denselben erst bei allen Mit- 
gliedern eirceuliren zu lassen, damit Jeder Aenderungs- und Verbesserungs- 
Vorschläge machen könne, 

Als darauf der Entwurf an den Vorsitzenden, Herrn Collegen Jacobi, 
zurückkam, fanden sich nur wenige, ziemlich unwesentliche redactionelle 
Aenderungen, die von Herrn Jacobi und mir, denen die endgültige 
Redaetion überlassen worden, natürlich angenommen wurden. Nur von 
Herrn Prof. Czerny wurden die von mir vorgeschlagenen „Vorschriften 
für die Behandlung der Blennorrhoe vor dem Eintreffen des Arztes‘ 
als ihm „undurchführbar erscheinend‘“ bezeichnet, Ueber diesen Punkt 
wird also dann debattirt werden müssen. 

Auf den Antrag des Herrn Collegen Neisser wurde beschlossen, 
dass am Schlusse der Belehrung die Adressen und Sprechstunden aller 
Augenärzte genannt werden sollen, welche unentgeltlich blennorrhoische 
Kinder behandeln. 

Die Commission beschloss endlich, die „Belehrung‘‘ an den Magistrat 
zu senden mit der Bitte, sie in den Standesämtern bei der Meldung von 
Geburten vertheilen zu lassen. 

Ich werde dann so frei sein, Ihnen den Entwurf der Zuschrift an 
den Magistrat vorzulesen, welchen wir bitten, die Belehrung, die in 
12000 Exemplaren gedruckt werden soll (so viele Geburten werden 
jährlich in Breslau angemeldet) auf den Standesämtern vertheilen zu 
lassen, ferner die Belehrung selbst, von der eine Anzahl Correcturabzüge 
werden vertheilt werden, und endlich den Entwurf unserer Eingabe an 
den Herrn Oberpräsidenten. — 

Obgleich die Commission sich mit diesen administrativen Dingen 
eigentlich hätte begnügen müssen, da sie ja eine gebundene Marschroute 
hatte, so glaubte sie doch, von Ihnen, meine Herren, Indemnität zu 
erhalten, wenn sie in allgemein wissenschaftlichem Interesse 
noch etwas über ihre striete Aufgabe hinausging. 

Sie beschloss also zunächst, eine Umfrage über die Häufigkeit 
der Blenn. neon. im Jahre 1894 unter den hiesigen Aerzten 
zu veranstalten. 

Ich wandte mich daher schriftlich zunächst an alle Augenärzte 
und dann durch gedruckte Zuschrift an alle Aerzte Breslaus und er- 
suchte sie, mir mitzutheilen, wie viel Fälle aus Breslau, wie viel von 
_ auswärts, und wie viel Spätinfeetionen von ihnen beobachtet wurden, 

M. H.! Mehr habe ich zunächst nicht gefragt. In den 31 Jahren, 
in denen ich oeculistische Statistik treibe, habe ich nämlich einsehen 
lernen, dass das alte Sprichwort „Wer viel fragt, bekommt viel Be- 


54 | Jahresbericht der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. 


scheid“ in der Statistik unrichtig ist. Nur wer wenig fragt, bekommt 
gern und schnell Bescheid. Und so kann ich denn das erfreuliche 
Resultat mittheilen, dass wir nun zum ersten Male wissen, wie viel 
Fälle von Blennorrhoe überhaupt in Breslau in einem Jahre behandelt 
wurden. 

Ich erkenne es mit grösstem Danke an, dass sämmtliche Augen- 
ärzte der Stadt meine Fragen bald beantwortet haben, manche der 
Herren sogar mit sehr schätzenswerthen Details. 

16 Augenärzte hatten im Jahre 1894 im Ganzen 282 Fälle in 
Behandlung, davon 25 auswärtige, also 257 Kinder aus Breslau. 

Eine ähnliche Zusammenstellung aus anderen Städten (ausser 
München, wo Meldepflicht existirt) giebt es nicht. 

Es behandelten Prof. Förster 53, Prof. Magnus 37, Dr. Land- 
mann 37, Dr. Lasinsky 35, Dr. Wolffberg 27, Dr. Wallentin 20, 
Dr. Beyer 16, Prof. Cohn 15, Dr. Landsberg 12, Dr. König 11, 
Dr. Günsburg 5, Dr. Ritter 5, Dr. Jungmann 4, Dr. Burchardt3, 
Dr. Ehrenfried 1, Dr. Groenouw 1 Fall. 

Da nicht von allen Special-Collegen bisher die Zahl der überhaupt 
von ihnen im Jahre 1894 behandelten Augenkranken angegeben worden, 
so lässt eich ein durchschnittliches Promille-Verhältniss nicht berechnen. 
In der Klinik von Herrn Prof. Förster waren es 12 °/,,, in meiner 
Anstalt auch 12 °%/,,, in der von Herrn Prof. Magnus 8 °/,,, von Herrn 
Dr. Wolffberg 6 %,, und in der von Herrn Dr. Landmann (schlesische 
Anstalt) 5 %,,. Vor 30 Jahren hatte ich 17 °%,,, in den Jahren 1885 
bis 1890210 %,9, jet M2%o- 

Dass die Krankheit wesentlich in den ärmeren Klassen vorkommt, 
haben die Augenärzte aller Städte schon lange beobachtet. Bei mir 
nahm in der Privatpraxis die Zahl in 30 Jahren von 9 bis 3 %,, ab. 
Ein sehr gesuchter hiesiger College sah im vorigen Jahre in der Privat- 
praxis keinen Fall. 

Ueber die Spätinfeetionen kann ich zunächst auch noch keine 
Durchsehnittsziffer geben. Fast alle Collegen betonten nur, dass sie 
sehr selten seien, indem die meisten Fälle am 3. bis 5. Tage auf- 
traten. Es ist auch oft schwer, hier Sicheres zu erfahren. Die Per- 
sonen, welche die Kinder in die Polikliniken bringen, wissen oft selbst 
nicht anzugeben, ob das Kind, das sie am 7. oder 9. Tage oder später 
zum Ärzte tragen, schon am 3. oder 4. Tage oder erst später Ent- 
zündung bekommen habe. Ueber diese Punkte dürften erst sorgsam 
vorbereitete Notizen in:den Krankenbüchern im nächsten Jahre Klarheit 
bringen. Unter den 15 Fällen, die ich im Jahre 1894 gesehen, waren 
8 bestimmt in den ersten 5 Tagen entstanden. 

Ausser den schriftlichen Nachfragen bei 16 Augenärzten ver- 
sendete ich noch 351 gedruckte Circulare an alle praktischen 


I. Abtheilung. Medieinische Section. 55 


Aerzte Breslaus, welche im Adressbuch verzeichnet sind. Von diesen 
Anfragen kamen 9 als unbestellbar zurück; bleiben also 342 Anfragen. 
Nur 77 Collegen antworteten mir; 265 Aerzte, d. h. 77 °/), antworteten 
nicht. Ich vermuthe, dass dieselben keine Blennorrhoe behandelt haben 
und darum nicht antworteten. 

Von den 77 Herren, welche antworteten, theilten 55 mit, dass sie 
keinen Fall im Jahre 1894 gesehen; 19 Herren berichteten aber über 
41 Fälle, die sie behandelt; diese betrafen mit Ausnahme eines Falles 
nur Breslauer Kinder. 

9 Aerzte sahen je 1 Fall, 3 Aerzte 2 Fälle, 4 Aerzte 3, 2 Aerzte 4 
und 1 Arzt 6 Fälle. 

Von diesen 41 Fällen sind 3, welche von den Collegen in Augen- 
kliniken geschickt wurden, jedenfalls abzuziehen, da sie ja dort schon gezählt 
sind. Es kommen also zu den 282 von Augenärzten behandelten noch 38 
von praktischen Aerzten behandelte Blennorrhoeen. 

Es wurden mithin im Jahre 1894 im Ganzen in Breslau 320 Fälle 
behandelt, davon 294 aus der Stadt selbst. 

Freilich ist vielleicht auch diese Zahl nicht absolut richtig, da ja 
mancher schwere Fall von einem Arzte zum andern wandert, also 
mehrfach figuriren kann. 

Aber selbst wenn wir diese Fehlerquellen nicht vernachlässigen und 
sogar 44 Fälle abziehen, dürfen wir mit Sicherheit behaupten, dass von 
den 12 000 Kindern, die im Jahre 1894 in Breslau geboren wurden, 
mindestens 250, d. h. circa 2°), an Blennorrhoe gelitten haben. 

Gewiss ist diese Zahl überraschend und erschreckend, 
Keiner von uns Augenärzten hat geglaubt, dass eine Krankheit, die bei 
richtiger Prophylaxe gar nicht mehr vorkommen dürfte, in 520 Fällen 
hier in einem Jahre behandelt worden, und wir empfinden gewiss nun 
Alle die Verpflichtung, durch geeignete hygienische Vorschläge 
diese Zahl im nächsten Jahre, wenn wir sie auch noch nicht auf Null 
bringen können, so doch wesentlich zu verringern. 

Gern hätte ich Ihnen auch die Zahl der Zöglinge unserer schle- 
sischen Blindenanstalt mitgetheilt, welche durch Blennorrhoe ihr 
Ausenlicht verloren haben; allein der Anstaltsarzt Herr Dr. Beyer war 
wegen Ueberbürdung leider noch nicht in der Lage, eine neue Zu- 
sammenstellung zu machen. Ich kann also nur erwähnen, dass Herr 
Prof. Magnus im Jahre 1884, also vor 11 Jahren, unter 87 doppel- 
seitig Blinden der Breslauer Anstalt 24 Blennorrhoeen —= 27°, als 
Ursache gefunden. 
| In Zürich jedoch ist nach Horner’s Mittheilungen seit 1865 kein 
Fall von Biennorrhoe-Erblindung mehr in die Blindenanstalt gekommen, 
Es rührt dies seiner Ansicht nach von der dort eingeführten sofortigen 
Zuziehung der Aerzte her. — — 


56 | Jahresbericht der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. 


Was das Geschäftliche betrifft, so sind Zuschriften an die Be- 
hörden schon früher von einzelnen Sectionen beschlossen und abgesendet 
worden; sie trugen einfach die Unterschrift „Die hygienische‘ oder ‚‚Die 
medieinische‘“ oder „Die pädagogische Section der Schlesischen Gesell- 
schaft‘. Vielleicht scheint auch Ihnen die Unterschrift „Die medieinische 
Seetion‘ genügend. Vielleicht wünschen Sie, dass die Mitglieder der 
Commission, welche ja die ganzen Arbeiten gemacht hat, ihren Namen 
unterschreiben. Vielleicht wünschen Sie, dass alle Seceretaire der med. 
Section oder nur der Präsident der Gesellschaft, Herr Geh. Rath Heiden- 
hain unterzeichnet. Bestimmen Sie das nur. 

Jedenfalls müssen wir dem Präsidium unserer Gesellschaft unsere 
Vorschläge noch unterbreiten, da dieses ja die Druckkosten der 
„Belehrung“ zahlen muss, 

12 000 Exemplare auf Zeitungspapier, wie die Correcturbogen, ge- 
druckt, würden bei Grass, Barth & Co. nur 48 Mk., auf Conceptpapier 
58 Mk. und auf Carton 90 Mk. kosten. Carton wurde auch in Havre 
gewählt und wäre wegen der Dauerhaftigkeit vorzuziehen. — 

Obgleich es eigentlich, wie mir Herr Geh. Rath Förster schrieb, 
selbstverständlich ist, dass die Anstalten, welche im Adressbuch den 
Augenkranken Gratisbehandlung bieten, auch am Schlusse der Belehrung 
erwähnt werden, so habe ich doch geglaubt, aus Höflichkeit erst alle 
Augenärzte anfragen zu sollen, ob sie gestatten, dass ihre Namen, 
Wohnungen und Sprechstunden am Ende der Belehrung genannt werden. 
Es haben auch alle Augenärzte, die keine Gratis-Sprechstun den im 
Adressbuch angeben, sich bereit erklärt, Kinder mit Blennorrhoe gratis 
zu behandeln mit Ausnahme eines Collegen, der ausdrücklich wünschte, 
nicht genannt zu werden, da er nur Privatpraxis treiben wolle. — 

Die Commission hat sich aber nicht begnügt mit einer für den 
Augenblick abgeschlossenen Umfrage bei den Collegen in Breslau, sie 
hat auch beschlossen, eine grosse wissenschaftliche Enqu&te über 
das Vorkommen von Blennorrhoe in allen Gebäranstalten und geburts- 
hilflichen Kliniken und in allen Augenheilanstalten und Augen- 
kliniken Deutschlands und Oesterreichs im Jahre 1895 zu ver- 
anstalten, und sie hat mit der Anfertigung und Versendung der Frage- 
bogen Herrn Med.-Rath Küstner und mich beauftragt. 

Ueber die Ergebnisse dieser Enquete werden wir später berichten. 

Für heut würde die Commission Ihnen grossen Dank wissen, wenn 
Sie, meine Herren, unsere Entwürfe, die sogleich vorgelesen und vertheilt 
. werden werden, annehmen würden. | 

Wir hoffen, dass dann viel Zeitverlust, Kummer und Gefahr ver- 
hütet, dass die Zahl von 320 Fällen von Blennorrhoe in Breslau im 
nächsten Jahre nicht mehr erreicht werden wird, und dass viele andere 
ärztliche Gesellschaften unserem Beispiele folgen werden. 


I. Abtheilung. Medicinische Section. 57 


M. H.! Unterstützen Sie die Commission in ihrem Bestreben durch 
Annahme unserer Vorschläge! 


Die Schriftstücke lauten folgendermaassen: 
1. Zuschrift an den Herrn Oberpräsidenten, 
2. Zuschrift an den Maeistrat. 
3. Die Belehrung. 


% Breslau, den 14, März 1895. 
Sr. Durchlaucht dem Herrn Oberpräsidenten Fürsten v. Hatzfeldt. 
Hier. 


Ew. Durchlaucht 
erlaubt sich die medieinische Section der Schlesischen Gesellschaft 
folgendes ergebene Gesuch zu unterbreiten. 


Durch eine Umfrage bei allen Aerzten Breslaus ist seitens einer 
von der unterzeichneten Section gewählten Commission, bestehend aus 
den Professoren H. Cohn, Czerny, Jacobi, Küstner und Neisser, 
ermittelt worden, dass im Jahre 1894 hier in Breslau 320 Fälle von 
Augeneiterung der Neugeborenen zur Behandlung gekommen sind. 


Diese Krankheit ist bekanntlich eine der häufigsten Ursachen der 
Erblindung, und die gefundene Ausbreitung derselben ist um so er- 
sehreckender, als es gerade in unserer Provinz an trefflichen Ver- 
ordnungen nicht fehlt, bei deren strenger Befolgung die gefähr- 
liehe Krankheit ganz oder fast ganz verschwinden würde. 


So giebt das preussische Hebammen-Lehrbuch sehr gute Regeln, 
durch welche die Hebammen der Augenentzündung der Neugeborenen 
vorbeugen können. 


Im $ 324 heisst es dort: ‚Die Hebamme wird hiernach einsehen, 
wie ausserordentlich wichtig es ist, dass sie dem Kinde, sobald der 
Kopf geboren ist, diesen verderblichen Schleim sofort mit reinem 
Wasser von den Augen abwäscht. Von der Sorgfalt, welche sie 
hierbei anwendet, wird oft die Gesundheit der Augen des Kindes ab- 
hängig sein.“ 

Und der $ 218 sagt: „Die Augen der Neugeborenen sind bei allen 
Schwangeren, welche an ansteckendem Schleimfluss leiden, sehr 
gefährdet. Um einer Erkrankung derselben vorzubeugen, dringe die 
Hebamme auf die Zuziehung eines Arztes schon während der Ent- 
bindung. Bis der Arzt zur Stelle, suche die Hebamme die Scheide der 
Kreissenden von dem ansteckenden Schleime durch Ausspülen und Ab- 
tupfen möglichst gründlich zu reinigen, und vor Allem wasche sie dem 
Kinde sofort nach Hervortritt des Kopfes, bevor es noch die 
Augen geöffnet hat, die Augenlider mit reinem Wasser gründlich 
von dem anhaftenden Schleime der mütterlichen Geburtswege ab. Sofort 


58 Jahresbericht der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. 


nach dieser Reinigung aber träufle sie dem Kinde einen Tropfen 
2procentiger Höllensteinlösung in jedes Auge.“ 

Würden diese guten Regeln stets befolgt werden, so 
müsste die Krankheit verschwinden. 

Ferner existirt eine vortreffliche Polizei-Verordnung für Schlesien 
vom 20. October 1884 (publieirt im Amtsblatt am 7. November 1884, 
Seite 367), betreffend die Erfüllung der den Hebammen im sanitäts- 
polizeilichen Interesse auferlegten Verpflichtungen. 

In dieser Verordnung lautet $ 4: „Jeder Fall von eitriger 
Entzündung des Auges der Neugeborenen ist ohne Verzug (bei 
Strafe bis zu, 30 Mark) dem zuständigen Physikus schriftlich oder 
mündlich anzuzeigen.“ 


Diese Meldepflicht scheint aber ganz in Vergessenheit 
gerathben. 

Die unterzeichnete Section ist überzeugt, dass durch neuerliche 
Einschärfung der genannten Maassregeln und der Meldepflicht viele 
Augen gerettet werden können, und ersucht Ew. Durchlaucht, die ent- 
sprechenden Anweisungen gefälligst bald erlassen zu wollen. 

Gleichzeitig gestattet sich die Section, Ew. Durchlaucht ein Exem- 
plar der „Belehrung über die Gefahren der Augenentzündung 
der Neugeborenen‘ vorzulegen, welche auf Vorschlag der von der 
Section gewählten Commission an die Standesämter in Breslau zur 
Vertheilung gesendet werden soll, damit sie jeder Person, welche eine 
Geburt anmeldet, übergeben wird. 

Wir stellen ergebenst ankeim, ob Ew. Durchlaucht geeignet fände, 
dieselbe Belehrung auch an alle Hebammen in der Provinz Schlesien ver- 
theilen zu lassen. 

Ew. Durchlaucht 
ergebenst 


Die medieinische Section. 


2. An den geehrten Magistrat der Haupt- und Residenzstadt Breslau. 


Den Magistrat erlaubt sich die unterzeichnete medieinische Section 
unter Beifügung eines Probe-Exemplars ergebenst anzufragen, ob derselbe 
geneigt wäre, die beifolgende „Belehrung über die Gefahren der 
Augeneiterung der Neugeborenen“ auf den hiesigen Standes- 
ämiern bei den Meldungen von Geburten zur Vertheilung bringen zu 
lassen. 

Wir bemerken hierbei, dass nach unseren Ermittelungen 320 Fälle 
dieser höchst gefährlichen Erkrankung im Jahre 1895 in Breslau in 
ärztliche Behandlung gekommen sind. 

Falls der Magistrat bereit ist, die Belehrung, welche auf Antrag 
einer aus den Herren Prof. H. Cohn, Czerny, Jacobi, Küstner und 


I. Abtheilung. Medicinische Section. 59 


Neisser bestehenden Commission angenommen wurde, und von der die 
unterzeichnete Section sich einen bedeutenden sanitären Nutzen ver- 
spricht, vertheilen zu lassen, werden wir demnächst 12000 Exemplare 
der Belehrung überreichen. 

Hochachtungsvoll 


Die medicinische Section. 


3. Belehrung über die Gefahr der Augenentzündung der 
Neugeborenen, 
I. 

Der zehnte Theil aller Blinden hat sein Augenlicht durch die 
Augenentzündung der Neugeborenen verloren, und Hunderttausende 
haben durch dieselbe eine Verringerung ihres Sehvermögens erfahren. 
Und doch kann diese gefährliche Krankheit durch Maassregeln der 
Hebamme vor und bei der Geburt fast immer vermieden werden. 

Ist die Krankheit aber ausgebrochen, so ist es stets Schuld der 
Eltern, Ammen, Pflegerinnen oder Hebammen, wenn ein Auge des 
Kindes Schaden nimmt. 

Denn schleunigste ärztliche Hilfe und zwar sofort beim 
ersten Beginn des Leidens kann das Auge mit Sicherheit retten. 

Man versäume also die kostbare Zeit nicht mit Abwarten oder mit 
Anwendung von Hausmitteln, man folge nicht sogenanntem guten Rathe 
von Laien, sondern rufe sogleich den Arzt, da es sich hier um jede 
halbe Stunde handelt. 

II. 

Die gefährliche Krankheit beginnt selten am 2., meist am 3. oder 
4. Tage nach der Geburt, kann aber auch später auftreten. Sie zeigt 
sich anfangs als eine leichte Schwellung und Röthung der Ränder der 
Augenlider, welche nach dem Schlafe besonders in den Augenwinkeln 
ein wenig mit Schleim verklebt sind. Bald tritt dann beim Oeffnen der 
Augenlider eine weissliche oder gelbliche schleimige Flüssigkeit aus. 
Am 3. oder 4. Tage schwellen die Augenlider meist dick an; das Kind 
öffnet das Auge nicht mehr von selbst; nur mit Gewalt können die 
Lider auseinander gezogen werden, und ein dicker, rahmartiger gelber 
Eiter quillt oder spritzt hervor. 


Wer ein solches Auge öffnet, nehme sich sehr in Acht, 
dass ihm nicht selbst etwas von dem Eiter in sein Auge 
spritzt, da er sonst unfehlbar von der verderblichen Krankheit be- 
fallen würde. 

II. 

Wenn nicht sehr schnell sachverständige Hilfe kommt, greift die 
Eiterung von den Augenlidern auf den Augapfel des Kindes über und 
zerstört in wenigen Tagen die Hornhaut des Auges; dann ist totale 


60 Jahresbericht der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. 


Erblindung oder bleibende Sehschwäche die sichere Folge, 
Wenn einmal die Hornhaut selbst erkrankt ist, gelingt es selbst dem 
erfahrensten Arzte nicht mehr, das Auge vollkommen zu heilen. Daher 
sende man bei der geringsten Röthe, Schwellung oder Schleimabsonderung 
des Auges sofort zum Arzte. 


IV. 
Wer ein Kind mit eitriger Augenentzündung pflegt, muss sich auf 
das Sorgsamste die Hände mit Seife abwaschen, so oft er die Augen 
des Kindes berührt hat. 


V. 

Hat die Mutter vor der Entbindung einen eitrigen Ausfluss aus dem 
Schoosse gehabt, so muss sie besonders darauf achten, dass weder ihre 
Finger, noch etwas von den zur Reinigung des Schoosses während des 
Wochenbetts benutzten Leinenstücken an die Augen des Kindes komme, 
da auf diese Weise die Krankheit noch später übertragen werden kann. 


\AR 
Wenn ein Zwillinsskind an Augenentzündung erkrankt, ist das 
andere sofort vollkommen von ihm zu trennen und darf auch nicht in 
demselben Bade gebadet werden. 


v1. 

War nach einer früheren Entbindung bei einem Neugeborenen 
schon die Augenentzündung vorgekommen, so muss vor der nächsten 
Entbindung die Hebamme ganz besonders darauf aufmerksam gemacht 
werden. 

VII. 
Was muss geschehen, bis der Arzt erscheint? 


1) Man öffne die Augen des Kindes alle 10 Minuten und wische 
mittels Watte, welche in Wasser getaucht und auenD ist, den 
Eiter sorgsam aus dem Auge heraus. 


2) Man mache sofort kalte Umschläge auf folgende Weise: Ein 
mehrfach zusammengelegtes Stück reiner Leinwand wird auf Eis oder 
in sehr kaltem Wasser gekühlt, gut ausgewunden und trocken und 
kalt auf das kranke Auge gelegt. Ist dieser Umschlag warm geworden, 
so schadet er; daher müssen die Umschläge alle 2 Minuten gewechselt 
und so lange fortgesetzt werden, bis der Arzt kommt. 


3) Man streiche etwas Vaseline aussen auf die Augenlider, damit 
sie nicht durch den Eiter zusammenkleben. 


4) Wenn nur ein Auge erkrankt ist, hüte man sich, mit demselben 
Fleckchen oder mit den Fingern das andere gesunde Auge zu berühren, 
da man sonst die Krankheit auch auf dieses übertragen 
würde. 


I. Abtheilung. Medieinische Section. 61 


5) Da die Augenentzündung der Neugeborenen überaus ansteckend 
ist, so dürfen Wasser, Leinenstücke und alle Gegenstände, die zum 
Waschen des Auges gebraucht wurden, niemals für die Reinigung der 
Hände oder des Gesichts anderer Personen benutzt werden. Die 
kleinste Spur des Eiters verursacht die schnelle und meist unheilbare 
Zerstörung des Auges Erwachsener. Die Watte und alle zur Reinigung 
des Auges benutzten Leinenstücke sind bald zu verbrennen. 


Niemals versäume man den Arzt sofort zu rufen. 


Aus der Discussion ist Folgendes hervorzuheben: 


Herr Dr. Steinschneider fragt, ob alle sog. gonorrhoischen 
Conjunctivalkrankheiten wirklich gonorrhoisch waren. 

Herr Prof. Neisser glaubt nach den Kroner’schen Untersuchungen, 
dass dies nicht der Fall ist und bittet, diesbezügliche Bemerkungen 
zu machen. 

Herr Prof. Cohn glaubt bei aller Achtung vor dem mikroskopischen 
Befunde, dass das klinische Bild für jeden Augenarzt so charakteristisch 
ist, dass es allein schon die Diagnose sichert. 


Herr Prof. Neisser bestreitet dies für den Beginn des einzelnen 
Falles. 

Herr Dr. Wolffberg glaubt, dass der Gonococcen-Befund nicht 
constant sei. 

Herr Prof, Neisser bittet, das Secret stets zur Untersuchung an ihn 
zu senden. 


Herr Dr. Jacobi meint, die Belehrung solle nicht nur auf dem 
Standesamt, sondern auch durch die Hebammen vertheilt werden und 
fragt, wer die Kosten (Druck u. s. w.) bestreitet. 

Herr Prof. Cohn glaubt, das Präsidium der Schlesischen Gesellschaft 
werde gewiss die Kosten tragen. 

Zu Nummer 4 der Belehrung bemerkt 

Herr Prof. Czerny, dass kalte Umschläge auf das Auge von den 
Neugeborenen nicht gelitten werden; er wünscht daher, dass dieser 
Passus gestrichen werde. 

Herr Prof, Cohn hält seinen Rathschlag aufrecht, da nach seinen 
30jährigen Erfahrungen die kalten Compressen, welche die Züchtung 
der Gonocoecen bestimmt verhindern, von den Kindern viele Stunden 
lang wohl gelitten werden. Hier steht Beobachtung gegen Beobachtung. 

Herr Dr. Steinschneider glaubt, dass die Mutter mit eitrigem 
Ausfluss schon allein den Arzt holt. 

Herr Prof. Neisser hält die Vorschriften für zu lang. 

Es wird beschlossen: Die Commission soll die Vorschriften kürzer 
fassen. 


62 Jahresbericht der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. 


Herr Dr. Asch jun.: Die Namen der Augenärzte sollen am Ende 
der Belehrung nicht genannt werden. 

Herr Dr. Jungmann befürwortet dies auch. 

Herr Prof. Neisser bittet hierüber abzustimmen. 

Beschluss: Die Namen sollen gestrichen werden. 


Herr Prof. Neisser empfiehlt in einer Hebammenzeitung das 
Wichtigste der Belehrung hervorzuheben. 


Es wird beschlossen, die Belehrung nochmals von der Commission 
revidiren und kürzen zu lassen. — — 

Dies geschah im Laufe der nächsten 8 Tage. Die Belehrung ist, 
um Wiederholungen zu vermeiden, oben in der revidirten und ab- 
gekürzten Abfassung abgedruckt. 


Es wurden im April die Eingaben an den Oberpräsidenten und an 
den Magistrat abgesendet, so wie die Belehrung in der oben abgedruckten 
Form auf Kosten der Schlesischen Gesellschaft in 12000 Exemplaren 
gedruckt und dem Magistrat überreicht, welcher sie seit Mai d. J. in 
den Standesämtern vertheilen lässt. 


2) Herr Prof. Neisser: 


Ueber Versuche zur Verhütung der gonorrhoischen Urethral- 
Infection. 


Meine Herren! Gestatten Sie mir, dass ich im Anschluss an die 
neulich gehörten Vorträge und Discussionen über die prophylaktischen 
Maassnahmen gegenüber der Blennorrhoea neonatorum und den Werth 
des Cred&’schen Verfahrens oder anderer, an seine Stelle zu setzenden 
Reinigungsmethoden (Küstner) mit einigen Worten hinweise auf Ver- 
suche, welche in ähnlicher Weise eine Verhütung der gonor- 
rhoischen Urethralinfection bezwecken. 


Es ist hier nicht der Ort auf die ungeheure Wichtigkeit der 
gonorrhoischen Erkrankungen hinzuweisen. Bei . den verschiedensten 
Gelegenheiten ist gerade an dieser Stelle gegen die alte Anschauung, 
dass die Gonorrhoe ein einfaches, nieht sehr ernst zu nehmendes Leiden 
sei, angekämpft worden und ich brauche Sie nur an die Ausführungen 
meiner gynäkologischen Collegen über die gonorrhoischen Erkrankungen 
der Frauen zu ‘erinnern, um die Thatsache von der Bedeutung der 
Gonorrhoe ins rechte Licht zu setzen. Nehmen wir als zweites Moment 
die ungeheure Verbreitung dieser Krankheit hinzu, die wohl ohne 
Uebertreibung als die häufigste Erkrankung des menschlichen Ge- 
schlechtes hinzustellen ist, so ist es berechtigt, allen Versuchen, die, 
eine Verhinderung der ja wesentlich im ausserehelichen Geschlechts- 
verkehr zu Stande kommenden Infection ins Auge fassen, mit dem 
grössten Interesse zu folgen, 


I. Abtheilung. Medieinische Section. 63 


Ich will hier nicht von der Anwendung der Condome sprechen, 
die zweifellos ein sehr geeignetes und brauchbares Schutzmittel gegen 
die Infeetion darstellen; auch will ich nur kurz darauf hinweisen, dass 
die gegen Ulcus molle- und Syphilisinfeetion zweifellos nützliche Ein- 
fettung desmembrum virile vor der Cohabitation als prophylaktische 
Maassregel gegen die gonorrhoische Infection wohl kaum in Betracht zu 
ziehen ist. Bei Ulcus molle und bei Lues kann die Infectionsgefahr 
schon dadurch vermieden werden, dass durch die Einfettung manche 
oberflächliche Verletzungen und Excoriationen, die doch eine Vor- 
bedingung für das Zustandekommen dieser Infectionen darstellen, ver- 
hindert werden; ein fettiger Ueberzug kann auch das Eindringen des 
Virus der genannten Krankheiten selbst in schon bestehende kleine 
Wunden und Excoriationen zum mindesten erschweren. 


Bei der Gonorrhoe aber liegt ja die Sache ganz anders. Hier 
könnte die Einfettung höchstens eine Infection jener extra- und para- 
urethral gelegenen Drüsengänge verhindern, die allerdings eine höchst 
unangenehme und oft schwer zu beseitigende Localisation des gonor- 
rhoischen Processes darstellen. Sitzen solche durch die Infection von 
präputialen Gängen entstehende Knoten im Präputium, dann sind sie 
meist durch Exeision leicht zu entfernen; handelt es sich aber wirklich 
um paraurethrale Gänge, die neben dem orificium urethrae am 
frenulum in die Tiefe gehen, so ist die Zerstörung des gonorrhoischen 
Processes in diesen bisweilen recht tiefen oder gekrümmten und ver- 
schlungenen Gängen sehr schwer, wenn man auch schliesslich meist mit 
elektrolytischer Vernichtung derselben oder Injection mittels Pravaz’scher 
Spritze zum Ziel kommt, 


Unsere Frage betrifft aber doch hauptsächlich die Infeetion der 
Urethra selbst und diese kommt ja bekanntermaassen zu Stande 
ohne jede Läsion. Denn das gesunde Epithel ist vollkommen im Stande, 
den Gonococcen Wachsthum und Vordringen nach der Fläche und Tiefe 
zu gestatten. 


Im Allgemeinen werden wir uns wohl vorstellen müssen, dass die 
Gonococecen bei der Cohabitation in die vordersten Theile etwa 6 bis 
& mm oberhalb des orificiums eindringen, indem durch die stossenden 
Bewegungen des erigirten Penis ein Klaffen des orifieiums zu Stande 
kommt. Sobald aber die Erection nachlässt, sind diese Theile der 
Orifieium-Schleimhaut wiederum vollkommen verdeckt und zufällig hier 
deponirte Gonococcen liegen, gleichsam eingesogen, innerhalb der 
Urethra. 


Es ist daher begreiflich, dass selbst die sorgfältigste Reinigung der 
Glansoberfläche eine Infection nicht mehr verhütet; wir hören ja oft 
genug von unseren Patienten, dass sie eine Gonorrhoe acquirirt haben, 


64 Jahresbericht der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. 


obgleich sie sich in der sorgsamsten Weise, mit oder ohne Des- 
infieientien, nach dem Coitus, gereinigt und gewaschen haben. 

Diese Infectionsgefahr wird um so grösser bei Menschen mit langem 
Präputium, besonders wenn sie sich nicht ordentlich säubern. Ich halte 
es für sehr leicht möglich, wenn auch noch nicht für bewiesen, 
dass bei solchen Menschen Gonococcen im Präputialsack sich lebens- 
kräftig und virulent tagelang erhalten können und erst später, vielleicht 
erst viele Tage nach dem Coitus eine Infection zu Stande bringen. So 
wenigstens erkläre ich mir eine Anzahl von Beobachtungen, in denen 
nicht die gewöhnliche 3tägige Incubationszeit zwischen Infectionstermin 
und dem Auftreten deutlicher purulenter Erscheinungen vorhanden war, 
sondern die Gonorrhoe erst 8 oder 12 Tage nach dem infieirenden Coitus 
auftrat. | 

Nun versuchen sehr viele vorsichtige Menschen durch möglichst 
baldiges Uriniren nach der Cohabitation die Infection zu ver- 
meiden, aber wie wir wissen, ohne Erfolg. Auch das scheint mir be- 
greiflich, weil der Urinstrahl, an sich ohne desinfieirende Wirkung, nicht 
im Stande ist, mechanisch die an der Schleimhautoberfläche haftenden 
Gonocoecen zu entfernen. Bei der Erection wird aus den Urethral- 
drüsen ein zäher, fadenziehender Schleim produeirt, der sicherlich dazu 
beiträgt, die Gonococcen besser an der Schleimhaut haften zu lassen. 
Möglicherweise sind es auch Spuren von Sperma, dessen Einfluss auf 
das Gonococeenwachsthum bisher nicht untersucht wurde. 

Die saure Reaction des die Urethra bespülenden Urins spielt dabei 
gar keine Rolle, denn: 

1) wissen wir, dass Gonococcen sehr gut auf einem etwas ange- 
säuertem Nährboden wachsen, und | 

2) hat College Jadassohn, wie ich mit seiner Erlaubniss mittheilen 
darf, festgestellt, dass unmittelbar nach der Entleerung sauren 
Urins im Lumen der Harnröhre alkalische Reaction vorhanden ist. 

Es müssen also andere Wege eingeschlagen werden, um die in der 
Urethralöffnung sitzenden Gonococcen zu vernichten. Einen solchen 
Weg hat schon früher Haussmann zu betreten versucht, indem er 
empfahl, eine 2proc. Argentum nitricum-Lösung mittelst einer Tripper- 
spritze zu injieiren. Dieses Verfahren ist sicherlich radical, denn wir 
wissen, wie ich nachher noch auseinanderzusetzen habe, dass eine so 
eoncentrirte Argentum nitricum-Lösung in der That im Stande ist, 
Gonococcen momentan zu tödten. Dieses Verfahren ist aber nicht un- 
schädlich genug, um nach jeder Cohabitation nur auf die Möglichkeit 
hin, dass eine Gonococceninfection stattgefunden habe, angewandt werden 
zu können. Die Reizerscheinungen nach einer solchen Argentuminjeetion 
sind in der That so arg, dass diese Methode als unbrauchbar bezeichnet 
werden muss. 


I. Abtheilung. Medicinische Section. 65 


Es galt daher ein anderes Verfahren zu ersinnen und ich glaube, 
dass die Methode, welche Herr Kreisphysicus Dr. Blokusewski 
(in Daun, Regierungsbezirk Trier) angegeben hat, deren Kenntniss ich 
seiner privaten Mittheilung verdanke und über die er selbst an anderer 

telle berichten wird, verdient, von vornherein in möglichst weiten Kreisen 
bekannt zu werden. 

Auch er wendet eine 2proc. Argentum nitricum-Lösung an, 
aber nicht zur Injection, sondern nur zur Einträufelung von 1 bis 
2 Tropfen in die durch Fingerdruck etwas klaffend gemachte 
Urethra. 

Einen dritten Tropfen lässt er über das Frenulum hinfliessen, um 
die an der Aussenfläche sitzengebliebenen Gonococcen, die unter Um- 
ständen eine Infeetion jener schon oben erwähnten paraurethralen Gänge 
verursachen könnten, zu beseitigen. 

Den Hauptwerth musste er ganz mit Recht, da es sich um eine 
in die weitesten Kreise einzuführende Methode handelt, auf die Hand- 
lichkeit des Instruments legen, welches zur Instillation dienen soll, und 
ich lege Ihnen hier einige der mir gütigst zugesandten Büchschen 
vor, welche, wie ich glaube, dieser Anforderung vollkommen ent- 
sprechen. 

Diese kleinen Metallhülsen, die jeder bequem in der Tasche tragen 
kann, enthalten ein kleines Tropfglas, das ohne Druck Flüssigkeit nicht 
austreten lässt. Druck auf die obere kleine Kautschukplatte lässt 
Tropfen für Tropfen herausfallen. Die allseitig schliessende Metall- 
hülse verhütet eine Zersetzung der im Innern befindlichen Argentum- 
lösung. 

Es musste sich nun fragen, ob diese Lösung nicht zu stark für die 
normale Harnröhrenschleimhaut wäre, respective ob man sie etwa durch 
eine schwächere ersetzen könnte. Schon College Blokusewski hat in 
seiner Mittheilung, deren Manuscript er mir zugänglich gemacht hat, 
mitgetheilt, dass er an mehr als 50 gesunden Menschen festgestellt hat, 
dass diese Einträufelungen von Jedermann ohne die geringsten Be- 
schwerden vertragen werden und dass irgendwelche Reizwirkungen 
dadurch nicht entstehen. 

Ferner gab er an, dass, soweit sich das überhaupt an praktischen 
Versuchen feststellen liess, eine schwächere Lösung nicht so sichere 
Resultate ergab, als die von ihm definitiv gewählte 2proc. Argentum- 
lösung. 

Wir haben uns durch Desinfeetionsversuche überzeugt, dass in der 
That die 2proe. Argentum nitrieum-Lösung für diese Zweeke kaum durch 
eine schwächere ersetzt werden kann. Die Herren Collegen Schäffer 
und Steinschneider haben in dem Laboratorium meiner Klinik dies- 
bezügliche Versuche gemacht. 

1895. 5 


66 Jahresbericht der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. 


Mit einem Platinspatel wurde der Rasen einer reichlich gewachsenen 
Gonoeoeceneultur mehrfach ganz oberflächlich betupft, sodass nur ganz 
dünne, eben sichtbare Schichten der Cultur am Spatel haften blieben. 
Dieser Platinspatel wurde dann verschieden lange in die desinfieirenden 
Lösungen hineingetaucht, in sterilem Wasser abgespült und nun auf 
Serum-Agar abgewischt. Das Abspülen in sterilem Wasser bewirkte, 
wie nachträgliche Versuche ergeben haben, nicht etwa eine mechanische 
Beseitigung der anhaftenden Gonococcen, denn wenn das Eintauchen in 
die desinfiecirenden Lösungen unterblieb, wuchsen regelmässig in 
schönster Weise Gonococcenculturen. 

Das Resultat war, dass das Verweilen des Platinspatels erst nach 
25 Secunden Einwirkung einer lproc. Argentum nitrieum-Lösung das 
Wachsthum der Gonococcen vollkommen aufhob. 

Nach 20 Secunden wuchsen immer noch, wenn auch spärlich, einzelne 
Colonien, bei 10 Secunden noch ziemlich reichlich. 

Wurde aber eine 2proc. Lösung von Argentum nitricum verwandt, 
so war auch schon bei einer Einwirkung von 5 Seeunden regelmässig 
jede Spur von Gonococeenwachsthum aufgehoben. 

Halten wir mit diesen Reagenzglasversuchen zusammen die Er- 
fahrungen, die auch beim Cred@’schen Verfahren gemacht worden sind, 
so ergiebt sich in der That, dass für die in Rede stehenden Zwecke der 
momentanen Abtödtung von Gonococcen eine schwächere als 2proe. 
Argentum nitricum-Lösung nicht brauchbar erscheint. 

So einfach dieses ganze Blokusewski’sche Verfahren erscheint, 
so wichtig ist es, dass es nach Möglichkeit bekannt wird. Ich weiss 
sehr wohl, dass derartige, von uns Aerzten ausgehende Bestrebungen von 
Anderen, welche der Ansicht sind, dass die Furcht vor Infeetion bei- 
tragen könne, die Häufigkeit des Geschlechtsverkehrs junger Menschen 
zu verhindern, auf das Strengste verurtheilt werden. So sehr ich aber 
auf der einen Seite wünschen möchte, dass die von jener Seite z. B. 
den Sittlichkeitsvereinen ausgehenden Bestrebungen von Erfolg gekrönt 
wären, so glaube ich doch andererseits: Wir haben der Thatsache 
gegenüber, dass die venerischen Krankheiten und speciell die Gonorrhoe 
eine ungeheure Verbreitung haben und von Tag zu Tag weiter finden, 
die Pflicht, alle diejenigen Mittel, welche diese Verbreitung verhindern 
können, nach Möglichkeit auszunützen. Auch wer die wesentlichste 
Prophylaxe gegen venerische Krankheiten in moralischer Beeinflussung 
sieht, muss bedenken, dass die Gonorrhoe nicht eine einfache, in kurzer 
Zeit vorübergehende lästige oder schmerzhafte Erkrankung ist, sondern 
dass sie in unzähligen Fällen auch für ganz Unschuldige der Ausgangs- 
punkt schweren, jahrelangen Siechthums ist. 

Sie werden mich nun fragen, meine Herren, wie weit denn diese 
von Herrn Collegen Blokusewski vorgeschlagene Methode auch praktisch 


I. Abtheilung. Medieinische Section. 67 


erprobt ist. Darauf muss ich leider die Antwort schuldig bleiben. 
Herr College Blokusewski glaubt zwar selbst, nach den Erfahrungen in 
seinem Clientenkreise mit Sicherheit an die Wirksamkeit der empfohlenen 
Methode. Auch ich habe versucht, eine Statistik nach dieser Richtung 
hin anzubahnen, aber ich brauche nicht auseinander zu setzen, auf 
welche Schwierigkeiten man hier stösst, wenn man brauchbare und ver- 
gleichbare Zahlenreihen aufstellen will. Trotz dieses Mangels glaube 
ich dieses, theoretisch im höchsten Maasse brauchbar er- 
scheinende Verfahren empfehlen zu können, zumal es nach jeder 
Richtung hin als unschädlich erwiesen ist. 


Herr Dr. Silbermann: Uebertragung der Gonorrhoe von Müttern 
auf Kinder lässt sieh durch Sublimattampons vermeiden. 


Herr Prof. Neisser erwähnt, dass Einfettung aus dem gleichen 
Grunde empfohlen wurde, 


8. Sitzung vom 29. März 1895. 
Vorsitzender: Herr Geheimrath Ponfick. Schriftführer: Herr Dr. Eekardt. 


Herr Prof. Küstner demonstrirt vor der Tagesordnung ein dreitägiges 
Kind mit ausgedehnter Bauch-Blasenspalte. In die Blaseninversion hinein 
mündet oberhalb der Ureterenmündungen ein widernatürlicher After, in 
welchen hinein zu einem rüsselartigen Fortsatz ein Stück Darm invaginirt 
ist. Dieser Darm entleert noch jetzt mekoniumartige Masse. Der Nabel- 
schnurstumpf ist noch nicht vertrocknet und noch nicht sequestrirt; 
derselbe ist sehr breit und umhüllt eine, wenn auch in diesem Falle 
nicht sehr umfängliche Nabelschnurhernie. 

Die Symphyse klafft, wie sehr deutlich durch die Weichgebilde 
hindurehzutasten, bedeutend. Von den äusseren Geschlechtstheilen fehlt 
eigentlich jede Andeutung, ebenso fehlt das Orificium ani völlig. Da- 
gegen ist an den Hautgebilden der Perineal-Analpartie eine sehr deutliche 
Rhaphe und eine eigenthümliche Hautfältelung zu beobachten, welche an 
ein verkümmertes Scrotum erinnert, ohne dass in demselben etwa die 
Geschlechtsdrüsen zu tasten wären, 


Das Kind trinkt gut an einer Amme, hat, wie die Wägungen er- 
geben, noch nicht an Körpergewicht abgenommen. Die in der Achsel- 
höhle vorgenommenen Temperaturmessungen sind unzuverlässig. 


Maasse: Gewicht des Kindes 2100 gr, Länge 46 cm. Durchmesser 
‚der Blasenectopie 5'/), cm, Länge der Darminvagination 6 cm. 


Herr Sanitätsrath Riegner erwähnt die Vorgeschichte der dem- 
nächst ebenfalls vor der Tagesordnung von Herrn Dr. Stolper demon- 
strirten pathologisch-anatomischen Präparate. 

’ = 


68 Jahresbericht der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. 


Herr Dr. P. Stolper demonstrirt vor der Tagesordnung: 


1) Organe einer Frau mit allgemeiner Carcinomatose, be- 
merkenswerth durch die Localisation und die Multiplieität der Meta- 
stasen. Der 46jährigen Frau ist vor 1'/, Jahren von Herrn Sanitätsrath 
Riegner die rechte Mamma wegen Krebs amputirt und die Achsel- 
höhle von krebsigen Drüsen ausgeräumt worden; mikroskopisch er- 
wies sich der Tumor damals als ein Carcinoma simplex. Bereits nach 
einem halben Jahre musste ein Recidiv in der Gegend der amputirten 
Brust von etwa Handtellergrösse exstirpirt werden. Vor jetzt einem 
Vierteljahr, also ein volles Jahr nach der Mammaamputation, wurde die 
Patientin von neuem ins Hospital gebracht, diesmal wegen fractura colli 
femoris sinistri. Nach 6 Wochen langer Extension erschien dieser 
Bruch ziemlich consolidirt; die Patientin machte einige Tage sogar Geh- 
versuche. Bald musste sie sich aber wieder zu Bett legen wegen ge- 
lenkrheumatischer Beschwerden. Unter hydropischen Erscheinungen ging 
sie allmählich ad exitum. : 


Bei der Obduction fand ich ausser Hautmetastasen an der rechten 
Brustseite, einen Krebsknoten in der linken Mamma und diese zahl- 
reichen Knoten mit typischer, nabelförmiger Delle in der Leber. 
Grösseres Interesse aber beanspruchen die Metastasen in den Knochen 
und diejenigen im Darmkanal. 


Die Fractur des linken Schenkelhalses ist, wie das Präparat er- 
kennen lässt, erfolgt, weil das femur durch zahlreiche Krebsmetastasen 
erweicht ist. Diese Knochenmetastasen sind ja an sich nichts Seltenes, 
aber in dieser Menge und Mannigfaltigkeit der Form und des Sitzes wohl 
beachtenswerth. Das Hüftgelenk selbst ist intakt, der Knorpel nirgends 
ergriffen, obwohl sich bis dicht an denselben heran die Krebswuche- 
rungen in dem Balkenwerk des Halses diffus verbreiten. Dadurch ist 
der ganze Knochen in der Circumferenz der Trochanteren ausserordent- 
lich aufgetrieben, sodass eine mächtige Callusbildung vorgetäuscht wird. 
Die Fractur ist eigentlich eine vielfache, eine solche des Schaftes, eine 
solche des Schenkelhalses und endlich eine Ablösung beider Trochanteren, 
alle also im oberen Drittel des femur, das besonders stark krebsig ent- 
artet ist. Indessen sind beginnende Ansiedlungen auch in den übrigen 
Theilen wahrzunehmen; diese Krebsmassen sitzen theils in der Mark- 
höhle als breite weisse Füllung oder als erbsengrosse der Corticalis an- 
haftende Knötchen, theils subperiostal. Hier bilden sie derbweiche Vor- 
buckelungen an der Oberfläche des Knochens. Es liessen sich natürlich 
nicht alle Theile des Skeletts auf Metastasen durchforschen, aber die 
man einer Untersuchung unterzog, die enthielten auch solche: so das 
Sternum, mehrere Rippen beider Seiten, der linke Calcaneus; der erste 
Lendenwirbel erwies sich völlig erweicht und bereits leicht comprimirt, 


I. Abtheilung. Medieinische Section. 69 


die nach oben und unten benachbarten Wirbelkörper enthielten kleinere 
Heerde. 


Bemerkenswerth erscheinen mir ferner die Krebsmetastasen im 
Darmkanal, welche zum Theil erst die mikroskopische Untersuchung mit 
Sicherheit von tuberculösen Geschwüren unterscheiden lies. Im 
Magen fand ich solche nicht, wohl aber bald hinter dem Pylorus im 
Duodenum und die meisten im Ileum. Die Wucherungen sitzen sub- 
mucös, in der Regel ist die Schleimhaut darüber erhalten. 


Ueber anderen aber ist die Schleimhaut durchaus zerfallen und diese 
täuschen in der That Geschwüre tuberculöser Natur vor. Form und 
Localisation der Metastasen scheint mir aber auch beachtenswerth gegen- 
über der Frage von der Implantation von Krebspartikeln in die Schleim- 
haut des Darmes, wie sie Klebs beschrieben hat. Beobachtungen, die 
wie diese eine solche Möglichkeit ausschliessen, und doch durch ihr 
Aussehen an eine solche denken lassen, gemahnen zur Vorsicht gegen- 
über einer solehen Hypothese. 


2) Eine eingekeilte Schenkelhalsfractur als Pendant zu der 
Fraetur des krebsigen Schenkelhalses. Es ist eine 73 Jahr alte Frau, 
die sich durch einfaches Hinfallen auf die Seite vor 8 Wochen diesen 
Bruch zuzog. Die Bruchlinie verläufi zum grössten Theil ausserhalb 
der Gelenkkapsel und das obere Fragment ist dergestalt in das untere 
eingetrieben, dass die Corticalis des oberen Halstheiles in der Spongiosa 
zwischen beiden Trochanteren fast unbeweglich festsitzt. Das Präparat 
ist recht geeignet zu veranschaulichen, wie man bei derartiger Ein- 
keilung mit expectativer Behandlung zweifellos am besten thut. Die 
sreise Patientin ist, wie das ja leider bei aller Vorsicht so oft der 
Fall, obwohl man sie aus Besorgniss vor einer hypostatischen Pneumonie 
sehon nach 14 Tagen aufstehen liess, doch einer solchen erlegen, 


3) Einen Fall von aktinomykotischer Coxitis. Das Becken 
stammt von einem vor 4 Tagen erst verstorbenen 7 Jahre alten 
Mädchen. Dasselbe ist vor etwa Jahresfrist schon einmal wegen links- 
seitiger Coxitis behandelt worden. Vor drei Wochen kam es von neuem 
in’s Hospital, diesmal in sehr desolatem Zustande. Es war angeblich 
in Folge chronischer Durchfälle ausserordentlich abgemagert. Es lag 
nahe, diese sowie die bestehende Coxitis als tuberculös anzusehen. In 
der That fand sich eine zunächst durchaus an frische Tuberceulose des 
Hüftgelenks erinnernde: Gelenkserkrankung; ausserdem aber eine die 
ganze Innenfläche des Beckens betreffende sinuöse Vereiterung, die an 
der Stelle, wo der gewöhnliche Decubitus zu sitzen pflegt, über dem 
Kreuzbein durch eine handtellergrosse Hautnekrose sich nach Aussen 
öffnete. Um das Kreuz- und Steissbein her ist das Gewebe schmierig- 
eitrig an der Aussen- und an der Innenseite, Von der Beckeninnen- 


70 Jahresbericht der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. 


fläche her ist die Propagation offenbar auf die linke Hüftgelenkpfanne 
hin erfolgt; dafür spricht der geringe Grad der Zerstörung, welche in 
einem nur engen Durchbruch der dünnen Pfannenwand und in einer 
Auflockerung und nur mässigen Zerstörung des Knorpels bestand. Das 
Wenige von Eiter, welches sich im Hüftgelenk vorfand, hatte auf den 
ersten Blick nicht das charakteristische Aussehen von Aktinomyceseiter, 
wie ich ihn später zu demonstriren mir erlauben werde. Aber von 
Tubereulose fand sich im ganzen Organismus keine Spur. Dagegen 
liess die chronische Induration des rechten Lungenmittellappens 
an Aktinomykose denken, und für diese Pathogenese sprach auch die 
weitbuchtige Abscedirung im Beckenbindegewebe. Herrn Geheimrath 
Ponfick gelang es in der That Aktinomycesdrüsen in der indurirten 
Lunge und mir auch in dem Gelenkeiter Pilze nachzuweisen. Der 
Befund in der Lunge lässt zunächst diese als den Primärsitz der weit- 
gehenden Aktinomykose annehmen, wiewohl die vorwiegende Zer- 
störung im Becken nach der allgemeinen Erfahrung mehr auf die 
voraufgehende Erkrankung des Intestinaltractus hinweist. Das Colon be- 
fand sich zwar in seiner ganzen Ausdehnung im Zustande eines schweren 
chronischen Katarrhs, aber von einer specifisch-aktinomykotischen Er- 
krankung der Darmwand oder Residuen abgeheilter specifischer Ent- 
zündung kann nicht die Rede sein. Seit Illich (Beitrag zur Klinik der 
Aktinomykose. Wien 1892) bei einem aktinomykotischen perityphlitischen 
Abscess eine inkrustirte Getreidespelze im ulcerirten Processus vermi- 
formis gefunden hat, und Körte, von Bergmann und Israel (Freie 
Vereinigung der Chirurgen Berlins. 12. XI. 94) in allerneuester Zeit 
diesen Theil des Darmtraktus primär erkrankt sahen, musste ihm eine 
besondere Aufmerksamkeit geschenkt werden, Derselbe erwies sich 
indess als durchaus unverdächtig. Trotzdem lässt sich nicht ganz aus- 
schliessen, dass von der Lunge ausgehustete und verschluckte Pilzmassen 
den Darm passirt haben. 


4) Aktinomyceseiter, herstammend von einer an Lungenaktinomykose 
sich anschliessenden Pericarditis actinomyeotica. 


Herr Geheimrath Ponfick macht auf die grosse Seltenheit des 
Falles 3 aufmerksam. Dies wird von Herrn Geheimrath Mikulicz be- 
stätigt. 


Herr Geheimrath Mikuliez berichtet ebenfalls noch vor der Tages- 
ordnung über Versuche ‘mit Schilddrüsenfütterung bei Struma u. s. w. 
Weiterhin über Versuche mit Thymus-Fütterung, welche bisher den 
gleichen Erfolg hatten und viel besser von den Patienten vertragen’ 
wurden. 


I. Abtheilung. Medicinische Section. 71 


Tagesordnung. 
Herr Kolaezek: 


Ueber ein Magendivertikel, das eine Neubildung 
vorgetäuscht hat. 


K. demonstrirte zunächst ein Präparat, das einDivertikel der vorderen 
Magenwand darstellt, welches unter dem Bilde einer Neubildung sich 
entwickelt hat, und durch Resection der vorderen Magenwand gewonnen 
worden ist. Es besteht aus einem elliptischen, 10 cm langen und bis 
4 cm breitem Stück Magenwand, in dessen Mitte sich eine dem Um- 
fange der Zeigefingerspitze entsprechend weite Mündung des wallnuss- 
srossen Divertikels findet. Die Schleimhaut des Magens geht unter 
Faltenbildung in den Sack über, kleidet aber die Innenfläche desselben, 
wie ein Durchschnitt lehrt, nicht aus, sondern endet über dem Halse des 
Divertikels scharfrandig. Der Rest der Innenfläche ist geschwürig und 
nur an der der Mündung gegenüber gelegenen Stelle na:big glatt. Der 
Boden des Geschwürs und die Wandung des Divertikels bilden eine bis 
1 em dieke Schicht hyperplastischer Muskularis, die nur seitlich rings- 
um von narbig verzogener Serosa, der Kuppe des Diverlikels ent- 
‘sprechend jedoch mit Muskelresten der Bauchwand, des Zwerchfells 
und mit Spuren von Pankreasgewebe bedeckt ist. — Bei der Deutung 
dieses Befundes erschien die Annahme am meisten begründet, dass ur- 
sprünglich ein einfaches, katarrhalisches, von dem typischen Ulecus 
rotundum durchaus verschiedenes Geschwür an der vorderen Wand des 
Magens bestanden, dieses eine Verwachsung derselben mit der Bauch- 
wandung und so nach Analogie der Bildung eines Tractions-Divertikels 
am ÖOesophagus die Entstehung eines Magendivertikels herbeige- 
führt hat. 

Das Präparat entstammte einem 45 Jahre alten Landmädchen, das 
seit etwa 6 Jahren an krampfartigen Magenschmerzen gelitten hat. 
Selten nur kam es zu Erbrechen, und einmal fanden sich Blutspuren 
dabei. In der letzten Zeit steigerten sich die gastralgischen Schmerzen 
und traten besonders nach dem Essen ein, so dass Patientin schliesslich 
der Speisen sich nach Möglichkeit enthielt und erheblich abmagerte. 
Die verschiedentlich in Anspruch genommene ärztliche Hilfe blieb 
erfolglos. 

Patientin, eine mittelkräftige, blasse, fettarme Person, machte auf 
eine von ihr schon seit drei Jahren beobachtete, am linken Rippenbogen 
in der Mammilarlinie sitzende Geschwulst als die muthmaassliche Ursache 
ihrer Krankheit aufmerksam. Diese Geschwulst hatte Hühnereigrösse, 
war hart, mit dem Rippenbogen verwachsen, von verschieblicher 
normaler Haut bedeckt und druckempfindlich. Die Füllung des Magens 
mit Wasser zeigte, dass die untere Grenze desselben bis zur trans- 


72 | Jahresbericht der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. 


versalen Nabellinie reichte, während die Geschwulst in einer tympa- 
nitischen Zone verblieb. Dies bewies, dass sie, wenn überhaupt dem 
Magen, dessen cardialem Abschnitt angehören musste. 

Die kolikartige Gastralgie nach der Nahrungsaufnahme sprach dafür, 
dass durch den Tumor eine Fixation des Magens an die Bauchwand 
unterhalten wurde. 

Der Sitz innerhalb der cardialen Hälfte des Magens, die lange Be- 
obachtungszeit der acereten und nicht merklich vergrösserten Geschwulst, 
die gastralgischen Erscheinungen und schliesslich das Vorhandensein von 
Salzsäure im Mageninhalte sprachen gegen die carcinöse Natur des 
Tumors. Es wurde deshalb die Diagnose auf eine gutartige Geschwulst, 
die primär von der vorderen Magenwand ausgegangen oder, was weniger 
wahrscheinlich war, secundär von der vorderen Bauchwand auf dieselbe 
übergegriffen hatte, also auf ein Fibrom, Leiomyom oder ein Sarkom 
gestellt und, da so die Prognose nicht ungünstig erschien, die operative 
Entfernung derselben beschlossen. 

Am 10. October 1894 wurde nach Auswaschung des Magens, unter 
Anwendung der Aethernarkose, zur Operation geschritten. Die Geschwulst 
wurde durch einen von der Mittellinie beginnenden, dem Rippenbogen 
mit der Concavität zugewandten 12 cm langen Bogenschnitt umschnitten, 
der aus Haut und Muskulatur bestehenden Lappen nach oben geschlagen, 
die blossgelegte, von einzelnen Muskelbündeln bedeckte Geschwulst vom 
Rippenbogen und dem angrenzenden Zwerchfell getrennt, worauf sie 
etwas nach der Bauchhöhle hin versank. Jetzt erst wurde in ihrer Um- 
gebung das Bauchfell eingeschnitten und der mit der Geschwulst innig 
und breit zusammenhängende Magen zum Theil hervorgezogen. Eis stellte 
sich nunmehr deutlich heraus, dass der Tumor im Bereiche der oberen 
Hälfte der vorderen Magenwand an und in der kleinen Curvatur näher 
der Cardia als dem Pylorus aufsass. Er wurde elliptisch umschnitten, 
wobei der in die Magenhöhle eingeführte Finger irgend eine Prominenz 
oder Ulceration an der Schleimhautfläche nicht entdecken konnte. Die 
Umschneidung der Geschwulst ging schrittweise vor sich, indem dem 
Schnitt sofort eine Vereinigung der Wundränder des Magens folgte, um 
dem Herausfliessen von Magenschleim vorzubeugen, was um so rathsamer 
erschien, als der Magen nicht vor die Bauchwunde gezogen werden 
konnte. Die Schnitte mussten über die kleine Curvatur hinaus bis auf 
die Rückwand des Magens verlängert werden, da der Tumor so weit 
reichte und zum Theil auch mit dem Pankreas verlöthet war. Der 
kleinen Curvatur entsprechend musste wegen Incongruenz der Wund- 
ränder die Naht in der Form eines Triviums ausgeführt werden. Haupt- 
sächlich zur Sicherung dieses wurde die Nahtlinie mit einer Lage 
Jodoformgaze bedeckt, welche nach Versenkung des Magens und drei- 
facher Etagennaht der Bauchdeckenwunde an einer Stelle derselben 


I. Abtheilung. Medicinische Section. 73 


herausgeleitet wurde. Nach der Operation kein Shock, kein Erbrechen, 
reactionsloser Wundverlauf. Vom zweiten Tage ab Ernährung per 
Klysma durch sechs Tage. Darauf flüssige Kost noch eine Woche lang. 
Darauf Uebergang zu halbfester und fester Nahrung. Am neunten Tage 
Entfernung der Gaze. Patientin verliess nach drei Wochen das Bett, 
war frei von Beschwerden und erholte sich sichtlich. 


K. stellte zum Schluss die Kranke vor, die nunmehr noch ein halbes 
Jahr post operationem in gutem Ernährungszustande sich fand und frei 
von allen Beschwerden sich erklärte. 


Herr Dr. Silbermann betheiligt sich an der dem Vortrage folgen- 
den Discussion. 
Im Uebrigen wird dieselbe vertagt. 


2) Herr Dr. Carl Alexander: 


Die Photographie des Blasen-Innern 
mit Demonstration von Bildern mit dem Skioptikon. 


Das Gebiet der Kystophotographie, dessen Entwickelung wir dem 
Talent Nitze’s verdanken, und an dessen Ausbau der Vortragende 
selbst früher als Assistent Nitze’s mitgewirkt, ist schon auf dem Bres- 
lauer Gynäkologen-Congress von ihm berührt worden; zugleich wurde 
damals das neue Photographir-Kystoskop Nitze’s demonstrirt, welches es 
ermöglicht, am lebenden Menschen ohne Narkose Bilder des Blasen- 
Innern photographisch zu fixiren. Dieses Instrument ist optisch und 
elektrotechnisch ebenso gebaut wie das ursprüngliche Kystoskop, trägt 
aber an seinem äusseren Ende eine Metallscheibe, die als Camera dient 
und welche zur Aufnahme einer lichtempfindlichen Platte dient; diese 
Platte ist gross genug, um mehrere Bilder festzuhalten, wobei eine 
revolverartige Vorrichtung dafür sorgt, dass jedesmal ein anderer Theil 
der runden Platte vor die Oeffnung des kystoskopischen Rohres tritt. 
Zur Einstellung des Bildes dient ein, am Schafte des Kystoskopes 
seitlich angebrachter Kolben mit zwei Prismen, die so zu einander ge- 
stellt sind, dass beim Hereinschieben des Kolbens die Lichtstrahlen 
zweimal rechtwinklig gebrochen werden und ins Auge des Beobachters 
fallen, während sie beim Herausziehen des Kolbens ungehindert die 
photographische Platte treffen und dort ein etwa 3 mm kleines Bildehen 
erzeugen, das nachher in der üblichen Weise entwickelt und fixirt und 
später vergrössert wird. — Mit diesem Instrument sind bei Nitze eine 
grosse Reihe von Bildern aufgenommen worden, die bei seinem reichen 
Material geeignet sind, eine Uebersicht über das ganze Gebiet der 
Blase im normalen und pathologischen Zustand zu geben, und dieses 
ist der Hauptzweck dieses Vortrages, der im Wesentlichen nur eine 
Erläuterung zu den Blasenbildern giebt, die mittels des Skioptikons — 


74 Jahresbericht der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. 


wie es Nitze selbst schon in Berlin, Wien und Rom gemacht hat — 
sich sehr schön vorführen lassen. — Die Bilder zeigen: 

1) Normale Blase: mit der Falte des Orife. intern.; Gefässe 
der Seitenwand; eine Luftblase im Vertex der Blase; die Harnleiter- 
mündungen in ihrem verschiedenen Aussehen, bald als Spalt, bald als 
Grübchen ete.; Gefässe in der Nähe der Harnleitermündung u. A. 

2) Die Blase bei Prostatahypertrophie: Veränderung des 
Orifie. intern, bald geringer, bald stärker ausgeprägt mit den Ein- 
lagerungen in das Gewebe; die Wülste, die in verschiedener Gestalt 
und Ausdehnung hineinragen; die mannigfachen Formen von Balkenblasen 
(Vessie & colonnes) bis zur Divertikelbildung u. A. 

3) Phosphatsteine, wobei die rauhe Oberfläche deutlich erscheint, 
darunter ein schalenförmiges Fragment, das nach Stein-Extraction durch 
Sectio alta in einer tiefen Grube des Blasenbodens liegen ge- 
blieben war. | 

4) Harnsaure Steine: in einigen Fällen hinter dem Prostata- 
Wulst im Recessus sichtbar; bei verschiedener Stellung des Prisma’s des 
Instrumentes erscheinen sie — wie alle Gebilde — verschieden gross, 
was in Bezug auf ihre Grösse leicht zu Täuschungen Veranlassung 
giebt. 

5) Geschwülste, sowohl gutartige als maligne, sowohl von 
Männern als auch von Frauen; in einigen Bildern sieht man gut das 
Vordringen der Wucherung gegen die normale Schleimhaut. 

6) Varia: ein Seidenfaden, der nach einer synäkologischen 
Operation (Vaginae fixatio Uteri) in der Blase sich fand, desgleichen ein 
anderer mit Conerementbildung, eine Haarnadel, wie sie in der Blase 
eines jungen Mädchens ruht, wobei der Schlagschatten der beiden 
Branchen sogar sichtbar ist, u. A. m. Das Schlussbild zeigte frische 
miliare Tuberkelknötchen in herpesähnlicher Anordnung in der Blase eines 
43jährigen Mannes. N: 

Fast alle gezeigten Bilder finden sich in dem von Nitze heraus- 
gegebenen kystophotographischen Atlas wieder, für den sie ursprünglich 
angefertigt wurden, um weniger Geübten ein Lehrmittel und einen 
Anhaltepunkt für die Beurtheilung kystoskopischer Bilder in die Hand 
zu geben. 


9. Sitzung vom 3. Mai 1895. 
Vorsitzender: Herr Prof. Born. Schriftführer: Herr Dr. Endres. 
Die Versammlung ermächtigt den Vorsitzenden, den Verkauf des 
Schriftehens ‚‚Belehrung über die Gefahren der Augenentzündung der’ 


Neugeborenen‘ der Buchdruckerei von Grass & Barth zu einem mässigen 
Preise zu gestatten. Gesuche um Ueberlassung des Schriftchens sind 


I. Abtheilung. Medicinische Section. 75 


eingegangen vom Regierungs-Präsidium in Liegnitz, von der Polizei-Ver- 
waltung zu Pillau, von der Fabrik chirurgischer Artikel, Gutbier, Berlin, 


Tagesordnung: 
1) Herr Dr. Viertel: 


Demonstration des Nitze’schen Harnleiterkathetercystoskopes. 


Meine Herren! Am 4. December 1891 hatte ich die Ehre, Ihnen 
an dieser Stelle als erster das Nitze’sche Cystoskop zu demonstriren. 
Diese bahnbrechende Erfindung ermöglicht es ja bekanntlich, das Blasen- 
innere des Lebenden dem Auge des Arztes zugänglich zu machen. Ist 
die Steinsonde der „verlängerte Finger“, so könnte man das Cystoskop 
das „verlängerte Auge‘‘ nennen. Man kann aber damit nicht nur das 
Blaseninnere sehen, sondern auch die Qualität des aus den Ureter- 
öffnungen spritzenden Harnes taxiren, ob derselbe klar, eitrig oder blutig. 
Am 9. Juli 1893 konnte ich ferner Ihnen berichten über gelungene 
Katheterisirungen des Harnleiters beim Weibe unter Leitung des Auges 
ohne vorangegangene Erweiterung der Harnröhre mittelst des Nitze- 
Leiter’schen, von v. Brenner modifieirten Cystoskopes; durch dieses 
Verfahren kann man den Harn jeder Niere gesondert auffangen; jedoch 
kleben ihm zwei Mängel an: der Katheter trifft zunächst den Ureter in 
einem stumpfen Winkel zum Verlaufe; sodann liegt das beste Licht der 
Lampe bei kurzem Trigonum auf der Ureteröffnung zu einer Zeit, wo 
das Fenster noch in der Urethra ist. 

Heute bin ich in der glücklichen Lage, Ihnen das Nitze’sche In- 
strument zum Katheterismus der Harnleiter beim Manne vorzulegen. Es 
besteht aus zwei Theilen. Zunächst aus einem kleinkalibrigen Cystoskop 
von entsprechender Länge, das als solches bei Strieturenkranken und 
Kindern sehr zweckmässig verwendet werden kann. Ich habe mit solchem 
„Kindereystoskop“ schon bei 5jähr. Knaben erfolgreich und leicht die 
Ableuchtung der Blase vornehmen können. 

Sodann aus einer katheterartigen Hülse, in der das Cystoskop ver- 
schieblich ist. Diese Hülse hat auf der convexen Seite eine Oeffnung, 
aus der das viscerale Ende des Cystoskopes (Lampe und Fenster) beliebig 
hervorgeschoben werden kann, sobald das Instrument in der Blase ist, 
während bei der Einführung es in der Hülse geborgen bleibt. Diese 
katheterartige Hülse hat einen kurzen Schnabel und ausser dem grösseren 
Kanal für das Cystoekop noch einen zweiten Kanal, in dem ein dünner, 
langer Katheter gleitet, welcher beim Vorschieben aus diesem auf der 
Kuppe des Hülsenschnabels mündenden Führungs-Kanale tritt. 

Ist die Lampe so angefügt, dass das ganze Cystoskop einen graden 
Schaft darstellt, so kann letzteres, wenn der Blaseninhalt trüb geworden, 
aus der liegenbleibenden Hülse entfernt und nun durch dieselbe die Blase 
ausgewaschen und von neuem mit klarem Wasser gefüllt werden. 


Jahresbericht der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cuitur. 


| 
fer} 


Hat man das Instrument — das Cystoskop in der Hülse geborgen — 
eingeführt, so schiebt man letzteres vor, sucht sich die entsprechende 
Harnleitermündung und bringt nun den Hülsenschnabel ins Gesichtsfeld, 
sowie an die Harnleitermündung, worauf der vorgeschobene Katheter, da 
ihm durch das Instrument die entsprechende Krümmung gegeben, leicht 
in den Harnleiter gleitet. Man schiebt nun den Katheter immer weiter 
vor und kann ihn isolirt liegen lassen, da sich über ihm das Instrument 
leicht entfernen lässt. — Einen Mandrin für die Katheter hat man aus 
den oben angeführten Gründen nicht nöthig. — Jeder, der esim Gebrauche 
des Cystoskopes soweit gebracht hat, dass er die Ureterostien leicht 
finden kann, kann auch bald mit dem Instrumente arbeiten. 

Ich gebe Ihnen hier zwei Reagenzgläser herum; das eine zeigt den 
trüben, alkalischen, eitrigen Harn einer pyonephrot. Niere, das zweite 
den klaren, sauren Harn von der andern gesunden (?) Niere desselben 
Kranken. Leider hat derselbe auch hier schon Cylinder im Harn. Sie 
sehen an diesem Beispiel, wie exact die Methode ist. 

Es strömt nicht aller Harn, den die betreffende Niere producirt, 
zum Katheter hinaus, ein Theil erreicht neben dem letzteren die Blase, 
wie bisweilen bei einem Verweilkatheter in der Blase den Harn auch 
neben demselben aus der Harnröhre fliesst. 

Wir sind also jetzt auch beim Manne in der Lage, den Harn jeder 
Niere gesondert aufzufangen und uns von der Durchgängigkeit des Harn- 
leiters, resp. dem Sitz eines Hindernisses zu überzeugen. 

Neben dem diagnostischen Effect ist auch der therapeutische nicht 
gering anzuschlagen; man kann mit Hilfe des Verfahrens bei Pyelitis 
Waschungen des Nierenbeckens vornehmen, wobei man den Katheter 
entweder liegen lässt — Albarran hat dies bis zu 10 Tagen gethan — 
oder aber den Katheterismus öfter wiederholt. Auch für die Therapie der 
Hydronephrosen (s. hierüber auch meinen Vorschlag in dem Vortrag: 
Demonstration einer intermittirenden Hydronephrose) sind neue Gesichts- 
punkte gewonnen und bei Nierensteinkoliken kann eine Cocaininjection 
in den betreffenden Ureter von grossem Nutzen sein. ($. hierüber und 
über das ganze Thema: Nitze: Ueber cystoskop. Diagnostik chirurg. 
Nierenerkrankungen mit besonderer Berücksichtigung des Harnleiter- 
katheterismus. Berl. kl. Wochenschr. 1895 Nr. 15.) 

So ist in der That das Cystoskop das Bindeglied zwischen äusserer 
Harnröhrenöffnung und Nierenbecken geworden und es dürfte bei dem 
jetzigen Stande der Dinge keine Nierenexstirpation mehr beschlossen 
werden, bevor nicht durch diese sichere Methode der „Befähigungsnach- 
weis“ der andern Niere, die Functionen der zu exstirpirenden mit über- 
nehmen zu können, erbracht ist. 

Ausser dem Nitze’schen Instrument demonstrirt der Vortragende 
noch den leuchtenden Wundhebel nach Trendelenburg. Dieser 


I. Abtheilung. Medicinische Section. AN 


Wundhebel besteht in einem drehrunden Griff von entsprechender Länge, 
der 6 em vor seinem Ende rechtwinklig abbiegt, um in einer elektrischen 
Glühlampe zu endigen. Hinter dieser Lampe lässt sich ein löffelförmig 
ausgehöhlter Ansatz (3 verschied. Grössen) an dem Stiel aufschieben. 
Führt man nun das Instrument in die nach Sectio alta geöffnete Blase, 
so dient der löffelförmige Ansatz als platter Wundhaken und zugleich 
als Reflector für das Lämpchen. Man hat nun den Blasenboden oder 
die Seitenwände hell beleuchtet, ohne dass der Assistent an der Wunde 
seine beiden Hände — wie bisher — hierzu braucht. Vortragender hat 
den Apparat, der sich leicht desinficiren lässt, bereits bei zwei Tumor- 
exstirpationen am Blasenboden erprobt. 


Zur Diseussion: Herr Dr. Alexander: Die Anwendung des 
Cystoskops bei Urethralstrikturen. 


10. Sitzung vom 10. Mai 13895. 
Vorsitzender: Herr Dr. Buchwald. Schriftführer: Herr Dr. Drewitz. 
Vor der Tagesordnung: 
Herr Dr. Landmann: 
„Ueber Fremdkörper in der Orbita.‘“ (2 Fälle.) 


Herr Dr. Adler stellt einen Fall von Dystrophia museularis 
progressiva (juvenile Form Erls) vor. 

Der ihm von Herrn Collesen Rieger (Brieg) freundlichst über- 
wiesene 29jährige Kranke bemerkte zuerst vor 7 Jahren eine Schwäche 
in den Oberarmen, welche nach Verlauf von etwa 2 Jahren auf den 
Rumpf übergriff und vor 1'/, Jahren auch die Beine befiel. 


Hand- und Unterarmmuskulatur sind sehr gut entwickelt und ausser- 
ordentlich kräftig, die Oberarme dagegen stark abgemagert. Die Mm. 
supinatores fehlen ganz, der M. biceps stellt beiderseits nur einen dünnen 
Strang dar, während der M. triceps kräftig entwickelt ist und gut 
funetionirt. Der Deltamuskel ist auf beiden Seiten im Gegensatz zu den 
Beugern am Oberarm nur leicht atrophisch. Die sternocostale Portion 
des Pert. maj. ist ganz geschwunden, ebenso die untere des ÜCucullaris 
auf beiden Seiten. z 

Die Schulterblätter stehen flügelartig vom Thorase ab infolge 
Atrophie des Mm. serrati aubici. Von den Mm. rhomboides ist nur das 
linke Minor erhalten, während der Infraspinatus hypertrophisch erscheint. 
Latissimus dorsi fehlt links, ist rechts stark atrophisch. Die Lenden- 
'wirbelsäule ist lordotisch nach vorn gekrümmt, der Glutacus max. 
beiderseits stark abgemagert. An beiden Oberschenkeln erscheint der 
M. quadriceps gut entwickelt, doch seine Kraft vermindert. Der 
Patellarreflex fehlt links, ist rechts abgeschwächt. 


73 Jahresbericht der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. 


Nirgends sind fibrilläre Muskelzuckungen zu bemerken. Die elek- 
trische Erregbarkeit ist überall erhalten, nur sind die Zuekungen in den 
atrophischen Muskel je nach ihrer Volumensverminderung mehr weniger 
abgeschwächt. 

Heredität oder Familiarität nicht vorhanden. Der Beginn der 
Muskelatrophie an den ÖOberarmen, das Verschontbleiben der kleinen 
Handmuskeln, der Streckmuskeln an den Vorderarmen und des M. del- 
toides, sowie das relativ frühzeitige Ergriffensein der Beinmuskulatur, 
fernerhin das Fehlen von fibrillären Zuckungen und Entartungsreaction 
spricht gegen progressive Muskelatrophie auf spinaler Basis. 

Vielmehr entspricht die Entwickelung (Beginn in den Oberarm- 
muskeln, Fortschreiten nach Rumpf und Extremitäten) und die Er- 
scheinungsweise (Freibleiben der Mm. sternocleidomastoides, supra- und 
infraspinat., der Vorderarmmuskeln mit Ausnahme der Supinat. long. 
und der kleinen Handmuskeln, sowie die Hypertrophie einzelner Muskeln 
(Mm. infraspinat.) und das Fehlen fibrillärer Zuckungen und der Ent- 
artungsreaktion in atrophischen Muskeln) dem Bilde der juvenilen 
Form der Dystrophia muscularis progressiva, welche ja auch 
öfters, wie hier der Fall, die Individuen einzeln ergreift, wenn sie auch 
meist hereditär und familiär auftritt. 


Tagesordnung: 

1) Herr Dr. Mann: 

„Ueber die cerebrale Hemiplegie‘!) 
mit Demonstrationen. 

Vor einigen Jahren machte W ernicke auf ein sehr interessantes, bei 
allen alten Hemiplegieen zu beobachtendes Verhalten aufmerksam. Er 
wies nach, dass am Bein des Hemiplegischen, nachdem nach einer ge- 
wissen Zeit ein grosser Theil der Muskeln seine Functionsfähiskeil, 
wiedererlangt hat, als ganz constantes Residuum eine dauernde Lähmung 
ganz bestimmter Muskelgruppen zurückbleibt. Diese „Praedilections- 
muskeln‘“‘ sind die Beuger des Unterschenkels und die Dorsalflexoren 
des Fusses. 

Vortragender hat dieses Gesetz durchweg bestätigt gefunden und 
hat versucht, ein analoges Gesetz auch für den hemiplegischen Arm 
aufzustellen. Hier liegen nun die Dinge viel complicirter, indem der 
dauernd zurückbleibende Defeect in den einzelnen Fällen sehr ver- 
schieden ist. 

Am schwersten geschädigt und selbst in gut restituirten Fällen noch 
deutlich paretisch ist stets die den feineren Verrichtungen dienende 
Opposition des Daumens. 


!) Der Vortrag erscheint ausführlich in der Volkmann’schen „Sammlung 
klinischer Vorträge“. 


I. Abtheilung. Medieinische Section. 79 


Daneben ist ebenfalls constant in hohem Grade paretisch die 
Supination der Hand. Diese Bewegung wird aber selten isolirt ausge- 
führt, vielmehr stellt sie gewöhnlich nur einen Theil der Aussenrollung 
der gesammten Oberextremität dar. Zu dieser Bewegung werden ausser 
den Supinatoren noch der infraspinatus (zur Auswärtsdrehung des Ober- 
armes) und ausserdem der untere Cucullaristheil nebst dem Rhomboidens 
gebraucht. 

Letztere verstärken die Drehung, indem sie den ganzen Schulter- 
sürtel der Wirbelsäule annähern. 

Dieser ganze Muskelcomplex ist nun in vielen Fällen von Hemiplegie 
in toto gelähmt, wobei sich der Ausfall der letztgenannten Muskein 
(Cueullaris, rhomboidens) durch das Entstehen einer tiefen Rinne zwischen 
Scapula und Wirbelsäule am deutlichsten bei der Adduction der Schulter- 
blätter zu erkennen giebt. 


Dagegen ist der entgegengesetzte analoge Mechanismus, welcher der 
Einwärtsdrehung dient (Pronatoren, Subscapularis, pectoralis und Serratus, 
welche letzteren die Drehung durch Entfernung der Scapula von der 
Wirbelsäule unterstützen) ganz gewöhnlich intact resp. wenig schwer 
geschädigt. 

Diese Beobachtung führte den Vortragenden auf das späterhin noch 
weiter begründete Gesetz, dass die Hemiplegie nicht einzelne Muskeln 
lähmt, sondern ganze Muskelmechanismen, d. h. solche Muskel- 
gruppen, welche einer gemeinschaftlichen Function dienen, also eine 
funetionelle Einheit darstellen, Es giebt nun bestimmte solche Mecha- 
nismen, welche die Hemiplegie mit Vorliebe lähmt und andere, welche 
sie ganz gewöhnlich verschont lässt. 


Für dieses Gesetz giebt uns ferner die nähere Betrachtung der 
hemiplegischen Hand einen guten Belag. Es bleibt nämlich der von 
Duchenne entdeckte Mechanismus, welcher beim Handschluss in 
Action tritt und welcher aus Fingerbeugern und Handgelenkstreckern be- 
steht, sehr häufig intact, so dass die Patienten sehr kräftig einen groben 
Gegenstand festhalten können. 


Dass der Mechanismus wiederum im Ganzen erhalten ist, ergiebt 
sich daraus, dass die hemiplegische Hand beim Zugreifen stets die nor- 
male extendirte Stellung einnimmt und nicht etwa volarwärts um- 
klappt, wie es der Fall sein müsste, wenn nur der eine Theil des 
Mechanismus, die Fingerbeuger, erhalten und die synergischen Handgelenk- 
streeker gelähmt wären. 

Der entgegengesetzte Mechanismus, welcher dem Oeffnen der 
Hand dient (Fingerstrecker und Handgelenksbeuger) ist ganz gewöhnlich 
schwer gelähmt, so dass die Hand, die einen Gegenstand mit grosser 
Kraft festhält, fast garnicht geöffnet werden kann. 


so Jahresbericht der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. 


Analoge Beobachtungen konnte Vortragender ferner auch an den 
übrigen Bewegungen der oberen Extremität machen. Besonders bei der 
Beugung im Ellenbogen lässt sich leicht zeigen, dass die drei dieser 
Bewegung dienenden Muskeln (Brachialis internus, Biceps, Supinator longus) 
von der Hemiplegie stets gleichmässig befallen werden; niemals aber 
einer von diesen isolirt gelähmt ist. 

Vortragender will nun den Wernicke’schen Typus der hemiple- 
gischen Beinlähmung ebenso aufgefasst wissen, wie das soeben be- 
schriebene Verhalten der Armlähmung. 

Am Bein treten nämlich nicht nur beim Gehen, sondern auch bei 
vielen anderen Bewegungen zwei Muskelmechanismen in Action: einer, 
welcher das Bein verkürzt und dem Rumpfe annähert (Beuger des Ober- 
und Unterschenkels, Dorsalflexoren des Fusses) und ein zweiter, welcher 
das Bein verlängert und vom Rumpfe entfernt (Strecker des Ober- und 
Unterschenkels, Plantarflexoren des Fusses). Beim Gange wirkt der 
erste in dem Moment, in welchem das Bein vorwärtsschwingt, der zweite 
in dem Moment, in welchem es auf dem Boden ruht. Der erste Mecha- 
nismus ist bei der Hemiplegie ganz gewöhnlich schwer gelähmt, der 
zweite gut erhalten. 


Referat über den am 10. Mai 1895 gehaltenen Vortrag von Herrn 
Dr. Bornstein (Breslau-Landeck): 


„Ueber den Einfluss heisser Bäder auf den Stofiwechsel.‘“ 


Bornstein hat, um den Einfluss heisser Bäder auf den Stoff- 
wechsel zu erforschen, wiederholt an sich selbst Versuche gemacht. 
Ueber die ersten Versuche hat er bereits auf der XV]. Versamm- 
lung der Balneologischen Gesellschaft in Berlin am 11. März d. J. 
berichtet. (S. deutsche Medieinalzeitung, 1895, No. 45 vom 6. Juni.) 
Die Resultate waren folgende: heisse Bäder von 44° 44,5° C. 
18—20 Minuten lang genommen bewirken eine Herabminde- 
rung der Nausscheidung im Harn und Koth, hervorgerufen 
durch die bedeutende Secretion von Schweiss, welchen B,, 
soweit es ging, sammelte und stark N-haltig fand. Die Differenz 
betrug in zwei Versuchsreihen zu je 3 in 3 Tagen genommenen Bädern 
0,38 resp. 0,47 gr N. durchschnittlich pro die. Das subjective Befinden 
war in keiner Weise alterirt. 

Um in einer längeren Nachperiode zu sehen, wie sich die Naus- 
scheidung nach den Badetagen verhält, hat Bornstein eine neue Ver- 
suchsreihe angestellt. — 

Nachdem durch eine gemischte, quantitativ und qualitativ täglich 
‘gleich bleibende Kost, bei der der Magendarmtraetus ausgezeichnet 
funetionirte, — 270 gr Zwieback, 375 gr mageres Roastbeef (Roh- 
gewicht), 125 gr Butter, 45 gr Zucker, 2 Tassen Kaffee, 1 Glas Thee, 


I. Abtheilung. Medicinische Section. si 


150 gr Aepfel und ca. 800 gr Wasser — bereits einige Tage 
N.-gleiehgewicht hergestellt war, badete B. in zwei aufeinanderfolgenden 
Tagen — am 14. und 15. der Versuchsreihe — bei 44,5° C. 20 Mi- 
nuten lang. Körpertemperatur steigt auf 38,7° C.; Puls 120, voll und 
kräftig, 15 tiefe Respirationen; also Athmung zu Puls = 1:38, sonst 
1:4. Nach 3 Minuten starker. Schweissausbruch, der noch circa eine 
Stunde nach dem Bade fortdauert; subjeetives Befinden ausgezeichnet. 
®/), Stunden nach dem Bade Puls und Temperatur wieder normal, — 
Im Harn und Koth in der Vorbadezeit durchschnittlich pro die 16,4 gr N.; 
an den Badetagen 15,97 also — 0,43 N.; die Resultate der ersten 
Versuchsreihe vollkommen bestätigt. 

Eine geringe Menge N. ist unter der Einwirkung der Wärme 
retinirt worden: denn am folgenden Tage übersteigt die Ausscheidung 
die in der .Vorbadezeit um ca. 0,2 gr N., um an den späteren 4 Tagen 
unter den Durchschnitt zu sinken, um 0,3 gr N. ungefähr. Höchst- 
wahrscheinlich ist durch den Schweiss mehr N. ausgeschieden 
worden, als die Differenz beträgt; der Körper holt sieh diesen 
Verlust, nachdem die geringe Menge des retinirten N. wieder abgegeben 
ist, langsam wieder. Oder sollte ein Fleischansatz stattgefunden haben? 

Das Gewicht, das an den Badetagen um 500 resp. 250 gr abge- 
nommen hatte, blieb dann wieder auf der früheren Höhe constant. . 

Die obige Frage müssen erneute Versuche entscheiden. — 

Jedenfalls steht fest: Heisse Bäder in der oben beschrie- 
benen Weise angewendet, schädigen den Organismus weder 
subjeetiv.noch objectiv. Es findet ein erhöhter Stoffwechsel 
statt, bedingt durch die vermehrte Schweissseeretion, nicht 
wie man in letzter Zeit annahm, durch grössere Naus- 
scheidung durch die Nieren. (Formanek, Topp etc.) 

Vortragender hat die nöthigen chemischen Untersuchungen im Labora- 
torium des Breslauer physiologischen Instituts vorgenommen und erfreute 
sich dabei der dankenswerthen Unterstützung des Herrn Prof.Dr.Röhmann. 

Discussion. 

Herr Prof. Röhmann bemerkt, dass bei den heissen Bädern die 

Stickstoffausscheidung im Harn nicht vermehrt, sondern vermindert war. 


11, Sitzung vom 17. Mai 1895. 
Vorsitzender: Herr Geheimrath Mikulicz. 
Tagesordnung: 
Herr Prof. K. Hürthle: 
1) Ueber die Verbesserungen der Methode zur mechanischen Registrirung 
der Herztöne und ihre Ergebnisse, 
H. zeigt die Verbesserungen der Methode zur mechanischen 


Registrirung der Herztöne, welche seit zwei Jahren theils von anderer 
1895. 6 


5, Jahresbericht der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. 


Seite, theils von ihm selbst angegeben worden sind. Die ursprüngliche 
Methode H.’s (siehe Deutsche med. Wochenschrift 1893 No. 4) litt nämlich an 
dem Nachtheil, dass zur Registrirung der Töne ein Froschmuskelpräparat 
benützt war, welches mit Hilfe eines Mikrophons durch jeden Ton 
gereizt wurde und seine Zuckung registrirtee Da der Muskel aber für 
die Darstellung rascher elektrischer Schwankungen keine geeignete 
Registrirvorrichiung darstellt, musste er durch ein anderes Hilfsmittel 
ersetzt werden. Einthoven und Geluk in Leyden benützten als solches 
ein Capillarelektrometer, H. einen Elektromagneten. Beim Capillar- 
elektrometer ändert ein in einer Glaskapillare befindlicher Quecksilber- 
faden unter dem Einfluss von elektrischen Schwankungen seine 
Capillaritätsconstante und damit seine Lage in der Capillare. Das 
Instrument ist äusserst empfindlich, doch sind die Bewegungen des 
Quecksilberfadens so klein, dass sie nur mikroskopisch wahrgenommen 
und mit optischer Vergrösserung photographisch registrirt werden 
können; (es folgte die Demonstration der Schwankungen des Capillar- 
elektrometers unter der Einwirkung der Herztöne mit Hilfe des 
Projectionsapparates). 

Um die Verwendung der Photographie bei der Registrirung der 
Herztöne zu umgehen, hat H. den Froschmuskel durch einen 
Elektromagneten ersetzt, welcher die vom Mikrophon veranlassten 
Stromschwankungen registrirt. Einem starken Blektromagneten steht 
nämlich eine mit straff gespannter Gummimembran überzogene Luft- 
kapsel gegenüber, auf deren Membran eine Scheibe aus Eisenblech ge- 
klebt ist; diese Scheibe wird den durch den Elektromagneten gehenden 
Stromschwankungen entsprechend mehr oder weniger angezogen und 
veranlasst dadurch Druckschwankungen im Luftraum der Trommel, 
welche mit Hilfe eines Schlauches auf eine Marey’sche Registrirtrommel 
übertragen werden können. Mit Hilfe eines zweiten Systems von 
Lufttrommeln lassen sieh dann leicht Cardiogramm und Herztöne gleich- 
zeitig auf dem Kymographion registriren. 

Die Verwendung des Elektromagneten zur Rose der Töne 
machte aber die Anwendung stärkerer Ströme nöthig, als sie beim ur- 
sprünglichen Mikrophon benützt wurden. H. construirte daher ein 
anderes Mikrophon, welches die Form einer Stimmgabel hat, der die 
Herztöne durch den Stiel zugeleitet werden. Dieses Mikrophon wird 
auf einen Resonanzapparat aufgesetzt, bestehend aus einer grösseren 
Zahl von Scheiben aus dünnem Fiechtenholz von verschiedenem Durch- 
messer.‘) (Es folgte die Registrirung der Herztöne mit dieser Versuchs- 
anordnung, die zuerst dem ganzen Auditorium hörbar gemacht 
wurden.) 


!) Die ausführliche Beschreibung der Versuchsanordnung findet sich in Pflüger’s 
Archiv. Bd. 60. S. 263. 


1. Abtheilung. Medicinische Section. 83 


Zu den Versuchsergebnissen übergehend bemerkt der Vortragende 
zunächst, dass diejenigen von Einthoven und Geluk im Wesentlichen 
mit den seinigen übereinstimmen. Die Frage, ob durch eine der beiden 
Methoden auch die Form der Töne richtig dargestellt wird, wird für 
das Capillarelektrometer unentschieden gelassen, für den Elektromagneten 
vorläufig in Abrede gestellt. 


Bezüglich der Lage der Töne innerhalb der Herzrevolution werden 
zunächst die mit der ursprünglichen Versuchsanordnung gefundenen Er- 
gebnisse bestätigt; der erste Ton beginnt mit der Kammersystole, am 
typischen Cardiogramm in dem Knick des aufsteigenden Schenkels, der 
zweite ganz kurze Zeit (0,02 Sec.) nach dem Anfang der Kammer- 
diastole. 


In manchen Versuchen erhielt H. vom zweiten Intercostalraum aus 
eine weitere Tonmarke unmittelbar vor dem ersten Ton, welche E. und 
G. regelmässig beim Aufsetzen des Stethoskops auf die Herzspitze er- 
hielten. Die Annahme von E. und G., dass diese Marke den Be- 
sinn des ersten, durch die Kammersystole veranlassten Tones darstelle, 
der früher an der Herzspitze als im zweiten Intercostalraum auftreten 
soll, widerlegt H. und sieht die Ursache jener Marke in einem Ton 
der Vorhöfe, der schon durch andere Versuche wahrscheinlich gemacht 
ist und unter günstigen Bedingungen registrirt werden kann. Die Er- 
scheinung, dass dieser „Vorton‘ am besten an der Herzspitze wahr- 
senommen wird, lässt sich durch die Annahme erklären, dass er am 
besten durch den Herzmuskel, in welchem er entsteht, fortgeleitet wird 
und dieser an der Herzspitze die Brustwand unmittelbar berührt. Diese 
Annahme erklärt auch die ähnliche Erscheinung, dass das in den meisten 
Fällen von Mitralstenose auftretende praesystolische Geräusch, welches 
für diesen Klappenfehler als typisch betrachtet wird, am deutlichsten, 
in manchen Fällen sogar ausschliesslich an der Herzspitze gehört 
wird. 


Da unser Ohr empfindlicher ist, als das beste Mikrophon, ist der 
Vortragende überzeugt, dass man bei der Auscultation des Herzens den 
Vorton hört, denselben aber vom Kammerton nicht unterscheiden kann, 
weil dieser unmittelbar auf den Vorton folst. 


2) Ueber Hämosterin, einen neuen Bestandtheil des Blutes. 


Im Anschluss an seine Untersuchungen über den Secretions- 
vorgang in der Schilddrüse versuchte der Vortragende, den specifischen 
Stoff der Schilddrüse in die Hand zu bekommen oder wenigstens seine 
Wirkung genauer kennen zu lernen und liess zu diesem Zweck in einer 
Versuchsreihe Schilddrüsenextraet auf Blutserum im Brutofen einwirken; 
nach 24—48 Stunden war regelmässig ein weisser Niederschlag im 

6* 


Ss4 Jahresbericht der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. 


Serum zu bemerken,. der ausblieb, wenn dieses vorher 3 Stunden lang 
auf 56° erwärmt worden war. Aus diesem Niederschlag liess sich nun 
ein krystallinischer Körper darstellen, bestehend aus weissen, seide- 
glänzenden Nadeln, die bei 40° C. schmolzen. 

Controllversuche zeigten aber bald, dass 1) der genannte Nieder- 
schlag nicht durch eine specifische Wirkung des Schilddrüsenextractes 
veranlasst war, denn Extraete anderer Organe (Milz, Leber) bewirkten 
einen ähnlichen Niederschlag, und dass 2) der krystallinische Körper 
sich aus normalem Blutserum, sowie aus ganz frischem Blut darstellen 
lässt; er ist also Bestandtheil des normalen Blutes und findet 
sich in demselben in einer Menge von etwa !/, %. Die Beschreibung 
der Darstellungsmethode des neuen Körpers wird später erfolgen, da 
diese noch nicht fertig gestellt ist und H. die weitere Untersuchung 
sich vorbehält, 

Die Krystalle ‚haben folgende Eigenschaften: Die Nadeln werden 
bis 5 mm lang und sind optisch einaxig; sie sind sehr leicht löslich in 
Aether und Chloroform, weniger in heissem Alkohol, sehr wenig in 
kaltem. Verschiedene Präparate schmelzen zwischen 37 und 42° C.; 
‚alle zeigen beim Erkalten bläuliche Fluorescenz. Lösungen der Krystalle 
drehen die Ebene des polarisirten Lichtes nach links. 

Von Analysen liegen bis jetzt folgende vor: 

a) verschiedene Präparate aus Hundeserum (Schmelzpunkt 40 
bis 40,5 °). 
0. %H. 
82,99 11,96 
83,08... 1d,Ta 
82,54 11,62 
b) aus Schweinsserum (Schmelzpunkt 42 °). 
82,39 11,98 

Diese Analysen weichen zwar etwas mehr von einander ab, als bei 
einem chemisch reinen Körper zulässig ist, immerhin stimmen sie soweit 
überein, dass man daraus auf einen einheitlichen Körper schliessen darf; 
diesem würde, wenn man das Mittel aus den genannten Zahlen nimmt, 
die Formel C,, H,, O zukommen. Bei dieser Formel muss man zu- 
nächst an einen festen Alkohol C,, H,,;, OH denken, ähnlich dem 
Cholesterin C,, H,,. OH. Nach neueren Untersuchungen (Mauthner 
und Suida) kommt diesem Körper die allgemeine Formel C, H, n.4 OH 
zu; versucht man diese auf die neue Substanz anzuwenden, so würde 
ein Körper mit 20 Kohlenstoffatomen im Molekül die Formel haben 
C,, H,, OH, also 2 Atome H weniger, als in der Analyse bisher ge- 
funden wurde. Diese Abweichung ist gleichfalls keine erhebliche und 
ein weiterer Umstand spricht sehr für die Verwandtschaft des neuen 
Körpers mit dem Cholesterin; er zeigt nämlich alle für das Cholesterin 


I. Abtheilung. Medicinische Section. 35 


als charakteristisch geltenden Reactionen mit kleiner Modification, wess- 
halb ihn H. Hämosterin genannt hat. Die Versuche, das Hämosterin 
zu benzoyliren, waren bisher erfolglos. 

Aus Pferdeserum konnte H. in den letzten Wochen drei ver- 
schiedene Körper, Nadeln und kleine Plättchen darstellen, die nach der 
ersten Analyse einen C.-gehalt von 80, 82 bezw. 84 °%, haben und 
deren Schmelzpunkt zwischen 37 und 46 ° C. liest; die Beziehung dieser 
Körper zum Hämosterin muss erst durch weitere Untersuchungen auf- 
geklärt werden. Den Herren Prof. Röhmann und Prof. Ahrens 
dankt H. für ihre Rathschläge bei den vorliegenden Untersuchungen. 


12. Sitzung vom 14. Juni 1895. 
Vorsitzender: Herr Prof. Neisser. Schriftführer: Herr Dr. Schäffer. 
Vor der Tagesordnung demonstrirt Herr Dr. Methner: 1) einen 
Fall von Fraeiura processus acromialis scapulae, 2) einen Fall von 
Fraktur der Tibia mit Luxation der Fibula. Gleichzeitig besteht Pero- 


neus-Lähmung. 
Tagesordnung: 


Herr Dr. R. Stern: 
1) Ueber eigenartige periodische Aenderungen der Athmung. 


Die heutigen Mittheilungen des Vortragenden knüpfen an zwei 
Krankheitsfälle an, die er vor 2 resp. 1'/, Jahren in dieser Section 
demonstrirt hat, und über die er weitere Mittheilungen in der vor- 
jährigen Wiener Naturforscher-Versammlung gemacht hat. Es handelt 
sich dabei um einen eigenartigen nervösen Symptomencomplex, der sich 
kurz dahin charakterisiren lässt, dass periodisch — in den bisher be- 
obachteten Fällen für eine nach Sekunden zählende Dauer — eine 
Herabsetzung sämmtlicher Funktionen der Grosshirnrinde eintritt: Ab- 
nahme der Sensibilität auf allen Sinnesgebieten, eine Parese mit gleich- 
zeitiger Ataxie der willkürlichen Muskulatur, endlich eine Abnahme 
der intellektuellen Leistungsfähigkeit („Schwankungen“ der Gross- 
hirnrindenfuncetionen). In beiden früher beschriebenen Fällen 
handelte es sich um die Folgen von Kopfverletzungen, welche ausser- 
dem noch zu andern nervösen Symptomen — bei dem einen Patienten 
Rinden-Epilepsie, bei dem andern eigenthümliche an Myoklonie erinnernae 
Zuckungen symmetrischer Muskeln, besonders der oberen Extremitäten 
— geführt hatten. Seit Januar d. J. beobachtet Vortragender eiuen 
dritten Fall dieser Art, der ihn vom Herrn Collegen Stranz überwiesen 
wurde. Auch hier traten jene „Schwankungen“ infolge einer schweren 
_Contusion, die u. a. auch den Kopf getroffen hatte, auf. Da Vortragen- 
der somit drei Fälle dieser eigenartigen nervösen Störungen in weniger 
als zwei Jahren auffinden konnte, so kann es sich hierbei nicht um 
einen extrem seltenen Symptomen-Complex handeln, 


sh Jahresbericht der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. 


Seit dem Spätherbst v. J. beobachtet nun Vortragender eigenthüm- 
liche periodische Aenderungen der Athmung, die in bestimmten zeit- 
lichen Beziehungen zu den Schwankungen stehen. Zunächst fiel ihm bei 
dem ersten dieser Patienten (Bachetzky) auf, dass derselbe zeitweise 
abnorm tief Athem holte. Es liess sich leicht feststellen, dass dies jedes 
Mal nach Ablauf einer Schwankung geschah. Früher kann diese Er- 
scheinung jedenfalls nicht so deutlich gewesen sein, sonst hätte sie dem 
Vortragenden auffallen müssen; auch gab der Patient, der die Erschei- 
nung gleichfalls bemerkt hatte, mit Bestimmtheit an, dass dieselbe erst 
seit einigen Wochen aufgetreten sei. In den nächsten Wochen änderte 
sich der Athmungstypus insofern, als meist während der Schwankungen 
völliger Athmungsstillstand eintrat, so dass also Cheyne-Stokes’sches 
Athmen resultirte, bei dem nur die Uebergänge von der Athmungspause 
zur Athmung und vice versa nicht so allmählich vor sich gingen, wie in 
den ganz ‚typischen‘ Fällen (Demonstration von Athmungs-Curven). 
Letzterer Umstand hindert jedoch nieht — wie Vortragender an anderer 
Stelle näher erörtern wird — die beobachteten periodischen Athmungs- 
störungen zum Cheyne-Stokes’schen Typus hinzuzurechnen, so dass der 
letztere als ein specieller Fall der Schwankungen aufge- 
fasst werden kann — eine Anschauung, die um so mehr berechtigt 
erscheint, als beim Cheyne-Stokes’schen Athmen schon wiederholt neben 
den ÄAenderungen der Athmung auch periodische Aenderungen einzelner 
Grosshirnfunctionen, zuweilen sogar periodischer Nachlass des Bewusst- 
seins, beobachtet sind. 

Bei dem zweiten Patienten (Richter), den der Vortragende, da 
derselbe auswärts lebt, nur von Zeit zu Zeit untersuchen konnte, liess 
sich zunächst in den folgenden Monaten keine deutliche periodische 
Aenderung der Athmung constatiren: Es wurden zwar abwechselnd 
grosse und kleine Athemzüge beobachtet, jedoch kein regelmässiger 
Wechsel zwischen beiden. Seit April d. J. lässt sich jedoch ein solcher 
constatiren, und zwar in der Weise, dass nach 1 bis 3 flacheren 
Athemzügen ein bedeutend tieferer erfolgt. (Demonstration von 
Athmungseurven.) Es ergab sich, dass die tiefen Athemzüge am 
Ende der Schwankungen erfolgen. Sehr bemerkenswerth ist, dass 
auch während des Schlafes (nach subeutaner Injection von 
Morphin) der Athmungstypus bestehen blieb, nur dass dann die 
zwischen den grossen Athemzügen erfolgenden kleineren häufig ganz 
wegfielen, was indess auch gelegentlich an anderen Tagen beobachtet 
wurde, Diese Uebergänge zeigen die Verwandtschaft der hier 
beobachteten periodischen Athmungsänderungen mit dem 
Cheyne-Stokes’schen Phänomen, welch letzteres man sich ja auf 
eine einfachste Form redueirt denken kann, bei der abnorm tiefe Athem- 
züge und Athmungspausen regelmässig mit einander abwechseln. 


I. Abtheilung. Medieinische Section. 87 


Bei dem dritten Fall (Weidlich), den der Vortragende heute de- 
monstrirt, waren periodische Aenderungen der Athmung vom Anfang der 
Beobachtung an sehr deutlich. Sie äusserten sich hier wiederum in ab- 
norm tiefen Athemzügen, die von Zeit zu Zeit, und zwar, wie sich 
leicht erkennen liess, gleichzeitig mit den Schwankungen erfolg- 
ten, während die dazwischen liegenden Athmungsexeursionen von normaler 
Tiefe waren. Entsprechend den etwas längeren Zwischenräumen, die 
bei diesem Patienten zwischen den einzelnen Schwankungen lagen, er- 
folgten die tiefen Athemzüge meist nach acht bis zehn gewöhnlichen 
Athemzügen. Nach den tiefen Athemzügen erfolgt häufig eine kleine, 
wenige Sekunden dauernde Athmungspause. (Demonstration der Athmung 
des Patienten, sowie der früher aufgenommenen Curven; Demonstration 
der „Schwankungen“ auf motorischem, sensiblem und intellektuellem 
Gebiet.) 

Auch bei diesem Patienten erfuhr der Athmungstypus im Morphin- 
schlafe keine wesentliche Aenderung. 

Vortragender schlägt vor, eine Athmung, bei der abwechselnd ein 
tiefer und ein flacherer Athemzug auf einander folgen, in Analogie mit 
dem ähnlichen, bereits bekannten Phänomen beim Pulse, als respiratio 
alternans, ferner diejenigen Athmungstypen, bei denen immer der 
3., 4. u. s. w. Athemzug abnorm tief sind, als respiratio tertiana, 
quartana u. s. w. zu bezeichnen. 


Diseussion: 


Herr Dr. Adler frägt, ob an den Pupillen dieser Patienten Ver- 
änderungen nachweisbar waren. 


Herr Dr. Stern verneint dies. 


Herr Prof. Hürthle fräst, ob die Betheiligung der Athmung nicht 
dafür spräche, dass periodische Aenderungen der Erregbarkeit des in 
der Medulla oblongata gelegenen Athmungscentrums vor sich gingen. 

Herr Dr. Stern hat die Bezeichnung ‚periodische Schwankungen 
der Grosshirnrinden-Functionen‘ gewählt, um eine kurze Beschreibung 
des thatsächlich Beobachteten zu geben. Sicher muss die Grosshirn- 
rinde an den Schwankungen wesentlich betheiligt sein: das zeigt die 
intermittirende Schädigung der Sprache, des Gedächtnisses und der 
übrigen psychischen Thätigkeit. Auch die periodischen Störungen der 
Motilität, Sensibilität und Reflexe werden durch eine derartige Annahme 
erklärt. Die Beobachtungen über periodische Aerderungen der Athmung 
nöthigen nach der Ansicht des Vortragenden nicht zu der Annahme, 
dass sich subeorticale Centren an den Schwankungen betheiligen. Ab- 
norm tiefe Athmung wird häufig bei Zuständen beobachtet, die mit einer 
Beeinträchtigung der Grosshirnrinden - Funetionen einhergehen. (Tiefes 
Aufathmen nach Anfällen von petit mal, „grosse Athmung“ bei manchen 


88. 1 Jahresbericht der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. 


Coma-Arten.) Man kann sich vorstellen, dass während der, bezw. un- 
mittelbar nach den Schwankungen ein vorübergehendes Nachlassen der 
hemmenden Thätigkeit stattfindet, welche das Grosshirn allem Anscheine 
nach auf die tiefer gelegenen respiratorischen Centren ausübt. Im 
Uebrigen möchte Vortragender durchaus nicht die Möglichkeit in’Abrede 
stellen, dass sich auch subeorticale Centren an den Erregbarkeits- 
schwankungen betheiligten; nur hat er in dem bisher Beobachteten 
keinen zwingenden Grund zu dieser Annahme finden können, 


2) Klinisch-bacteriologische Beiträge zur Pathologie und Therapie des 
Abdominaltyphus. 

Vortragender beschränkt sich wegen Zeitmangels auf die Be- 
sprechung zweier unter seiner Leitung angestellten einschlägigen Unter- 
suchungen: Der Arbeit von Thiemich über bacteriologische 
Blutuntersuchungen beim Abdominaltyphus und derjenigen von 
Max Müller: Ueber die Einwirkung von Fiebertemperaturen 
auf die Wachsthumsgeschwindigkeit und Virulenz des 
Typhusbacillus; beide Untersuchungen werden an anderer Stelle aus- 
führlich veröffentlicht. 

Discussion: 


Herr Prof. Röhmann, Herr Dr. Methner, Herr Prof. Neisser 
und der Vortragende. 


13. Sitzung vom 21. Juni 1895. 
Vorsitzender: Herr Geh. Rath Ponfick. Schriftführer: Herr Dr. Storch. 


Vor der Tagesordnung. 
1) Herr Dr. Reinbach: 


Vorstellung eines Falles von Struma, der durch Thymusfütterung 
geheilt wurde. i 


Es handelt sich um ein 14jähriges Mädchen, welches seit 3 Jahren 
an Kropf leidet; die Geschwulst hatte allmählich an Grösse zugenommen 
und schliesslich zu schweren dyspnoetischen Erscheinungen geführt. Eine 
mehrere Jahre hindurch durchgeführte Jodtherapie (Jodsalbe, Jodkali, 
Jodinjectionen) bewirkte keine Besserung. Am 25. Februar 1895 wurde 
mit der Thymusfütterung begonnen und zwar dreimal wöchentlich 15 gr 
frischer Hammelthymus verabreicht: Schon nach 14 Tagen konnte ob- 
jeetiv eine Abnahme des Halsumfangs um 2 cm constatirt werden; die 
Athemnoth war fast ganz verschwunden; in weiteren 14 Tagen nahm 
der Halsumfang noch um 1 cm ab und es trat ein vollständiges Aus-. 
bleiben jeglicher Beschwerden ein. Die Patientin hat das Mittel stets 
anstandslos vertragen. Zur Zeit besteht keine Vergrösserung der Schild- 


I. Abtheilung. Medieinische Section. 39 


drüse mehr. Ein Recidiv ist trotz zweimonatlicher Unterbrechung der 
'Cur bisher nicht eingetreten, 

Die Thymusfütterung wird in jüngster Zeit dadurch wesentlich er- 
leichtert, dass Thymustabletten, deren jede !/, gr. frischer Substanz ent- 
spricht, in den Handel gebracht sind und zwar von der Firma: Burroughs, 
Welleome u. Co. in London. 


2) Herr Prof. Neisser stellt einen ausgedehnten Lupus serpi- 
ginosus des Gesichtes, Halses und der oberen Thoraxhälfte vor, der 
zu gleicher Zeit ein fast 2 Handteller grosses, flaches, aber stark 
wucherndes Carcinom der linken Gesichtshälfte aufweist. 

Patient war schon vor 1 Jahr auf der dermatologischen Klinik; 
‚damals war das Carcinom höchstens thalergross und hat seitdem in 
rapider Wucherung die gegenwärtigen Dimensionen angenommen. 

Der Fall wird noch ausführlich veröffentlicht werden, 


3) Herr Dr. Jadassohn: 
Ueber „Stomatitis aphthosa“ (‚„fibrinosa“, „pyogenes‘' und „impetiginosa‘'). 


Der Vortragende stellt einen Fall von „aphthöser‘‘ Entzündung der 
Mundschleimhaut bei einem 1 Jahr und 2 Monate alten Kinde vor, 
welcher klinisch nichts Besonderes darbietet: eine grosse Anzahl runder 
und unregelmässiger, über Lippen, Zunge und Gaumen ausgesprengter, 
theils im Niveau der Schleimhaut liegender, theils dasselbe ein wenig 
überragender Plaques von weissgelblicher Farbe mit intensiv geröthetem 
Saume; die Beläge lassen sich in toto entfernen, dann bleibt eine 
blutende Fläche zurück. Leichte Temperaturerhöhung; geringe Störung 
des Allgemeinbefindens. 

Bei der mikroskopischen Untersuchung der Beläge fanden sich 
reichlich nach Gram färbbare Coccen; die eulturelle Untersuchung einer 
Anzahl von Stellen (theils aus den in sterilem Wasser abgespülten Be- 
lägen, theils von dem blutenden Grund), ergab auf zahlreichen Platten 
Reineulturen von Staphylococeus pyogenes aureus und nur von diesem 
in sehr vielen Einzelherden. 

Die Ueberimpfung auf den Arm des Kindes mit oberflächlichem 
Stich führte zur Production einer abortiv verlaufenden oberflächlichen 
Pustel, aus der dieselben Mikroorganismen in Reincultur gewonnen 
wurden. Einreibung des Belages einer Plaque mittelst eines rauhen 
sterilen Tuches auf das Bein erzeugte eine ganze Anzahl oberflächlicher, 
ebenfalls den Staphylococcus aureus enthaltender Pusteln. 

Zu diesem Untersuchungsergebniss macht Jadassohn folgende Be- 
merkungen: 

Der Begriff der Aphthen ist ein noch immer wenig scharf um- 
grenzter. Von vielen Autoren ist der Versuch gemacht worden, ihn aus- 


San Jahresbericht der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. 


zumerzen; so will ihn speciell E. Fränkel') durch den histologisch be- 
gründeten Stomatitis fibrinosa (disseminata oder maculosa) ersetzen. Die 
Aetiologie der Erkrankung ist noch wenig erforscht. Von allgemeineren 
Momenten abgesehen hat der Befund von Staphylococcen, den E. Fränkel 
erhoben und mit grosser Vorsicht für die aetiologische Auffassung ver- 
werthet hat, in Deutschland wenig Beachtung gefunden; ja Henoch?) 
lehnt seine Bedeutung geradezu ab, während Rosenberg?) sie für 
wahrscheinlich secundär hält. In Frankreich sind Fränkels Befunde 
scheinbar ganz unbekannt geblieben; dort hat man aber (speciell seit 1837) 
eine eigene Art von Stomatitis abgegrenzt, welche im Zusammenhang 
mit sogenannten impetiginösen Hauterkrankungen stehen soll und welche 
auch Zitt (Archiv für Kinderheilk. 1837) bei Impetigo contagiosa ge- 
funden hat. Das klinische Bild dieser Stomatitis stimmt mit dem der 
„aphthösen“ mehr oder weniger vollständig überein. Unter „Impetigo“ 
verstehen wir in Deutschland — von der sehr seltenen „Impetigo her- 
petiformis“ abgesehen — zwei Formen: die Impetigo contagiosa, nach 
der Ansicht J.’s eine Krankheit sui generis, und die „‚Impetigo simplex“, _ 
die früher nur als eine Theilerscheinung des Eezems aufgefasst worden, 
jetzt aber als eine Infeetion der Oberhaut mit pyogenen Mikroorganismen 
erwiesen ist, die bei Eezemen, bei Scabies ete. aber auch isolirt vor- 
kommt und die oberflächlichste Form der „Pyodermieen‘ darstellt.*) 
Sie kann, wie Bockhardt gezeigt hat, neben Furunkeln durch Ver- 
reibung von Staphylococcen erzeugt werden (daher „Impetigo Bockhardt‘* 
nach Unna; die anderen Impetigoformen Unna’s haben Beachtung noch 
nicht gefunden. Bei den französischen Autoren ist die Differenz 
zwischen Impetigo contagiosa und simplex auf diesem Gebiete nicht 
immer festgehalten worden. Jedenfalls aber haben sie auf das Zu- 
sammenvorkommen von impetiginösen Hautefflorescenzen, besonders im 
Gesicht, und Stomatitis in einzelnen Plaques hingewiesen und haben 
(Sevestre et Gastou, Poulain, Gentilhe) in den letzteren die- 
selben Staphylococcen aufgefunden wie in den ersteren; sie haben daraus 


1) Virchow’s Archiv 1888, Bd. 113, Heft 3. 

2) Vorlesungen über Kinderkrankheiten. VI. Aufl, 1892 p. 461. 

®) Die Krankheiten der Mundhöhle etc. -Berlin 1893. 

*) Ich nenne hier, da sie in Deutschland nicht beachtet zu sein scheinen, 
folgende Arbeiten: Comby, France medicale 1887; Soc. clin. Paris 1887; Revue 
des maladie de l’enfance 1888; Duprey, De l’impetigo et certaines de ses locali- 
sations. These, Paris 1891; Sevestre etGastou, Sur une variete de stomatite diph- 
theroide a staphylococces (stomatite impetigineuse); Soc. med. des höp. de Paris 
28. VI. 1891; Annal. de Dermat. 1891 p. 868; Poulain, Contribution a l’etude des 
stomatites dans l’enfance et en particulier de la stomatite diphtheroide impetigineuse. 
These, Paris 1892; Gentilhe, De la stomatite impetigineuse. These, Bordeaux 1894. 
Auch Bergeron (Dict. encycl., Art. stomatitis) beschreibt das Uebergreifen der Im- 
petigo auf die Mundschleimhaut. 


l. Abtheilung. Medicinische Section. 91 


das Recht abgeleitet, beide Affeetionen aetiologisch zu identifieiren, 
die des Mundes „Stomatitis impetiginosa“ zu nennen und von den 
Aphthen in einer allerdings nur sehr künstlichen Weise abzugrenzen. 

Der Vortragende hat schon wiederholt das Zusammenvorkommen 
von impetiginösen Pusteln auf der Haut (speciell auch der Hände bei 
Kindern) und von aphthösen Efflorescenzen auf der Schleimhaut des Mundes 
beobachtet. Er hat in einem früheren Falle von einer Plaque im Munde 
bei Freisein der Haut eine typische Impetigo-Pustel auf der Haut er- 
zeugen können. Auch in dem vorgestellten Fall, der als Stomatitis 
aphthosa diagnostieirt werden musste, da die Haut nicht erkrankt war, 
ist das gelungen. Damit ist also bewiesen, dass man mit Produeten 
der einen Krankheit „„Aphthen‘“ die andere „‚Impetigo“ in einzelnen Fällen 
erzeugen kann. Zugleich ist das Auftreten von Staphylococcen in Rein- 
eultur bei einer Mundaffeetion von zweifelloser Bedeutung. Dass sich 
diese Mikroorganismen wie überall, so auch in der Mundhöhle oft und 
reichlich finden, ist eine zweifellose Thatsache. [ef. Miller, die Mikro- 
organismen der Mundhöhle. II. Aufl.] Wenn sie aber in einem Krankheits- 
producte der Mundhöhle ohne andere Beimischung auftreten, wird ihre 
pathogene Bedeutung für diese Affection sehr viel wahrscheinlicher. 
Dazu kommt das klinische und das pathologisch-anatomische Bild dieser 
Form von Stomatitis. Die scharfabgesetzten runden, ohne Narbenbildung 
abheilenden Herde mit entzündlicher Reaction der Umgebung sind den 
Herden auf der Haut sehr analog — nur dass wie bei den meisten 
Schleimhautlocalisationen vesiculöser Hautaffeetionen die Blasenbildung 
fehlt resp. nicht zur Beobachtung kommt; die Multiplieität der Efflores- 
cenzen, die leichte Fieberbewegung sprechen für die infectiöse Natur 
der Krankheit. Die histologischen Befunde Fränkels hat der Vor- 
tragende an einem von einer älteren Patientin durch Exeision gewon- 
nenen Präparate im Ganzen bestätigen können. Das Epithel der Um- 
gebung, in dem sich zahlreiche Mitosen finden, wird an dem Herde selbst 
durch ein Exsudat ersetzt, in dem sich bald mehr scholliges, bald mehr 
fädiges, durch die Weigert’sche Methode gut darstellbares Fibrin 
neben rothen Blutkörperchen und Epithelresten findet; an einzelnen Stel- 
len ist eine fibrinöse Umrandung der Epithelzellen deutlich zu erkennen. 
Das Bindegewebe der Schleimhaut ist in weiterem Umkreis von Rund- 
zellen infiitrirt, welche auch das Epithel durchwandern; in den obersten 
Schichten dieses Rundzelleninfiltrats findet sich ebenfalls stellenweise 
noch fädiges Fibrin. Staphylococcen sind nur in dem Belag, nicht aber 
in dem Gewebe selbst nachzuweisen. 

Auch bei der Impetigo vulgaris (‚„‚staphylogenes“), der einfachen 
superficiellen Pyodermie finden sich in der Umgebung der Bläschen 
zahlreiche Mitosen; die Cutis ist in wechselndem Grade infiltrirt (nach 
Unna auffallend wenig). Die Mikroorganismen dringen auch hier nicht 


09. Jahresbericht der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. 


in das Gewebe der Cutis selbst ein (hierin kann J. Unna’s Angaben 
bestätigen). Die wesentlichste Differenz zwischen beiden Processen be- 
steht demnach in der fehlenden Bläschenbildung und in dem reichlichen 
Fibringehalt der Schleimhautplaques. Das Fibrin fehlt bei der Ober- 
hautpustel nicht ganz. J. hat es im Gegensatz zu Unna auch in 
der Pustel selbst spärlich auftreten sehen. Aber seine Quantität ist an 
der Schleimhaut eine ausserordentlich viel grössere. Hierin besteht eine 
auffallende Analogie zum Pemphigus, der ebenfalls im Munde dicke, 
fifrinöse Plaques bildet. Ueber den Grund für diese Differenzen 
zwischen Haut und Schleimhaut lassen sich nur Hypothesen aufstellen. 


J. ist weit davon entfernt, nunmehr alle aphthösen Processe als 
Staphylococceninfectionen aufzufassen; aber die angeführten Momente 
und Beobachtungen machen es ausserordentlich wahrscheinlich, dass das 
Bild der Stomatitis aphthosa durch Staphylococcen zu Stande kommen 
kann. Ihr Zusammenhang mit der Impetigo der Haut in manchen Fällen 
ist nicht mehr zu leugnen. Weitere Untersuchungen werden lehren 
müssen, in welchem Umfange die Staphylococcen, deren Wirkungskreis 
sich ja noch immer erweitert, auch hier ätiologisch wirksam sind. 
Viele andere als ätiologisch wichtig aufgeführte Momente haben gewiss 
hier ebenso wie bei der Impetigo der Haut eine prädisponirende Be- 
deutung (acute Exantheme, Darniederliegen der Ernährung etec.). 


Bei reichlicheren bacteriologischen Untersuchungen wird sich dann 
die „„pyogene Stomatitis“ auch klinisch von anderen in ihrem Wesen 
noch ganz unbekannten Formen der ,„Aphthen‘ abgrenzen lassen.') Vorder- 
hand sind die z. B. von Gentilhe angezogenen Momente (geringere 
Grösse und Zahl, isolirtere Anordnung besonders auf Zunge und Gaumen, 
Fehlen der Praedileetion für die Lippen, endlich das Freisein der Haut 
bei den Aphthen) differentialdiagnostisch nieht ausreichend. 


Tagesordnung: 
1) Herr Prof. Röhmann: „Ueber Caseinsilber—Arganin.‘ 
. Der Vortrag wird an anderer Stelle veröffentlicht werden. 
2) Herr Dr. Jadassohn: „Ueber die Behandlung der Gonorrhoe mit 
Silber-Casein (Arganin). 


Der Vortrag wird im Archiv für Dermatologie und Syphilis 
veröffentlicht werden. 


!) Auf die Fälle von Maul- und Klauenseuche, die häufiger bei Menschen‘ 
vorgekommen sind — in Breslau sind solche noch nicht zur Beobachtung gekom- 
men — konnte hier nicht eingegangen werden. 


I. Abtheilung. Medicinische Section. 95 


14. Sitzung vom 5. Juli 1895. 
Vorsitzender: Herr Prof. Born. Schriftführer: Herr Dr. Endres. 


Tagesordnung, 


1) Herr Prof. Born demonstrirt die neuen Steger’schen Gehirn- 
modelle. Die Originale der vom Bildhauer Steger in Leipzig zu be- 
ziehenden Abgüsse wurden nach der Plattenmodellirmethode hergestellt, 
d. h. ein zweckmässig gehärtetes Gehirn wurde in eine Serie von gleich- 
mässig 1 mm dieken Schnitten zerlegt. Aus diesen Schnitten wurden 
die interessirenden Theile in zweifacher Flächenvergrösserung auf 2 mm 
dicke Wachsplatten gezeichnet, ausgeschnitten und aufeinander geklebt. 
So wurden eine Anzahl instructiver Stücke gewonnen: die graue Sub- 
stanz der Grosshirnrinde einmal durch einen Horizontalschnitt halbirt, 
dann der grössere innere und der grössere äussere Abschnitt derselben. 
Die Ansicht des Rindengraues von innen wirkt jedenfalls überraschend. 
In diese Stücke lässt sich der gesondert modellirte Gehirnstamm ganz 
oder in Theilen einsetzen. An dem Gehirnstamm ist auf der linken 
Seite die innere Kapsel herausgeschnitten, so dass man den Raum, den 
dieselbe zwischen den grossen Ganglien einnahm, übersieht. Auf der 
rechten Seite sind innere Kapsel und Stabkranzfaserung mit modellirt. 
Die Modelle sind als werthvolle Unterrichtsmittel zu betrachten, 


2) Herr Dr. Rosenfeld: 
Zur Diagnose und Theraphie der Uratdiathese. 


Die Untersuchungen des Vortragenden beziehen sich nicht auf beide 
Richtungen dieser Krankheit, sondern nur auf die Uratdiathese des uro- 
poetischen Systems, insbesondere auf Bildung und Verhütung der harn- 
sauren Steine. Die Bedingungen, unter denen sich Steine bilden können, 
sind & priori identisch mit denen, unter welchen Harnsäure als Sedi- 
ment ausfällt, denn von im Urin gelöster Harnsäure wird nicht an- 
genommen, dass sie primär, so lange sie gelöst ist, steinbildend wirken 
könne. Nur eine Thatsache ist bekannt, die als eine Art Gegensatz ge- 
deutet werden könnte. Emil Pfeiffer hat darauf aufmerksam ge- 
macht, dass der normale Urin, nachdem er klar filtrirt ist, noch einmal 
durch einen Filter filtrirt, auf welehem eine kleine Menge Harnsäure 
liegt, an diese Harnsäure noch selbst solehe abgiebt, so dass nach dem 
Filtriren der Harnsäurebestand auf dem Filter an Gewicht zugenommen 
hat. Hier liegt zwar der Fall vor, wo gelöste Harnsäure zur Stein- 
bildung verwendet werden kann, aber nur secundär, durch Anziehungs- 
kraft eines schon gebildeten Steines. Doch für die primäre Bildung der 
Steine besteht in der That nach wie vor die Anschauung, dass ihre 
Bedingungen identisch sind mit denen für das Ausfallen der Harnsäure. 


94 Jahresbericht der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. 


Da nun die Harnsäure nur in grossen Mengen Wassers löslich ist und 
durch Säuren leicht gefällt wird, so ist von vornherein anzunehmen, 
dass die Harnsäure nur dann zur Ausfällung nicht gelangen wird, wenn 
genügende Mengen Harnwasser vorhanden sind, die Acidität des Urins 
nicht zu hoch ist und die Menge der zu lösenden Harnsäure nicht die 
Norm von ca. 0,8 g pro die übersteigt. So könnte man hoffen, aus 
der quantitativen Bestimmung dieser drei Punkte diagnostieiren zu 
können, ob im vorliegenden Falle der Patient in der Gefahr ist, Steine 
zu bilden. Aber die Verhältnisse liegen nicht so einfach. Denn während 
ein harnsäurereicher Harn trotz subnormaler Wassermenge seine Harn- 
säure nicht ausfallen lässt, ist das Gegentheil an einem Harn zu sehen, 
der nicht aussergewöhnlich viel Harnsäure enthält und doch stark getrübt 
erscheint. So lange überhaupt nicht erkannt ist, in welcher Form die 
Harnsäure in dem doch immerhin sauren Harn gelöst ist, muss eine der- 
artige Analyse zu, irrthümlichen Schlüssen Veranlassung geben. Auch 
die Pfeiffer’sche Harnsäurefiltermethode kann die Frage nicht be- 
antworten: Wie viel Harnsäure verlässt den Organismus in ungelöstem 
Zustande? Nur in dem Falle, wenn der Harn nicht sedimentirt und 
nichts an das Harnsäurefilter abgiebt, kann ungelöste Harnsäure aus- 
geschlossen werden. Sonst aber kann der Harn grössere Mengen Harn- 
säure an das Pfeiffer’sche Filter abgeben und doch Harnsäure nur 
in gelöstem, d. h. zur primären Steinbildung ungeeignetem Zustande 
enthalten. 

Um festzustellen, wieviel Harnsäure den Körper ungelöst verlässt, 
empfiehit der Vortragende folgende Methode. Der Patient muss seinen 
Urin auf ein schnell filtrirendes Faltenfilter entleeren, auf welchem dann 
ohne Weiteres diejenige Harnsäure gesammelt wird, die im Körper 
ungelöst vorhanden war. Es bedarf dabei für jede Urinentleerung eines 
neuen Filters; denn die auf dem Filter zurückbieibende Harnsäure der 
ersten Entleerung würde dem folgenden Urin wie im Harnsäurefilter 
Harnsäure entziehen. Unmittelbar nach dem Durchfiltriren wird jedes 
Filter mit 10 cem Wasser gewaschen, um möglichst viel vom restirenden 
Harn wegzubringen; die Filtra werden in einem Becherglas mit sehr 
verdünnter Kalilauge gesammelt und zum Brei durchgerührt. Nach 
stundenlangem Stehen wird der Filterbrei durch eine Kolirpresse ab- 
gepresst, mit Wasser gewaschen und aufgerührt und so noch mehrfach 
abgepresst, Das Harnsäure-Kalilaugenfiltrat wird mit Salzsäure über- 
säuert, zum engen Volumen eingedampft und auf gewogenem Filter die 
ausgeschiedene Harnsäure gesammelt, dann mit Wasser, Alkohol, ab- 
‘solutem Alkohol und Aether gewaschen, getrocknet und gewogen. 
Wichtig ist ein möglichst gleiehmässiges Verfahren bei dieser Methode, ' 
welche bei normalen Menschen einen Harnsäurerückstand von 40—50 mg 
ergiebt. Diese 40—50 mg Harnsäure entstammen offenbar den in den 


1. Abtheilung. Medicinische Section. 95 


Filtern zurückbleibenden Harnresten. In gleicher Weise wird die Menge 
Harnsäure gesammelt, welche aus dem durchfiltrirten Urin noch bis zum 
Schluss des Untersuchungstages sedimentirt hat. Die erste Harnsäure- 
quote wird als primäre, ungelöste Harnsäure mit primärer Fällung be- 
zeichnet, die zweite unter secundärer Fällung geführt. Die dauernd 
gelöst gebliebene Harnsäure wird nach der Methode von Salkowski 
als Silberverbindung gefällt und als solche bezeichnet. 

Mit dieser Methode wurde die Wirkung einiger Medicamente und Diät- 
formen auf einige Uratdiathese-Kranken studirt. Der Vortragende führt 
einige frühere Untersuchungen über die Einwirkung von Alkalien an, von 
denen eine aus dem Jahre 87 ergab, dass ein Patient ohne Medicament 
3,4 & Harnsäure entleerte, während 15 g doppelkohlensaures Natrium die 
Harnsäure-Ausscheidung auf 0,6 g herabsinken liess. Doch legt der Vor- 
tragende diesem Resultate keine Bedeutung bei, weil die Diät nicht in 
beiden Untersuchungen dieselbe gewesen ist. Dagegen hat ein Patient 
im Jahre 93 bei derselben gemischten Kost ohne Alkali 921 und 875 mg 
Harnsäure pro die ausgeschieden, während bei derselben gemischten 
Kost mit 18 5 Na 950, 849 mg entleert wurden, so dass also ohne 
Alkali durchschnittlich 898 mg, mit Alkali 899 mg ausgeschieden wurden. 
Patient D. entleerte bei gemischter Kost 1263 mg Harnsäure, davon 
771 in primärer Fällung, 386 in secundärer Fällung und 106 als Silber- 
verbindung im Durchschnitt aus zwei Beobachtungen; bei derselben 
Diät mit Hinzufügung einer Flasche Oberbrunnen und 10 g Na, im 
Durchschnitt aus zwei Beobachtungen 1212 mg gesammte Harnsäure, 
von welcher 932 mg die primäre und secundäre Fällung ausmachten, 
402 mg die $Silberverbindung in einem Falle darstellten. Aus diesen 
Zahlen ergiebt sich bei den untersuchten Fällen kein wesentlicher Ein- 
fluss der Alkalien. 

Von weiteren Medicamenten wurde Harnstoff und kohlen- 
saures Ammonium untersucht. Da Untersuchungen von G. Rüdel 
gezeigt hatten, dass der Harnstoff im Stande ist, Harnsäure zu lösen, wo- 
bei die Harnsäure mit dem Harnstoff die Verbindung in harnsauren 
Harnstoff eingeht, versuchte der Vortragende, die Lösungsfähigkeit des 
Harnstoffes für die Harnsäure im Urin festzustellen. Rüdel hatte 
bereits einen Versuch in diesem Sinne unternommen, indem er von einem 
Urin den einen Theil ohne Weiteres mit Salzsäure versetzte, den anderen 
Theil aber erst, nachdem er ihm 2 pCt. Harnstoff zugesetzt hatte. 
Während im ersten Urin reichlich Harnsäure durch die Salzsäure gefällt 
war, zeigte sich in dem mit Harnstoff versetzten Harn keine Fällung 
von Harnsäure. Dagegen fand der Vortragende, dass, wenn man einem 
Harn, der an sich nicht geeignet scheint, Harnsäure zu lösen, Harn- 
säure zusetzt und ausserdem 2 pCt. Harnstoff zufügt, dann keine Harn- 
säure - Auflösung statt hat. Nichtsdestoweniger wurde auf Grund der 


a0 Jahresbericht der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. 


Rüdel’schen Beobachtungen Harnstoff bei seiner gänzlichen Unschäd- 
lichkeit gegeben und zwar in Mengen von 9--20 g pro die. Da das 
kohlensaure Ammoniak im Organismus in Harnstoff übergeht, wurde 
auch dieses in vorsichtigen Dosen gegeben. Es war dem Vortragenden 
aus Versuchen an Diabetikern bekannt, dass in der Dosis von 2 g das 
kohlensaure Ammoniak ohne Beschwerden, ausgenommen: schlechten Ge- 
schmack, genommen werden ‘konnte, in höheren Dosen dagegen Leib 
schmerzen und Diarrhoe befürchten lässt, und so wurde es nur bis zur 
Höhe von 2 g pro ‘die gegeben. Die Resultate, die sich in den folgen- 
den kleinen Tabellen finden, zeigen, dass der Harnstoff bei dem einen 
Patienten einen’ ausserordentlich hohen Einfluss auf die Bildung von 
Harnsäure :gehabt hat, indem statt der gewöhnlichen Menge von 
1263 mg Harnsäure bei der gleichen, gemischten. Kost nur etwa 649 
bis 654 mg ausgeschieden wurden. — Die Lösungsverhältnisse der 
Harnsäure besserten sich bezüglich der primär gelösten Harnsäure 
derart, dass inur 56 resp. 72 und 137 mg primär ungelöst waren, 
während früher 771 mg der primären Fällung angehörten. 


x 3 ® en FR Silb 4 
DENE al Anke Gesammt- Primäre $ecundäre ilber 


harnsäure Fällung Fällung verbindung 
| Gemischte Kost .... 1263 Da 386 106 
+ 
. Desgl. —9 U-+ 15 
" Ammoniak..... 651 12 417 112 
+ ’ 
Desgl. + 20 U.... 649 56 393 200 
Gemischte Kost .... . 669 130 239 300 
Die: | | 
Desgl. + 10grU.. 664 45 Pen 575 


Aehnliche Wirkungen zeigte die Zufügung von kohlensaurem Am- 
moniak. 2 g kohlensaures Ammoniak führten zur Ausscheidung von 
nur 812 mg, Harnsäure, 'von der 248 mg primär ungelöst waren. 


Denselben Einfluss auf ‘die Lösungsfähigkeit ‘der Harnsäure hatte 
der Harnstoff in’einem anderen Falle (M.), während bei einem dritten 
Falle Gleiches nicht zu beachten war. 


Da somit der Harnstoff, in Substanz gegeben, einen günstigen Ein- 
fluss auf Harnsäurebildung und Harnsäurelösung ausgeübt hatte, wurde 
noch die Einwirkung der von v. Mehring empfohlenen Fleischdiät ge- 
prüft. Da Fleischdiät grössere Mengen von Harnstoff aber auch von 
Harnsäure in den Harn übergehen lässt, so war die Frage, welcher von 
beiden Effecten der Fleischnahrung der vorwiegende sein würde. Denn, 
wie durch Ranke, Haig, Camerer und andere erwiesen ist, steigert 
Fleischkost die Menge der gesammten Harnsäure. So schied auch in 


I. Abtheilung. Medicinische Section. 97 


Untersuchungen des Vortragenden S auf gemischte Kost 485 mg aus, 
auf Fleischkost von 800 g 583 mg; dagegen verhielten sich zwei Harn- 
säurekranke entgegengesetzt. 


Primäre Secundäre Silber- 
Gesammt 


Fällung Fällung verbindung 
Gemischte Kost .... 637 53 a7 367 
“ tPleisehdiät......... 346 — — — 
Gemischte Kost . .. 1263 70. 386 105 
3 nn. EA 2 1044 160 453 451 


Der Vortragende erklärt diese Befunde im Hinblick auf Hor- 
baeczewski’s Untersuchungen, der die Harnsäure von dem Nuclein 
der weissen Blutkörperchen ableitet, und nimmt mit Horbaczewski 
bei denjenigen Kranken, bei welchen Fleischkost die Harnsäuremenge 
erhöht, das Auftreten einer Verdauungs-Leukocythose an, während diese 
bei anderen Patienten fehlt. 


Im Speciellen wurde noch die Einwirkung einzelner Elemente der 
Diät untersucht. Den Einfluss der Essigsäure, die in reichlichem 
Gurkensalat genossen wurde, fand der Vortragende, wie aus den folgen- 
den Zahlen hervorgeht, nicht auffallend. 


+ 
Fleischdiät+10gr U—-1gr Ammon. 714 180 430 104. 
dto. + 2 x Gurkensalat ....... 707 212 401 194. 


Der Einfluss des Bieres resp. des vermehrten Biergenusses war ein 
erheblich deutlicherer. 


+ 
Gemischte Kost + U........ 654 12 417 162. 
dto. + 750 Bier ............ 1082 230 417 435. 


Von grosser Bedeutung ist es, den Einfluss des Kochsalzes als 
eines so häufigen und unerlässlichen Nahrungsbestandtheiles festzustellen. 
Durch die Untersuchungen von Mendelssohn war gezeigt worden, 
dass Lysidinlösungen der Harnsäure durch Kochsalz gefällt wurden, 
derart, dass kleine Mengen von Kochsalz zur Ausfällung der schon ge- 
lösten Harnsäure genügten. Und so untersuchte der Vortragende die 
Einwirkung des Salzes auf die gelöste Harnsäure im Harn und auf die 
Menge der primär ungelösten Harnsäure. Wurde klar filtrirtem Harn 
Kochsalz in grösserer Menge zugeführt, so trat keine Ausfällung der 
Harnsäure ein. Ebenso fanden sich bei verschiedenen Patienten nicht 
bei steigenden Kochsalzmengen im Harn, die durch die Nahrung hinein 
gelangt waren, steigende Mengen von ungelöster Harnsäure, wie die 
folgenden Zahlen ergeben. Auch die Einführung von besonders viel 
Kochsalz führte nicht zu einer auffallend hohen primären Fällung. 


1895, 7 


98 : Jahresbericht der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. 


Na Cl im Harn. Primäre Fällung. 
Pat. D 10,1 130 
EL 1609 
= DD 212 
0 all, 160 
une 4harg 171 
Pat. A7,,.4,9 115 
ee N 53 


Der Vortragende empfiehlt auf Grund dieser Untersuchungen, die 
ein sehr verschiedenes Verhalten der einzelnen Individuen gegenüber 
Diät- und Arzneivorschriften ergeben, die Prüfung der einzelnen Diät- 
factoren auf jeden Patienten insbesondere. Als Medicament würde sich 
zur besseren Lösung der Harnsäure der zeitweise Gebrauch von Harn- 
stoff sehr empfehlen.!) 


Zur Discussion sprachen die Herren Dr. Alexander und Dr. 
Pfannenstiel. 


15. Sitzung vom 11. October 1895. 
Vorsitzender: Herr Prof. Dr. Born. Schriftführer: Herr Dr. Endres. 
Tagesordnung: 
1) Herr Prof. Born stellt den Antrag (im Namen der Secretaire), 
für Mittheilungen vor der Tagesordnung ein bestimmtes Zeitmaass 
(5 Minuten) festzusetzen. 


Der Antrag wird mit Stimmenmehrheit als für die Zukunft gültig 
angenommen. 


2) Herr Dr. Rosenfeld: 

a. Die Grundgesetze der Acetonurie und ihre Behandlung. 

In der fast 40jährigen Geschichte der Acetonurie bedeutet die 
Biermersche Entdeckung, dass der Diabetiker auf die Einführung der 
Fleischkost mit Diaceturie reagire, einen Wendepunkt. 

Diese Thatsache, die zunächst einigen Widerspruch erfuhr, ist jetzt 
wohl allseitig anerkannt und an sich durchaus richtig, doch bedarf sie 
einer gewissen Vervollkommnung, denn wenn auch der Diabetiker auf 
Einführung der Fleischdiät immer Ausscheidung von Acetessigsäure zeigt, 


!) Eine Einwirkung zeigte auch das Glycerin, das in Rücksicht auf die Em- 
pfehlung von Dr. Hermann-Karlsbad (Prager med. Wochenschr. 1892 No. 47/48) 
. als Steinabtreibungsmittel mehrfach gewählt worden war. Bei Patient M. erzeugten 
einmal 50 gr Glycerin eine mächtige Erhöhung der primären Fällung auf 720 mgr 
und der Gesammtmenge auf 1379 mgr, während sonst 130 mgr primäre Fällung ' 
und 669 mgr Gesammtmenge beobachtet war. So vermittelte das Glycerin den 
Eindruck, als ob es retinirte Harnsäure auszuführen geeignet wäre. 


I. Abtheilung. Medicinische Section. 95 


so ist erstens dabei immer zugleich auch Acetonurie vorhanden, zweitens 
ist diese Acetonurie des öfteren die weitaus grossartigere Erscheinung 
als die Diaceturie. So ändert sich der Satz Biermer’s dahin, dass 
der Diabetiker, der nur mit Fleisch ernährt wird, Diaceturie und Aceton- 
urie aufwiese. 

Es gelang mir, dieses Experiment am Zuckerkranken auf den 
Gesunden zu übertragen: auch der gesunde Mensch reagirt wie der 
Diabetiker auf die Einführung der Fleischkost mit Acetonurie, seltener 
und in geringerem Maasse mit Diaceturie. 


Den typischen Verlauf der in Gemeinschaft mit Dr. Ephraim, Dr. 
Kobrak, Dr. Friedländer, Dr. Honigmann auch in mehreren 
Selbstversuchen in den Jahren 1885—86 vielfach wiederholten und 
variirten Versuche kurz zu recapituliren, genügt es das Hauptexperiment 
anzuführen und anzunehmen, dass z. B. am 1. eines Monats früh die 
Versuchsperson lediglich von Fleischkost zu leben beginne, Sie wird 
alsdann am 2. Abends, spätestens am 3. früh eine mächtige Acetonurie 
aufweisen. Geniesst alsdann die Versuchsperson am 3. Morgens eine 
starke Kohlehydrat-Mahlzeit, so ist nach individuell verschieden langer 
Zeit, jedenfalls aber schon Mittags oder Nachmittags die Acetonurie wie 
mit einem Zauberschlage verschwunden. 


Von dieser Thatsache aus konnte man sofort daran gehen, der Frage 
nach der Muttersubstanz des Acetons näher zu treten. 


Dass aus der Trias der Nahrungs- und Körperstoffe — Kohlehydrate, 
Eiweiss, Fett — die Kohlehydrate trotz ihrer nahen chemischen Ver- 
wandtschaft nicht die Acetonurie hervorriefen, konnte durch zwei Momente 
erwiesen werden. Erstens bestand in währender Eiweisskost die Acetonurie, 
zu der Zeit also, wo von einem Kohlehydratstoffwechsel im beschränk- 
testen Sinne nur die Rede sein konnte, und zweitens wirkte die Einfuhr 
von Kohlehydraten sofort Acetonurie aufhebend. 


Somit blieben als Muttersubstanzen des Acetons nur die Fette oder 
das Eiweiss übrig. Von welcher der beiden Substanzen das Aceton ein 
Abkömmling wäre, mussten Versuche lehren, deren Plan war, die 
Acetonurie zunächst bei dem geringsten Zerfall der fraglichen Substanz 
und dann bei höherem und höchstem Zerfall festzustellen. 


So musste man — nach Feststellung der Höhe physiologischer 
Acetonausscheidung bei gemischter Kost — vom Hungerzustand als der 
Zeit geringsten Eiweissstoffwechsels ausgehend, durch alle Stufen des 
Stickstoffumsatzes hindurch die Grösse der Acetonurie feststellen. 

Im Folgenden ist eine Auswahl von Versuchen aufgeführt, die theils 
aus den Jahren 1885—86, theils 1894—95 herstammen. 

Es empfiehlt sich zunächst, die Resultate nach einander aufzuführen, 
um die Schlussfolgerungen dann ununterbrochen darstellen zu können. 

7# 


100° Jahresbericht der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. 


A. Die physiologische Acetonurie, 


1. Die Acetonurie bei gemischter Kost. 
Bei der gewöhnlichen gemischten Kost werden stets geringe Mengen 
von Aceton ausgeschieden, welche nicht bei allen untersuchten gesunden 
Personen pro die gleich waren. 


Versuchsperson R. Urinmenge 850 ebem, 3,0 mg Aceton, 
- R. - 500 A > 
= Schl. - 900, Fam - 
z Sch. - aD 020,0, - 
- 0. = 800 = 0 = = 
- Ö. - 17330002 a - 
: 0. er 1 190000, ae 
- 0. - en rue - 
= O. ne 712 - 
z Ö. z 1 28075, 16.17 - - 
= 0. - 1.0200 8721089 7 - 
- 0. - Ir - 


So ergiebt sich eine Ausscheidung von 3,2—20 mg pro die bei 
gemischter Kost. 

Dass die höheren Werthe von 10—20 mg nicht einem ganz physio- 
logischen Zustande entsprechen, beweist die Körpergewichtsabnahme der 


Versuchsperson. 

Auf Tag und Nacht vertheilt sich die Menge des Acetons ziemlich 
gleichmässig. 

Versuchsperson R. 360 cbem Tagesurin enthalten 2,1 mg Aceton, 


285 - Naehturin = 1.9722 e 


2. Die Acetonurie im Hunger. 


Versuchsperson Schl. nimmt seit 10. Februar 1895 Abends 7, Uhr 
bis 12. Februar Vormittags 8 Uhr nur 100 cbem Kaffee und 400 cbem 
Wasser. r 

Urinmenge vom 11./12. Februar 740 ebem, enthält 26,2 mg 
Aceton und 9,22 g N. 

Versuchsperson R. hungert vom 2. Februar Abends bis 4. Februar 
Morgens. 

Urinmenge vom 3./4. Februar 845 ebem, enthält 32,9 mg Aceton 
und 6,4 g N. 

Versuchsperson 0. .hungert vom 10. August 1895 Abends bis 
13. August Morgens. Die Zufuhr besteht in 10 g Kaffee, 4 g Fleisch- 
extraet, 800 g Wasser. i 

Urinmenge vom 11/.12. August 750 cbem, enthält 90,9 mg 
Aceton und 13,7 gs N, 


I. Abtheilung. Medicinische Section. 101 


Urinmenge vom 12./13. August 740 ebem, enthält 310 mg 
Aceton und 12,9 g N. 
Im Hungerzustand steigt die Acetonausscheidung mächtig an und zwar 
bei Versuchsperson Schl. auf das 6‘), fache, 
bei Versuchsperson R. auf das 8'/,fache, 
bei Versuchsperson O, auf das Sfache am ersten Tage, 
auf das 26'/,fache am zweiten Tage. 


3. Die Acetönurie bei Zufuhr mässiger Eiweissmengen, 
Versuchsperson Sch, geniesst 700 g Fleisch. 
Urinmenge 1235 cbem, enthält 84 mg Aceton. 
Versuchsperson Schl. geniesst 750 g Fleisch und 100 g gekochten 
Schinken. 
Urinmenge 1850 ebem, enthält 37,7 mg Aceton und 22,3 & N. 
Versuchsperson R. nimmt 600 g Fleisch ein. 
Urinmenge 850 ebem, enthält 37,6 mg Aceton und 18,7 gN. 
Versuchsperson R. nirnmt 960 & Fleisch zu sich. 
Urinmenge 1188 ebem, enthält 103,5 mg Aceton und 20,96 & N. 
Bei diesen Versuchspersonen ist durch die Zufuhr obiger Eiweiss- 
mengen die Acetonurie gestiegen 
bei Sch. auf das 4'/,fache, 
bei Schl. auf das 9%/,fache, 
bei R. auf das 9'/,fache 
und auf das 26fache. 


4. Die Acetonurie bei Zufuhr grosser Eiweissmengen. 
Versuchsperson Friedländer führt sich 341 Eiweiss in Fleisch 
und Eiern ein. | 
Keine Erhöhung der Acetonausscheidung. N. im Harn 42,4 
und 28,9 g. 
Selbstversuch des Verfassers: am 16. und 17. August 1886 geniesst 
Verf. 1150 g Fleisch und 5 Eier. 
Urinmenge 1970 ebem, enthält eine geringe Steigerung der 
Acetonurie und 50,1 g N. 
Urinmenge (2. Tag) 2144 cbem, enthält keine grössere Aceton- 
menge als vorher und 37,5 s N. 
Urinmenge (3. Tag) 2234 ebem, enthält Aceton wie vorher 
und 37,6 g N. 
Versuchsperson R. nahm 1450 g Fleisch zu sich. 
Urinmenge 1378 cbem, enthielt 20 mg Aceton und 26,3 & N. 
Das Resultat der Zufuhr grosser Eiweissmengen ist also keine 
erhebliche Vermehrung der Acetonurie, 
Bei Versuchsperson R. stieg die Acetonurie auf das Öfache. 


102 | Jahresbericht der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. 


5. Die Acetonurie bei Zufuhr von Kohlehydraten. 


Die Versuche von Ephraim, Honigmann und Friedländer 
haben gezeigt, dass Kohlehydrateinfuhr bestehende Acetonurie, die durch 
Eiweisskost hervorgerufen war, in wenigen Stunden zum Schwinden bringt. 

Ein Versuch von Friedländer zeigt, dass Ernährung nur mit 
200 g Zucker und 190 g Butter keine Erhöhung der Acetonurie bewirkt. 

Versuchsperson R. nimmt im Laufe des 13. Februar 1895 nur 145 g 
Rohrzucker ein, 

Urinmenge 950 ebem, enthält 12,4 mg Aceton und 9,6 g N. 

Der Einfluss der Kohlehydrate offenbart sich auch auf eingeführtes 
Aceton. Während die Versuchsperson R. (Versuch *) bei Einfuhr von 5000 mg 
Aceton 52,9 mg Aceton ausschied, wurden von ebenderselben Menge 
— 5000 mg — nur 30 mg ausgeschieden, als zu dieser Dosis noch 
170 g Rohrzucker genossen wurden. 

Die Kohlehydrate wirken also Acetonurie hindernd und zwar zum 
Theil durch Zerstörung des Acetons. 


6. Die Acetonurie und die Einfuhr von Fett. 
Versuchsperson R. geniesst am 25. Februar 1895 92 g Butter, 4 g 
Fleischextract, 10 g Fleisch, ca. 10 cbem Cognac und Wasser. 
Urinmenge 560 cbem, enthält 63 mg Aceton und 9,3 g N. 
Deutliche Fe,C], Reaction. 
Versuchsperson B. geniesst am 2. März 1895 3 Tassen Kaffee, 
1 Thee mit 2 Tabletten Saccharin, 110 g Butter mit Salz, 200 g Fleisch- 
brühe, 1 Glas Cognac. 
Urinmenge von 1115 cbem enthält 69,2 mg Aceton. 
Versuchsperson R. geniesst 1450 g Fleisch, 60 & Butter und 15 g 
Cognae. 
Urinmenge 1070 cbem, enthält 12 mg Aceton und 29,0 & N- 
Versuchsperson 0. geniesst 800 g Fleisch und 150 g Butter. 
Urinmenge 2185 cbem, enthält 19,6 mg Aceton und 24,9 g N. 
Urinmenge 1400 cbem, enthält 95,9 mg Aceton und 22,0 s N. 
Die Acetonurie ist also bei Fettzufuhr von wechselnder Stärke. 
Welche Umstände diese Unterschiede bedingen, kann erst später be- 
sprochen werden. 


| Schlussfolgerungen. 
Acetonurie und Kohlehydrateinfuhr. 

Wenn es in den Experimenten mit Ephraim, Honigmann, 
Kobrak, Friedländer und dem Verfasser gelungen war, auf Ein- 
leitung der Fleischdiät eine hochgradige Acetonurie zu etabliren, so 
sahen wir auf eine einzige oder auf wiederholte Kohlehydratmahlzeit im. 
Zeitraum von im günstigsten Falle einer halben Stunde die Acetonurie 
schwinden. So zerstörten, wiein einer grossen Zahl von Beobachtungen 


I. Abtheilung. Medicinische Section. 103 


festgestellt wurde, Kohlehydrate eine schon bestehende Ace- 
tonurie, Ebenso konnten Kohlehydrate erwirken, dass die Acetonurie, 
die sonst — durch Hunger — zu Stande kam, hintangehalten wurde, 
Denn die Versuchsperson R. schied bei Hunger 32,9 mg Aceton aus, 
während sie durch 145 g Rohrzucker bei sonstigem Nahrungsmangel nur 
12 g Aceton producirte. 

Die Frage, ob schon gebildetes Aceton durch Kohlehydrate 
zerstört wird, oder ob die Bildung des Acetons durch die Kohle- 
hydrate verhindert wird, ist soweit durch den Versuch R. (Versuch *) 
beantwortet, dass in ihm eingeführtes Aceton besser oxydirt wird, als 
dies ohne Kohlehydrate geschieht. Denn während sonst 52,9 mg von 
5000 mg Aceton ausgeschieden wurden, erschienen bei Einfuhr von 
170 g Rohrzucker von 5000 mg Aceton nur 30 mg im Harn. 

Die zweite Seite der Frage, ob die Bildung von Aceton durch 
Kohlehydrateinfuhr verhindert ist, ist noch zu lösen. 

Soviel ist aber sicher, dass der Kohlehydratstoffwechsel das 
Auftreten von Aceton im Harn verhindert. 


Acetonurie und Eiweisszerfall, 


Ueberall, wo wir Eiweiss im Körper zerfallen sehen, tritt 
Acetonurie auf, wenn der Kohlehydratstoffwechsel dabe 
ausgeschaltet ist, der ja die Aufgabe erfüllt, Acetonurie zu ver- 
hüten. Sei es, dass im Hunger Eiweiss zerfällt, sei es, dass reine 
Fleischnahrung den Eiweisszerfall erhöht, immer folgt dieser Zersetzung 
Acetonurie. Ja, wenn man die Acetonurie bei derselben Versuchsperson 
verfolgt, so sieht man parallel mit der Erhöhung des Eiweisszerfalls die 
ausgeschiedenen Acetonmengen steigen. 

Versuchsperson R. scheidet im Hunger bei einem Eiweisszerfall der 
zur Ausscheidung von 6,4 g N 32,9 mg Aceton aus. 

Dieselbe scheidet bei Ernährung mit 600 g Fleisch 18,7 g N und 
37,6 mg Aceton aus. 

Bei 960 g Fleisch finden sich bei 20,96 g N 103,5 mg Aceton. 

Hier sehen wir eine progressive Acetonurie Hand in Hand gehen 
mit ansteigendem Eiweissstoffwechsel; ebenso bei Versuchsperson Schl.- 

bei Hunger 9,2 g N_und 26,0 mg Aceton, 
bei 950 g Fleisch 22,3 g N und 37,7 mg Aceton. 

Wenn diese Thatsachen sich auch förmlieh von selbst in die An- 
schauung hineinzupassen scheinen, in eine Anschauung, die vom Biweiss- 
zerfall die Acetonurie ableitet, und in der Acetonurie eine Funetion des 
Eiweisszerfalls, so müssen wir doch erst ein Verständniss für die schein- 
bar paradoxe Thatsache gewinnen, dass noch weiter gesteigerter Eiweiss- 
zerfall die Acetonurie wieder beschränkt. 


04 Jahresbericht der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. 


So sehen wir, dass die Versuchsperson R. auf die Einfuhr von 
1450 g Fleisch 26,5 g N. und nur 20 mg Aceton ausscheidet! 


Aber diese Thatsache braucht nicht von der Anschauung der 
Acetonurie als einer Function des Eiweisszerfalles abzuschrecken: sahen 
wir doch, dass Acetonurie auch bei Eiweisszerfall nicht eintrat, wenn 
zugleich Kohlehydrate zur Oxydation gelangten, und wenn wir nun uns 
vor Augen führen, dass eben jene grossen Mengen des eingeführten 
Eiweisses vertretend für Kohlehydrate auftreten, so gewinnen wir einen 
einheitlichen Gesichtspunkt für die Betrachtung, die uns nun die Acetonurie 
als eine Funetion eines mässigen Eiweisszerfalles erscheinen lässt. 


Dass es sich hier nicht darum handelt, dass bei den Acetonurie 
erzeugenden Mengen von zerfallendem Eiweiss Organeiweiss das zersetzte 
Eiweiss ist, wie zuerst von Honigmann in Gemeinschaft mit mir, 
später von v. Noorden angenommen ist, ergiebt sich aus den Aceton- 
zahlen bei Versuchsperson R.: dort wurden im Hunger nur 32 mg, bei 
Einfuhr von 960 g Fleisch aber 104 mg Aceton ausgeschieden: und es 
kann doch keinem Zweifel unterliegen, dass im Hunger mehr Organ- 
eiweiss zerfällt, als bei Ernährung mit 960 & Fleisch, Auch in den 
folgenden Betrachtungen werden wir die Acetonurie, wenn wir sie unter 
dem Gesichtspunkte einer Function bestimmter — mässiger — Eiweiss- 
mengen betrachten, überall mit den beobachteten Thatsachen in Einklang 
bringen können. 


Acetonurie und Fett. 


Bei flüchtigem Ueberblick scheinen die Resultate sich nicht recht unter 
eine Regel bringen zu lassen. Betrachtet man zunächst die Steigerung 
durch Fettzufütterung wie sie in den Versuchen an R. bei Hunger und O. 
bei 800 g Fleisch auftritt, so könnte die Vermuthung entstehen, als 
ob der Fettstoffwechsel ‘in gerade gegensätzlicher Wirkung gegen die 
Kohlehydrate eine Steigerung der Acetonurie erziele: aber tauscht man 
die Versuchspersonen und beobachtet O. bei Hunger und Fett und R. bei 
1450 g Fleisch und Fett, so offenbart sich just das Gegentheil des 
vorherigen Ergebnisses: in beiden Fällen hat Fett anscheinend anti- 
acetonurisch gewirkt. Nimmt Alles man in Allem, so ergiebt sich 
schliesslich, dass das Fett nur in soweit eine Wirkung auf die 
Acetonurie hat, als es deren Causalfactor, den Eiweiss- 
zerfall, beeinflusst. Nunmehr lässt sich die Vielgestaltigkeit seiner 
Wirkung verstehen: denn vielgestaltig ist auch der Einfluss des Fettes 
auf den Eiweissumsatz, Dass das Fett sparend auf ihn wirken kann, ist 
eine Thatsache, die, am Hunde beobachtet, sich am Menschen in ziemlich 
geringem Umfange bestätigen lässt: aber auch die gegentheilige Wirkung 
des Fettes, die Erhöhung des Eiweisszerfalls, die schon Voit am Hunde 
gesehen hat, findet sich auch gelegentlich beim Menschen; und wenn man 


I. Abtheilung. Medicinische Section. 105 


nun von diesem Gesichtspunkte aus die zu prüfenden Thatsachen über- 
sieht, so wird es möglich, die Acetonurie als Function mässigen Eiweiss- 
zerfalls zu erkennen, 


Die Versuchsperson R. hatte bei Hunger eine Acetonurie von 32 mg 
Aceton; dabei eine N-Ausscheidung von 6,4 g. Als nun ohne weitere Er- 
nährung 92 g Butter genossen wurden, hob sich der Eiweisszerfall auf 
9,5 8 N und dem entsprechend steigt auch die Acetonausscheidung auf 
63 mg an. 


Von dieser Versuchsperson hatten wir nun fernerhin gesehen, 
dass sie bei einem Eiweiss-Umsatz gleich ca. 21&N die relativ höchste 
Acetonmenge ausschied, 104 mg; dass aber eine weitere Steigerung des 
Hiweisszerfalls — bei 1450 g Fleischzufuhr — auf ca. 26 s N nur 
noch 20 mg Aceton im Harn auftreten liess. Nahm nun die. Versuchs- 
person zu 1450 g Fleisch noch Fett, so konnte man nicht voraussehen, 
ob dieses Fett den N-Umsatz noch steigern oder vermindern würde. 
Beides war möglich. Für beide Möglichkeiten liess sich aber die Höhe 
der Acetonurie voraussehen: Nahm der N-Umsatz ab, etwa auf 215N, 
so musste eine Verstärkung der Acetonurie die Folge sein; erhöhte sich 
dagegen noch der Hiweisszerfall, so musste Verminderung des ausge- 
schiedenen Acetons die Folge sein: Da nun die Versuchsperson R. auf 
1450 g Fleisch und 60 g Butter eine Steigerung der N-Ausscheidung 
auf 29 g zeigte, so musste eine sanz minimale Acetonurie erwartet 
werden und in Wahrheit wurden nur 12 mg Aceton ausgeschieden. 


In derselben Weise lassen sich die Versuchsergebnisse an O. er- 
klären: 
O. scheidet an zwei Hungertagen aus 
13,7 g N und 90,9 mg Aceton, 
12,9 & N und 310 mg Aceton. 
Als ©. nun sich an zwei Tagen 190 g Butter ohne jede andere Nahrung 
einführt, so scheidet er aus 
13,1 8 N und 82,3 mg Aceton, 
11,9 & N und 236 mg Aceton. 


Die Ernährung mit 190 g Butter hat hier in Andeutung eine Er- 
sparung von Eiweiss erzielt und die Verminderung des Eiweisszerfalles 
drückt sich deutlich in einer Verminderung der Acetonurie aus: statt 
400 mg werden nur 318 mg in den zwei Tagen ausgeschieden, 


An der Versuchsperson O. ist noch ein weiteres Experiment über 
die Wirkung des Fettes gemacht worden, 

OÖ. nahm zwei Tage lang 800 5 Fleisch allein zu sich und es zeigte 
sich, dass bei O. schon diese Dosis ausreichte, um eine Acetonurie nicht 
mehr zu Stande kommen zu lassen, wie ja schon oben festgestellt war, 


) 


106 Jahresbericht der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. 


dass sehr grosse Mengen Eiweiss die Acetonurie verhindern. O. schied 
bei 800 g Fleisch aus 

19,4 & N und 16,1 mg Aceton, 

28,6 g N und 12,1 mg Aceton. 

Als OÖ. nun zu diesen 800 g Fleisch 150 g Butter genoss'), waren jene 
oben erwähnten zwei Möglichkeiten zu erwarten: steigerte das Fett den 
Eiweisszerfall, so musste Acetonurie ausbleiben, verminderte es aber den 
N-Umsatz, so konnte bei genügender Verminderung der N-Menge höhere 
Acetonurie erwartet werden. Nun schied O. 24,9 und 22 g N aus. Dem- 
entsprechend sind am ersten Tage nur 19,6 mg Aceton producirt worden 
— denn am ersten Tage trat keine Sparwirkung des Fettes auf — da- 
gegen am 2. Tage, wo statt 28,6 g N des Vorversuches nur 22 g N zu 
constatiren waren, fanden sich 95,9 mg Aceton im Harn. 

So wirkt also Fett in der Weise auf die Acetonurie ein, wie es 
den Eiweisszerfall verringert oder erhöht und hierin ist sowohl der 
Mechanismus als auch der Grad seiner Einwirkung ausgesprochen. 

Die Betrachtung der physiologischen Acetonurie führt also zu dem 
Hauptsatze: Die Acetonurie ist eine Function des Zerfalles 
mittlerer Eiweissmengen. 


Ausserdem ergabsich, dass Kohlehydratstoffwechsel, wie 
Erhöhung des Eiweisszerfalles über ein mittleres Maass die 
Acetonurie herabsetzen und dass Fett, je nachdem es sparend 
oder steigernd auf den Eiweisszerfall wirkt, Einfluss auf die 
Acetonurie hat. 


B. Die Acetonurie bei Diabetes. 


Bei Diabetes findet sich Acetonurie unter zwei wesentlich verschie- 
denen Bedingungen, nämlich bei Einleitung der Fleischdiät und bei ge- 
mischter Diät. Dass Diabetiker bei Einführung der Fleischkost 
Acetonurie zeigen, ist an sich verständlich: warum sollte denn der Diabetiker 
sich darin anders verhalten, wie der normale Mensch, aber ihn unter- 
scheiden doch immerhin einige Nebenzüge vom gesunden Menschen, 
Denn der Diabetiker beantwortet das Einsetzen der reinen Fleischkost 
mit schneller und stärker entwickelter Acetonurie: während beim nor- 
malen Menschen 48 Stunden vergehen können, bis die ausgeschiedene 
Acetonmenge so hoch ist, dass sie durch Nitroprussiduatrium nachge- 
wiesen werden kann, findet sich beim [Diabetiker”) schon als Resultat 
einer einzigen Fleischmahlzeit Acetonurie. Zu zweit beobachtet man 
als Effect des erhöhten Eiweisszerfalles durch Fleischkost bei Diabetikern 


!) Natürlich liegen zwischen den verglichenen Perioden Tage mit gemisch- 
ter Kost, 
2) Nicht allerleichtesten Grades. 


I. Abtheilung. Medieinische Section. 107 


nicht nur Aceton, sondern auch Acetessigsäure im Harn, die bei nor- 
malen Personen nur in geringem Maasse aufzutreten — und zwar be- 
sonders bei Fettnahrung —- pflegt. 


Wesentlich anders als diese im Rahmen des physiologischen noch 
bleibende Acetonurie bei Eiweisskost, ist die Acetonausscheidungbei 
semischter Diät aufzufassen. Wenn ein Diabetiker bei reichlicher Kohle- 
hydratzufuhr auch Aceton in höheren Mengen producirt, so ist dies ein 
pathologischer und ihm eigenartiger Zustand. Wie diese Acetonurie zu 
erklären und prognostisch aufzufassen sei, kann nach den vorhergehenden 
Betrachtungen nicht zweifelhaft sein: da der Satz festgestellt ist, Aceton- 
urie entsteht bei mässigem Eiweisszerfall, wenn der Stoffwechsel der 
Kohlehydrate fehlt, so heisst das im vorliegenden Falle, dass der Stoff- 
wechsel der Kohlehydrate fehlt, obwohl Kohlehydrate eingeführt werden, 
und dass darum Acetonurie auftritt. Dieser Diabetiker ist also trotz Er- 
nährung mit Kohlehydraten analog dem normalen Menschen, welcher 
auf Eiweisskost gesetzt ist: denn jene Kohlehydraternährung ist nur eine 
scheinbare; werden ja doch die eingeführten Kohlehydrate nicht oxy- 
dirt, sondern unverbraucht im Harn ausgeschieden. 


Ob dabei Organeiweiss zerfällt, ist ganz belanglos: nur der Ausfall 
der Kohlehydratoxydation ist's, der Acetonurie hervorruft. Wenn man 
durch gleichzeitige Fetldarreichung noch so sehr an Organeiweiss spart, 
so bleibt die Acetonurie doch bestehen. Nur der Erhöhung der Eiweiss- 
menge vermag die Fähigkeit zugesprochen werden, die Acetonurie herab- 
zusetzen. 


Hiermit ist das Interesse an der Acetonurie keineswegs erschöpft, 
denn es sind mehrere Thatsachen, die die Acetonurie mit einem der 
interessantesten Probleme des Diabetes, mit dem Coma diahetieum 
verbinden; erstens die Thatsache, dass kaum ein Comafall ohne Aceton- 
urie vorkommt, zweitens der oftmals wiederkehrende Bericht, dass 
nach Einführung der Fleischdiät wie einerseits Acetonurie, so anderer- 
seits Coma gefolst sei. Dass dabei Aceton die Ursache des Coma sei, 
ist deswegen möglich, weil die Ausscheidung von maximal 7 oder 10 g 
Aceton im Harn und Athemluft enormen Mengen von im Körper krei- 
senden Aceton entsprechen könnte,!) aber es ist deswegen wenig wahr-" 
scheinlich, weil sehr grosse Mengen von Aceton im Organismus nicht 
gefunden worden sind. 


Auch entspricht eine Acetonurie beliebiger Höhe durchaus nicht der 


Anwesenheit von Aceton im Blute, sondern vielmehr giebt es zwei Gründe 
dafür, dass eine Vorstufe des Acetons im Blute kreise, wenn Aceton im 


ı) Denn von eingegebenen 5 g Aceton erscheinen nur 50 mg, also 1°, im 
Harn wieder. 


108 Jahresbericht der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. 


Harn auftritt. Denn erstens ist der Acetonurische imStande, Aceton 
zu oxydiren. Als ich der Versuchsperson Sch., von welcher ich wusste, 
dass sie auf 700 g Fleisch mit einer Ausscheidung von 80 mg Aceton 
antworte, 3 g Aceton bei derselben Diät von 700 g Fleisch eingab, so schied 
sie 90 mg Aceton aus, so dass also klar ist, dass nicht dem Aceton, welches 
ja die acetonurischen Individuen zu oxydiren im Stande sind, die Ace- 
tonurie zufällt, sondern irgend einer Vorstufe. Dem entspricht, gemäss 
der zweiten Thatsache, dass nämlich auf die Einführung von Acetessig- 
säure reiche Mengen von Aceton ausgeschieden werden, die Vorstellung, 
dass im Blute kreisende Mengen von Acetessigsäure, also die sogenannte 
Diacethaemie die Vorbedingung für die Acetonurie sei. Die Ausscheidung 
von Acetessigsäure im Harn, die als ein stärkerer Grad der Acetonurie 
aufzufassen ist, würde zeigen, dass die Acetessigsäure nicht mehr, auch 
nicht zu Aceton oxydirt werden kann, sondern dass sie als solche aus- 
geschieden wird.. Dass die Acetessigsäure selber von einer höheren 
Vorstufe abzuleiten ist und zwar der B-Oxybuttersäure, machen Versuche 
von Ninkowski wahrscheinlich. Dass nun die Oxybuttersäure als solche 
nicht immer als Folge der Eiweisskost erscheint, beruht wohl darauf 
unter anderen Ursachen, dass die Störung der Oxydationsfähigkeit, die 
das Erscheinen der Oxybuttersäure hervorruft, eine ausserordentlich 
schwere sein muss, eine so schwere, dass sie glücklieherweise sich nur 
selten findet. 

Diesen Betrachtungen gemäss werden Maassregeln, die sich gegen 
die Acetonurie richten, zugleich die Diacethaemie oder deren Vorstufen 
treffen.) 

Solche Maassnahmen werden von den physiologischen Gesetzen der 
Acetonurie abzuleiten sein. Wir werden bemüht sein, den Organismus 
unter diejenigen Bedingungen zu setzen, von denen wir wissen, dass sie 
die allergeringste Acetonausscheidung hervorrufen. Nun kennen wir 
drei Bedingungen, unter denen die verhältnissmässig geringsten Mengen 
Aceton produeirt werden: Kohlehydraternährung, excessive Zufuhr von 
Eiweiss und Hunger. Wir werden zunächst danach streben, möglichst 
viel Kohlehydrate einzuführen und zur Oxydation zu bringen. — Leider 
aber ist der Organismus eines schwerkranken Diabetikers nicht in der 
Lage viel Kohlehydrate zu zersetzen. 


1) Die Bedeutung der Diaceturie ergiebt sich aus obigen Betrachtungen. Sie 
beweist eine noch geringere Fähigkeit des Organismus die Vorstufe der Acetessig- 
säure zu oxydiren, so dass"schon bei der Oxydationsstufe der Acetessigsäure Halt 
gemacht wird; dabei ist sie in ihrem Auftreten abhängig sowohl vom Individuum 
als den Ernährungsverhältnissen, nicht aber von der Höhe der Acetonurie. Denn. 
die eine Versuchsperson zeigt Acetessig-Ausscheidung, wo sie die andere nicht 
zeigt und bei den Versuchen mit Fettzufuhr tritt sie leichter auf als bei anderen 
Versuchen, die mit höherer Acetonurie einhergehen. 


I. Abtheilung. Medieinische Section. 109 


Würden wir nun an die zweite Möglichkeit gehen: Ernährung mit 
ausserordentlich grossen Mengen Fleisch, so müssen wir uns darauf ge- 
fasst machen, den Organismus zu zwingen, soviel Eiweiss zu zersetzen 
als einer Ausscheidung von etwa 30 bis 35gN entspricht, das heisst, 
wir müssen einen Umsatz von etwa 2 Pfund Fleisch erzielen. — Bei 
dem Widerwillen schwer kranker Diabetiker gegen Fleisch ist das aber 
eine bedenkliche Sache, zumal in jenen Fällen, wo selbst Kohlehydrat- 
zufuhr nichts mehr erreicht. Denn gar zu leicht könnte der Versuch, ca. 
1200 Gramm Fleisch einzunehmen, schon vor Beendigung abgebrochen 
werden und es wäre dann lediglich eine Steigerung des Eiweissumsatzes 
erzielt worden. Dass das grosse Bedenken hat, sehen wir an dem 
Diabetiker M., der bei einer Ausscheidung von 20,5 g N, das heisst bei 
einem er von ca. 600 g Fleisch 4,9 g Aceton, und bei 24 s N, 
also bei 750 g Fleisch-Umsatz 6,35 g Aceton orudbeirt 


In diesen schweren Fällen also, wo man durch Versagen der Kohle- 
hydratmethode veranlasst wäre, zu dieser Ernährungsform zu greifen, 
könnte es leicht passiren, dass man, weil der Kranke maximale Dosen 
von Fleisch zu bewältigen ausser Stande ist, gerade die Acetonurie ins 
Ungemessene steigert und damit die Gefahr des Comas noch urgirt. — 
So bleibt als ultimum refugium der Hungerzustand resp. eine Ernährung 
mit einem Mindestmaass von Eiweiss aus einer möglichst reichen Kohle 
hydrathzufuhr übrig. Man erreicht dann mit einem minimalen Eiweiss- 
umsatz und durch Einführung von Levulose, Glycerin,!) Rohzucker u. s. w. 
eine verhältnissmässig geringe Acetonurie. So konnte ich durch einen 
einzelnen derartigen Hungertag die Acetonausscheidung eines Diabetikers 
von 7'/), g auf 2 g herunterdrücken und ihn dann durch allmähliche 
Fleischzulage immerhin auf etwas geringerer Acetonmenge erhalten, so 
dass bis heute noch ein Coma nicht ausgebrochen ist. 


Die Kohlehydratzufuhr betreffend, will ich hervorheben, dass es mir 
schon zweimal gelang, beginnendes Coma durch foreirte Kohlehydrat- 
einfuhr zum Weichen zu bringen. 


b . Zur Behandlung der harnsauren Diathese. 


Bei dem Mangel an systematischen Arbeiten über Beziehungen von 
Harnsäureausscheidung und Diät, ebenso über die Beeinflussung derselben 
Substanz durch Medicamente, wenigstens an solchen Arbeiten, die mit 


!) Hirschfeld hat das Glycerin besonders empfohlen, ich kann nach meinen 
Erfahrungen ihm kaum eine wesentlich grössere Wirkung als einem anderen 
Kohlehydrat zusprechen. 


110 Jahresbericht der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. 


zuverlässigen Methoden ausgeführt sind, ist es ein Bedürfniss, die 
Untersuchungen über Harnsäureausscheidung in Beziehung auf Diät und 
Medicamente zu vervollständigen. 


Solche Untersuchungen können von verschiedenen Zuständen der zu 
untersuchenden Person — denn nur die Versuche am Menschen können 
für diese Frage zunächst in Betracht kommen — ausgehen: so zunächst 
von einem Zustande des Stoffwechsels, wo Einnahme und Ausgabe ohne 
Veränderung sich durch Tage hinaus gleich bleiben. Wenn man aber 
den Einfluss eines Ernährungsmittels in diesem Status untersuchen will, 
z. B. von 200 g Rohrzucker, so wird die einfache Hinzufügung von 
200 5 Zucker zu der bisherigen Diät nicht der einzige Factor, der im 
Versuch verändert wird, bleiben: denn durch die Zuckerzufuhr wird der 
Eiweissumsatz verkleinert und so muss eine eventuelle Harnsäurebeein- 
flussung entweder der Zuckerzufuhr oder der Eiweisssparung zuge- 
schrieben werden. So müsste erst festgesetzt werden, welchen Einfluss 
Veränderungen im Eiweissumsatz auf die Harnsäure haben. Will man 
nun zum Beispiel den Eiweissumsatz in seiner Einwirkung auf die 
Harnsäure untersuchen, so könnte man, zweckmässig darauf verzichtend, 
vom Stoffwechselgleichgewicht auszugehen, vom Hungerzustand, als dem 
Momente des geringsten Eiweissumsatzes aus, zu mittlerer und maxi- 
maler Fleischernährung übergehen und dabei die Harnsäureausscheidung 
untersuchen. Die so gewonnenen Zahlen könnten dann als Grundlage 
für allerlei Ernährungszusätze dienen. 


In diesem Plane untersuchte ich gemeinsam mit Herrn Cand. med. 
Orgler den Einfluss des Eiweisszerfalls vom niedrigsten bis zum 
höchsten Grade auf die Harnsäureausscheidung bei Herrn Orgler, zudem 
noch in dem Einfluss von Rohzucker und Fett. 


Die Harnsäure wurde nach der Salkowski’schen Methode be- 
stimmt (Silberverbindung), nachdem die ungelöst ausgeschiedene Harn- 
säure beim Entleeren des Urins auf ein Faltenfilter abgefangen war 
(primäre Fällung) und nachdem diejenige Harnsäure, welche noch spon- 
tan bis zum Ende des Aufsammelns ausgefallen war, als secundäre 
Fällung abfiltrirt war. Aus der Summe dieser drei Zahlen ergiebt sich 
die Gesammt-Harnsäure, während die primäre Fällung vor Allem über die 
Lösungsverhältnisse der Harnsäure im Körper orientirt. Wir gingen 
natürlich vom Hungerzustande aus, als demjenigen Verhältniss, in welchem 
der Eiweissumsatz das geringste Maass erreicht. 


1. Abtheilung. Medieinische Section. 1 


OL We anf ; Ge- N. N. 

SCH Bnrunestom | Harz Iphtegsnun Aber an di im 

1 Hunger 750 107 119 281 587 15,5 | 0,75 

2 desgl. 740 119 12 242 374 12,3 0,75 
Mittel 113 | 106 | 261 | 480 | 133 

3 | 600 g Fleisch | 2015 | 209 | 192 | 604 | 1005 | 21,9 | 1,51 

4 desgl. 1600 | 146 | 160 | aı6 | 722 | 23,0 |1,:1 

5 desgl. 1240 109 145 322 576 23,0% 151 

6 desgl. 1800 | s6 | 380 | 468 | 934 | 26,7 |1,51 
Mittel 138 219 452 809 | 29,5 

7 800 g Fleisch | 1430 199 75 490 764 19,4 | 0,86 

8 desgl. 1350 1053 281 391 776 28,6 | 0,86 

9 desgl. 1300 | ı23 | 327 | 286 : 756 | 30,7 |o,s6 
Mittel 142 | 227 | 389 | 758 | 262 
10 | 1650 g Fleisch | 2030 212 256 741 | 1299 40,66 
11 desgl. 2690 293 947 1555 | 2793 58,0 
Mittel 282 616 | 1147 | 2047 | 49,35 


Es ergab sich nun an den beiden Hungertagen im Durchschnitt eine 
Gesammt-Harnsäuremenge von 480 mer, als zur Ernährung mit 600 gr 
Fleisch übergegangen wurde, erhöhte sich die Menge auf 809 mgr im 
Mittel von 3 Tagen, und bei 800 5 ebenfalls in dreitägiger Mittelzahl 
auf 758 mg bei 1650 g Fleisch auf 2046 mg.!) Es erhöhte sich 
also systematisch bei rapiden Sprüngen des Eiweissumsatzes die Harn- 
säuremenge. 


Dass sie nicht in genauester Correlation zu der Höhe des Eiweiss- 
umsatzes steht und bei 600 g Fleisch ein wenig höher ist als bei 800 g, 
führt zu der Krkenntniss, dass kleine Schwankungen der Fleisch- 
mengen ohne grosse Bedeutung sein können, 


Im grossen Ganzen aber kann man nur sagen, dass grosse Sprünge 
des Biweissumsatzes von Bedeutung sind und wenn wir in den folgenden 
Versuchen mit Zusatz von Fett eine unbedeutende sparende Einwirkung 
auf den N - Stoffwechsel sehen, so werden wir dieser geringfügigen Ver- 
änderung von vornherein keine grosse Bedeutung beilegen, zumal nur 
eine Verminderung der Harnsäureziffer damit erklärt wäre. 


Y) Die Zahl 2046 mg muss auf eine geringere Zahl herabgerechnet werden, 
nämlich auf 1230 mg, da sie aus der Zeit (s. u.) stammt, wo Herr Orgler durch 
die später zu erwähnende Kalbsmilchernährung eine verstärkte Harnsäureaus- 
scheidung dauernd erworben hatte, 


11% | Jahresbericht der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. 


Ver- vahmınoafarn | Harn- |Primäre|Secund.| Silber- Sr I u 
such Erashrmssform menge |Fällung |Fällung | verbind. a Harn Koth 
12°| 190 Butter: 30 31 145 216 392 | 13,1] 1,52 
3 desgl. 490 | 452 166 80 698 | 11,9] 1,52 
Mittel 241 155 148 545 |12,5 
‚|600 g es $ : 
14 0 nen 1560 | 165 436 402 | 1003 | 21,2) 2,93 ') 
15 desgl. 1570 | 167 252 366 785 | 22,6 
Mittel 166 | 341 384 894 | 21,9 
800 el 
16 1508 Butter 2185 73 146 983 | 1202 | 24.9) 2,25 
Wr desgl. 1400 | 157 85 451 | 694 | 22,0] 2,25 
18 desg]. 1370 | 321 El 934 998 | 27,8| 2,25 
Mittel 184 125 656 965 | 25,5 


800 g Fleisch 
„3 250 ,„Rohrzuck. 


1720 7330 536 911) | 1817235 1876 


20 desgl. 1610 | 320 , 308 | 987 | 1615 |22,8| 1,26 
21 de 1530 | 106 | 144 | 783 | 1333 |26,2| 1,26 
Mittel 368 | 329 | 894 | 1591 | 2,58 


Wir sehen aber gerade das Gegentheil eintreten: die Harnsäuremenge, 
die beim Hunger 480 mg betrug, erhebt sich in den zwei Tagen, wo ohne 
andere Ernährung 190 g Butter genossen wurden, auf 545 mg, die 
Zulage von 150 g Butter zu 600 g Fleisch treibt die Harnsäure von 
809 mg auf 894 mg; während bei 800 g Fleisch und 150 g Fett 
wir eine Erhöhung von 758 mg auf 965 mg finden. 


Dabei ist der Stickstoffumsatz kaum verändert zu nennen. Wir 
sehen also, dass hier die Zulage von Fett im geraden Gegensatz zu den 
Versuchen von Horbaczewski und Kanera und in Bestätigung der 
alten Koch-Meissner’schen Versuche eine beträchtliche Erhöhung der 
Harnsäureausscheidung ergeben hat. Eine analoge Wirkung sehen wir, 
als in drei Tagen 800 g Fleisch und 250 g Rohrzucker genossen 
wurden. Auch hier sehen wir nur eine geringe Sparwirkung auf den 
Eiweissumsatz einwirken und eine gewaltige Erhöhung der Harnsäure- 
ausfuhr. Doch ist dieser Versuch nicht voll als parallel den andern 
anzusehen, denn er ist zu einer Zeit angestellt, als die Versuchsperson 
in Nachwirkung weiter unten zu beschreibender Versuche eine Urat- 
diathese erworben hatte, 


‘) Nur an diesem Tage konnte Durchfalls wegen Koth gesammelt werden. 


I. Abtheilung. Medicinische Section. 113 


Nunmehr lag es in unserer Absicht, noch die Einwirkung einzelner 
Medicamente auf pathologische Harnsäureausscheidungen zu studiren. — 
Dureh die Arbeiten von Horbaczewski wissen wir, dass die Ein- 
führung von Nucleinsäure zu einer Vermehrung der Harnsäureausscheidung 
führt. Der Einführung von Nucleinsäure hat Weintraud die bequeme 
Form gegeben, sie durch Ernährung mit nucleinsäurereichen Geweben, 
mit Kalbsmilch zu ersetzen. 


In der That schied Herr Orgler, dessen Verhalten bei 500 g 
Fleisch, 250 g Semmel, 22 g Rohrzucker und 40 9 Butter die 
folgende Tabelle darstellt, auf Zuführung von 500 g Kalbsmilch, 450 g 
Semmel und 50 & Fett die ungeheure Menge von 2456 mg Harnsäure 
pro Tag aus. 


Yen Brnahrungstom | Harz, [prinelsecund. Siber. (mm. | im | im 
22 | Gemischte Kost | 1330 66 | .168.|, 349,1 584 |.12,2 1,52 
23 desgl. 1150 | 156 | 245 | 621 | 1023 | 13,8 [1,82 
24 desgl. 770 22 7210| 0780 W1045\615,7.1,182 
25 desgl. 1070| 4.278, 1,2921: 3184 15.8197 18,34 | 1,08 
36 desgl. 1320 30 257 5300| 588 1992 1.08 
27 desgl. 1280 7a 19, 496 rora, | 23,9% 1.08 
28 desgl. 1040 | 204 | 293 | 530 | 1027 | 20,4 | 1,08 
29 desgl. 950 | 176 | 252 | 140! 568 | 21,8 |1,08 
Mittel 126 | 221 | 433 | 780 | 181 
30 |500 gKalbsmilch| 1755 | 371 | 326 | 2456 | 3153 | 19,4 
31 desgl. 1640 | 176 | 789 | 1316 | 2181 | 19,3 
32 desg]. 1700 | 216 | sı6 | 901 | 2033 | 19,99 
Mittel 354 | 644 | 1557 | 2456 | 19,6 
Nachtag: | 
33 | Gemischte Kost | 1950 197 | 428 | 1004 | 1629 | 20,2 


Nun interessirte es uns zu sehen, welchen Einfluss auf diese künst- 
liche Uratdiathese die Verabreichung von Harnstoff — in der Menge 
von 20 g pro die — haben würde, da mich frühere Untersuchungen 
‘an Uratdiathetikern vermuthen liessen, dass auch hier die Harnsäure- 
bildung vermindert werden würde und die Lösungsverhältnisse der 
Harnsäure verbessert werden würden. 


189. 8 


"15 Ve Jahresbericht der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. 


Ver- | Frshruns n i Harn- |Primäre) Secund.| Silber- | Gesammt- | N. im 
such ZUSnDnn Son menge |Fällung |Fällung verbind.|Harnsäure| Harn 
34 500 g Kalbsmilch | 1420 | 244 72 596 913 23,1 

+ 20 g Harnstoff 
35 desgl. 1780 | 127 737 | 1145 2010 27,0 
36 desgl. 1535 | 234 | 1224 895 2353 27,5 
Mittel 202 678 | 878 | 1758 | 25,9 
Nachtag: 
37 | Gemischte Kost | 1280 | 152 | 698 | 504 | 1355 20,7 


In der That zeigte es sich, dass die Harnsäureausscheidung von 
2456 mg auf 1758 mg herabging, Die Lösungsverhältnisse waren 
insoweit günstigere, als statt 254 mg der primären Fällung ohne Harn- 
stoff unter der Einwirkung des Harnstofis 202 mg nur erschienen. 
Dass es sich nicht etwa dabei um eine Retention von Harnsäure handelt, 
ergiebt sich, wenn man den Nachtag bei gemischter Kost betrachtet 
und mit dem Nachtage nach der ersten Kalbsmilch-Periode vergleicht. 


Wäre eine Retention von Harnsäure eingetreten, so hätten wir hier 
eine höhere Harnsäureziffer zu erwarten, als nach der ersten Kalbs- 
milch-Periorde. Wir finden aber auch hier nur eine geringere Aus- 
scheidung als am Nachtage der ersten Periode. 


Es lag uns nahe, das von Nicolaier jüngst empfohlene Harnsäure- 
lösungsmittel, das Urotropin, in gleicher Weise wie den Harnstoff zu 
probiren. Es wurden zur Kalbsmilchdiät 1'/,, 2 und am dritten Tage 
3 g gegeben. Der Effect war ein ähnlicher als beim Harnstoff, doch 
sank weder die Ziffer der Gesammtmenge, noch die der primären Fällung 
so tief als dies der Harnstoff erreichte.) 


Während beim Harnstoff 1758 mg insgesammt und 202 mg un- 
gelöst erschienen, fanden sich nach Urotropin 1836 resp. 214 mg. 


!) Harnsäurelösend scheint Urotropin auch nicht immer zu wirken: wenigstens 
fanden sich, als ich einem Urotropinharn 180 mg Harnsäure zusetzte, nach einigen 
Stunden 260 mg als Sediment. — Hierbei möchte ich kurz erwähnen, dass ich die 
von Mendelsohn beschriebene Hemmung der Harnsäurelösung mittelst Lysidin, 
welche durch Kochsalz bewirkt werden soll, nicht bestätigen kann: denn 
sowohl bleiben Harnsäure-Lysidinlösungen (schwacher Concentration) durch Koch- 
salzzusatz unverändert, als es möglich ist, durch Lysidin im Harn (geringe) Mengen 
von Harnsäure zur Lösung zu bringen. 


I. Abtheilung. Medicinische Section. 115 


Ver- 5 Harn- |Primäre| Secund.| Silber- Ge- | N. 
such Du Tuezforu menge Fällung | Fällung |verbind. sammt- un 
| Harns. Harn 


338 | 500 g Kalbsmilch | 1775 176 310 | 1108 1594 19,2 
+1, g Urotropin 
39 | 500 g Kalbsmilch | 1510 257 499 | 1890 2647 18,8 
— 2 g Urotropin 
40 | 500 g Kalbsmilch | 1390 | 211 321 757 1269 20,3 
—+ 3 g Urotropin 

Mittel 214 | 377 | 1245 | 1836 | 19,4 


Es sei übrigens noch hervorgehoben, dass das Urotropin bei drei 
Personen störende Nebenwirkungen hatte. Herr Orgler bekam nach 
dem dritten Tage starken Durchfall; Patient D. Leibschmerz, - Durchfall 
und Blasenkrampf auf eine tägliche Dosis von 1', g; ebenso A. nach 
1, g Erbrechen und Brennen in der Urethra. 

Eine interessante Thatsache ist die, dass als eine Nachwirkung der 
ganzen Kalbsmilch-Periode eine enorme Veränderung in der Harnsäure- 
Production bei Herrn Orgler aufgetreten ist und sich über 12 Tage 
feststellen liess, 


In patidnäthonn | Barz, Ieeineelsunnna ame (eben) 1, 
Vor der Kalbsmilch-Periode. 
Gemischte Kost 126 | 221 433 430 ELel 
(Durchschnitt) 
800 g Fleisch 142 | 227 | 389 158 | 26,2 
(Durchschnitt) | 


Nach der Kalbsmilch-Periode. 


41 Gemischte Kost | 1625 | 251 309 |] 909 1469 18,43 
42 desgl. 1510 | 249 | 632 | 754 1635 | 22,4 
43 800 g Fleisch 1980 | 175 | 142 | 926 1243 | 23,28 


Während er früher auf 300 g Fleisch 758 mg Harnsäure entleerte, 
schied er 12 Tage nach den neun Kalbsmilchtagen 1243 mg aus, und 
auch bei gemischter Kost zeigte er die grossen Harnsäurewerthe von 
1635, 1469 mg. 

Die Resultate unserer Versuche sind also: 

1. Erhöhung des Eiweissumsatzes erzeugt eine beträchtliche Stei- 

gerung der Harnsäureausscheidung, welche bei grossen Differenzen 
im Eiweissumsatz sehr deutlich ist. 
2. Zulage von 150—190 g Butter bei verschiedenen Eiweissumsatz- 
stufen erhöht die Harnsäureausscheidung erheblich. 
8# 


116 Jahresbericht der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. 


3. Rohrzuckerzulage erhöht ebenfalls die Harnsäureausscheidung. 


Die durch Kalbsmilch hervorgerufene Steigerung der Harnsäure- 
menge wird durch Harnstoffdarreichung so beeinflusst, dass so- 
wohl eine geringere Bildung von Harnsäure als auch eine bessere 
Lösung der Harnsäure erzielt wird. 

5. Unter gleichen Verhältnissen wirkt auch Urotropin bildungsver- 
mindernd und lösungverbessernd auf die Harnsäure ein, doch 
nicht so stark wie der Harnstoff, auch treten Nebenwirkungen 
auf Darm und Blase und Magendarmtractus auf. 

6. Nach der Kalbsmilch-Periode fand sich eine lange Nachzeit er- 
höhter Harnsäureausscheidung. 


Auch diese Resultate sind vorläufig als nur individuell gültig auf- 
zufassen. 


16. Sitzung vom 25. October 1895. 
Vorsitzender: Herr Prof. Dr. Buchwald. Schriftführer: Herr Dr. Drewitz. 
Vor der Tagesordnung. Der Vorsitzende widmet dem jüngst ver- 
storbenen Sanitätsrath Dr. O. Janicke einen Nachruf. 


Tagesordnung: 
Herr Dr. Keilmann: 


Ueber künstliche Ernährung gesunder Säuglinge. 

Geleitet von der Erfahrung, dass die künstliche Ernährung der Säug- 
linge trotz der Fortschritte, die namentlich auf dem Gebiete der Sterili- 
sation zu verzeichnen sind, immer noch wenig befriedigt, haben wir 
es für angebracht gehalten, in unserer Klinik das uns zur Verfügung 
stehende Kindermaterial zu Beiträgen für die Entscheidung der Frage 
nach der zweckmässigsten künstlichen Ernährung auszunutzen. Das 
Material einer geburtshilflichen Station ist dazu besonders geeignet, weil 
es sich aus gesunden Kindern zusammensetzt und diese nicht nur den 
normalen Typus repräsentiren, sondern sich an ihnen die Frage nach 
der zweckmässigsten Ernährung mit der Frage nach der besten Pro- 
phylaxe gegen die Erkrankung des Magendarmkanals deckt. Es darf 
noch weiter behauptet werden, dass die erste Lebenswoche für die Er- 
nährung des Kindes ganz besonders wichtig ist, weil in dieser Zeit sich 
am leichtesten Störungen geltend machen, welche spätere Erfolge in 
Frage stellen können. Dass das Kind in der ersten Zeit empfindlicher 
gegen gewisse Schädlichkeiten ist, die der Nahrung anhaften, und dass 
es auf solche prompter reagirt, als in späterer Lebenszeit, ist eine wich- 
tige Thatsache, die in erster Reihe den Geburtshelfer interessiren muss. 
Um unseren Erfahrungen über die künstliche Ernährung zunächst eine 
Basis zu geben, sind seit ca. anderthalb Jahren sorgfältige Aufzeichnungen 
über das Befinden der Kinder gemacht worden, wobei zunächst die be- 


I. Abtheilung. Medicinische Section. 117 


kannte Mischung eines Theils Kuhmilch mit drei Theilen Wasser und Zu- 
satz von Milchzucker verwendet wurde; zur Sterilisation wurde der 
Soxhletapparat benutzt. Als die Beobachtungsreihe genügend gross war, 
wurde die von Friedr. Krüger vorgeschlagene Mischung von Milch und 
Wasser in gleichen Theilen versucht. Die Erfolge in beiden Versuchs- 
reihen weichen von den auch sonst mit künstlicher Ernährung gemachten 
Erfahrungen nicht ab und sind im Durchschnitt, verglichen mit den Re- 
sultaten der Brustmilchernährung, als durchaus unbefriedigende zu be- 
zeichnen. Wie schon in der Arbeit über die Diätetik der ersten Lebens- 
woche mitgetheilt, fehlten den Kindern beider Gruppen am neunten 
Tage noch 6 und 7 Procent des Anfangsgewichts, während unsere Brust- 
kinder das Anfangsgewicht zu dieser Zeit fast erreicht hatten. 

Aber so wichtig das Körpergewicht für die Beurtheilung des Ge- 
deihens auch sei, das einzige Kriterium darf es nicht sein für Bestimmung 
des Werths eines Nährmittels; es muss festgestellt werden, durch Ver- 
mittelung welcher Erscheinungen das geringe oder ausgiebige Wachs- 
thum zu Stande kommt; insbesondere scheinen mir zwei Möglichkeiten 
vorzuliegen: einerseits ist es die directe Insuffiecienz des Nährmittels, das 
entweder den nöthigen Nährstoff gar nicht oder in unausnutzbarer Form 
bietet, andererseits kann das betreffende Nährmittel sehr wohl an sich 
auch gute Ernährung des Säuglings ermöglichen, hindert jedoch dieselbe 
dadurch, dass es den bis dahin gesunden Darm krank macht und nun 
für das kranke Kind nicht ausreicht. 

Dass mit Kuhmilch nun Kinder gross gezogen werden können, ist 
eine bekannte Thatsache und auch uns ist das mehrfach gelungen — 
ein Versuchskind haben wir mit einem Körpergewicht von 9000 gr am 
Ende des ersten Lebensjahres entlassen —; das beweist, dass man mit 
sewöhnlicher Kuhmilch ein Kind ernähren kann; dass es aber be- 
sonders in den ersten Wochen so ausserordentlich schwer ist, das 
Kind bei guter Zunahme zu erhalten, in späteren Monaten relativ leicht 
scheint, das Kind vorwärts zu bringen, lässt es plausibel erscheinen, 
dass bei der grösseren Empfindlichkeit des jüngeren Kindes im Anfang 
die Dyspepsien eine grosse Rolle spielen und diese es sind, die sich 
einem erfolgreichen Gedeihen hindernd in den Weg stellen; die Dyspepsien 
aber können und müssen als Folgen gewisser Eigenschaften des Nähr- 
mittels angesehen werden. 

Nach den gemachten Beobachtungen nun bin ich der Ansicht, dass 
die wenig befriedigenden Resultate der Ernährung mit Kuhmilch lediglich 
oder doch in erster Reihe den durch dieselbe erzeugten Dyspepsien zu- 
zuschreiben sind; bei genauer Beobachtung kann man feststellen, dass 
dyspeptischen Erscheinungen ausserordentlich prompt Gewichtsabnahmen 
bezw. Rückfälle folgen — so prompt, dass man Zacken in der Curve 
direet zur Diagnose der Dyspepsie verwerthen kann. Dieser Auffassung 


118 | Jahresbericht der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. 


können zwei Einwände gemacht werden: erstens, dass auch ohne auf- 
fallende Symptome Rückfälle in der Gewichtscurve constatirt werden 
können und zweitens bei Brustkindern die Rückfälle ausserordentlich 
selten sind und Dyspepsie hier auch vorkommen kann. 

Hinsichtlich des ersten Einwandes muss darauf hingewiesen werden, 
dass es nicht auffallender Symptome bedarf, um die Dyspepsie zu 
diagnosticiren bezw. dass der Einwand nur scheinbar zu Recht besteht, 
wenn die Beurtheilung des klinischen Bildes der Dyspepsie nicht frei 
wird von Vorurtheilen und Irrthümern hinsichtlich dyspeptischer Symptome, 
Es sei hier nur beispielsweise erwähnt, dass oft Soor als primäre Er- 
krankung und erst als Ursache einer Magendarmaffeetion angesehen wird. 
Das muss als irrthümlich bezeichnet werden, denn Soor entwickelt sich 
nur, nachdem eine Dyspepsie dieser Erkrankung den Boden geschaffen 
hat. Lange, d. h. oft Tage vorher schon haben in solchen Fällen 
Symptome von ‚ Dyspepsie bestanden, insbesondere Unruhe und Er- 
brechen. Letzteres sei noch besonders betont! Das Speikind ist kein 
Gedeihkind, sondern ein krankes — jedes Erbrechen ist Krankheits- 
symptom und wenn Speikinder doch gelegentlich gedeihen, so gedeihen 
sie eben trotz des Erbrechens. Und sehen wir zu, unter welchen Um- 
ständen solches beobachtet wird, so finden wir, dass es namentlich 
Brustkinder sind, die speien und doch ausgezeichnet gedeihen können, 

Die Erklärung liest hier in der wesentlichen Differenz der Nähr- 
mittel hinsichtlich ihrer Verdaulichkeit; ein leicht erkranktes Kind kann 
Muttermilch noch sehr gut verdauen und dabei wachsen, Kuhmilch aber 
nicht und während bei Brustmilch leichte Dyspepsien spontan ausheilen, 
ehe die Gewichtscurve eine Zacke zeigt, cumuliren sich die Schädlich- 
keiten bei Kuhmilchernährung und das Kind wird nicht nur nicht gesund, 
wenn keine Regelung ') der Diät Platz greift, sondern zeigt bald weitere 
Krankheitssymptome bis zu gesteigerten Körpertemperaturen, krankhaften 
Veränderungen der Fäces und — Soor. In beiden Gruppen ist die 
häufige Appetitverminderung ein wichtiger Factor für die spontane Aus- 
heilung der Dyspepsie. 

Schwerere Erkrankungen — etwa mit profusen Diarrhoeen etc. bleiben 
hier ganz ausser Betrachtung, denn diese — meist bacterieller Natur — 
entstehen erst auf dem Boden der Dyspepsie, die noch vielfach ver- 
nachlässigt wird. Dass wir an unseren 1200 Kindern nur einmal pro- 
fuse Diarrhoeen. gesehen haben und unter diesen Kindern eine grosse 
Zahl mehrere Monate ja bis zu einem Jahre beobachtet sind, beweist 


!) Unter Regelung der Diät ist Einhaltung dreistündiger Pausen zu verstehen, 
die oft noch verlängert werden müssen bis zur absoluten Hungerkur, bei welcher 
in 12—24 Stunden nur gekochtes Wasser oder schwacher Thee gegeben wird; als 
Arznei wird dabei Acid. hydrochlor. dil. 0,5: a Theelöffelweise mehrmals 
täglich gereicht. 


I. Abtheilung. Medicinische Section. 119 


nicht, dass wir nur keimfreie Milch verfüttert haben, sondern allenfalls, 
dass wir bemüht waren, jede Dyspepsie im Entstehen zu unterdrücken. 

In dieser Auffassung und rigorosen Diagnose der Dyspepsie liegt 
die Motivirung der von uns gewonnenen oben dargelegten Auffassung 
und die Häufigkeit selbst auch der leichtesten Dyspepsien möchten wir 
für einen wichtigen Anhaltspunkt zur Beurtheilung eines Nährmittels halten. 

Da ich leider in den ersten Beobachtungsreihen die Dyspepsien 
nicht so sorgfältig aufgezeichnet habe, um ein Zahlenverhältniss notiren 
zu können, muss ich mich darauf beschränken, die Häufigkeit der Rück- 
fälle zur Charakteristik der Kuhmilchresultate heranzuziehen und finde, 
dass hierbei Gewichtsabnahmen überhaupt in 88,2 %/, der Fälle ver- 
zeichnet sind, während bei Muttermilchernährung 45,5 %/, der Kinder 
diese Erscheinung darboten. Mehr als einmal waren rückfällig 79,4 °, 
der künstlich genährten, 18,9 °/, der natürlich genährten Kinder, mehr 
als zweimal aber zeigten geringeres Gewicht gegenüber dem vorher- 
gehenden Tage nur 1,5 °/, der Brustkinder, dagegen 50,0 %, der Kuh- 
milchkinder. 

Endlich sei noch mitgetheili, dass den künstlich genährten Kindern 
am neunten Tage 232,8 (Milch zu Wasser — 1: 5) resp. 188,4 d.h. 
7,2%, resp. 5,8%, des Anfangsgewichts fehlten, während die entsprechenden 
Zahlen bei natürlicher Ernährung 37,9 g resp. 1,1 °, sind. 

Dieses mag nun genügen, um die Resultate der künstlichen Er- 
nährung als wenig befriedigend zu bezeichnen und es gerechtfertigt er- 
scheinen zu lassen, dass wir zunächst für die ersten zehn Tage einen 
Versuch mit anderen Nährmitteln gemacht haben, um dann gleichzeitig 
möglichst viel Dauerbeobachtungon anzuschliessen. 

Als gut motivirt erschien uns und für den ersten Versuch geeignet, 
die sogenannte Gärtner’sche Fettmilch, deren Zubereitung und Sterili- 
sation an dieser Stelle übergangen werden kann. 

Die Darreichung geschah nach Art der sonstigen Soxhletfütterung 
mit dem Unterschiede, dass die Milch nach Vertheilung in Portions- 
flaschen nur eben aufgekocht wurde; vielfache Beobachtungen und 
Prüfungen des Geruchs, Geschmackes und Aussehens der Milch haben 
ergeben, dass die gelieferte Fettmilch so gut sterilisirt war, als das 
eben möglich war. In Rücksicht auf die Untersuchungen Flügge’s, die 
den Nachweis gebracht haben, dass bei der angewendeten Sterilisation 
„wirklich keimfreie‘“ Milch nicht erzielt werden kann, wurde die Milch 
möglichst frisch nach der Zubereitung und Sterilisation verbraucht und 
bis dahin kühl gehalten; seit dem September wurde auf unsere Ver- 
anlassung in der Nipper’schen Molkerei die Milch nach der Erhitzung 
schnell gekühlt und in Eis uns zugesandt, bei uns weiter im Eisschrank 
aufbewahrt. Die Resultate der Versuche waren bei Weitem befriedigender 
als bei der bisherigen künstlichen Ernährung. | 


120 Jahresbericht der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. 


Ich muss mich: im Referat darauf beschränken, zum Vergleich mit 
den obengenannten Zahlen die entsprechenden bei Fettmilch gewonnenen 
hier zu notiren. Die 16 Curventafeln, an denen ich die gewonnenen 
Beobachtungen in detaillirter Weise darlegen konnte, kommen an an- 
derer Stelle zur Veröffentlichung. Hier mögen zwei jener Tafeln zur 
Orientirung Platz finden. 

Hinsichtlich der Dyspepsien bei dieser Ernährung ist als ausgezeich- 
netes Resultat zu verzeichnen, dass 39,1 °/, aller Kinder (50) überhaupt 
nur Erscheinungen meist schnell vorübergehender Dyspepsien zeisten, 
wobei ich nicht unterlasse zu betonen, dass jedes Erbrechen als Krankheits- 
symptom mitgerechnet ist. Gewichtsrückfälle ohne Rücksicht auf 
diagnostieirte Dyspepsien sind notirt in 45,6 °/, der Fälle (45,5 bei 
Muttermilch); mehr als einmal haben abgenommen 21,7 °/, (Muttermilch 
18,9 %,, Kuhmilch 79,4 °/,), mehr als zweimal nur 4,3 °/, der Kinder 
(Muttermilch 1,5, .Kuhmilch 50,0 °,). Diese Zahlen stellen die Fettmilch- 
ernährung in ein sehr günstiges Licht, besonders wenn ich darauf hin- 


A 181 Kinder, Muttermilch. B 50 Kinder Fettmilch. 

C 39 Kinder Kuhmilch (1 : 1). D 56 Kinder Kuhmilch (1: 3). 
gemacht sind, und zu dieser Zeit Lufttemperaturen bis 33°C. vor- 
gekommen sind. 


== 
S 
E 
- 
= 
Ss 
. 
S 
2 
Rı= 
= 
a 
nn 


I. Abtheilung. Medieinische Section. 2 


Am neunten Tage fehlten den Fettmilchkindern 3,2 °/, des Anfangs- 
gewichts, gegen 6,1 resp. 5,9 %/, bei den gleichzeitigen Kuhmilchkindern. An 
der Tafel I lässt sich ersehen, um wie viel näher die Fettmilcheurve B 
der Muttermilcheurve A kommt, als die Curven C (Milch : Wasser =1:3 
mit Zusatz von Kalkwasser) und D (Mischung 1:1). Die geringere Ab- 
nahme bei Fettmilchernährung erklärt sich dadurch, dass die bei künst- 
licher Ernährung vorhandene Möglichkeit reichlicher Nahrungszufuhr 
hier auch gut assimilirbare Nahrung bot, während die Kinder Erst- 
sebärender bei Brusternährung anfangs oft auf sehr knapper Diät sind. 
Die geringere Tauglichkeit der gewöhnlichen Kuhmilch spricht sieh darin 
aus, dass die physiologische Abnahme ungehindert ihr Maximum erreicht 
und der Zuwachs in den folgenden Tagen ein minimaler ist. Die Tendenz 
zur Zunahme aber zeigt sich ausnahmslos bei allen Ernährungsarten im 
Durehschnitt am vierten resp. bei stärker verdünnter Kuhmilch am fünften 
Tage. 


zeichnet und beziehen sich auf 181 Brustkinder, 50 Fettmilchkinder, 39 
resp. 56 Kuhmilchkinder. Auf der zweiten Tafel sind die Gewichts- 
eurven der Brustkinder und der mit zu gleichen Theilen mit Wasser 


gemischten Kuhmilch in Vergleich gesetzt mit den Curven derjenigen 


13 Kinder, die an irgend einem Tage Erscheinungen von Dyspepsien 
gezeigt haben und der 28 Kinder, die als stets gesund angesehen worden 
sind. (5 Kinder wurden als zweifelhaft ausser Betrachtung gelassen.) 


122 Jahresbericht der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. 


Diese Tafel zeigt, dass die gesund gebliebenen Kinder bis zum 
zehnten Tage genau so weit gekommen waren, wie die Brustkinder, dass 
die kranken immer noch bei Weitem besser gewachsen sind, als die mit 
Kuhmilch genährten; bei letzteren sind zur Durchschnittsberechnung alle 
auch gesunden Kinder verwendet worden. Die tägliche Zunahme der 
Kuhmilchkinder beläuft sich hierbei auf 2,6 g pro die, während die 
kranken Fettmilchkinder 9,6 g pro die zugenommen haben; die ge- 
sunden wuchsen um 23,0 g täglich; die Brustkinder nahmen, wie vorher 
bereits erwähnt, anfangs mehr ab, erreichten jedoch mit einer täglichen 
Zunahme von 52,8 g dieselbe Höhe. 

Zum Schluss sei darauf hingewiesen, dass an den demonstrirten 
Curven gezeigt werden konnte, dass Nahrungswechsel mit Fettmilch ohne 
Schaden vorgenommen werden konnte; insbesondere wuchsen Brustkinder, 
abgesetzt und mit Fettmilch weitergenährt, ungestört fort. Ebenso 
konnte gezeigt werden, dass ein gutes Gedeihen sämmtlicher Kinder, die 
längere Zeit in Beobachtung waren, bei Fettmilch leichter und sicherer 
zu erzielen war, als sonst bei künstlicher Ernährung. Insbesondere ist 
es gelungen, drei frühgeborene Kinder von 1610, 1700 und 1800 g An- 
fangsgewicht nicht nur zu erhalten, sondern auch in erfreulicher Weise 
wachsen zu sehen; das eine (1610) ist noch jetzt in Beobachtung, wiegt 
— eben 6 Monate alt — 3400 g, nachdem es im fünften Monat eine 
fast 2 Wochen währende Dyspepsie durchgemacht hatte, wobei Erbrechen 
bestand, stinkende Fäces, die bis viermal täglich entleert wurden und 
allerdings nur einmalige Temperatursteigerung über 38,0 notirt worden 
ist. In der ganzen Zeit, während welcher diese Erscheinungen anhielten, 
war die Reaction der Fäces nicht sauer, sondern neutral oder alkalisch; 
sonst sind Fettmilchstühle stets geruchlos und sauer und gleichen auch 
im Aussehen, Menge, Consistenz vollkommen den Brustmilchstühlen. 
Eines dieser kleinen Kinder starb plötzlich im vierten Lebensmonat, 
ohne dass eine Krankheitserscheinung constatirt worden war; es hatte 
am letzten Tage noch 20 g zugenommen, Es gehört dieser Todesfall 
in die Gruppe derjenigen, die besonders bei Frühgeborenen mehrfach 
beobachtet ist, auch wenn sie an der Mutterbrust genährt werden. Ge- 
meinhin wird die sogenannte „Lebensschwäche“ in solchen Fällen als 
Todesursache angenommen; wissenschaftlicher dürfte die Annahme einer 
wenn auch leichten Darmsepsis und Intoxication mit direeter Schädigung 
des Herzens sein. Erwähne ich noch, dass ausgetragene Kinder im 
Laufe von Monaten regelmässig einen täglichen Zuwachs zeigten, ins- 
besondere eines mit einem Anfangsgewicht von noch nicht 3000 g die- 
selben Gewichtsverhältnisse zeigte, wie das Ahlfeld’sche Muttermilchkind, 
so glaube ich mit guter Motivirung die Fettmilch zu künstlicher Er- 
nährung getrost empfehlen zu können. Genauere Daten über die kurz 
mitgetheilten Beobachtungen werden im Jahrbuch für Kinderheilkunde 
erscheinen. 


I. Abtheilung. Medieinische Section. 123 


Diseussion: 
Herr Dr. Baumm referirt über günstige Erfahrung mit Ernährung 
mit der der Gärtner’schen Fettmilch ähnlichen Milch der Breslauer 
Molkereigenossenschaft in der hiesigen Hebammenanstalt. 


Herr Prof. Röhmann fragt, ob Stoffwechsel-Untersuchungen bei 
den einzelnen Ernährungsarten vorgenommen worden sind. 


Herr Dr. Toeplitz hat auch gute Resultate bei Kuhmilchernährung 
und fortschreitende Gewichtszunahme gesehen. 


Herr Prof. Czerny. Untersuchungsergebniss der Milch der Molkerei- 
genossenschaft. 


Herr Dr. Schmeidler hat die Fettmilch von Kindern refüsiren 
sehen, weil Butterklumpen darin herumschwammen. 


Herr Dr. Courant fragt, ob Untersuchungen der Gärtner’schen 
Milch angestellt worden sind. 


Herr Geh. Rath Ponfick spricht über die Ursachen des plötzlichen 
Todes bei Kindern mit Bezug auf einen im Vortrage des Herrn Dr. Keil- 
mann erwähnten derartigen Fall. 


17. Sitzung vom 1. November 1895. 
Vorsitzender: Herr Geh. Rath Mikuliecz. Schriftführer: Herr Dr. Tietze. 


Tagesordnung: 
1) Herr Dr. Thiemich: 


Ueber künstliche Ernährung magendarmkranker Säuglinge. 


M. H., in der vorigen Sitzung hat Herr College Keilmann Ihnen 
recht günstige Erfahrungen über Gärtner’sche Fettmilch als Nährmittel 
für Neugeborene vorgelegt. Die Resultate, welche ich Ihnen heut vor- 
zuführen die Ehre habe, sind auch mit Gärtner’scher Fettmilch erzielt, 
unterscheiden sich aber sehr wesentlich von Keilmann’s Ergebnissen 
dadurch, dass sie alle an mehr oder weniger magendarmkranken Kindern 
gewonnen wurden. 


Was zunächst die verwendete Milch angeht, so wurde schon in der 
vorigen Sitzung constatirt, dass die von der Breslauer Molkerei gelieferte 
sterilisirte Kindermilch dieselbe Zusammensetzung in Bezug auf Eiweiss, 
Fett und Zucker besitzt, wie die Gärtner’sche Fettmilch, für deren 
Herstellung die Nipperner Molkerei das Patent erworben hat. Wir 
haben von beiden Fabrikaten fortlaufend an Stichproben den Stickstoff- 
gehalt nach der Methode von Kjedahl, das Fett nach der acid-butyro- 
metrischen Methode von N. Gerber bestimmt, welche bei bequemer 
Ausführung sehr siehere Resultate ergiebt. Es zeigte sich, dass der 


124 | Jahresbericht der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. 


Eiweissgehalt, wenn: wir die gefundenen Stickstoffwerthe durch Multipli- 
cation mit dem Faetor 6,25 in Eiweiss umrechneten, zwischen 1,79 °/, 
und 1,52 /, schwankte, der Fettgehalt zwischen 2,6 °/, und 3,5 %,. Die 


Gesammtacidität betrug für 50 ce Milch nie mehr als 1,8—2,0 cc 7 


NaOH, während noch das Doppelte für zulässig gilt. 

In die wichtige Frage nach dem Bacteriengehalte unserer Milch 
haben wir uns nicht genauer eingelassen, da wir, auf poliklinische Be- 
obachtungen angewiesen und genöthigt, die Milch in '/,-Literflaschen ab- 
zugeben, für eine genügende Sterilität der Milch keinerlei Sicherheit 
hatten, auch falls jede uneröffnete Flasche ideal sterilisirt gewesen wäre. 
Als Resultat unserer wenig zahlreichen Versuche in dieser Richtung 
ergab sich, dass die Milch nicht absolut keimfrei, aber doch soweit 
sterilisirt war, dass manche Flasche noch nach 5—6 Tage langem Auf- 
enthalt im Brütofen bei 37,0° in Aussehen, Geruch und Geschmack un- 
verändert war, während allerdings sich der grösste Theil der Proben 
schon nach 1—5 Tagen verdorben zeigte. Von der frisch gelieferten 
Milch haben wir einige Male Agar-Agarplatten gegossen und in 0,5 resp. 
1,0 ce Milch meist keine, selten vereinzelte Keime gefunden. — — 
Dass den Müttern grösste Sorgfalt beim Umfüllen in die Saugflaschen 
und kühle Aufbewahrung der Milch eingeschärft wurde, ist selbstver- 
ständlich; übrigens haben die meisten Mütter schon aus lieber Gewohn- 
heit die Milch unmittelbar vor dem Gebrauch noch einmal aufgekocht. 
Sauer oder bitter gewordene Milch durfte natürlich nicht verwendet 
werden. 

Die Milchmahlzeiten wurden nach unserer Anordnung 4stündlich 
gegeben, die Tagesmenge betrug /,—1'/, Liter, entsprechend dem Nah- 
rungsbedürfniss des Säuglings. Durch dieses allein und durch die Pausen 
wurde auch die Nahrungsaufnahme regulirt. Eine Einschränkung der 
Milchmenge für jede einzelne Mahlzeit wurde nur im äussersten Noth- 
falle angeordnet, wenn bei kräftigen, gierig trinkenden Kindern sich 
längere Zeit lehmige, derbe Stühle zeigten. Dagegen haben wir die 
Fettmilch mitunter verdünnen lassen. Dass eine Milch, welche der 
Frauenmilch so weit wie möglich ähnlich gemacht wurde, eigentlich 
unverdünnt verfüttert werden soll, ist einleuchtend, und in der That hat 
Herr College Keilmann selbst von frühgeborenen Säuglingen die unver- 
dünnte Fettmilch gut vertragen sehen. Indessen für den chronisch kranken 
Magendarmkanal liegt die Sache doch anders. Kinder, welche bei sehr 
 verdünnter Kuhmilch und selbst wenn reichlich Fett, z. B. in Form von 
Leberthran, zugegeben wird, stets obstipirt sind und seltene, lehmig-derbe 
intensiv nach Fäulnissproducten riechende Stühle entleeren, solche Kinder 
können auch den Caseingehalt der Fettmilch nicht bewältigen. Hier 
muss man die Milch verdünnen lassen und die Verminderung des Fettes 


I. Abtheilung. Medicinische Section. 125 


und Zuckers in Kauf nehmen. Dass diese Nahrung ausreichend, d.h. 
keine Hungerdiät ist, beweist vor Allem in einfachster Weise die Be- 
trachtung der Stühle, in manchen Fällen auch das Ansteigen der Körper- 
gewichtscurve, 


Im Allgemeinen waren die Stühle von recht guter Beschaffenheit, 
weich, gelb, ziemlich homogen, so dass sie bei manchen ‚Kindern von 
normalem Brustmilchstuhl nicht zu unterscheiden waren. Dass daneben 
bei mehr kranken Kindern alle möglichen Formen pathologischer Stühle 
zur Beobachtung kamen, bedarf kaum der Erwähnung. 


Unsere Versuche wurden Ende März begonnen und es ist seitdem 
eine grosse Zahl von Kindern, welche, wie ich wieder betonen muss, 
alle mehr oder weniger magendarmkrank waren, mit Fettmilch ernährt 
worden. Der Umstand, dass wir meist auf poliklinische Beobachtungen 
angewiesen waren, bringt es mit sich, dass von allen diesen Kindern 
nur 37 zur Beurtheilung der Fettmilch herangezogen werden können. 
Einige starben schon in den allerersten Tagen nach Beginn der Fett- 
milchernährung: es waren das so schwer kranke Kinder, dass man dem 
Nährmittel hier keine Schuld beimessen darf, andere blieben nach kurzer 
Zeit aus diesem oder jenem Grunde aus der Beobachtung fort, bei einer 
dritten Gruppe endlich wurde von unserer Seite wegen constatirter Un- 
folssamkeit der Mütter oder Pflegefrauen der Versuch abgebrochen. 
Alle diese Fälle haben für unsere Frage kein Interesse, wohl aber 
dürfen die übrigen als vollwiegendes Beweismaterial angesehen werden. 
Zwar dass man poliklinische Beobachtungen nur mit Vorsicht auf- 
nehmen darf, darüber waren wir uns von Anfang an klar. Da uns aber 
beim Beginn unserer Versuche hunderte von poliklinisch gewonnenen 
Körpergewichtscurven anders genährter Säuglinge vorlagen, wir also in 
der Deutung solcher Ergebnisse keine Neulinge waren, da andererseits nur 
solche Kinder verwerthet wurden, deren Mütter einen sauberen und 
ordentlichen Eindruck machten und drittens, da wir durch tägliche Be- 
trachtung der Stühle uns eventuell mikroskopisch überzeugen konnten, 
ob andere, speciell stärkehaltige Nährmittel zugefüttert wurden, so 
glauben wir genügend gegen grobe Täuschungen gesichert und berechtigt 
zu sein, unsere Beobachtungen znnächst an diesem Orte vorzulegen. 


Bemerken muss ich noch, dass es an unserer Klinik nicht üblich 
ist, die Magendarmaffeetionen nach dem hauptsächlich betroffen scheinen- 
den Theile als bestimmte Krankheitsbilder zu trennen. Wir scheiden 
nur zwischen Dyspepsie und Gastroenteritis und verstehen unter Dyspepsie 
‘ein auf den Magendarmkanal beschränktes Leiden, unter Gastroenteritis 
die mannigfaltigen, durch Allgemein-Intoxication oder -Infection gastro- 
intestinalen Ursprungs bedingten Krankheitsbilder. Weiter wird nur in 
acute und chronische Kranke geschieden, 


196 Jahresbericht der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. 


Ehe ich Ihnen ‚nun unsere Resultate in Form von Körpergewichts- 
curven vorführe, bin ich Ihnen eine Erklärung darüber schuldig, mit 
welchem Rechte die Körpergewichtsverhältnisse als Maassstab für das 
Gedeihen eines Kindes, für die Leistungsfähigkeit eines Nährmittels ver- 
wendet werden. Dass diese Methode der Ergänzung durch den Stoff- 
wechselversuch, welcher allein in exaeter Weise über die Ausnutzung 
einer Nahrung Auskunft giebt, bedürftig ist, das ist von vorherein zuzu- 
geben. Wenn man aber bedenkt, dass die technischen Schwierigkeiten, 
Koth und Harn getrennt und ohne Verlust aufzufangen, beim Säugling 
sehr gross sind, wenn man zweitens bedenkt, dass die wenig zahlreichen 
derartigen Versuche, welche in der Literatur vorliegen, ausnahmslos mit 
der Fehlerquelle des sogen. Stickstoffdefieits rechnen mussten und weiter, 
dass derartige Versuche, eben der technischen Schwierigkeit halber, 
stets nur wenige Tage hintereinander durchgeführt wurden, so wird man 
einer einfachen klinischen Methode Gerechtigkeit angedeihen lassen, 
Ausserdem sind wir ja auf die nackten Gewichtszahlen nicht angewiesen. 
Wir hören in der Anamnese von vorausgegangenen Krankheitssymptomen, 
wir sehen bei der Inspection die Entwickelung des Knochensystems, der 
Musculatur und des Fettpolsters, kurz den augenblicklichen Ernährungs- 
zustand des Kindes, wir wissen also, ob wir ein acut oder ein chronisch 
krankes Kind vor uns haben. Das ist für unser Urtheil sehr wichtig. 
Sehen wir z. B. ein Kind von 3 Monaten mit 5000 g Körpergewicht 
bei einer bestimmten Ernährung einen Monat hindurch täglich um 10 g 
zunehmen, so ist das ganz anders zu beurtheilen, als wenn die gleiche 
Zunahme bei sonst gleichen Verhältnissen ein gleich altes Kind von 
2500 g Körpergewicht betrifft. Im ersten Falle haben wir ein ganz 
ungenügendes, im zweiten ein befriedigendes Ernährungs - Resultat 
erreicht. 

Schwerer noch sind schlechte Resultate zu beurtheilen; denn da wir 
wissen, dass nicht jedes magendarmkranke Kind bei regelrecht durchge- 
führter Brustmilchernährung zu erhalten ist und da wir andererseits bis- 
her kein diagnostisches Mittel in der Hand haben, um diesen Zustand, 
in dem ein Kind überhaupt nicht mehr ernährbar ist, mit Sicherheit zu 
erkennen, so dürfen wir nicht jeden unglücklichen Ausgang dem Nähr- 
mittel zur Last legen. Die Prognose einer Magendarmaffection wird sich 
bei künstlicher Ernährung selten am ersten Tage stellen lassen, sondern 
sie ist sehr abhängig von dem Verlauf schon in den ersten Beobachtungs- 
tagen und so sind wir begreiflicherweise nur in wenigen Fällen und mit 
grosser Vorsicht berechtigt, zu sagen, in diesem oder jenem Falle hätte 
die künstliche Ernährung dieses oder jenes leisten müssen, 

Das ist, scheint uns, ein sehr wesentlicher Punkt. 

Es wurde in der vorigen Sitzung davon gesprochen, dass man mit 
Kuhmilchverdünnungen gute Resultate erzielen könne. Zum Beweise 


I. Abtheilung. Medicinische Section. 127 


dafür, dass auch uns solche Erfahrungen nicht fremd sind, möchte ich 
Ihnen bier als ein Beispiel für viele die nachstehende Gewichtscurve 
eines in dieser Weise ernährten Kindes aus unserer poliklinischen Be- 
obachtung vorführen. 


Die Curve betrifft ein mit verdünnter Kuhmilch ernährtes Kind, 
welches im Alter von 3 Monaten magendarmkrank in unsere Behandlung 
kam. Mit geringen Schwankungen im Anfang steigt das Körpergewicht 
um 18,5 g täglich während der fast 7 Monate betragenden Beobachtungs- 
zeit. In der zweiten Hälfte des Mai und der ersten Hälfte des Juni 
bestanden unter gleichzeitigem Körpergewichts-Stillstand unverkennbare 
Magendarmstörungen, 


Immerhin ist dieses Resultat als ein recht befriedigendes zu be- 
zeichnen und wenn die überwiegende Mehrzahl der mit Kuhmilch ge- 
nährten Kinder ähnliche Verhältnisse darböte, so wäre kein Grund vor- 
handen, rastlos nach Besserem zu suchen. 


Indessen, um Ihnen zu beweisen, wie erheblich anders die Sachlage 
ist, bedarf es nur dieser Mortalitätstabelle für das erste Lebensjahr, 
welche für einige grössere europäische Städte über die Jahre 18830 
bis 1885 zusammengestellt ist. Die Säuglings- Mortalität schwankt 
zwischen 120 (Lyon) und 340 (München) Todesfälle auf 1000 Geburten. 


128‘ Jahresbericht der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. 


Der ausschlaggebende Unterschied 
beruht nur auf dem Verhältniss 
der künstlich genährten zu den 
an der Mutterbrust aufgezogenen 
Kindern. Lyon, wo sehr viel ge- 
stillt wird, bietet die kleinste, 
München, wo sehr wenig gestillt 
wird, die grösste Säuglingssterb- 
lichkeit dar; Beweis genug, wie ge- 
fährdet ein künstlich genährtes Kind 
ist,eben durch die Ernährung selbst. 

Auf unserer Tabelle ist übrigens 
auch Breslau aufgetragen und be- 
sonders durch die weisse Farbe 
hervorgehoben; es gehört zu den 
am ungünstigsten gestellten Städten 
mit geringer Brustkinderzahl. 

Wenn ich Ihnen nun unsere 
Fettmilch-Resultate vorführen soll, 
so möchte ich dies in der Weise 
thun, dass ich möglichst gleich- 
artige Fälle gruppenweise zu- 
sammenstelle und Ihnen je einen 
derselben als Typus vorführe. Denn um Durchschnittscurven zu ge- 
statten, ist mein Material zu klein und zu ungleichartig; alle wesent- 
lichen Punkte würden sich verwischen. 

Die erste Curve hier, als Typus der ersten Gruppe, gehört einem 
Kinde an, das im November 1894 7 Wochen alt in unsere Behandlung 
trat und seit dieser Zeit fortlaufend in Beobachtung ist. Bis Anfang 
Juni wurde es mit Kuhmilchverdünnungen ernährt, die tägliche Zu- 
nahme betrug im Durchschnitt 5,6 g. Von da ab wurde Fettmilch ver- _ 
abreicht: das Kind, das vorher stets lehmige, derbe Stühle hatte, 
zeigte nun meist normale weiche Entleerungen und nahm im Durch- 
schnitt um 17,2g täglich zu. Wenn auch das Kind vor Beginn der 
Fettmilchernährung nicht als schwer magendarmkrank betrachtet werden 
kann, so war es doch ganz gewiss nicht magendarmgesund; das zeigt 
die geringe Zunahme des Gewichts, das zeigt die bestehende Obstipation. 
Demgegenüber ist das Resultat der Fettmilchernährung als ein durchaus 
günstiges zu bezeichnen. 

Eine zweite Curve hier gehört einem Kinde an, welches 11 Wochen 
alt in Behandlung trat mit den Erscheinungen einer frischen Magendarm- 
erkrankung. Das Körpergewicht fällt anfangs bei Ernährung mit ver- 
dünnter Kuhmilch, steigt aber vom Momente der Fettmilchernährung 


u MOSE 
Zei. SH 
= ERS 


I. Abtheilung. Medicinische Section. 129 


(12. Juli) an 2', Monat hindurch um 22'/, g täglich, also in ganz be- 
friedigender Weise. 
ArK re Curt H 


Den nächsten Typus repräsentirt diese Curve hier. Das Kind, zu 
dem sie gehört, war 7 Wochen alt, sichtlich abgemagert. Schon am 
dritten Beobachtungstage, am 25. Juli 1895, wurde die Fettmilchernäh- 
rung begonnen. Nach länger als einem Monat hat das Körpergewicht 
trotz grosser Schwankungen sein Anfangsgewicht nicht überschritten, 
erst allmählich tritt bei qualitativ und quantitativ völlig gleicher Er- 
nährung Gewichtszunahme und Restitution des kranken Magendarmkanals 
ein. Wenn wir in diesem und in den ähnlichen Fällen nach dem Ein- 
fluss der Fettmilch fragen, so müssen wir sagen, dass dieselbe von An- 

1895. 5) 


30. Jahresbericht der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. 


fang an die zur Ernährung des Kindes nöthigen und brauchbaren Stoffe 
in der erforderlichen Menge enthielt, dass aber die Magendarmerkrankung 
die genügende Ausnutzung derselben unmöglich machte. Dem kranken 
Darm aber seine Restitutio ad integrum ermöglicht zu haben, diese 
günstige Wirkung ist ebenfalls der Fettmilch zuzuschreiben. 

Pauline & In einer andern grossen 

— Gruppe von Fällen, von der 
ich Ihnen hier einen Typus 
vorführe, hat die Fettmilch 
diesen letzteren Effect nicht 
gehabt. Im vorliegenden Falle, 
welcher ein 6 Wochen altes 
Kind betrifft, bei dem von der 
10. Woche an die Fettmilch 
verabreicht wurde, scheint bis 
Mitte Juli unter ganz langsamer 
Gewichtszunahme die Aus- 
heilung des Darmes sich anzu- 
bahnen, statt aber weitere Zu- 
nahme aufzuweisen, fällt das Körpergewicht von da an rasch und un- 
aufhaltsam bis zum Tode ab. Zu bedenken ist hierbei, was wir vorhin bei 
der Beurtheilung schlechter Ernährungsresultate besprochen haben, in- 
dessen gestattete doch der erste, bis Mitte Juli reichende Verlauf des Er- 
nährungsversuches dem Kinde, trotz seiner schweren Magendarm- 
störung, eine günstigere Prognose zu stellen, als sie durch den that- 
sächlichen Ausgang bestätigt ist. 

Schwerer noch fallen die Fälle des folgenden Typus ins Gewicht. 

Ein 12 Tage altes Brustkind wird wegen starken Colostrumgehaltes 
der Muttermilch abgestillt; es ist dyspeptisch geworden und zeigt nur 
geringe Gewichtszunahme drei Wochen hindurch. Am 
14. Juli beginnt unter schweren Magendarmerschei- 


nungen ein durch keine Therapie aufzuhaltender, 
ie 7 Tage dauernder Gewichtsabfall, der mit dem Tode 
% 


des Kindes endet. Dass es sich hier um die Folge 
einer in Zersetzung begriffenen, sehr bacterienreichen 
Miich gehandelt hat, ist sehr wahrscheinlich. Mehrere 
‘ unserer Kinder sind auf diese Weise zu Grunde ge- 
3000 ; 


gangen und bei anderen sehen wir im Verlauf der 
Gewichtseurve ähnliche steile Abfälle, welche durch 
schwere gastrointestinale oder Allgemeinsymptome 
veranlasst sind. Ein constanter Zusammenhang , 
2000 dieser Ereignisse mit abnorm hohen Temperaturen 
lässt sich nicht nachweisen, wenn er auch für einen Theil der Fälle 
nicht bedeutungslos sein mag. 


I. Abtheilung. Mediecinische Section. 131 


sooo] Mai] Tann IT Jun _T Aueust Tiotnder T Gefber 


SEEN 
LLITW 


Schliesslich habe ich hier eine Gruppe von 5 Kindern, welche durch 
folgenden Typus repräsentirt werden. Wochen oder Monate hindurch 
wird das Kind, welches krank in Behandlung kommt, mit Fettmilch 
ernährt; der Magendarmkanal restituirt sich nicht, die dyspeptischen 
Symptome dauern an, das Körpergewicht nimmt ab oder zeigt günstigen 
Falles Stillstand. Unter irgend welchem Vorwande bleiben die Mütter 
fort, ernähren die Kinder nach eigenem Gutdünken mit verdünnter Kuh- 
milch und Haferschleim, Gries, Reis, Semmel, Zwieback u.s. w. und vom 
Momente an werden die Magendarmstörungen langsam behoben, steigt 
das Körpergewicht fast täglich an. Damit scheint für den Unerfahrenen 
die Frage der künstlichen Ernährung geslöst zu sein; was giebt es Ein- 
facheres und Billigeres als Marktmilch und Hafersuppen? Wer indess 
weiss, dass, wenn man ganze Serien von kranken Kindern wahllos in 
dieser Weise ernährt, die Resultate sogar schlechter sind, als mit anderen 
Methoden, der wird in seinen Schlussfolgerungen sehr viel vorsichtiger 
sein. 5 gute Resultate sind wohl mit jeder Ernährung bisher erzielt 
worden; das ist kein Maassstab für den Werth derselben. Worauf es 
wesentlich ankommt, ist, dass eben so und so viele kranke Kinder mit 
keiner künstlichen Ernährung zu dauernder Gewichtszunahme zu bringen 
sind, während dies leicht gelingt, wenn man die Kinder an die Brust 
legt. _Und auf Grund der vorgelegten Beobachtungen muss ich mich dahin 
aussprechen, dass die Fettmilch nicht weniger leistet als irgend eine 
andere Art der künstlichen Ernährung, dass sie aber auch nicht mehr 
leistet und dass sie weit entfernt ist, das ideale, der Frauenmilch gleiche 
Nährmittel für den magendarmkranken Säugling zu sein, nach dem wir 
streben und das wir in der Fettmilch gewonnen hofften. 


3000 


Discussion: 
Herr Prof. Röhmann bezweifelt die Exactheit der bisher ausge- 
führten chemischen Untersuchungen der Fäces ete. Das müsse aber ge- 
fordert werden, wenn man zwei Nahrungsmittel mit einander vergleichen 


wolle. Er sieht auch den Grund nicht recht ein, warum die Gärtner- 
9* 


132. Jahresbericht der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. 


sche Milch so viel verdaulicher und bekömmlicher sein solle, als ge- 
wöhnliehe Kuhmilch. Die Differenzen zwischen beiden Arten seien nicht 
gar so gross und jedenfalls gleiche Gärtner’sche Milch entschieden 
nicht der Frauenmilch. 

Herr Prof. Neisser: Das Wichtigste ist nicht die Art der Aus- 
nutzung der Milch, sondern die Frage, welche Milch bekommt den Kindern 
am besten und bei welcher Nahrung gedeihen sie am besten. 

Herr Prof. Jacobi: In der That sind zwei Fragen zu trennen: 
1) bei welcher Nahrung nehmen die Kinder am meisten zu und 2) bei 
welcher Nahrung bezw. bei welchem Regime erkranken sie am meisten. 
Trennt man dies, so findet sich, dass ausser der Nahrung überhaupt noch 
ganz andere Momente hierbei in Frage kommen. Die Gärtner’sche Fett- 
milch ist zur Zeit zu theuer. 

Herr Dr. Toeplitz: Gärtner’sche Milch ist zu theuer. Des Redners 
eigene Erfahrungen sind der Milch ungünstig. Leider sei das Material 
von Dr. Thiemich zu ungleichmässig — schwere und leichte Erkran- 
kungen —, als dass man allgemeine Schlüsse auch auf die Anwendbar- 
keit der Gärtner’schen Milch ziehen könnte. 

Herr Prof. Czerny: Die Gärtner’sche Fettmilch gleicht in ihrer 
quantitativen Zusammensetzung in Bezug auf Wasser, Fett, Eiweiss und 
Zucker mehr der Frauenmilch als alle andern bisher angegebenen Milch- 
mischungen. Deshalb schien es geboten, mit dieser Milch Ernährungs- 
versuche vorzunehmen. Die an magendarmkranken Kindern erzielten 
Resultate kommen jedoch keineswegs den Erfolgen mit Frauenmilch 
gleich. Dies beweisen hauptsächlich jene Fälle, bei welchen es selbst 
bei monatelanger Ernährung mit Gärtner’scher Milch nicht gelingt, die 
Magendarmstörungen zum Schwinden zu bringen. Auch Czerny ist der 
Meinung, dass die Frage der Kinderernährung nicht einfach gelöst 
werden kann mit der Herstellung eines Nahrungsmittels. 

Herr Dr. Courant: Man könne gewiss auch die gewöhnliche Kuh- 
milch der Frauenmilch noch ähnlicher machen. 

Herr Prof. Buchwald fragt Herrn Dr. Thiemich, ob noch neben 
der Gärtner’schen Milch Arzneimittel gegeben worden seien, 

Herr Dr. Keilmann verwahrt sich gegen einen Vorwurf von Herrn 
Dr. Courant. 

Herr Dr. Gotschlich: Die Gärtner’sche Fettmilch ist nicht steril, 
wie man angenommen hat. 

Herr Dr. Callomon: Die verschiedenen Kuhmilcharten sind sicher 
verschieden und daher:kann man nicht einfache schematische Vorschriften 
aufstellen, | 

Herr Prof. Röhmann erwidert, dass wenigstens in Breslau die Kuh- 
milcharten ganz constant seien. Kalkwasserzusatz zur Milch sei an und 
für sieh rationell. Er glaubt im Gegensatz zu Prof. Czerny, dass 


I. Abtheilung. Medieinische Section. 133 


grade das Kasein leicht der Fäulniss widersteht und insofern sehr be- 
kömmlich sei. 


Herr Prot. Czerny weist auf die Angaben von Senator hin, dass 
bei normalen Brustkindern kein Indican im Harn nachzuweisen ist, wo- 
gegen bei künstlich genährten, insbesondere magendarmkranken Kindern 
fast regelmässig Indieanurie beobachtet wird. 


Herr Dr. Callomon wendet sich gegen die Antwort des Professor 
Röhmann. 


2) Herr Dr. Ephraim: 


Ueber directe Laryngoskopie. 


Es dürfte Ihnen aus den medieinischen Zeitschriften bekannt ge- 
worden sein, dass Kirstein vor Kurzem eine oder vielmehr zwei Me- 
thoden angegeben hat, mittelst deren es gelingt, den Kehlkopf und die 
Trachea des lebenden Menschen ohne Hilfe eines Spiegels oder einer 
spiegelartigen Vorrichtung zu besichtigen. Da die erste dieser Methoden 
wegen ihrer Umständlichkeit von dem Erfinder selbst aufgegeben worden 
ist, will ich mich lediglich mit der zweiten beschäftigen. K. ging von 
der täglich zu machenden Beobachtung aus, dass wir beim Niederdrücken 
des hinteren Zungenabschnitts die Epiglottis oft in ihrer vollen lingualen 
Fläche zu sehen bekommen, und von der Erwägung, dass es nur die 
Epiglottis und die Wölbung des Zungengrundes ist, welche den directen 
Einblick in den Kehlkopf versperrt. K.’s Bemühen, dieses Hinderniss 
zu beseitigen, war von einem Erfolge gekrönt, den ich für ausserordent- 
lich bedeutsam halte; denn es ist uns jetzt möglich, bei einer ziemlich 
srossen Zahl von Menschen ohne Schwieriekeiten und ohne erhebliche 
Belästigung derselben Kehlkopf und Luftröhre direet zu übersehen. 


Die Entdeckung K.’s ist um so bemerkenswerther, als das Instru- 
mentarium, welches erfordert wird, ausserordentlich einfach ist. Es 
besteht nur aus diesem schwach rinnenförmigen Spatel, dessen Handgriff 
im rechten Winkel angesetzt und dessen proximales Ende nach abwärts 
etwas abgebogen und halbkreisförmig ausgeschnitten ist. Hat man mit 
diesem Spatel die Zunge in toto herabgedrückt, so dass die Epiglottis 
sichtbar ist, so gelingt es durch Einschieben des abgebogenen Spatel-_ 
endes zwischen diese und die Zungenbasis und durch kräftigen Druck 
auf das somit bedeckte Lig. glosso-epiglossieum med., die Epiglottis so 
um ihre Transversalaxe zu drehen, dass sie sich in die Rinne des Spatels 
hineinlest. Damit ist das hauptsächlichste Hinderniss für den Einblick 
in den Larynx beseitist. Wenn man nun den Spatel so dirigirt, dass 
sein proximales Ende fest angedrückt stehen bleibt, während das distale 
sich den oberen Schneidezähnen des weitgeöffneten Mundes nähert, so 
gelingt es in vielen Fällen in der That, den gesammten Larynx und die 


134 Jahresbericht der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. 


ganze Trachea bis zur Bifurcation, ja auch ein Stück beider Bronchien 
klar und scharf zu übersehen. Als Lichtquelle lässt sich der Stirn- 
refleetor benutzen, der von einer gewöhnlichen Lampe beleuchtet wird. 
Bequemer freilich ist es, wenn man die Lichtquelle mit dem Spatel fest 
verbindet, wie es mit Hilfe des Casper’schen Elektroskops möglich ist. 
— Ich habe gefunden, dass es für die Besichtigung des Larynx im All- 
meinen nützlicher ist, wenn der Pat, den Kopf etwas in den Nacken 
legt und der Arzt vor demselben steht, während sich ein vollständiges 
Bild der Trachea bei sogenannter gerader Kopfhaltung des Patienten am 
leichtesten gewinnen lässt. 

Kirstein giebt nicht an, in einem wie grossen Theil der unter- 
suchten Fälle ihm der Anblick des Larynx möglich gewesen ist. Ich 
habe die Erfahrung gemacht, dass dies bei weiblichen Personen ungleich 
häufiger und leichter gelingt, als bei männlichen. Und zwar ist es 
weniger die grössere Empfindlichkeit der Zungenbasis, die hier in Frage 
kommt, als vielmehr die mangelhafte Beweglichkeit der Epiglottis, oft 
wohl auch eine starke Wölbung derselben, die uns im Wege ist. Ge- 
linst es nun nicht, den Kehldeckel so aufzurichten, wie es für einen 
freien Einblick nöthig ist, so. müssen wir uns damit begnügen, die 
Gegend der Aryknorpel, welche wohl immer, und den obersten Theil 
der hinteren Larynxwand, der allermeistens sichtbar wird, zu betrachten. 
Denn das Anheben der Epiglottis mit der Sonde nützt dann nach meiner 
Erfahrung ebensowenig, wie das von K. gleichfalls vorgeschlagene Herab- 
drücken derselben mit einem auf ihre Laryngealfläche gesetzten Spatel. 
Zur Aufrichtung des Kehldeckels mittelst eines durch denselben geführten 
Fadens — wieK. als ultimum refugium anräth — konnte ich mich nicht 
entschliessen, weil mir dieses etwas grausame Verfahren nur dann an- 
gezeigt erscheinen würde, wenn auch die Untersuchung mit dem Kehlkopf- 
spiegel misslänge. 

Was nun den Nutzen betrifft, den wir aus diesem neuen Verfahren 
voraussichtlich ziehen werden, so ist K. der Meinung, dass dasselbe einen 
revolutionären Process in der Laryngoskopie bedeute. Wenn er damit 
sagen will, dass der Kehlkopfspiegel im Begriff stehe, gestürzt zu werden, 
so kann ich bei aller Anerkennung, die ich für die bedeutsame Erfindung 
habe, diese Meinung nicht theilen. Die Vortheile, die dieselbe gewährt, 
sind von zweierlei Art. Erstens unterscheidet sich das auf direetem 
Wege gewonnene Bild des Kehlkopfs von dem Spiegelbilde desselben, 
wie K. mit Recht hervorhebt, durch eine viel grössere Körperlichkeit, 
durch greifbare Plastik. Dies beruht wohl darauf, dass wir auch die 
. Tiefenausdehnung der einzelnen Kehlkopftheile in ihren natürlichen Ver- 
hältnissen sehen, während dieselben im Spiegelbilde immer entstellt , 
sind und auf eine Ebene gebracht, nivellirt erscheinen. Zweitens ist 
hervorzuheben die Vorzüglichkeit, mit der das Verfahren die Besichtigung 


I. Abtheilung. Medicinische Section. 155 


der Kehlkopf-Hinterwand gestattet. Es ist für mich keinem Zweifel 
unterworfen, dass durch dasselbe alle anderen Methoden, auch die Kilian- 
sche, in den Schatten gestellt werden. 

Indess ist dies wohl der einzige Punkt, in welchem die Extensität 
des directen Bildes die des indireeten übertrifft. Vielmehr ist die Aus- 
dehnung des ersteren meistens eingeschränkt, da der Anblick der seit- 
lichen Kehlkopftheile, der Sin. pyrif., oft auch der aryepiglottischen 
Falten durch die seitlichen Partieen der Zunge, die vom Spatel nicht 
erfasst, sondern nach oben gedrängt sind, verlegt wird. Ein weiterer 
Nachtheil des Verfahrens ist der, dass die Belästigung der Untersuchten 
immerhin grösser ist, als der Kehlkopfspiegel sie verursacht, sowie der, 
dass der Einblick in den Kehlkopf doch nur in einem Theil der Fälle 
gelingt. 

Demnach geht meine Meinung dahin, dass das Kirstein’sche Ver- 
fahren von grossem Werth sein wird: 1) als Mittel für die physiologische 
Anschauung, 2) als eine vorzügliche Methode zur Besichtigung der Kehl- 
kopf-Hinterwand, 3) als diagnostisches Mittel in den Fällen, in denen 
uns der Kehlkopfspiegel mit Beziehung auf tiefendimensionale Verhält- 
nisse nicht sichere Klarheit verschafft (Ausdehnung und Ursprung von 
Geschwülsten, Höherstehen eines Stimmbandes etc... Dagegen glaube 
ich nicht, dass es sich für die gewöhnliche erste Untersuchung des Kehl- 
kopfs eignet. 

Ob das Verfahren auch für die Laryngotherapie einen Fortschritt 
bedeutet, muss wohl erst abgewartet werden; vorläufig glaube ich es 
nicht, abgesehen vielleicht von den Eingriffen, die durch Fremdkörper 
in der Trachea oder in den Anfangstheilen der Bronchien indieirt werden. 
Der Operateur muss in vielen Fällen eine nach vorn gebückte Stellung 
einnehmen, um den Larynx direct sehen zu können; eine Position, 
welche für eine sichere Führung der Hand recht ungünstig ist. Es ist 
ferner für den Rechtshänder nicht leicht und ohne besondere Uebung 
nicht möglich, mit der linken Hand diejenige Kraft mit der erforderlichen 
Sicherheit auszuüben, deren es zum Niederdrücken der Zunge oft bedarf. 
Vor Allem aber ist nicht einzusehen, inwiefern das Operiren ohne Hilfe 
des Spiegels, also mit geraden Instrumenten in therapeutischer Beziehung 
dem bisherigen Verfahren irgendwie überlegen ist, wenn es dasselbe. 
auch in technischer Beziehung, d. h. in Bezug auf leichte Erlernbarkeit 
übertrifft. 

Zum Schluss sei mir eine Bemerkung über den Namen gestattet, 
welchen der Erfinder seiner Methode gegeben hat. Er nennt dieselbe 
Autoskopie des Larynx und will damit sagen, dass wir mittelst derselben 
den Kehlkopf selbst und nicht sein Spiegelbild sehen. Man kann wohl 
annehmen, dass von vielen Unbefangenen nicht Einer vermuthen wird, 
durch das Wort „Autoskopie“ solle etwas derartiges ausgedrückt werden. 


156 Jahresbericht der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. 


Unter Autoskopie des Kehlkopfs verstehen wir ja von Alters her die- 
jenige Procedur, welche man allein darunter verstehen kann, nämlich 
die Besichtigung des eigenen Larynx. Und so dürfte es wohl rathsam 
erscheinen, für das neue Verfahren die Bezeichnung „‚direete Laryngo- 
skopie‘“ beizubehalten, die ohne Weiteres verständlich ist und den Sinn 
des damit gemeinten Verfahrens vollkommen trifft. 


Diseussion: 

Herr Geh. Rath Mikulicz: Der Kehlkopfspiegel wird dadurch 
nicht ersetzt. 

3) Herr Geh. Rath Ponfick: Demonstration eines Falles von 
Leukämie, der auf Arsen-Einspritzungen reagirt hatte. 

Herr Geh. Rath Mikuliez: Es ist ihm interessant, eonstatiren zu 
können, dass dies einer der wenigen Fälle ist, wo das Arsen wirklich 
geholfen hat. 

Herr Prof. Kast berichtet auch über einen Fall von Beeinflussung 
‘des Blutbefundes bei Leukämie durch Arsen. Man müsse aber grosse 
Dosen nehmen. 

Herr Prof. Neisser empfiehlt ebenfalls grosse Arsendosen (event. 
subeutan). 

Herr Dr. Kümmel demonstrirt die Paukenhöhlen dieses Falles. 


18. Sitzung vom 15. November 1895. 
Vorsitzender: Herr Prof. Neisser. Schriftführer: Herr Dr. Schäffer. 


Vor der Tagesordnung: 
Herr Dr. Viertel spricht über die rechtliche Stellung der Hypo- 
spadiäen. Vorstellung eines Falles von Hypospadie. 


Tagesordnung: 
Herr Dr. O. Brieger: 


Ueber die operative Behandlung endocranieller Complicationen 

chronischer Mittelohr-Eiterungen. 

Der Vortrag wird in extenso anderweitig publieirt. 

Vortragender bespricht kurz die Diagnostik der Sinusthrombose und 
des otisischen Hirnabscesses. An der Hand zahlreicher Präparate be- 
richtet er über die Erfahrungen, die sich ihm bei der operativen Be- 
handlung der genannten Folgezustände chronischer Mittelohreiterungen 
ergeben haben. | 

Discussion: 

Herr Dr. Kümmel: Der Sinus ist an den Stellen, wo die Throm- 
- bose sitzt, erweitert. 

Herr Dr. Brieger: Nicht stets, aber zuweilen kann man eine Ver- 
einigung constatiren. 


I. Abtheilung. Medicinische Section. a 


Herr Dr. Kümmel glaubt, dass es chronische Meningitiden giebt, 
die man ausheilen kann. Bacterien-Befund in der Cerebrospinalflüssigkeit 
ist keine Contraindication gegen Operation. Er fragt nach den Heil- 
resultaten bei operativen Eingriffen. 

Herr Dr. Brieger: Ein Fall von Kleinhirn-Abscess und 3 Fälle 
von Sinus-Thrombose sind geheilt. Bei Baecillenbefund in der Cerebrospinal- 
flüssigkeit operirt Brieger nicht, weil Meningitis vorhanden ist. 

Brieger bemerkt gegenüber Kümmel, dass eine Statistik, die 
unterschiedslos alle Fälle, gleichviel in welchem Medium sie zur Beob- 
achtung gelangten, zusammenfasste, keinen Werth für die Beurtheilung 
des Werthes der operativen Behandlung der endocraniellen Complicationen 
habe. Es sei natürlich, dass bei den grossen Schwierigkeiten, die sich 
frühzeitiger Erkennung besonders des Hirnabscesses in den Weg stellten, 
die Operation oft erst in einem Stadium vorgenommen werden könne, 
in dem die Aussicht auf Erfolg schon von vornherein minimal sei. Die 
Prognose der Hirnabscesse ist, wenn sie nicht operirt werden, fast absolut 
infaust, die der Sinusphlebitis zwar günstiger, aber immerhin so unsicher, 
dass man immer nur mit der entfernten Möglichkeit einer Spontanheilung 
rechnen darf. Hier hat daher jede einzelne Heilung eine viel grössere 
Bedeutung, als ihr nach ihrem Verhältniss zur Zahl der operirten Fälle 
überhaupt zukäme. B. kam es bei seinem heutigen Vortrage lediglich 
darauf an, den Weg darzulegen, auf welchem man gegen die endo- 
eraniellen Complicationen der chronischen Eiterungen des Mittelohrs 
vorzugehen habe. Auch deshalb habe er von der Darstellung seiner 
persönlichen Operationsresultate zunächst abgesehen. Er habe von zahl- 
reichen operirten Fällen extraduraler Abscesse nie einen Fall verloren, 
in 7 Fällen von Hirnabscessen eine Heilung, in 9 Fällen von S$Sinus- 
thrombose 3 Heilungen beobachtet. In allen Fällen der beiden letzten 
Kategorien habe es sich um ausserordentlich schwere Erkrankungen ge- 
handelt. Auch rein procentual betrachtet, erscheine ihm aber das Ver- 
hältniss der Heilungen zu der Gesammtzahl der Fälle überhaupt ermuthigend 
genug, um auf dem Wege operativer Behandlung dieser Complicationen, 
im Gegensatz zu dem indifferenten exspectativen Verfahren früherer 
Zeiten, fortzufahren. 

Zu den Einwänden Kümmel’s gegen die Bedeutung des Ergebnisses 
der Lumbalpunetion bemerkt B., dass er selbst dem diagnostischen 
Werthe desselben enge Grenzen gezogen habe. Es komme für die Ent- 
scheidung, ob eine complieirende Meningitis bestehe und die Operation 
eines Hirnabscesses ausschliesse, selbstverständlich nicht darauf an, ob 
von der zu Culturen verarbeiteten Punctionsflüssigkeit einige Strepto- 
coccen-Colonieen aufgingen. Zwar sei es gewiss schon in hohem Grade 
zweifelhaft, ob man ohne eine ausgebildete Meningitis aus der Arachnoi- 
dealflüssigkeit entwickelungsfähige Streptocoecen werde gewinnen können, 


) 


138 Jahresbericht der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. 


Das Maassgebende seien aber natürlich nicht die bacteriellen Befunde 
allein, sondern ebenso oder noch mehr die chemische und mikroskopische 
Untersuchung der Punctionsflüssigkeit. Nur wenn auch dabei Momente 
sich ergeben, die auf das Bestehen eitriger Meningitis schliessen lassen, 
sei man zu diagnostischen Schlüssen berechtigt, welche für die Ent- 
scheidung, ob man noch gegen einen gleichzeitig vorhandenen Hirnabscess 
vorgehen darf oder nicht, maassgebend sein werden. 

Herr Dr. Kümmel betont die Prophylaxe bei chronischen Ohren- 
eiterungen. 

Herr Dr. Hecke bespricht einen extraduralen Abscess, der leicht 
freizulegen war, einen zweiten, der durch Meningitis complieirt wurde 
(Exitus), einen dritten, bei dem noch nach längerer Zeit eine Meningitis 
hinzukam. Sinus-Thrombose kommt auch bei acuter Mittelohr-Eiterung 
hinzu. — Sinus-Thrombose bei Cholesteatom. 

Herr Dr. Brieger: Die Sinus-Phlebitis ist gewöhnlich eine Compli- 
cation der acuten Ohreiterung. 


19. Sitzung vom 22. November 1895. 
Vorsitzender: Herr Prof. Dr. Buchwald. Schriftführer: Herr Dr. Hamburger. 


Tagesordnung: 
1) Herr Dr. Oppler: 


Ueber chronische Diarrhoe in Folge mangelnder Magensaftsecretion. 

M.H.! Die Mittheilung, für die ich mir heute Ihre Aufmerksamkeit 
erbitte, betrifft eines der wohl am stiefmütterlichsten behandelten Kapitel 
der internen Mediein, die Darmkrankheiten. An dem grossen Auf- 
schwunge, den die Erkenntniss und Behandlung gerade der Erkrankungen 
der Verdauungsorgane im letzten Jahrzehnt genommen haben, hat die 
Pathologie und Therapie des Darms, wenn wir von den Infeetions- 
krankheiten absehen, so gut wie gar keinen Antheil genommen und am 
allerschlechtesten wiederum ist dabei der sogenannte „Darmkatarrh“ 
fortgekommen. Dass dieser Sammelname, der nur selten noch als Dünn- 
oder Diekdarmkatarrh variirt wird, keinen einheitlichen Begriff darstellt, 
sondern nur eine gemeinsame Bezeichnung für ganz differente Erkran- 
kungen, ist längst bekannt, unbekannt bis jetzt, wie viel klinisch, ätio- 
logisch und pathogenetisch verschiedene Krankheitsbilder sich dahinter 
verbergen mögen. 


Dass hier so wenig differenzirt ist, hat vielleicht seinen Grund zum Theil 
darin, dass es noch völlig an einer brauchbaren Methode der Functions- 
prüfung mangelt, deren Entdeckung für den Magen durch Kussmaul 
dort so reiche Früchte gezeitigt hat. Eine solche Methode wäre hier 
um so nöthiger, als die anderen Untersuchungsmethoden wie Palpation, 
Percussion ete. uns beim Darmkatarrh fast völlig im Stiche lassen und 


I. Abtheilung. Medicinische Section. 139 


selbst die methodische Untersuchung des Stuhlganges nur wenige wirklich 
brauchbare Aufschlüsse liefert. Da es aber nicht den Anschein hat, als 
ob wir so bald mit einer guten Methode der Functionsprüfung für den 
Darm beschenkt werden sollten, so werden wir mit den vorhandenen 
Mitteln auskommen müssen und sie vielleicht noch etwas intensiver aus- 
zunutzen haben. 

Unter diesen Umständen möchte ich mir gestatten, auf eines der- 
selben, das wenig beachtet wird und doch vieles nützen kann, erneuet 
Ihre Aufmerksamkeit, m. H., hinzulenken, es ist das die Beachtung des 
Zusammenhanges der Darmerkrankungen mit denen anderer Abschnitte 
des Verdauungskanales, in specie mit denen des Magens. Mit anderen 
Worten ausgedrückt heisst das: Es giebt kaum eine chronische Er- 
krankung des Magens, die den Darm unbetheiligt lässt, und umgekehrt. 
Es ist das ja auch seit langem bekannt und Jedermann weiss, dass 
z. B. Hyperaeidität, Atonie und Eetasie des Magens häufig mit Darm- 
katarrhen einhergehen, die zur Verstopfung neigen, und dass andererseits 
das Careinoma ventrieuli und die chronische Gastritis häufig von Diarrhoeen 
begleitet sind. | 

Als mir dieser Zusammenhang, m. H., anlässlich der Beobachtung 
mehrerer prägnanter Fälle wieder einmal frappant in die Augen sprang, 
kam mir der Gedanke, ob nicht vielleicht auch mancher scheinbar idio- 
pathische Darmkatarrh abhängig sein möchte von einer latent ver- 
laufenen Erkrankung des Magens. Im Verfolg dieser Idee stellte ich 
eine grössere Anzahl von Untersuchungen an und habe es mir seit Jahr 
und Tag zur feststehenden Regel gemacht, in jedem Falle von Darm- 
erkrankung, sei es welche es wolle, eine genaue Untersuchung und 
Funectionsprüfung des Magens vorzunehmen. Der Erfolg übertraf alle 
meine Erwartungen. Ich fand eine Anzahl sehr eigenthümlicher Dinge. 
Das meiste davon ist noch lange nicht spruchreif und harrt weiterer 
Untersuchungen, ein Symptomenbild aber, das ich, vielleicht begünstigt 
durch den Zufall, besonders häufig gefunden und deswegen genauer 
studirt habe, glaubte ich Ihnen, m. H., schon heute mittheilen zu sollen. 
Es stellt nämlich nicht nur ein ziemlich gut begrenztes und abge- 
schlossenes Krankheitsbild dar, sondern liefert uns auch wichtige Handhaben 
für eine erfolgreiche Therapie auf einem Gebiete, wo sie nach bisherigen 
Erfolgen recht wohl eine Aufbesserung verträgt. 

An der Hand eines typischen Falles werde ich Ihnen, m. H., das 
Krankheitsbild am besten schildern können. 

Der Patient, meist im mittleren Alter (Frauen und Männer sind 
unter meinen Fällen etwa gleich zahlreich), sucht den Arzt auf mit der 
Klage der chronischen Diarrhoe. Zwei-, vier- bis sechsmal täglich er- 
folgen die dünnbreiigen bis wässrigen Stühle; beim Erwachen früh- 
morgens gewöhnlich zweimal kurz hintereinander und im Laufe des 


140 Jahresbericht der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. 


Tages dann meist im Anschlusse an die Mahlzeiten. Manchmal geht 
kurzdauernde Unruhe in den Därmen vorher, seltener echte Koliken. 
Ferner klagen die Kranken noch über gelegentliche Aufblähung des 
Leibes, Mattigkeit und fortschreitende Abmagerung. 

Die Anamnese ergiebt wenig. Das Leiden ist allmählich und 
schleichend entstanden, einen Grund dafür wissen die Patienten in der 
Regel nicht anzugeben, nicht einmal die üblichen Erkältungen und Diät- 
fehler werden dafür verantwortlich gemacht. Die Anfänge der Krank- 
heit liegen gewöhnlich viele Monate, selbst Jahre, zurück. Potatorium 
scheint keine grössere Rolle zu spielen, eher noch das in mehreren 
meiner Fälle früher leidenschaftlich betriebene Tabakkauen. 

Aus dem Status nur die wichtigsten Momente: Die Kranken sind 
mager, blass, mitunter etwas ‚‚nervös-hypochondrisch“. — In vielen 
Fällen besteht fast vollkommener Defect der Zähne. Die 
Brustorgane lassen keinerlei Abweichung von der Norm erkennen. Der 
Leib ist in geringem Grade empfindlich, sonst ist meist auch nichts 
krankhaftes zu constatiren. — Der Urin ist frei von Eiweiss und 
Zucker, zeigt stets eine Vermehrung des Indicans und in 5 daraufhin 
untersuchten Fällen auch eine solche der Aetherschwefelsäuren. — Der 
Stuhl ist von aashaftem Geruche, zeigt mitunter Beimengung von fetzigem 
Schleim und lässt schon makroskopisch unverdaute Nahrungsbestandtheile 
(Mohrrüben- und Kartoffelstickchen „ Bindegewebsfetzen) erkennen, 
mikroskopisch fallen die sehr zahlreichen Muskelfasern mit wohl- 
erhaltener Querstreifung besonders auf. 

Das Hauptinteresse concentrirt sich jedoch auf das Verhalten des 
Mageninhaltes. Derselbe zeigt weder nach Probefrühstück noch nach 
Probemahlzeit die geringste Chymifieirung. Freie Salzsäure istin 
keiner Phase der Verdauung nachzuweisen, gebundene, 
Pepsin und Lab nur in minimalsten Mengen. Da die motorische 
Function gut oder sogar etwas gesteigert ist, so finden keinerlei Gäh- 
rungen statt, so dass man weder organische Säuren, noch ein Uebermaass 
von Mikroorganismen findet. 

Offenbar liegt in diesem Verhalten des Magens der Schlüssel zum 
Verständnisse des ganzen Krankheitsbildes. Die mangelnde Verdauungs- 
fähigkeit ist jedenfalls das primäre (das lehrte mich ein relativ frischer 
Fall, wo ich sie ebenso ausgeprägt fand), ihre Ursachen festzustellen 
würde hier zu weit führen. Vielleicht dass sie auf nervöser Basis be- 
ruht, vielleicht ist sie die Folge einer latent verlaufenen chronischen 
Gastritis, vielleicht endlich ist sie auch angeboren (was ich gar nicht 
für so excessiv selten halten möchte). Genug, sie ist vorhanden und be- 
steht wohl jahrelang, ohne dem Träger irgend welche Beschwerden zu, 
verursachen, weil der Darm, speciell der Dünndarm, in sehr vollkommener 
Weise die ausgefallene Magenverdauung mit übernimmt (uns wohlbekannt 


I. Abtheilung. Medicinische Section. 141 


von anderen Fällen her). Auf die Dauer ist er jedoch dieser zwie- 
fachen Arbeit nicht gewachsen, die ihm in vielen Fällen, wie ich oben 
erwähnte, noch durch ungenügendes Kauen und unzweckmässige Speisen- 
auswahl erschwert wird, er wird insuffiecient und reagirt in seiner speeci- 
fischen Weise mit Diarrhoeen; erst nur selten, dann dauernd. Dabei 
findet nun natürlich eine höchst unvollkommene Ausnutzung der Nahrung 
statt, der Patient magert ab. Dieser hat gar keine Ursache, das auf 
irgend ein anderes Organ als den Darm zu beziehen, auf den ihn seine 
Beschwerden — mangels früherer Belästigung durch seinen insufficienten 
Magen — einzig und allein hinweisen und der Arzt wird sich, leicht zu 
demselben Irrthum verführt, in vergeblichen therapeutischen Bemühungen 
erschöpfen, bis ihm etwa auf dem oben bezeichneten Wege der 
Krankheitsprocess klar wird. 

Damit, m. H., sind dann die Grundlagen für eine rationelle Therapie 
aber auch sofort gegeben. Diese muss natürlich in erster Reihe eine 
diätetische sein. Wir werden eine Diät auszuwählen haben, welche die 
Magenverdauung möglichst wenig braucht und den Darm nicht über- 
mässig in Anspruch nimmt. Da der Magen hauptsächlich Eiweissver- 
dauung zu leisten hat, während Kohlehydrate und Fette im Wesent- 
lichen der Darmverdauung unterliegen, so wird die Kost sich zum 
grössten Theile aus diesen aufzubauen haben. Um fernerhin den Ein- 
fluss des mangelhaften Kauens und der ungenügenden Chymifieirung 
durch den Magen (die das gesunde Organ in höchst gleichmässiger Weise 
leistet) thunlichst auszugleichen, wird man die Speisen in geeigneter 
Zubereitung d. h. in möglichst gleichmässiger Breiform reichen und so 
dem Darme seine Arbeit erleichtern. 

Es würde zu weit führen, m. H., wollte ich an dieser Stelle genau 
mit Ihnen besprechen, in welcher Weise sich nun im Speciellen die 
ganze Behandlung gestaltet, einige Andeutungen nach dieser Richtung 
hin mögen für heute genügen. 

Ich setze die Kranken ausnahmslos zuerst einige Tage auf strengste 
Suppendiät, bis die Diarrhoeen nachgelassen haben. Alsdann folgt eine 
Periode mit völlig fleischfreier Kost. Dieselbe besteht im Wesentlichen 
aus Suppen, Mehlspeisen, allen Arten Cerealien wie Reis, Griesbrei etc., 
leicht verdaulichen Gemüsen wie Pur&e von Schoten, Kartoffein u. s. w.,_ 
Gebäck aller Art aus Weizenmehl, Butter. Das Manco an Eiweiss wird 
ausgeglichen durch reichliche Mengen Leguminosenbrei, flüssige Eier 
und künstliche Albumosenpräparate z. B. Somatose; Peptone vermeidet 
man besser wegen ihrer Neigung Diarrhoeen zu verursachen. Als Ge- 
tränk dient Rothwein, Heidelbeerwein, Thee, Cacao, während Milch sehr 
selten vertragen wird. — Bleibt während dieser Zeit der Stuhl normal, 
so gehe ich etwa am Ende der 3. Woche zu leichtesten Fleischspeisen 
über, wie Fisch, Kalbsmilcher, Huhn, Taube, geschabtes Fleisch, ge- 


143 Jahresbericht der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. 


wiegter Schinken, schliesslich zu Kalbfleisch und blutig gebratenem 
Rindfleisch, immer aber nur einmal am Tage und in mässiger Menge. 
Daneben bilden die obenerwähnten Speisen noch die Hauptnahrung; 
denen man dann alle anderen Gemüse und selbst Compots in Pur&eform, 
sowie helles Roggenbrot hinzufügen kann, Es ist erstaunlich, wie viel 
die Kranken von diesen Dingen, die sonst bei „Darmkatarrhen“ so streng 
verpönt sind, vertragen, wenn man nur ein Uebermaass an schwer- 
verdaulichen Albuminaten vermeidet. 


Neben dieser diätetischen Behandlung verwende ich am Anfange 
Wismuthpräparate und Tannigen, später zur Stimulirung der Secretion 
Kochsalzwässer (Kissinger Rakoczy) und schliesslich eventuell Salzsäure 
in der Verdauungszeit, Auch warme Kataplasmen, Priessnitz-Umschläge, 
Leibbinden finden vortheilhafte Verwendung. Der Hauptfaetor der 
Therapie ist und bleibt jedoch die Diät, bei der sehr individualisirt 
werden muss und die aufs Sorgfältigste zu überwachen ist. Das hat im 
eigenen Hause des Kranken seine grossen Schwierigkeiten, m. H., und 
ich habe daher auch bei Weitem die besten Resultate bei denjenigen 
Patienten gehabt, die sich entschliessen konnten, sich in einer privaten 
Klinik der oben angedeuteten Behandlung zu unterziehen. 


Der Erfolg derselben hat mich bisher in keinem Falle im Stiche 
gelassen und war bei einigermaassen regelmässigem Leben und einer 
den vorhin entwickelten Grundsätzen angepassten Diät meist ein 
dauernder. Freilich befindet sich der Darm stets nur gleichsam im 
labilen Gleichgewichte und selbst geringe Störungen, wie Diätfehler, 
leichte Erkältungen, grössere körperliche oder geistige Anstrengungen 
können es stören und hin und wieder, übrigens leicht zu beseitigende, 
Rückfälle verursachen. Eine mehrwöchige Erholung in jedem Jahre 
oder eine Brunnenkur in Wiesbaden oder Kissingen trägt zur Befestigung 
der erreichten Resultate meist erheblich bei. 

M. H.! Ich bin am Ende meiner Ausführungen angelangt, bei 
denen es mir weniger darauf ankam, durch theoretische Neuconstruction 
ein neues Krankheitsbild zu schaffen, als Ihnen für eine Gruppe von 
Fällen eine erfolgreichere Therapie, als sie bisher üblich war, an die 
Hand zu geben. Lassen Sie mich Ihnen, m. H., nur zum Schlusse noch 
einmal den Weg zur Beschreitung empfehlen, auf dem diese Resultate 
gewonnen sind: die genaue Beachtung der Abhängigkeit der Erkrankungen 
der einzelnen Verdauungsorgane von einander. Ich glaube, m. H., dass 
wir noch durchaus nicht am Ende der auf diesem Wege zu erreichenden 
Aufschlüsse stehen. 


Discussion: 
Herr Dr. Bpitzer fragt nach der Differentialdiagnose von der 
chronischen Gastroenteritis. 


I. Abtheilung. Medicinische Section. 143 


Herr Dr. Oppler findet dies in dem continuirlichen Fehlen von 
Salzsäure und von subjectiven Magenbeschwerden. 

Herr Dr. Spitzer behauptet, dass diese Symptome auch der 
Gastroenteritis chronica atrophicans zukommen. Wieso schliesst Herr 
Dr. Oppler eine anatomische Erkrankung aus? 

Herr Dr. Oppler: Weil keine Schleimproduction zu constatiren 
und weil von der Sonde abgestossene Schleimhautpartikel normale 
mikroskopische Bilder gaben. Der Befund der Fäces beweist nie- 
mals etwas. 

Herr Dr. Spitzer: Ist experimentell nachgewiesen, dass die wieder- 
hergestellte Magenfunction den Darm ersetzen kann? 

Herr Dr. Oppler: Nein. 

Herr Prof. Fränkel: Aetiologisch wichtig für chronische Diarrhoe 
sind complete Scheiden-Mastdarmrisse, weil hier der mechanische Ab- 
schluss fehlt. Durch plastische Operation absolute Heilung. Ist in den 
Oppler’schen Fällen erst durch Diät Heilung eingetreten, so braucht 
man Recidive nicht zu fürchten. 


2) Herr Dr. Baumm: 
Demonstration einer Symphyseotomirten. 


B. stellt ein Mädchen vor, an dem er vor 7 Wochen die Symphyseo- 
tomie ausgeführt hat. Die Indication dazu gab das allgemein verengte 
platte Becken ab. Cjgt. diag. 8°, em. Das Mädchen war Ip. und 
hatte ausgetragen. Zange war aussichtslos, denn der Kopf überragte 
beträchtlich die Symphyse. Es blieb, wollte man ein lebendes Kind 
haben, nur zwischen Kaiserschnitt und Symphyseotomie die Wahl. 

Operation auf dem Querbett. Nach leichter Durchtrennung der 
Weichtheile und des Symphysenknorpels — Zange, Dabei Krachen, 
scheinbar im rechten lleosacralgelenk, und Erweiterung des Symphysen- 
spaltes auf 5 em. Kind leicht asphyctisch, wiederbelebi. Blutung gering. 
Naht der Weichtheile in einer Etage. Durch den unteren Wundwinkel 
Drainage des Hohlraumes unter der Symphyse. Knochennaht unterbleibt 
also. Reactionslose Heilung. Beckengurt empfiehlt sich nicht, weil er, 
straff angezogen, sehr schmerzt und doch in die Höhe rückt. Am 
besten Lagerung mit geschlossenen Beinen zwischen 2 Sandsäcke. Nur 
bei etwaigem Umlagern der Patientin wird vorübergehend Beckengurt 
angelegt. Patientin blieb 4 Wochen im Bett. — Heute zeigt die Vor- 
gestellte ungehinderte Gehfähigkeit. Allerdings ist eine deutliche Be- 
weglichkeit der Symphysenenden zu constatiren und zwar etwas mehr, 
als es physiologischer Weise der Fall ist. Vorstellung zweier Wöch- 
nerinnen nach normaler Entbindung. B. weist auf die Wichtigkeit der 
Thatsache hin, dass die Symphyse nach Geburten immer mehr oder 
weniger wackelt. „Wäre die Beweglichkeit nur eine Folge der Sym- 


144 Jahresbericht der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. 


physentrennung, dann dürften wir nie die Symphyseotomie machen, ohne 
der Kreissenden eröffnet zu haben, dass sie dauernd an ihrer Körper- 
beschaffenheit geschädigt wird. Sonst müssten wir erleben, dass wir 
für die zurückgebliebene Beweglichkeit regresspflichtig gemacht werden. 
Die betreffende Person könnte unwiderlegbar simuliren, dass sie in ihrer 
Arbeitsfähigkeit beeinträchtigt sei.“ 

Welcher Platz unter den geburtshilfliehen Operationen gebührt ‚der 
Symphyseotomie? Anfänglich schloss sich Vortragender denjenigen an, 
welche von einer Verallgemeinerung der Operation nichts wissen wollten. 
Sein erst operirter Fall, den er als einen der ersten in Deutschland 
operirten Fälle auf dem Gynäkologencongress in Breslau 1893 vorstellte, 
berechtigte dazu, insofern als die mannigfachsten und unangenehmsten 
Complicationen dabei zur Beobachtung kamen, Seine eigenen späteren 
Erfahrungen und diejenigen anderer Operateure haben aber gezeigt, dass 
die Symphyseotomie doch im Allgemeinen eine wenig gefährliche und 
nieht gerade schwere Operation ist. Sie ist daher berechtigt da, wo 
wir mit unseren bisherigen Methoden nicht zufrieden sein können d.h. 
bei engen Becken, wo wir das lebende Kind perforiren müssen, wenn 
wir aus irgend einem Grunde den Kaiserschnitt nicht ausführen dürfen, 
Das Reich der Symphyseotomie ist demnach klein. Soll der Nutzen 
den Symphyseotomie zu stiften im Stande ist, allgemein sein, dann darf 
die Operation nicht ein Vorrecht der Anstalten bleiben, wie Leopold 
will. Es ist auch nicht einzusehen, warum man dem Arzt, der den 
Kaiserschnitt zu machen versteht, nicht auch die Symphyseotomie zu 
machen zutrauen soll. 


Diseussion: 


Herr Prof. Fränkel: In vielen Fällen besteht striete Indieation 
für die Symphyseotomie, da in der Privatpraxis der Kaiserschnitt häufig 
nicht erlaubt wird. Doch sollten nur specialistisch geschulte Aerzte sie 
machen. 1778 wurde in Deutschland die erste Symphyseotomie von 
Siebold in Heidelberg gemacht. 


Herr Medieinal-Rath Prof. Küstner: Ich glaube allerdings nur 
einem Eindruck, nicht einer Kenntniss der Sachlage zu folgen, wenn ich 
meine, dass die Breslauer Gynäkologen sich noch unter dem Banne des 
vor 2Y/, Jahren auf dem hiesigen Gynäkologencongress formulirten Ge- 
setzes befinden, dass nämlich die Symphyseotomie nur eine Anstalts- 
operation sei. (Es wird bestätigt, dass in Breslau keine einzige Sym- 
physeotomie im Privathause gemacht worden ist.) Wenn ich nun fragen 
darf, wieviel Symphyseotomien Herr Coll. Baumm gemacht hat (in 
Breslau eine, die demonstrirte, Baumm), so sind hier, da ich 3 gemacht 
habe, in 24, Jahren nur 4 von dieser schönen Operation gemächt 
worden, Wenn ich selbst auf einer Klinik mit 700 Geburten pro Jahr 


I. Abtheilung. Medieinische Section. 145 


und 5—600 in der Poliklinik nur so selten zur Symphyseotomie ge- 
kommen bin, so liegt das daran, dass ich mir mit den sehr zahlreichen 
künstlichen Frühgeburten die lebhafteste Coneurrenz mache, Und so 
waren es nur Fälle, welche für die künstliche Frühgeburt relativ oder 
absolut zu spät in die Anstalt kamen, bei welchen die Symphyseotomie 
nöthig wurde, 

Die Operation mache ich, wie meine erste in Dorpat, ohne Knochen- 
naht, nur die Ponsp. und zugleich die Fascie werden mit einigen 
Silkwormgutnähten vereinigt. Diese Naht reicht vollständig aus für eine 
genügend feste Verwachsung; die von mir ÖOperirten wiesen bei ihrer 
Entlassung eine festere Symphyse auf als manche normale Wöchnerin. 
Auch ich habe die Beobachtung gemacht, dass die Graviditäts - Auf- 
lockerung bezugsweise Hypertrophie der Beckengelenke, speciell der 
Symphyse, sich in manchen Fällen weit in das Wochenbett hinein hält, 
so dass man dann noch nach 2 bis 3 Wochen von einem Schlottergelenk 
sprechen könnte. Uebrigens ist bei manchen Thieren die Gelenk- 
auflockerung während der Gravidität viel bedeutender als beim Menschen. 

Meine 4 Fälle sind kurz folgende: 

I. (Dorpat) 40jähr. V para, Conj. diag. 10 cm, Ende der Gravidi- 
tät, kreisst lange nach Fruchtwasserabfluss; beginnende Asphyxie. 
Tarnier’sche Zange ohne Erfolg. Symphyseotomie, asphyctisches, 
leicht wiederbelebtes, am Leben bleibendes Kind. 

II, H. 33jähr. III para, Conj. diag. 10°), cm, 3 Todtgeburten (2 Zer- 
stückelungen, 1 Frühgeburt), Frühgeburt etwa in der 37. Woche. 
Forceps ohne Erfolg, Symphyseotomie, schon asphycetisches Kind 
von 2460 gr, wiederbelebt, stirbt nach einigen Tagen (Hirn- 
blutung, Atelectasen). 

III. L, 43 Jahre alt, IX para, Conj. diag. 10 cm. Querd. des Eingangs 
13 em, lauter todte Kinder. Symphyseotomie am Ende derGravidität 
3720 gr, leicht asphyctisch, wieder belebt, am Leben geblieben. 

IV. K, 38 Jahre, X para, 3 lebend geborene Kinder, welche aber 
später auch gestorben sind (Perforationen, künstliche Frühgeburt) 
1 Symphyseotomie (Fritsch), dann 1 Jahr später Zwillinge, von 
mir lebend nach Wendung auf die Füsse extrahirt. 

Conj. diag. 91/, em. 
Symphyseotomie, asphyctisches, wiederbelebtes und lebend 
gebliebenes Kind. 

In allen 4 Fällen handelte es sich um Wiederhoitgebärende, in allen 
4 Fällen lag Kopflage vor; nach der Symphyseotomie wurde der Kopf 
in die Becken eingedrückt, mit der Zange gefasst und extrahirt. In 
allen 4 Fällen machte die Mutter eine geeignete Consolidirung durch. 

Herr Dr, Baumm; Ich eonstatire die Uebereinstimmung der anderen 
Redner mit mir. 

1895. 10 


146 | Jahresbericht der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. 


20. Sitzung vom 6. December 189. 
Vorsitzender: Herr Geh. Rath Ponfick. Schriftführer: Herr Prof. Kaufmann. 

Wahl der Secretaire für die Etatsperiode 1896/97. 

Tagesordnung: 

1) Herr Dr. H. Herz: 

Ueber die Behandlung der Typhlitiden. 

Der Vortragende führt aus, dass die in den letzten Jahren mancher- 
orts in der Behandlung der Typhlitiden eingetretene Wandlung, die man 
als eine Schwenkung ins chirurgische Lager betrachten kann, nicht all- 
gemeine Billigung finden dürfte. 

Wenn bei diesem energischen operativen Eingreifen die besonders 
auf die Erfahrungen der Chirurgen gestützte Thatsache maassgebend war, 
dass der grösste Theil aller hierher gehörigen Krankheitsbilder, be- 
sonders aber die acut mit schweren Erscheinungen einsetzenden Fälle 
einen eitrigen Kern enthalten, so muss demgegenüber betont werden, 
dass kleine Eitermengen in oder um den Wurmfortsatz auch ohne opera- 
tives Eingreifen gewöhnlich ausheilen. Dafür sprechen die im Ganzen 
sehr günstigen Heilresultate bei vorwiegend interner Therapie. 

Eine sichere Entscheidung, ob ein solcher kleiner Eiterherd in der 
Tiefe sitzt, dürfte im einzelnen Falle nicht selten unmöglich sein. 

Der Vortragende stützt sich auf ein Beobachtungsmaterial von 
121 Fällen, die grösstentheils auf der inneren Abtheilung des Aller- 
heiligen-Hospitals beobachtet wurden. Rechnet man 8 von diesen 
Fällen ab, in welchen nach den klinischen Symptomen die Diagnose auf 
Stercoraltyphlitis !) gestellt wurde, und 3 Fälle von Appendieitis simplex, 
so bleiben 110 Fälle von „Perityphlitis‘“ übrig, darunter sehr viele 
schwere Erkrankungen. Nur 10 von diesen Fällen wurden auf Grund 
der noch zu erwähnenden Indicationen der chirurgischen Behandlung 
überwiesen. | 

Es heilten im Ganzen 96 Fälle aus, 7 verliessen aus verschiedenen 
Gründen ungeheilt das Hospital, 7 sind gestorben. 

Unter den letzten befinden sich 5 Fälle, die mit allgemeiner Peri- 
tonitis in hoffnungslosem Zustande ins Hospital gebracht wurden. Es 
kann als erfreuliche Thatsache berichtet werden, dass während der Be- 
obachtungsdauer bei keinem Falle eine allgemeine Peritonitis entstand, 
eine Complication, die daher bei grosser Vorsicht wohl in den meisten 
Fällen, soweit sie nicht gleich im ersten Beginn als allgemeine Peritoni- 
tiden einsetzen, zu vermeiden sein dürfte. 


!) An dem Bestehen dieses Krankheitsbildes muss festgehalten werden, wenn 
es auch nicht so häufig ist, als es früher diagnostieirt wurde, und wenn auch die 
Bedingungen seines Zustandekommens andere sind, als man früher vielfach 
annahm. i 


I. Abtheilung. Medieinische Section. 147 


Die beiden anderen gestorbenen Fälle waren nach 11 resp. 21 tägiger 
Erkrankung der chirurgischen Abtheilung überwiesen worden, dort aber 
nach erfolgter Operation an Entkräftung gestorben. Bei der einen Kranken 
muss die entfernte Möglichkeit einer Rettung bei früherem Eingreifen 
zugegeben werden; der andere Fall begann so allmählich und mit so ge- 
ringen Symptomen, dass an eine Operation Anfangs kaum gedacht 
werden konnte. 

Die Heilungsdauer wird durch die Operation nicht verkürzt, Be- 
schwerden bleiben zuweilen mit, zuweilen ohne Operation zurück. 
Reeidive waren bei den von uns behandelten Kranken sehr selten nach- 
zuweisen; sie lassen sich auch nach operativem Vorgehen nur dann ganz 
vermeiden, wenn der Processus vermiformis entfernt wird, was oft 
schwierig, zuweilen unmöglich ist. 

Die striete Indieation zum operativen Eingreifen ist also nicht schon 
bei plötzlichem stürmischen Einsetzen der Erkrankung gegeben, wie 
u. A. Sonnenburg behauptet; auch die Indicationsstellung nach Krank- 
heitstagen (Sahli u. A.) dürfte als etwas schematisch zu betrachten sein, 

In den ersten Tagen der Erkrankung ist ein operativer Eingriff wohl 
nur dann nöthig, wenn das Exsudat, was selten ist, physikalisch nach- 
weisbar sehr rapid wächst, ferner wenn es Neigung zeigt, nach aussen 
durchzubrechen, in welchem Falle ja stets ein Einschnitt indieirt ist. 
Vielleicht mag auch gelegentlich ein schwer septischer Zustand (starke 
Cyanose, wiederholte Schüttelfröste, Ieterus u. s. w.) ein frühes Ein- 
greifen rechtfertigen. Setzt der Process gleich mit allgemeiner Peritonitis 
ein (oder tritt eine solche während des Verlaufs ein), so richtet sich 
Prognose und Therapie nach den bei allgemeiner Peritonitis geltenden 
Regeln. 

In allen übrigen Fällen wartet man ruhig ab. Ist über kurz oder 
lang ein abgekapseltes Exsudat vorhanden, so wird man zur Eröffnung 
dann rathen, wenn man das Bestehen einer nennenswerthen Eiter- 
ansammlung durch undeutliche (äusserst selten deutliche) Fluctuation, 
Probepunction, Fiebereurve u. s. w. vermuthet. Die einfache Schnitt- 
operation, ohne langes Suchen nach dem Processus vermiformis, dürfte 
‘ für die meisten Operateure das richtige Verfahren sein. Im Uebrigen 
ist die Thatsache zu constatiren, dass solche Abscesse auch uneröffnet 
noch meist einen günstigen Ausgang nehmen, natürlich aber doch bei 
exspeetativem Verhalten recht gefährlich werden können. Wachsen und 
wandern die Abscesse, so wird die Indication zum Eingreifen immer 
dringender, wenn auch selbst bei solchen Fällen noch Spontanheilungen 
zu beobachten sind. 

Oeftere, schwere Reeidive, heftige zurückbleibende Beschwerden 
geben eine Indication zur Exstirpation des Processus vermiformis in der 
anfallsfreien Zeit, 


148 Jahresbericht der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. 


Von den Prineipien der nicht operativen Therapie seien nur einige 
hier hervorgehoben: 

Vollständige Abstinenz von Speisen und Getränken per os (nach 
Sahli u. A.) haben wir nicht für nothwendig befunden. 

Opium ist, zuweilen selbst in grössten Dosen, im Anfange indieirt; 
zu lange fortgesetzter Gebrauch grösserer Dosen begünstigt die auch 
sonst zuweilen zurückbleibende Darmatonie. 

Abführmittel im Beginn wurden nie applicirt; foreirte Abführmittel 
sind entschieden gefährlich. Dagegen sind Klystiere, besonders bei der 
Typhlitis stercoralis, aber auch bei mittelschweren und leichten Peri- 
typhlitiden, meist von Nutzen. Bei den Stercoraltyphlitiden wurde nach 
erfolgter Darmentleerung, beim Schwinden der Entzündungserscheinungen 
ein leichtes Laxans nachgegeben. | 

Bei zurückbleibenden Resistenzen ist nach Monaten oder Jahren die 
Massage ein nur sehr vorsichtig anzuwendendes, aber bei Innehaltung ge- 
eigneter Vorsichtsmaassregeln erfolgreiches Verfahren. 

(Eine ausführlichere Wiedergabe des Vortrages wird anderweitig 
erfolgen.) 


Discussion: 


Herr Dr. Riesenfeld: Der Begriff stereorale Typhlitis ist fallen 
zu lassen. So lange noch Resistenz und Schmerzhaftigkeit besteht, ist 
der Patient noch als krank in der Behandlung zu halten. Abführmittel 
sind unter allen Umständen zu vermeiden. Massage nur, wenn absolut 
keine Schmerzhaftigkeit besteht. 


Herr Dr. Alexander, im Allgemeinen ganz auf dem Standpunkte 
des Vortragenden, ist gegen Abführmittel. 


Herr Dr. Herz giebt auch nie im Anfang eich Abführmittel 
sondern Klystiere. 

Herr Dr. Riegner: Wo manifester Eiter, da soll man ihn ent- 
leeren. Der Eiter (Bact. coli) kann Jahre lang virulent bleiben und 
plötzlich zum Tode führen. Man wird wohl öfter operiren müssen, als 
Vortragender angiebt. Vor Massage ist zu warnen, R. sah einen Fall, 
wo Perforation dadurch provoeirt wurde. 

Herr Prof. Buchwald: Darmruhr wurde von Biermer als wesent- 
lich aufgestellt. Manche Fälle gehören dem Chirurgen. Massage, welche 
Herz als Nachbehandlung empfiehlt, ist zu vermeiden. Soolbäder haben 
guten Erfolg. & 

Herr Dr. Rosenfeld: Eine Typhlitis stercoralis ist nie gesehen 
worden, existirt nicht, weder anatomisch, noch klinisch. Abführmittel 
sind absolut zu vermeiden; dann kann die interne Therapie (Opium) bis 
auf 1 Procent Todesfälle befakgedradkt werden. Die Chirurgen haben 
(Murphy) noch 9 Procent, 


I. Abtheilung. Medieinische Section. 149 


Herr Dr. Herz: Massage ist doch erlaubt, aber nur vom Arzt. Bei 
manifestem Eiter stellt H. auch dem Patienten die Operation anheim; 
ohne Operation geht es auch oft gut. H. hält daran fest, dass es 
Thyphlitis stercoralis giebt. 

Herr Geh. Rath Ponfick: Zu Typhlitis stercoralis gehört Entzün- 
dung des Darms. Einfache Kothstauung macht keine Typhlitis. Im 
Wurmfortsatz ist das aber anders, 

Herr Geh. Rath Mikuliez: Man hat leichte Fälle zu unterscheiden, 
in denen man nicht operirt, andere sind zweifelhaft. M. erhält die 
meisten Fälle zu spät, wo schon Perforation eintrat. Die Freilegung 
des Eiterherdes ist das Einzige, was bei frischer Perityphlitis geschehen 
darf, und ganz ungefährlich. 


Herr Dr. Kader: Bei Hunden bewirkte totale Unterbindung des 
Darms erst in 60 Tagen Tod. Druck von hartem Koth kann Nekrose 
und Perforation bewirken. Bact. coli wird im stagnirenden Darminhalt 
besonders pathogen. 


2) Herr Prof. Neisser schlägt vor, heute in 8 Tagen eine Sitzung 
abzuhalten, worin geschäftliche Fragen erledigt werden sollen: Wahl 
der Secretaire, Zeit der Tagung und Drucklegung der Berichte. 

Der Antrag wird angenommen. 


3) Herr Dr, Courant: 


a) Sactosalpinx hämorrhagica (hämatosalpinx) bei erworbener 
Atresia tubae. 


Mit Blut gefüllte Tubensäcke sind zuerst bei Doppelmissbildung des 
Genitalkanals mit peripherer Atresie beobachtet. Kommt es zur Men- 
struation, so staut sich das verhaltene Blut oberhalb des Verschlusses. 
Bei sich immer wiederholender periodischer Blutung nimmt schliesslich 
auch der centralste Theil der verschlossenen Seite des Genitalschlauches, 
die Tube, das zurückgehaltene Blut in sich auf, und wird durch dasselbe 
zu einem Tubensacke ausgedehnt. Eine Hauptgefahr der sich immer 
mehr vergrössernden Geschwulst bildet die Ruptur. 


Es ist viel darüber gestritten worden, woher das Blut in der Tube 
stamme. Nach der sogenannten Refluxtheorie von Bernutz und Goupil 
nimmt das von der mucosa corporis allein abgesonderte Blut schliesslich 
einen rückwärtigen Weg in die Tube. Auch heute steht eine grosse 
Anzahl von Gynäkologen auf diesem Standpunkte. Doch scheint diese 
Ansicht nicht richtig zu sein. Wie Rose (Monatsschr. f. Geburtskunde 
1867 p. 301) nimmt Bandl in seinen Tubenkrankheiten als sicher an, 
dass das in der Tube angesammelte Blut aus der Tubenwandung selbst 
stamme. Es sind Tubenblutsäcke beschrieben, deren oberster Abschnitt 
mit dem Eierstock in Zusammenhang steht. In diesen Fällen ist es 


150 - Jahresbericht der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. 


immerhin möglich, dass das Blut aus einem geborstenen Follikel geliefert 
werde. Meistens ist ein solcher Zusammenhang nicht vorhanden. In 
anderen Fällen ist beobachtet, dass der Tubenblutsack von dem übrigen 
bluthaltigen Genitalkanal durch ein verengtes oder ganz verschlossenes 
Tubenstück getrennt ist. Wendeler berichtet, in Martin’s neuem 
Handbuche über Eileiterkrankheiten, über ein Präparat, welches einem 
geschlechtsreifen Dienstmädchen entstammt, das in voller Gesundheit 
gegen Ende der Menstruation plötzlich gestorben war. Das Verhalten 
der Tubenmucosa ähnelt in diesem Falle sehr dem der mucosa uteri, 
nur dass die Erscheinungen weniger stark ausgesprochen sind. Schroeder 
und Hofmeier nehmen an, dass bei Erschwerung des Blutaustritts aus 
der mucosa uteri eine vieariirende Blutung aus der mucosa tubae erfolge, 
Auch Landau und Rheinstein (Archiv für Gynäkologie Bd. 42) 
nehmen an, dass die Tuben unter gewissen Umständen menstruiren. 

Man findet in diesen Fällen von Hämatosalpinx auch einen Ver- 
‘schluss des abdominellen Tubenendes. Nach J. Veit (Verhandlungen 
des Bonner Gynäkologen-Congresses 1891) ist es nur möglich, dass ent- _ 
weder eine Missbildung auch des abdominellen Tubenendes vorliegt, 
oder dass secundär eine entzündliche Verschliessung herbeigeführt wird, 
Bei der Tubengravidität ist das ostinm abdominale immer offen, und 
nach J. Veit demnach keine richtige Hämatosalpinx möglich ohne Ver- 
schluss des abdominellen Endes. 

Auch erworbene Atresien am peripheren Theile des Genitalkanals 
können durch Aufstauung des Menstrualblutes allmählich zu Hämato- 
metra und Hämatosalpinx führen. Die Atresie kann durch Verletzungen 
bei der Geburt, Verwachsungen nach Anwendung von Aetzmitteln, Ent- 
zündungen in Folge von Infectionskrankheiten entstehen. 

In allen diesen Fällen von congenitaler oder acquirirter peripherer 
Atresie wird die Menstruation die Veranlassung zur schliesslichen Bildung 
der Sactosalpinx hämorrhagica. 

In ganz anderer Weise bilden sich plötzlich Tubenblutsäcke in einer 
präformirten Hydrosalpinx oder Hydropyosalpinx. Die Grundbedingung 
zur schnellen Entstehung des Blutsackes ist gegeben in dem vorgebildeten 
Sack und der abdominellen Atresie desselben. Die Blutung erfolgt aus 
der Tubenschleimhaut durch Trauma oder Tersion. Die letztere kann 
zugleich bei der ‚Stieltorsion eines Ovarialtumors bewirkt werden, oder 
bei der plötzlichen Verlagerung eines anderen Tumors. J. Veit (l. ce.) 
theilt einen Fall mit, bei dem durch Reiten plötzlich aus einer Hydro- 
salpinx eine Hämatosalpinx entstanden war. Er kennt jedoch keinen 
Fall, bei welchem die pathologisch verschlossene Tube durch die Blutung 
zum Tubensacke gedehnt worden wäre. 

Ich möchte heute über einen solehen Fall berichten, der deshalb 
besonderes Interesse beanspruchen dürfte, weil bei erworbener Tuben- 


I. Abtheilung. Medicinische Section. La 


atresie der Eintritt der Menstruation zur Ursache der Blutsack- 
bildung wird. 

Das 18jährige Dienstmädchen R. erschien bei mir mit starken 
Schmerzen im linken Unterleibe am 12. Juli 1895. 

Die Virgo ist vor 5 Jahren an Scharlach und Diphtherie erkrankt. 
Damals soll Patientin 8 Wochen zu Bett gelegen haben und mehrere 
Tage besinnungslos gewesen sein. Nach Aussage des behandelnden 
Arztes ist die Erkrankung eine schwere gewesen. Sonst ist die R. nie 
krank gewesen. Anfang März 1895 bekam sie eines Tages heftige 
Schmerzen links im Unterleibe. Gleichzeitig bemerkte sie, dass ihre 
erste Periode eingetreten war. Mit Aufhören der schwachen Blutung 
hörten auch die Schmerzen auf. Dieses Ereigniss wiederholte sich 
monatlich. Anfang Juli jedoch trat die Menstruation in viel stärkerem 
Maasse und eine Woche lang auf. Die Schmerzen steigerten sich. Auch 
nach Aufhören der äusseren Blutung liessen die Schmerzen nicht mehr 
nach, Dazu traten Schmerzen in der Blasengegend und fortwährender 
Harndrang. In den letzten Tagen will Patientin Abends gefiebert haben. 

Die R, ist schwach entwickelt, hat aber gesunde Respirations- und 
Cireulationsorgane. Urin ist eiweiss- und zuckerfrei. P. 120, T. 38,1. 
Die linke regio hypogastrica ist etwas vorgetrieben und auf Druck sehr 
schmerzhaft. Die innere und combinirte Untersuchung ergiebt daselbst 
eine wurst- oder walzenförmige, prall gespannte, bewegliche und sehr 
schmerzhafte Geschwulst, die von vorn nach hinten links im kleinen 
Becken liegt und mit der vorderen Geschwulstkuppe ins grosse Becken 
ragt. Es ist ein Zusammenhang mit dem Uterus vorhanden. Der letztere 
ist scheinbar stark vergrössert und anteflectirt, ist aber in der That 
klein und retrodextrovertirt. Unter Leitung des in die Scheide einge- 
führten Zeigefingers gelingt es, eine dünne Sonde in den Uterus einzu- 
führen, die sich nach rechts und hinten nur 5 cm weit verschieben lässt. 
Die hintere Geschwulstkuppe ist im Douglas und linken Laquear zu 
fühlen. Die vordere Geschwulstkuppe liegt auf der Blase und täuschte 
zuerst ein stark vergrössertes corpus uteri vor. 

Hauptsächlich auf Grund der Anamnese liess sich sofort die Diagnose 
Hämatosalpinx stellen. Ich fügte jedoch Hämatometra hinzu, da ich an 
eine Missbildung mit congenitaler Atresie dachte. 

Nach einwöchentlicher klinischer Beobachtung hatte sich der Zustand 
verschlimmert. Die R. konnte nur gekrümmt langsam gehen. Beim 
Liegen hatte sie grössere Schmerzen als beim Sitzen. Nachm, T. bis 38,5. 
Die Gefahr der Ruptur des inficirten Blutsackes gab die Indieation zur 
Operation. 

Bei derselben liess sich der Tubensack leicht aus dem Becken 
heben. Mit dem Uterus verband ihn ein ca. 2,5 cm langes, bleistift- 
diekes Tubenzwischenstück. An dieser Stelle wurde die Geschwulst 


153 Jahresbericht der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. 


abgetrennt. Allerdings konnte ohne Berstungsgefahr das dem Sack innig 
anliegende Ovar nicht abgesondert werden, und wurde mit abgetragen. 
Da auch die rechten Adnexe pathologische Veränderungen zeigten, wurden 
sie ebenfalls entfernt. 

Es erfolgte glatte Heilung. Patientin ist seitdem wieder vollständig 
arbeitsfähig, und hat keine Beschwerden durch den antecipirten Klimax. 

Die Tubengeschwulst prall elastisch, von blau-rother Farbe, hat 
uneröffnet eine Länge von 18 cm. Sie zeigt zwei Anschwellungen, eine 
hintere grössere mit einem Durchmesser von 6,5 cm und eine vordere 
dem Uterus aufliegende kleinere. Bei dem Versuch, die Geschwulst von 
dem bleistiftdieken uterinen Ende aus mit der Scheere zu öffnen, gelingt 
das HKindringen ins Tubenlumen nur ca. 1 cm weit. Um weiter zu ge- 
langen, wird mit der spitzen Branche eine verschlossene Stelle durch- 
gestossen, und darauf die ganze Geschwulst an der oberen Seite geöffnet. 
Sofort entquillt‘ der eröffneten Höhle eine grosse Menge chocolade- 
farbenen, diekflüssigen Blutes. Etliche Minuten nach der Eröffnung zeigt 
die Geschwulsthülle bereits eine bedeutende Schrumpfung, als Zeichen 
der starken Spannung, unter der die Flüssigkeit in Tubenrohre gestanden 
hat. Die Innenwand ist uneben, höckerig, doch faltenlos.. An vielen 
Stellen haften schwer lösbare Blutgerinnsel. Einzelne Querleisten treten 
stark hervor. Am bedeutendsten ist die auch aussen merkbare Ver- 
engerung der Höhlung am Ende des ersten Dritiels vom Uterus aus, 
welches der ersten, kleineren Anschwellung der uneröffneten Blut- 
geschwulst entspricht. Die Haftstelle einer Fimbrieneyste an der Aussen- 
wand zeigt die Stelle an, wo ehemals die abdominelle Oeffnung der 
Tube war. Sonst ist von derselben nichts zu bemerken. Starke Quer- 
leisten springen auch am uterinen Ende gegen die atretische Stelle vor. 
Dort setzt sich die Gesehwulst scharf gegen den nicht zu ihr gehörenden 
Tubenrest ab, welcher deutliche Schleimhautlängsfaltung zeigt, und die 
polypenartigen kleinen Schleimhautkörner, welche ein Zeichen der Salpin- 
gitis interstitialis chronica sind. 

Die rechte Tube weist eine abnorm starke Schlange und zwei 
faltenlose Divertikel auf, auch Zeichen überstandener Entzündung. Das 
abdominelle Ende ist frei und hat einen wohlerhaltenen Faltentrichter, 
Das taubeneigrosse rechte Ovarium enthält eine Follikeleyste mit glatter 
Wandung und eine haselnussgrosse Corpusluteumeyste mit gewellter 
Wandung. ' 

Wie ist in diesem Falle die Hämatosalpinx entstanden, resp. die 
pathologischen Veränderungen, die die Bildung der Blutgeschwulst er- 
möglichten? Von einer Missbildung kann keine Rede sein. Es müssen 
eingreifende pathologische Processe, ausgehend von der Schleimhaut an 
den Tuben, besonders an der linken, stattgefunden haben. Sie können 
im vorliegenden Falle nur durch die überstandene Scarlatina genügende 


I. Abtheilung. Medicinische Section. 153 


Erklärung finden. Dass bei acuten Infeetionskrankheiten, die mit Er- 
krankung der Schleimhäute einhergehen, auch die Schleimhäute des 
Genitalkanals erkranken können, ist bekannt. Fraenkel und Deycke 
(D. med. Wochenschr. 1893 Nr. 7) haben bei der letzten Choleraepidemie 
in Hamburg derartige Erkrankungen an der Schleimhaut der Gebärmutter 
eonstatirt. Unter 200 Sectionen weiblicher Choleraleichen zeigte sich 
bei 110, also bei 65 pCt., dass ein Bluterguss ins cavum uteri statt- 
gefunden hatte. Das Endometrium war hämorrhagisch infareirt, die 
Gefässe der Schleimhaut und der Museulatur stark erweitert. In den 
oberflächlichen Schichten waren auch coagulationsnekrolische Vorgänge 
an den drüsigen Elementen zu constatiren. In einem Falle, in dem die 
Nekrose besonders stark ausgesprochen war, zeigte die Bacterienfärbung 
nach Weigert und Löffler, dass es sich um massenhafte Invasion 
von Streptocoecen handelte. Ausserdem beschreibt Deycke auch 
diphtheritisch - uleeröse Processe an der Scheide und Blutung in die 
Ovarien. Von Veränderungen in den Tuben wird allerdings nichts er- 
wähnt. Rusi (Ref. C. f. Gynäkologie 1894 Nr. 25) fand bei 16 Cholera- 
leichen starke Hyperämie und Schwellung der Tuben. Hennig beob- 
achtete bei der Section eines jungen Mädchens, das an Typhus gestorben 
war, eine hämorrhagische Tubennekrose mit Durchbruch in den Darm, 
Terrillon operirte eine Hämatosalpinx bei einem 22jährigen Mädchen, 
welche sechs Jahre vorher in Folge von Scharlach entstanden war (Ref. 
Martin Krankheiten d. Eileiter p. 78). Dieser Fall, der mir nur durch 
das Citat im Martin’schen Werke bekannt ist, hat Aehnlichkeit mit 
dem von mir geschilderten. Ich kann nicht entscheiden, ob bei dem- 
selben auch der Eintritt der Menses die Veranlassung zur Bildung der 
Geschwulst gewesen ist. Auch ist es nicht wahrscheinlich, dass die 
Blutgeschwulst in der That 6 Jahre lang vor der Operation bestanden 
hat. R. Müller (C. f. Gynäkologie 1895 Nr. 49) beobachtete bei 
Influenza 138 Nichtgravidae. Mit Ausnahme von 3 Fällen zeigten sie 
Metrorrhagien, Menorrhagien ünd Verschlimmerung bereits bestehender 
Sexualleiden. Unter 21 Gravidae wurde in 17 Fällen die Schwanger- 
schaft unterbrochen. Oft zeigten sich nach Ablauf der Krankheit die 
Symptome einer Endometritis chroniea. Hierher gehören endlich auch 
zwei Fälle, die von Bernutz und Goupil zum Beweise der Richtigkeit 
ihrer Refluxtheorie berichtet werden. In einem derselben von Laboul- 
bene handelte es sich um eine am vierten Tage einer Variola erlegenen 
Frau, in dem anderen um eine Beobachtung H&lies’, nämlich um eine 
Zwanzigjährige, die am siebenten Tage einer Scarlatina erlegen war. 
In beiden Fällen waren im Uterus und in der Tube mit einander zu- 
sammenhängende Blutgerinnsel vorhanden. 

Jedenfalls stehen in diesen Fällen die Vorgänge an der Tuben- 
schleimhaut in naher Beziehung zur Infectionskrankheit. Man kann sich 

11 


154 Jahresbericht der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. 


vorstellen, dass aus der Endosalpingitis acuta hämorrhagica eine Salpin- 
gitis purulenta chronica mit allen ihren Folgen werden kann. Die Länge 
des Eileiters nimmt zu, so dass starke Schlängelungen entstehen. Die 
starke Schwellung der Schleimhautfalten, Verwachsungen derselben unter 
einander, Cystenbildung in derselben, Bindegewebswucherung bewirken 
Verengerungen des Lumens, besonders am Isthmus tubae. Vollkommene 
Obliteration des uterinen Tubenendes wie in unserem Falle ist selten. 
Reymond (Annales de gyneeologie 1895 Janvier) konnte unter 94 Fällen 
von Salpingitis nur einmal eine vollkommene Obliteration feststellen. 
Dass sich leichter ein Verschluss am Ostium abdominale, also am wei- 
testen Tubentheil bildet, liest daran, dass der Verschluss nicht durch 
Narbenbildung in der Schleimhaut wie am uterinen Ende, sondern durch 
peritoneale Verlöthungen der Tubenfranzen mit dem Ovarium, mit anderen 
Organen oder unter einander zu Stande kommt. Besonders der letzte 

Modus scheint ein häufiger zu sein. Als Endstadium ist die Hydro- 
 salpinx oder Sactosalpinx serosa aufzufassen, die unter schon geschilderten 
Bedingungen zu einer Hämorrhagica werden kann. Es ist wahrscheinlich, 
dass auch in dem beschriebenen Falle aus der Salpingitis scarlatinosa 
eine Hydrosalpinx entstanden ist. 


Mit dem Einsetzen der Menses muss nach den Symptomen auch 
eine beträchtliche Absonderung von Blut aus der Tubenschleimhaut statt- 
sefunden haben. Diese Blutung wiederholte sich jedes Mal bei Eintritt 
der Uterusmenstruation. Jedenfalls kann diese Beobachtung einer patho- 
logisch vermebrten menstruellen Blutabsonderung in einen vollständig 
abgeschlossenen Tubensack und bei freier Uterusmenstruation als ein 
klarer Beweis für die menstruelle Blutungsfähigkeit der Mucosa tubae 
angesehen werden. Ich muss daher der Ansicht von Landau und 
Rheinstein beistimmen, dass die Tuben ‚unter bestimmten Umständen“ 
menstruiren können (Archiv für Gynäkologie Bd. 42). Auch ist nicht 
anzunehmen, dass die vielleicht schon vor Eintritt der Menses bestehende 
Hydrosalpinx eine beträchtliche Ausdehnung gehabt habe. Erst fast 
fünf Jahre nach der Scarlatina, erst mit dem Eintritt der ersten Menses 
beginnen die bekannten Beschwerden der sich bildenden Tubengeschwulst 
in ähnlicher Weise wie bei angeborener Missbildung. Die Tube ist 
wahrscheinlich durch das sich ansammelnde Blut beträchtlich ausgedehnt 
worden. 


Eigenthümlich ist dem beschriebenen Falle die Ursache der Blut- 
sackbildung, die sonst bei erworbener Atresie in einem Trauma oder 
einer Torsion zu bestehen pflegt. Ausser dem Terrillon’schen Falle 
habe ich in der Literatur keinen ähnlichen finden können. 


b) C. demonstrirt einen von ihm schon auf dem Wiener Gynäkologen- 
Congresse ausführlich besprochenen neuen Scheidenspiegelhalter. Es 


I. Abtheilung. Medicinische Section. 155 


handelt sich darum, das oft recht anstrengende und langweilige Assistiren 
an der hinteren Scheidenrinne bei gynäkologischen Stuhloperationen 
durch einen geeigneten Apparat zu ersetzen. C©. bespricht die verschiedenen 
bisherigen Erfindungen solcher Spiegelhalter, die mit Ausnahme des 
Neugebauer’schen für die Knieellenbogenlage erfundenen alle als 
unpraktisch und unzulänglich bezeichnet werden müssen. Hierauf wird 
der neue Apparat und das mechanische Prineip seiner praktischen 
Wirkungsweise, die genau der Kraftäusserung des lebendigen Assistenten 
armes nachgeahmt ist, erklärt. Schliesslich zeigt ©. die Anwendungi 
des Apparates an der Lebenden. Hauptsächlich gebraucht er ihn bei 
Operationen an der vorderen Scheidenwand (Colpotomia anterior, .vaginae- 
fixatio uteri, colporrhaphia ant., Fisteloperationen), weil bei diesen die 
hintere Scheidenrinne während der ganzen Operationsdauer gleichmässig 
gehalten werden muss. 

Der Apparat wird bei Haertel in Breslau angefertigt. 

Genaueres über den Apparat selbst und Abbildungen desselben in 
den Verhandlungen der Deutschen Gesellschaft für Gynäkologie Bd, VI, 
p. 460. 


21. Sitzung vom 20. December 1895. 


Vorsitzender: Herr Prof. Born. Schriftführer: Herr Dr. Endres. 
Vor der Tagesordnung: 
Herr Dr. Viertel: 
Demonstration eines intravesical operirten Blasentumors. 


Vortragender demonstrirte eine über haselnussgrosse Geschwulst, 
welche in der Blase eines 79jährigen Herrn etwas nach hinten vom 
rechten Ureter sass und den Patienten durch heftige Blutungen sehr in 
seinem Allgemeinbefinden schädigte. Nachdem der Tumor eystoskopisch 
diagnostieirt war, erfolgte seine Entfernung mit der galvanokaustischen 
Schneideschlinge des Operationscystoskops von Nitze. Dem Tumor 
wurde unter Leitung des Auges die Platiniridiumschlinge umgelegt, und, 
nachdem der richtige und feste Sitz derselben constatirt war, der dünne 
Stiel durchgeglüht. Die ganze Operation, welche ohne allgemeine Nar- 
kose in der cocainisirten Blase vorgenommen worden, dauerte nur einige 
Minuten. Patient entleerte den Tumor beim ersten Uriniren. Verlauf 
ohne jegliche örtliche und allgemeine Reaction. Nach 8 Tagen wurden an 
einer anderen Stelle des Blasenbodens, etwa einen Centimeter weit nach 
aussen und hinten vom Sitze des Tumors zwei hanfkorngrosse Knöspchen, 
welehe wohl die erste Anlage eines ebensolchen Tumors, wie der eben 
geschilderte, darstellten, und welche bei der ersten Untersuchung schon 
constatirt waren, mittelst des Galvanokauters des Nitze’schen Operations- 


156 Jahresbericht der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. 


eystoskops zerstört. Bei dieser Gelegenheit zeigte sich bei Inspection 
der ersten Operationsstelle, dass der Tumor nur einen ganz dünnen Stiel 
gehabt hatte. Die Operationsstelle selbst war von einem kleinen schwarz. 
rothen Schörfehen bedeckt, entsprechend dem dünnen Durchmesser des 
Stiels. Die Umgebung zeigte keinerlei entzündliche Reaction. Auch 
dieser zweite Eingriff verlief völlig reaciionslos und hat Patient seit 
dieser Zeit keinerlei Blutung mehr gehabt.!) Es ist dies wohl der erste 
Fall für Breslau, in welchem beim Manne ein Blasentumor ohne Er- 
weiterung oder Verletzung der natürlichen Harnwege unter Leitung des 
Auges intravesical durch das Nitze’sche Operationscysioskop operirt 
ist. Der Eingriff wiegt nicht schwerer als eine gewöhnliche cysto- 
skopische Untersuchung. 


Tagesordnung: 


J. Antrag Neisser: Die Zahl der Secretaire, welchen die Vor- 
bereitung und Leitung der Sections-Sitzungen wie der klinischen Abende, 
sowie die Redaction der Sitzungsberichte obliegt, wird auf sechs erhöht. 
Die Wahlen erfolgen in geheimer Abstimmung. Jedes Jahr scheiden 
2 der Secretaire — zuerst durch das Loos, später nach der Amtsdauer 
— aus und sind in derselben Wahlperiode nicht wieder wählbar. 


Diseussion: 


Prof. Barth: Wechsel der Secretaire ist nicht wünschenswerth, nur 
der Grund der Arbeitsüberlastung wäre bestimmend. 
Prof, Richter: Es müssten dabei Nichtangehörige der Universität 
gewählt werden, . 
Dr.Buchwald: Die Wiederwählbarkeit ist aufrecht zu erhalten. Aus- 
scheiden der Secretaire zu drei und drei. Stimmt im Uebrigen Richter bei. 
Geh. Rath Neisser: Drei haben auszuscheiden, drei sind wieder 
wählbar. Stimmt ebenfalls Richter bei. 
Prof, Born: Am Modus der klinischen Abende ist nichts zu ändern. 
Dr. Buchwald: Zur Geschäftsordnung. 
Prof. Born: 
1. Zahl der Secretaire: 6. 
2. Bei jeder Neuwahl sind 3 Secretaire nicht wieder wählbar. 
3. Es ist erforderlich, unter den vorgeschlagenen Secretairen 
auch Nicht-Universitätsangehörige zu wählen (nach Richter). 
Dr. Buchwald: Will den Modus des Vorschlages genauer definirt 
haben. | 
Geh. Rath Neisser macht auf das Geschäftsmässige aufmerksam.. 


!) Seit der Operation sind 6 Wochen vergangen. 


I. Abtheilung. Medicinische Section. 157 


Dr. Brieger: Die Wahl der Secretaire soll frei sein, die zu Wäh- 
lenden sind zu nennen. 
Prof. Born: 
1. Die Zahl der Secretaire ist 6. 
2. Unter den Gewählten müssen zwei praktische Aerzte sein. 
1. wird mit Majorität angenommen. 
2. nicht angenommen. 

3. Bei jeder Neuwahl ist eine bestimmte Zahl von Secretairen 
nieht wieder wählbar und zwar haben zwei für die nächste 
Wahlperiode auszuscheiden. 

3. ist angenommen und zwar sind diese beiden auszuloosen, 
Heute Wahl der Sechs. 
Bisherige Secretaire: Born, Buchwald, Mikuliez, Neisser, 
Ponfick. 


II. Wahl der Secretaire. 


III. Antrag Mikuliez und Genossen: Die Sectionssitzungen sollen 
von nun ab nicht mehr Freitag um 6 Uhr, sondern Abends um 8"), Uhr 
an stattfinden. 

Prof. Born ersucht um allseitige Meinungsäusserung. 

Geh. Rath Neisser setzt die Intention des Antrags auseinander. 

1. Geselligkeit soll nach dem Vortrag gepflegt werden. 
2. Die Assistenten der Kliniken sind um 6 Uhr häufig dienstlich 
verhindert. 

Dr. Buchwald gegen den Antrag. 

1. Für klinische Abende ist es unmöglich der Kranken wegen. 

2. Der Familie wegen nicht ein ganzer Abend. 

3. Mitglieder aus der Provinz sollen an demselben Abend wieder 
abreisen können. | 

4. Deutsche Alpenvereinssitzungen finden Abends 8 Uhr statt. 

Dr. Kümmel befürwortet den Antrag. 

Dr. Kayser: Nach der Art des Vortrages haben die Seeretaire 
die Zeit des Vortrages in jedem Falle besonders festzustellen. 

Dr. Asch sen. fürchtet für die Wissenschaftlichkeit des Vortrages. 

Dr. Kümmel spricht dafür. 

Zur Abstimmung: 

1. Die Sitzungen sind nicht auf 6 Uhr, sondern auf 8 Uhr am 
Freitag anzusetzen. 
2. Eventuell Antrag Kayser. 
1. und 2. werden abgelehnt. 


IV. Referat der Secretaire (Referent Born) über eine beabsichtigte 
andersartige Drucklegung der Berichte der Sectionssitzungen und der 
klinischen Abende. Die Berichte der Sitzungen und der klinischen 


12 


158 Jahresbericht der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. 


Abende sollen in klinischen resp. medieinischen Wochenschriften ver- 
öffentlieht werden. Die Deutsche medieinische und die Berliner med. 
Wochenschrift kommen nicht in Betracht. 

Das Lohenstein’sche und das Grosser’sche Blatt erklärten sich 
bereit zur Aufnahme. 

Die Secretaire sind dafür; Prof. H. Cohn hat sich gegen das 
Grosser’sche Organ wegen des Petitdruckes ausgesprochen. 


Discussion: 

Dr. Viertel: Es ist zu untersuchen, welche Zeitschrift mehr gelesen 
wird. Die Grosser’sche Zeitung ist nicht zu verwerfen. 

Dr. Kramer: Der Preis ist zu berücksichtigen. 

Dr. Kuznitzky: Bei der Münchener Med. Wochenschrift ist 
gleichfalls anzufragen. 

Gewählte Secretaire: Mikulicz öl, Neisser 50, Born 49, 
Buchwald 43, Ponfick 36, Asch sen. 27 Stimmen. 


nn 


schlesische Gesellschaft für vaterländische Cultur. 


73. I. Abtheilung. 
Jahresbericht. Medicin. 
1895. b. Hygienische Section. 
@&c are 2,9 


Sitzungen der hygienischen Section im Jahre 1895. 


Secretaire: Geh. Medicinalrath Prof. Dr. Flügge, Prof. Dr. H. Cohn und Königl. 
Polizei-Stadt-Physikus, Sanitätsrath Prof. Dr. Jacobi. 


1. Sitzung am 5. Juli 1895. 
1) Herr Prof. ‘Dr. Holdefleiss: 


„Erfahrungen der letzten fünfzehn Jahre über die Verwerthung der 
städtischen Abfallstoffe.‘ 

Referent hat im Jahre 1879 an derselben Stelle über das vorge- 
nannte Thema auf Grund seiner Erfahrungen in England berichtet. Seit 
dieser Zeit hat noch immer keine Klärung der Erfahrungen stattgefunden, 
insofern die Frage, welches System das beste sei, noch keine anerkannte 
Lösung gefunden hat. Am meisten hat hierzu wohl der Umstand bei- 
getragen, dass in den einzelnen Fällen in der Regel das Urtheil be- 
stimmt wurde durch die Vorliebe für ein einzelnes System, welche 
meistens beruhte auf örtlichen Gründen, die nichts mit dem eigentlichen 
Zwecke der Verwerthung der Abfallstoffe zu thun haben. 

Verhältnissmässig am häufigsten hat sich die Vorliebe der Städte 
der Schwemmkanalisation zugewandt; das wesentlichste Moment, 
welches für deren Anwendungsweise und für die Verwerthung der 
Stoffe bestimmend ist, ist der Verbrauch von sehr viel Wasser und die 
dadurch hervorgerufene grosse Verdünnung der Fäcalien. 

Diese weit verbreitete Vorliebe ist erklärlich, denn für die Be- 
quemlichkeit und Sauberkeit der Städte selbst, für das schnelle, saubere 
und vollständige Wegschaffen der Fäcalien aus den Häusern giebt es 
nichts besseres als das Wasser-Closet, mit welchem die Schwemm- 
kanalisation innig verbunden ist. 

Jedoch die Wegschaffung der Stoffe aus den Städten und ihre 
Verwerthung sind zwei verschiedene Dinge und gerade die Ver- 
werthung ist von hervorragender Bedeutung. Auf dieselbe ist aus fol- 
genden zwei Gesichtspunkten Werth zu legen. 

1. Aus land- und volkswirthschaftlichen Gründen in Bezug auf Er- 
haltung von Werthen. Es steht fest, dass die Fäcalien in ihrer Ge- 

189. 14 


D) Jahresbericht der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. 


sammtheit alle die Bestandtheile enthalten, welche die Fruchtbarkeit 
des Bodens und die Productionsfähigkeit des Landes bedingen, und dass, 
wenn diese verloren gegeben werden, dies einen ungeheueren, vielleicht 
unwiderbringlichen Verlust an Nationalvermögen bedeutet. 

2. Aus Gründen der absolut sicheren Unschädlichmachung, denn 
es erscheint von vornherein einleuchtend, dass jede Entfernung der 
lästigen Stoffe aus dem Weichbilde der Stadt nur eine mit darauf fol- 
genden Unzuträglichkeiten verbundene Translocation derselben darstellt; 
während nur die schnelle und vollständige Verwerthung eine wirklich 
sichere Vernichtung der durch ihre Zersetzung schädlich werdenden 
Massen garantiren kann. 

Die Stadt, welche sich vor Unzuträglichkeiten schützen will, darf sich 
also nicht bei der Herausschaffung der Fäcalien beruhigen, sondern sie 
ist dringend gezwungen, daran zu denken, was aus denselben nach dem 
Herausschaffen wird. 

Bei der Schwemmkanalisation werden nun die aus der Stadt heraus- 
geschafften Massen, wenn sie nicht direet in Flüsse geleitet werden, 
was nicht mehr angängig ist — zur Berieselung von Ackerflächen ver- 
wendet. Hierdurch sollen sie einmal ausgenutzt und verwerthet und 
andererseits unschädlich gemacht werden. 

Was die Ausnutzung anbetrifft, so haben die Analysen der aus den 
Breslauer Rieselfeldern ablaufenden Wässer ergeben, dass nicht mehr 
als rund ein Viertel bis ein Drittel der im Rieselwasser enthalten 
gewesenen Stoffe im Acker zurückgehalten wird. Zu einem ähnlichen 
Resultate kommt man auch durch Rechnung, wenn man berücksichtigt, 
dass durch landwirthschaftliche Benutzung auf einem Morgen Acker die 
Auswürfe von nur 70 bis 80 Menschen verwerthet werden können, 
während bei der jetzigen Rieselfläche auf einen Morgen ca. 200 Ein- 
wohner kommen. Und dabei sind die Breslauer Rieselanlagen noch 
insofern die rationellsten, ja mustergültigsten, als sie von allen den 
ür Absorption und landwirthschaftliche Ausnutzung geeignetsten Boden 
haben. 

Das soeben angeführte Verhältniss der Ausnutzung zeigt aber, dass 
die Rieselflächen in allen Fällen immer mehr vergrössert werden 
müssen, so dass es schliesslich unmöglich sein muss, genügende 
Flächen zu beschaffen. 

Zu berücksichtigen ist ferner, dass bei zu geringer Rieselfläche die 
Stoffe nicht nur unvollkommen ausgenutzt werden, sondern der Acker 
auch zu schnell seine Absorptionsfähigkeit verliert. Die 
suspendirten feinen Stoffe erfüllen und verstopfen die feinen Poren des 
Bodens, in Folge dessen verliert er nicht nur seine Rieselfähigkeit, sondern 
verschliesst sich so, dass im Innern durch die sich oxydirende organische 


I. Abtheilung. Hygienische Section. 3 


Substanz Reductionen der Eisenoxyd-Verbindungen zu Eisenoxydul 
stattfinden, welches für die Pflanzenwurzeln giftig ist. 

Endlich aber muss es auffallen, dass die Erträge der Rieselflächen, 
trotz der abnorm hohen Dungmengen, welche ihnen zugeführt werden, 
relativ niedrig sind. So sind z. B. die Erträge an Zückerrüben in 
 Oswitz niedriger, als sonst auf normalem Boden, und dasselbe gilt für 
die übrigen Früchte. Auch ist die Auswahl der anzubauenden Früchte 
geringer, so wächst z. B. Hafer auf den Flächen so gut wie gar nicht, 
und auch die Gerste giebt wenig Ertrag und geringe Qualität. Der 
Grund hierzu scheint hauptsächlich in der Verschlechterung der 
physikalischen Beschaffenheit des Bodens zu liegen, ganz 
besonders darin, dass der im Frühjahr zu bestellende Acker den ganzen 
Winter gerieselt werden muss, um das Wasser unterzubringen, und in 
Folge dessen nicht ausfrieren noch verwittern kann. Ueberhaupt 
macht die Vertheilung der grossen Mengen des Rieselwassers mehr 
Schwierigkeiten als meistens angenommen wird, da alle Culturpflanzen 
ausser Gras und Korbweiden das directe Rieseln nicht vertragen; 
dauernd Gras anzubauen ist aber nicht angängig, da nur durch Wechsel- 
bau von Ackerfrüchten der Acker dauernd aufnahmefähig gemacht 
werden kann. 

Immer aber bleibt die Frage bestehen, was aus den nicht aus- 
genutzten Stoffen wird, immer schwebt über der ganzen Anlage die 
Gefahr, dass bei nicht voller Ausnutzung die restirenden Stoffe irgendwo 
zu Klagen und Processen von Seiten der Adjacenten Veranlassung 
geben. 

So zufriedenstellend die Schwemmkanalisation an sich meistens 
funetionirt, so wird sich somit die allgemeine Durchführung der Aus- 
. nutzung durch Rieselanlagen doch kaum als möglich erweisen. 

Wenn das Rieseln vorzugsweise dadurch soviel Schwierigkeiten 
macht, dass die grossen Mengen vorhandener Stoffe in der Regel nicht 
durch die verfügbaren Ackerflächen ausgenutzt und unschädlich gemacht 
werden können, so ist es erklärlich, dass man bald daran dachte, durch 
sogenannte Kläranlagen einen erheblichen Theil der im Rieselwasser 
enthaltenen Bestandtheile zunächst auszufällen. Dies konnte den Zweck 
haben, entweder das Wasser überhaupt genügend zn reinigen, oder seine 
Concentration so herabzudrücken, dass es nun einer geringeren Acker- 
fläche zur Ausnutzung bedarf. In der That können, sei es durch blosses 
Absetzenlassen, sei es durch Zusatz von Stoffen, welche den Nieder- 
schlag befördern — wenigstens die suspendirten Stoffe fast vollständig 
für sich gewonnen werden, also dass solches geklärte Rieselwasser dann 
in erheblich grösserer Menge auf den Acker gebracht werden kann, 
ohne ihn zu verschliessen, und ohne ihm die Möglichkeit einer genügen- 
den Ausnutzung zu nehmen. Es wird dadurch ein verwerthbarer 


Be Jahresbericht der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. 


Schlamm gewonnen, der auf grössere Entfernungen hin vergeben 
werden kann und‘ dadurch auch ferner liegende und nicht zu Riesel- 
flächen aptirte Aecker an der Verwerthung betheiligen kann. Solcher 
Schlamm wird in geringerer Menge schon in Oswitz aus den Riesel- 
gräben gewonnen; doch würden eigentliche Klärbassins in dieser 
Richtung vortheilhafter wirken. 


Immer aber bleibt der Uebelstand bestehen, dass aus den über- 
mässig grossen Wassermassen das Niederschlagen nur unvollkommen 
geschieht, und dass immer schwer zu bewältigende, schwer zu reinigende 
und nie vollständig auszunutzende Wassermengen resultiren. 


Des Idealste würde es sein, wenn alle wesentlichen Stoffe der 
Fäcalien, sowohl diejenigen, welche anderwärts schädlich wirken, als 
auch die, welche als Dungmaterialien dienen können, in einem concen- 
trirten, trockenen, versandfähigen Producte gewonnen werden könnten. 
Die Vorzüge solcher Gewinnung würden sein: 

1. Die verdächtigen und schädlichen Stoffe würden auf einmal in 
concentrirter Form gefasst werden und könnten nicht mehr — in schwer 
zu bewältigenden Unmengen von Wasser sich erhaltend und vermehrend 
— weitere unabsehbare Kreise von Adjacenten gefährden. 

2. Die düngenden Bestandtheile, vom Wasser befreit und concen- 
trirt, würden als Kunstdünger vollkommen ausgenutzt werden können. 

3. Die Trockenheit und Versandfähiskeit des Productes würde es 
ermöglichen, einen geregelten Absatz durch marktgängigen Verkanf her- 
zustellen und so auch weiter von den Städten entfernt wohnende Land- 
wirthe für die Verwerthung zu interessiren. 


Auf diese Art der Gewinnung wird unaufhaltsam hingedrängt durch 
die Kostspieligkeit der Rieselanlagen, durch die Unmöglichkeit, schliess- 
lich genügende Ackerflächen zum Rieseln zu beschaffen und durch die 
Unvollkommenheit der Reinigung beim Rieseln. 


In England, wo Schwemmkanalisatior verbunden mit Rieselanlagen 
zuerst in grösserem Maasse zur Anwendung kamen, werden letztere mehr 
und mehr wieder aufgegeben, und man versucht auf verschiedene Weise 
die fraglichen Stoffe niederzuschlagen und in fester Form zu gewinnen. 
Hierher gehört z. B. das vielberufene sogenannte Ferrozone - Polarite- 
Verfahren, bei welchem durch schwefelsaure Thonerde und Eisenoxyd 
eine Klärung der Fäcalien bewirkt wird. 


Die Nachtheile soleher Verfahren sind aber: 


1. Dass nur die suspendirten Stoffe niedergeschlagen und gewonnen 
werden, während die ebenso gefährlichen und andererseits für die Düngung 
noch werthvolleren gelösten Stoffe nicht zurückgehalten werden; 

2. dass der Absatzschlamm durch die massenhaft angewendeten 
fremden Zusätze in ungünstiger Weise beschwert wird, hierdurch an 


I. Abtheilung. Hygienische Section. B 


Concentration und Versandfähigkeit einbüsst und auch schwerer getrocknet 
werden kann, 

Alle diese Uebelstände würde nur die Poudrette-Fabrikation 
vermeiden, bei welcher die Stoffe rein ohne fremde Zusätze also 
eoncentrirt, durch Abdampfen aller Flüssigkeit gewonnen wird, 


Die Frage ist nur, ob die Poudrette-Gewinnung mit der Schwemm- 
kanalisation zu verbinden ist. Im Allgemeinen wird angenommen, dass 
Poudrette nur mit einiger Aussicht auf Erfolg hergestelit werden könne, 
wenn die Fäcalien unverdünnt in Tonnen gewonnen werden. Das 
erschwert ihre Einführung freilich sehr, denn wer einmal die Annehm- 
liehkeit und Sauberkeit der Wasser - Closets kennen gelernt hat, will 
nichts von Tonnen-Abfuhr wissen. Es muss daher an die Entscheidung 
der Frage herangetreten werden, ob Poudrette hergestellt werden kann 
aus der Flüssigkeit der Schwemmkanäle. So ganz unausführbar dürfte 
das Eindampfen der mit Schwemmwasser verdünnten Fäcalien nicht sein, 
nur wird dann wenigstens die Forderung geltend gemacht werden müssen, 
das Strassenreinigungs- und Regenwasser von jenem Kanalinhalt getrennt 
zu halten, wozu aber 2 Kanalsysteme erforderlich sind. 


Die Poudrette ist aber unzweifelhaft das Endziel aller Bestrebungen 
für die Verwerthung der städtischen Abfallstoffe, denn sie allein erfüllt. 
alle Anforderungen, welche im Interesse der Reinhaltung der Luft, des 
Untergrundes und der Flüsse immer dringlicher werden, und es kann 
nicht bezweifelt werden, dass es der Technik gelingen muss, die Ein- 
richtungen zur Poudrette-Herstellung einfach genug zu gestalten, um sie 
allgemeiner einführen zu könnnen. 

Zur Zeit allerdings ist noch alles im Schwanken, und der Kampf 
um die Zweckmässigkeit oder Ausführbarkeit dieser oder jener Ver- 
fahren wird noch ebenso heftig geführt, wie vor 20 Jahren. 


Discussion: 


Herr Apotheker Julius Müller: Die Ausführungen des Vorredners 
lassen ein greifbares Resultat vermissen. Die Fabrikation von Poudrette 
wird durch die kolossale Masse der Flüssigkeit unmöglich gemacht, 

Herr Prof. Holdefleiss: Vorläufis muss die Rieselwirthschaft noch 
beibehalten werden. Bei Fabrikation von Poudrette würde ein 
doppeltes Kanalsystem nothwendig sein, wie es in Warrington mit 
seinen 35 000 Einwohnern durchgeführt ist. 

Herr Prof. Neisser: Die Landwirthe der Umgebung müssten noch 
mehr zur Uebernahme von Rieselmasse herangezogen werden. 


Herr Prof. H. Cohn weist auf die Mängel des Tonnensystems hin. 


Herr Dr. Jacobi: Der Vortrag des Herrn Prof. Holdefleiss hat 
mit Recht betont, dass die Riesel-Frage noch keineswegs zu den abge- 


Gy Jahresbericht der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. 


schlossenen gehört, und dass weitere Versuche und Studien auf diesem 
Gebiete nothwendig sind; es bleibt aber auch hiernach die Berieselung 
vorläufig noch das beste Verfahren, von dem wir zunächst nicht abgehen 
können. Das Anschliessen der Anwohner an die Berieselung ist in 
Breslau von Anfang an begünstigt worden. 


2) Herr Prof. H. Cohn demonstrirt das Atzert’sche Pult. 


2. Sitzung am 22. November 1895. 
1) Herr Geh. Medieinalrath Prof. Dr. Flügge: 


Ueber Fettmilch. 


Die Sterilisation der käuflichen Fettmilch ist unvollkommen. Redner, 
der häufig Proben davon untersucht hat, fand nicht selten peptonisirende 
Bacterien in derselben. Die Bezeichnung: „sterilisirte, von Krankheits- 
keimen freie Milch‘ muss daher fallen gelassen werden und es muss 
vielmehr heissen: ‚‚kühl zu halten, möglichst sterilisirt“. Auch die an- 
gegebene Controle, das Aufschlagen, wobei Gasgehalt erkannt wird, ist 
unbrauchbar, weil gerade die peptonisirenden Bacterien Gas nicht pro- 
dueiren. Es ist eine andere Gebrauchsanweisung und eine andere Con- 
trole zu fordern. Auch der Vertrieb ist vielleicht anders zu regeln; es 
fragt sich, ob nicht in grossen Behältern pasteurisirt werden kann, zu- 
mal die Milch in jedem Falle im Hause noch zu kochen ist. 

Die Selbstbereitung der Fettmilch im Hause bietet keine Schwierig- 
keiten. Man vertheile 1'/, Liter Vollmilch auf 3 Teller und lasse sie 
2 Stunden stehen. Dann sahne man die 3 Teller bis auf 500 ccm ab 
und mische diese mit '/, Liter Wasser und 2 Esslöffel Milchzucker 
(= 5 Pf.). Diese Mischung enthält 2,5—2,7 °/, Fett und 1,7 °/, Casein, 
während die Gärtner’sche Fettmilch 3,1 °/, Fett enthält. 


2) Derselbe: 
Untersuchungen des Grundwassers im Bereiche der Stadt Breslau. 


Redner verfügt über 300 eigene Brunnen - Analysen. Man findet 
Brunnen, deren Wasser viel Chlor und auch Ammoniak enthalten, und 
dabei bacterienfrei sind, und andere, die bacterienhaltig aber chemisch 
rein sind. Diese chemischen Differenzen hängen im Ganzen nicht von 
localer Verunreinigung, sondern von der Bodenbeschaffenheit und der 
Grundwasserströmung ab. Von der grössten Bedeutung sind die Durch- 
spülung des Untergrundes durch die Oder, die Körnung des Bodens, die 
Tieflage der Brunnen. 

Die chemische Analyse beweist, dass thatsächlich die Oder in einem 
grossen Theile Breslaus in das Grundwasser eintritt. Von der Oder 
unbeeinflusstes Grundwasser findet sich erst südlich der Tauentzienstrasse, 


I. Abtheilung. Hygienische Section. 7 


Wo der Boden grobkörnig ist und von der Oder durchspült wird, wie 
nördlich der Tauentzienstrasse zum grössten Theile, sind die chemischen 
Verunreinigungen sehr gering. Wo Thon oberflächlich liegt, ist eine 
Nitrifieation nicht möglich, weil die nitrifieirenden Bacterien sauerstoff- 
bedürftig sind; hier findet man daher Ammoniak und keine Salpeter- 
säure. Es ist hieraus zu folgern, dass in Breslau die chemische 
Beschaffenheit des Wassers nichts aussagt über die Zulässigkeit eines 
Brunnens. Es kommt nur darauf an, dass die Anlage sorgfältig ist, und 
es ist nothwendig, dass die Behörden Notiz hiervon nehmen. 


3) Prof. Dr. Gotschlich: 
Einige neuere meteorologische Apparate. 


Redner verglich den neuen und theueren Aspirations-Thermometer 
und Psychrometer mit Exhaustor-Gebläse von Assmann mit dem Schleuder- 
Thermometer und fand, dass der letztere für praktisch - hygienische 
Zwecke brauchbarer und in gewisser Beziehung sogar genauer ist, Die 
Ursache der geringeren Genauigkeit liegt darin, dass bei dem Aspirations- 
Thermometer die Luft nur von unten zuströmt. Eine bessere Ueber- 
einstimmung findet sich schon, wenn die Luft mehr von oben oder 
seitlich herzuströmt. 

Sodann demonstrirt er einen neuen Messapparat der Windbewegung 
mit Selbstregistirung, Er besteht aus einer Windfahne, welche das 
Anemometer stets in die Windrichtung dreht, einem Recknagel’schen 
Anemometer, Zifferblatt, Quecksilbercontaet und Präeisionsuhrwerk. 


4) Herr Dr. Ficker: 
Ueber bacteriologische Luftuntersuchungen. 


Die beste Art der bacteriologischen Luftuntersuchung besteht darin, 
dass man bestimmte Quantitäten Luft durch Glaskörnchen-Filter saugt, 
die sich in ausgebauchten Röhren befinden. Redner hat hierbei er- 
heblich genauere Resultate erhalten als mit allen früher angegebenen 
Methoden. 


5) Herr Dr. M. Neisser: 


Die Organisation von bacteriologischen Diphtherie - Diagnosen in 
Breslau. 

Die klinische Frühdiagnose ist bei Diphtherie oft sehr schwer, nicht 
selten unmöglich, dagegen ist die bacteriologische möglich, und selbst 
bei Kehlkopf- und Nasen-Diphtherie durch Ausstrich von Belag oder 
Schleim von der Tonsille oder dem Pharynx. Es würde sich empfehlen, 
dass 1. nur bei klinisch zweifelhaften Fällen die Untersuchung im 
Institute nachgesucht wird, 2. die Apotheken sämmtlich Apparate zur 
Entnahme des Untersuchungsmaterials führen: sterilisirte Hohlsonde mit 
Wattebäuschehen in einer Glasröhre, die in Holzfassung sich befindet. 


S | Jahresbericht der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. 


Die Untersuchung im Institut geschieht 1. zur ÖOrientirung durch 
Deckglaspräparate, die mit Fuchsin gefärbt sind, 2. Ausstriche auf 
Löffler’sche Blutserummischung, die 8—12 Stunden bei 37° gehalten 
wird, 3. Ausstrich auf Glycerin-Agarplatten. 


Die Diagnose wird durchschnittlich in 12 Stunden gestellt werden. 
— Wenn das Hysien. Institut diese Untersuchungen übernehmen soll, 
so muss ein besonderer Assistent hierfür neu angestellt werden. 


Zum Schluss wurden Diphtherie-Präparate und Culturen demonstrirt. 


m z,5, —— 


Schlesische Gesellschaft für vaterländische Gultur. 


LER 
73. I. Abtheiluns. 
Jahresbericht. Naturwissenschaften. 
1895. a. Naturwissenschaftliche Section. 
Or. Are ar EIG) 


Sitzungen der naturwissenschaftlichen Section im Jahre 1895. 


Sitzung am 27. März 1895. 


Hertz’sche und Tesla’sche Versuche mit Hilfe der Elektrisir- 
maschine ohne Inductor. 
Von 
Geh. Rath Professor Dr. 0. E. Meyer. 


Die Versuche, welche H. Hertz über die Ausbreitung elektrischer 
Kraft angestellt hat, sind der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur zu- 
erst in einer allgemeinen Sitzung von Herrn Professor Dr. Dieterici 
ganz in der ursprünglichen Weise gezeist worden. Später hat 
A. Töpler nachgewiesen, dass, ebenso wie der von Hertz benutzte 
Induetor, auch eine Influenz-Elektrisirmaschine, wenn sie nur leistungs- 
fähig genug ist, zu den Versuchen geeignet ist. In dieser Abänderung 
zeigte Prof. Dr. OÖ. E. Meyer jene berühmten Versuche noch einmal 
und ausser ihnen die einfachsten der von Tesla beobachteten Erschei- 
nungen, welche bei rasch wechselnden elektrischen Schwingungen von 
hoher Spannung auftreten. Zu allen Versuchen diente eine Töpler’sche 
Influenz-Maschine mit 20 Scheiben, welche elektrisch angetrieben wurde. 


Sitzung am 1. Mai 1895. 


Demonstration eines Gascalorimeters. 
Von 
Dr. B. Fischer, 
Director des chemischen Untersuchungsamts der Stadt Breslau. 

Mit Hilfe des Junker’schen Gasealorimeters vermag man innerhalb 
weniger Minuten exacte Bestimmungen des Heizwerthes von Gasen 
(z. B. Leuchtgas) auszuführen, welche untereinander gut übereinstimmen, 
überdies auch den praktischen Heizwerth der Gase ergeben. Diese 

189. 1: 


DNS Jahresbericht der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. 


Bestimmungen haben ein praktisches Interesse deswegen, weil das Leucht- 
gas täglich mehr Eingang findet zum Betriebe von Gasmotoren, und es 
wegen des Kostenpunktes hierbei wichtig ist, den mittleren Heizwerth 
des Gases zu kennen. Zwei gut übereinstimmende Versuche ergaben 
für das Breslauer Leuchtgas einen unteren Heizwerth von rund 4800 
Calorien pro Kubikmeter. 


Mineralogische Mittheilungen. 
Von 
Geh. Bergrath Althans. 


Herr Geheimer Bergrath Althans legte ein von dem Fürstlich 
Pless’schen: Berginspeetor Boer erhaltenes Stück Schieferthon vor, das 
in der äusserst feinen Masse eine scheibenförmige dünne Schicht eines 
späthigen Minerals zeigt. Es scheint dies eine normal zu einer ge- 
gebenen Richtung entstandene Krystallbildung zu sein, wie bei der be- 
kannten Augenkohle, die zahlreiche parallele Scheiben von einem ähn- 
lichen Mineral und von Schwefelkies zeigt und an demselben Fundort, 
wie jener Schieferthon, der Bradegrube bei Lazisk unweit Nikolai OS., 
zuweilen vorkommt. 


Derselbe legte ferner ein dem Diadochit verwandtes Mineral vor, 
das ihm vom Bergmeister Jokisch in Zabrze zugegangen und auf dem 
Liegenden des Georgflötzes im Schmiederschacht bei Zabrze in zwei 
schildkrötenartig geformten, etwa kopfgrossen Anhäufungen gefunden 
worden ist. Die einzelnen Stückchen sind gelb, bernsteinähnlich und 
bestehen nach Dr. Rau in Zabrze aus einem neutralen Doppelsatz von 
Eisenphosphat und Eisensulfat. Sie sind eingebettet in einer lockeren, 
aschenartigen Grundmasse und damit zusammengebacken, so dass es den 
Anschein gewinnt, als seien bei der Bildung kleine Stellen des Kohlen- 
flötzes verbrannt. Näheres über seine Untersuchung wird Dr. Rau 
demnächst veröffentlichen. 

Unter Vorlegung einer angeschliffenen Stufe machte Redner darauf 
aufmerksam, dass der Nephrit von Jordansmühl bei Zobten a. B, einen 
schönen grüngefleckten Schmuckstein liefert. 


Endlich legte derselbe zwei Bohrkerne von oberschlesischem Stein- 
salz vor, das mit drei fiscalischen Tiefbohrungen bei Pallowitz und 
Stanowitz zwischen Rybnik und Orzesche in etwa 260 m Tiefe zwischen 
tertiären, Gyps- und Stinksteinschichten (Tegel) vermuthlich 10—20 m 
mächtig erschroten worden ist. Nach diesem, dem Steinsalz von Wie- 
liezka gleichalterigen Vorkommen ist in früherer Zeit vergeblich an 
mehreren Stellen gebohrt worden, Jetzt ist es bei Schürfbohrungen nach 
Steinkohle zufällig aufgefunden, wird aber wegen seiner unreinen Be- 
schaffenheit zur Zeit kaum als verwerthbar zu erachten sein, 


II. Abtheilung. Naturwissenschaftliche Section. 5 


Ueber Facieswechsel im Palaeozoicum, 


Von 
Privatdocent Dr. Gürich. 

Der Vortragende setzte seine Beobachtungen über den Wechsel der 
Facies innerhalb der paläozoischen Schichten des polnischen Mittel- 
sebirges auseinander. In der ununterbrochenen Schichtenreihe zwischen 
dem Mitteleambrium und dem Oberdevon konnte ein mehrfacher Wechsel 
zwischen Bildungen der tieferen See, der küstenfernen und der küsten- 
nahen Flachsee, sowie endlich am Strande selbst erfolgter Ablagerungen 
nachgewiesen werden. Zur Verdeutlichung der Vorgänge führte der 
Vortragende nach eigener Methode eine graphische Darstellung derselben 
durch, indem er den durch positive und negative Strandverschiebung 
veranlassten Facieswechsel durch ab- und aufsteigende Curven — Facies- 
eurven — ausdrückte, 


Vorlegung des Schlesien enthaltenden Blattes der vom Geo- 
iogischen Comite herausgegebenen Karte von Europa. 
Von 
Privatdocent Dr. Gürich. 

Der Vortragende besprach das geologische Bild von Schlesien auf der 
neuen vom Internationalen Geologischen Comite herausgegebenen Karte 
von Europa im Maassstabe von 1: 1500000, deren erste Lieferung dem 
Internat. Geologen-Congress zu Zürich im Herbste vor. Jahres vorgelegt 
wurde. Auf dieser Karte ist nämlich der durch Göppert’s „‚Versteinerten 
Wald“ ausgezeichnete Sandsteinzug des Hexensteins zwischen Schwadowitz 
und Radowenz zum Rothliegenden gerechnet, während nach der bisherigen 
allgemeinen Annahme und besonders auch nach der geologischen Karte 
des niederschlesischen Gebirges von Beyrich, Rose, Roth und Runge 
der Sandsteinzug als Zwischenmittel zwischen der Schwadowitzer und 
der Radowenzer Flötzgruppe zum Steinkohlengebirge gerechnet wurde, 
Der Vortragende, der die Verhältnisse allerdings nur durch Beob- 
achtungen über Tage kennt, betonte alsdann, man müsse auf die aus- 
führliche Begründung dieser neuen Auffassung gespannt sein. 


Ueber Caleiumcarbid und Acetylen. 
Von 
Geh. Rath Professor Dr. Poleck. 


Der Vortragende legte grössere Stücke von Kohlenstoff - Caleium 

_ (Caleiumearbid) vor, die zum Theil aus Amerika bezogen waren, zum 

Theil aus den Werken der Aluminium-Actien-Gesellschaft in Neuhausen 

am Rheinfall stammten, und demonstrirte die Zersetzung derselben durch 
1F 


7. er Jahresbericht der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. 


Wasser, indem er das sich entwickelnde Acetylengas durch einen sehr 
einfach construirten Brenner unmittelbar an der Entwickelungsflasche 
entzündete, wobei die intensiv leuchtende, aber in diesem Fall nicht 
russende Acetylenflamme erhalten wurde Er knüpfte daran einige Be- 
merkungen über die Zukunft des Acetylens für Beleuchtungszwecke und 
für die chemische Industrie. 


Sitzung am 29. Mai 1895. 


Demonstration einer stereoskopischen Erscheinung. 
Von 


Geh. Rath Professor Dr. 0. E. Meyer. 


Der Vortragende zeigte und erklärte das bei den sogenannten 
Anaglyphen benutzte Verfahren von L. Ducos du Hauron, dieselbe 
Täuschung, wie das Stereoskop sie bietet, zu Stande zu bringen. Be- 
trachtet man eine blaue Zeichnung auf weissem Papier durch ein blaues 
Glas, so vermag man sie nicht zu erkennen, weil alles gleichmässig 
blaugefärbt erscheint; betrachtet man sie aber durch ein gelblich-rothes 
Glas, dessen Farbe mit dem Blau der Zeichnung complementär ist, so 
erscheint die Zeichnung schwarz auf gelbrothem Grunde. Wenn dagegen 
die Zeichnung gelbroth auf weiss ausgeführt ist, so ist sie durch ein 
gelbrothes Glas nicht zu sehen, erscheint aber durch ein blaues Glas 
schwarz auf blauem Grunde. Stellt man also zwei, wie beim gewöhn- 
lichen Stereoskop aufgenommene Ansichten eines körperlichen Gegen- 
standes, die eine in blauer, die andere in gelbrother Färbung her und 
zwar auf fast derselben Stelle des Papiers, so sieht man, wenn man sie 
durch eine Brille betrachtet, die ein blaues und ein gelbrothes Glas ent- 
hält, mit jedem Auge ein anderes schwarzes Bild, und diese beiden 
Bilder vereinigen sich zu dem Eindrucke eines körperlichen Gegenstandes. 
Der Grund, der von dem einen Auge blau, dem anderen gelbroth ge- 
sehen wird, erscheint, je nach dem Grade der Aufmerksamkeit auf die 
Empfindung des einen oder des anderen Auges, bald in der einen, bald 
in der anderen Farbe, und daraus entsteht, wie schon Dove gefunden 
hat, der Eindruck des Glanzes. 


Ueber Achat und Hyalit. 
Von 
* Privatdocent Dr. Milch. 
Sogenannter Achat besteht aus Chaleedonschichten von verschiedener 


Farbe, die mit wechselnden Mengen opalartiger wasserhaltiger amorpher 
Kieselsäure durchtränkt sind und mit Schichten deutlich krystallisirten 


II. Abtheilung. Naturwissenschaftliche Section. 5 


Quarzes wechsellagern. Achate finden sich hauptsächlich als secundäre 
Ausfüllungen rundlicher Hohlräume in Eruptivgesteinen; die Kieselsäure 
wird in dem Gestein selbst von den Sickerwässern gelöst und in den 
Hohlräumen schichtenweise abgesetzt. Interessant sind die sehr seltenen 
Vorkommen, in denen die Schichten nicht concentrisch und nicht parallel 
angeordnet sind, sondern in denen die Schichten discordant übereinander 
liegen. Diese Erscheinung lässt sich nur durch die Annahme erklären, 
dass während der Bildung der Achatmandel durch eine Verschiebung 
der Erdrinde das Gestein seine Lage verändert hat. Schliesslich wurden 
vom Vortragenden die Methoden der künstlichen Färbung der Achate 
besprochen unter Vorlegung eines reichen Demonstrationsmaterials, 
welches grösstentheils Herr Apotheker Mortimer Scholtz freundlichst 
zur Verfügung gestellt hatte. 

In der Besprechung auf die wasserhaltige amorphe Kieselsäure über- 
sehend, zeigte der Vortragende kleine Kügelchen, die als Hyalit be- 
zeichnet werden und nach Angabe des Krantz’schen Mineralien- 
Comptoirs von Tateyama’s hot spring, Provinz Etchu (Japan), stammen. 
Die concentrisch-schalig gebauten Kügelehen, die häufig einen Fremd- 
körper als Mitte umgeben, liegen in einem kieseligen Caement und sind 
offenbar nach Art der Erbsensteine als Absatz heisser kieselsäurereicher 
Quellen entstanden. In parallelem polarisirtem Licht zeigen sie das 
Interferenzkreuz einachsiger Krystalle; der Charakter der Doppelbrechung 
ist negativ. Diese Kugeln sind ein vorzügliches Object, um unter dem 
Mikroskop die Erscheinung der Totalreflexion und die Wirkung des 
Einbettens stark lichtbrechender Substanzen in stark lichtbrechende 
Medien wie Canadabalsam zu demonstriren. 


Ueber die Geologie des Glatzer Gebirges. 
Von 
Professor Dr. Frech. 


Der Vortragende unterzog die Beziehungen der paläozoischen 
Formationen der Grafschaft Glatz und der gleichalten Schichten Böhmens 
einer vorläufigen Besprechung. 


Sitzung am 19. Juni 1895. 


Ueber die alpinen Erdbeben-Linien und ihre muthmaassliche 
Beziehung zu den schlesischen Erdbeben. 


Von 
Professor Dr. Frech. 
Im Anschluss an sein Thema nahm der Vortragende Veranlassung, 
eine Organisation der Beobachtungen von Erdbeben in Schlesien anzuregen. 


TE Jahresbericht der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. 


Ueber die Kreideformation in Oberschlesien. 
Von 
Dr. Leonhard. 


In der Kreideformation Oberschlesiens ist nur transgredirendes 
Cenoman und Turon vertreten, das durch die Aufnahmen unter Ferd. 
Roemer von der Zinna bis an den Stober, hier und da durch die Thäler 
der Oder und ihrer Nebenflüsse aufgeschlossen, nachgewiesen wurde. 
Cenoman ist in sandiger Facies bei Leobschütz, sowie bei Groschowitz 
unweit Oppeln vorhanden. Bei Leobschütz ist dasselbe Aequivalent des 
sächsischen Carinatenquaders, charakterisirt durch Ostrea carinata Lam., 
Exogyra columba Lam., Protocardia Hillana Sow. Bei Groschowitz 
fanden sich Versteinerungen aller drei Schlüter’schen Horizonte. Bei 
weitem ausgedehnter sind die Ablagerungen des Turons, welches durch- 
weg in mergeliger Facies, mit geringen Thoneinlagerungen, auftritt. Die 
Kalkmergel, welche im südlichen Oberschlesien bei Bladen und Hohndorf 
auftreten, und von F. Roemer dem Cenoman zugerechnet wurden, sind 
bereits 1872 von Cl. Schlüter für turonen Alters erklärt worden. Ihre 
Leitfossilien Acanthoceras Woolgari Mant., Terebratulina gracilis Schloth. 
und Heteroceras Reussianum d’Orb. rechtfertigen diese Annahme. 


In Groschowitz ist die gleichsinnige Ueberlagerung des eenomanen 
Sandes durch das Turon bei Gelegenheit von Bohrversuchen festgestellt 
worden. Als tiefste Stufe derselben ist eine Thonbank von 5 m Mächtig- 
keit aufgeschlossen worden, in welcher ausser unbestimmbaren Resten 
nur Foraminiferen gefunden wurden. Der Thon geht allmählich in einen 
sehr thonarmen Kalkmergel über, in dessen tiefsten Schichten bereits 
die Fauna der Brongniarti-Stufe mit 13 Arten, darunter Spondylus spinosus 
Sow. und Micraster breviporus Ag., nachgewiesen werden konnte. Die 
Thone von Groschowitz werden demnach als Aequivalent der Zone des 
Inoceramus labiatus angesehen werden müssen. Die Schiehten der Bron- 
sniarti-Zone sind auch in den Steinbrüchen südlich und nördlich von 
Oppeln aufgeschlossen und werden durch zwei Thonbänke mit Terebratulina 
gracilis Schloth., wie bereits von Gürich dargelegt wurde, nach oben 
hin begrenzt. Der über diesen Bänken liegende, an Thongehalt reiche 
Mergel ist durch Scaphites Geinitzi d’Orb., Heteroceras Reussianum d’Orb, 
und Turrilites saxonieus Schlüt. charakterisirt. Ein besonderer Horizont 
des Inoceramus Cuvieri lässt sich nicht abgrenzen, obwohl dessen Leit- 
fossilien Inoceramus Cuvieri und Micraster cor testudinarium sich in den 
obersten Bänken in Oppeln, letzterer auch im Mergel von Sezepanowitz 
finden. Die Stellung der jüngsten Bildung, des Sandsteins von Dambrau, 
den F. Roemer dem Senon zurechnete, ist noch nicht genügend 
gesichert. 


II. Abtheilung. Naturwissenschaftliche Section. 7 


Die Ablagerungen der oberschlesischen Kreidebucht fanden in 
wechselnder, aber mässiger Tiefe und zwar in der Oppelner Gegend 
in grosser Ufernähe statt. Die Fauna derselben ist individuenreich, aber 
artenarm. Die sandigen Bildungen des Cenoman sind die östlichsten 
dieser Facies, indess hat ein unmittelbarer Zusammenhang mit dem 
böhmisch-sächsischen Meere kaum bestanden oder sich bereits im unteren 
Cenoman gelöst. Die für den Groschowitzer Sandstein bezeichnenden 
Arten Acanthoceras Rhotomagensis Brong. und Turrilites costatus Lam. 
sind der böhmisch-sächsischen Kreide fremd. Desgleichen fehlt in der- 
selben der für das oberschlesische Turon charakteristische Ananchytes 
ovatus Lesk. und andere. In auffallender Weise ist die Fauna der ober- 
schlesischen von der der niederschlesischen Kreide verschieden; die 
Brongniarti-Zone der nahegelegenen Löwenberger Bucht hat unter 40 
Arten nur 12 mit Oppeln gemeinsam. Grösser ist die Verwandtschaft 
mit der oberen Kreide der Ostseeküste, besonders dem oberen Turon 
von Wollin, wo, unter Ausschluss der Foraminiferen, von 49 Arten 26 
im Oppelner Turon wiederkehren. Nahe Beziehungen scheinen auch 
zum polnischen Kreidemergel im Gouvernement Lublin zu bestehen. 


Beiträge zur Kenntniss der St. Cassianer Korallen. 
Von 
Dr. Volz. 


Der Vortragende erörterte die verwandtschaftlichen Beziehun- 
gen der St. Cassianer Korallen. Die Grundlage derartiger Unter- 
suchungen bildet die genaue Kenntniss der inneren Structur. Der Vor- 
tragende erläuterte zunächst, wie dieselbe bei den wichtigsten Familien 
der sehr reichen Cassianer Fauna beschaffen sei und kam zu folgenden 
Resultaten: 


Astraeiden: Septen sind aufgebaut aus fein construirten einzelnen 
Balken, deren jeder seine Achse, den „Primärdorn“ hat. Die Richtung 
der Balken ist eine wesentlich verticalee Die Balken sind 1) entweder 
grob und dann selbständig (,„idiomorph‘“) oder 2) fein und modifieirt._ 
Sie stehen dann dicht gedrängt derart, dass die Primärdornen ein 
scheinbar einheitliches Urseptum bilden. Seitlich sind die Septen mit 
undeutlichen verticalen Körnerreihen besetzt. Die Endothek besteht 
aus Blasen. 

Thamnastraeiden: Septen sind aufgebaut aus Balken, die denen 
der Astraeiden homolog sind; doch ist ihre Gestalt etwas anders: sie haben 
zahlreiche seitliche Kragenfortsätze, daher zeigt das Septum oft Poren. 


8. Jahresbericht der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. 


Die Richtung der Balken ist wesentlich vertical. Man kann dieselben 
Typen des Septalaufbaues unterscheiden wie oben. Seitlich tragen die 
Septen Körnerreihen oder horizontale Leisten. Die Endothek besteht 
aus Blasen; die Septen verfestigen sich ausserdem noch durch 
Synaptikel. 


Stylophylliden: Septen sind aufgebaut aus Balken, deren Richtung 
horizontal ist. Die einzelnen Balken ragen dornartig ein Ende frei in 
das Lumen des Kelches. Die Septen sind seitlich mit Querrippen ver- 
sehen. Die Anordnung der Septen ist mehr oder weniger deutlich 
hexamer. Die Endothek besteht aus Böden, dazu treten bisweilen auch 
spärlich Blasen. 


Cassianer Pterocorallier (Pinacophyllum und Coelocoenia): Die 
Structur ist genau wie bei den Stylophylliden, nur sind die zahl- 
reichen Septen alternirend angeordnet, was bei Hexakoralliern nie vor- 
kommt. 


Auf Grund der Structurverhältnisse ergiebt sich folgendes: 


Die Stylophylliden sind von den Zaphrentiden herzuleiten und 
dürften wohl als hexakorallische Schwesterfamilie der pterokorallischen 
Gattungen Coelocoenia und Pinacophyllum zu betrachten sein. 


Die Astraeiden und Thamnastraeiden sind auf die gleiche Wurzel 
zurückzuführen. Sie sind die mesozoischen Nachkommen der Cyathophyl- 
liden. Ein Mittelglied zwischen den beiden mesozoischen Familien bilden die 
Gattungen Omphalophyllia, Craspedophyllia und Myriophyllia einerseits, 
und Formen wie Thecosmilia septanecetens Loretz und Montlivaltia 
crenata M. anderseits. 


Die Astraeiden und Stylophylliden sind mit einander nicht verwandt 
und daher systematisch scharf zu trennen, 


Die Gattungen Thecosmilia und Montlivaltia bildeten bis in die 
Cassianer Zeit nur eine Gattung. Die Trennung beginnt erst mit dem 
Keuper, In den Cassianer Schichten kommen Formen der alten complexen 
Gattung, wie solche der neuen getrennten Gattungen neben einander vor. 
Im Laufe des Mesozoicums verlieren die stockförmigen Gattungen stark 
an Umfang. 


Die Gattung Craspedophyllia ist zu Procyclolites Frech, die Gattung 
Myriophyllia zu. Anabacia in Beziehung zu setzen. 


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Übersiehts-Karte 


Mittelschlesischen Erdbeben 
vom 11. Juni 1895 


entworfen von 


Dr. R. Leonhard und Dr. W. Volz. 


Maafsstab 1:610000. 


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II. Abtheilung. Naturwissenschaftliche Section. 9 


Sitzung am 10. Juli 1895. 


Das mittelschlesische Erdbeben vom Il. Juni 1895. 


Von 


Dr. Richard Leonhard und Dr. Wilhelm Volz. 


Am 11. Juni 1895 brachten die Abendausgaben der Breslauer Blätter 
die Nachricht, dass am Vormittag desselben Tages ein Erdbeben in den 
Vorbergen Mittelschlesiens stattgefunden habe. Herr Prof. Dr. Frech 
that in richtiger Würdigung der Wichtigkeit dieser Nachricht sofort 
die nöthigen Schritte, um über dieses Phänomen möglichst zahlreiche 
und genaue Angaben zu sammeln. Er erliess darum bereits in der 
Abendausgabe der „‚Schlesischen Zeitung‘ vom 12. Juni einen Aufruf 
mit der Bitte um Nachrichten, unter Beifügung eines Fragebogens, welcher 
in zahlreichen Blättern der Provinz weiter verbreitet wurde. In gleicher 
Weise wandte er sich an die Königl. Behörden, Ober - Postdirectionen, 
sowie Hisenbahn-Directionen, welche in bereitwilligster Weise die Frage- 
bogen ihren Beamten übermittelten. Auf diese Weise gelang es, ein 
ausreichendes Material von etwa 600 Nachrichten zu erhalten, deren 
Bearbeitung den Verfassern übertragen wurde. 


Wir gestatten uns, den Königl. Behörden und der Presse, sowie 
allen Einsendern an diesem Orte unseren verbindlichsten Dank für ihre 
gütige Unterstützung auszusprechen, insbesondere aber jenen Bericht- 
erstattern, welche durch eingehende und zuverlässige Nachrichten es 
uns ermöglichten, ein Bild des Erdbebenphänomens und seiner ver- 
muthlichen Ursachen zu geben. 


Ausser 46 negativen Nachrichten, welche über die Ausbreitung der 
Erschütterung eine erwünschte Controle ermöglichen, liegen 549 positive 
Nachrichten vor, welche sich auf 360 Orte vertheilen. 


Berichte, 


Im Folgenden führen wir die eingelaufenen positiven Berichte in 
ihrem wesentlichen Inhalte auf. 


1, Altwasser, Kreis Waldenburg. Im Niederdorf, namentlich der 
Spiegelfabrik und in der Maschinenbauanstalt Carlshütte wurde ein 
schwacher Stoss verspürt, als kurzer Seitenruck von SW—NO. Dauer 
etwa 1“. Die Erschütterung verursachte ein Klirren der Fensterscheiben. 
Ihr folgte ein donnerartiges Geräusch. Später Gewitter. (Kais. Post- 
amt.) 

2. Alt-Heinrichau, Kreis Münsterberg. (Bresl. Morgen-Zeitung 
No. 271.) 


02 Jahresbericht der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. 


3. Bärsdorf, Kreis Waldenburg. (Amtsvorsteher Genschow zu 
Kynau.) 

4. Bärwalde, Kreis Münsterberg. 9 Uhr 32 Min. oder 9 Uhr 
33 Min. wurde das Erdbeben gespürt. Es begann mit einem donner- 
artigen Rollen, das von unten kam. Es folgte ein Zittern und Beben 
der Erde und der Gebäude. In allen Klassenzimmern wankten die 
Bänke, die an den Wänden aufgehängten Bilder, Kreuze, Geigen und die 
Schränke. In den Küchen klirrte das Geschirr gegeneinander. Selbst 
die Wände wankten, wenn auch nicht viel, so doch deutlich wahrnehm- 
bar. Leute im Freien haben das Zittern des Erdbodens besonders 
gut wahrgenommen und sagen, es sei ein unbeschreibliches Gefühl in den 
Knieen gewesen, eine zitternde Empfindung, als wenn nun der Erdboden 
verschwinden sollte. Dauer 10—15°. Richtung O—W (?). (Oberschl. 
Volks-Ztg. vom 15. Juni.) 


5. — Der Einwohner bemächtigte sich grosse Aufregung. Mauern 
drohten einzustürzen. (Oberschl. Anzeiger vom 13. Juni.) 
6. — 9 Uhr 33 Min. wurde ein donnerähnliches Geräusch gehört. 


Gleichzeitig wankte das Katheder und die eine Mauer, auf die ich zu- 
fällig blickte, schien deutlich vor meinen Augen zu schwanken. Er- 
schrocken eilte ich ans Fenster und bemerkte, wie die anderen Lehrer 
aus demselben Grunde mit erstaunten Gesichtern sich umsahen. (Münster- 
berger Ztg., No. 47 vom 12. Juni.) 

7. Bankau, Kreis Brieg,. Ein Arbeiter sah, wie die Ufer des 
Abe-Baches sich hin- und herneigten und ins Wasser zu stürzen drohten. 
(Bresl. Ztg. vom 13. Juni.) | 

8. Baumgarten, Kreis Frankenstein. Der Postagent vernahm ein 
donnerähnliches Geräusch in drei Absätzen und befürchtete, dass die 
Zimmerdecke im oberen Stockwerk eingestürzt sei. (Kais. Postamt 
Frankenstein.) 


9. Bechau, Kreis Neisse. Um 9'/, Uhr erfolgte ein donnerartiges 
starkes Rollen, welches 6—7‘ anhielt. Im obersten Stockwerke des 
hiesigen Schlosses fielen Gegenstände um. In der Küche wackelten die 
Töpfe und Formen. (Oberschl. Anzeiger vom 13. Juni.) 


10. Bernsdorf, Kreis Münsterberg. (Bresl. Morgen-Ztg. No. 271.) 


11. Bernstadt, Kreis Oels. 9 Uhr 34 Min. Bahnzeit wurden im 
I. Stock eines : alleinstehenden Hauses drei Stösse innerhalb 3—4'' ge- 
spürt. Jeder Stoss dauerte ca. 1. Die Bewegung war schaukelnd- 
stossend, von S—N.. Sie wirkte, als ob in einiger Entfernung ein 
schwerer Lastwagen vorbeiführe. Geräusch und Erschütterung gleich- 
zeitig. (Herr Hoffmann, Mühlenbesitzer.) 

12. Berthelsdorf, Kreis Landeshut. Rollende Bewegung des 
Erdbodens. (Schlesische Zeitung.) 


II. Abtheilung. Naturwissenschaftliche Section. il 


13. Bielau, Kreis Neisse. Unterirdisches Rollen. (Neisser Ztg. 
vom 15. Juni.) 


14. Breslau. Ref. sass mit seinem erwachsenen Sohn und seiner 
Tochter in der Stube (part.), als ihnen die Füsse zu zittern begannen und 
die Stühle eine leichte Bewegung machten. Dazu wurde ein schwaches 
unterirdisches Rollen vernommen. Die Fenster klirrten vernehmlich. 
Dieselben Wahrnehmungen machte ein Nachbar. (Herr Handelsgärtner 
Klinkig, Breslau-Mittelfeld.) 

15. — Ref. vernahm auf dem israelitischen Friedhofe gegen '/,10 Uhr 
einen von W kommenden zweimaligen dumpfgrollenden Donner von je 
etwa 2—3‘ Dauer. Im W standen keine Gewitterwolken, dagegen im S. 
Eine Erschütterung wurde nicht gespürt. (Herr Walfisch, Breslau.) 


16. — Ref. spürte, im Scheitniger Park auf einer Bank sitzend, 
ein eigenthümliches Zittern in seinen Beinen, so dass er auffuhr und sich 
umsah. Er meinte, die Bank habe durch Heranspringen eines grossen 
Hundes einen Stoss erhalten; sah aber keinen. Dauer 1—1'/,', Ein 
Geräusch wurde nicht wahrgenommen. (Herr Hellmann.) 


17. — Eine Dame am Öhlauer Stadtgraben spürte um '/,10 Uhr 
eine Erschütterung, als ob ein schwerer Lastwagen am Hause vorbei- 
führe; sie ging ans Fenster, bemerkte aber auf der Strasse nur einen 
ganz leichten Wagen. — Eine Dame in der Palmstrasse spürte auf dem 
Sopha sitzend die Erschütterung. Gleichzeitig drehte sich eine Gyps- 
figur auf ihrer Console um ihre Axe und wäre hinuntergefallen, wenn 
sie nieht rasch gehalten worden wäre. (Dr. Volz.) 


18. Brieg. Gegen '/,10 Uhr gewahrte ich ein eigenthümliches 
Schaukeln, eigentlich ein Erzittern des Zimmers. Glasgegenstände 
klirrten. Unmittelbar nach dem Beginn der Erzitterung hörte ich ein 
eigenthümliches dumpfes Rollen. Es erinnerte an ein Rasseln, das aber 
auch verschieden von dem eines Gefährtes war. Dauer 5‘, Rollen und 
Erzitterung hörten beinahe gleichzeitig auf. Es war ein constantes 
Erzittern, keine heftigeren Stösse. (Herr Bondkowski, Bergver- 
walter a. D.) 


19. — Am 11. Juni spürte ich eine Vibration der Erde. Der 
Stuhl, auf dem ich sass, begann schaukelartig zu schwanken, und zwar 
in der ungefähren Richtung SO—NW. (Frau Fischer.) 

20. — Ich sass am Schreibtisch, als ich gegen '/,10 Uhr einen 
Stoss von etwa 2‘ Dauer, verbunden mit schaukelnder Bewegung, von 
N—S oder umgekehrt wahrnahm. Ich vernahm dabei ein Rasseln, als 
ob ein aussergewöhnlich schwerer Wagen auf der gepflasterten Strasse 
vorbeiführe, was mich veranlasste, ans Fenster zu treten. Ich bemerkte 
jedoch keinen solchen. Aehnliches habe ich schon in Bonn erlebt. (Herr 
Kreisbauinspeetor Lamy.) 


12 Jahresbericht der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. 


21. Camenz, Kreis Münsterberg. Um 9 Uhr 23 Min. Telegraphen- 
zeit wurde ein anhaltendes, gleichmässiges Rollen, verbunden mit wellen- 
förmigem Zittern von etwa 2—3‘' Dauer in der Richtung von O—W 
wahrgenommen. Im Telegraphen-Bureau klirrten die Fensterscheiben 
sehr heftig. Das Geräusch glich einem Donner, als würden grosse Fässer 
auf unebenem Steinpflaster gerollt. (Stations-Vorstand.) 

22. — Um 9 Uhr 30 Min. (genau nach dem Uhrenzeichen) wurde 
ein kurzer Seitenruck von etwa 2° Dauer gespürt. Es war, als ob das 
Gebäude wankte und die im Zimmer befindlichen Gegenstände sich 
momentan bewegten. Unmittelbar vor dem Stoss war ein Getöse wahr- 
zunehmen, als ob eine Dampfwalze in ziemlich schneller Gangart auf 
der an der Post vorbeiführenden Kunststrasse entlang gefahren wäre. 
Dies Geräusch dauerte etwa 5”. (Kais. Postamt.) 

23. — Um 9 Uhr 28 Min. (Telegraphenzeit?) spürte ich im vierten 
Stock des massiven auf Fels gebauten prinzlichen Schlosses eine zitternde 
Bewegung, welche von oben nach unten gerichtet war, so dass lose 
Fussbodenfliesen klapperten. Richtung O—W; Dauer 3—4”. Es war 
begleitet von einem brausenden Rollen, in dessen letztem Viertel der 
Stoss verspürt wurde. Mein Wohnhaus, am Fusse des Schlossberges, 
direct auf Fels gebaut, erzitterte mässig, so dass Thüren und Fenster 
klapperten. (Herr Maschinenmeister Ulrich.) 

24. — Auf dem Schlosshof war die Erschütterung derart zu 
spüren, dass die Diener behaupteten, ein Wanken der ausserordentlich 
starken Mauern bemerkt zu haben. (Neisser Ztg. vom 12. Juni.) 

25. — Gegen '/,10 Uhr früh spürte ich auf einem Stuhle sitzend 
eine heftige Erschütterung, so dass ich ungefähr dreimal in die Höhe 
fuhr. Sehr erschrocken sah ich auf und gewahrte, dass die Wand heftig 
zitterte.e. Das Zimmermädchen kam bleich aus dem zweiten Stock 
herunter und erzählte, als sie eine Ofenthür hätte öffnen wollen, hätte 
der Ofen plötzlich drei- bis viermal geschwankt, so dass sie vor Schreck 
hinfiel. — Eine alte Frau, die im Gemüsegarten knieend arbeitete, wurde 
etwa dreimal in die Höhe gehoben. Es schien ihr, als neigten sich die 
Zwiebelröhren gegen sie, und es ging wie ein Schatten über sie hinweg. 
Etwa '/, Stunde vor dem Erdbeben bemerkte sie ein leises Donnern in 
der Luft. Nach der Erschütterung vernahm sie ein dumpfes Rollen, als 
ob eine Menge Wagen führen. — Die eiserne Colonnade des Gartens 
schwankte einigemal heftig hin und her. Einem Manne in der Gaststube 
fiel die Zeitung aus der Hand und ein Mehlhändler, der sich auf dem 
Boden seines zwei-stöckigen Hauses befand, glaubte, das Haus stürzt ein. 
(Frl. Ellert.) 

26. Canth, Kreis Neumarkt. Um 9 Uhr 25 Min. (Schätzung), 
wurde ein Stoss von 2‘ Dauer verspürt. Er äusserte sich als Schaukeln 
in W—O-Richtung. Eine an der Wand (I. Stock) hängende Zeitungs- 


II. Abtheilung. Naturwissenschaftliche Section. 13 


mappe gerieth in leise Bewegung. Ein Geräusch wurde nicht wahr- 
senommen. (Kais. Postamt.) 

27, Charlottenbrunn, Kreis Waldenburg. 9 Uhr 33 Min. wurde 
ein donnerähnliches Rollen, das das ganze Hotel erschütterte, wahrge- 
nommen. Es dauerte einige Augenblicke und wurde von hasseln be- 
gleitet. (Herr Stein, Oberkellner.) 

28. Christinenhof b. Sorgau, Kreis Waldenburg. Auch hier 
wurde zwischen 9 und 9'/, Uhr das Erdbeben wahrgenommen; in ein- 
zelnen Zimmern klirrten die Fenster und in Glasschränken aufbewahrte 
Gegenstände geriethen in Bewegung. (Schlesische Ztg.) 

29. Conradswaldau, Kreis Brieg. Gegen '/,10 Uhr sass ich 
(im I. Stock) am Schreibtisch, als ich plötzlich meinen Stuhl schaukelnd 
sehoben fühlte und nach 1—2' wiederholte sich dieselbe Bewegung. 
Die Erschütterung war schwach, Erzittern oder Klirren der Fenster habe 
ich nieht wahrgenommen. Ein Geräusch habe ich nicht gehört. — 
Vom hiesigen Postagenten ist die Erschütterung am Telephondraht 
wahrgenommen worden. Er stand am Fenster in der Nähe des Mikro- 
phons, als er plötzlich ein Schwirren im Draht wahrnahm, das so heftig 
war, dass er glaubte, es wäre der Draht gerissen oder ein heftiger Stoss 
gegen die letzte Telegraphenstange gerichtet worden. Er ging ans Fenster 
und sah auch draussen den Draht zittern. Der Apparat functionirte, 
(Herr Pastor Löschke.) 

30. Dom. Conradswalde, Post Neuwaltersdorf, Kreis Habel- 
schwerdt. Gegen'/)—'/,9 Uhr sass ich am Schreibtisch, als plötzlich ein 
furchtbares Getöse, ähnlich, doch bedeutend stärker, einem Gewitter- 
schlag vernehmbar wurde. Fast gleichzeitig erbebte das grosse, wohl 
500jährige Wohnhaus (aus Stein), mein Stuhl hob sich wellenförmig, die 
offenen Fensterflügel schlugen zu, die am Fenstersims sitzenden Tauben 
flogen ängstlich fort — ich glaubte im Augenblick, das Haus stürze in 
sich zusammen. Im Parterre, das zum Theil gewölbt ist, wurde die Er- 
schütterung weniger stark gespürt als im I. Stock. Ich verspürte nur 
einen längeren intensiven Stoss, dem das Donnerrollen fast voranging. 
— In einer anderen Wohnung sollen kleinere Bilder von der Wand 
gefallen sein. (Frau Rittergutspächter Speer.) 

3l. Crummendorf, Kreis Strehlen. Um 9', Uhr wurde ein 
wellenförmiges Zittern von S—N verspürt. Ich dachte, ein schwerer 
Dampfpflug führe am Hause vorbei. Im selben Augenblick hörte ich einen 
kräftigen, kurzen, dumpfen Donner, alles erbebte unter und neben mir, 
die Wände schienen sich zu bewegen; es war ein hasseln, als ob 
das ganze Schieferdach vom Haus heruntergerissen würde und dachte 
ich, die Feueresse sei eingefallen. Ich ging vors Haus mit Furcht, dass 
mir Schiefer auf den Kopf fallen könnten. Draussen stand schon der 
Besitzer, wie auch die Nachbarn alle aus den Häusern kamen. Von 


14 . Jahresbericht der Schles. Gesellschaft für vaterl. Culiur. 


einigen Häusern fielen einzelne Flachwerke herunter, ebenso Putz von den 
Wänden. Dauer ca. 3. Das Geräusch begann vor der Erschütterung 
und hörte erst nach ihr auf. (Herr L. Rissler,) 

32. Cudowa, Kreis Glatz. Es wurden zwei Erdstösse wahrge- 
nommen, in der Richtung SO—NW. Die Erschütterung, die auch von 
anderen Kurgästen bemerkt worden ist, war nicht unbedeutend. (Herr 
Bergverwalter Teichmann.) 

33. Diersdorf, Kreis Nimptsch.h Um 9 Uhr 27 Min. Bahnzeit 
spürte ich zwei dicht aufeinanderfolgende Stösse in 3— 5’ in meinem 
Hause parterre. Richtung S—N, Es war, als wenn man mir einen Knüppel 
unter die Fusssohlen schob und mir die Füsse wellenartig auf und 
niederhob. Dann war ein Geräusch, Rollen und Klirren, wie Fahren 
mit einer schweren Karre über der Stubendecke. Die Wahrnehmungen 
im Ort sind verschieden. Bei Einem hat der Stuhl gekippt, der Tisch 
auf einer Seite mit den Beinen aufgeschlagen, Bilder und Spiegel an 
der Wand sich  pendelartig bewegt. Die Lampe auf der Nähmaschine 
wäre fast heruntergefallen. Bei einem meiner Kunden ist die Frau im 
Haus gewesen, da haben alle Wände sich bewegt, dass sie zum Tode 
erschrocken aus dem Hause eilte. Ihr Mann hat ganz dicht dabei Gras 
gehauen, ohne etwas zu bemerken. Leute im Freien haben meist ein 
Brausen und Rollen in der Luft wahrgenommen. Der Himmel war be- 
wölkt, im SW stand ein Gewitter. Auch donnerte es. (Herr Bäcker- 
meister Richter.) 

34. Dobergast, Kreis Strehlen. Um 9‘, Uhr früh verspürte ich 
ein Erzittern des Fussbodens der Schulstube und leises Klirren der 
Fensterscheiben. Die Kinder sagten: „Es urbert (rauscht, bewegt sich) 
unter den Füssen.“ Ein Mann in einem Schuppen fühlte einen Stoss 
unter den Füssen, auch sah er ganz deutlich, dass sich das Flachwerk- 
dach über ihm bewegte, so dass Kalk herunterfiel. Eine Frau sass auf 
dem Stuhle und es kam ihr vor, als rutsche derselbe hin und her. 
Dauer 2—3”. Atmosphäre gewitterschwül. (Strehlener Ztg. No. 48.) 

35. Eckersdorf, Kreis Glatz. Die Erschütterung dauerte 2° und 
verursachte vielfach Wanken und Klirren der Gegenstände in Glas- 
schränken und auf Tischen. Leute, die sich im Freien befanden, wollen 
ein donnerartiges Getöse gehört, aber keine Erschütterung verspürt haben. 
(Gebirgsbote vom 14. Juni.) 

36. — Die Belegschaft verliess schleunigst die Kohlengruben. 
(Neisser Ztg. vom 15. Juni.) 

37. Eichau, Kreis Münsterberg. (Bresl. Morgen-Ztg. No. 271.) 

38. Endersdoif, Kreis Neisse. (Neisser Ztg. vom 15. Juni.) 

39. Erlitzthal, Kreis Habelschwerdt. Im oberen Erlitzthal war 
das Beben besonders heftig. Der Verlauf glich einem unterirdischen, 
10‘ anhaltenden Donner. Eine auf einem Steine sitzende, ihre Frühstücks- 


II. Abtheilung. Naturwissenschaftliche Section. 15 


schnitte verzehrende Frau wurde von ihrem Sitz geworfen. (Breslauer 
Morgen-Ztg. No. 271.) 


40. Hohe Eule. In der Schutzhütte am Eulenthurm wurde von 
Besuchern Erschütterung und das unterirdische Getöse wahrgenommen. 
(Schlesische Ztg.) 


41. Falkenau, Kreis Grottkau. Um 9 Uhr 30 Min. wurde ein 
Erdstoss wahrgenommen, dem ein dumpfes, donnerähnliches Rollen voran- 
sing. Der Fussboden im Zimmer gerieth in wellenförmige Bewegung, 
welche die Gläser im Schrank erklirren machte und eine Nippfigur von 
ihrem Platz verrückte. (Neisser Ztg. vom 15. Juni.) 


42. Faulbrück, Kreis Reichenbach. Um 9 Uhr 32 Min. wurden 
im Postgebäude parterre zwei schnell aufeinanderfolgende Stösse und darauf 
Vibriren des Erdbodens wahrgenommen. Die Bewegung war: kurzer 
Seitenruck von NO. Dauer 5“. Fensterscheiben klirrten, Fussboden 
und Möbel zitterten leicht. Gleichzeitig ertönte dumpfer Donner, welcher 
leise rollend sich verzog. (Kais. Postamt.) 


43. Frankenstein. 9 Uhr 29 Min. (Telegraphenzeit — Breslauer 
Telegraphenzeit) wurde im hiesigen Stationsgebäude und namentlich auf dem 
Güterspeicher ein kurzer Seitenruck von SO—NW von etwa 2° Dauer 
wahrgenommen. Der Güterspeicher knisterte in seinen Fugen. Ein 
dumpfes Rollen ging der Erschütterung voran. (Stations-Vorstand am 
15. Juni.) 


44, — Um 9 Uhr 25 Min. Telegraphenzeit (?) wurdeein wellenförmiges 
Zittern, wie von einem besonders schweren Lastwagen in der Richtung 
SW--NO gespürt. Dauer ca. 2“. Ein donnerähnliches, aber viel 
dumpferes Rollen folgte der Erschütterung und hielt einige Secunden an. 
Von 11 Uhr 15 Min. bis 3 Uhr 13 Min. schweres Gewitter. Mehrere 
Bewohner eilten ins Freie, weil sie glaubten, in der Nachbarschaft sei 
ein Gebäude eingestürzt. Ein Beobachter hat im Freien auf einer um 
die Stadt führenden Promenade auf einer Bank gesessen und einen 
kurzen kräftigen Seitenruck von SW--NO empfunden, ein Geräusch 
aber nicht gehört. Er glaubte, die Bank habe durch das Heranspringen 
eines grossen Hundes einen Stoss erhalten, sah aber keinen Hund. 
(Kais. Postamt am 18. Juni.) . 


45. — Zwischen 9 Uhr 33 Min. und 9 Uhr 35 Min. verspürte 
ich zwei Stösse, die Bewegung war wellenförmig von SW—-NOÖ und 
dauerte ca. 2'),“. Die Spiegelscheiben, wie auch zusammenstehende 
Flaschen klirrten. Ein unterirdisches Donnern ging kurz voraus. Später 
Gewitter. (Herr Drogenhändler Rosenberger.) 

46. — 9 Uhr 34 Min. fand eine kurze Erderschütterung, die mit 
einem ziemlich kräftigen Stoss endete, statt. Fensterscheiben und Geschirr 
klirrten, leichte Gegenstände bewegten sich. (Neisser Ztg. vom 12. Juni.) 


16 Jahresbericht der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. 


47. — Gegen 9, Uhr wurde ein Erdstoss verspürt, welcher von 
einem stärker oder schwächer vernehmbaren, donnerähnlichen Rollen 
begleitet war; letzterer, sowie die wellenartige Bewegung des Erdbodens 


währte 10‘. Der Erdstoss schien sich von O—W fortzupflanzen. (Neu- 
roder Hausfreund für Stadt und Land vom 15. Juni.) 
48. — In den Nickelbergwerken beschädigte herabfallendes Ge- 


rölle Bergleute, so dass sie ärztliche Hilfe brauchten. (Herr Redaeteur 
Neugebauer in Grottkau.) 


49. Frauenhain bei Domanze, Kreis Schweidnitz. Um '/,10 Uhr 
wurde das Erdbeben wahrgenommen. Die meisten Leute waren auf 
dem Felde, als plötzlich ein donnerartiges Getöse eintrat, dass die Erde 
erzitterte. In meinem Klassenzimmer verspürte ich ebenfalls den Donner. 
Die Bewegung war wellenförmig, wie das Dröhnen einer ungeheuer 
grossen Walze sein würde. Richtung SO—NW. Ein weniger starker 
Stoss wurde an demselben Morgen schon gegen 4 Uhr verspürt. (Herr 
Lehrer Cebulla.) 


50. Gauers, Kreis Grottkau (Neisser Ztg. vom 12. Juni.) 


5l. Gläsendorf, Kreis Grottkau. Punkt 9 Uhr 30 Min. M. E. Z. 
(nach der täglich regulirten Postuhr) wurde ein wellenförmiges Zittern 
von S—N (oder auch SSO—NNW) wahrgenommen. Dauer 7—8“, 
in den ersten 3° am stärksten. Gleichzeitig ein unterirdisches, donner- 
artiges Rollen. Es machte den Eindruck, als ob auf einer 100 m ent- 
fernten Chaussee schwere Lastwagen oder noch besser schwere Ge- 
schütze, wie 21 cm Mörser, lange 15 cm Kanonen bezw. schwere 
12 em Kanonen, vorbeiführen. Es verklang allmählich nach N. Auch 
das Geräusch war in den ersten 3 am stärksten. Der Fussboden 
schwankte und der Schreibtisch gerieth in zitternde Bewegung. lch 
sprang auf und bemerkte, wie die Wände zitterten, beinahe schwankten, 
und die Flügel eines offenstehenden Fensters sich ea. 5—6 em weit be- 
wegten. Die Scheiben des anderen Flügels klirrten. (Herr Oberfeuer- 
werker Schirrholz.) 


52. — Unter den Kirchenbesuchern entstand grosser Schrecken. 


Die Erschütterung dauerte 4”. (Öberschl. Anzeiger in Ratibor vom 
13. Juni.) 


53. Glatz. Um 9 Uhr 28 Min. wurde ein Stoss als wellenförmiges 
Zittern von NW—SO in einer Dauer von 2‘ gespürt. Morseapparate 
sprachen an, Fernsprechwecker läutelen kurze Zeit. Stühle und Tische 
erzitterten. Gleichzeitig wurde ein rollendes Geräusch vernehmbar. 
Während des Stosses schwüle Temperatur; nachher 4'/, Stunden lang 
schwere Gewitter mit häufigen Blitzschlägen, zeitweise starker Regen 
mit Schlossen, zeitweise wolkenbruchartiger Regen ohne Schlossen. 
(Kaiserl. Postamt.) 


Il. Abtheilung. Naturwissenschaftliche Section. 17 


54. — Um 9 Uhr 29 Min. wurde ein Stoss als. wellenförmige 
Bewegung vonSW—.NÖ (? es steht, wohl ein Schreibfehler, da: von W—.N), 
ungefähr 2—3 lang gespürt. Die Möbel im Zimmer zitterten. Ein dumpfes, 
schwächeres Getöse ging voran. Eine Locomotive, die auf dem Bahn- 
hof Glatz stand, schwankte, so dass der Heizer abstieg. Diese Angaben 
machte ein Locomotivführer, der wegen Eierkochen seine Uhr in der 
Hand hatte und bald nach dem Erdstoss seine Wahrnehmungen mit- 
theilte. (Stations- Vorstand.) 

55. — 9 Uhr 31 Min. wurde ein starker Stoss (in der II, Etage 
stärker als in der I.) als Seitenruck von S—N gespürt. Dauer: wenige 
Secunden. Es folgte unmittelbar ein dumpfes Rollen, wie ein ferner, 
_ blinder Kanonenschuss. Meine Frau (II. Biage) behauptet, das Haus habe 
seschwankt. (Herr Grond.) 


56. — Gegen 10 Uhr wurde ein mehrere Secunden anhaltender 
Erdstoss mit heftigen Erschütterungen verspürt. (Hausfreund vom 15. Juni.) 
57. — Man hörte ein dumpfes Rollen, das vom Klirren der 


Fensterscheiben begleitet wurde, (Berl. Abend-Ztg.) 

58. Gnadenfrei, Kreis Reichenbach. Um 9 Uhr 28 Min. M. E. Z. 
nach der Telegraphenuhr wurde der Erdstoss als wellenförmige Be- 
wegung, hebend und senkend nach Art der Schifisbewegungen wahr- 
senommen. Nachträgliche Rückfragen ergaben als Richtung SO—NW. 
Die Dauer betrug 2—3°. Das Postgebäude schwankte, offenstehende 
Fensterflügel pendelten in ihren Angeln. An anderen Stellen im Orte 
sollen Bilder geschaukelt und Glasgefässe geklirrt haben. Schäden an 
Gebäuden sind nicht eingetreten. Während der Bewegung wurde ein 
stossendes Geräusch vernommen, so dass Ref. glaubte, der mit Steinen 
gefüllte Kasten einer auf dem Boden befindlichen Wäschemangel sei aus 
der Bahn gefallen. Hieran reihte sich ein rasselndes Geräusch, wie 
von einem schweren Wagen auf nicht gepflasterter Strasse. (Kaiserl. 
Postamt.) 

59. — 9 Uhr 28 Min. 2—3 Sec. (mit den Nachbarstationen 
Reichenbach und Frankenstein und der hiesigen Reichstelegraphenanstalt 
genau dieselbe Zeit) wurde ein starker Stoss mit folgendem wellen- 
förmigsen Schaukeln von NO—SW wahrgenommen, der etwa 2—3' 
dauerte. Die Wirkung war Panik erresend. Alle Leute kamen auf die 
Strasse oder fragten aus den Fenstern, was es gäbe. Der Reitsessel, 
auf dem Ref. sass, schwankte merklich. In der Wohnung wurde ein 
Schwanken der Möbel und Knistern beobachtet. Ein tiefem Donner 
ähnliches Geräusch von 4—5‘' Dauer folgte der Bewegung unmittelbar. 
(Stations-Vorstand.) 

60. — Der tiefere Untergrund besteht aus Fels; der untere Theil 
des Brunnens ist durch Fels hindurchgesprenst. Ref. hörte nur das 


Donnern, da er diesem seine ganze Aufmerksamkeit widmete und um- 
183. 2 


ı£ 
Me) 


18: . Jahresbericht der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. 


herging. Die Schulkinder verspürten deutlich eine Erschütterung in den 
Füssen, sahen auch eine leerstehende Bank erzittern. Mein Mädchen 
sah in der Waschküche zu ebener Erde die Wände und Decke schwanken; 
desgleichen glaubte eine Nachbarin, dass die Decke eines unteren 
Zimmers herabfiele, so sehr hatte sich diese bewegt. Im Keller eines 
Weingeschäftes klirrten die Flaschen. Im Nachbarhause fühlten die auf 
ihren Arbeitstischen in der zu ebener Erde liegenden Arbeitsstube 
sitzenden Schneider sich förmlich hin- und hergeschaukelt. Ein Geselle 
in einem separaten Zimmer vernahm erst über sich den Donner, sah dann 
die Decke schwanken und fühlte die Diele sich bewegen. Meine Frau 
im Freien hörte nur den Donner. Ich glaube, dass der Donner von OÖ 
kam. Dauer wohl über 5, vielleicht 10° (spätere Schätzung). Das Ge- 
räuch war ein Donnerrollen, langsam heranziehend, dann ein Donner- 
schlag, dann allmähliches Verhallen. Geräusch sowohl vor- und nach- 
her. (Herr Lehrer Türpitz.) 

61. — 9 Uhr 28 Min. wurde eine starke Erderschütterung wahr- 
genommen. Die Fensterscheiben, Lampen u. s. w. klirrten und hierauf 
ertönte ein sich einige Secunden hinziehender unterirdischer Donner. 
Riehtung O—W. (Bresl. General-Anzeiger.) 

62. — 9 Uhr 40 Min. wurde eine Erderschütterung wahrgenommen. 
Derselben ging unmittelbar ein kurzes dumpfes Getöse, einem Rollen 
ähnlich, vorauf. Gläser in Schränken klirrten, Lampen geriethen in Be- 
wegung. (Bresi. Morgen-Ztg. Nr. 271.) 

63. Gollschau, Kreis Nimptsch. Das Erdbeben trat so stark auf, 
dass Wände und Decken des Inspeetorenhauses zahlreiche grössere und 
kleinere Sprünge und Risse aufweisen, während die Aussenmauern un- 
beschädigt erschienen. Die Beschädigungen finden sich besonders stark 
in den nach der Ostecke des Hauses gelegenen Räumen. Die Richtung 
der hauptsächlichsten Sprünge an den Decken ist N—S und O—W. Im 
Hause sind die von SO—NW gehenden Wände besonders stark betroffen. 
Die stärksten Sprünge gehen der Diele parallel am Fussboden und an 
der Decke entlang, auch über den Fenstern. Zwischen den grösseren 
Rissen verläuft besonders an den Decken ein ganzes Netzwerk feiner 
Sprünge. Die Weite der Risse beträgt an der Nordostseite etwa 
‘J, em, doch bei einigen auch gut Il em. Zwischen die auseinander- 
gesprungenen Ziegeln der Nordostwand kann an einer Stelle bequem ein 
Finger geschoben werden. Von den Waschleisten der Zimmer erscheint 
die Hauswand fingerbreit abgerückt. Das Haus ist massiv gebaut 
(Granit- und Ziegelsteine), allerdings nicht neu, baulich aber immerhin 
doch in genügenden Zustande gewesen. Nach fachkundiger Aeusserung 
ist bei einer Wiederholung des Erdstosses die Gefahr eines Zusammen-, 
sturzes nicht ausgeschlossen. Die Winkel der Hauptrisse schwanken 
zwischen 38 und 45°, Bemerkenswerth erscheint mir, dass in den 


II. Abtheilung. Naturwissenschaftliche Section. 19 


unteren Räumen des Hauses nennenswerthe Beschädigungen nicht vor- 
kamen, mit Ausnahme des im östlichen Theile gelegenen Pferdestalles. 
Hier zeigt das Gewölbe etwa '/), em breite Risse. Auf dem Dache sind 
durch die Erschütterung mehrere Latten, auf denen die Dachziegeln 
ruhen, losgelöst worden (nach der südlichen Ecke der Giebelseite zu). 
Die Schornsteine zeigen ähnliche Risse, wie die Wände. Anderweitige 
Beschädigungen von Gebäuden, Mauern etc. sind mir nicht bekannt. 
(Herr Inspector Arndt. Der Verlauf ete. der Sprünge ist durch eine 
Reihe von Skizzen in anschaulicher Weise erläutert.) 

64. Gorkau, Kreis Schweidnitz,. 9 Uhr 30 Min. nach Bahnzeit 
der Station Ströbel wurden im ersten Stock des Beamtenhauses, wie im 
fünften Stock (Boden) der sehr massiv gebauten Brauerei 4—5 Rucke, 
ziemlich kräftig und in ganz kurzen Zwischenräumen von SSW kommend 
gespürt. Dauer über 2, wohl 3“. Gleichzeitig wurde ein rüttelndes 
Geräusch gehört, die Fenster zitterten anhaltend, auf Stühlen Sitzende 
fühlten ein merkliches Schaukeln. Die Folge war gegenseitiges staunendes 
Anblicken. .(Herr Braumeister Hofmann.) 

65. Graase, Kreis Falkenberg. In der Besitzung des Herrn Carl 
Schäfer hat die Scheuer gewankt; in dem Provinzial-Steinbruch bei Graase 
sind Steine herabgefallen. (Neisser Ztg. vom 15. Juni.) 

66. Gräben, Kreis Striegau. Das Erdbeben zeigte sich in der 
Weise, dass man ein Geräusch, etwa wie das Fahren eines sehr schweren 
Lastwagens auf schlechtem Rundpflaster und eine dementsprechende Er- 
schütterung verspürte. (Schles. Ztg.) 

67. Gräfenberg, Oesterr.-Schlesien. Gegen 9 Uhr früh an der 
Böhmischen Quelle im Walde bei Gräfenberg-Freiwaldau auf Felsboden 
ein Stoss verspürt: wellenförmiges Zittern von ganz kurzer Dauer. 
(Herr v. Eynern.) 

68. Grafenort, Kreis Habelschwerdt. Etwa 9 Uhr 33 Min. ver- 
nahm ich am Schreibtisch beschäftigt, plötzlich ein dumpfes Rollen und 
empfand eine bebende Erschütterung des ganzen Hauses; die losen Fenster 
klirrten und das Vogelbauer an der Wand vibrirte. Dauer höchstens 2“. 
Der Himmel war zwar mit Wolken bedeckt, aber Gewitterbildung nicht 
vorhanden. Ich vermuthete daher sogleich ein Erdbeben. (Gebirgsbote, 
Glatz, vom 14, Juni.) 

69. Grochau, Kreis Frankenstein. Um 9'/, Uhr ist ein Erdbeben, 
das ungefähr 3‘ anhielt, verspürt worden. Die Fenster klirrten, und 
selbst schwere Möbelstücke kamen in Bewegung. (Schles. Ztg.) 

70. Grossbriesen, Kreis Grottkau. (Herr Redacteur Neugebauer 
in Grottkau.) 

71. Gross-Carlowitz, Kreis Grottkau. (Bresl. General-Anz.) 

12. Gross-Ellguth, Kreis Reichenbach. 9 Uhr 29 Min. 18 Sec. 
spürte ich in dem im Erdgeschoss gelegenen Klassenzimmer auf dem 

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30: > Jahresbericht der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. 


Katheder sitzend ein wellenförmiges (unterirdisches) Zittern von N—S. 
Dauer 8”. Der Erschütterung sing ein donnerähnliches Geräusch voraus. 
Ich wurde mit wahrnehmbarer Gewalt nach vorn gegen das Katheder 
gedrängt. Ein alter Mann, der auf einem Stuhle im Garten sass, ver- 
sicherte, dass er deutliches Zittern des Erdbodens gespürt und ihm die 
Füsse in die Höhe gehoben worden seien. Meine Frau sass auf dem 
Sopha in der Wohnstube. Sie spürte plötzlich, wie das Sopha er- 
zitterte, wie der Regulator über ihr rasselte und prasselte.e Das Ge- 
räusch bezeichnete sie als unterirdisches Grollen. Das Dienstmädehen, 
welches die Kirche reinigte, verspürte ein deutliches Zittern des Fuss- 
bodens und ein Klirren der Fenster. (Herr Lehrer Stephan.) 

73. Grottkau. 9 Uhr 28 Min. (Rathsthurmuhr —= Postuhr) ver- 
spürte ich im ersten Stock des Rathhauses einen Stoss als Schlag von unten 
in der Richtung S—N. Dauer 1‘. Ich sass am Schreibtisch; durch den 
Stoss wurde ich förmlich in die Höhe gehoben; das massive Rathhaus 
 erzitterte. Ein eigenthümliches Gefühl der Angst machte sich bemerkbar; 
auch der Blutlauf schien sich auf einmal zu ändern, ein dumpfes 
Rollen begleitete den Stoss.. Ein Secretair des hiesigen Amtsgerichts 
im II. Stock des Rathhauses will eine zweite schwächere Erschütterung 
wahrgenommen haben. Ein Schuhmacher, der zu ebener Erde wohnt, 
geriet auf seinem Arbeitsschemel ins Schwanken, dass er sich fest- 
halten musste, um nicht umzufallen. (Herr Kämmereikassen-Assistent 
Laske.) 

74. — In meiner Wohnung fiel durch die Erschütterung eine 
Nippfigur von einem kleinen Tischehen und zerbrach. (Herr Redacteur 
Neugebauer.) 

75. — Die Fensterscheiben klirrten, namentlich in den oberen 
Stockwerken, ebenso Glassachen in ihren Behältern. Die Bewohner 
wurden in argen Schrecken versetzt. Die Erschütterung war von 
dumpfem Rollen begleitet. (Strehlener Ztg. Nr. 48.) 

76. — 2 Minuten vor 10 Uhr sind zwei aufeinanderfolgende, 
Secunden andauernde Erdstösse bemerkt worden. Am stärksten wurden 
die Stösse im Kaufmann Freund’sehen und den daran liegenden Häusern 
der Breslauer Strasse gespürt. (Grottkauer Ztg. vom 12, Juni.) 

77. — Wie uns Herr Kaufmann Freund mittheilt, erzitterten die 
Wände und verschiedene Gegenstände seines Hauses. 83 Secunden an- 
haltende, dumpfrollende Stösse wurden bemerkt. (Neisser Ztg. vom 
15. Juni.) | 

78. Grunau, Kreis Neisse. Gegen 9°, Uhr vernahm ich ein 
unterirdisches, andauerndes Rollen, das ganze Schloss zitterte. (Neisser 
Zeitung vom 15. Juni.) | 

79. Habelschwerdt. Gegen 9, Uhr wurde (im II. Stock auf 
Fels) ein wellenförmiges Zittern von 2—3‘ Dauer wahrgenommen, 


II. Abtheilung. Naturwissenschaftliche Section. 91 


Glassachen auf den Tischen zitterten. Dazu wurde ein Donner gehört. 
(Kaiserl. Postamt.) 

80. — Nach 9‘), Uhr wurde eine kurze Erschütterung verspürt. 
Man hörte ein unterirdisches Donnern, als ob ein Eisenbahnzug vorüber- 
rolle; die Fenster klirrten, Tische und Stühle schienen zu schwanken. 
(Hausfreund vom 15. Juni.) 

831. — Eine 1—2“ dauernde Erderschütterung wurde verspürt. 
Dieselbe machte sich durch ein dumpfes Rollen, wie wenn ein Wagen über 
das Pflaster fährt, Knistern der Mauern, Schwingen der Hängelampen, 
Klirren der Fenster ete. bemerkbar; in einem Zimmer fiel ein Thermo- 
meter von der Wand; eine auf einem Balkon stehende Dame hatte das 
Gefühl, als wenn sich derselbe nach vorwärts neigte. Die meisten Be- 
wohner haben indess nichts wahrgenommen. (Gebirgsbote, Glatz vom 
14. Juni.) 

82. Habendorf, Kreis Reichenbach. (Bresl. General-Anzeiger.) 

85. Hain-Saalberg im Riesengebirge. Ich hatte ein ähnliches 
Gefühl, wie in einem geschlossenen Wagen, wenn er über einen Stein 
fährt, d. h. ich fühlte nicht den Stoss, sondern nur das Zittern, wie wenn 
ein Stoss von unten erfolgt wäre. Dauer 1—2“. Das Haus zitterte. 
Auch drei andere Damen bemerkten die Erschütterung. Die Landleute 
hatten nichts bemerkt. (Frl. Brüstlein.) 

84. Hammer, Kreis Habelschwerdt. Es herrschte Nordwind. Im 
SO standen sog. Gewitterkegel. Das Thermometer zeigte nach einer kühlen 
Nacht 15 °R. im Schatten. Um 9 Uhr 35 Min. Ortszeit (— ? 9 Uhr 30 Min. 
M. E. Z.) vernahm ich (im Erdgeschoss) von SO ein rollendes Getöse, 
dem Donner aber nicht ähnlich, da es sich so hohl anhörte und immer 
heftiger und vernehmbarer wurde, dann immer schwächer nach N zu endete, 
Währenddessen fingen die an den Ofenplatten befestigten Blechthürchen 
an zu klirren, was sich dreimal wiederholte. Das zweite Klirren war 
das heftigsstee Dauer 18—20'. Die Erschütterung war von der Stärke, 
wie sie ein leerer Lastwagen in scharfem Tempo vorbeifahrend ver- 
ursacht. Die Bewegung war ein wellenförmiges Zittern. Das Geräusch 
ging 3—4'' voran und folgte noch ebenso lange nach. Im Freien wurde 
meist nur das Geräusch gehört. (Herr Neumann.) 

85. Heidersdorf, Kreis Nimptsch. 9 Uhr 52 Min. (M. E.Z. (?)° 
nach der Postuhr) wurde ein Geräusch, als wenn eine Dampfwalze am 
Hause vorbeiführe, von 1—2‘' Dauer bemerkt. Die Fenster erzitterten. 
Gleichzeitig wurde ein kurzes Rasseln hörbar. (Kaiserl. Postamt.) 

86. — 9 Uhr 15 Min. (M. E. Z. ?) wurde eine 2‘ andauernde 
‚Erschütterung, ein wellenförmiges Zittern von O—W bemerkt. Ein 
unterirdisches, dumpfes, donnerähnliches Geräusch ging der Erschütterung 
voran. Die hängenden und auch stehenden Gegenstände in der Stube 
wankten. (Herr Amtsseeretair Ludwig.) 


93 Jahresbericht der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. 


87. Heinrichau, Kreis Münsterberg.. 9 Uhr 25 Min. M. E. Z. 
wurde im Postamt parterre ein wellenförmiges Zittern, begleitet von einem 


rasselnden Geräusch, vernommen. Richtung N—$. Dauer 3. (Kaiserl, 
Postamt.) 
88. — An einer Scheune rutschten sechs Reihen durch Mörtel 


verbundenes Flachwerk (ohne Nasen) ab. Hängelampen schwangen, Spiegel, 
Oefen, grosse Schränke wackelten. Der Eindruck war, „als führen Kanonen 
in schnellem Trabe vorüber‘, „als käme ein Gewitter herangezogen“, „wie 
das Heranrollen eines Eisenbahnzuges“, „als wenn der Keller eingestürzt‘ 
„plötzliches Schwindelgefühl“. Die Leute liefen angstvoll aus den 
Häusern und besprachen das Ereigniss auf der Strasse. (Herr Dr. Peucker.) 

89. — .Gegen 9'/, Uhr wurde eine von donnerähnlichem Grollen 
begleitete, etwa 5‘ währende Erderschütterung wahrgenommen. Da die 
Mobilien in den Zimmern in zitternde Bewegung geriethen, machte es 
den Eindruck, als ob in den Kellerräumen ein Einsturz erfolgt wäre. 
(Strehlener Ztg. Nr. 48.) 


90. — 9 Uhr 25 Min. wurde ein schwacher Erdstoss wahr- 


genommen, Beschädigungen an Gebäuden etc. sind nicht entstanden. 
Dagegen fand eine starke Erschütterung der in den Wohnungen vor- 
handenen Gegenstände statt. (Bresl. General-Anzeiger.) 

91. Heinrichau, Kreis Waldenburg. (Herr Amtsvorsteher 
Genschow zu Kynau.) 

92. Heinzendorf bei Landeck, Kreis Habelschwerd. Um 
„10 Uhr vernahm ich ein Rollen, ähnlich dem eines auf hartem Boden 
schnell heranfahrenden Lastwagens. Richtung von NO. Das Ende des 
ca. 5° dauernden Rollens war ein Getöse, wie das von einem fernen, 
heftigen Blitzschlage. Dabei ward das Gebäude von unten her (vertical) 
stark erschüttert. Im Erdgeschoss knarrte eine offenstehende Thür und 
klirrten Fenster. Im Freien ist zum Theil nichts wahrgenommen worden. 
(Gebirgsbote, Glatz, vom 14. Juni.) i 

93. Hermsdorf, Kreis Hirschberg. Der hiesige Obergrenzeontroleur 
bemerkte, am Schreibtisch sitzend, einen heftigen Stoss, als wenn ein sehr 
schwerer Gegenstand in unmittelbarer Nähe seines Hauses niedergefallen 
wäre, auch schwankte der Boden unter ihm und er hatte das Gefühl, 
als wenn er sich auf einem Schiffe befände. Zugleich nahm er ein 
donnerähnliches Gerolle wahr, als wenn ein schwer beladener Lastwagen 
über eine nahe Brücke gefahren würde, In meinem Hause wurde ein heftiger 
Stoss verspürt, Fensterscheiben und Gläser klirrten, Bilder an der Wand 
bewegten sich. Im @oldfischbehälter schwankte das Wasser. (Herr 
Hauptmann a. D. Carp.) 

94. Herrnstadt, Kreis Guhrau. Ein heftiges Rollen, wie das 
eines Kanonenschusses oder Donners wurde zweimal in einer Zwischen- 
zeit von 2—3’ von mir und meinen Leuten, die mit Heumachen be- 


II. Abtheilung. Naturwissenschaftliche Section. 33 


schäftigt waren, gehört. Es kam aus S oder SW. Eine Erdschwankung 
wurde nicht bemerkt. (Herr Schubert.) 

95. Hertwigswalde, Kreis Münsterberg. Ein auf dem Dach- 
boden beschäftigter Besitzer fühlte die Bewegung so stark, dass er 
glaubte, das Gebäude würde unter ihm zusammenstürzen. (Münsterberger 
Zeitung vom 15. Juni.) 

96. Herzogswalde, Kreis Frankenstein. Der Erdstoss wurde in 
den oberen Stockwerken so stark beobachtet, dass ein krank darnieder- 
liegender Manı in den Glauben versetzt wurde, das Haus senke sich. 
(Kais. Postamt Silberbereg.) 

97. Hirschberg. Um 9 Uhr 34 Min. wurde im dritten Stock 
eines freistehenden Hauses eine schaukelnde Bewegung von der Dauer 
eines Augenblieks beobachtet. Der Regulator blieb in der Stube stehen, 
wogegen wieder eine empfindliche Uhr ruhig weiterging. _ (Stations- 
Vorstand.) 

98. — Um 9 Uhr 25 Min. wurde ein Schaukeln von NW—SO 
wahrgenommen. Es waren etwa 3—4 ziemlich gleichmässige Stösse 
innerhalb 2—3“. Schwere Möbel (ein Rollbureau voll Papier und 
Bücher und ein Pianino) schwankten etwa 1 cm hin und her. (In einem 
anderen Hause sollen auch Bilder von der Wand gefallen sein.) Ein Ge- 
räusch wurde nicht wahrgenommen. Zu gleicher Zeit entlud sich ein 
Gewitter; es donnerte gerade. (Herr Postmeister a. D. Beck.) 

99. — Um 9 Uhr 23 Min. (Telegraphenzeit) beobachtete ich eine 
Erderschütterung in Form eines wellenförmigen Zitterns von SO—NW, 
so dass 5‘ lang eine Thür klapperte und eine Lampenglocke klirrte; 
ebenso (im zweiten Stock) auf einem Schrank stehende Vasen und Gläser. 
Ein Geräusch wurde nicht bemerkt. 

Der Morgen des 11. Juni war klar und heiss. Gegen 9 Uhr etwa 
22° R. in der Sonne. Bald stiegen schwere Gewitter auf, die erst gegen 
2 Uhr anfingen sich zu entladen. (Herr Stadtrath a. D. Thalheim.) 

100. — 1!),—2 Min. vor '/,10 Uhr (Rathhausuhrzeit; die Postzeit 
weicht um ea, 4 Min. von der mittleren Zeit ab) bemerkte ich eine drei- bis 
viermal oseillirende, wellenförmige Bewegung von ONO zu O—WSW zuW. 
Dauer höchstens 2—2!/,". Es war, als ob das ganze Zimmer und die 
Gegenstände desselben, besonders aber der Stuhl, auf dem ich sass,- 
zitternd hin- und hergezogen würde. Aneinander gelehnte Doppelfenster 
auf dem Boden knisterten und klirrten, als ob sie umfallen wollten. Ich 
habe kein Geräusch bemerkt. Meine sonst schwerhörige Schwieger- 
mutter vernahm im unteren Stockwerk ein murrendes, grollendes Getön, 
‚das die Erschütterung begleitete und noch nachhallte, so dass sie er- 
sehreekt zu mir heraufkam. (Herr Blume.) 

101. — Punkt 9'/, Uhr (Postzeit) während eines Gewitters wurde 
ich eine hin- und herschiebende, wagerechte Bewegung des Sophas, auf 


34° Jahresbericht der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. 


dem ich sass, gewahr,. ohne ein Geräusch oder die Bewegung von Bil- 


dern ete. wahrzunehmen. Dauer 3—4. (Herr Steuereinnehmer a. D. 
Wagner.) 
102. — Um 9 Uhr 34 Min. wurde ein kräftiger Stoss gespürt, 


Brunnenbauer sahen das Wasser sich heben und senken. (Berliner 
Abend-Ztg.) 


103. Hönigern, Kreis Oels. Ich vernahm zwischen 9'/, und 
und 10 Uhr ein längeres (fast 1‘ währendes) fernem Donner ähnliches 
Geräusch von SW herkommend. Am fast wolkenlosen Himmel war ein 
Gewitter nicht zu entdecken. (Herr Oberförster Krätzig.) 


104, Hönigsdorf, Kreis Grottkauu Ein Wanken und Zittern 
des Erdbodens wurde bemerkt. Die Pferde auf dem Felde zitterten. 
(Grottkauer Ztg. vom 15. Juni.) 


105. Hohen-Giersdorf, Kreis Grottkau. Die Fensterscheiben 
klirrten. (Neisser Ztg. vom 12. Juni.) 

106. Hussinetz, Kreis Strehlen. In den böhmischen Dörfern 
wurde ein dreimaliges, dumpfes, rollendes Geräusch wahrgenommen, 
welches den Erdstoss begleitete. Fensterscheiben klirrten, in einigen 
Häusern sprangen Thüren auf. Einige Stubendecken zeigen Risse. 
(Strehlener Ztg. No. 48.) 


107. Jakobsdorf, Kreis Falkenberg, Etwa um 10 Uhr wurde 
das Erdbeben bemerkt. Es war, als ob ein sehr schwerer Lastwagen um 
das Haus herumfahre, etwa N—S oder NW—SO. Die Stösse schienen 
etwa von unten zu kommen und dauerten ca. 4. Ein Geräusch ging den 
Stössen voraus. Ich bekam heftiges Herzklopfen, das mit dem Aufhören 
der Erschütterung verschwand. Abnorme schwüle Hitze, absolute Wind- 
stille. (Baronin v. Thielmann.) 

108. — Bilder schwankten, ebenso Klingelschnüre. Die Fenster 
klirrten. (Schlesische Ztg.) 


109. Jauer. Um 9', Uhr (Rathsthurmzeit) erfolgte eine Er- 
schütterung wie von einem schwer mit Eisen beladenen, fahrenden Wagen. 
In einem Zimmer knisterten die Tapeten und eine auf einem Stuhl sitzende 
Person hatte das Gefühl, als würde sie hin- und hergestossen. Richtung 
W-—-O. (Hausfreund vom 15. Juni und Schles. Ztg.) 

110. Jauernigk. Osterr.-Schlesien. (Schles. Ztg.) 

111. Johannsthal, Kreis Reichenbach. Bei der Wittfrau Pix 
ist das Pendel aus der Uhr ausgehakt und hat der eiserne Ofen gezittert. 
(Herr Gensdarm Hoffmann V.) 

112. Jordansmühl, Kreis Nimptsch. (Landsmann vom 14. Juni.) 

113. Kaiserswalde, Kreis Habelschwerdt. Es wurde ein Zittern 
von 4—5‘' Dauer im Schulzimmer zu ebener Erde bemerkt. Ein dumpfes 
Rollen gleich dem eines schnell fahrenden Lastwagens begleitete es. 


II. Abtheilung. Naturwissenschaftliche Section. 35 


Himmel gewitterwolkenähnlich bedeckt. Später Gewitter. (Herr Lehrer 
Seipelt.) 

114. Kamnig, Kreis Grottkau. Es wurde eine von dumpfem 
Rollen begleitete Erderschütterung wahrgenommen. Die Fensterscheiben 
klirrten und Schrankthüren sprangen auf. (Münsterberger Ztg. No. 47 
vom 12, Juni.) 


115. Karzen, Kreis Nimptsch. 9 Uhr 29 Min. fand das Erdbeben 
statt. Ich sass am Schreibtisch. Auf einmal erzitterte das Haus, die 
Fenster klirrten. Die Erschütterung war etwas stärker, als wenn eine 
Dampfwalze oder ein Dampfpflug am Hause vorbeifährt. Dauer 3—4". 
Richtung W—0O. Eine Frau auf meinem Flur (Hochparterre) hatte gerade 
Fenster gewaschen. Die Fenster waren ausgehakt. Sie will nichts 
wahrgenommen haben. Ein Fräulein, das an der Wand lehnte, empfand 
einen Ruck ausser dem Getöse; ihr Bruder, der am Tisch schrieb, spürte 
nur Rollen und Zittern. Ein Gastwirth zählte auf dem Fensterbrett 
Geld; dasselbe erzitterte. Im Freien wurde ein dumpfes Donnern und 
Schwanken des Bodens beobachtet. (Herr Postagent Wiedemann.) 


116. Kattern, Kreis Breslau. 9 Uhr 50 Min. 10—15 Sec. M. E. Z. 
spürte ich im 1. Stock des Beamtenwohnhauses drei unmittelbar aufein- 
anderfolgende Stösse. Die Art der Bewegung war ein wellenförmiges 
Zittern und Schaukeln von N—$S. Dauer 8—10', Gleichzeitig wurde ein 
unterirdisches Rollen wahrgenommen. Ein ähnliches, doch etwa dreimal 
stärkeres Erzittern findet statt, wenn ein Schnellzug mit voller Dampf- 
kraft durchfährt. Die Schlüssel am Schlüsselbrett klirrten. Grosse 
Schwüle, 27°C. (Herr Bahnmeister Lohse.) 


117. Ketschdorf, Kreis Schönau. (Schles. Ztg.) 


118. Kleutsch, Kreis Frankenstein. Ziemlich genau um 9 Uhr 
30 Min. wurde ein Erdstoss (Schlag von unten und Erzittern) von 2—3“ 
Dauer scheinbar von W—O wahrgenommen. Der Boden erzitterte. In 
Gebäuden, besonders in oberen Stockwerken, schwankte der Fussboden. 
Ein Geräusch, ähnlich fernem Donner oder wie von einem schweren 
Lastwagen, ging voran. Gläser klirrten, Fensterscheiben zitterten, lose 
oder hängende Gegenstände schwankten leise. Drückende Schwüle; 
21° R. (Herr März.) 

119. Klodebach, Kreis Grottkau. (Bresl. General-Anzeiger.) 


120. Költschen, Kreis Reichenbach. Gegen ',10 Uhr spürten 
wir, im Garten sitzend, eine Erderschütterung (eine wellenförmige Be- 
wegung von unten herauf, erst stark mit kurzer Unterbrechung, dann 
schwächer werdend); Richtung NO—SW. Dauer 3—4‘. Tisch und 
Stühle zitterten. Der Erdboden schwankte unter unseren Füssen. Es 
sing wie eine Bewegung durch die Natur, die Blätter waren wie vom 
Wind bewegt; darauf trat wieder Stille und Schwüle ein. Ein Donner 


96 | Jahresbericht der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. 


folgte der Erschütterung. Später (12 Uhr) Gewitter mit furchtbarem 
Regen. (Frl. Lange.) 

121. Koppitz, Kreis Grottikau. 9 Uhr 33 Min. wurde im herr- 
schaftlichen Park eine ziemlich starke Erderschütterung, die sich als 
wellenförmiges Zittern kundgab, gespürt. Richtung O—W. Es folgte ein 
Geräusch, wie wenn ein Lastwagen über eine Brücke fährt. Teppich- 
beete gerieten in Bewegung und die in der Mitte befindlichen Palmen 
schwankten hin und her. Die hier beschäftigten Arbeiter sprangen er- 
schreckt auf. Dauer 3°. Im Dorf erzitterten die kleinen Häuser. In 
der Giebelstube eines massiven Hauses wankte der eiserne Ofen; ein 
Schuhmacher verlor auf seinem Schemel das Gleichgewicht. (Schles, 
Zeitung.) 

122. Kraschen, Kreis Oels. Herr Brennereiverwalter Rönsch 
spürte im 2. Stock deutlich ein starkes, wellenförmiges Zittern des Ge- 
bäudes. Dauer, 2—3”. (Herr Inspector Werner.) 

123. Kühschmalz, Kreis Grottkau. Der Erdstoss wurde gegen 
9 Uhr 30 Min. recht stark bemerkt. Von einer Decke fiel Putz. Ge- 
räusch vernahm ich nicht. Spaziergänger auf der Chaussee nach Klein- 
Zindel beobachteten während der Erschütterung ein rollendes Geräusch- 
(Neisser Ztg. vom 15. Juni.) 

124. Kuhnern, Kreis Striegau. Auch hier wurde eine beängsti- 
gende Erschütterung wahrgenommen. Ich stand in der Nähe eines Glas- 
schranks, als ein meinen ganzen Körper erschütterndes Summen mich 
erschreckte; zugleich klirrten die Gefässe im Schrank mehrere Sekunden 
lang. (Neisser Ztg. vom 15. Juni.) 

125. Kunitz, Kreis Liegnitz. 9 Uhr 32 Min. (sofort verglichen, 
aber nicht absolut sicher) spürte ich im 1. Stock eines massiven Hauses 
einen kurzen Seitenruck von O—W. Dauer kaum 1. Ein Schemel 
kippelte, ein grosser, an der Wand schräg aufgehängter Spiegel rückte. 
Deutliches Klirren der Fenster. Ein Geräusch wurde nicht beobachtet. 
11 Lehrer, die Nachmittags zur Conferenz da waren, hatten nichts be- 
merkt. (Herr Pastor Lie. theol. Koffmane.) 

126. Kunzendorf, Kreis Münsterberg. (Berl. Abendzitg.) 

127. Kynau, Kreis Waldenburg. Zwischen 9'/, und 9°), Uhr 
spürte ich deutlich bemerkbar eine schaukelnde Bewegung, die wohl 5 
anhielt und an Thüren, Fenstern, Ofenthüren ein deutliches Geräusch 
verursachte. Zugleich war ein Donnergeroll zu hören, das vielleicht 
noch um 2° voranging. Später Gewitter. (Herr Amtsvorsteher Genschow.) 

128. Lampersdorf, Kreis Frankenstein. (Bresl. General-Anzeiger.) 

129. Landeck, Kreis Habelschwerdt. 9 Uhr 25 Min. wurde im 
1. Stock ein Stoss (wellenförmiges Zittern) von N—S von einigen Sekunden 
Dauer gespürt. Fensterscheiben und Glasgefässe klirrten. Das Wasser 
geriet in eine Wellenbewegung. Ein donnerähnliches, dumpfes Ge- 


II. Abtheilung. Naturwissenschaftliche Section. 3 


räusch ging der Erschütterung einen Moment voraus. Der Erschütterung 
ging ein heftiger Windstoss voran. (Kais. Postamt.) 


130. — 9 Uhr 29 Min. (Bahnzeit) bemerkte ich ein von unten 
kommendes, donnerähnliches, kräftiges Rollen, dem eine zitternde Be- 
wesung des Gebäudes folgte, sodass das auf dem Tisch stehende Kaffee- 
geschirr klirrte. Richtung SW—NO. Dauer: nur wenige Secunden. 
Meine Mutter machte im Nebenzimmer dieselben Beobachtungen, (Herr 
Dr. med. Anton.) 


131. — Den heftigen Stoss begleitete ein dem Rollen des Donners 
ähnliches Geräusch und veranlasste ein Schwanken des Erdbodens, so- 
wie Klirren der Fensterscheiben und Gefässe. (Gebirgsbote, Glatz vom 
14. Juni.) 


132. — Das massive Haus erzitterte und im Glase vor mir 
stehendes Wasser geriet in starke Bewegung. In einem Haus kamen 
eine Flasche und andere auf einem Tisch stehende Gegenstände in starkes 
Wanken. (Schles. Ztg.) 


155. Landeshut. Gegen 9°/, Uhr fühlte ich auf dem Stuhle eine 
eigenthümliche Bewegung, als ob ich in der Luft hin und hergeschaukelt 
würde. Dies wiederholte sich noch einmal, aber schwächer. Dauer 
ca.4'”, Richtung W—0O. Ein Donnern folgte nach. Im Süden war heller 
Sonnenschein. Eine Dame im 1. Stock hörte plötzlich Gläser und Fenster 
klirren und gleichzeitig einen Donner. Gewitter hielten den ganzen Tag 
an. (Herr Schulamtscandidat Bartsch.) 


134. Langenbielau, Kreis Reichenbach, Einer der hiesigen 
Unterbeamten behauptet, in seiner Privatwohnung während der vorher- 
segangenen Nacht gegen Mitternacht einen recht starken Erdstoss wahr- 
genommen zu haben. | 

Es wurde ein wellenförmiges Zittern von $S. her verspürt. Dauer 
3—4", Die Erschütterung machte den Eindruck, als ob das Haus durch 
das Vorüberfahren eines sehr schweren Lastwagens über holpriges 
Strassenpflaster in seinen Grundvesten erbebte. Die irdenen Gefässe im 
Küchenschrank schlugen heftig klirrend aneinander. Ein dumpfes, pol- 
terndes Geräusch begleitete den Stoss. (Kais. Postamt.) 


135. — Ein wellenförmiges Zittern von $. her, von ca. 3° Dauer 
wurde beobachtet. Ich befand mich auf der der Perronseite entgegen- 
gesetzten Entladestrasse, als ich plötzlich ein donnerähnliches Rollen 
vernahm, als wenn ein schwerer Güterzug einfährt, dass ich im Moment 
glaubte, die Ankunft des nächsten Zuges vergessen zu haben. Der 
Lademeister war auf dem Güterboden mit Schreiben beschäftigt, als er 
ein Gerolle vernahm, als wenn die schwersten beim Transport vor 
kommenden Fahrer über den Boden geschafft würden. Unmittelbar 
hieran schloss sich eine Erschütterung von solcher Stärke, dass er mit 


38. Jahresbericht der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. 


Schreiben einhalten musste. Eine an der Wand hängende Schiefertafel 
klapperte 3‘ lang. (Stations-Vorstand.) 

136. — Wir spürten einen Stoss (vibrirend) von N—8 etwa 1—2'' 
lang. Leicht bewegliche Gegenstände schlugen zusammen, erzitterten, 
erbebten. Gleichzeitig hörten wir ein Rollen, wie das Passiren einer 
Dampfwalze. Luftstille und Gewitterschwüle herrschten. Die Inseeten 


waren auffallend unruhig. (Nixdorf II, Treiter, Fussgensdarmen.) 


137. — Um 9 Uhr 25 Min, fühlte ich zweimal dieht aufeinander- 
folgend eine wellenförmige Bewegung und Zittern von NW--SO von 
5—7' Dauer. Das Zimmer schwankte; gläserne und metallne Gegen- 
stände klirrten. Ein dumpfer, heftiger Donner, als ob eine Dampfwalze 
unterhalb des Zimmers in Thätigkeit wäre, begleitete die Erscheinungen. 
Während des Erdbebens spürte ich eine grosse, aussergewöhnliche 
Mattigkeit, wie beim Ausbruch eines furchtibaren Gewitters. Die Luft 
war drückend und schwül, stellenweise Wolkenbildung, später Gewitter. 

Am 10. Juni, Morgens zwischen 11 und 12 Uhr, glaube ich eine 
leichte Erschütterung wahrgenommen zu haben. (Herr Kiesling.) 


138. — Um 9 Uhr 32 Min, fand hier ein Erdbeben statt. Gläser 
und Vasen wackelten. Richtung S—N. (Herr Sommer.) 
139. — Um 9 Uhr 25 Min. wurde ein 2“ anhaltender Erdstoss 


verspürt. Einem deutlichen unterirdischen Rollen von S—N folgte eine 
ziemlich heftige Erschütterung. In der katholischen Schule gerieth ein 
an einer Schnur freihängendes Barometer in pendelnde Bewegung. 
Anderorts bemerkte man, dass hängende Hüte schwankten und Flaschen 
klingend zusammenschlugen. Vielfach kamen die Bewohner ängstlich 
aus den Häusern. Besonders heftig in Nieder-Langenbielau. Auch in 
der vorhergegangenen Nacht wurde hier ein schwacher Erdstoss ver- 
spürt, (Langenbielauer Anzeiger vom 12. Juni.) 


140. — In der Nacht vom 10. zum 11. Juni er. wurde ein 
schwacher Erdstoss verspürt. Am Tage darauf, um 9 Uhr 25 Min. 
wiederholte sich derselbe ziemlich heftig, sodass er allenthalben 2‘ lang 
wahrgenommen wurde. Einem unterirdischen Rollen folgte eine Er- 
schütterung. Besonders heftig war die Wirkung in Nieder-Langenbielau, 
wo Personen an die Stubenwände geschleudert wurden und Gegenstände 
an den Wänden hin und her schwankten, so dass viele Leute ängstlich 
aus den Häusern gelaufen kamen. (Hausfreund vom 15. Juni.) 


141. — Die Sonne brannte heiss hernieder, aber auch Gewitter- 
wolken standen am Himmel. Knaben, welche zum Läuten gerade auf 
dem Thurme der katholischen Kirche waren, haben daselbst ein eigen- 
thümliches Knarren und Prasseln vernommen. (Bresl. General-Anzeiger 
vom 13. Juni.) 

142. Langendorf, Kreis Neisse. (Neisser Ztg. vom 12. Juni.) 


II. Abtheilung. Naturwissenschaftliche Section. 29 


143. Langenöls, Kreis Nimptsch. Um 9'/), Uhr fand der Erd- 
stoss von SO—NW statt. Dauer wenigstens 5’. Das Geräusch ähnelte 
Kanonendonner. Manche wandten ihren Blick schnell zum Fenster, weil 
sie meinten, ein schwerer Lastwagen komme. Es war eine wellige Be- 
wegung der Dielen zu bemerken. Glassachen klirrten. — Ein Mädchen 
einzelte Mohrrüben und will eine Bewegung der Pflanzen wahrgenommen 
haben. —- Eine Frau lehnte im Fenster, als sie plötzlich tüchtig ge- 
schüttelt wurde, als sollte sie hinausfallen. In demselben Zimmer 
(2. Stock) ist die Decke gesprungen. — Meine Frau, die zu Bett lag, 
empfand ein Rütteln ihres Bettes. Der Herr Pastor stand am Schreib- 
pult, als er plötzlich hin und her schwankte. Ich und zwei Collegen 
haben in der Klasse nichts wahrgenommen. 

Ein Mann, der auf dem Felde arbeitete, will nach 10 Uhr noch 
eine zweite Erschütterung, etwas schwächer und mehr O—W wahr- 
genommen haben. (Herr Cantor Kette.) 

144, — Die Häuser bewegten sich so stark, dass unter den 
Füssen eine leichte Bewegung entstand. Auch im Freien wurde von den 
arbeitenden Leuten eine leichte Bewegung mit anhaltendem Rollen wahr- 
genommen; letzteres war bedeutend stärker, als der Donner bei einem 
nahen, starken Gewitter. (Landsmann vom 14. Juni.) 

145. Leobschütz. 9 Uhr 33 Min. spürten wir, meine Tochter 
und ich, eine Erschütterung und zwar so, dass die Stühle, auf denen 
wir sassen, 1‘ leise mit uns hin und her schaukelten, so dass wir zu 
gleicher Zeit aufsprangen. Ein Geräusch haben wir nieht wahrgenommen. 
(2. Stock eines ziemlich leicht gebauten Hauses.) (Frau Hauptmann 
Hoferichter.) 

146. Leuppusch, Kreis Grottkau. Die Häuser erzitterten und 
Fensterscheiben klirrten. (Grottkauer Ztg. vom 15. Juni.) 

147. Lichtenwalde, Kreis Habelsehwerdt. (Hausfreund vom 
15. Juni.) 

148. Lindenau, Kreis Grottkau. (Neisser Ztg. vom 12. Juni.) 

149. Löwen, Kreis Bries. Ein wellenförmiges Zittern, sowie ein 
dumpfes Rollen wurden beobachtet. (Kais. Postamt.) 

150. Lorzendorf, Kreis Ohlau. Gegen 9'/), Uhr spürte ich eine 
Erschütterung von 2—3‘ Dauer, gefolgt von dumpfem, donnerähnlichen 
Rollen. Es klang wie das plötzliche Heranfahren eines schweren Last- 
wagens von S—N bezw. SW—NO. Im Inspeetorhaus wurde die Er- 
schütterung als Schwanken und Zittern des Fussbodens und der Möbel 
wahrgenommen, In einer Bodenkammer fiel Putz von der Decke. (Herr 
Premier-Lieutenant a. D. Freiherr von Seherr-Thoss.) 

151. Maifritzdorf, Kreis Frankenstein. 9 Uhr 31 Min. (= Tele- 
sraphen-Uhrzeit von Camenz und Reichenstein) wurde der Erdstoss als 
Schlag von unten wahrgenommen. Richtung S—N, Dauer 1, höchstens 2”, 


30 - Jahresbericht der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. 


Wände, Thüren, Fenster erzitterten und klirrten (Möbel wankten nicht). 
Ein kurzes, donnerähnliches, unterirdisches Getöse (dumpfer, kurzer 
Knall, fast wie ein Schuss aus grobem, sehr schwerem Geschütz) ging 
voran. Der Himmel war heiter und wolkenlos. 25° C., Wind: SSW. 
Um 10", Uhr zeigten sich die ersten Gewitterwolken. 5—3°/, Uhr Ge- 
witter mit stärkerem Regen. (Herr Bogen.) 


152. Mangschütz, Kreis Bries. Es wurde ein wellenförmiges 
Zittern und Schwanken des Bodens mit nachfolgendem, schwachen Donner 
beobachtet. Die Thüren klapperten, freistehende Gegenstände klirrten. 
(Frl. Landsberg.) 


155. Markt-Bohrau, Kreis Strehlen. 9 Uhr 29'/, Min. nach 
richtig gehender- Postuhr wurden innerhalb 3° etwa 10 wellenartige Be- 
wegungen von O—W beobachtet. Ein Donner, wie von einem sehr 
schweren Lastwagen, ging voran. Die Erschütterung verursachte ein 
ängstliches Gefühl. Die Tochter des Postvorstehers kam leichenblass 
aus dem 1. Stock herunter, wo der Ofen gewackelt hat. Die Hühner 
auf dem Hofe thaten sehr ängstlich und versteckten sich. (Herr Post- 
verwalter Kolshorn.) 


154. Mense bei Reinerz. (Bresl. General-Anzeiger u. a.) 


155. Michelsdorf, Kreis Waldenburg. (Herr Amtsvorsteher 
Genschow zu Kynau.) 


156. Münsterberg. Im Erdgeschoss wurde kurz nach 9'/, Uhr 
ein wellenförmiges Zittern von 2‘ Dauer etwa wie von einem schweren 
Wagen durch einen auf einem Sessel sitzenden Beamten als schwaches 
Erzittern des Bodens, des Sessels und des Pultes wahrgenommen. Ein 
Geräusch wurde nicht gehört. (Kais. Postamt.) 

157, —- Der grosse Kronleuchter im Seminar schwankte. Im 
Augenblick des Erdbebens gelang es dem Seminar-Direetor nicht, den 
Drücker einer Entreethür im Schlosse herumzudrehen. (Herr Dır. 
Peucker.) 

158. — 9 Uhr 30 Min. (Bahnzeit) wurde . ein wellenförmiges 
Zittern und Rollen von NO—SW von mindestens 5‘ Dauer gespürt. 
Es war ein Schwanken des Fussbodens und der Möbel mit allem, was 
darauf war, zu bemerken. Ein donnerartiges Geräusch ging voran. Im 
Keller war es wenig zu spüren, im Parterre nur schwach, dagegen in 
den oberen Stockwerken sehr stark. (Herr Koschinski.) 

159. — 9 Uhr 30 Min. (Bahnhofsuhr nach Vergleich bald nach 
dem Erdbeben) fand das Beben statt. Münsterberg steht auf Diluvial- 
‘ boden. Eine Tiefbohrung hat ergeben bei 214,28 m über N.N.: bis 7 m 


Humus, bis 27 m Geschiebemergel, darunter eine wasserführende Sand- , 


schicht, bis 75 m Thone (grau, blau, schwarz), bis 195 m bunte Sand- 
steine, darunter Granit, 


II. Abtheilung. Naturwissenschaftliche Section. 31 


Es wurde eine wellenförmige Erschütterung wie von einem schwer 
beladenen Wagen verursacht. Richtung: S—N. Ein Bild, das an einer 
O—W-Mauer hing, wurde von der Wand abgestossen. Dauer: ins- 
sesammt 5. Unmittelbar vor der Erschütterung wurde ein Geräusch 
vernommen, das in den Gebäuden dem Rollen des Donners, im Freien 
dem Knattern fernen Geschützfeuers glich. 

Der Himmel war vor dem Erdbeben dunkel bewölkt, die Wolken 
thürmten sich gewitterartig. Temperatur stieg gegen Mittag auf 25°C. 
Barometerstand um 12°), Uhr: 756 mm. Um 2, Uhr trat ein von 
starkem Regen begleitetes Gewitter ein. (Bericht der Herren Lehrer 
Scholz, Lehrer Gierth, Apotheker Koschinski, Reetor Kassner, Lehrer 
Fischer und Redacteur Hartmann in Münsterberger Ztg. Nr. 50 vom 
22. Juni.) 

160. — Einem 3—5’‘ andauerndem Getöse, gleich entferntem 
Donnerrollen, folgte ein wellenförmiges Schwanken des Erdbodens. Bilder 
fielen von den Wänden, Gläser etc. klirrten und fielen theilweise um. 
Der Kronleuchter in der Aula des Lehrerseminars schwankte hin und 
her. Brunnenarbeiter in einem Brunnen wollen ein plötzliches Heben 
und Senken des Wasserspiegels wahrgenommen haben. In den Lager- 
räumen einer Porzellan-Handlung ist durch Bruch erheblicher Schaden 
entstanden. Im Kreiskrankenhause eilten einige Kranke erschreckt ans 
Fenster, wie überhaupt viele Leute auf die Strasse kamen. (Strehlener 
Ztg. Nr. 48.) 

161. — In unseren Druckerei- und Geschäftsräumen wurden wir 
durch ein dumpfes, unterirdisches Rollen, heftiger als es ein schwer- 
beladener Wagen verursacht, aufgeschreckt; sämmtliche Glasscheiben 
des grossen Oberlichtfensters des Setzersaales klirrten und vibrirten. 
Dauer 3°. Richtung: N—S ete. (Münsterberger Ztg. Nr. 47 vom 12. Juni.) 


162. — 9 Uhr 25 Min. Richtung: S—N etc. (Bresl. Mörgen- 
Ztg. Nr. 271.) 
163. — Der Himmel war am Vormittag des 11. Juni er. bedeckt 


und das Barometer zeigte auf „Veränderlich“. Das vor dem Erdbeben 
18° C. aufweisende Thermometer stieg gegen Mittag bis auf 25°C. 
(Münsterberger Ztg. Nr. 48 vom 15. Juni.) 

164. — Bilder und Spiegel zitterten. Bei einem Brunnenbau im 
Vorgarten des Lehrerseminars sahen die Arbeiter das Wasser steigen 
und fallen. Die Bewohner stürzten ängstlich aus den Häusern. (Lands- 
mann vom 14. Juni.) 

165. Neisse. 9 Uhr 43 Min. M. E. Z. wurde ein Schaukeln der 
oberen Stockwerke sammt Zubehör von 2—3° Dauer, begleitet von 
donnerartigem, rollendem Getöse, beobachtet. (Kais. Postamt.) 

166. — 9 Uhr 29 Min. vernahm Herr Telegraphenleitungs-Revisor 
Schmidt ein so starkes Rollen und gleichzeitig ein so auffallendes Er- 


) 


32 Jahresbericht der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. 


zittern aller im Zimmer befindlichen Gegenstände, dass er das Fenster 
öffnete, um nachzusehen, was für schwere Maschinen vielleicht per Roll- 
wagen vorbeigeschafft würden. Doch war nichts zu sehen. — Herr 
Realgymnasial-Direetor Gallien sah genau zur selben Zeit während des 
Physikunterrichts ein Wackeln verschiedener auf den Schränken stehen- 
der Apparate, Auch von anderer Seite ist das Beben mehrfach be- 
obachtet worden. (Herr Professor Rose,) 


167°. — 9 Uhr 28 Min. (nach M. E. Z.) spürte ich einen Stoss 
von ca. 2‘ Dauer. Richtung: W-—-O. Gleichzeitig war ein dumpfes 
Rollen wahrnehmbar. Ein eirca 10 Centner schwerer Geldschrank be- 
weste sich in Folge der Erschütterung. (Herr Kreiskassen - Assistent 
Wittich.) 


168. —- Es war, als sollte das Haus umgeworfen werden. Plötz- 
lich erhob sich ein Rauschen, wie wenn man sich in der Nähe eines 
Wehres befindet. Es endigte mit einem kräftigen Stoss, der die Hinter- 
front meines Hauses kräftig schüttelte. (Neisser Ztg. vom 15, Juni.) 


169. Neobschütz, Kreis Münsterberg. Das Erdbeben wurde im 
1. Stock des alten Schlosses als einmaliger dumpfer Stoss von unten 
gespürt, dem ein wellenförmiges Zittern folgte. Dauer 2—3. Das 
Zimmer war in Bewegung, aus den Ritzen der Stubendecke rieselte 
Kalkstaub heraus. Es machte den Eindruck, als wenn der im 2. Stock 
belegene Schüttboden einstürzen wollte. Das Erdbeben begann mit 
einem fernen, donnerähnlichen Geräusch, das schnell näher kam und 
dementsprechend heftiger wurde, bis ein ziemlich heftiger, dumpfer Stoss 
erfolgte, nach dem sich das Geräusch, allmählieh wieder abnehmend. 
verlor. (Herr Gutsverwalter Lange.) 

170. Neu-Altmannsdorf, Kreis Münsterberg. (Bresl. Morgen- 
Ztg. Nr. 271.) | 

171. Neudorf, Kreis Grottkau, (Grottkauer Ztg. vom 15. Juni.) 


172. Neuhof, Kreis Münsterber.. Am 12. Juni er., Abends nach 
10'/, Uhr, stürzte plötzlich das massiv gedeckte Dach der aus Fachwerk 
errichteten Scheuer des Stellenbesitzers Dempe ein. Da die Scheuer 
durchaus nicht baufällig war, liegt wohl die Vermuthung nahe, dass 
das vielleicht nicht fest genug verbundene Gesperre durch die Erd- 
erschütterung sich verschoben und auf den nördlichen Giebel so gedrückt 
hat, dass dieser nach dem Garten zu einstürzte, wodurch ein Theil des 
Gesperres sammt dem Dach zum Nachschieben kam. Die südliche Hälfte 
des Daches dürfte durch die dort aufgestapelt gewesenen Strohvorräthe 
etwas Halt gefunden haben und ist erst später vom Besitzer selbst, um 
Unglück zu verhindern, abgetragen worden, Der Einsturz ist vermuth- 
lich auf das Erdbeben zurückzuführen. (Münsterberger Ztg. Nr. 49 vom 
19, Juni.) 


479. 


II. Abtheilung. Naturwissenschaftliche Section. 33 


173. Neurode, Kreis Glatz. Um 9 Uhr 36 Min, (M.E. Z.) wurde 
im Erdgeschoss des Postgebäudes (auf rothem, porösem Sandstein) ein 
Stoss als Schlag von unten beobachtet. Richtung: ONO—WSW. 
Dauer 2“. Möbel erzitterten und die Fenster klirrten. Ein dumpfes 
Geräusch, fernem Donner gleich, ging der Erschütterung unmittelbar 
vorauf. (Kais. Postamt.) 

174, — Ich sass am Wege vom Annaberge zur Stadt auf einer 
Bank, als ich einen Knall mit rollendem Getöse — ohne Erdbewegung 
— vernahm. Eine neben mir sitzende alte Frau frug im Gebirgsdialeet: 
„Se schüsse wull?‘“ Herr Buchdruckereibesiter Krappner aus Oels, der 
gleichfalls vom Annaberg abstieg, hörte das Geräusch auch. (Herr 
Kürschnermeister Kleiner aus Oels.) 

175. — Das Erdbeben währte kaum 2“ und verursachte in den 
höheren Stockwerken der Gebäude eine geringe Erschütterung der 
Aussenwände, so dass die Fensterscheiben klirrten. Ein Geräusch wurde 
nieht wahrgenommen. (Hausfreund für Neurode vom 15. Juni.) 

176. Nielasdorf, Kreis Strehlen. 9 Uhr 23 Min. wurde eine 
starke Erderschütterung verspürt; Hängelampen pendelten. Fenster 
klirrten. Im Freien hörte man ein starkes, unterirdisches Getöse. 
(Strehlener Ztg. Nr. 48.) 

177. Nieder - Langseifersdorf, Kreis Reichenbach. 9 Uhr 
25 Min. wurde ein wellenförmiges Zittern von 5° Dauer verspürt. 
Leichte Gegenstände zitterten, schaukelten, klirrten. Hängelampen 
pendelten. In den oberen Stockwerken stärker gespürt. Gleichzeitig 
dumpfes, donnerähnliches Getöse. (Herr Kette, berittener Gensdarm.) 

173. Nieder-Peilau-Schlössel, Kreis Reichenbach. 9 Uhr 
28 Min. wurde ein wellenförmiges, eontinuirliches Zittern, gewisser- 
maassen ein Fortrollen unter den Füssen, von 8—10'' Dauer beobachtet. 
Ein donnerähnliches Geräusch, als ob ein Lastwagen über Steinpflaster 
fährt, ging voran. Zittern des Fundamentes, heftiges Rütteln der 
Stubenthür ete. (Herr Inspector Müller.) 

179. — 9 Uhr 32 Min. (schon red.? Uhr geht etwa 5’ nach!) wurde 
2—3' andauerndes Rollen, wellenförmiges Zittern, keine eigentlichen 
Stösse, verspürt von SSW—NNO. Erschütterung der Fundamente etec., 
Möbel schwanken. Gleichzeitig, eher nachfolgend, ein Geräusch, wie 
entfernter Donner, wie ein sehr schwer beladener Lastwagen in schnellem 
Tempo. 1'/, Stunden später Gewitter. (Herr Rittergutsbesitzer Rupprecht.) 

180. — Thüren sprangen auf, schwere Gegenstände, wie Schränke, 
schwankten. (Breslauer General-Anzeiger.) 

181. Nieder-Petersdorf, Kreis Falkenberg? (Neisser Ztg. vom 
15. Juni.) 

182. Nieder - Steine, Kreis Glatz. (Neisser Zeitung vom 
15. Juni.) 

1895. 3 


SP gs Jahresbericht der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. 


183. Nimptsch. 9 Uhr 29‘, Min. Telegraphenzeit wurde ein 
wellenförmiges Zittern in S—N von 4-5“ Dauer beobachtet. Brief- 
waage, Hängelampe etc. bewegten sich. Gleichzeitig ein Donner. (Kaiser- 
liches Postamt.) 


184. — Etwa um 9 Uhr 36 Min. wurde ein unterirdisches Ge- 
töse bemerkt, fast gleichzeitig erzitterte die Erde. Richtung: S—N. 
Dauer: 5° Wirkung am stärksten in Häusern an einem Abhange, 


Ferster klirren, Geschirre klappern;, Wände zittern. Im „Schwarzen 
Bär“ pendelte der Kronleuchter. Während des Bebens herrschte bei 
leicht bewegter Luft Südwind; es war gewitterschwül. (Landsmann vom 
14. Juni.) 

185. Ober-Peilau, Kreis Reichenbach. 9 Uhr 25 Min. spürte 
ich, in einem auf Fels mit 2—3 Fuss starker Bedeckung gebauten Hause 
sitzend, ein heftiges Zittern, als ob der Stuhl in allen Theilen nach- 
geben wollte. Dauer 3—4”. Bilder fielen von einer hölzernen Binde- 
wand, die Glocke einer Stehlampe fiel aus ihrem Rahmen. Ein dumpfer 
Donner ging, wie mir scheint, voran. (Herr Fussgensdarm Menzel.) 

186. — 9 Uhr 40 Min. Ein kurzes dumpfes Rollen ging voraus. 
Gläser klirren, Hängelampen pendeln; in einem Hause sprangen die 
Ihüren auf und wackelten die Schränke. (Langenbielauer Anzeiger vom 
12. Juni.) 

187. Ober-Rosen, Kreis Strehlen. Ein kurzer Seitenruck mit 
sichtbarem Wackeln des Gebäudes in SW—NO. Dauer 2—4. Ein 
dumpfes Grollen folgte. (Herr Rittergutsbesitzer von Ponzenski und 
Tenezin.) wa 

188. Ober-Tannhausen, Kreis Waldenburg. 9 Uhr 26 Min. 
(M. R.Z.?) spürte ich im 2. Stock eines massiven Hauses ein wellen- 
förmiges Zittern von etwa 3° Dauer. Ein rasselndes Donnern, wie bei 
Gebirgsgewittern, ging der schwachen Erschütterung voran. Barometer 
stand bei 440 m Höhe auf 719 mm. (Herr Fabrikbesitzer Websky.) 

189. Ober- Weistritz, Kreis Schweidnitz. Etwa 5’ vor 1,10 
vernahm ich ein ungewöhnliches, dumpfes Rollen, in Folge dessen das 
ganze Haus erzitterte. Das Rollen klang dumpf und unterirdisch und 
unterschied sich deutlich vom Donner und Wagenrollen. Am ehesten 
gleicht es dem Geräusch, das ein sehr rasch fahrender leerer Kartoffel- 
oder Kohlenwagen mit hohen Brettern verursacht, nur viel dumpfer und 
ohne Klappern und war schnell versehwunden. Erschütterung und Ge- 
räusch war gleichzeitig. Richtung: deutlich O—W. Gleichzeitig entlud 
sich auch ein Gewitter mit etwas Regen. (Herr Generallandschafts- 
Director Graf Pückler-Burghauss.) 

190. Oels. Herr Amtsgerichts-Seeretair Hilgert protokollirte im 
Schöffensaal des Amtsgerichts, Als er die Hand auf das Papier legte, 

atte er das Gefühl, als ob der Tisch sich von unten nach oben hob 


II. Abtheilung. Naturwissenschaftliche Section. 35 


und wieder senkte. Richtung: O—W bezw. SO—NW, Nur einmalige 
Bewegung. Herr Zahlmeister Hütter hörte einen Knall, dem ein rollen- 
des Getöse folgte. In Falkenberg wurde am 11. Juni c. Vorm. nicht 
geschossen. cf. Nr. 174, (Herr Kürschnermeister Kleiner.) 


191. Oelse, Kreis Striegau. 9 Uhr 36%/, Min. (red. = 9 Uhr 
32'/), Min.) spürte ich ein wellenförmiges Zittern von 15—30' Dauer, 
Riehtung: SSO—NNW, das ein langer unterirdischer Donner begleitete. 
Schreibtisch und Stuhl zitterten. Aeusserst schwüle Luft. (Herr Pastor 
Gebhardt.) 

192. Olbendorf, Kreis Strehlen. Flachwerke fielen von den 
Dächern. (Grottkauer Ztg. vom 15. Juni.) 


193. Oppeln. 9 Uhr 25 Min. spürte ich eine wellenförmige 
Schwankung des Fussbodens von W—O von 4—5“ Dauer. Ein Ge- 
räusch wurde nicht gehört. (Frau Hirsch.) 


194. Ottmachau, Kreis Grotikau. Der Thürhüter der Zucker- 
fabrik meinte, dass ein schwerer Gegenstand auf das Dach seiner Baude 
gefallen sei und eilte erschreckt ins Freie. Sogar in der Schmiede fiel 
die Erschütterung auf. Die O—W laufenden Stangen der Eisen- 
construction des Daches geriethen in hörbare Schwingungen. Richtung 
also wohl N—8. (Neisser Ztg. vom 12. Juni.) 

195. — Dauer: ca. 3“. (Hausfreund vom 15. Juni.) 


196. Patschkau, Kreis Neisse. 9 Uhr 29 Min. (sofort ver- 
glichen, aber Postuhr wird erst um 12 Uhr V. regulirt) vernahm ich 
ein gleichmässiges metallisches Donnern (das nicht leise einsetzte und 
verhallte; mit keinem Geräusch vergleichbar). In der Mitte desselben 
erfolgte der Erdstoss: ein Zittern der Erde von N—S. Dauer höchstens 1”. 
(Herr Lehrer Petzelt.) 

197. — 9 Uhr 30 Min. 2 Sec. spürte ich eine wellenförmige 
Bewegung, scheinbar von O—W von 3—4 Dauer. Gleichzeitig er- 
tönte unterirdischer Donner, wie das Rollen eines grossen Fasses. Die 
Hauswände knisterten und war ein leises Schaukeln bemerkbar. Eine 
Wanduhr blieb auf 9 h 30° 2‘ stehen. Später Gewitter. (Herr Guts- 
besitzer Mücke.) 


198. Pentsch, Kreis Strehlen. Auf dem Felde als wellenförmiges- 
Schwanken des Bodens, begleitet von dumpfem Rollen, empfunden. Von 
einem Dache fielen Flachwerke, Gläser klirrten. (Strehlener Zitg. 
Nr. 48.) 


199. Petersdorf, Kreis Hirschberg. Wir bemerkten im Zimmer 
‚ein starkes Dröhnen, das wir durch den ganzen Körper fühlten. 
Dauer 3—4’; Richtung; O—W; wellenförmig. Im Norden standen 
schwere Gewitter und donnerte es den ganzen Vormittag in der Ferne. 
Barometerstand 720 mm, (Herr Tzschaschel.) 
3# 


an Jahresbericht der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. 


200. Petersheide, Kreis Grottkau. 9 Uhr 29 Min. fühlte ich in 
der Schulstube ein starkes Heben und Senken, wohl von SW-—-NO. 
Dauer 4-—5”. Gleichzeitig hörte ich ein tiefes Donnerrollen, das sich 
nach und nach in der Ferne verlor. Der Himmel war klar. 

Die Häuser zitterten, Putz, ja Bilder fielen von den Wänden, Wiegen 
bewegten sich. Leute im Freien fühlten die Erde sich heben und senken. 
Richtung: S—N. (Herr Hauptlehrer Gebauer.) 


201. Peterswaldau, Kreis Reichenbach. 9 Uhr 25 Min. wurde 
der Erdstoss im Mitteldorf kräftig gespürt. Es war ein wellenförmiges 
Zittern von W-—-O von wenigstens 3° Dauer. Fenster klirrten. Im 
2. Stock wurden höher aufgeschichtete Garnstösse umgeworfen. Ein 
Geräusch wurde nicht wahrgenommen. (Garn-Fabrik.) 

202. — Es wurde ein Stoss als dumpfes Rollen des Donners 
oder Rasseln schweren Lastfuhrwerks beobachtet. Der Eindruck war 
beängstigend; viele Leute eilten aus den Häusern. Richtung: SW-—NO. 
Dauer 2°. (Herr Fussgensdarm Steiner II.) 

203. — Scheiben klirrten; Gegenstände schwankten; Bilder und 
Uhren schlugen gegen die Wand, (Langenbielauer Anzeiger vom 12. Juni.) 


204. Peterwitz, Kreis Frankenstein. 9 Ukr 25 Min. spürte ich 
ein wellenförmiges Zittern von S—N fast eine Minute lang. Die Möbel 
zitterten. Ein rollender Donner, als ginge im Keller eine Dampf- 
maschine, war gleichzeitig, vielleich 1‘ früher, vernehmbar. Der unter 
meinem Fenster gelegene kleine Teich brachte Wellen hervor, obwohl 
es windstill war. (Herr Rechnungsführer Nowack.) 

205, Pischkowitz, Kreis Glatz. Der Erdstoss wurde verbunden 
mit unterirdischem Rollen, sowohl im Schlosse, wo Thüren und Fenster 
klirrten, als auch im Försterhaus beobachtet; der Förster schwankte mit 
dem Stuhl hin und her und verliess eilig das erzitternde Häuschen. 
(Schles. Ztg.) 

206. Poischwitz, Kreis Jauer. Geschirre klirrten. (Schles. Ztg.) 

— Leute eilten auf die Strasse- (Hausfreund- vom 15. Juni.) 

207. Pontwitz, Kreis Oels. (Herr Kürschnermeister Kleiner aus 
Oels.) 

208. Prauss, Kreis Nimptsch. Ich vernahm etwa 9 Uhr 35 Min. 
ein starkes, schnelles Rollen von SW—-NO, als ob ein Courierzug vor- 
beiführe,. Das Bier im Glase schwankte. Die Hitze war unerträglich. 
Später Gewitter. (Herr Wichura.) 

209. — 9 Uhr 35 Min. beobachtete ich in meinem auf Fels 
stehenden Wohnhaus ein wellenförmiges Zittern von S—N. Dauer 
ca. 3“. Fussboden und Deeke schwankten, als ob darüber getanzt würde. 
Am Fenstersims bröckelten Kalkstückchen ab. Gleichzeitig ein Ge- 
räusch wie von schwerem Fuhrwerk. (Herr Majoratspächter Wittwer.) 


II. Abtheilung. Naturwissenschaftliche Section. 37 


210. Prieborn, Kreis Strehlen. Etwa 9 Uhr 35 Min. wurde ein 
Schaukeln von S oder SO her beobachtet. Dauer 2—3”. Das Haus 
(1. Stock) bebte und dröhnte. Im Parterre klapperte eine eingeklinkte 
Thür; ein Spind wankte. Ein grollender Donner ging voran und be- 
gleitete den Stoss. (Herr Pastor Horn.) 

211. Protzan, Kreis Frankenstein. Einem dumpfen Rollen von 
2‘ Dauer folste ein heftiger Stoss von unten nach oben, der Wände 
und Fenster erschütterte. Bine auf dem Schreibpult stehende Lampe 
schwankte und klirrte. Das Geräusch dauerte noch 1” nach. (Kaiser- 
liches Postamt Frankenstein.) 

212. Raudnitz, Kreis Frankenstein. (Neisser Ztg. vom 12. Juni,) 

213. Reichau, Kreis Nimptsch, Gegen 9, Uhr vernahm ich im 
Garten ein dumpfes, unterirdisches Getöse. Alles erzitterte um mich, 
Die Miethsleute kamen erschreckt aus dem Haus. Alles habe ge- 
schwankt, Dauer mehrere Secunden. (Breslauer General-Anzeiger.) 

214 — Aus dem Schornstein meines (vermietheten) Hauses sind 
2 Ziegeln nach N herausgeschleudert, die 17 Stück Flachwerk auf 
dem Dache zertrümmerten. Der von Grund an sehr gut gebaute Schorn- 
stein hat 2 Sprünge erhalten. In meinem Wohnhause hat der Stoss 
gleichfalls ein Stück Flachwerk weggerissen, auch nach N. Meine Frau 
hörte ein fürchterliches Rollen und trat sofort aus dem Haus; aber da 
war alles vorbei; denn es war so schnell wie der Blitz. (Herr Scholz.) 

215. Reichenbach. Gegen 9 Uhr 30 Min. wurde ein donner- 
ähnliches Rollen, wobei der Erdboden erzittert, als wenn Kanonen über 
schlechtes Pflaster fahren, wahrgenommen. Richtung: NW-—-SO, Dauer 
etwa 9—6”. Hrzittern des Erdbodens, Fenster klirren. Später sehr 
heftige Gewitter. (Kaiserliches Postamt.) 

216. — 9 Uhr 20 Min. wurde ein wellenförmiges Zittern von 
SO—NW von 2‘ Dauer wahrgenommen, das Zusammen- und Herunter- 
fallen von Gegenständen verursachte. Ein dumpfes Donnerrollen folgte 
nach. (Blockstation Bude 96 der Eisenbahnstrecke Reichenbach - Gna- 
denfrei.) 

217. — 9 Uhr 25--30 Min. spürte ich rollendes donnerartiges 
Getöse und Zittern der Erde, ähnlich dem Fahren eines Dampfwagens 
von kaum 5“ Dauer. Der Boden bewegte sich unter den Füssen, Glas- _ 
sachen klirrten, Hängelampen pendelten, besonders in den oberen Stock- 
werken. (Herr Gensdarm Kluge.) 

218. — Ein Zittern der Erde mit anhaltendem rollendem Donner 
in N—S- (bezw. NO- und NW-) Richtung von 4—5” Dauer wurde be- 
obachtet.. Bewegung des Erdbodens und Gläserklirren waren die Folge. 
(Herr Fussgensdarm Hoffmann V.) 

219. — Ich spürte ein 15—20‘ anhaltendes Zittern des Zimmers, 
in dem ich mich befand, sodass ich sofort aufsprang. Decke und Fuss- 


ee Jahresbericht der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. 


boden bewegten sich, eine Holzverbindungswand von 25 cm Dicke bebte 
ängstlich stark. Eine Nähmaschine erzitterte, die darauf liegenden 
Reservetheile schwirrten. In andern Häusern bewegten sich Bilder an 
der Wand und klirrten Glassachen. Das Geräusch begleitete die Er- 
schütterung. Später heftige Gewitter. (Herr Rittmeister d. L. Geelhaar.) 

220. — Im Erdgeschoss meines massiven Hauses überkam mich 
das Gefühl, als würde im Hof ein schweres Fuhrwerk bewest in N—S 
oder NW—SO-Richtung,. Der Boden zitterte unter meinen Füssen, dazu 
ein dumpf rasselndes Geräusch. Dauer 5“. (Herr Redacteur Dittrich.) 

221. — In der Oberstadt, sowie unterhalb Ernsdorf, war eine 
stärkere Erschütterung zu bemerken. In der Türkisch-Rothfärberei wurde 
ein Rollen vernommen. Fenster klirrten. Felsgestein steht in 110 m 
Tiefe an. (Herr Fleischer, mechanische Weberei.) 

222. — Ich spürte einen starken Ruck und dann ein nur ein paar 
Secunden dauerndes Zittern des Erdbodens, wie wenn ein auffallend 
schwerer Wagen auf der Strasse führe. Die Holzrahmen der Fenster 
knackten, das ganze Haus wurde in seinem Mauerwerk erschüttert. Es 
folgte ein Geräusch, wie von einer fahrenden Dampfwalze. (Herr Amts- 
richter Metzig.) 

223. — 9 Uhr 25 Min. M. E. Z. wurde ein wellenförmiges Zittern 
von S—N, genauer SSW—NNO vernehmbar: ein langstengliches Ge- 
wächs pendelte in dieser Richtung. Dauer 2—3‘. Die Südecke des 
Gymnasiums schien völlig zu schwanken. Etwa 10“ vor der Er- 
schütterung begann ein ziemlich starkes, rollendes Geräusch. Gefässe 
klirrten. (Herr Primaner Weck.) 

224. —- Heller Sonnenschein und ziemlich grosse Hitze. Gewitter- 
wolken am Himmel. Fenster ete. klirrten. Hängelampe und Bilder 
pendelten. Dauer einige Seeunden. (Langenbielauer Anzeiger vom 12, Juni.) 

225. — Die Bewohner eilten vielfach bestürzt aus den Häusern. 
Uhrschlagfedern ertönten; die Häuser erzitterten. Das an der Peile- 
brücke bei der Marx’schen Brauerei in der Niederstadt an der andern 
Uferseite stehende Haus zeigt bedeutende Sprünge, die es von der Er- 
schütterung davongetragen haben soll. (Reichenbacher Ztg. Nr. 47.) 

226. Reichenstein, Kreis Frankenstein. Eine schaukelnde Be- 
wegung von SW nach NO (oder umgekehrt) von 2—3° Dauer wurde (im 
Erdgeschoss) beobachtet. Scheiben klirrten. Wasser im Becken bewegte 
sich. Ein donnerndes Geräusch wurde gleichzeitig vernommen. (Kaiser- 
liches Postamt.) 

227. — 9 Uhr 40 Min. wurde ein etwa 4“ dauernder Erdstoss 
verspürt, Gegenstände in den Stuben schwankten. Zugleich wurde ein 
rollendes Getöse wahrgenommen, welches aus der Tiefe zu kommen, 
schien. (Hausfreund vom 15. Juni.) 

228, Reimen, Kreis Neisse. (Neisser Ztg. vom 15. Juni.) 


F,‘ 


II. Abtheilung. Naturwissenschaftliche Section. 39 


229. Reinerz, Kreis Glatz. (Breslauer General-Anzeiger u. a.) 

230. Reinschdorf, Kreis Neisse. Ein donnerähnliches Getöse 
war vernehmbar und dabei ein Schwanken der Wände. (Neisser Ztg. 
vom 15. Juni.) 

231. Reisewitz, Kreis Grottkau. Die Erschütterung war so 
stark, dass Gebäude erzitterten und Möbel in eine geräuschvolle Be- 
wegung gesetzt wurden. Dauer mehrere Secunden. (Neisser Ztg. vom 
12. Juni.) 

232. Riegersdorf, Kreis Strehlen. Kurz vor ',10 Uhr wurde 
eine heftige Erschütterung, etwa 4‘ dauernd, und von dumpfem Rollen 
begleitet, bemerkt. Von einer Stubendecke fiel Putz, bei einem Gast- 
wirth klirrten die Gläser und offene Thüren schlossen sich, sodass die 
Leute erschreckt auf die Strasse eilten. (Strehlener Ztg. Nr. 48.) 

233. Rochus bei Neisse.. 9 Uhr 27 Min. spürte ich die Er- 
sehütterung. Es war eine Wellenbewegung, als wollten sich die Seiten- 
mauern in die Luft erheben. Die Möbel knisterten und Bilder bewegten 
sich, Richtung: O—W (oder umgekehrt). Dauer 2. Ein Geräusch 
hörte ich nicht. Die Beobachtung geschah im 3. Stock unter dem Dach. 
(Herr Fieber am 17. Juni und 23. Juni.) 

234. Rogau, Kreis Falkenberg. Meine Tochter sass vorm Hause, 
als das Beben erfolgte. Kalkstückchen fielen vom Dach, sodass sie auf- 
sprang, in der Meinung, der Schornstein stürze ein. Die Art der Be- 
wegung scheint eine seitliche gewesen zu sein. Ein eigenthümliches 
dumpfes Rollen ging voraus. Es herrschte grosse Schwüle. (Herr Lehrer 
Schönbrunn.) 

235. Rosen, Kreis Strehlen. Gläser fielen vom Tisch beim Gast- 
wirth Herford. (Strehlener Ztg. Nr. 48.) 

236. Rothenbach bei Gottesberg, Kreis Waldenburg. 9 Uhr 
23 Min. M. E.Z. hörten wir im Zimmer ein Klirren und Wackeln. 
Das Geschirr schlug aneinander, dass wir glaubten, es müsse entzwei 
gehen. Die Möbel wackelten hin und her. Richtung: S—N. Dauer 
2—3”. Auf dem Turnplatz wackelten die Geräthe. (Herr Hauptlehrer 
Walter.) 

237. Rothsürben, Kreis Strehlen. Das Geräusch wurde als 
donnerähnliches Rollen gehört. Eine Erschütterung wurde nicht gespürt. 
(Herr Hildebrand, Bahnhofswirth.) 

238. Rummelsberg, Kreis Strehlen. Ein Stoss mit nachfolgendem 
donnerähnlichem, dumpfem Rollen wurde verspürt. Dauer zusammen 
etwa 10”. Der Rummelsbergthurm wurde bis in seine Grundmauern 
erschüttert. Später zahlreiche Gewitter. (Herr Restaurateur Deutsch- 
mann.) : 
239. Rungendorf, Kreis Schweidnitz. Hier wurden die Stösse 
stärker als in Frauenhain (vgl. Nr. 48) verspürt. Einem starken 


% 


ANEe Jahresbericht der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. 


Donner folgte eine Erschütterung. Mit Klirren, Rasseln und Dröhnen 
endete das Phänomen. Gesammtdauer etwa 3°, Eine Familie verliess 
bestürzt ihr Haus. Ein Stoss wurde schon um 4 Uhr Morgens be- 
obachtet, Himmel klar. (Herr Lehrer Zebulla.) 

240. Sacrau, Kreis Strehlen. Um 9, Uhr begann es im OÖ 
dumpf zu donnern und ich verspürte eine schwankende Bewegung unter 
mir. Die Regentropfen fielen von den Baumästen auf einmal herab, 
ohne dass Wind war. (Münsterberger Ztg. Nr. 48 vom 15. Juni.) 

241. Salzbrunn, Kreis Waldenburg. 9 Uhr 20 Min. spürte ich 
zweimal, unmittelbar nacheinander, ein wellenförmiges Zittern von 
NNO—SSW von etwa 5 Dauer. Das Haus erbebte in allen seinen 
Fugen, im Zimmer klirrte Alles. Ich selbst hatte die Empfindung wie 
von einem sehr starken elektrischen Strom. Ein klirrendes Rasseln, als 
wenn ein ganz schwer beladener Lastwagen im rasenden Tempo den 
Berg hinabfahre, begleitete die Erschütterungen. Später Gewitter. Die 
Luft war bleischwer. (Herr Badedireetor Manser.) 

242. — 9 Uhr 28—29 Min. spürte ich etwa 8—10 Bewegungen 
des Sessels, auf dem ich sass, nach rechts und links. Richtung: NO bis 
SW (oder umgekehrt). Dauer 2—3“. Ein sausendes Donnern begleitete 
die Erschütterung und hielt einen Moment länger an. In einem andern 
Hause knackten die Schränke heftig. Es war heiteres, warmes Wetter. 
(Herr Kretschmer.) 

243. — Gilassachen klirrten, ein Spiegel bewegte sich. (Herr 
Major a. D. Furbach). 

244. Schlaupitz, Kreis Grottkau. (Breslauer General-Anzeiger.) 

245. Schmelzdorf, Kreis Neisse. 9 Uhr 27 Min. wurde ein 
ziemlich starker Erdstoss verspürt. Dauer einige Secunden. Ein dumpf- 
rollendes, donnerähnliches Geräusch begleitete ihn. Eine schwere Haus- 
thür hob und senkte sich, die Häuser erzitterten. Richtung: SW—NO. 
Drückende Schwüle. Später Gewitter. (Breslauer Morgen-Ztg. Nr. 271.) 

246. Schmiedeberg, Kreis Hirschberg. In der Teppichfabrik, 
wie in einem Privathause, wurde 9 Uhr 50 Min. ein schwaches Be- 
wegen und Klirren leichterer Gegenstände wahrgenommen. Es war nur 
eine Bewegung, die von einem Geräusch begleitet wurde. Auf dem 
Bahnhofe wurde nichts gespürt. (Stations-Vorstand.) 

247. Schobergrund, Kreis Nimptsch. Ein Hausgiebel hat Risse 
erhalten. (Herr: Bäckermeister Richter aus Diersdorf.) 

248. Schönheide, Kreis Frankenstein. Der Postagent hat eine 
geradezu wellenförmige Bewegung der Diele und seines Stuhles wahr- 
genommen. Richtung: N-S. Es folgte ein dumpfes Rollen von 10—15‘' 
Dauer. (Kaiserl. Postamt Frankenstein.) 

249. Schönwalde, Kreis Frankenstein. Richtung: O—W; Dauer 
9—6'. (Kaiserl, Postamt Frankenstein.) 


. II. Abtheilung. Naturwissenschaftliche Section. 41 


250. Schräbsdorf, Kreis Frankenstein. Dauer 4—6”. Die 
Stärke war so gross, dass sich Gegenstände der Tischlerwerkstatt, in der 
der Postagent sich gerade befand, bewegten. (Kaiserl. Postamt Franken- 
stein.) 

251. Schreibendorf, Kreis Strehlen. (Oberschlesischer Anzeiger 
vom 13. Juni.) 

252. Schreiberhau, Kreis Hirschberg, 9 Uhr 25 Min. spürte 
ich ein wellenförmiges Zittern mit Seitenbewegung, Richtung: W—O (?), 
von wenigen Secunden Dauer. Ein leises Dröhnen ging scheinbar vor- 
aus. Ich habe schon mehrfach Erdbeben an der Riviera, Corfu ete. mit- 
erlebt. (Herr Kammerherr Freiherr von Ende.) 

2535. Schweidnitz. Zwischen 9 Uhr 32 Min. und 9 Uhr 35 Min. 
(= etwa 9 Uhr 27—30 Min. Telegraphenzeit) wurde im III. Stock ein 
wellenförmiges Zittern von SO—NW von ca. 3—4‘' Dauer, begleitet 
von einem Geräusch, als wenn ein schwer beladener Wagen über das 
Strassenpflaster fährt, wahrgenommen. Scheiben klirrten. (Kaiserliches 
Postamt.) 

254. — 9 Uhr 32 Min. (= 9 Uhr 27 Min. Telegraphenzeit) ver- 
nahm meine Tochter ein eigenthümliches Geräusch, als wenn unten eine 
Nähmaschine ginge. Eine Erschütterung beubachtete sie nicht. 

In einem Hause zitterten die Wände der oberen Stockwerke und 
das 2° anhaltende Getöse war derart, als ob eine Batterie die Strasse 
im Trab entlang führe. (Herr Stadtrath Juncker in der Schweidnitzer 
„Läglichen Rundschau.‘) 

255. Seherrsau, Kreis Reichenbach. 9 Uhr 25 Min. verspürte 
ich im unteren Stockwerk ein wellenförmiges Zittern, das wohl über 
5“ andauerte. Die Richtung weiss ich nicht anzugeben, da sich alles 
wie im Kreise drehte. Die Erschütterung wirkte ängstlich auf die Ge- 
müther. Scheiben etc. klirrten. Ein donnerähnliches Rollen ging un- 
mittelbar voran. Sonnenschein mit etwas Wolkenbedeckung. (Herr 
Liehr.) 

256. Silberberg, Kreis Frankenstein. Etwa 9 Uhr 26 Min. 
wurde ein wellenförmiges Zittern von SO—NW von 3—4‘' Dauer be- 
obachtet. Ein Schrecken aller Beobachter war die Folge. Das Ge- 
räusch war eiwa so, wie es ein vorüberfahrender Eisenbahnzug ver- 
ursacht. Vereinzelt ist ein Knall am Ende der Erschütterung wahr- 
senommen worden. Etwa 1 Stunde vorher will eine hiesige Frau eine 
schwächere Erschütterung gespürt haben. (Kaiserl. Postamt.) 


257, — Ein Erdstoss, verbunden mit unterirdischem Rollen, wurde 
_ vielfach beobachtet. (Breslauer General-Anzeiger.) 
258. — Richtung: SO—NW. (Bresl. Morgen-Ztg. Nr. 271.) 


259. Sonnenberg, Kreis Falkenberg. Ein heftiger Stoss von 
S—N, so dass das Haus erbebte, begleitet und gefolgt von dumpfem 


42 Jahresbericht der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. 


Rollen, wurde gespürt. Dauer 1‘. (Herr Wirthschaftsbeamter Kremse 
und Herr Amtssecretair Pisarski.) 

260. Sorgau, Kreis Waldenburg. Etwa 9 Uhr 15 Min. wurde 
ein leichtes Zittern verspürt. In einem Schrank fielen 2 Gläser um; 
die Fensterscheiben klirrten. Ein leises Rasseln ward dazu vernommen. 
(Kaiserl. Postamt.) 

261. — Frühestens 9 Uhr 30 Min. wurde ein $Stoss verspürt. 
Die Bewegung war schütternd von einer Seite zur andern, als wenn 
eine schwere Walze auf der Strasse fährt, aber viel stärker. Rich- 
tung: SO—NW. Dauer 10“. Hörte plötzlich auf. Das 1. Stockwerk 
zitterte, ein Schrank bebte tüchtig. Geschirr klirrte. Gleichzeitig ver- 
nahm ich ein unterirdisches, rollendes Dröhnen. (Herr Machner.) 

262. Stachau, Kreis Nimptsch. Zwischen 9 Uhr 25 und 9 Uhr 
30 Min. spürte ich auf freiem Felde eine heftig rüttelnde Bewegung mit 
vielleicht 5—6 Schwingungen von O—W; Dauer 3—5“”. Ein Donner- 
rollen, ähnlich dem Geräusch einer sehr heftigen Explosion oder 
Sprengung, ging voran. Es nahm zu und schien näher zu kommen. 
Nach dem stärksten Rollen, beim Ausklingen desselben, erfolgte die Er- 
schütterung. Ich stand still, mir zitterten die Kniee, die Arbeiter in 
Bewegung empfanden dies weniger. Meine Frau meinte, der Balkon 
stürze ein, so dass sie schnell in’s Freie trat und einen neben ihr sitzen- 
den Knaben gleich mitnahm, um ihn in Sicherheit zu bringen. Im 
1. Stock fiel ein Buch vom Bord. Die Hausmädchen eilten erschreckt 
aus dem Hause. Der Kutscher glaubte, der Stall stürze ein. Schnelles 
Steigen des Lufttemperatur zwischen 8 und. 10 Uhr Vorm. Später Ge- 
witter; Fallen des Barometers. (Herr von Stegmannstein.) 

263. Stein, Kreis Nimptsch. Ein wellenförmiges Zittern in S—N- 
Richtung, von kurzer Dauer. Ein Rasseln, wie von einem ausser- 
gewöhnlich schnell fahrenden Wagen, begleitete es. Mein Nachbar, wie 
auch ich selbst, gingen ins Freie, den Wagen zu sehen. (Herr 
Lehrer Bosem.) | 

264. Steinkunzendorf, Kreis Reichenbach. - In den Silberberg- 
werken ist nichts gespürt. Im Uebrigen vgl. Nr. 202. (Herr Fuss- 
sensdarm Steiner 11.) 

265. Stolz, Kreis Frankenstein. Der Postagent hat die ca. 6—8“ 
andauernden Schwankungen sehr deutlich wahrgenommen. Richtung: 
SSO—NNW. Eine der Kirchenglocken schlug an. (Kaiserl. Postamt 
Frankenstein.) | 

266. Strehlen. 9 Uhr 32 Min. wurde zu ebener Erde im Post- 
. gebäude ein wellenförmiges Zittern von SW—NO von 3—4' Dauer be- 


obachtet. Das untere Mauerwerk erzitterte. Ein Getöse, wie entfernt | 


verhallender Donner begleitete das Beben. Später Gewitter. (Kaiserl. 
Postamt.) 


5 


II. Abtheilung. Naturwissenschaftliche Section. 43 


267. — 9 Uhr 29 Min. wurde ein langer Stoss als wellenförmiges 
Schaukeln von SW—NO von 5—4‘' Dauer gespürt. Es war, als wäre 
im unteren Stockwerk eine Mauer eingefallen, der Fussboden nachgäbe 
und man das Gleichgewicht verloren. Ein donnerähnliches Rollen be- 
gleitete die Erschülterung und folgte noch nach. Eine an der Wand be- 
festigte Klingel bewegte sich von der Erschütterung und ertönte beim 
Stoss. Schon am Tage vorher hatte sie einmal gezittert, ohne anzu- 
schlagen. (Stations-Vorstand.) 

268. — 9 Uhr 28 Min. spürte ich 5 Stösse, der erste war der 
stärkste, der. 2. und 3. folgten schneller hintereinander und schwächten 
sich nacheinander ab. Es waren Schläge von unten. Der erste dauerte 
1”, die beiden anderen zusammen 1'/,. Richtung: S—N. Der Ein- 
druck war beängstigend, so dass ich ins Freie eilte. Im Gebäude ver- 
spürte ich summendes Klirren, im Freien wurde donnerähnliches Getöse 
wahrgenommen, das den Erdstössen folgte. 

Am 11. Juni 6 Uhr V. regnete es, nachdem der 10. Juni sehr 
heiss gewesen war, dann greller Sonnenschein, drückende Schwüle mit 
Gewitterwolken. (Herr Kaufmann Gärtner.) 

269. — 9 Uhr 47'/, Min. Bahnzeit (?) spürte ich ein wellen- 
förmiges Heben und Senken von SSO—NNW von 2—3’' Dauer, Ich 
hatte dabei das Gefühl von Unsicherstehen. Ein unter einander grollen- 
des Getöse, wie von mehreren entfernt fahrenden Lastwagen folgte un- 
mittelbar und hielt etwa 1‘ an. Darauf folste kurzer entfernter Donner 
ringsum von oben. Im 2. Stock war der Stoss so stark, dass 
meine Frau unwillkürlich sich festhielt bezw. nach festem Halt griff, ein 
Stehspiegel umfiel und eine verschlossene Thür 5 Mal in kurzen Tönen 
ächzte. (Herr Säbisch.) 

270. — 9 Uhr 31 Min. beobachtete ich im Freien ein wellen- 
förmiges Zittern in S—N von 5° Dauer. Ich fühlte ein sehr un- 
angenehmes Schwingen des Trommelfells.. Ruckweise polternder Donner 
ging voran. Gläser klirrten. (Herr Apotheker Schneider.) 

271. — Himmel bedeckt, windstill. Kurz vor 9 Uhr 30 Min. 
hörte ich von S her einen dumpfrollenden Donner, der anschwoll und 
dann nach N verhallte.e Ehe es noch ganz verhallt ist, spürte ich 
zweimal ein wellenförmises Heben und Senken des Pflasters in den 
Knieen. Es war, als ob ich in einem schwankenden Kahne stände. Die 
Tauben kamen eilig aus ihren Schlägen heraus und umkreisten, als sei 
ein Raubvogel unter sie gefahren, die Schläge 2—3 Mal. Geräusch und 
Erschütterung war so, wie bei schwerem Geschützfeuer. — Geradezu 
‚unheimlich ist es in der stark und fest gebauten Zuckerfabrik gewesen, 
Die mehrere hundert Centner schweren Koch- und Verdampfapparate 
schienen hin und her zu schwanken, die festen Tribünen, auf denen sie 
stehen, bewegten sich, der Putz fiel von den Wänden, in denen die 


44 Jahresbericht der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. 


Balken eingelagert sind, im Dache knirschte und kreischte es, die Rohre 
klapperten. Die Leute bekamen den Eindruck, als wollte das Haus 
zusammenstürzen und eilten in’s Freie. Der Steuerbeamte wäre fast 
von seinem Stuhle, der sich unter ihm bewegte, herunter gefallen. In 
der Schmiede fingen an der Wand lehnende Eisenstangen und Rohre an 
zu klirren. Dauer etwa 3°. (Herr Vier, Director der Zuckerfabrik.) 

272. — Fenster etc. klirren, Wände zittern, Uhrfedern erklangen. 
In einer Klasse fiel ein Stoss Bücher vom Katheder. Vielfach ist Putz 
von den: Decken gesprungen. Die Steinbrucharbeiter fühlten deutlich 
das Gestein wanken. Die Erregung in der Stadt war gross. Richtung: 
S—N. Dauer 5“. (Strehlener Ztg. Nr. 48.) 


273. — Bilder und Vasen fielen in vielen Häusern zu Boden. 
(Neisser Zig, vom 12. Juni.) 

274. — Dauer 7, Schränke wackelten, Uhren blieben stehen. 
(Hausfreund vom 15. Juni.) 

275. — Richtung: S—N, Dauer 2‘. Ein unterirdisches Rollen 


ging voran. Häuser in ihren Grundfesten erschüttert, leicht beweg- 

liche Sachen fielen zu Boden. Die Leute eilten entsetzt auf die Strasse. 

Aus dem Kreise kommt die Nachricht, dass mehrere alte Baulichkeiten 

eingestürzt seien. (Landmann vom 14. Juni.) 

276. Striegau, In einem Laden klirrten Flaschen, dazu ein ferner 
Donner mit Erschütterung des Erdbodens. In einem anderen Hause 
wankte ein Pult. (Herr Direetor Dr. Kroll.) 

277. — Dumpfes, unterirdisches Geräusch, Fensterklirren, Wellen- 
bewegung des Fussbodens in Folge zweier Stösse etc. Dauer 2“. 
(Strehlener Ztg. Nr. 48.) 

278. Striege, Kreis Strehlen. 9 Uhr 25 Min. wurde eine lang- 
same Hebung und Senkung des Fussbodens nach einem Schlage von 
unten in der Richtung S—N von 5° Dauer beobachtet. Fensterklirren. 
Die Personen sprangen erschrocken auf. Ein dumpfes unterirdisches 
Donnerrollen ging vorauf. Ebenso im Freien beobachtet. (Herr Lehrer 
Rüffler.) io; 

279. Striegendorf, Kreis Grottkau. (Neisser Ztg. vom 15. Juni.) 
280. Tannhausen, Kreis Waldenburg. (Hausfreund vom 15. Juni.) 
281. Tepliwoda, Kreis Münsterberg. 9 Uhr 27 Min. wurden 

(im 1. und 2. Stock) 4—5 stossartige schaukelnde Bewegungen von 

O—W wahrnehmbar. Dauer 4. Der Stuhl, auf dem ich sass, machte 

eine schaukelnde Bewegung, verbunden mit fühlbaren Stössen von unten. 

Die Zimmerdecken knisterten, Scheiben ete. klirrten, Schlagfedern der 

Uhren tönten, Hängelampen pendelten. Die Erschütterung war er- 

heblieh stärker, als wenn ein Dampfmotor etc. dicht am Hause vorbei-, 

fährt. Ein dumpfes, donnerähnliches Geräusch, das von O kam, ging 
voraus und verzog sich nach den Stössen nach W. Ein Bierglas fiel in 


I. Abtheilung. Naturwissenschaftliche Section. 45 


der Brauerei vom Gesims. Im Dorfe wurde der Kachelaufsatz eines 
Ofens vom gemauerten Theil abgetrennt. Witterung schwül. (Herr 
Güterinspeetor und Amtsvorsteher Kuhn.) 

232. Tillowitz, Kreis Falkenberg. Mehrere Stösse in ganz kurzen 
Zwischenräumen wurden gespürt. Die Bewegungen waren ein Heben 
und Senken, sodass es mir vorkam, als bewegte sich ein Theil des Ge- 
bäudes, wodurch ein schwerer Bücherschrank und ein Sopha schaukelten 
und eine Thür langsam zurückging. Gleichzeitig vernahm ich ein 
Dröhnen. (Herr Heisig, Diener.) 

283. Troppau, Oesterr.-Schlesien. (Schlesische Ztg.) 

284. Waldenburg. 9 Uhr 34‘), Min. (= 9 Uhr 28'/, Min bis 
9 Uhr 29), Min. Telegraphenzeit) wurde in der Porzellanfabrik ein 
wellenförmiges Zittern von S—N beobachtet. Dauer 2—3”. Zittern 
der Arbeitstische und Klappern der Geschirre. Die Porzellanmaler 
mussten ihre Arbeit einstellen. Ein dumpfes, donnerähnliches Rollen 
begleitete das Beben und folgte nach. (Kaiserl. Postamt.) 

2855. — 9 Uhr 28 Min. 35 Sec. M.E.Z, spürte ich einen rollen- 
den Stoss von S—N. Das Fenster klirrte leise. Dauer 3—4“, (Herr 
Kaufmann Bock.) 

286. Wansen, Kreis Ohlau. Ein wellenförmiges Zittern von 
SW—NO wurde gespürt. Dauer 1—3”. Ein dumpfes unterirdisches 
Geräusch, dem Rollen eines schweren Lastwagens vergleichbar, ertönte 
dazu. (Kaiserl. Postamt.) 

287. — Gegen 10 Uhr hörte man ein dumpfes, unterirdisches 

Rollen von 2° Dauer. Gleichzeitig erzitterten die Häuser. Fenster 
klirrten. Bewegliche Gegenstände wackelten. Erschreckt eilten die 
Leute aus den Häusern. (Breslauer Ztg.) 

283. Warmbrunn, Kreis Hirschberg. (Schlesische Ztg.) 

289. Warkotsch, Kreis Strehlen. Es wurde ein heftiger Schlag 
von oben in der Richtung S—N verspürt und prasselte es darauf, als wenn 
Mauerwerk in sich zusammenfiele. Dauer wenige Secunden. Auf- 
geschüttete Coakes fielen zusammen; eine englische Drehrolle schien sich 
zu schieben. Der Gärtner, Wein am Spalier anbindend, fiel fast herunter. 
(Frau von Schiekfus.) | 

290. Wartha, Kreis Frankenstein. Gegen 9 Uhr 30 Min, wurde‘ 
ein Erdstoss, verbunden mit dumpfem Rollen, beobachtet. Dauer 3—4', 
Das Rollen glich dem Donner eines entfernten Eisenbahnzuges oder 
eines Gebirgsgewitters. Die Erschütterung ist besonders in den oberen 
Stockwerken gespürt. Später Gewitter. (Kaiser. Postamt.) 

291. — Glassachen klirrten, Schränke schwankten. (Gebirgs- 
bote, Glatz, vom 14. Juni.) 

292. ei selndort; Kreis Reichenbach, lobersenksischet Anzeiger, 
Ratibor vom 13, Juni), 


Ah Jahresbericht der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. 


293. Weigwitz, Kreis Ohlau. Es wurde nur ein donnerähn- 
liches Rollen vernommen. (Herr Bahnhofsgastwirth Hildebrand aus 
Rothsürben.) 

294. Weisswasser, Oesterr. - Schlesien. (Herr Bogen in Mai- 
fritzdorf.) 

295. Dom. Wierischau, Kreis Schweidnitz. 9 Uhr 28 Min. 
spürte ich ein wellenförmiges Zittern von S—N. Dauer 3—5”. Die 
Möbel zitterten. Ein unterirdisches Donnern begleitete das Beben. 
(Herr Gutspächter Zschiesche.) 

296. Wiesenthal, Kreis Strehlen. Die Uhren blieben beim Uhr- 
macher stehen. (Herr Dr. Peucker.) 

297. Woisselsdorf, Kreis Grottkau. (Hausfreund vom 15. Juni.) 

298. Wölfelsgrund, Kreis Habelschwerdt. (Hausfreund vom 
15. Juni.) 

299. Wolmsdorf, Kreis Habelschwerdt. Ein Theil der Tropf- 
steinhöhlen soll verschüttet sein. (Frau Rittergutspächterin Speer.) 

300. Wüstegiersdorf, Kreis Waldenburg. Gegen 9’, Uhr 
wurde ein Stoss von W—O von 3” Dauer gespürt, der im oberen 
Stock als kurzer Seitenruck erschien, im unteren als Stoss von unten. 
Ein Knall ging voran. (Kaiser). Postamt auf Grund des Berichtes des 
Herrn Vikar Knappe.) 

801. Wüstewaltersdorf, Kreis Waldenburg. 9 Uhr 29 Min. 
wurde ein wellenförmiges Zittern von N—S von 2—3' Dauer gespürt. 
In einigen Häusern fiel Putz von der Decke. Ein dumpfes Rollen be- 
gann vorher. Später starkes Gewitter. (Kaiserl. Postamt.) 

302. — 9 Uhr 26 Min. wurde ein wellenförmiges Zittern von 
S—N von 2—3‘ Dauer gespürt. Gläser klirren, hängende Gegenstände 
schwanken. Perpendikel stehender Uhren geriethen in Schwankung. 
Ein dumpfes Rollen, ähnlich dem Geräusch eines schnell fahrenden Last- 
wagens, wahr zugleich hörbar. Später ziemlich schweres Gewitter 
(Kaiserl. Postamt Waldenburg.) Ha 

303. — Möbel schwankten hin und her, die Gewichte der Thurm- 
uhr schlugen zusammen. Leute eilten bestürzt aus den Häusern. (Haus- 
freund vom 15. Juni.) 

304. Zadel, Kreis Frankenstein. (Stations-Vorstand.) 

305. Zaunitz, Kreis Grottkau. (Breslauer General-Anzeiger.) 

306. Zesselwitz, Kreis Münsterberg. Gegen 9'/, Uhr vernahm 
ich ein Rollen, gleich dem eines schwer beladenen Wagens in schneller 
Gangart. Eine Nätherin wurde auf ihrem Stuhl in schwankende Be- 
wegung versetzt; Gläser, Scheiben etc. klirrten. Richtung O—W, 
Dauer 2—3“. In Folge des Stosses ist seit Mittwoch Mittag (12. Juni e.), 
ein 60° tiefer Brunnen leer und enthält nur noch ein wenig Schmutz- 
wasser. (Herr Guts-Verwalter Fellmann.) 


II. Abtheilung. Naturwissenschaftliche Section. 47 


(NB. Dasselbe berichtet Herr Dr. Peucker, sowie dass das Wasser 
nach einigen Tagen sich wiederfand.) 

307. Zindel, Kreis Brieg. Scheiben klirren. (Herr Pastor 
Löschke.) 

308. Zobten, Kreis Schweidnitz. 9 Uhr 30 Min. (— Telegraphen- 
zeit Breslau) wurde ein Stoss, dem ein deutlich hörbares, donnerähn- 
liches unterirdisches Rollen folgte, in der Riehtung SW—-NO von 5—6” 
Dauer gespürt. Fensterklirren. (Kaiserl. Postamt.) 

3809. Zülzlost, Kreis Grottkau. (Herr Redacteur Neugebauer in 
Grottkau.) 


Nachtras. 


Nachträglich gingen uns noch durch die Güte des Kgl. Regierungs- 
präsidenten Herrn Dr, von Heydebrand und der Lasa die folgenden 
Berichte der Herren Landräthe zu. 

Dieselben konnten leider nur noch ihrem wesentlichsten Inhalte nach 
wiedergegeben werden, 

Ortschaften, von denen schon Berichte vorlagen, sind mit einem * 
bezeichnet. 


Kreis Strehlen!) und Reichenbach. (Kgl. Landrathsamt.) 

310. Arnsdorf. 9 Uhr 15 Min. Gleichzeitig mit dem Stoss er- 
tönte knatternder Donner. Dauer 1!/,“. Eine Klingel schlug heftig an. 
(Guts-Vorstand.) 

311. Bärzdorf. 9 Uhr 30 Min. Dauer 1‘. Erschütterung und 
Geräusch gleichzeitig. Nach Meldung aus Plohmühle (Nr. 379) fiel im 
Schulzimmer Kalk von der Decke. (Gemeinde-Vorstand.) 

312. Birkkretscham. 9 Uhr 35 Min. Richtung SW-—NO. 
Dauer 2'/,”. (Gemeinde-Vorstand.) 

313. Campen. Vor 9 Uhr 30 Min. Richtung S—N. Dauer 2‘, 
Geräusch folgte nach. (Gemeinde-Vorstand.) 

814. Creutzburg. (Guts-Vorstand.) 

*315. Crummendorf. (Gemeinde-Vorstand.) 

"316. — 9 Uhr 30 Min. Richtung S—N. Dauer 3“. Ein bedeu- 
tendes Stück Putz fiel von der Treppenwand ab. Geräusch begann vor 
der Erschütterung und folgte noch nach. (Guts-Vorstand.) 

317. Dätzdorf. 9 Uhr 30 Min. Richtung NW—S0O. Dauer 
1— 2”. Geräusch ging voran. (Gemeinde-Vorstand.) 

318. Danchwitz. Richtung O—W. Dauer °/,‘ Ein °®/,‘ an- 
haltendes, starkes, dumpfes Heulen folgte nach. (Guts-Vorstand.) 

319. — (Gemeinde-Vorstand.) 


) Wo nicht anders angegeben, liegen die Orte im Kreise Strehlen. 


As: Jahresbericht der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. 


320, Deutsch-Jägel. 9 Uhr 30 Min. Richtung W—0O. Dauer 
ein paar “. Beben und Rasseln gleichzeitig. (Gemeinde-Vorstand.) 

321. — 9 Uhr. Richtung W-—-O. Dauer einige “. Schaukeln 
und Donner gleichzeitig. (Guts-Vorstand.) 

322. Deutsch-Tsehammendorf. 9 Uhr 30 Min. Richtung S—N. 
Dauer einige “. Ein rollendes Getöse ging voran. Einige verspürten 
ein unheimliches Gefühl. (Gemeinde-Vorstand.) 

”323. Dobergast. 9 Uhr 30 Min. 2 lange Stösse mit wellen- 
förmigem Zittern. Dauer 2—3”. Richtung S—N. Geräusch folgte. 
Tauben flogen erschreckt vom Schlage auf; der Stubenhund sing unruhig 
umher. (Guts- und Gemeinde-Vorstand.) 

324. Eisenberg. Richtung S—N. (Guts-Vorstand.) 

325. — (Gemeinde-Vorstand.) 

326. Friedersdorf. 9 Uhr 33 Min. Richtung S—N. Dauer 
einen Augenblick. Bruchsteinwände bekamen Risse, Putz fiel von den 
Wänden. Ofen wankte bedenklich. Wasserkannen stürzten zur Erde. 
Vor dem Schaukeln hörte man ein Donnerrollen. (Orts-Vorstand.) 

327. Gambitz. 9 Uhr 30 Min. Richtung S—N oder N—S. Dauer 
5‘. Mehrere Kalkstücke fielen vom Dach. Dem wellenförmigen Schaukeln 
und Heben ging Donner voran. (Gemeinde-Vorstand.) 

328. Geppersdorf. Eine Frau eilte erschrocken ins Freie. (Guts- 
Vorstand.) 


329. — (Gemeinde-Vorstand.) 

3350. Glambach. (Gemeinde-Vorstand.) 

331. — (Guts- Vorstand.) 

332. Grossburg. 9Uhr 50Min. Ein Rasseln folgte. (Guts-Vorstand.) 
333. — (Gemeinde-Vorstand.) 


334. Gurtsch. 9 Uhr 25 Min. Starker Ruck in S—N. Dauer 1". 
Kleine Kalkstücke fielen vom Dache des Schulhauses. Sitzenden Personen 
war es, als ob ihnen der Stuhl mit Gewalt weggezogen würde. Ein 
ee Rollen ging voraus und begleitete den Stoss. (Gemeinde- 
Vorstand.) 

335. Habendorf. 9 Uhr 30 Min. Richtung S—N. Dauer 2“. 
Flachwerkstücke fielen von den Dächern, Putz von den Wänden. Der 
Stoss war besonders stark da, wo unten Wasseradern etc. sich befinden. 
Das Gras erzitterte. Ein unterirdisches Donnern ging voran. (Orts- 
Vorstand.) 

#336, Hussinetz. 9 Uhr 30 Min. Richtung S—N. Dauer 3—4. 
Ein Knall, dem anhaltendes, starkes, gleiehmässiges Rollen folgte, folgte 
nach. (Gemeinde-Vorstand.) 

337. Jäschkittel. (Herr Lehrer Steinert.) 

338. Karisch. 9 Uhr 20 Min. Richtung SO—NW. Dauer au. 
Rollen ging voran. (Gemeinde-Vorsteher.) 


a 


H. Abtheilung. Naturwissenschaftliche Section. 49 


339. — Gleichlautend, nur: Dauer 3. (Guts-Vorstand.) 

340. Katschwitz. (Guts-Vorstand Siebenhufen.) 

341. Krain. (Guts-Vorstand.) 

342. Krippitz. Richtung N—S. Dauer einige “. Ein Geräusch, 
als ob ein Wagen über eine Brücke fährt, folgte. (Gemeinde- Vorstand.) 

343. — 9 Uhr 15—30 Min. Richtung S—N. Dauer einige ”. 
Klingeln schlugen an. Gleichzeitig ein Geräusch, als ob ein Wagen schnell 
über eine Brücke fährt. (Guts-Vorstand,) 

344. Klein-Güttmannsdorf, Kreis Reichenbach. Starke Er- 
schütternng. (Herr Kreisschulinspector Tamm, Vorsitzender des Eulen- 
gebirgsvereins.) | 

345, Klein-Lauden. 9 Uhr 20 Min. Seitenruck von S—N. 
Dauer 5“. Ein dumpfes, unterirdisches Rollen begleitete den Stoss. 
(Gemeinde-Vorstand.) 

346. Kunsdorf, Kreis Nimptsch. Eingeschichtetes Holz fiel ein, 
so dass der Wächter aus dem Holzstall retirirte. (Herr Bäckermeister 
Richter aus Diersdorf.) | 

347. Kuschlau. 9 Uhr 15 Min. Seitlicher Stoss von W—O 
Dauer 1—2'. Eine dumpfe Detonation war gleichzeitig. Aus einem 
Schlage kamen die Tauben in Menge eiligst heraus. (Gemeinde-Vorstand.) 

348. Lorenzberg. 9 Uhr 30 Min. Richtung S—N. Dauer 4“, 
Ein donnerähnliches Geräusch ging voran. (Gemeinde- u. Guts-Vorstand.) 

349. Louisdorf. Richtung SW—-NO, von Rollen begleitet. Von 
einem Dache bröckelte Kalk ab. (Gemeinde-Vorstand.) 

350. — -9 Uhr 30 Min. Richtung S—N. Ein Rollen ging dem 
Krach voran. (Guts-Vorstand.) 

*351. Markt-Bohrau. 9 Uhr 30 Min. 5—7 Stösse. in NO—SW 
von 3—4‘' Dauer. (Gemeinde-Vorstand.) 


352. Mehltheuer. 9 Uhr 15 Min. Schwanken in NW—SO. 
Dauer 2“. Krachen im Dach. Gleichzeitig ein Donner. (Guts-Vorstand.) 

353. Mittel-Schreibendorf. Ein paar Min. nach 9 Uhr. Rich- 
tung W—0O. Dauer 4“. Ein komisches Getöse, ähnlich entferntem 
Donner, wurde verspürt. (Gemeinde-Vorstand.) 

354. — (Guts-Vorstand.) 

355. Mückendorf. 9 Uhr 30 Min. Richtung SO—NW. Dauer 3”. 
(Gemeinde-Vorstand.) 

356. — ca. 9 Uhr. Etwas Putz fiel von den Wänden. (Guts- 
Vorstand.) 

*357. Nielasdorf. Vor 9 Uhr 30 Min. Kurzer Seitenruck, dem 
ein Rasseln vorausging. Der Ofen schwankte. (Guts-Vorstand.) 


358. — Dauer 1’. (Gemeinde-Vorstand.) 
359. — Dauer 1‘. Richtung SO—NW,. (Guts-Vorstand.) 
189. 4 


IF 


50 Jahresbericht der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. 


360. Nieder-Arnsdorf. 9 Uhr 30 Min. Richtung W—O. Dauer 
2“ (ohne Geräusch). Ein donnerähnliches Getöse ging voran. (Gemeinde- 
Vorstand.) 

361. Nieder-Rosen. (Gemeinde-Vorstand.) 

362. Nieder-Schreibendorf. 9 Uhr. Richtung W—O. (Ge- 
meinde-Vorstand.) 

363. — 9 Uhr 15 Min. Dauer 5‘. (Guts-Vorstand.) 

364. Ober-Arnsdorf. 9 Uhr 30 Min. Heftiger Schlag von O—W. 
Dauer ein kleiner Augenblick. Ein Rollen ging voran. (Gemeinde- 
Vorstand.) 

365. Ober-Ecke. 9 Uhr 28 Min. 2 Stösse von S—N, Dauer 4°, 
Geräusch fing vorher an und folgte noch nach. (Gemeinde-Vorstand.) 

*366. Ober-Peilau, Kreis Reichenbach. Vom Schulhaus fiel Putz 
ab. (Herr Kreisschulinspector Tamm in Reichenbach.) 


#367. Ober-Rosen. 9 Uhr 30 Min. Seitenruck von SW—-NO, 
dem ein dumpfer Donner folgte. (Guts-Vorstand.) 

368. — (Gemeinde-Vorstand.) 

369. Ober-Schreibendorf£e Richtung W-—-O. (Gemeinde- 
Vorstand.) 

370. — Dauer 2. (Guts-Vorstand.) 


*371. Olbendorf. 9 Uhr 30 Min. Wellenförmiges Zittern mit 
kurzem, erschütterndem Seitenruck. Richtung SO—NW. Dauer 2—3‘. 
Flachwerke sind von den Dächern und Putz von den Wänden gefallen. 
Ein Rasseln mit donnerähnlichem Ruck. (Gemeinde- und Guts-Vorstand.) 

372. Ottwitz. Etwa 9 Uhr 25 Min. Von dumpfem Getöse be- 
gleitet. (Guts-Vorstand.) 

373. — (Gemeinde-Vorstand.) 

*374. Pentsch. 3 Stösse mit fast je 1” Zwischenraum, Ein 
wellenförmiges Heben ‘von SW—NO. Dauer zusammen 2—3”. Ein 
hohles Rollen ging voran. (Gemeinde-Vorstand.) 

375. Peterwitz. Dauer 1’. (Gemeinde-Vorstand.) 

376. Petrigau. 9 Uhr 35 Min. Richtung S—N. Dauer 2—3“. 
Donnerähnliches Rollen ging voran. (Gemeinde-Vorstand.) 

377. — 9 Uhr 30 Min. Schaukeln mit wellenförmisem Zittern 
von S—N. Dauer ein paar “. Gleichzeitig ein Windstoss, wie bei 
bei einem beginnenden Gewitter. (Guts-Vorstand.) 

378. Plohe. 2 Stösse von S—N. Dauer 2—3'. Das Geräusch 
folgte. (Gemeinde-Vorstand.) 

379. Plohmühle, Schaukeln von SW—NO. Dauer 3“. Ich 
hörte ein Donnerrollen in grosser Entfernung. Das Rollen kam rasch 
näher, ich merkte aber bald, dass es kein Gewitterdonner sein konnte. 
Dazu war es von viel zu grosser Gleichartigkeit, besonders in der 


Ze 


Il. Abtheilung. Naturwissenschaftliche Section. 51 


Stärke und Richtung. Es wollte mir auch nicht ganz klar werden, ob 
das Geräusch aus dem Innern der Erde kam, eben so wenig schien es 
mir aber auch in höherer Luftschicht zu sein. Dazu spürte ich ein merk- 
würdiges Gefühl, fast wie Uebelkeit. (Guts-Vorstand.) 

380. — Dauer 1‘. (Guts-Vorstand.) 


381. Podiebrad. 9 Uhr 30 Min. Kurzer Seitenruck von SO—NW. 
Dauer 2“ Ein donnerähnliches Geräusch vor und nach der Erschütte- 
rung. Stehende, zum Schwindel neigende Personen bekamen einen kleinen 
Schwindelanfall. (Gemeinde-Vorstände von Ober-, Mittel-, Nieder-Podie- 
brad und Mehltheuer.) 


382, Pogarth. 9 Uhr 30 Min. Richtung S—N. Dauer einige 
Secunden. Dachziegel und Wandmörtel fielen herab, Wände bekamen 
Risse. Donnerartiges Rollen ging voran. (Guts- und Gemeinde-Vor- 
stand.) 

383. Polnisch-Jägel.e Nach 9 Uhr 15 Min. Schaukeln von 
W-—0. Dauer 2—3‘. Ein donnerähnliches Geräusch ging voran. (Ge- 
meinde-Vorstand.) 


384. Polnisch - Tsechammendorf. 9 Uhr 25 Min. Richtung 
SW—NO. Dauer 3‘. Donnerartiges Rollen folgte nach. (Gemeinde- 
Vorstand.) 

885. — 9 Uhr 30 Min. Dauer !/,‘. (Guts-Vorstand,) 

*386. Prieborn. 9 Uhr 30 Min. Richtung NW—SO. Dauer 2“. 
Rasseln ging voran. (Gemeinde-Vorstand.) 

387. — 9 Uhr 34 Min. Richtung S—N. Dauer 2—3‘. Voll- 
ständiges Schwanken aller Gegenstände, leichtere fielen sogar um. 
Donnerähnliches Rollen unmittelbar vor dem Stosse. (Guts-Vorstand.) 


#388. Riegersdorf. 9 Uhr 45 Min. Dauer 9—12‘. Uhren 
blieben stehen. (Orts-Vorstand.) | 


389. Ruppersdorf. 9 Uhr 25-—30 Min. Richtung N—S. Dauer 
3—4'. Das Geräusch war ein Knall. (Gemeinde-Vorstand.) 

390. — (Guts-Vorstand.) 

391. Saegen. 9 Uhr 30 Min. Richtung SO—NW. Dauer 5%. 
Ein rollendes Geräusch ging voran. (Gemeinde-Vorstand.) 


392. Sehönbrunn. 9 Uhr 30 Min. Es war zuerst ein Stoss von 
unten, der mich etwas in die Höhe hob, darauf ein starkes, sichtliches 
Zittern der Erde, dass ich mich unwillkürlich an die Erde hielt. Der 
Stoss dauerte doppelt so lange, wie 1, 2; das Zittern von 3—6. Das 
Ganze also so lange, wie man gewöhnlich von 1—6 zählt. Ein donner- 
ähnliches Rollen war vor dem Stoss zu hören und dauerte länger als der 
Stoss selbst. Ende der achtziger Jahre war schon ein Erdbeben, damals 
mehr wellenförmig und nicht so stark und in N—S-Richtung. (Ge- 
meinde-Vorstand.) 

A® 


Jahresbericht der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. 


[577 


on 


393. Schweinbraten. 9 Uhr 26 Min. Wellenförmiges Rollen 
von N—S. Dauer 3—5°. (Gemeinde-Vorstand.) 

394. Siebenhufen. 9 Uhr 30 Min. Richtung W—0O. Dauer 8“, 
Geräusch folgte. (Guts-Vorstand.) 

395. Steinkirche. 9Uhr 15—30 Min. Schaukelnde Bewegung von 
SO—NW. Dauer 2—3‘. Geräusch gleichzeitig. (Gemeinde-Vorstand.) 

396. Stosehendorf, Kreis Reichenbach. (Herr Kreisschulinspeetor 
Tamm aus Reichenbach.) 

*397. Strehlen. Zwei kurze Stösse, zuerst ein Gerassel mit einem 
stärkeren Stoss am Schluss und kurz darauf ein schwächerer Erdstoss. 
Es war ein Schlag von unten. Richtung S—N. Dauer wenige Secunden. 
Von einer meterhohen Schicht gefüllter Cigarrenkisten fielen die oberen 
drei nach N. zu herab. Im Schulhaus II sind Risse an den Decken 
entstanden. Thüren sprangen auf. (Masgistrat.) 

#398. Striege. 9 Uhr 25 Min. Richtung S—N. Dauer 5“. Ein 
unterirdischer Donner ging voran. (Gemeinde-Vorstand.) 

399. Töppendorf. 9 Uhr 30 Min. Drei bogenartige Seitenrucke 
von SO—NW. Dauer 4”. Eine Hobelbank wurde 3 Zoll (= 7,5 em) 
von der Wand weggerückt. Ein Rollen, Rasseln ging voran. Ein 
kleiner Windstoss. Tauben flogen aus dem Schlag, eine Ziege im Stalle 
losgerissen und kam in den Hof hinausgesprungen. (Gemeinde - Vor- 
stand.) 

400. Tschanschwitz. 9 Uhr 15—30 Min. Richtung S—N. 
Dauer 3—4. Beim Stellenbesitzer Werner ist der Schornstein ein- 
gefallen. Ein dumpfes Rollen, als ob ein Wagen über eine Brücke fährt, 
folgte. (Gemeinde-Vorstand.) 

401. — 9 Uhr 30 Min, Richtung S—N. Dauer einige Secunden. 
Geräusch und Erschüttierung gleichzeitig. (Guts-Vorstand.) 

402. Türpitz. 9 Uhr 28 Min. Postzeit.e. Richtung SW-—-NO, 
Dauer 5“. Wanduhren blieben stehen. Ein unterirdisches Donner- 
rollen ging voran. (Gemeinde-Vorstand.) 

403. Türpitz-Wilme. (Guts-Vorstand.) 

404. Unter-Schreibendorf. Schwankung von O—W. (Ge- 
meinde-Vorstand.) 

405. Wammelwitz. 9 Uhr 30 Min. Schaukeln. (Gemeinde- 
Vorstand.) 

406. Wammen. (Gemeinde-Vorstand.) 

#407. Warkotsch. Schaukeln. Dauer wenige Secunden. Ge- 
räuseh ging voraus. (Guts-Vorstand.) 

408. — 9 Uhr 30 Min. Dauer höchstens 1‘. Erdstoss mit unter- 
irdischem Getöse verbunden, (Guts-Vorstand.) 

409. — (Gemeinde-Vorstand.) 


II. Abtheilung. Naturwissenschaftliche Section. 53 


Kreis Nimptsch (Kgl. Landrathsamt). 


410. Dürr-Brokuth. Richtung SO—NW. Gleichzeitig ein Rasseln. 
(Guts-Vorstand.) 

411. — Dauer 1’. Verschiedene Gegenstände Den sich. 
(Orts-Vorstand.) 

412. Nass-Brokuth. Richtung SW—NO. Dauer 3. Leichtere 
Gegenstände bewegen sich, Donner voran. Schwüle. (Orts-Vorstand,) 

*413. Diersdorf. Getöse, als wenn ein Wagen über eine Brücke 
fährt. (Orts-Vorstand.) 

414. Klein-Ellguth. Richtung S—N. Nur ein Rasseln, keine 
Schwankung. (Orts-Vorstand.) 

415. Gaumitz. Dauer 3“. Gleichzeitig Donnerrollen. (Guts- 
Vorstand.) 

416, — Rollen folgte. (Orts-Vorstand.) 


*417. Gollschau cfr. No. 63. Beamtenwohnung und Pferdestall 
mussten nach dem Urtheil Sachverständiger sofort geräumt werden. Das 
Gewölbe des Pferdestalles steht auf 4 gemauerten Pfeilern. Darüber ist 
die Beamtenwohnung. Die hintersten 2 Pfeiler sind fast vollständig 
geknickt und daher hat die ganze Wohnung Risse und kolossale Sprünge 
bekommen. Das Gewölbe muss abgetragen und neu gewölbt und die 
ganze Wohnung neu hergerichtet werden. (Guts-Vorstand.) 

418. — Richtung S—N. Dauer 3”. Gleichzeitig grollender 
Donner. (Orts-Vorstand.) 

419. Gorkau. Dauer 3—4”, Fussboden zittert, Fenster klirren. 
(Guts-Vorstand.) 

420. — Dauer 4—5”. Richtung S—N. Gleichzeitig donnerähn- 
liches Rollen. Fensterklirren. (Orts-Vorstand.) 

421. Grögersdorf. Dauer 2“ Richtung SW—NO. Donner 
eher und gleichzeitig. Gläser :klirren und zittern. (Orts-Vorstand.) 

422. Grunau, (Orts-Vorstand Naselwitz.) 

425. Dürr-Hartau. Donnerartiges Rollen von unten und wellen- 
förmiges Zittern von SW-—NO. Dauer 2-—-3.. Gläser klirren und 
zittern. Donner eher und gleichzeitig. (Orts-Vorstand.) 

#424. Heidersdorf. Richtung S—N. Dauer 5“. Geräusch ging 
vor. (Guts- und Orts-Vorstand.) 

425. Jakobsdorf. Richtung SW—NO. Dauer 3—4“, Ein 
Rasseln, dann ein kurzer Knall ging dem wellenförmigen Zittern voran. 
(Guts- und Orts-Vorstand.) 

426. Klein-Jeseritz. Ein Stoss von 1” Dauer, dem ein Rollen 
voranging. (Orts-Vorstand.) 

427. Kiein-Johnsdorf. Schwaches Zittern. Richtung N—S. 
Dauer 2--3”. (Guts-Vorstand.) | 


Sa. Jahresbericht der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. 


428. — Wellenförmiges Zittern von SW-—-NO. Dauer 3—4° 
Gleichzeitig ein donnerähnliches Rollen. (Orts-Vorstand.) 

429. Kaltenhaus. 1 Stoss von SW—NO. Dauer 5—6“. Gleich- 
zeitig ein unterirdisches, dumpfes Getöse. (Orts-Vorstand.) 

430. Karlsdorf. Schwach. (Guts- und Orts-Vorstand.) 

431. Karschau. Richtung S—N. Dauer 4—5”. Gleichzeitig 
donnerähnliches Rollen. (Orts-Vorstand.) 

432. Gross-Kniegnitz. Eine schaukelnde Bewegung von W—O. 
Dauer einige Augenblicke. Ein Donner ging voran. (Orts-Vorstand.) 

433. Kosemitz. 2—3 Schläge von unten mit Schaukeln und 
Zittern. Richtung O—W. Dauer 5‘ bis 1‘. Gleichzeitig donnerartiges 
Getöse. (Guts-Vorstand.) 

434. — 3 Stösse von O—W. (Orts-Vorstand.) 

435. Kuhnau. (Orts-Vorstand Naselwitz.) 

*436. Kunsdorf. 1 Stoss von unten in SO—NW - Richtung. 
Dauer 5. Gleichzeitig ein Donner. (Guts-Vorstand.) 

437. — Geräusch war, als ob ein Wagen über eine Brücke fährt. 
(Orts-Vorstand.) 

438. Kurtwitz. Richtung W—O. Dauer 4—5”. Unterirdisches 
Rollen folgt. (Guts- und Orts-Vorstand.) 

*439. Langenöls. Mehrere Stösse von SW—NO. Dauer einige 
Secunden. Donnerähnliches Rollen gleichzeitig. (Orts-Vorstand.) 

440. Leipitz - Sadewitz,. 9 Uhr 25 Min. Richtung O—W. 
Dauer '/,‘. Donnerartiges Rollen gleichzeitig. (Guts-Vorstand.) 

441. Leipitz. 9 Uhr 25 Min. 1 Schlag von unten in Gebäuden, im 
Freien mehr als wellenförmiges Zittern gespürt. Richtung W—0O. Dauer 
1— 2”. Leichte Gegenstände fallen um, Bilder etc. fallen von der Wand. 
Vorher ein donnerartiges Rollen. (Orts-Vorstand.) 

442. Mallschau. Richtung S—N. Dauer 3—4. Gleichzeitig 
donnerartiges Rollen, (Guts-Vorstand.) | 

443. — Richtung SW—NO. Dauer 3—5”. (Orts-Vorstand.) 

444, Mlietsch. Ein wellenförmiges Rollen von W—O. Dauer 2“. 
Geräusch und Erschütterung gleichzeitig. (Orts-Vorstand.) 

445. Naselwitz. Zittern von einigen Secunden Dauer. (Orts- 
Vorstand.) | 

446, Roth-Neudorf. Wände wankten. (Guts-Vorstand.) 

447. — 1 Schlag von unten (in Gebäuden) und wellenförmiges 
Zittern (im Freien) von W—O. Dauer 1—2“. Bilder, Spiegel ete. fielen 
von der Wand, leichtere Gegenstände fielen um. Voran ging ein donner- 
artiges Rollen. (Orts-Vorstand.) 

448, Pangel, Eine wellenförmige Bewegung, der ein Rollen 
folgte, (Guts-Vorstand.) 


II. Abtheilung. Naturwissenschaftliche Section. 55 


449. Ober-Panthenau. Nur ein lang anhaltendes, donnerartiges 
Getöse von SO—NW gehört. (Guts-Vorstand.) 

450. — Ein Stoss. Richtung O—W. Dauer 2—3”. Donner 
ging voran. (Orts-Vorstand.) 

451. Petersdorf. Richtung W—O. Dauer 1'/,“. Donner gleich- 
zeitig. (Guts-Vorstand.) 

452. — Dasselbe berichtet der Orts-Vorstand. 

453. Petrikau. Ein rollendes Geräusch folgte dem wellenförmigen 
Zittern. (Guts- und Orts-Vorstand.) 

454, Plottnitz. (Orts-Vorstand Silbitz.) 

455. Poppelwitz. Richtung S—N. Dauer 4—5, Gleichzeitig 
Donner. (Orts-Vorstand.) 

456. Poseritz. Stärkere Erschütterung von SW—NO, Donner Du 
(Guts- und Orts-Vorstand.) 

#457. Prauss. Mehrere, schnell aufeinander tolkende wellen- 
förmige Erzitterungen von 3—4’ Dauer, denen ein Donner folgte. Putz 
fiel von den Wänden, Sprünge zeigten sich in denselben, (Amts-Vor- 
steher.) 

458. — Richtung S—N. Dauer 4—5”, (Orts-Vorstand.) 

459. Pristram, Rasseln von S—N. (Guts-Vorstand.) 

460. — Richtung WSW-—-ONO. (Orts-Vorstand.) 

461. Pudigau. Richtung SW—-NO. Dauer 4—5”, Donner vor 
und gleichzeitig. (Orts-Vorstand.) 

462. Quanzendorf. Starkes Rumpeln von 10‘ Dauer, begleitet 
von Donner. (Guts-Vorstand.) 

463. — 3 Schläge von unten mit je '/),‘ Zwischenraum, die mich 
förmlich in die Höhe hoben, dann wellenförmiges Zittern. Richtung Sl, 
Dauer 2”, Vorher Donner. (Orts-Vorstand.) 

464, Ranchwitz. Richtung S—N. Dauer 5—5‘. Gleichzeitig 
donnerähnliches Rollen. (Guts-Vorstand.) 

465. — Richtung SW—-NO, sonst gleichlautend. (Orts-Vorstand. 

#466. Reichau. 3 Stösse von N—$S von 3° Dauer. Vorher 
donnerähnliches Rollen. (Guts- und Orts-Vorstand.) 

467. Rothschloss. Richtung SO—NW. Dauer 4—6”. Schränke 
schwanken, Vorher donnerartiges Rollen. Gleichzeitig ein Wirbelwind. 
(Guts-Vorstand.) 

468. — Schlag von unten. Dauer 2—3‘. Donner gleichzeitig, 
(Orts-Vorstand.) 

469. Rudelsdorf. Richtung W—O. Dauer 2—2'),‘. Geräusch 
und Erschütterung gleichzeitig. Gegenstände schaukeln. (Guts-Vorstand.) 

470, — Dauer 2“, sonst gleich. (Orts-Vorstand.) 


1 Se Jahresbericht der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. 


471. Ruschkowitz. Richtung SSW—NNO. Dauer 5“. Rasseln 
gleichzeitig und nach, an Stärke erst zu-, dann wieder abnehmend. (Guts- 
Vorstand.) 

472. — Richtung S—N. Dauer 6. Rasseln gleichzeitig. (Orts- 
Vorstand.) 

473. Sadewitz. 9 Uhr 25 Min. Ein Schlag von unten und 
wellenförmiges Zittern. Richtung W—O. Dauer 2“. Donnerartiges 
Rollen ging voran. Leichte Gegenstände fallen um, Bilder ete. von der 
Wand herab. (Orts-Vorstand.) 

474. Senitz. Richtung S—-N. Dauer 5“. Bewegung hängender 
Gegenstände. Donnerndes Geräusch voran. (Orts-Vorstand.) 

475. Siegroth. Richtung SW—NO. Dauer 3—4‘. Hängende 
Gegenstände bewegen sich. Gleichzeitig ein Rasseln. (Guts-Vorstand.) 

476. Schmitzdorf. (Orts-Vorstand Silbitz.) 

477. — Richtung SW—NO. Dauer 3—4“. Zusammenfallen von 
Holz- und Steinhaufen. Gleichzeitig ein Rasseln, darauf kurzer Knall. 
(Orts-Vorstand.) 

478. Silbitz. Starker Schlag von unten. Richtung S—N. Dauer 1. 
Dumpfer Donner folgt. (Orts-Vorstand.) 

*479. Stachau. Schlag von unten (in Gebäuden), wellenförmiges 
Zittern (im Freien). Richtung W—O. Dauer 1—2‘. Bilder etc. falien 
von der Wand, leichtere Gegenstände stürzen um. Donnerartiges Rollen 
vorher. (Orts-Vorstand.) 

*480. Stein. (Guts-Vorstand.) 

*481. — (Orts-Vorstand.) 

482. Strachau. (Orts-Vorstand Naselwitz.) 

483. Thomitz. Schaukeln SW—NO. Geräusch gleichzeitig. 
(Orts -Vorstand.) 

484. Tiefensee. 2 oder 3 Stösse. Dauer '/,‘. (Guts-Vorstand.) 

485. — Nur ein Stoss. Richtung SW—NO. Alles zitterte und 
klirrte. Geräusch gleichzeitig. (Orts-Vorstand) 

486. Gross-Tinz. Dauer 2—3“. Richtung O—W. Gefässe 
klirrten. (Orts-Vorstand.) 

487. Trebnig. Ein wellenförmiges Zittern. Richtung W—0O. 
Dauer ca. 2. Aufgehängte Gegenstände ie sich. Geräusch 
gleichzeitig. (Guts-Vorstand.) 


488. — Richtung W—O. Dauer 1—1!/,*. (Orts org 
489. Vogelgesang. (Guts-Vorstand.) 
490. — (Orts-Vorstand.) 


491. Wättrisch. Schaukelnde Bewegung. Richtung W--0. 
Dauer ca. 2“. Leichte Gegenstände schaukelten. Geräusch gleichzeitig. , 
(Guts-Vorstand.) 

492. — Desgl. (Orts-Vorstand.) 


II. Abtheilung. Naturwissenschaftliche Section. 57 


493. Weinberg. Nur Geräusch wahrgenommen. (Orts-Vorstand.) 

494. Gross-Wilkau. Schaukeln. Richtung SW—-NO. Dauer 
3—5'. Erzittern des Bodens. Geräusch vorher. (Guts-Vorstand.) 

495. — Fenster klirrten, Möbel rückten. (Orts-Vorstand.) 

49. Wilschkowitz. (Orts-Vorstand Naselwitz.) 

497. Woirlowitz. (Guts- und Orts-Vorstand.) 

498. Wonnwitz. (Oris-Vorstand Silbitz.) 

499. Zülzendorf. °/,9 Uhr. (!) Richtung SO—NW. Dauer 
5—6“. Rollendes Geräusch gleichzeitig. (Orts-Vorstand.) 

500. Hochwald. (Guts-Vorstand.) 


Kreis Breslau (Kgl. Landrathsamt). 

501. Damsdorf. Wellenförmiges Zittern. Dauer ca. 10“. Fenster- 
klirren. Rasseln gleichzeitig. 

802. Prisselwitz. Drei Stösse in Zwischenzeit von 2—3‘; 
schaukelnd. Richtung S—N. (Leichte) Gegenstände bewegten sich. Ge- 
räusch ging voran. Zeit. 10%, Uhr. (?) 

503. Bogsehütz. Richtung S—N. Dauer 2”. Rasseln gleich- 
zeitig. 

504. Koberwitz. Wellenförmiges Zittern. Dauer 2—3‘. Appa- 
rate schwankten. Geräusch gleichzeitig. 


Kreis Brieg (Kgl. Landrathsamt). 
505. Mollwitz. Wellenförmig. Richtung SO—NW. Dauer 2 
bis 3. Haus erschüttert, Bücherregal knarrte und schwankte; Geräusch 
vorher. 


#506. Frankenstein. Wellenförmiges Zittern. Dauer 2—3”. 
Schaukeln des Kreishauses und Fensterklirren. Geräusch gleichzeitig. 
(Kgl. Landrathsamt.) 

*507. Glatz. Richtung NO—SW oder O—W. Dauer 1—3”, 
meist 2‘ angegeben. Schränke wackelten. Geräusch vorher oder gleich- 
zeitig. (Kgl. Landrathsamt.) 

#508. Habelschwerdt. 9 Uhr 31 Min. Einmaliges Schaukeln 
von NO—SW. Dauer 2”. Rasseln vor und nach. (Kgl. Landrathsamt.) 


Kreis Neumarkt und Ohlau (Kgl. Landrathsamt). 


509. Lorzendorf. Haus erzitterte; Fenster klirrten. Geräusch 
voran. (Orts-Vorstand.) 

510. Fürstenau. Donnerähnliches Rollen, Richtung SW-—-NO. 
Dauer ca. 12—15. (Amts-Vorsteher.) 

5ll. Knichwitz, Kr. Ohlau. 9 Uhr 30 Min. Normalzeit. Ein 
schaukelnder Stoss von S—N mit geringer Abweichung nach W—O von 


58 Jahresbericht der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. 


ca. 2°‘ Dauer. Flachwerke fielen von einem altgedeckten Hause. Das 
donnerähnliche Geräusch ging voran. (Amts-Vorsteher.) 

512. Bischwitz, Kr. Ohlau. 9 Uhr 30 Min. (= Wansener Post 
und Tel. Z) Auf Lehmboden einmaliges wellenförmiges Zittern von 
W-—-O0. Dauer 3—4‘. Haus erzitterte. Donnerähnliches Rollen gleich- 
zeitig. (Gensdarm Rothe.) 


Kreis Schweidnitz (Kgl. Landrathsamt). 


513. Altenburg. Einmaliges wellenförmiges Zittern von geringer 
Stärke; rollendes Geräusch gleichzeitig. (Orts-Vorstand.) 

5l4. Würben. Einmaliges wellenförmiges Zittern von 5—6“ 
Dauer. Fenster klirrten. Schulkinder wurden im Schreiben gestört. 
(Orts-Vorstand.) 

*515. Zobten a.B. Schwaches Erzittern des Bodens 5—6‘ lang. 
Gefässe klirrten.. Unterirdisches Rollen gleichzeitig. In der vorher- 
gehenden Nacht wurde ein merkliches Schwanken von mehreren Secunden 
wahrgenommen. (Magistrat.) 

516. Zobtenbergforst. Einmaliges schwaches Zittern nach NW. 
Rollen gleichzeitig. (Guts-Vorstand.) 

517. Klein-Bielau. (Orts-Vorstand.) 

518. Breitenhain. Wellenförmiges Zittern. Dauer 2—3”. Rich- 
tung W—0O. Gebäude erschüttert, Bewegung fester Gegenstände. Donner- 
ähnliches Rasseln vorher. (Orts-Vorstand.) 

519. Hohgiersdorf. Ein kurzer Seitenruck. Dauer 5”. Donner 
gleichzeitig. (Orts-Vorstand.) | 

520. Goglau. Nachmittags 6—7 Uhr Wiederholung. (Orts- 
Vorstand.) 

521. Gohlitseh. Zittern der Thüren 10—15‘ lang. Vorher 
Rasseln von W—0O. (Orts-Vorstand.) 

522. Kgl. Gräditz. 9 Uhr 30 Min. (= 9 Uhr 35 Min. Tel.) Auf 
Fels eine schaukelförmige Bewegung. Richtung SO—NW. Dauer 2%, 
Klirren. Geräusch folgte. (Orts-Vorstand.) 

523. Ingramsdorf. Wellenförmiges Zittern, südliche Richtung; 
dumpfes Rollen gleichzeitig. (Orts-Vorstand.) 

524. Rothkirschdorf. (Orts-Vorstand.) 

525. Klettendorf. Ein kurzer Seitenruck. Richtung S—N. 
Dauer 2—3°. Geräusch gleichzeitig. (Orts-Vorstand.) 

526. Leutmannsdorf. 9 Uhr 33 Min. Leises Zittern, höchstens 
1” von SW. Donnerähnliches Geräusch gleichzeitig. (Orts-Vorstand.) 

527. Michelsdorf. (Orts-Vorstand.) 

528. Ohmsdorf, Dauer 2—3”, Nur Geräusch wahrnehmbar. 
(Orts-Vorstand.) 


II. Abtheilung. Naturwissenschaftliche Section. 59 


529. Queitsch. Wellenförmiges Zittern; gleichzeitig Rollen wie 
Dampfwalze. (Orts-Vorstand.) 

530. Schlesierthal. Wellenförmiges Zittern. Richtung W—O, 
Dauer 2—3”. Geräusch folgte. (Orts-Vorstand.) 

531. Schmellwitz. Kurzer Seitenruck. Dauer 2—3‘. Donner 
gleichzeitig und nach. (Orts-Vorstand.) 

532. Seifersdorf. (Orts-Vorstand.) 

533. Klein-Silsterwitz. Nur donnerähnliches Rollen in südlicher 
Richtung 4—5’” bemerkt. (Orts-Vorstand.) 

534. Striegelmühle. Desgleichen. (Orts-Vorstand.) 

555. Tampadel. Nur Getöse von W—O wahrgenommen. (Orts- 
Vorstand.) 

556. Tarnau. Wellenförmiges Zittern nach S, dumpfes Rollen 
gleichzeitig. (Orts-Vorstand.) 

537. Teichenau. (Orts-Vorstand.) 

538. Tschechen. Wellenförmiges Zittern. Richtung W—0. 
Dauer 2“. Fensterklirren. Donnerähnliches Geräusch gleichzeitig. (Guts- 
und Orts-Vorstand.) 

539. Ober-Weistritz. Nur donnerähnliches Geräusch von 3 
bis 4 bemerkt. (Orts-Vorstand.) 

540. Gross-Wierau. Seitenruck in zwei Stössen mit 1° Zwischen- 
raum. Dauer ca. 3% Richtung S—N. Mauerwerk erschüttert. 
Dumpfdröhnender Donner vor bis nachher. Dauer 10—12“, (Herr 
Reinhard Lammel.) 

541. — Uebereinstimmend. (Orts-Vorstand.) 


#542, Striegau. 9 Uhr 28 Min. fast genau M.-E. Z. Ein hebender 
Stoss. Richtung W—O, Dauer 2—3‘, Flaschen klirrten. Dumpf- 
donnerndes Geräusch vorher. (Herr Landrath v. Klitzing.) 


Kreis Waldenburg (Kgl. Landrathsamt). 

*543. Charlottenbrunn. Zittern des Erdbodens. Dauer 2—5”. 
Dumpfes Rollen gleichzeitig. 

544, Dittmannsdorf. Geräusch folgte nach, 

*545, Kynau. Wellenförmiges Schaukeln. Geräusch vorher. 

#546. Ober-Salzbrunn. Mehrere kurz aufeinanderfolgende Stösse. 
Richtung O—W. Kalk bröckelte ab. 

947. Rudolfswaldau. Zwei Stösse. 

*548. Tannhausen. Ein Stoss.. Richtung SW—NO. Fenster- 
klirren. 

*549, Wüstewaltersdorf. Zittern. Dauer 2—3”. Geräusch 
gleichzeitig. 


Bor Jahresbericht der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. 


Negative Nachrichten liefen von folgenden Orten ein: 


Auras Königszelt 25 Mittelwalde Steinau a. ©. 
Bauerwitz Kostenblut Namslau Stroppen 
Carlsruhe 15 Krappitz Neumarkt Trautenau 
Cosel Lähn Neustadt OS.| 40 Trebnitz 
5 Deutsch-Neu- Lauban Oberglogau Wiegandsthal 
kirch Liebau 30 Prausnitz Wilhelmsthal 
Dittersbach Liebenthal Ratibor Winzig 
Falkenberg 20 Liegnitz Reinerz Wohlau 
Friedeberg Löwenberg Ruhbank 45 Ziegenhals 
Goldberg Ludwigsdorf Schömberg Zülz. 
10 Greiffenberg b. Löwenbg. | 35 Schönau 
Halbstadt Marklissa (Ktzb.). 
Katscher Mittelsteine Steinau OS. 
Eine negative Nachricht traf — bezeichnend für die sehr geringe 
Heftigkeit der Erschütterung dieser unmittelbar zwischen den beiden 
Centren gelegenen Stadt — auch aus Nimptsch vom Stations-Vorstand 


ein. Ferner trafen verschiedene negative Nachrichten aus dem nördlichen 
Theile des Kreises Strehlen und dem westlichen Theil des Nimptscher 
Kreises ein, was wohl durch geringere Stärke und die Länge der in- 
zwischen verstrichenen Zeit — sie stammen alle frühestens aus den 
letzten Junitagen bezw. Juli oder August — zu erklären ist. 


Verbreitung des Erdbebens. 


Die Verbreitung des Erdbebens war eine recht beträchtliche. Es 
schien zunächst nach den ersten Zeitungsnachrichten auf die Strehlener, 
Nimptscher und Reichenbacher Berge beschränkt zu sein, doch ver- 
grösserte sich mit der Zahl der Nachrichten ständig das Gebiet der Er- 
schütterung. Es umfasst beinahe den ganzen Regierungsbezirk Breslau, 
einen bedeutenden Theil des Regierungsbezirks Liegnitz, sowie den west- 
lichen Theil des Regierungsbezirks Oppeln: insgesammt ein Gebiet von 
mindestens 25000 km? (oder fast 500 Qu.-Meilen). Die äussersten Punkte, 
von denen sichere und glaubwürdige Nachrichten vorliegen, sind: Trop- 
pau, Leobschütz, Oppeln, Mangschütz Kr. Brieg, Bernstadt, Pontwitz 
Kr. Oels, Kunitz Kr. Liegnitz, Schreiberhau, Cudowa, Lichtenwalde 
Kr. Habelschwerdt, und Gräfenberg. Die grössten Durchmesser des 
'Schüttergebietes betragen also etwa 175 und 125 km. 


Die Verbreitung ist eine eigenthümliche, insofern als der gut und 
deutlich umschriebenen. Ellipse der Hirschberger Kessel et gewisser- 
maassen wie ein Auswuchs, anlagert. 

Die Verbreitung des Schallphänomens dürfte eine noch bedeutend 
grössere gewesen sein und wohl den allergrössten Theil Schlesiens um- 
fasst haben; es liegt wenigstens aus Herrnstadt, Kreis Guhrau, d. h. 


II. Abtheilung. Naturwissenschaftliche Section. 61 


ca. 50 km von den nächsten äussersten Orten des Schüttergebietes ent- 
fernt, eine glaubhafte Nachricht vor, dass das Schallphänomen daselbst 
von zahlreichen Personen wahrgenommen sei. 


Es übertrifft also das Erdbeben vom 11, Juni 1895 an Ausdehnung, 
wie auch an Stärke, dasjenige vom 31. Januar 1883 beträchtlich, dessen 
Verbreitung Kunisch!) auf etwa 300 Qu.-Meilen (= 17000 km?) an- 
gegeben hat. Es dürfte überhaupt eines der bedeutendsten historischen 
Erdbeben Schlesiens gewesen sein. 


Stärke und Wirkungen. 


- Um einen Maassstab für die Vergleichung der Schütterstärke an den 
einzelnen Orten zu haben, stellten Forel und Rossi eine Stärkescala 
auf. Der Vortheil der von Rossi vorgeschlagenen Abänderungen liegt 
in grösserer Detaillirung der mittleren Grade. Sein 2. Grad entspricht 
dem 3., sein 7, dem 6. der alten Scala. Die grössere Verwendbarkeit 
der neuen Scala gerade für schwächere Beben leuchtet ein. Im Wesent- 
lichen nur auf näherer Speeialisirung beruht die folgende Scala, nach 
der die Isoseisten unserer Uebersichtskarte für das Erdbeben vom 
11. Juni ce. construirt wurden: | 

1. Mikroseismische Erschütterung. Nur durch feinste Instrumente 
und geübte Beobachter erkennbar. 

2. Ausserordentlich schwache Erschütterung. Durch Seismographen 
sicher, von Menschen nur ausnahmsweise unter besonders günsti- 
sen Umständen erkennbar. 

3. Sehr schwache Erschütterung. Beobachtet von mehreren Per- 
sonen in der Ruhe, auch nach Dauer und Richtung zu schätzen. 

4. Schwache Erschütterung. Beobachtet auch in Bewegung oder 
Thätigkeit. Erschütterung leicht beweglicher Gegenstände, Be- 
wegung offener Thüren, Klirren der Fenster, Knistern der Decken 
bezw. Fussböden. Schwanken leichter aufgehängter Gegenstände 
und von Flüssigkeiten. 

9. Mittelstarke Erschütterung. Allgemein bemerkt. Erwachen 
schlafender Personen. Erschütterung grösserer, nicht mit ihrer 
Unterlage verbundener Gegenstände (Möbel, Betten etc.). 

6. Starke Erschütterung. Allgemeines Erwachen Schlafender. An-- 
schlagen der Hausglocken. Schwanken schwerer aufgehängter 
Gegenstände, Bilder, Spiegel ete., des Ofens, Stillstand von Pendel- 
uhren, sichtbare Beugung der Bäume und Gesträuche. Einzelne 
Personen verlassen erschreckt die Häuser. 

7. Recht starke Erschütterung. Allgemeiner Schrecken. Umstürzen 
beweglicher Gegenstände, Ablösen von Putz aus Decken und 


!) Diese Jahresberichte 1883 p. 335. 


63 Jahresbericht der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. 


Wänden und Risse in denselben. Anschlagen von Kirchen- 
glocken, Herausschleudern von Ziegeln und Flachwerken von 
Dächern und Schornsteinen. 

8. Sehr starke Erschütterung. Beschädigung des Mauerwerks der 
Häuser, Umstürzen von Sehornsteinen, Risse in den Aussen- 
mauern. 

9. Ausserordentlich starke Erschütterung. Theilweise oder gänzliche 
Zerstörung einzelner Häuser. 

10. Allerstärkste Erschütterung. Völlige Zertrümmerung aller Ge- 
bäude, Spaltenbildungen der Erdrinde, Bergstürze. 

Hierbei ist wohl zu beachten, dass der Stärkeunterschied zwischen 
den einzelnen .Graden allmählich sich stark vergrössert, so dass er 
z. B. zwischen dem 4. und 7. Grad viel kleiner ist, als zwischen dem 
7. und 8. oder dem 8. und 9. 

Die stärksten Wirkungen des Erdbebens vom 11. Juni 1895 ent- 
sprechen dem 6. und 7., vielleicht noch dem 8. (400 Tsehanschwitz, 
320 Friedersdorf) Grade der Scala. In besonders starkem Maasse 
wurde das Ohlau-Thal betroffen. Aus demselben kamen Nachrichten, 
dass im SW. von Strehlen Gebäude eingestürzt seien (Nr. 172 und 275). 
Aber beide Nachrichten sind nicht sicher, denn die Scheune in Neuhof 
stürzte erst am 12. Juni ein, wie man annimmt, in Folge der Erschütte- 
rung, während die andere Nachricht ganz ungewiss ist. Dagegen kam 
aus Tschansckwitz (Nr. 400) vom Gemeinde-Vorstand die Nachricht, dass 
bei einem Stellenbesitzer der Schornstein eingefallen sei. Als heftigste 
Wirkungen sind, abgesehen hiervon, Sprünge und Risse in Mauern, 
Giebeln und Schornsteinen anzusehen. In Gollschau erhielt das In- 
speetorenhaus, besonders die an der Ostecke im 1. Stock gelegenen 
Wände, zahlreiche Risse und Sprünge bis zu 1 cm Weite, die haupt- 
sächlich in N—S- und O—W-Richtung verlaufen. Die stärksten Risse 
gehen an Decke und Diele entlang horizontal. Doch weist auch das 
Gewölbe des Erdgeschosses deren auf. Die Wirkung war hier so stark, 
dass nach fachkundiger Aeusserung bei einer Wiederholung die Gefahr 
eines Zusammensturzes des sonst baulich guten Hauses nicht ausgeschlossen. 
ist. Ferner werden Risse in den Wänden ete. aus Reichau, Hussinetz, 
Langenöls (im 2. Stock), Reichenbach und Schobergrund gemeldet; weiter 
auch aus Friedersdorf, Pogarth und Strehlen. In Tepliwoda wurde in 
Folge des Stosses der Kachelaufsatz eines Ofens vom gemauerten Theil 
abgetrennt. Mehrfach sind Ziegeln aus Schornsteinen und Flachwerke 
aus den Dächern geschleudert worden. Ersteres war der Fall in Reichau: 
2 Ziegelsteine, die, aus dem Schornsteine gerissen, nach Norden zu 
fielen, zertrümmerten 17 Flachwerke. Ausserdem weist der Schornstein . 
Sprünge auf. In einem anderen Hause wurde Flachwerk aus dem Dache 
(nach N) geschleudert. Dasselbe wird aus Crummendorf, Heinrichau, 


II. Abtheilung. Naturwissenschaftliche Section. 63 


Olbendorf, Pentsch, Habendorf, Petersheide und Pogarth berichtet. Von 
recht starker Erschütterung zeugt auch das Abfallen von Putz aus Decke 
und Wänden. Hierüber liegt eine ganze Reihe von Mittheilungen vor 
aus Crummendorf, Dobergast, Kühschmalz, Lorzendorf, Neobschütz, Peters- 
heide, Prauss, Riegersdorf, Rogau, Strehlen, Bärzdorf, Friedersdorf, Gam- 
bitz, Gurtsch, Habendorf, Louisdorf, Mückendorf, Olbendorf, Pogarth und 
Wüstewaltersdorf. Einen Schluss auf die Stärke des Stosses sowie 
auf den Ausgangsort der Erschütterung lässt auch die Thatsache ziehen, 
dass in Zesselwitz ein Brunnen versiegt ist, dessen Wasser sich erst 
nach einigen Tagen wieder einstellte.e Alle diese genannten Ortschaften 
nun liegen mit vereinzelten Ausnahmen dicht bei einander, einerseits um 
die Ohlau im SW von Strehlen, andererseits um die Peile und Biele 
bei Reichenbach, Wir haben also zwei Gebiete stärkster Er- 
schütterung, die, wie später zu zeigen ist, durch ein Gebiet auffallend 
schwacher Erschütterung, die Scholle von Nimptsch, getrennt sind. 


Auf eine bedeutende Stärke der Erschütterung muss geschlossen 
werden, wenn die Bewohner eiligst ihre Häuser verlassen, um deren 
vermeintlichem Einsturze zu entgehen. Die Ortschaften, aus denen dies 
berichtet wird, liegen grösstentheils in den obengenannten Gebieten: 
Crummendorf, Diersdorf, Gnadenfrei, Langenbielau, Münsterberg, Geppers- 
dorf, Heinrichau, Ottmachau, Peterswaldau, Pischkowitz, Poischwitz, 
Reichau, Reichenbach, Riegersdorf, Rungendorf, Stachau, Strehlen, Wan- 
sen, Wüstewaltersdorf. 


Ein Umfallen beweglicher Gegenstände wird über ein Dutzend Mal 
berichtet, zumeist aus den beiden Centren. Meist sind es leichtere 
Gegenstände: Gläser, Nippsachen, Bücher, Thermometer ete., die zur 
Erde geschleudert werden, seltener grössere: so wird aus Strehlen das 
Umfallen eines Stehspiegels gemeldet; in Kunsdorf ist aufgeschichtetes 
Holz, in Warkotsch aufgeschichtete Coakes auseinandergefallen. In 
Langenbielau war der Stoss so stark, dass Personen gegen die Wand 
geschleudert wurden (140). Dass Leute beinahe das Gleichgewicht ver- 
loren, wird mehrfach berichtet: aus Gnadenfrei, Grottkau, Koppitz, 
Warkotsch ete. Sehr stark trat das Erdbeben in Strehlen auf: es liegt 
ein Bericht aus der Zuckerfabrik vor (271), wonach die Hunderte von 
Centnern schweren Maschinen gewankt hätten. Aus Glatz (54) wird das 
Schwanken einer Lokomotive berichtet. In Münsterberg schwankte ein 
ca. 10 Centner schwerer Geldschrank (167), Dass geschlossene Thüren 
aufsprangen, wird aus beiden Centren, von Hussinetz, Strehlen und Peilau 
gemeldet. Ein Kennzeichen stärkerer Stösse ist ferner das Stehenbleiben 
von Uhren bezw. Tönen der Feder: ersteres ereignete sich in Strehlen, 
Patschkau, Wiesenthal, Türpitz, Riegersdorf und Hirschberg, letzteres in 
Tepliwoda und Reichenbach. In Strehlen ertönte ferner eine Drahtzug- 


64 Jahresbericht der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. 


klingel, Hausglocken auch in Arnsdorf und Krippitz, während in Stolz 
sogar eine Kirchenglocke anschlug (265). 

Durch diese Angaben sind die beiden Schüttercentra gut und deut- 
lieh umschrieben: das östliche grössere liegt im Ohlauthal im SW von 
Strehlen und dehnt sich nach O beträchtlich aus, das kleinere westliche 
liegst um Reichenbach. Zwischen beiden liegt eine Zone schwacher Er- 
schütterung bei Nimptsch, in der sowohl die Ortschaften, die auf an- 
stehendem Gestein liegen, als auch diejenigen, die auf Diluvium stehen, !) 
gsleichmässig schwach erschüttert sind. In grossem Bogen, beide 
Centra umfassend, liegt das Gebiet mittelstarker Erschütterung; um dieses 
schliesst sich, gegen den Hirschberger Kessel weit sich erstreckend, eine 
Zone schwacher Erschütterung (4. Grad). Die Wirkung ist in den Aussen- 
zonen stets dieselbe: es erbeben die Möbel (Sopha, Schrank, Pult, 
Bett ete.), die Mauern erzittern, Kronleuchter ete. pendeln, Bilder be- 
wegen sich, leichtere Gegenstände schwanken, auch bewegen sich offene 
Thüren und Fenster. Bei leichterer Erschütterung erzittern die Möbel 
schwach, Fenster, Gläser etc. klirren. Bisweilen macht sich auch ein 
Knacken und Knistern der Fensterrahmen und Dielen bemerkbar. Die 
leisesten Erschütterungen werden als eigenthümliches, leises Schütteln, 
das besonders durch sein unvermuthetes Auftreten erschreckt, geschildert. 

Am stärksten wurde selbstverständlich die Erschütterung in Häusern, 
vor allem in den oberen Stockwerken derselben empfunden; hier machte 
sie auch den heftigsten Eindruck. Im Freien dagegen wurde sie weniger 
gespürt und beachtet, bisweilen sogar selbst in den Centren von in Be- 
wegung befindlichen Personen kaum oder garnicht empfunden. 

Ein weiterer Umstand, der auf die (relative) Stärke der Erschüt- 
terung einen gewissen Einfluss übt, ist die Beschaffenheit des Untergrundes. 
Nach den bisherigen Erfahrungen ist die Erschütterung auf festem, an- 
stehendem Fels relativ geringer, ebenso auf sehr mächtigem Diluvium. 
Dort dagegen, wo eine nur wenig mächtige Diluvialdecke dem anstehen- 
den Gestein aufliegt, findet eine Verstärkung statt; man kann dies beim 
Erdbeben vom 11. Juni besonders an den Rändern der aus dem Diluvium 
auftauchenden Schollen anstehenden Gesteins erkennen, 

Nach der Stärke der Erschütterung, soweit sie zu schätzen,?) ge- 
ordnet, ergiebt sich folgende Liste?) der Ortschaften: 


ı) Nimptsch, Gaumitz, Gross-Wilkau, Pristram, Panthenau, Gross-Ellguth, 
Nieder-Langseifersdorf. 

2, Es ist hierbei wohl zu beachten, dass Meldungen, die auf einen stärkeren 
Grad der Erschütterung (z. B. den 8. Grad bei Tschanschwitz und Friedersdorf) 
schliessen lassen, aus den betreffenden Ortschaften meist bezw. oft nur je einmal 
eintrafen. Man kann aber unmöglich behaupten, dass die Erschütterung in einem 
ganzen Orte z. B. 8. Grades war, wenn z. B. nur ein Schornstein einstürzte. 

®) Von den erst während des Druckes eingelaufenen Berichten von 410 auf 
konnten nur noch die wichtigeren aufgenommen werden, 


Dobergast 
Friedersdorf 


Crummendorf 
Diersdorf 
Gambitz 
Gnadenfrei 
Grottkau 
Gurtsch 
Habendorf 
Hussinetz 
Kunsdorf 


Arnsdorf, Ober-, 


Nieder- 
Bärwalde 
Bärzdorf 
Bankau 
Bechau 
Birkkretscham 
Breitenhain 
Camenz 
Campen 
Conradswaldau 
Conradswalde 
Dätzdorf 
Falkenau 
Faulbrück 
Gläsendorf 
Glatz 
Geppersdorf 
Gorkau 
Graase 
Gross-Wierau 
Grunau 
Habelschwerdt 
Heidersdorf 


Altwasser 
Baumgarten 
Brieg 

1895, 


@ 


II. Abtheilung. Naturwissenschaftliche Section. 65 

7. Grad: 
Gollschau Neuhof (?) Tschanschwitz 
Neobschütz Reichau | 

6. Grad: 

| Langenbielau | Peterswaldau Schobergrund 

Langenöls Pogarth Siegroth 
Leipitz Prauss Stachau 
Münsterberg Prieborn Strehlen 
Nielasdorf Reichenbach Tepliwoda 
Ober-Peilau Riegersdorf Töppendorf 
Olbendorf Roth-Neudorf Wiesenthal 
Pentsch Rummelsberg 
Petersheide Sadewitz 

5. Grad: 
Heinriehau Ober-Rosen Schmelzdorf 
Hertwigswalde | Oelse Schönbrunn 
Jägel Ottmachau Schweinbraten 
Kamnig Patschkau Senitz 
Jokobsdorf Petersdorf Siebenhufen 

(Nimptsch) Petrigau Sonnenberg 
Karisch Pischkowitz Sorgau 
Karzen Plohe, Plohmühle | Steinkirche 
Klein-Lauden Podiebrad Stolz 
Költschen Poppelwitz Striege 
Koppitz Poseritz Tiefensee 
Krippitz Protzan Tillowitz 
Kühschmalz Quanzendorf Tsehammendorf, 
Lorenzberg Reinschdorf Dtsch.-u. Poln.- 
Lorzendorf Reisewitz Türpitz 
_(Ohlau) Rochus Wammelwitz 

Louisdorf Rogau Wansen 
Markt-Bohrau Rosen Warkotsch 
Mehltheuer Rothenbach Wartha 
Mückendorf Rothschloss Wüstewalters- 
Neisse Rudelsdorf dorf 
Neurode Ruppersdorf Zesselwitz 
Nieder-Peilau Ruschkowitz 
Ober-Ecke Salzbrunn 

4. Grad: 
Canth Eckersdorf Gaumitz 
Charlottenbrunn | Frankenstein Gräben 
Christinenhof Frauenhain Gräfenort 

5 


BEST, Jahresbericht der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. 


Grochau Kraschen Nimptsch Silberberg 
Gross-Ellguth Kuhnern Ober-Weistritz Striegau 
Gross-Wilkau Kunitz Petersdorf Tannhausen - 
Hammer Kynau Peterwitz Tschechen 
Heinzendorf Landeck Poischwitz Waldenburg 
Hermsdorf Landeshut Prisselwitz Warmbrunn 
Hirschberg Leuppusch Reichenstein Weigwitz 
Hohen-Giersdorf | Lorenzdorf (Neu- | Rungendorf Wierischau 
Jakobsdorf markt) Schmiedeberg Würben 
Jauer | Maifritzdorf Schönheide Wüstegiersdorf 
Kaiserswalde Mangschütz Schräbsdorf Zobten 
Kattern Nieder-Langsei- | Schweidnitz 
Kleutsch fersdorf Seherrsau 

3. Grad: 
Breslau Jäschwitz ‘| Oels Pristram 
Gräfenberg Leobschütz Oppeln Rothsürben 
Hain-Saalberg Löwen Panthenau Schreiberhau 


Der Eindruck, den die Beobachter von dem Erdbeben empfingen, 
war natürlich je nach Stärke und Beobachtungsort verschieden. Die 
Erschütterung wurde mit der eines Lastwagens, einer Dampfwalze, 
eines Dampfpfluges verglichen, oder die Beobachter hatten das Gefühl 
„als ob eine Batterie im Trab durch die Strasse fährt‘, „als ob ein 
Schnellzug durch die Station“ oder ,‚ein schwer beladener Lastwagen in 
rasendem Tempo“ fährt. Auffallend ist aber für die Beobachter das plötz- 
liche Auftreten und Verschwinden der Erschütterung. 


Anders ist es in den stärkstbetroffenen Gebieten: hier ist der Ein- 
druck der, als ob etwas im Hause einstürze, bezw. als ob das Haus 
einstürze, so dass die Bewohner schreckerfüllt auf die Strasse eilen. Doch 
übte das Erdbeben nicht nur psychische Wirkungen aus — Schrecken, 
Erblassen bei starker Erschütterung, Aengstlichkeit und Staunen bei 
schwächerer, sondern auch rein physische: Schwindel (381), Mattigkeit, 
wie vor einem schweren Gewitter (137), Herzklopfen (107), selbst 
ein Gefühl wie Uebelkeit (379), als ob sich der Blutlauf auf einmal 
änderte (75), ein sehr unangenehmes Schwingen des Trommelfells (270) 
oder eine Empfindung, wie von einem sehr starken elektrischen Strom 
(241). 


Weitere Erschütterungen. 


Während sonst bei Erdbeben meistens mehrere Stösse wahrge- 
nommen werden, dürfte in diesem Falle nur eine Erschütterung statt- 
gefunden haben. Ausserdem scheinen einige ganz schwache Bewegungen 


des Bodens zumeist vorher eingetreten zu sein, 


II. Abtheilung. Naturwissenschaftliche Section. 67 


Es gingen über derartige Erschütterungen 10 Nachrichten ein, doch 

stimmen sie in der Zeit meist leider gar nicht zusammen: 
Langenbielau am 10. VI. zwischen 11 und 12 Uhr Vorm. (137), 
Strehlen =a.04 VER 06,7), 


Langenbielau = 10./11. VI. gegen Mitternacht (134), 
Zobten = 10./11. Nachts (515), 

Frauenhain - 11. VI. gegen 4 Uhr Vorm. (49), 
Silberberg = 11. VI. gegen 8'/, Uhr Vorm. (256), 
Camenz = 11. VI. gegen 9'/), Uhr Vorm. (25), 
Grottkau 52 Ve nach 97 Uhr) (73), 
Langenöls - 11. VI. nach 10 Uhr Vorm. (143), 
Goglau = 11. VI. 6—7 Uhr Nachm. (520). 


Ein einigermaassen sicherer Schluss lässt sich hieraus kaum ziehen, 
Auffallend allerdings ist, dass fast alle diese Meldungen aus stark er- 
schütterten Gebieten kommen. 


Art der Bewegung. 


Die Art der Bewegung wird sehr verschieden geschildert, je nach 
der Lage des Beobachtungsortes. In den Centren wird sie meist als 
„Schlag oder Stoss von unten“, als „Schaukeln“ oder „Heben und 
Senken‘‘ empfunden. ‚Es war, als wenn man mir einen Knüppel unter 
die Fusssohlen schob und mir die Füsse wellenartig auf und nieder hob“, 
schreibt ein Berichterstatter (33) aus Diersdorf. Mehrfach wird die 
Bewegung mit der eines Schiffes oder Kahnes verglichen. Einem Be- 
richterstatter in Peilau (185) schien es, ‚als ob der Stuhl, auf dem er 
sass, in allen Theilen nachgeben wollte“. In Strehlen (267) war es, als 
ob „der Fussboden nachgäbe und man das Gleichgewicht verloren“ oder 
„wie das Gefühl von Unsicherstehen‘“, so dass eine Frau unwillkürlich 
nach einem Halt griff (269). Aus Bärwalde heisst es (4), es sei ein 
unbeschreibliches Gefühl in den Knieen gewesen, als wenn nun der 
Erdboden verschwinden sollte. Höchst charakteristisch wird die Art 
der Bewegung auch aus Schönbrunn (392) berichtet: ‚Es war zuerst 
ein Stoss von unten, der mich etwas in die Höhe hob, darauf ein starkes 
sichtliches Zittern der Erde, dass ich mich unwillkürlich an die Erde 
hielt.“ 

Vergleicht man mit diesen Berichten der subjeetiven Empfindung 
die objeetiven Wirkungen in den gleichen Gegenden, dass z. B. in 
Johannsthal bei Reichenbach das Pendel einer Uhr ausgehakt wurde, 
in Tepliwoda der Kachelaufsatz vom Ofen abgetrennt wurde, dass ferner 
in Gollschau in dem Zimmer an Decke und Diele horizontale Sprünge und 
Risse sich reichlich finden, so dürfte der Schluss als unanfechtbar er- 
scheinen, dass in den Centren die Erschütterung einen suceussorischen Cha- 
rakter hatte. In den Aussenzonen dagegen verlief sie als eine undulato- 

5* 


Bsn Jahresbericht der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. 


rische Bewegung. Meist wird sie als „wellenförmiges Zittern‘ geschildert, 
oft auch als Schaukeln. Ein Referent in Hirschberg (101) wurde eine 
hin- und herschiebende, wagerechte Bewegung des Sophas gewahr; ‚als ob 
ein grosser Hund gegen die Bank anspränge,‘‘ heisst es auch (16 und 44). 
Ebenso spricht der häufige Vergleich mit der Erschütterung, wie sie 
schwer beladene Fahrzeuge, ‚‚eine ungeheure Walze‘ (49) oder Kanonen 
schwersten Kalibers hervorbringen, für eine wagerechte Bewegung. 
Erwähnenswerth sind einige Berichte, welche die Wirkung des Stosses 
auf die Natur schildern: „es ging wie eine Bewegung durch die Natur; 
die Blätter wurden wie vom Winde bewegt, darauf trat wieder Stille 
ein“ wird aus Költschen geschrieben (120). In Koppitz schwankten 
Palmen hin und her (121), u. a. mehr. 


Zahl der Stösse. 


Im engsten Zusammenhang mit der Art der Bewegung steht die 
Zahl der empfundenen Stösse. Auch hier gehen die Angaben weit 
auseinander. Zumeist wird nur ein Stoss bezw. eine Bewegung ge- 
meldet, doch wird ca. 40 mal von mehreren Stössen berichtet. In Strehlen 
spürte ein Berichterstatter 3 Stösse, deren erster der stärkste war, ein 
anderer deutlich ein zweimaliges Heben und Senken (268 und 271). 
Sonst wird gerade aus den Oentren seltener eine mehrfache Erschütterung 
berichtet, öfter dagegen aus peripherisch gelegenen Orten, wie Bernstadt, 
Hirschberg, Cudowa, Hammer ete. Es ist diese Verschiedenheit in den 
Berichten wohl so zu erklären, dass wohl ein mehrfaches Erbeben 
stattfand, dass aber wegen der direkten Aufeinanderfolge (ein Referent 
aus Strehlen schreibt .‚der 1. Stoss dauert 1‘, die beiden andern zu- 
sammen 1'/,““) im Allgemeinen die Stösse als einheitliche Wellen- 
bewegung empfunden, dass aber bisweilen einzelne Phasen stärker 
herausgefühlt wurden. Im Uebrigen deutet schon die Bezeichnung 
„wellenförmig“‘ darauf hin, dass die ganze Erschütterung in rasch auf- 
einander folgenden Absätzen vor sich ging. Die Zahl dieser Absätze 
schwankt nach den Berichten bis zu 10. In allen Berichten, die von 
mehreren Stössen sprechen, wird auch ausdrücklich die unmittelbare 
Aufeinanderfolge derselben betont. 


Dauer des Phänomens, 

Die Frage nach der Dauer des ganzen Phänomens lässt sich nach 
den eingegangenen Berichten mit ziemlicher Sicherheit beantworten. 
Ueber dieselbe liefen 265 Meldungen ein, die sich folgendermaassen ?) 
vertheilen: 


!) Die nur sehr selten gemachten Angaben wie 2—4“ etc. sind mit dem 
Mittel, also 3” etc. aufgeführt. 


II. Abtheilung. Naturwissenschaftliche Section. 69 


1 — 10 mal 8 — 8 mel 
1—2‘ = 16 mal 8— 10.27 Z—iemal 
Di —139 9122 2 lamal 
2—3' —= 53 ) 117 mal 10° — dmal 
a ==, 10—12' = 1 mal 
ö—4' —= 24 mal 10-—-15.2 == 73 mal 
Aufl — a a 12—15“ = 1 mal 
4—5' — 11 mal 5 — ie Hmal 
Ha — 27 mal 1920.21 mal 
5—6°” = 8 mal 15—30° = 1 mal 
6% —= 2 mal 20°” — gemall 
6—7' = 1 mal 30° — arlamal 
est —= 2 mal Jr —= 5 mal 


Die Dauer betrug also sicherlich weniger als 5‘ (die Häufigkeit 
dieser Angabe erklärt sich durch Abrundung), jedenfalls 2—3‘. Auf 
diese Zahlen entfallen etwa 45 pCt. aller Angaben. Vielleicht ist so- 
gar, in Anbetracht des Umstandes, dass die Zeitdauer einer Secunde 
meist unterschätzt wird, die thatsächliche Dauer des Phänomens noch 
etwas geringer zu veranschlagen, 


Zeitpunkt des Eintrittes. 


Schwieriger ist die Frage nach dem Zeitpunkt des Eintrittes der 
Erscehütterung zu beantworten, da astronomisch genaue Zeitangaben über- 
haupt nicht vorliegen. Ein sehr grosser Theil der Zeitangaben lautet 
auf 9%, Uhr, beruht demnach auf Schätzung. Von vertrauenswerthen 
Angaben liegen nur folgende 32 vor, darunter 13 von Postämtern bezw. 
Bahnbeamten: 


a, Tepliwoda, Neisse, 
Diersdorf, Karzen, 

927 —28° Peilau, Petersheide, 

928° Strehlen, Wiüstewaltersdorf, 
Nielasdorf, 929 18°  Gross-Ellguth, 
Ober-Ecke, 929), Nimptsch, 
Türpitz, Markt Bohrau, 
Grottkau, 9 30. Zobten, 
Camenz, Gorkau, 
Wierischau, Schmiedeberg, 

928° 2-34 Gnadenfrei, Hammer 

998. 35% Waldenburs, 9 30° 10— 15° Kattern, 

99899! Salzbrunn, 9 39 Hirschberg, 

929 Frankenstein, Kunitz, 
Glatz, 933° Leobschütz, 


Landeck, 934 Bernstadt. 


70) : Jahresbericht der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. 


Hierbei dürfte Schmiedeberg um 1‘ zu früh, Bernstadt um 1’ zu 
spät angegeben sein. 

Aus dieser Liste ist unmittelbar ersichtlich, dass die Bewegung 
nieht, wie so oft bei alpinen Erdbeben, über weite Strecken eine gleich- 
zeitige war, sondern dass sie von einem kleinen, engbegrenzten Gebiet, 
das einmal bei Tepliwoda und dann bei Diersdorf zu suchen ist, aus- 
ging und sich allmählich radial fortpflanzte. Diese Fortpflanzung war 
aber nicht nach allen Seiten gleich schnell, vielmehr erfolgte sie von 
den beiden Centren aus nach aussen schneller, als von einem Centrum 
zum andern. Von der schwach erschütterten Zone zwischen ihnen liegen 
zwei genaue und bis auf wenige Secunden übereinstimmende Angaben 
vor: Nimptsch 929°‘ und Gross-Ellguth 929° 18 Es lehrt dies deut- 
lich, dass die Stossriehtung in den Centren keine direct verticale, sondern 
eine nach aussen etwas geneigte (im O gegen O, im W gegen W ge- 
neigte) war. 

Verbinden wir die Orte, bei denen die Erschütterung gleichzeitig 
eintrat, so erhalten wir ein System unregelmässig concentrischer Curven: 
die sog. Homoseisten oder Isochronen, deren Verlauf aus der Karte 
deutlich zu sehen ist. Es machen sich bei ihnen genau die gleichen 
Erscheinungen geltend, wie bei den Isoseisten: die tiefe Einbuchtung 
bei den nächst den Centren gelegenen Gebieten schwacher Erschütterung, 
sowie das schnelle und weite Ausgreifen gegen den Hirschberger 
Kessel hin. 

Auffallend ist jedenfalls, dass trotz Einführung der Einheitszeit, 
trotz Telegraphenuhren die Zeitangaben selbst bei den Berichten der 
Postämter so ausserordentlich schwanken. Es liegen im Ganzen!) etwa 
220 Zeitangaben vor; davon geben 16 den Zeitpunkt des Eintrittes vor 
925° an, 168 zwischen 925° und 930‘ (78 um 9%, bezw. „10 Uhr), 
25 zwischen 931° und 935° und 14 nach 935‘, 4 Berichte melden 9 Uhr, 
2 erst 10 Uhr. Allein diese Thatsache zeigt schon, dass jedenfalls der 
Stoss im stärker erschütterten Theil des Gebietes — von dem ja relativ, 
wie absolut weitaus die meisten Berichte vorliegen — vor 930° statt- 
fand. Nur 6 Berichte schliesslich geben Secunden an. 


Fortpflanzungsgeschwindigkeit, 


Berechnet man mit Hilfe der Homoseisten die Fortpflanzungs- 
geschwindigkeit des Stosses, so zeigt sich, dass sie nur gering war. Im 
Maximum betrug sie etwa 450 m pro Sekunde, im Minimum?) 75 m. 
Es richtet sich dies nach dem Untergrund, der Stossrichtung und der 
Entfernung vom Centrum. 


!) Dies bezieht sich nur auf Nr. 1—409. Die übrigen, bedeutend später ein- 
getroffenen Berichte, enthalten keine gute Zeitangabe. 
2) Zwischen den Centren. 


II. Abtheilung. Naturwissenschaftliche Section. 71 


Sie ist im festen Gestein grösser als im diluvialen Sand und Mergel, 
obwohl die Wirkung im letzteren stärker ist. Aus der wenig mächtigen, 
dem festen Gestein aufgelagerten Diluvialdecke erklärt sich auch die 
relative Stärke bezw. locale Verstärkung der Erschütterung an manchen 
Punkten, wie Glatz, Habelschwerdt ete. 

Im Durchschnitt betrug die Fortpflanzungsgeschwindigkeit der Er- 
schütterung etwa 200—250 m in der Secunde. 


Riehtungsangaben. 


Nur geringer Werth ist den Angaben über die Richtung des Stosses 
beizumessen, da dieselben nur auf subjectiver Schätzung beruhen, und 
die Richtungen leicht verwechselt werden. In gleichem Maasse gilt dies 
von der Schallrichtung. Grossen Werth hingegen besitzen Angaben auf 
Grund der Wirkungen des Stosses, welche die Richtung derselben er- 
kennen lassen. So wurde in Reichau (214) beobachtet, dass Ziegel an 
zwei Stellen nach N zu fielen, in Strehlen Cigarrenkisten nach der 
gleichen Richtung (397). Hiermit stehen die Angaben der Stossrichtung 
im östlichen pleistoseisten Gebiete völlig im Einklang. Fast durchweg 
wird die Richtung als S—N bezeichnet. Als Stossrichtung im westlichen 
Hauptschüttergebiet wird vorwiegend O—W angegeben. In den peri- 
pherischen Gebieten indess verlief die Bewegung, welche nunmehr einen 
mehr undulatorischen Charakter angenommen hatte, mehr radial nach 
allen Seiten hin, vorwiegend jedoch in der Verlängerung der Stossachsen 
und senkrecht zu denselben. Die Angaben über Stossriehtung sind, so- 
weit sie vertrauenswerth erschienen, der Vollständigkeit halber sämmt- 
lich in die Uebersichtskarte aufgenommen. 


Das Schallphänomen. 


Ueber die Art des Schallphänomens sprechen sich die Berichte sehr 
übereinstimmend aus; im weitaus grössten Theile derselben wird es mit 
einem rollenden Donner verglichen. Mehrfach finden sich Angaben, 
welche die Art und Weise genauer beschreiben: Es war ein Geräusch 
„als würden grosse Fässer auf unebenem Steinpflaster gerollt“ (21, ähn- 
lich 197), „als ob ein Lastwagen schnell über eine Brücke fährt“ 
(121, 342, 343, 400 ete.), ‚ein Rauschen, wie wenn man sich in der 
Nähe eines Wehres befindet‘‘ (168). Auch wird die Art des Donners 
bezw. Rollens durch Beiworte wie „sausend“, „‚brausend“, „summend‘, 
„Knatternd“, „hohl“ ete. bezeichnet, meistens wird es „dumpf“ genannt. 
Auch ein „Knall“ oder „Rasseln‘ wird des Oeftern gemeldet. Um der 
Eigenart des Geräusches gerecht zu werden, haben manche Bericht- 
erstatter das Geräusch als „Dröhnen“, „Heulen“, ‚‚metallisch‘, „summen- 
des Klirren“ bezeichnet, in einem Bericht heisst es „ein komisches Ge- 
töse, ähnlich entferntem Donner“. Unterschiede in der Art der Ge- 
räusche nach den einzelnen Stärkezonen lassen sich nicht finden. 


REN: Jahresbericht der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. 


Die Art des Auftretens wird in einer ganzen Reihe von Berichten 
geschildert: ein ferner Donner, der rasch näher kam und an Stärke zu- 
nahm, um dann in entgegengesetzter Richtung zu verhallen. 

Ueber die Aufeinanderfolge von Erschütterung und Geräusch gehen 
die Berichte ziemlich auseinander. Von 243 Berichten melden 39 ein 
Nachfolgen des Geräusches, 89 ein Vorangehen, die übrigen Gleich- 
zeitiskeit, bisweilen mit Folge bezw. Voraufgehen. 7 Meldungen be- 
sagen, dass das Geräusch vor dem Stoss angefangen und ihn überdauert 
hätte. Man darf also wohl annehmen, dass das Geräusch vor der Er- 
sehütterung begann, bezw. gleichzeitig war. Stets aber wird ein directes 
Beieinander von Erschütterung und Geräusch gemeldet. 

Ueber die Entstehung des Geräusches ist bisher noch wenig Sicheres 
bekannt. Vielleicht dürfte es auf die durch die Fortpflanzung der Erd- 
bebenwelle hervorgebrachte Bewegung der Erdtheilchen zurückzuführen 
sein. Eine Fortpflanzung des Geräusches vomDislocationsgebiet her durch 
das Medium der Luft oder des Gesteins erscheint durch die stete Verbin- 
dung von Stoss und Schall ausgeschlossen. Nach vielen Beobachtungen 
ist die Verbreitung des Schallphänomens eine ausgedehntere, als die- 
jenige der fühlbaren Wirkung der Erschütterung; so wurde auch am 
11. Juni c. noch in Hönigern bei Oels und Herrnstadt gegen 9'/, Uhr 
ein Donner gehört, der auf das Erdbeben zurückzuführen ist. 


Begleitende Nebenerscheinungen. 

Bemerkenswerth ist, dass, wie auch sonst bei Erdbeben vielfach, so 
auch hier mehrfach die eigenthümliche Wirkung des Erdstosses auf Thiere 
zur Beobachtung gelangte. Wie die unvermuthete Erschütterung des 
Erdbodens, den man von Kind auf im Gegensatz zum Wasser als etwas 
Unbewegliches, Festes zu betrachten gewohnt ist, auf die Menschen be- 
ängstigend und erschreckend wirkt, so ist es auch bei Thieren beob- 
achtet worden. Pferde zitterten, Stubenhunde gingen unruhig umher, eine 
Ziege riss sich im Stalle los, Tauben flogen erschreckt und ängstlich 
auf, als sei ein Raubvogel unter sie gefahren, Hühner suchten sich zu 
verstecken, selbst die Inseeten zeigten eine grosse Beunruhigung (30, 
104, 136, 153, 271, 323, 347 u. 399). 


Witterung. 


Obwohl die Witterungsverhältnisse in keinerlei Zusammenhang 
mit dem Erdbeben stehen dürften, so mögen sie doch zur Vervollstän- 
digung des Bildes angegeben werden. 

Uebereinstimmend heisst es, dass die Temperatur ausserordentlich 
schwül und heiss gewesen. Die Luft war bleischwer. Das Thermo- 
meter zeigte meist über 25° C. Dazu herrschte zumeist Windstille, , 
seltener wird von bewegter Luft berichtet. In Landeck (129), Petrigau 
(377), Töppendorf (399) ete, ging ein Windstoss der Erschütterung unmittel- 


II. Abtheilung. Naturwissenschaftliche Section. 73 


bar vorauf. Der Himmel war klar, oft zeigten sich allerdings Gewitter- 
wolken am Horizont. Später zwischen 11 und 2 Uhr etwa entluden 
sich über fast ganz Schlesien zahlreiche, oft sehr schwere Gewitter. Sie 
werden aus der Grafschaft Glatz wie aus dem Hirschberger Kessel und 
allenthalben her berichtet, ja aus Sprottau und selbst Neusalz. Die Ge- 
witter waren meist von wolkenbruchartigem Regen begleitet und gingen 
oft mit verheerender Gewalt nieder. 


Zusammenfassender Bericht. 


Das Bild des Erdbebens, welches sich aus der kritischen Be- 
handlung des. vorliegenden Nachrichtenmaterials ergiebt, sei im Folgenden 
zur eingehenderen Begründung unseres Erklärungsversuches nochmals in 
Kürze zusammengefasst: 

1. Das Erdbeben ging von 2 Centren, Gebieten der Stärkewirkung 
6. Grades aus: | 

einem kleineren, in OSO—WNW-Richtung langgestreckten bei 
Reichenbach, 

einem grösseren bei Strehlen, das sich mehr kreisförmig dar- 
stellt; diesem Gebiet ist eingelagert ein solches erhöhter 
(7. Grad) Stärkewirkung, dessen Form eine in SSW—NNO- 
Richtung langgestreckte Ellipse ist. Es liegt diese BRllipse 
hart am W-Rande des Strehlener Centrums. 

2. Zwischen diesen beiden Gebieten stärkster Wirkung liegt eine 
Zone auffallend geringer Stärke (4. Grad) bei Nimptsch: sie er- 
streckt sich in SO—NW -Richtung. 

3. Das Gebiet im $. des Reichenbacher Centrums ist nur mässig 
stark erschüttert worden (zumeist 4, Grad, seltener 5. Grad); da- 
gegen reicht in direeter Fortsetzung des letzteren nach WNW 
die Erschütterung sehr weit: bis zum Hirschberger Kessel. Ebenso 
ist das Gebiet im N. des Zobtens nur schwach betroffen worden. 

4, Im N, dieser Gebiete macht sich durch erhöhte Stärkewirkung 
(6.—7. Grad) eine Linie bemerkbar: Langenöls— Gurtsch— 
Tsehansehwitz—Olbendorf—Petersheide, die man wohl als Bruch 
ansprechen darf. 

5. Die Stossrichtung war im Strehlener pleistoseisten Gebiete, wie 
zwei objeetive Beobachtungen (Reichau, 214, Strehlen, 397) zeigen: 
S—N. Die gleiche Stossrichtung geben die meisten subjectiven 
Berichte an. Für das Reichenbacher Centrum liegen objective 
Beobachtungen der Stossrichtung nicht vor, doch melden die sub- 
jeetiven Berichte in guter Uebereinstimmung zumeist O—W. 

6. Der Zeitpunkt des Eintrittes des Erdbebens war in beiden Centren 
der gleiche; die frühesten Meldungen liegen von Diersdorf und 
Tepliwoda vor: 9 Uhr 27 Min., d. h. von dort, wo sich die beiden 


Mann Jahresbericht der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. 


Centren einander am meisten nähern. Weiter pflanzte sich die 
Erschütterung im östlichen Theile gleichmässig von der Zone 
stärkster Erschütterung nach O, N und $ fort, im westlichen 
dagegen am schnellsten nach WNW. Nach innen zu, d. h. im 
östlichen Theil nach W, im westlichen nach O, bewegte sich 
die Erschütterung ausserordentlich langsam (pag. 64). 


Theoretische Betrachtungen und Ergebnisse. 


Seinem Ursprung nach ist das Beben vom 11. Juni als ein tecto- 
nisches oder Dislocationsbeben zu betrachten, d, h. es wurde durch 
eine Bewegung grösserer Theile der Erdkruste hervorgerufen. Die Erklä- 
rung der Erschütterung durch vulkanische Vorgänge ist durch das Er- 
löschen vulcanischer Thätigkeit in Schlesien seit der Tertiärzeit, die Deutung 
als Einsturzbeben ausser durch die grosse Verbreitung schon durch den 
Nachweis zweier getrennter Hauptschüttergebiete ausgeschlossen. 


Das Erdbeben vom 11. Juni 1895 ist auf die Sudeten und ihr 
schlesisches Vorland beschränkt geblieben und hängt aufs engste mit 
dem Bau dieses Stückes der Erdoberfläche zusammen. Schlesien, wie 
fast das gesammte, nördlich der Alpen gelegene Mittel - Europa ist 
Schollenland, d. h. es sind für seinen Bau und sein Relief Rupturen 
(d. h. Verwerfungen) verschiedenen Alters und verschiedener Richtung 
maassgebend geworden. Besonders wichtig wurden für seinen Bau 
mehrere nach der Kreidezeit entstandene Bruchsysteme: ihnen gehören 
insbesondere diejenigen Brüche an, deren in der Oberflächengestaltung 
als Grenze des Diluviums sich am deutlichsten hervorhebenden wir in 
der von Goldberg bis Jauernig fast ununterbrochen zu verfolgenden 
Randlinie!) erblicken, Längs dieser Verwerfungen wurde der östliche 
und der westliche Flügel des Gebirges in ein verschiedenes Niveau 
gebracht. Den westlichen Theil sind wir gewohnt als eigentliche Su- 
deten, den östlichen, in tieferer Lage befindlichen Abschnitt im morpho- 
logischen Sinne als sudetisches Vorland zu bezeichnen. Dieses Vorland 
der Sudeten, in welchem das pleistoseiste Gebiet, demnach auch der 
Ursprungsort unseres Bebens, gelesen ist, wird seinerseits wiederum 
gleich der Gneissscholle des Eulengebirges von Bruchlinien verschiedener 
Richtungen begrenzt und durchsetzt und durch dieselben in eine Anzahl von 
Einzelschollen zerlegt, bei denen die geringste Lageveränderung Ursache 
eines Erdbebens "werden muss.?) Das mittelschlesische Vorland der Su- 
deten im $. vom Eruptivstock des Zobtens erweist sich als die zer- 


:) Suess, Antlitz der Erde, Il, p. 129. — Gürich, Erläuterung zur geo- 
logischen Uebersichtskarte von Schlesien, p. 172. 

2) Vergl. auch Credner, Zeitschrift für Naturwissenschaften, Halle a. S. 
1884, p. 28. 


II. Abtheilung. Naturwissenschaftliche Section. 75 


stückte Fortsetzung der Gneisszone des Eulengebirges und lässt sich, 
soweit die Gneissschollen aus dem umhüllenden Diluvium herausragen, 
in 4 Complexe theilen: 1) das Gebiet von Strehlen, in welchem wiederum 
drei Stücke von verschiedenem Streichen unterschieden werden,') 2) das 
Gebiet im $. von Reichenbach bei Langenbielau, 3) dasjenige nördlich von 
Reichenbach und 4) die nordsüdlich streichenden Zonen um Nimptsch, 
Alle vier Gebiete besitzen abweichendes Gebirgsstreichen und dürften 
sämmtlich durch Brüche von einander geschieden sein,?) deren genauer 
Verlauf aber dureh die Diluviaibedeckung unseren Blicken entzogen 
wird. Die letzteren beiden zusammen sind als die gemein- 
sam bewegte Scholle anzusehen, deren Bewegung die Er- 
schütterung verursachte. 


Dass zunächst die Bewegung, welche zwei getrennte Hauptschütter- 
gebiete hervorrief, auf eine gemeinsame Ursache zurückgeführt werden 
muss, beweist vor allem der gleichzeitige Eintritt der Erschütterung in 
beiden (Diersdorf und Tepliwoda 9 Uhr 27 Min... Wollte man schema- 
tisch nach Iso- und Isochronen eine Verbindung beider Hauptschütter- 
gebiete construiren, so erhielte man als gemeinsamen Punkt etwa Kobelau 
am S-Ende der Nimptscher Gneissscholle.. Diese gemeinsame Ursache 
war, wie oben gesagt, die Bewegung einer aus mehreren verschiedenen 
Stücken zusammengesetzten Gneissscholle, welche die Platte nördlich 
von Reichenbach und diejenige von Nimptsch umfasste. 


Die stärksten Stosswirkungen übte die Schollenbewegung an ihren 
disloeirten Rändern aus, die etwa den grössten Achsen der als lang- 
gestreckte Ellipsen sich darstellenden Hauptschüttergebiete entsprechen. 
Ob diese Ränder einheitliche, oder, wie es vielleicht wahrscheinlicher 
ist, aus mehreren Verwerfungen zusammengesetzte Brüche sind, lässt 
sich vorderhand nicht entscheiden. Wir erhalten so die Umgrenzung 
der bewegten Schollen: im $ und O etwa die Achsen der genannten 
Ellipsen, im N der Langenöls-Olbendorfer Bruch, Der W-Rand der 
bewegten Scholle zwischen Peterswaldau und dem Zobten ist durch 
starke Diluvialbedeckung verhüllt.. Die eigentliche Bewegung der 
Scholle fand, wie aus der Stärke und Fortpflanzung des 
Bebens hier erhellt, am S- und O-Rande statt und zwar am 
O-Rande in verstärktem Grade. 1 

Für die nähere Art und Weise der Bewegung möge im folgenden 
ein Erklärungsversuch gegeben werden, der allen Ergebnissen der Unter- 
suchung möglichst gerecht wird und so dem thatsächlichen Vorgang 
vielleicht entsprechen dürfte. 


1) Schumacher, Zeitschrift der Deutschen geologischen Gesellschaft, 
1878, p. 497 ff. 
2) Gürich I. c. p. 28. 


76 Jahresbericht der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. 


Es handelt sich, wie pag. 61 gezeigt, in den Hauptschüttergebieten 
um eine verticale Bewegung. Für die Erklärung der genauen Art sind 
die indifferente Zone bei Nimptsch, wie die Stossrichtung wichtig. 
Erstere bildet an der SO-Ecke, dem Anfangspunkt der Ersehütterung, 
beginnend, die Diagonale der bewegten Scholle. Die Erschütterung 
ferner pflanzte sich vom S-Rand der bewegten Scholle aus stärker nur 
nach WNW fort, d.h. in genauer Fortsetzung des Reichenbacher Centrums 
und zwar sehr weit, nach N und 5 dagegen nur sehr schwach. Vom 
O-Rande pflanzte sie sich ziemlich gleichmässig in grosser Ausdehnung 


nach S, O und N fort, am stärksten nach O. N 
A 
schwach | 
erschüttert w | & 
S 
Aungend yn O Tschanschwitz 
VE Gurtsch 
NE) /dorfD., N BEWEGTE oO Strehlen 
= 5 
/ Q, SI 
, SCHOLLE "%, & o 
7 2 & EN Olbendorf 
/ Reichenbach } en S 
/ NimptschO,. & 
ZzZ— Diersdorf'“.. & 
ON NO Fenmod. 
gehobe 5, Tepliwoda 
"er Rand Gesenktes SO-Ende der 
en Drehungsachse 
erschüttert ; Petersheide © 


Schematische Darstellung zur Erklärung des Bewegungsvorganges. 


Eine derartige Ausbreitung muss zu Stande kommen, wenn die 
Scholle, die etwa die Form eines Rechtecks hat, sich um ihre Diagonale 
— hier die indifferente Nimptscher Zone — als Drehungsachse bewegt. 
Diese Diagonale muss Drehungsachse gewesen sein, weil die Haupt- 
erschütterung am S- und Ö-Rande stattfand. Es muss also an einem 
Rande eine Senkung, am anderen eine Hebung stattgefunden haben. 


Die Senkung, d. h Raumverminderung, erfolgte dort, 
wo die Wirkung am heftissten war, d.h. wo die Erschütterung 
allseitig und zwar am stärksten nach aussen sich ver- 
breitete. Das ist der Fallam O-Rande, 

Die Hebung, d. bh. Raumerweiterung, fand dort statt, wo 
die Erschütterung sich hauptsächlich in der Richtung des 
‚Randes fortpflanzte. Das ist der Fall am $-Rande, 

Bei einer derartigen Bewegung kann auch die Wirkung auf 
der Drehungsachse selbst nur eine minimale gewesen sein. Dass 
hier aber die Stärke immerhin noch 4. Grades war, dürfte seine 


II. Abtheilung. Naturwissenschaftliche Section. 77 


Ursache einmal in der Diluvialdecke (pag. 58 u. 65), dann aber auch in 
einer wenn auch geringen Bewegung der Drehungsachse selbst haben. 
Dass dieselbe sich auch thatsächlich an ihrem SO-Ende — dem Aus- 
gangspunkte des Bebens — etwas gesenkt haben muss, geht auch 
daraus hervor, dass die Hauptwirkung im Wesentlichen anf den $- und 
O-Rand der bewegten Scholle beschränkt blieb. Stärker wurde nur 
noch der dem O-Rande zunächst liegende Theil des N-Randes erschüttert. 
Dagegen blieben, wie es mit einer derartigen Bewegung der Scholle voll 
im Einklang steht, die NW-Ecke, sowie der W-Rand von den directen 
Bewegungswirkungen verschont und verhielten sich der Erschütterung 
gegenüber, wie nicht zur bewegten Scholle gehörige Gebiete. 

Man könnte diese Art von Dislocationsbeben als Schaukelbeben 
bezeichnen. 

Auch diese Erderschütterung, wie die meisten der früheren in 
Schlesien, war nur von mässiger Stärke und war nicht geeignet, durch 
verheerende Wirkungen die Aufmerksamkeit weitester Kreise auf sich 
zu lenken. Allein gerade eine derartige schwächere Bewegung er- 
möglicht es uns um so besser, in das Wesen seismischer Thätigkeit 
tiefer einzudringen, als ohne Trübung seiner Erinnerung durch den Schrecken 
der Beobachter, was er erlebt hat, objectiv und klar wiedergiebt. 


Ueber hochgespannte Wechselströme hoher Frequenz 
(Teslaströme). 


Von 


Dr. Mützel. 


Die meisten Forscher, welche sich mit Versuchen über hoch- 
gespannte Hochfrequenzströme beschäftigt haben, benutzten zur Erzeugung 
derselben eine Wechselstrommaschine oder ein grosses Induetorium.?) 
Wenn die Spannung der von der gegebenen Wechselstrommaschine ge- 
lieferten Ströme nicht ausreichen sollte, so kann ja dieselbe durch 
Transformatoren zu jeder beliebigen Höhe gesteigert werden, die Spannung 
der von einem grossen Inductor gelieferten Elektrieität ist ohne Weiteres 
für die verlangten Zwecke hoch genug. Bei der Auswahl der Strom- 
erzeugungsquellen ist man jedoch nicht nur auf die beiden genannten 
Arten beschränkt, sondern man kann mit grossem Vortheil auch eine 
Gleiechstrommaschine verwenden, welche aber, da der Gleichstrom nicht 
transformirbar ist, neben genügender Stromstärke von vorn herein sehr 
hohe Spannung erzeugen muss. Dies ist nun zwar aus praktischen 
Gründen bei keiner Gleichstrom-Dynamomaschine der Fall, wohl aber 


Y) Cf. Himstedt, Ueber Versuche mit Tesla-Strömen. Wied. Ann. Bd. 52, 
p. 473. 


78 Jahresbericht der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. 


bei einer grossen, vielplattigen Influenzmaschine, wie sie Töpler con- 
struirt hat. Da mir eine geeignete Wechselstrommaschine nicht zur 
Verfügung steht, benutze ich für meine Versuche eine Influenzmaschine, 
welehe ich aus verschiedenen Gründen, die schon Töpler!) öfters in 
Wiedemann’s Annalen bei seinen Arbeiten besprochen hat, dem Rühm- 
korff’schen Inductorium vorziehe. 

Führt man die aus dem positiven und negativen Conductor strömende 
Elektrieität den beiden Belegungen eines Condensators zu, welche ausser- 
dem durch eine Funkenstrecke mit einander in Verbindung stehen, so 
hat man es durch Regulirung der Funkenstrecke in der Hand, die 
Spannung beliebig hoch zu treiben. Erfolgt nun im Entladungsfunken 
der Ausgleich der Ladungen, so geschieht dies, worauf es hier wesentlich 
ankommt, nicht in Form einer einfachen Entladung, sondern es treten 
im Funken eine grosse Anzahl ungeheuer schnell auf einander folgender 
Partialentladungen wechselnder Richtung auf. Die Zeit einer solchen 
Einzelentladung beträgt nur Bruchtheile einer milliontel Secunde. Man 
sagt in diesem Falle, es findet eine oseillatorische oder osecillirende 
Entladung statt. Da also diese Entladungen in stets wechselnden 
Richtungen erfolgen, so erhalten wir damit die sogenannten Wechsel- 
ströme hoher Frequenz oder Hochfrequenzströme. Bringt man nun diese, 
zwar bereits recht hoch gespannten Ströme durch einen Transformator 
auf eine sehr hohe Spannung, so bekommt man die eigentlichen Tesla- 
ströme, welche höchste Spannung mit höchster Frequenz verbinden und 
durch ihre auffallenden, z. Th. prachtvollen Erscheinungen Bewunderung 
zu erregen geeignet sind. 

Wenn man versucht Teslaströme zu erzeugen, so ist es durchaus 
nicht gleichgültig, was für Condensatoren, welche Verbindungen, und 
was für einen Transformator man anwendet. Die Verbindungen sind 
insofern von Wichtigkeit, als der oscillatorische Charakter der Condensator- 
entladungen nur dann stattfindet, wenn der Widerstand der Leitung sehr 
klein ist. Ferner muss die Grösse des Condensators mit der Construction 
des Transformators zusammen passen; denn von der Plattengrösse hängt 
die Capacität, und von dieser die Geschwindigkeit der Einzelentladungen 
oder der von da ausgehenden Schwingungen ab. In Folge einer erst 
später zu besprechenden Erscheinung ist jedoch nicht jede Primär- 
wickelung eines Transformators geeignet, eine Schwingung von beliebiger 
Periode ungeschwächt hindurchzulassen. Ich habe es nach mehrfachen 
Versuchen zweckmässig gefunden, zwei grosse Leydener Flaschen von 
11,5 em Durchmesser und 36,5 em Höhe der Belegungen mit einander 
‚parallel zu schalten; ich führe den beiden äusseren Belegungen die eine, 
den beiden inneren Belegungen die andere Elektrieität von der Maschine _ 


!) Wied. Ann. Bd. 46, 1892, p. 306 ff. 


II. Abtheilung. Naturwissenschaftliche Section. 79 


zu und verbinde ausserdem die äusseren Belegungen mit der einen 
Klemme, die inneren durch die Primärrolle des Transformators hindurch 
mit der anderen Klemme der regulirbaren Funkenstrecke. Letztere 
ist in einem mit Filz ausgefütterten Kasten eingeschlossen, damit das 
Auge nicht durch die besonders bei verdunkeltem Zimmer grell leuchten- 
den Funken geblendet werde, damit ferner das laute Knallen derselben 
sedämpft werde und das Sprechen nicht störe, endlich um die unan- 
senehme, sehr reichliche Ozonbildung von der Umgebung abzuhalten. 
Es ist von Ebert als vortheilhaft gefunden worden, die Funken zwischen 
Zinkkugeln überspringen zu lassen. Der Tesla-Transformator besteht 
aus der bereits erwähnten Primärrolle, welche 10 Windungen aus starkem 
Kupferdraht enthält, und der aus 200 Windungen gebildeten Secundär- 
rolle dünnen Drahtes. Da in ihm die ankommenden Ströme ungemein 
hoch hinauf transformirt werden, so ist die denkbar beste Isolirung 
durchaus erforderlich. Zu diesem Zweck sind beide Spiralen von ein- 
ander durch einen dicken Cylinder aus Hartgummi getrennt und in ein 
Glasgefäss mit bestem, säurefreien Maschinenöl gesenkt; ferner ist durch 
Auskochen unter der Luftpumpe jede Spur von Luft entfernt worden, 
da sich gezeigt hat, dass besonders Luftbläschen das Durchschlagen von 
einer Spirale zur anderen begünstigen. Während die Spannung der von 
den Condensatorbelegungen kommenden und durch die Primärspirale 
gehenden Elektrieität je nach der Stellung der Funkenstrecke etwa bis 
10 000 Volt steigen mag, beträgt die Spannung an den Klemmen der 
Secundärspirale des Tesla-Transformaiors, nach der Funkenlänge ge- 
schätzt, etwa 100 000 Volt. Um nun Versuche mit Teslaströmen aus- 
zuführen, habe ich nur nöthig, die Maschine durch einen Elektromotor 
in Gang zu setzen, die Funkenstrecke geeignet zu reguliren und an die 
Klemmen der Secundärspirale (Pole des Tesla-Transformators) die Apparate 
anzuschliessen. 

Die erste auffallende, ja man kann sagen wunderbare Eigenschaft 
der hochgespannten Hochfrequenzströme ist ihre physiologische Unwirk- 
samkeit. Wenn ich einen in der Hand gehaltenen Draht, einen Schlüssel 
oder dergl. in die Nähe eines der Transformator-Pole halte, so springen 
fortgesetzt lautknallende, lange Funken über, ohne dass ich eine 
Empfindung davon habe. Lasse ich die Funken direct in einen Finger 
springen, so spüre ich nur ein geringes Stechen. Die Erscheinung ist 
daraus zu erklären, dass einmal die Ströme nur auf der Oberfläche des 
Körpers bleiben, also gar nicht in die tieferen Hautschichten zu den 
Nervenendigungen vordringen, dann aber auch, dass die Nerven, selbst 
wenn sie getroffen werden sollten, zu träge sind, so ungeheuer schnell 
_ wechselnden Anreizungen zu folgen. Leite ich einen Pol des Trans- 
formators zur Erde ab, indem ich ihn durch einen Draht mit der Gas- 
leitung in Verbindung setze, und verbinde den anderen mit einer isolirt 


so Jahresbericht der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. 


aufgestellten grossen Metallkugel, so ist der ganze Raum um die Kugel 
herum von wirksamen, unsichtbaren Teslastrahlen erfüllt, die sich be- 
sonders schön durch das helle Aufleuchten Geissler’scher Röhren be- 
merkbar machen. Man kann die Geissler’schen Röhren ziemlich weit 
von der Kugel entfernt halten, ohne dass sie zu leuchten aufhören. Viel 
intensiver wird die Erscheinung, wenn man eine Hand direct auf die 
Kugel legt und mit der anderen die Röhre erfasst. Es ist auch möglich, 
die elektrische Erregung durch eine ganze Reihe von Personen fort- 
zupflanzen, indem der erste die Kugel berührt, während der letzte die 
Röhre in die Hand nimmt. Dabei hat keine der betheiligten Personen 
irgend eine Empfindung, trotzdem die die Geissler’sche Röhre erregende 
Elektrieität durch dieselben hindurchgeht. Man kann auch aus der 
Kugel, wie vorhin aus dem Pol, lange, lautknallende Funken ziehen. 
Hier zeigt sich auch, dass die elektrischen Strahlen durch dieke Holz- 
platten ungehindert hindurchgehen; denn wenn ich über die Kugel ein 
dickes Brett und dahinter die Röhre halte, so ist keine Verminderung 
des Leuchtens zu bemerken. Wenn ich von einem Pol aus einen 7 m 
langen dünnen Draht durch das Auditorium spanne, so leuchtet derselbe 
in seiner ganzen Länge hell auf, indem von allen seinen Theilen herrliche 
Büschelentladungen ausgehen, die sich erheblich verlängern, wenn man 
die Hände in die Nähe hält. Dieser Versuch erscheint mir besonders 
vortheilhaft, weil dadurch allen Zuhörern leicht Gelegenheit gegeben 
werden kann, die Unschädlichkeit der starken aus dem Draht gezogenen 
Funken aus eigener Anschauung kennen zu lernen. Schliesse ich an 
beide Pole zwei 4 m lange Drähte an, welche in mässigem Abstand 
von einander parallel gezogen sind, so entsteht zwischen ihnen ein 
schönes leuchtendes Lichtband. Es muss dabei nur für gute Isolation 
der Enden gesorgt sein. Ein ebenso schönes Bild ergiebt sich, wenn 
ich den einen Pol des Transformators mit einem isolirt aufgestellten 
Drahtkreis, und den anderen mit einem dem ersten concentrischen, be- 
deutend grösseren Drahtkreise verbinde. Es tritt dann zwischen beiden 
ein hell leuchtender Ring auf, der sich, sofern ich durch Veränderung 
der Funkenstrecke die Spannung erhöhe, zu einer abgestumpften Kegel- 
fläche erweitern lässt, indem ich den einen Kreis senkrecht gegen die 
Ebene des anderen verschiebe. WVerbinde ich einen Pol mit einer 
Stannioltafel, lege über dieselbe eine Glasplatte und halte den mit dem 
anderen Pol verbundenen Draht über die Glasplatte, so bilden sich bei 
jeder Entladung intensiv leuchtende, prachtvolle Funkenverästelungen 
rings um die Ansatzstelle des Drahtes aus, ohne dass die Glastafel durch- 
bohrt wird. Noch viel schöner treten diese Verästelungen auf, wenn ich 
den einen Poldraht in ein grösseres Glasgefäss mit schwach angesäuertem, 
Wasser stecke, und den anderen Draht an den Aussenwandungen hin 
und her bewege. Es erscheint dann das Bild durch das Glas hindurch 


II. Abtheilung. Naturwissenschaftliche Section. 81 


gesehen wegen der auftretenden Brechung bedeutend vergrössert. Solche 
Funkenverästelungen bekommt man nicht nur von der Spitze eines Pol- 
drahtes aus, sondern auch von allen Punkten eines ausgedehnten Leiters, 
was sich besonders anschaulich machen lässt, wenn man aus dünnem, 
isolirten oder blanken Draht einen Namenszug herstellt und diesen auf 
eine Glasplatte klebt, unter welcher sich eine Stanniolbelegung befindet. 
Ich habe so den Namenszug ‚‚Tesla“ hergestellt. Verbinde ich diesen 
und die Stanniolplatte mit den Transformator-Polen, so gehen von allen 
Punkten des Namenszuges kleinere Funkenverästelungen aus, so dass 
der Name in seiner ganzen Ausdehnung hell leuchtet, während die Um- 
sebung sich in Dunkelheit befindet. Eine neue Erscheinung ergiebt sich, 
wenn ich die beiden Pole mit zwei Stanniolplatten verbinde, welche über 
Glasstangen in einer Entfernung von 10 cm von einander parallel herab. 
hängen. Es gehen dann die Entladungen in Form von leuchtenden 
Strahlen geradlinig zwischen beiden Platten über, so dass der ganze 
Raum zwischen ihnen davon erfüllt ist. Hier bildet sich das sogenannte 
Hochfrequenzfeld aus, welches Tesla in besonders grossartigem Maass- 
stabe dargestellt hat. Um die Eigenschaften desselben ebenfalls zeigen 
zu können, verbinde ich zwei, je 1 qm grosse Zinkblechtafeln, welche 
ich in einer gegenseitigen Entfernung von 35 m sehr gut isolirt über 
Glasstäbe aufhänge, durch gut isolirte Drähte mit den Polen des Trans- 
formators. Die Entladungen sind nun zwar nicht mehr wie vorhin direct 
sichtbar, werden aber sofort durch das Leuchten der Geissler’schen 
Röhren nachgewiesen; denn wenn ich mich irgend wohin in den Raum 
zwischen den beiden Platten stelle, leuchten Geissler’sche Röhren, 
welche ich in die Hand nehme, hell auf. Die Zahl der Röhren scheint 
fast gleichgültig zu sein; ich kann gleichzeitig in jede Hand zwei Röhren 
nehmen, eine in die Brusttasche stecken und endlich eine in den Mund 
nehmen, alle leuchten mit unverminderter Helligkeit. Ich selbst spüre 
nicht das geringste davon. Uebrigens leuchtet jeder luftverdünnte oder 
luftleere Glaskörper, also auch alle Formen Crookes’scher Röhren oder 
auch elektrische Glühlampen. Jeder leitende Körper, welcher in dem 
Hochfrequenzfeld aufgestellt wird, zieht in sich eine grössere Anzahl 
von den bei der Entladung auftretenden Wellen in sich hinein, so dass 
man aus ihm Funken herausziehen kann. Dies thut auch der mensch- 
liche Körper. Daher leuchten die von ihm berührten Röhren heller als 
die nicht berührten, frei daliegenden. Ich kann auch die elektrische 
Erregung aus dem Hochfrequenzfeld hinausleiten, indem ich das eine 
Ende eines langen dicken Drahtstückes erfasse, während einer der 
Zuhörer das andere Ende ergreift. Giebt dieser nun seine andere Hand 
einem zweiten u. s. f., so leuchtet auch jetzt, wie bei dem anfangs er- 
wähnten Versuch, eine Geissler’sche Röhre mit genügender Helligkeit. 


Tesla selbst hat dieses Hochfrequenzfeld in sehr grossem Maassstabe 
18%, 6 


RD 


82 | Jahresbericht der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. 


dargestellt und ist .der festen Ueberzeugung, dass es gelingen müsse 
sich in Zukunft auf die bequemste Weise nach Analogie der genannten 
Versuche Licht zu verschaffen; man hat nur nöthig gegenüberliegende 
Wände des Zimmers mit Metallplatten zu versehen, welche unter der 
Tapete verborgen sein können, da ja die elektrischen Strahlen das Papier 
ohne Weiteres durchdringen, und die Metallplatten mit den Polen des 
Tesla-Transformators in Verbindung zu setzen. Kommt dann Jemand in 
das dunkle Zimmer und zieht aus der Tasche die mitgeführte luftleere 
Glasbirne oder -Kugel hervor, so leuchtet sie in seiner Hand und spendet 
das gewünschte Licht. Bis jetzt sind wir aber noch nicht in der Lage, 
auf dem eben genannten Wege Lichteffeete zu erhalten, welche unseren 
berechtigten Ansprüchen an Helligkeit genügen könnten; daher theilen 
auch unsere ruhiger denkenden Physiker diese wohl etwas überschweng- 
liche Hoffnung nicht, sondern suchen das Ziel auf einem anderen Wege 
zu erreichen. In dieser Hinsicht verspricht einen grösseren Erfolg die 
sogenannte „‚Luminiscenzlampe‘ von Professor Ebert,!) welche folgender, 
maassen eingerichtet ist. Eine auf einem Stativ befindliche Glaskugel 
ist möglichst luftleer gepumpt; in dieselbe ragt ein eingeschmolzener 
Glasstab auf, welcher genau im Centrum der Kugel eine Pasta aus 
Leuchtfarbe trägt. An zwei gegenüberliegenden Stellen der Oberfläche 
sind Ringe aus Stanniol aussen aufgeklebt, welche vermittelst kleiner 
Häkchen mit den von den Polen des Transformators kommenden 
Drähten in Verbindung gesetzt werden können. Sobald die elektrischen 
Schwingungen erregt werden, gehen von deu Stanniolbelegungen senk- 
rechte Strahlen in’s Innere der Kugel, welche sämmtlich im Centrum 
zusammentreffen und dort die Leuchtfarbe zu lebhafter Fluorescenz ver- 
anlassen. Das davon ausgehende Licht kann durch die freien Theile der 
Glaskugel ausstrahlen. Eine solche Lampe verbraucht eine ungemein 
geringe Energiemenge, so dass die Oekonomie solcher Lampen eine 
sehr grosse ist. Zunächst ist jedoch die Leuchtkraft noch verhältniss- 
mässig gering, wenn man sie mit den gegenwärtig gebräuchlichen Lampen 
vergleicht. Wenn es aber gelingt, auf dem angegebenen Wege eine 
hellleuchtende Lichtquelle zu schaffen, so dürfte damit in der That die 
Lampe der Zukunft gegeben sein. 

Es wird vielleicht mancher fragen, wozu es denn nöthig oder- 
wünschenswerth sei, eine neue Beleuchungsart zu erfinden, da ja das 
elektrische Licht, die verschiedenen Arten des Gasglühlichtes, das Acetylen- 
licht und andere Lichtarten den Bedürfnissen der Menschheit nach hellem, 
gutem Licht bereits vollständig entsprechen. Da ist zu beachten, dass 
bei der Erzeugung irgend eines Lichtes, welches wir bisher besitzen, 
stets der grösste Theil der aufgewandten Energie zunächst in Wärme 


*ı) Wied. Ann. Bd. 53, 1894, p. 144 Sf, 


II. Abtheilung. Naturwissenschaftliche Section. 83 


verwandelt wird, und dass, erst wenn eine sehr hohe Hitze erreicht ist, 
Lieht auftritt, zu dessen Erzeugung nur ein ganz geringer Bruchtheil der 
Energie verwendet wird. Bei der Beleuchtung wird nun diese Wärme 
fast nie ausgenützt, so dass sie thatsächlich als verloren zu bezeichnen 
ist. Es findet somit eine grosse Kraftvergeudung statt. Wenn es nun 
durch irgend ein Mittel gelingt, die zur Verfügung stehende Energie 
ohne Vermittelung von Wärme direet in Licht überzuführen, so ergiebt 
sich daraus eine enorme Kraftersparniss, damit aber auch eine grosse 
Ersparniss an Geld. Dass die Entstehung von Licht ohne Wärme nicht 
zu den Unwahrscheinlichkeiten oder gar Unmöglichkeiten gehört, beweist 
uns die Natur selbst, indem sie manchen Thieren die bewundernswerthe 
Eigenschaft gegeben hat, Licht zu erzeugen, wie den bekannten Johannis- 
würmern und -Käfern, vielen amerikanischen Leuchtkäfern, vielen In- 
fusorien, manchen Tiefseefischen und anderen Seethieren. Uns bietet sich 
in den phosphoreseirenden Körpern ein brauchbares Mittel der Licht. 
erzeugung ohne Wärme. Indem dieselben durch die Einwirkung elektrischer 
Strahlen zum starken Leuchten gebracht werden können und dabei nur 
eine verschwindend kleine Menge von Energie verbrauchen, darf wohl 
mit grosser Wahrscheinlichkeit angenommen werden, dass es einmal ge- 
lingen wird, auf diesem Wege, ähnlich wie bei der Ebert’schen 
Luminiscenz-Lampe, eine Lampe der Zukunft herzustellen. Um diese 
aber überall anzuwenden, ist es nothwendig, die elektrische Energie an 
beliebige Orte leiten zu können. Bei dem Versuch, dies zu thun, stossen 
wir jedoch auf eine unerwartete Schwierigkeit. Ein einfacher Versuch 
möge dies erläutern. 

Wenn ich die inneren Belegungen zweier Leydener Flaschen mit 
den Conductoren der Maschine verbinde und die äusseren durch eine 
kleine Glühlampe schliesse, so leuchtet bei geeigneter Stellung der mit 
den inneren Belegungen verbundenen Funkenstreecke der Kohlefaden 
der Lampe. Verbinde ich die Zuführungsdrähte zur Lampe durch einen 
kurzen, dieken Draht, stelle also einen sehr guten Kurzschluss her, so 
hört natürlich das Leuchten auf, Benütze ich aber zur Verbindung einen 
längeren, wenn auch dieken, Draht — im vorliegenden Falle ist derselbe 
1 m lang — so tritt die wunderbare Erscheinung ein, dass die Lampe 
zu leuchten fortfährt, obgleich der galvanische Widerstand des Drahtes 
kaum 0,003 Ohm beträgt, also der Draht auch noch einem Kurzschluss 
gleich zu achten ist. Die Erklärung für diese Erscheinung liegt darin, 
dass in jedem Leiter von einiger Länge durch die ungeheuer schnell 
wechselnden Hochfrequenzströme Extraströme von solcher Intensität her- 
. vorgerufen werden, dass der ursprüngliche, die Induction veranlassende 
Strom sehr geschwächt wird, Da nun die Grösse der Selbstinduetion 
in diesem Falle das Störende ist, und nicht der galvanische Widerstand, 
50 spricht man von einem induetiven Widerstand; die darauf beruhende 

6* 


34 Jahresbericht der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. 


Hinderung der Fortleitung der Hochfrequenzströme nennt man „Impedanz“. 
Je grösser die Entfernung ist, desto mehr macht sich natürlich auch die 
Wirkung der Impedanz bemerkbar. 

Wenn es somit auch nicht möglich ist, die zum Leuchten der Lumi- 
niscenz-Lampe nöthigen Hochfrequenzströme trotz ihrer hohen Spannung 
auf grosse Entfernungen weiter zu leiten, so ist es ja, wie Ebert an- 
giebt, gar nicht nöthig, von Anfang an in einer Centralstelle Hochfrequenz- 
ströme zu erzeugen, sondern man kann hochgespannte Elektrieität von 
geringer Wechselzahl, also die gewöhnlichen Wechselströme, wie sie in 
den modernen Wechselstrommaschinen erzeugt werden, in die Fern- 
leitungen senden und erst an den Verbrauchsorten in einem besonderen 
Apparat, welcher aus Condensator, Funkenstrecke und Tesla-Transformator 
besteht, in Ströme sehr hoher Frequenz und sehr hoher Spannung um- 
formen. Da jede Lampe nur sehr wenig Energie beansprucht, könnte 
auch mit jeder einzelnen Lampe ein solcher Apparat von verhältnissmässig 
geringem Umfange verbunden werden. Somit wäre die Schwierigkeit 
der Fernleitung im Prineip überwunden, und es handelt sich nur noch 
um die Erfindung einer Lampe, welche etwas mehr Licht giebt, als es 
die bis jetzt bekannten ersten Erfindungen aufweisen. Hoffen wir dies 
von dem nächsten Jahrhundert, in welchem wohl noch mehr, als es 
bereits jetzt der Fall ist, die Elektrieität im Culturleben der Menschheit 
die führende Rolle übernehmen wird. 

Breslau, Physikalisches Institut der Universität. 1895. 


| Sitzung am 24. Juli, 
Ueberführung aliphatischer Oxime in Pyridinderivate. 


Von ‘ 
Dr. M. Scholtz. 


Unter den zahlreichen Synthesen substituirter Pyridine befindet sich 
keine, welche die Bildung des Pyridinringes aus einer aliphatischen 
Kette in so einfacher Weise veranschaulicht, wie dies durch die Ueber- 
führung des Pentamethylendiamins in Piperidin für den Piperidinring 
der Fall ist. Um durch eine ähnliche Reaction zu Derivaten des Pyridins 
zu gelangen, ist es erforderlich, von einer sechsgliedrigen Kette mit 
abwechselnd einfacher und doppelter Bindung auszugehen. Eine solche 
Kette liegt im Oxim des Cinnamylenacetons: 

C,H,.CH:CH.CH:CH.C.CH, 
HON 
vor, welches, wenn sich durch eine Wasserabspaltung eine Bindung, 
zwischen dem Stickstoffatom und dem der Phenylsruppe benachbarten 
Kohlenstoffatom herbeiführen lässt, in ein Pyridinderivat übergehen muss, 


II. Abtheilung. Naturwissenschaftliche Section. 85 


Die Darstellung des Cinnamylenacetons wurde 1885 von Diehl 
und Einhorn') durch Condensation von Zimmtaldehyd und Aceton aus- 
seführt. Zur Ueberführung dieses Ketons in das Oxim werden 4 Th. 
salzsaures Hydroxylamin und 8 Th. krystallisirtes kohlensaures Natron 
in 20 Th. Wasser gelöst und mit der Lösung von 8 Th. Cinnamylen- 
aceton in 30 Th. Alkohol versetzt. Nach kurzer Zeit beginnt eine 
körnige Ausscheidung und nach einer Stunde hat sich die Mischung in 
einen gelben Krystallbrei verwandelt. Das Oxim ist in heissem Alkohol 
leieht löslich und bildet, aus diesem umkrystallisirt, kleine, schwach 
selb gefärbte Nadeln, welche bei 153° schmelzen. 

Analyse: Ber. Procente: C 77.00, H 6.95. 
Gef. - 046.03. 216.88. 

Der Versuch, das Oxim durch Einwirkung wasserentziehender 
Reagentien zur Wasserabspaltung zu veranlassen, blieb ohne Erfolg. 
Erwärmen des Oxims mit Essigsäureanhydrid führte lediglich zur Acetyl- 
verbindung, welche aus Alkohol in seidenglänzenden Blättchen krystallisirt 
und bei 83° schmilzt. 

Analyse: Ber. für C,,H,,NO.C,H,O, 

Procente: C 73.36, H 6,55. 
Gef, z = 13.60, 2.0.52. 

Hingegen nimmt die Reaction den gewünschten Verlauf, wenn das 
Oxim der trockenen Destillation unterworfen wird. Beim Erhitzen des 
Oxims in der Retorte sublimirt der grösste Theil desselben unzersetzt 
und erst gegen Ende der Reaction, wenn die Temperatur schon sehr 
hoch gestiegen ist, gehen einige Tropfen von pyridinartigem Geruch über. 
Die Reaction wird daher zweckmässig im Verbrennungsrohr in der Weise 
vorgenommen, dass die entweichenden Dämpfe durch den stark erhitzten 
Theil desselben geleitet werden. Es sammelt sich hierbei in der Vor- 
lage neben Wasser eine schwarze, pyridinartig riechende Flüssigkeit, 
aus welcher durch die üblichen Reinigungsmethoden eine zwischen 280 
und 281° (corr.) siedende Base gewonnen werden kann. Dieselbe geht 
bei der Destillation farblos über, nimmt aber schon nach kurzer Zeit 
eine gelbliche Färbung an. Mit Wasserdämpfen ist sie flüchtig, Wie 
die Analyse zeigt, ist die Base durch Wasserabspaltung aus dem Oxim 
entstanden. : 

Analyse: Ber. für C,,H,,N. 

Procente: C 85.21, H 6.51, N 8.28. 
Gef. - = 84,97, = 6.54, = 8.99. 
Sie ist demnach als Phenylmethylpyridin aufzufassen. 
C,H,.CH:CH.CH;CH.C.CH,  C,H,.C:CH.CH:CH.C.CH, 
HONG ll ae) 


l) Ber. d. deutsch. chem, Ges. 18, 2320. 


86 | Jahresbericht der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. 


Man erhält ungefähr 25 pCt. des angewandten Oxims an reiner 
Base. Dieselbe bildet ein in rothen Nadeln krystallisirendes, in kaltem 
Wasser sehr schwer lösliches Platinsalz, welches, aus heissem Wasser 
umkrystallisirt, 1 Mol. Krystallwasser enthält. 

Analyse: Ber. für (C,,H,,N. HCl, —+PtCl,+H,0. 


Procente: Pt 25.40, C 37.66, H 3.40. 
Gef. + = 25.40, = 37.34, = 9.74, 


Die exsiccatortrockne Substanz schmilzt unter Zersetzung bei 200°, 
Das Goldsalz bildet grosse, goldgelbe, in kaltem Wasser schwer lösliche 
Nadeln vom Schmp. 150—151°. 

Analyse: Ber. für C,,H,,N.HClAuCl, 


Procente: Au 38.61, C 28.34, H 2.36. 
Gef. z =/,38.62,,1=2128,20, =1,2.58: 

Das Qucksilbersalz bildet seidenglänzende, verfilzte Nadeln, welche 
in kaltem Wasser wenig, in heissem sehr leicht löslich sind. Das 
Pikrinsäuresalz, aus der alkoholischen Lösung der Base durch alkoholische 
Pikrinsäurelösung gefällt, stellt gelbe Nadeln dar, die bei 135° schmelzen. 

Analyse: Ber. für 0,,H,,N.C,H,N,O.. 

Procente: N 14.07. 
Gef, - - 13.94. 

Was die Stellung der Seitengruppen betrifft, so ist aus der Con- 
stitutionsformel des Oxims des Cinnamylenacetons ersichtlich, dass die 
Bildung des «-Phenyl-«-methylpyridins zu erwarten ist. Da indessen 
die Oxime leicht zu Umlagerungen geneigt sind, so war es erforderlich, 
den Stellungsnachweis durch Ueberführung der Base in bekannte Pyridin- 
abkömmlinge zu führen. Bei der Oxydation mit der zur Verbrennung 
der Methyl- und der Phenylgruppe erforderlichen Menge Kaliumperman- 
ganat wurde die Base völlig zerstört. Durch Oxydation mit Chromsäure 
wurde eine geringe Menge einer Säure erhalten, welche sich durch die 
Analyse als eine Pyridindiearbonsäure erwies und i im Saelannzz! mit 
der Dipicolinsäure übereinstimmte. 

Mit aller Schärfe wurde ferner die Stellung .der Seitengruppen auf 
dem folgenden Wege erwiesen. Wurde die Base nur mit der zur Ver- 
brennung der Methylgruppe hinreichenden Menge Kaliumpermanganat 
oxydirt, so gelang es nach der für Pyridinmonocarbonsäuren üblichen 
Methode durch das Kupfersalz eine in heissem Wasser leicht, in kaltem 
schwer, in Alkohol sehr leicht lösliche Säure zu erhalten, welche aus 
Wasser in grossen, seidenglänzenden, rosettenförmig zusammenstehenden 
Nadeln krystallisirt. Der Schmelzpunkt der Säure liegt bei 109°, doch 
schmilzt sie schon unter siedendem Wasser. Die Säure stellt eine 
Phenylpyridinmonocarbonsäure dar: 

Analyse: Ber. für C,H, .C,H,N. COOH. 

Procente: © 72,36, H 4.52, N 7.03. 
Gebe ML 238, 203 


IT, Abtheilung. Naturwissenschaftliche Section. 87 


Sie löst sich mit grösster Leichtigkeit in Salzsäure. Beim Ver- 
dunsten der salzsauren Lösung hinterbleibt das salzsaure Salz der Säure 
als strahlige Krystallmasse, Das Silbersalz der Säure wird aus der 
wässrigen Lösung derselben durch salpetersaures Silber als amorpher 
Niederschlag gefällt. Es ist in sehr viel heissem Wasser löslich und 
fällt beim Erkalten iu sehr kleinen, sternförmig gruppirten Nadeln aus. 

Analyse: Ber. für C,H,.C,H,N.COO As. 

Procente: Ag 35.22. 
Gef. z 2.,80.03. 

Die «-Stellung der Carboxylgruppe wurde zunächst durch die Roth- 
färbung wahrscheinlich gemacht, welche die wässrige Lösung der Säure 
dureh Eisenvitriol erfuhr, eine Reaction, welche nach den Untersuchungen 
Skraups') nur den «-Carbonsäuren des Pyridins zukommt. Ein anderer 
Nachweis der Stellung der Carboxylgruppen gründet sich auf die mehr 
oder minder grosse Leichtigkeit, mit welcher sich dieselben abspalten 
lassen. Während die in der ß- und y-Stellung befindlichen Carboxyl- 
gruppen erst bei der Destillation mit Natronkalk abgespalten werden, 
tritt die Abspaltung bei den «-Pyridincarbonsäuren schon beim Kochen 
mit Eisessig oder beim blossen Erwärmen ein. Beim Erhitzen der oben 
beschriebenen Säure über ihren Schmelzpunkt findet zwischen 190 und 
200° lebhafte Kohlensäureentwickelung statt, während ein Phenylpyridin 
hinterbleibt. Demnach kann der Carboxylgruppe nur die «-Stellung zu- 
kommen. Das Phenylpyridin musste sich nunmehr mit einem der drei 
überhaupt möglichen Phenylpyridine, welche sämmtlich bekannt sind, 
identifieiren lassen, wodurch auch der Stellungsnachweis für die Phenyl- 
gruppe erbracht wurde. Da das y-Phenylpyridin bei 77° schmelzende 
Blättehen bildet, das &- und B-Phenylpyridin aber ebenso wie die aus 
obiger Säure erhaltene Base Flüssigkeiten darstellen, so konnten nur 
diese beiden in Betracht kommen. Die charakteristischsten Unter- 
scheidungsmerkmale des «- und ß-Phenylpyridins liegen in den Schmelz- 
punkten ihrer Pikrinsäuresalze und im Krystallwassergehalt der Platin- 
salze.?) Das Pikrinsäuresalz der &-Verbindung schmilzt nach Skraup 
und Cobenzl bei 169—172°, das der ß-Verbindung bei 161—163°. 
Das Pikrinsäuresalz des von mir erhaltenen Phenylpyridins schmilzt glatt 
bei 172°. Ebenso konnte das Platinsalza mit dem des «-Phenylpyridins 
identifieirt werden, welches nach Skraup und Cobenzl mit 2 Mole- 
külen Krystallwasser krystallisirt, während das der B-Verbindung deren 
3 besitzt. 

reise: Ber, ‚für (G;H,.C;H, N” Ho), PtCl, 4 2H,0, 

Prbenid: Pt 25.74, 
Gef. - 23,8% 


!) Monatsh. 1886, 211. 
?) Skraup und Cobenzl, Monatsh. 1883, 456 und 473. 


ss Jahresbericht der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. 


Damit ist die oben beschriebene Base mit Sicherheit als «-Phenyl- 
«-methylpyridin und die aus ihr gewonnene Säure als &-Phenyl-«-pyridin- 
carbonsäure nachgewiesen. 


&-Phenyl-x-methylpiperidin. 

Die Reduction des «&-Phenyl-«-methylpyridins mit Natrium und 
Alkohol verläuft sehr glatt. Die entstehende Base ist eine bei 257—259° 
(eorr.) siedende, farblos übergehende Flüssigkeit. 

Analyse: Ber, für C,H,.C,H,N.CH,. 

Procente: C 82.28, H 9.71, N 8.00. 
Gef. = 282,49, 29.80, 23:00. 

Das salzsaure Salz der Base ist in Wasser und Alkohol sehr leicht 
löslich und hinterbleibt beim Eindunsten der Lösung syrupartig, dann 
harzartig erstarrend. Versetzt man aber die alkoholische Lösung des 
Salzes bis zur beginnenden Trübung mit Aether, so scheidet es sich 
nach kurzer Zeit in weissen Nadeln ab. Das Goldsalz fällt ölig, erstarrt 
aber alsbald zu goldglänzenden, in kaltem Wasser sehr wenig löslichen 
Blättehen vom Schmelzpunkte 97°. 

Analyse: Ber. für C,H,.C,H,N.CH,.HC1--AuC],. 

Procente: Au 38.16. 
Gef. - - 38.04. 

Platinchlorid verursacht in der salzsauren Lösung der Base keine 
Fällung, auch nicht auf Zusatz von Alkohol. Auch beim Eindunsten 
der Lösung hinterbleibt kein krystallisirtes Salz. Pikrinsäure verursacht 
einen öligen Niederschlag. Die Base bildet eine ölige Nitrosoverbindung. 
Auch die Benzoylverbindung ist nicht zum Krystallisiren zu bringen. 

«&-Diphenylpyridin. 

Der glatte Verlauf der Ueberführung des Cinnamylenacetoxims in 
a-Phenyl-«'-Methylpyridin liess erwarten, dass ähnlich constituirte Ver- 
bindungen dieselbe Reaction eingehen würden. 

Als Ausgangsmaterial für die weitere Untersuchung suchte ich durch 
Condensation von Zimmtaldehyd und Acetophenon das Cinnamylenace- 
tophenon zu erhalten: 

C‚H,.CH:CH.CHO-CH,.CO.C,H, 

—= (,H,.CH:CH.CH:CH.CO.C,H, +H,0, 
dessen Oxim bei der oben beschriebenen Reaction das «&«-Diphenyl- 
pyridin liefern musste: 

0,H,.CH:CH.CH:CH.C.C,H, 

HON 
— 0,H,.0:CH.CH:CH.C.QH,+H,0 

Das Cinnamylenacetophenon wird nach folgendem Verfahren erhalten. 

50 g Zimmtaldehyd und 45 g Acetophenon werden in 200 g Alkohol 


II. Abtheilung. Naturwissenschaftliche Section. 89 


gelöst und mit 20 g 10 procentiger Natronlauge versetzt. Die Mischung 
nimmt zunächst eine rothbraune Farbe an und nach einer halben Stunde 
beginnt Krystallausscheidung. Nach einigen Stunden ist die ganze Flüssig- 
keit von mehrere Centimeter langen, goldgelben, spiessigen Nadeln durch- 
setzt. Aus Alkohol umkıystallisirt schmelzen dieselben bei 102—103". 
Die Verbindung giebt mit concentrirter Schwefelsäure eine kirsch- 
rothe Farbe. 
Analyse: Ber. für C,„H,,O. 
Procente: C 87.17, H 5.98. 
Gef. - 3 0rsa =: 08109. 


Zur Ueberführung des Ketons in das Oxim löst man 20 Theile 
desselben in soviel heissem Alkohol, als zur Lösung erforderlich ist, 
setzt 10 Theile salzsaures Hydroxylamin hinzu und kocht 2 Stunden am 
Rückflusskühler. Versetzt man die Flüssigkeit nach dem Erkalten bis 
zur beginnenden Trübung mit Wasser, so scheidet sich das Oxim nach 
kurzer Zeit als Kıystallbrei ab. Dasselbe ist in heissem Alkohol sehr 
leicht löslich und fällt beim Erkalten in nahezu farblosen, verfilzten 
Nadeln vom Schmelzpunkt 131° aus. 


Analyse: Ber. für C,,.H,,:NOH. 
Procente: N 5.62. 
Gef, = 2 BL 


Das Oxim ist nicht flüchtig, doch empfiehlt es sich auch hier nicht, 
die Destillation in einer Retorte vorzunehmen, da die Reaction, wenn 
die Temperatur hoch genug gestiegen ist, durch die ganze Masse auf 
einmal vor sich geht, wobei ein Uebersteigen der geschmolzenen Masse 
unvermeidlich ist. Wird im Verbrennungsrohr hingegen nur ein kleiner 
Theil der Substanz auf einmal erhitzt, so erzielt man einen regelmässigen 
Gang der Destillation. Es sammelt sich in der Vorlage eine. durch 
brenzliche Producte stark verunreinigte, beim Erkalten erstarrende Base, 
welche aus der durch Ausschütteln mit Aether gereinigten salzsauren 
Lösung durch Natronlauge als krümliche Masse abgeschieden wird. Aus 
Alkohol krystallisirt sie in mehrere Centimeter langen, in ganz reinem 
Zustande schneeweissen Nadeln. Die Ausbeute an Base beträgt ungefähr 
30 pCt. des angewandten Oxims.. Wie die Analyse zeigt, ist ein 
Diphenylpyridin entstanden. 

Analyse: Ber. für (C,H,),C,H,N. 

Procente: C 88.31, H 5.62, N 6.06. 
Gef. - = 88.52, = 5,87, = 6.33. 


Nach dem Verlauf der Reaction kann hierbei nur die Entstehung 
des &&-Diphenylpyridins erwartet werden. Von den 6 möglichen 
Diphenylpyridinen ist bisher nur ein einziges bekannt und zwar ist dies 


90. Jahresbericht der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. 


das aa’-Diphenylpyridin, welches von Paal und Strassner') und von 
Doebner und Kuntze’) auf zwei ganz verschiedenen Wegen gewonnen 
wurde. In beiden Fällen wurde eine Base vom Schmelzpunkt 81° er- 
halten. Das nach dem oben beschriebenen Verfahren gewonnene Diphenyl- 
pyridin schmilzt glatt bei 81°, weicht aber in anderer Beziehung erheb- 
lich von der von Paal und Strassner beschriebenen Base ab. Diese 
letztere gab ein sehr leicht lösliches Platinsalz, welches selbst aus der 
concentrirten Lösung der salzsauren Base auf Zusatz concentrirter Platin- 
chloridlösung nicht ausfiel, sondern erst durch Aether-Alkohol zur Fällung 
gebracht wurde. Das von mir dargestellte Diphenylpyridin hingegen 
giebt ein aus verdünnten wässrigen Lösungen sofort krystallinisch aus- 
fallendes, in kaltem Wasser sehr wenig lösliches Platinsalz. Beim Um- 
krystallisiren aus heissem Wasser erhält man dasselbe in langen, orange- 
farbenen Nadeln, welche 2 Moleküle Krystallwasser Aalen und in 
lufttrockenem de bei 195° schmelzen. 

Analyse: Ber. für [(C,B,),C,H,;,N .. HCI, + PtCl, +2B,0. 

Procente: Pt 21.42, C 44,98, H 3.52. 
Gef, = = 21.32, 5 44.83, = 3.99, 

Das Goldsalz, ebenfalls in kaltem Wasser schwer löslich, bildet 
grosse gelbe Nadeln und schmilzt bei 204°, 

Analyse: Ber. für (C,H,),C,H,N. HC1-- AuCl.. 

Procente: Au 34.46. 
Gef. = = 34,32. 

Das pikrinsaure Salz, aus dunkelgelben, in kaltem Wasser schwer 
löslichen Nadeln bestehend, schmilzt bei 169°. 

Analyse: a für (C, u ;).C,; H,; N. C,H,NO.. 

Procente: N 12.17. 
Gef. - = 12.03. 

Das Jodmethylat wird durch mehrstündiges_ re der Base mit 
Jodmethyl und Methylalkohol auf 100° gewonnen. Es bildet aus Wasser 
umkrystallisirt grosse, nahezu farblose, prismatische Krystalle. Der 
Schmelzpunkt derselben liegt bei 194%, Paal und Strassner fanden 
den Schmelzpunkt des Jodmethylats ihrer Base bei 203°, doch zeigt der 
Unterschied der Löslichkeit der Platinsalze zur Genüge, dass die beiden 
Basen unmöglich identisch sein können. Die Beschreibung der von 
Doebner und Kuntze dargestellten Base bietet ausser dem Schmelz- 
punkt keine zu einem strengen Vergleich geeigneten Angaben. Den 
von den genannten Autoren beim Erhitzen ihrer Base wahrgenommenen 
zimmtartigen Geruch konnte ich ebenfalls bemerken, 

Der Versuch, den einfachsten Weg, der über die Stellung der 
Seitengruppen Aufklärung verschafft, einzuschlagen, nämlich die Oxydation 


}) Ber. d. deutsch. chem, Ges. 28, 2764. ?) Ann. d. Chem. 249, 121 u. 252, 349. 


II. Abtheilung. Naturwissenschaftliche Section. 91 


der Base zu einer bekannten Säure, führte nicht zum Ziele. Durch 
übermangansaures Kali wurde die Base völlig zerstört und bei der 
Oxydation mit Chromsäure konnte als einziges Oxydationsproduct Benzo&- 
säure isolirt werden. Da indessen nicht anzunehmen ist, dass die Reaction 
bei der Entstehung dieser Base anders verläuft, wie beim «-Phenyl- 
&-Methylpyridin und da sowohl Paal und Strassner wie Doebner 
und Kuntze die Stellung der beiden Phenylgruppen lediglich aus dem 
Verlauf der Synthese folgerten, so muss die Frage, welche der drei 
bisher als «&-Diphenylpyridin beschriebenen Verbindungen diese Base 
wirklich darstellt, offen gelassen werden. 

Den Siedepunkt der Base bestimmte ich mit einem bis 550° eali- 
brirten Geissler’schen Thermometer und fand denselben zwischen 396 
und 398° (corr.) Die Base hinterlässt hierbei nur einen geringen kohligen 
Rückstand. 

&&-Diphenylpiperidin, 

Bei der Reduction mit Natrium und Alkohol entsteht eine bei 
867— 368° (corr.) unzersetzt siedende Base, welche nicht erstarrt, in der 
Kälte aber diekflüssig wird. Dieselbe stellt das ««'- Diphenylpiperidin dar. 

Analyse: Ber, für (C,H,),C,H,N. 

Procente: C 86.07, H 8.01, N 5.90. 
Gef. z = 85.94, = 8.06, = 5.87. 

Die Base löst sich nur in sehr geringer Menge in Salzsäure, giebt 
aber, mit concentrirter Salzsäure geschüttelt, ein krystallisirtes salzsaures 
Salz, welches-in Alkohol leicht löslich ist. 

Analyse: Ber. für (C,H,),0,H,N.HCl, 

Procente; Cl 12.95. 
Gef. e = 13.13. 

Das Salz schmilzt erst bei 298°. Gold- und Platinchlorid geben 
in der alkoholischen Lösung des Salzes keine Niederschläge; beim Ein- 
dunsten der Lösung tritt Zersetzung ein, Hingegen giebt die Base mit 
Pikrivsäure ein bei 198° schmelzendes Salz. 

Analyse: Ber, für (C,H,),. C,H,N.C,H,NO,. 

Procente: N 12.01. 
Gef. = 4.12.23. 


Wie aus den Formeln der Oxime des Cinnamylenacetons und des 
Cinnamylenacetophenons ersichtlich ist, könnte die Reaction auch in der 
Weise verlaufen, dass nicht das der Phenylgruppe benachbarte, sondern 
das zweite Kohlenstoffatom die Ringschliessung vermittelt, was die 
Bildung eines fünfgliedrigen Ringes zur Folge haben würde, Ein Theil 
des Oxims scheint sich in der That in diesem Sinne umzusetzen, denn 
der sehr geringe Vorlauf, welcher bei der Destillation des «-Phenyl- 
&-Methylpyridins erhalten wird, zeigt deutlich die Pyrrolreaction. 


99 7 Jahresbericht der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. 


Zur Entstehung der Dolomitkogel in Süd-Tirol. 
Von 
Dr. W. Volz. 


Nach einer kurzen Besprechung der jetzt darüber bestehenden 
Theorien: Der Entstehung durch Korallen oder anderseits durch Diploporen, 
legte der Vortragende eine Beobachtung dar, die Herr Professor Dr. 
Frech und später auch der Vortragende am Richthofen-Riff, unweit 
St. Cassian in Süd-Tirol gemacht hat, eine Beobachtung, die stark zu 
Gunsten der Richthofen-Mojsisoviesschen Korallenrifftheorie spricht: Man 
findet am genannten Ort in den Mergeln der Forcella zahlreiche mit 
Korallen dicht erfüllte Kalkblöcke, die sog. Riffsteine.e Bei den in 
Mergel eingebetteten ist die Structur vorzüglich erhalten, die Kalkfarbe 
ist dunkelbraungrau. Je näher dem Riff, desto mehr verschwindet die 
Structur, desto heller wird die Farbe, bis schliesslich die Korallen, auch 
in den Umrissen, lediglich noch bei Herauswitterung erkennbar sind, 
während auch die Färbung eine ganz helle geworden ist. Der Vor- 
tragende legte eine Serie solcher Korallenkalke vor, die diese allmäh- 
liche Umwandlung in deutlicher Weise zeigte. 


Analysen, die Herr stud. W. Herz auszuführen die Güte hatte, 
ergaben folgendes Resultat: 


| Ca CO, | Mg CO, |ve Al, 81 O, Erhaltungszustand. 
1, 98,28 0,21 1,5 Vorzüglich erhaltene Structur. 
2. 95,27 4,14 0,5 Schlecht erhaltene Structur. 
B% 90,98 8,46 0,5 Struetur nicht mehr kenntlich, 


Umrisse der Korallen sind 
noch deutlich. 

4, 85,14 14,34 0,5 ° | Umrisse im Bruch fast absolut 
unkenntlich, nur noch durch 
Herauswitterung ist die koral- 
logene Natur zu erkennen. 


5. 57,6 41,7 0,5 Si O, | Sog. reiner „Dolomit‘ des Sett 
(Ohne Al Sass mit Korallenhohlräumen. 
oder Fe) 


Es ist also deutlich, dass mit zunehmendem Gehalt an Mg CO, die 
. Deutlichkeit der Korallen abnimmt. Schon bei 14 pCt. Mg CO, ist die 
korallogene Natur im Bruch für das Auge nicht mehr zu erkennen. , 
Zugleich werden die Stücke heller an Färbung. Eine völlige Dolo- 
mitisirung muss also jede Spur von Structur vernichten. 


II. Abtheilung. Naturwissenschaftliche Section. 93 


Zur Kenntniss der Netaplumbate der Erdalkalien. 
Von 
Dr. B. Grützner und M. Höhnel. 


In neuerer Zeit gelang es G. Kassner!') durch Erhitzen der Car- 
bonate oder Oxyde der Erdalkalien mit Bleioxyd bleisaure Salze der 
Erdalkalien darzustellen, welche ihrer Zusammensetzung nach aufzufassen 
sind als Derivate der Orthobleisäure (Pb(OH),), in welcher die vier 
Wasserstoffatome der Hydroxylgruppen durch zwei Atome Calcium 
Strontium oder Baryum ausgewechselt sind, mithin den Verbindungen 
die Formeln Ca, PbO,, Sr, PbO, und Ba, PbO, zukommen. Die Verbin- 
dungen der Metableisäure (H, PbO,) mit den Erdalkalien sind jedoch 
in reinem Zustande noch nicht dargestellt worden. 

Es gelang uns nun von dem Caleiumorthoplumbat ausgehend durch 
Einwirkung von Natriumsuperoxyd oder Kalilauge das Caleiummetaplumbat 
zu erhalten. 


Darstellung des Calciummetaplumbates. 

Caleiumorthoplumbat, nach dem Verfahren von G. Kassner dar- 
gestellt, wurde durch Müllerseide gebeutelt, in einem Mörser mit Wasser 
angerührt und unter Umrühren in Portionen von 3-5 Gramm solange 
Natriumsuperoxyd zugesetzt, bis eine Probe des Breies, mit Wasser ver- 
setzt, einen rein weissen Niederschlag gab. Hierauf wurde in einen 
Kolben gespült und bis zur neutralen Reaction des Waschwassers durch 
Decantiren ausgewaschen. In letzterem konnten nur Spuren Blei, hin- 
gesen erhebliche Mengen Kalk nachgewiesen werden. Nach dem Ab- 
saugen mit der Wasserstrahlpumpe wurde auf Thontellern, schliesslich 
über Schwefelsäure im Exsiecator getrocknet. Das auf diese Weise er- 
haltene Pulver war rein weiss, unter dem Mikroskop deutlich würfel- 
förmig krystallisirt. 

Chemisches Verhalten des Caleiummetaplumbates. 

Eine Probe mit Wasser angeschüttelt und mit Essigsäure versetzt, 
giebt nach dem Ausfällen des Bleis mit Schwefelwasserstoff ein Filtrat, 
welches nur Calcium und kein Natrium enthält. Kohlensäure war nur 
in Spuren vorhanden. Beim Erhitzen im Glühröhrehen macht sich Ab- 
scheidung von Wasser und Entwickelung von Sauerstoff bemerkbar. 
Der Rückstand ist gelb bis braun gefärbt. Durch Trocknen bei 120° 
tritt kaum eine Gewichtsabnahme ein, es zeigt sich jedoeh der Beginn 
der Zersetzung durch schwache Gelbfärbung an. Mit Salzsäure entwickelt 
sich reichlich Chlor unter Abscheidung von Chlorblei. Weder durch 
kaltes noch durch warmes Wasser war eine Veränderung des Präparates 
wahrzunehmen und unterscheidet sich hierdurch das Caleiumsalz vortheil- 


‘) Arch, d. Pharm. 1890. Band 228. pag. 109. 


04T Jahresbericht der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. 


haft von dem Natriummetaplumbat. Wird dagegen dem Wasser etwas 
kohlensaures Alkali zugesetzt, so scheidet sich beim Erwärmen Blei- 
superoxyd ab. Concentrirte Schwefelsäure bewirkt Sauerstoffentwickelung 
unter Bildung von Bleisulfat. Verdünnte Essigsäure scheidet beim Kochen 
alles Blei als Superoxyd ab, im Filtrat ist nach sofortigem Filtriren 
keine Spur Blei durch Schwefelwasserstoff, dagegen sind grosse Mengen 
von Kalk durch Ammonoxalat nachweisbar. Salpetersäure, sowie ver- 
dünnte Schwefelsäure bewirken die gleiche Umsetzung. Kohlensäure 
wirkt in der Kälte wenig, rascher beim Erwärmen unter Bildung von 
Bleisuperoxyd ein. 
Quantitative Bestimmung des Calciummetaplumbates. 

Die quantitative Analyse wurde in folgender Weise ausgeführt. 
Eine abgewogene Menge Substanz wurde mit Wasser übergossen, mit 
Essigsäure im Ueberschuss erwärmt und durch anhaltendes Einleiten von 
Schwefelwasserstoffgas alles Bleisuperoxyd in Schwefelblei übergeführt. 
Das abfiltrirte und mit schwefelwasserstoffhaltigem Wasser ausgewaschene 
Bleisulfid wurde nach dem Trocknen unter Beobachtung der nothwendigen 
Vorsichtsmaassregeln im Porzellantiegel in Bleisulfat übergeführt und ge- 
wogen, Im Filtrat vom Bleisulfid wurde Calcium als Oxalat gefällt und 
als Oxyd gewogen. Die Menge des Wassers aus dem Glühverluste zu 
berechnen, ist nicht angängig, da Versuche zeigten, dass durch anhalten- 
des Erhitzen bei 60-—70° 0,26, bei 115° nur 1,01 Proz. Wasser fort- 
sehen und bei höherer Temperatur Zersetzung der Substanz eintritt. Es 
wurde daher der Wassergehalt durch direete Wägung des Wassers be- 
stimmt. Die Bestimmung der geringen Menge Kohlensäure, welche das 
Präparat als Caleiumearbonat enthielt, wurde gewichtsanalytisch im 
Apparat von Fresenius vorgenommen und die gefundene Kohlensäure 
auf Caleiumcarbonat umgerechnet. 

Gef. im Mittel: 64,33%, PbO, 


16,52 - CaO 
1,35 2 CaCO, 
17,83 = H,O Lie 


auf Caleiumcearbonat freie Verbindung umgerechnet: 
sef. 65,19%, PbO, 
16,75 - CaO 
18,07 - H,O 
berechnet für Ca PbO,--4 H,O: 65,07%, PbO, 
i 15,27 - CaO 
} 19,64- H,O 
Aus den gefundenen Werthen ergiebt sich ohne Zweifel, dass 
die vorliegende Verbindung aus Caleiummetaplumbat bestand, welches, 
wie das Natriummetaplumbat mit 4 Mol. Krystallwasser krystallisirt und 
beim Trocknen im Vacuum bereits etwas Wasser verloren hatte, 


II. Abtheilung. Naturwissenschaftliche Section. 95 


2. Art der Darstellung von Caleciummetaplumbat. 


Wir versuchten nun, ob es nicht möglich wäre, schon durch Ein- 
wirkung von Aetzalkalien ohne Anwendung des Natriumsuperoxydes das 
Orthoplumbat in das Metaplumbat überzuführen, indem wir Caleium- 
orthoplumbat, mit ca. 53°, Lauge erst bei gewöhnlicher Temperatur, 
dann in der Wärme des Wasserbades digerirten, jedoch ohne Erfolg. 
Es war selbst nach mehrtägigem Erhitzen keine wahrnehmbare Ver- 
änderung eingetreten. Aber auch gegen Natriumsuperoxyd zeigte sich 
dieses, sowie ein zweites für diesen Versuch verwendetes Orthoplumbat 
wenig reactionsfähig. Das Reactionsproduct war grau und mit viel un- 
verändertem Orthoplumbat vermischt. Von der Annahme ausgehend, 
dass durch zu starkes Glühen das Orthoplumbat in seiner Reactions- 
fähigkeit geschwächt worden sei, wiederholten wir die Versuche mit 
einem nur bei mässiger Rothgluth dargestelltem Caleiumorthoplumbat. 
Der Erfolg war ein überraschender. Schon nach wenigen Minuten des 
Digerirens mit Kalilauge bei gewöhnlicher Temperatur begann der Nieder- 
schlag voluminös und bald darauf krystallinisch zu werden, gleichzeitig 
sing die Farbe in eine weisse über, welche nach dem Auswaschen und 
Trocknen des Präparates kaum einen Stich ins Gelbe zeigte. 

Gestützt auf obige Versuche, möchten wir uns der Ansicht zuneigen, 
dass für die gute Umsetzungsfähigkeit des Orthoplumbates zu hohe Tem- 
peratur bei der Darstellung zu vermeiden ist. 

Die Analyse der durch Digestion mit Kalilauge erhaltenen Ver- 
bindung ergab, dass auch hier das mit 4 Mol. krystallisirte Metaplumbat 
des Caleiums vorlag. 


Silbersalz der Metableisäure. 


Digerirt man gebeuteltes und mit Wasser angeschlemmtes metablei- 
saures Caleium bei gewöhnlicher Temperatur mit überschüssiger Silber- 
nitrat-Lösung, so bemerkt man schon nach kurzer Zeit eine Veränderung. 
Das ursprünglich weisse Pulver wird bald missfarbig, grau, schliesslich 
sammetschwarz und krystallinischh Im Filtrat sind neben dem über- 
schüssigen Silber beträchtliche Mengen Kalk, aber kein Blei nachzuweisen. 
Nach dem vollständigen Auswaschen des Reactionsproductes mittels 
kaltem Wasser wurde abgesaugt und auf Thonplatten im Schwefelsäure-_ 
Exsiecator getrocknet, Das mikroskopische Bild zeigte deutlich würfel- 
förmig ausgebildete Kıystalle und war vollständig einheitlich. Mit 
Salpetersäure übergossen schied sich Bleisuperoxyd ab, während im 
Filtrat neben Silber geringe Spuren Blei und wenig Kalk enthalten 
‚waren. Bei dem Behandeln des Präparates mit Säuren konnte auch 
etwas Kohlensäure, die in Form von Caleiumcarbonat das Silbersalz ver- 
unreinigte, nachgewiesen werden. Bei 120° getrocknet, verlor das Silber- 
salz 1,29%, H,O und nahm eine stahlgraue Farbe an, 


2) Sl Jahresbericht der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. 


Analyse des Silbersalzes. 

Zur quantitativen Bestimmung wurde das bei 120° getrocknete 
Präparat benutzt. Die Silberbestimmung wurde in der Weise ausgeführt, 
dass das mit Wasser angeschüttelte Pulver mit Salzsäure erwärmt wurde, 
wobei unter Chlor-Entwickelung sich Chlorsilber abschied, welches sich 
auch bald durch geringen Zusatz von Salpetersäure zusammenballte und 
klar absetzte. Das mit kochendem Wasser ausgewaschene Chlorsilber 
wurde in üblicher Weise als solches bestimmt. Im Filtrat wurde Blei 
durch Schwefelwasserstoff gefällt und in Bleisulfat übergeführt. Zur 
Kalkbestimmung wurden 2—3 Gramm Substanz in Arbeit genommen 
und nach Entfernung des Silbers und des Bleies durch Ammonoxalat 
gefällt. Der gefundene Kalk wurde auf Caleiumearbonat umgerechnet, 

Gefunden und auf CaCO, freie Verbindung berechnet: 

53,290), ,,A2,0, 44.010, BbO,, ; 
für metableisaures Silber (Ag,PbO,) berechnet sich: 
49,31 Proc. Ag,O und 50,69 Proc. PbO,. 

Es konnte demnach ein Salz obiger Zusammensetzung nicht vor- 
liegen. Auffallend ist der hohe Silbergehalt der Verbindung. Es wurde 
daher nochmals und zwar etwas abweichend von der oben angegebenen 
Methode die Silberbestimmung vorgenommen. Statt mit Salzsäure wurde 
das Silbersalz mit Salpetersäure bis zum Sieden erhitzt und im Filtrat 
vom abgeschiedenen Bleisuperoxyd die Fällung des Silbers mit Chlor- 
natrium vorgenommen. Wie zu erwarten, erwies sich das Chloxsilber 
vollständig bleifrei. Die gefundene Menge betrug 53,06 Proc. auf Ag,O 
berechnet, während durch Zersetzung mit Salzsäure im Mittel 53,23 
Proc. Ag,O gefunden wurde. Ermittelt man durch Division mit den 
Molekulargewichten das einfachste Verhältniss von Silberoxyd zu Blei- 
superoxyd, so gelangt man zu den Zahlen 0,257 Ag,O zu 0,187 PbO, 
oder 1,27 Ag,O zu 1 PbO,, vervierfacht 5 Ag,O zu 4 PbO,. Es gewinnt 
den Anschein, als ob hier der seltene Fall eines basischen Silbersalzes 
vorliegt, dessen Zusammensetzung sich vielleicht durch die Formel 
(Ag,PbO,),Ag,O zum Ausdruck bringen liesse. 


Hierfür berechnet sich: sefunden: 
54,71 Proc. Ag,O 55,29 Proc. Ag,O 
45,28 =. Pb0, 44,71 = Pb0,. 


Ein Salz von der Zusammensetzung (Ag,Pb0,),Ag,0 ‘enthält 10,94 
Proc. Ag,O, welches nicht an Blei gebunden ist. Bei einem Versuch, 
durch Digeriren mit annähernd 5 Proc. Ammoniak diesen Gehalt an 
Silberoxyd zu bestimmen, wurden, auf caleciumcarbonatfreie Verbindung 
- berechnet, 13,30 Proc. Ag,O gefunden. Allerdings waren hierbei auch 
kleine Mengen von bleisaurem Silber in Lösung gegangen, wie Reactionen , 
auf Blei erkennen liessen. Es erklärt sich hierdurch der zu hoch ge- 
fundene Silberoxydgehalt. Der Rückstand yom Digeriren mit Ammoniak 


Ii. Abtheilung. Naturwissenschaftliche Section. 97 


zeigte nach dem Trocknen eine rein graue Farbe und unter dem Mikro- 
skop deutlich würfelförmige Krystalle. Er bestand aus reinem metablei- 
saurem Silber (Ag, PbO,). 

Bei den Versuchen nach oben beschriebenen Methoden Strontium- 
und Baryummetaplumbat darzustellen, zeigte es sich, dass die Ortho- 
plumbate selbst nach wochenlangem Digeriren mit Kalilauge sich nicht 
umsetzen. Natriumsuperoxyd wirkte wohl ein, jedoch ungleich schwerer 
als bei der Kalkverbindung. Es blieb immer noch ein nieht unbeträcht- 
licher Theil des Orthoplumbates dem Reactionsproduct beigemischt und 
dieser konnte selbst durch wiederholtes Schlemmen nicht vollkommen 
getrennt werden. Bei dem Auswaschen des durch Umsetzung erhaltenen 
weissen Bodensatzes mit Wasser macht sich alsbald eine Zersetzung 
durch Gelb- oder Orangefärbung bemerkbar, die auch nicht verhindert 
wird, wenn ein ca. 50 procentiger Alkohol als Waschflüssigkeit angewendet 
wird. Das Endproduct war stets ein Gemisch, keine einheitliche Substanz. 
Das Blei war als Oxyd und als Superoxyd in wechselnden Mengen vor- 
handen. Es erscheint daher ausgeschlossen, auf diesem Wege zu Ver. 
bindungen des Strontiums und Baryums zu gelangen, welche dem Meta- 
plumbat des Calciums entsprechen. 

Durch Einwirkung von Baryumsuperoxyd auf Bleioxyd wurde ein 
sraues Baryumplumbat erhalten; in Folge der Zersetzbarkeit durch Wasser 
selang es jedoch nicht, die Verbindung in reinem Zustande zu erhalten. 
Bleisuperoxyd und Baryumhydroxyd in wässeriger Lösung geben selbst 
bei längerem Kochen keine Veränderung. Wurde jedoch der Versuch 
unter Zusatz von Lauge ausgeführt, so verschwand das Bleisuperoxyd, 
und es entstand ein weisser Niederschlag, aus welchem sich beim Aus- 
waschen mit Wasser kleine orangegelbe Krystalle ausschieden. Diese 
selben Krystalle zeigten alle Reactionen eines Plumbates, waren jedoch 
in kleiner Menge mit einem weissen Körper gemischt, von dem sie nicht 
getrennt werden konnten. Dieselbe Reaction mit Strontiumhydroxyd 
ausgeführt, führte zu keinem befriedigenden Resultat. 

Wenn es uns auch nicht gelungen ist, die Metaplumbate des Stron- 
tiums und Baryums zu erhalten, so glaubten wir doch von der Mit- 
theilung dieser negativen Resultate umsoweniger Abstand nehmen zu 
müssen, als daraus hervorgeht, dass die einfache Methode der Darstellung 
für das Caleiumsalz nicht für die ihm so nahestehenden Verbindungen 
des Strontiums und Baryums zu verallgemeinern geht. 


Ueber ein Eisloch in Schlesien. 
Von 
Director Krieg. 
Wie ich in der Schlesisechen Zeitung vom 28. Juli 1395 schon mit- 
theilte, habe ich am „kahlen Berge“ in Polnisch-Hundorf zwischen 
189, 7 


98 Jahresbericht der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. 


Schönau und Goldberg in Schlesien eine sogenannte Eishöhle aufge- 
funden, meines Wissens die erste nunmehr bekannt gewordene in Schlesien. 
Es war mir gelegentlich mitgetheilt worden, dass es an diesem Ort im 
Basaltgerölle eine kleine Höhle, eigentlich nur eine Bodenvertiefung, 
gäbe, in welcher sich im Sommer noch Schnee und Eis vorfände; es 
wäre das den dortigen Landleuten längst bekannt, und man kühle sich 
dort im Sommer die Getränke und conservire Speisen in der Hitze. 
Diese Mittheilungen reizten mich zu einer kleinen Untersuchung dieser 
Behauptungen, die ich voll und ganz bestätigt fand. 

Der Kahleberg gehört einem Sandstein-Höhenzuge an, der etwa 
von Löwenberg über Goldberg nach Jauer zu streicht. Er ist mehrfach 
von Basalt durchbrochen, und innerhalb einer völlig vegetationslosen 
Halde von Basaltgerölle, die sich auf der Südseite des Berges vom 
obersten Rücken bis fast an die Thalsohle in einer Breite von mehreren 
hundert Metern erstreckt, liegt unsere kleine Höhle. Diese, durch ihre 
schwarzblaue Farbe bis auf weite Ferne sichtbaren, Geröllstreifen haben 
dem Berge wohl auch den Beinamen des kahlen gegeben. 

Ich begab mich an einem heissen Sommertage, am 21. Juli, bei 
einer Lufttemperatur von 24° C dorthin und fand erst nach längerem 
Suchen die kleine Eishöhle, eine kleine trichterartige Vertiefung von 
etwa 2 m oberem Durchmesser und eben solcher Tiefe mit nach Süden 
gerichteter Oeffnung, mitten im Sonnenbrand, die schwarzen Basaltsteine 
in der Umgebung so heiss, dass man sie kaum anfassen konnte. Wenn 
man in dies kleine Loch stieg, so wehte Einem gleich eine eisig kalte 
Luft entgegen. Ein mitgebrachtes, in ', Grade getheiltes, Normal- 
Thermometer zeigte in 1 m Tiefe schon nur noch 2,6° C und am Boden 
des Loches nur noch 0,6°. Meine Vermuthung, dass unter diesen Um- 
ständen auch sicher wohl noch Eis vorhanden sein müsse, bestätigte sich 
auch bald, indem ich nach Hinwegräumung von etwas Laub und Roll- 
steinen ein Stück klaren Eises von etwa 30 em Länge, 10 cm Breite 
und 4 cm Dicke hervorholen konnte. Wenn die geeigneten Instrumente 
und Arbeitskräfte zur Hand gewesen wären, so würde das Resultat 
ein noch mehr in die Augen springendes gewesen sein; ‚doch kam es 
mir zunächst nur darauf an, zu constatiren, dass wirklich Eis vorhanden 
war! — Das Eisloch soll, wie die Besitzerin des betreffenden Grund- 
stücks Wittwe Kretschmer in Poln.-Hundorf mir sagte, früher viel grösser 
gewesen und in den letzten Jahren durch nachrollende Basaltstücke mehr 
und mehr verschüttet worden sein. 

Nach der Generalstabskarte liegt der Kahleberg 444 m hoch über 
- dem Meeresspiegel, der 'an seinem Fusse im Thal fliessende Wilsbach, 
der zwischen Neukirch und Goldberg in die Katzbach mündet, 267 m; 
in etwa 300 m Höhe liegt unsere kleine Eishöhle. Am Fusse des Berges 
befindet sich eine ziemlich starke Quelle, deren Temperatur ich an dem 


II. Abtheilung. Naturwissenschaftliche Section. 99 


genannten Tage auf 6° C festgestellt habe, während die gewöhnliche 
Quellentemperatur doch wohl zu 9 bis 10° C anzunehmen wäre, ein 
Zeichen, dass diese Quelle von der etwa 33 m höher liegenden Eishöhle 
sicher beeinflusst wird. 

Ich will schliesslich nicht unerwähnt lassen, dass aus den Gestein- 
spalten, resp. den Oeffnungen zwischen dem Basaltgerölle in der kleinen 
Höhle ein kalter Luftstrom herauswehte, wie ich durch eine hineingehaltene 
Kerzenflamme bestimmt constatiren konnte. 

Wenn wir nun nach der Erklärung dieser anomalen Temperatur- 
verhältnisse der Eishöhlen im Allgemeinen fragen, so ist darüber schon 
viel geschrieben und mancherlei Theorien aufgestellt worden, doch harrt 
die Sache immer noch einer endgültigen Aufklärung, 

Alle bisher bekannt gewordenen Eishöhlen liegen in der nördlich 
gemässigten Zone etwa zwischen 40° und 60° d. h. nur an solehen Orten, 
wo im Winter die Temperatur unter 0° sinkt. Einzelne Ausnahmen, 
wie auf Teneriffa in 28° nördlicher Breite, liest die Höhle in solcher 
Höhe über dem Meeresspiegel (3260 m), dass auch hier im Winter das 
Thermometer unter Null sinkt. Eine zeitweise Lufttemperatur unter dem 
Gefrierpunkt ist also unbedingtes Erforderniss für die Möglichkeit einer 
Eishöhlenbildung. Es müssen aber noch ganz besondere Umstände und 
Bedingungen erfüllt werden; denn sonst müssten die Eishöhlen ja ungleich 
häufiger zu finden sein. 

Ich glaube, man muss die Eishöhlen in zwei Gruppen unterscheiden, 
in welchen die Eisbildung, bezüglich Eis-Conservirung auf ganz ver- 
schiedene Weise bewirkt wird. Es giebt Eishöhlen in porösem Kalk- 
stein und Sandstein, und das sind wohl die häufigsten, und solche in 
Basaltserölle. Die ersteren (wie z. B. die berühmte Dobschauer) hat 
man statische oder eigentliche Eishöhlen, die letzteren (wie die 
am Kahlenberge) dynamische auch Windröhren genannt. "Bei den 
statischen Höhlen im porösen Kalkstein spielen wahrscheinlich die 
Capillaren eine grosse Rolle, durch welche überkältetes Wasser in die 
Höhle dringt und dort beim Austritt sofort erstarrt. (Ich habe darüber 
ausführlich in 1883 No. 1 der Mittheilungen der Section für Höhlenkunde 
des österreich. Touristen-Clubs berichtet.) Das vulkanische Gestein, der 
Basalt, ist dagegen für Wasser ganz undurchlässig und enthält keine 
Capillaren; hier muss also die anomale Abkühlung durch eine besondere 
Gestaltung der zwischen den einzelnen Rollsteinen und Spaltstücken be- 
stehenden Räume hervorgebracht werden. Man kann sich die Sache 
folgendermaassen vorstellen: die eisbildende Stelle, das Eisloch, liegt ge- 
wöhnlich am Abhang eines Berges und muss durch günstig gelegene 
Zwischenräume zwischen den einzelnen Steinen, auch durch Spalten und 
Kanäle tief im anstehenden Gestein mit höher gelegenen Theilen des 
Berges in Verbindung stehen. Es bestehen somit 2 von einander ge- 

7F 


100 Jahresbericht der Schles. Gesellschaft für vaterl. 'Cultur. 


sonderte Luftsäulen von gleicher Höhe, wovon die eine im Innern des 
Berges, die andere in der freien Atmosphäre liest. Diese suchen sich 
nach dem Gesetz der eommunicirenden Röhren das Gleichgewicht zu 
halten, was sofort eine Luftströmung hervorruft, sobald in beiden ein 
Temperaturunterschied vorhanden ist. Ist z. B. die innere Luft wärmer, 
also leichter als die Aussenluft, wie das bei uns von November bis 
Februar wohl meist der Fall sein wird, so strömt erstere in den Luft- 
kanälen des Berges aufwärts und letztere, die kältere Aussenluft, dringt 
innen nach, in die Höhle hinein und tritt als angewärmte Luft oben 
wieder aus. Auf diese Weise, durch das monatelange Circuliren eines 
kalten Luftstromes im Innern des Berges, wird ein grosses Quantum 
des Gesteins unter den Gefrierpunkt abgekühlt werden und einen grossen 
Kältespeicher für die Sommermonate abgeben. Im Sommer, von April 
bis September etwa, tritt der umgekehrte Fall ein; dann ist die Aussen- 
luft wärmer als die Luft in der Windröhre; es entsteht ein continuirlicher 
Luftstrom im Innern des Berges von oben nach unten. Die Luft wird 
bei dem Streichen durch die noch die Winterkälte habenden Steine so 
abgekühlt, dass die von aussen überall am Abhang des Berges etwa 
eintretende atmosphärische Feuchtigkeit gefriert resp. Eis bildet, und 
wenn sie nicht Eis bildet, das vom Winter her im untern offnen Theile 
der Windröhre resp. in dem Eisloch vorhandene Eis conservirt. An 
unserm Eisloch am kahlen Berge habe ich ja auch am 21. Juli sehr 
deutlich den kalten aus den Steinen herauswehenden Luftstrom constatiren 
können. Dass die so frappirende Kälte ausserdem durch die Verdunstung 
im Innern des Berges, wo die trockene Luft auf Feuchtigkeit trifft, noch 
besonders gesteigert werden kann, ist leicht einzusehen. Immerhin 
müssen sicher eine Menge günstiger Umstände zusammenwirken, um die 
so seltene Erscheinung einer Eishöhle hervorzubringen und es fehlt noch 
immer an einer ganz erschöpfenden Erklärung des auffallenden Phänomens. 


Ueber die Histologie von fossilen Ganoidschuppen. 
Von 
Dr. Scupin. 

Der Vortragende sprach über die Histologie (mikroskopische Struetur) 
der Schuppen der Ganoiden, jener heute fast gänzlich erloschenen 
Klasse von Fischen, die in der paläozoischen und mesozoischen Formation 
eine so grosse Rolle gespielt und hier die Stelle unserer heutigen Knochen- 
fische eingenommen haben. Redner erläuterte zunächst an einer schema- 
. tischen Skizze eines Querschliffes den allgemeinen Aufbau einer Ganoid- 
schuppe und gab sodann eine Eintheilung der gesammten Fischklasse, 
wie sie sich seiner Meinung nach auf Grund des mikroskopischen Baues ' 
herausstellte. 


II. Abtheilung. Naturwissenschaftliche Section. 101 


Sitzung am 5. December 1895. 
Ueber den weissen Jura bei Inowrazlaw. 


Von 
Dr. E. Gallinek. 
Die Malmbildungen bei der Stadt Inowrazlaw selbst — es sind 
blaugraue Thone mit Kalken wechsellagernd — umfassen die ganze 


Oxford- und Kimmeridgelstufe. Das Liegende sind die Schichten mit 
Parkinsonia Parkinsoni und Maecrocephalites macrocephalus. Im Westen 
von Inowrazlaw sind bei Wapienno und Hansdorf weisse Kalke er- 
schlossen, welche dem unteren Oxford bis mittleren Kimmeridge ange- 
hören. Der Malm bei Inowrazlaw ist also in doppelter Facies ausgebildet, 
in einer Thon- und einer Kalkfacies. Während die vollkommene Ueber- 
einstimmung der Kalkfacies mit dem polnischen oberen Jura nicht zu 
bezweifeln ist, steht die Thonfacies des Inowrazlawer Malm in petrogra- 
phischer und faunistischer Beziehung dem nordwestdeutsch-baltischen Jura 
nahe. Die litorale klastische Facies des nordwestdeutschen Jura (-Thon- 
facies von Inowrazlaw) greift fingerförmig in die süddeutsch-polnische 
Facies der reinen Ammoniten und Scyphienkalke ein. (-Kalkfacies von 
Inowrazlaw.) Im Anschluss an Neumayrs westrussische Insel befand sich 
zur Oxfordzeit im Westen eine Halbinsel, welche sich über das heutige 
Masuren und Pommerellen in der Richtung nach Danzig zu erstreckte, 
so dass der lithauisch-kurische Jura und die primären Lagerstätten der 
ostpreussischen Jurageschiebe als Strandbildungen im Norden obiger 
Insel und ihrer Halbinsel, die Thonablagerungen bei Inowrazlaw als 
solche im Süden derselben aufzufassen sind. 


Die Systematik der fossilen Korallen. 


Von 
Dr. Wilhelm Volz, 

Der Zweck eines Systems ist der, uns Uebersicht über den ver- 
wirrend grossen Formenreichthum der Natur zu verschaffen. 

Es kann dies einmal durch — künstliche — Gruppirung der Formen 
nach mehr oder weniger willkürlich gewählten Merkmalen geschehen: 
wir erhalten dann ein künstliches System. Obwohl auch dies seinen 
Zweck erfüllt, so erscheint doch ein natürliches System, d. h. ein System, 
das in möglichst vollständiger Weise den natürlichen Zusammenhang, 
Abstammung und Verwandtschaft der Formen, mit einem Wort die 
phylogenetischen Beziehungen ausdrückt, weit erstrebenswerther, weil es 
in kurzer Form die weitgehendsten Auskünfte ertheilt. Ein solches 
System stellt sich ideal wie ein Baum, also dreidimensional, dar, da es 
nicht nur die Verwandtschafts-Verhältnisse einer Form zu den gleich- 
zeitigen, sondern auch zu älteren und jüngeren Formen ausdrücken soll, 


108 Jahresbericht der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. 


Hierin liegt die Schwierigkeit. der graphischen Darstellung. Anderer- 
seits bringt die Unzulänglichkeit unserer Darstellungsmittel manche Un- 
zuträglichkeit mit sich: so kommen z, B. unter Umständen alt-paläozoische 
Formen unmittelbar neben recente Formen etc, zu stehen, da wir den 
(dreidimensionalen) Systembaum vollständig nicht anders als durch seine 
(zweidimensionale) Projeetion auf eine Ebene: das Papier, zur Anschauung 
bringen können. Diese Mängel sind aber dem Werthe des natürlichen 
Systems gegenüber gering anzuschlagen. Sie werden möglichst eliminirt, 
wenn wir auf die Vollständigkeit verzichten und entsprechend einem 
Vorschlage, den Frech seiner Zeit gelegentlich der monographischen 
Bearbeitung der Aviculiden des rheinischen Devon gemacht hat, für 
jeden Entwickelungsabschnitt ein natürliches System aufstellen. Je 
kürzer die Entwickelungsabschnitte sind bezw. je kürzer wir sie fassen, 
desto mehr wird es möglich sein, allen Anforderungen eines natürlichen 
Systems gerecht zu werden, desto deutlicher können wir alle feinen 
Beziehungen zum Ausdruck bringen. Eine Zusammenfassung aller dieser 
Einzelsysteme ist dann das natürliche System. 

Bei den Korallen stehen wir leider noch auf dem Boden eines 
künstlichen Systems. Die Vorarbeiten für ein natürliches System: 
die Untersuchung der einzelnen Korallenfaunen mit weitgehendster 
Berücksichtigung ihres mikroskopischen Baues und die darauf zu grün- 
dende Klarlegung der phylogenetischen Beziehungen, haben erst vor 
Kurzem begonnen. Sie sind bezüglich der paläozoischen Korallen 
weiter vorgeschritten als für die mesozoischen. Bei letzteren sind erst 
die Korallen der oberen Trias durch Professor Dr. Frech!) und den 
Vortragenden ?), sowie die Korallen des Stramberger Tithons durch Miss 
Ogilvie D. Se.°) in der erforderlichen Weise bearbeitet. Aber doch 
sind schon wesentliche Ergebnisse zu Tage gefördert. So ist nach- 
gewiesen, dass ein prineipieller Unterschied zwischen den paläozoischen 
und den jüngeren Korallen nicht besteht, sondern dass beide einen 
Formkreis bilden. Einen weiteren wesentlichen Beweis hierfür 
konnte auch der Vortragende’) beibringen, dadurch, dass er zeigte, 
dass von zwei gleichalten Zweigen eines Astes der eine einen ausge- 
sprochen paläozoischen, der andere einen ausgesprochen hexakorallischen 
Typus trägt: es sind dies die Zaphrentiden der oberen Trias und die 
Stylophylliden. 5 

Es handelt sich nun darum, zunächst die Entwickelungsabschnitte 
des Korallenstammes festzustellen. Sie sind deutlich genug. Wir können 
vier grosse Abschnitte unterscheiden: 


!) Palaeontographiea, XXXVIL, 1890. 

2?) Palaeontographica, XXXXIL, 1896. ; 

®) Paläontol. Mittheil, a. d. Museum d. Bayrischen Staates, II. Bd., 7. Abth. 
1896 (im Druck). 


If. Abtheilung. Naturwissenschaftliche Section. 103 


J. Cambrium. 

II. Silur — Perm, 

III. Trias — Unterer Lias. 
-IV. Oberer Lias — Quartär. 

Die Entwickelung der modernen Korallen setzt also nicht 
mit der Trias ein, wie bisher angenommen wurde, sondern 
erst im Lias. 

Jeder dieser Abschnitte lässt sich wiederum in eine Anzahl von 
Unterabschnitten theilen, deren Grösse durch unsere mehr oder minder 
genaue Kenntniss bedingt ist. 

I. Die Archäocyathiden des Cambrium bilden in ihrer Eigen- 
artigkeit einen besonderen Abschnitt. 

II. Es schliessen sich Silur und Devon daran: Deckelkorallen, 
Cyathaxoniden, Paläocycliden und Cystiphylliden, *) dann Cyathophyllum, 
Zaphrentis, Omphyma, Streptelasma, Acervularia, Phillipsastraea u. a. 
sind für sie bezeichnend, Die zweite Epoche umfasst Carbon und Perm, 
wo neben älteren Formen Lithostrotion, Lonsdaleia, Clisiophyllum ete. 
eine Hauptrolle spielen. Der ganze Abschnitt wird gekennzeichnet durch 
die Anordnung der Septen. 

III. Der paläozoischen Periode folgt ein eigenthümlicher Uebergangs- 
abschnitt, der sich durch Vermischung alter und moderner Formen 
kennzeichnet und die ganze Trias, sowie den unteren Lias umfasst. 
Er wird charakterisirt durch die Stylophylliden, die eine mächtige 
Entwickelung erreichen, sowie durch die Schwesterfamilie der Pinaco- 
phyllen, beide dem Zaphrentidenstamme angehörig. Von grosser Wich- 
tigkeit für die Folgezeit ist die Spaltung des alten Cyathophylliden- 
stammes in Astraeiden und Thamnastraeiden, die im Beginn dieser 
Periode sich vollzieht. Daneben treten nur noch Cyathaxoniden 
und Styliniden auf. 


IV. Mit dem mittleren Lias beginnt ein gewaltiger Umschwung; 
wir treten in den letzten Entwickelungsabschnitt der Korallen, in dem 
wir uns jetzt noch befinden. Es lassen sich zwanglos in ihm 2 Perioden 


U) In der Fassung Zittel’s in „Grundzüge der Paläontologie 1895“. Statistisch 
ist das Verhältniss folgendes (nach Zittel’s Grundzügen): 


Silur | Devon | Carbon-Perm 

7 12 Gattungen + 23 Gattungen 
* 30 Gattungen | * 15 E * 16 5 
18 a —ı.10 y 

30 Gattungen | 33 Gattungen | 26 Gattungen 


== 


45 Gattungen. 


104 Jahresbericht der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. 


unterscheiden‘), deren erste Jura und Kreide, deren zweite Tertiär und 
Jetztzeit umfasst. 

Jura-Kreide: Der Cyathophyllidenstamm, obwohl schon früher 
kräftig entwickelt, überflügelt alles derart, dass andere Formen neben 
ihm nicht in Betracht kommen und charakterisirt in seinen beiden 
Zweigen, den Astraeiden und Thamnastraeiden, die Periode. 

Tertiär-Recent: Mit dem Eintritt des Tertiärs treten beide Zweige 
in ihrer Bedeutung etwas zurück. Daneben entfalten sich die Turbino- 
iden, Oculiniden, Eupsammiden, Madreporiden und Poritiden, 
die in der Jetztzeit ihre höchste Blüthe erlangen. Sie stellen?) 51 von 
153 Gattungen im Tertiär und 74 von 169 in der Jetztzeit. 


Im Folgenden möge kurz der Versuch eines natürlichen Systems 
der Korallen der Uebergangsperiode gegeben werden, welche Trias 
und unteren Lias umfasst. Für die weitere Ausführung und speeielle 
Begründung sei theils auf meine Monographie der Korallenfauna der 
Trias Il?) verwiesen, theils wird dieselbe später in einer die ganze 
Monographie abschliessenden‘) und in ihren Resultaten zusammenfassenden 
Abhandlung erfolgen. 


Es kommen inBetracht?) folgende 29 Gattungen mit 8 en 
Stamm: Cyathophylloidea. 


Familie: Astraeidae: 
1. Montlivaltia, 
subgen. Margarophyllia, 
Oppelismilia, 
Thecosmilia, 
subgen. Margarosmilia, 
Rhabdophyllia, 
. Lepidophyllia, 
2. Phyllocoenia, 
3. Chorisastraea, 
Isastraea, 
subgen,. Margarastraea, 


!) Eine statistische Methode führt zu keinen Ergebnissen. Wir erhalten stets 
dasselbe Resultat: die Hälfte der alten Gattungen stirbt aus, dafür treten neue 
‘etwa in der Zahl auf, dass das Verhältniss der ausgestorbenen zu den neuen rund 
wie 2:3 ist, Duncan giebt an (Linnean Society, Zoology XVII 1886): Jura 84 
Kreide 119, Tertiär 153, Recent 169 Gattungen. 

2) Im Sinne Duncansl. c. 

®) Palaeontographica XXXXIII 1896, pag. 1 ff 

“) Vor Allem die Muschelkalk-Korallen behandelnd. 

°) Die Muschelkalkgattungen sind nur so weit berücksichtigt, als sie näher be- 
kannt bezw. bereits untersucht sind. 


II. Abtheilung. Naturwissenschaftliche Section. 105 


Septastraea, 
Stylastraea, 


4. Stephanocoenia, 


Familie: Thamnastraeidae: 
1. Toechastraea, 
2. Myriophyllia, 
Omphalophyllia, 
subgen. Craspedophyllia, 
Proeyelolites, 
3. Thamnastraea, 
subgen. Astraeomorpha, 
Familie: Spongiomorphidae: 
Heptastylis, 
subgen. Heptastylopsis, 
Spongiomorpha, 
Stromatomorpha, 


Stamm: Zaphrentoidea. 
Familie: Zaphrentidae: 
1. Pinacophylium, 
Coelocoenia, 
Coccophyllum. 
Familie: Stylophyllidae: 
1. Stylophyllopsis, 
Stylophyllum, 
subgen. Maeandrostylis, 
Hexastraea, 
2. Astrocoenia, 
Cyathocoenia. 
Stamm: Cyathaxonoidea. 
Gigantostylis. 
Stamm: ? 
Familie: Stylinidae: 
Stylina, 
Cassianastraea. 
Die phylogenetischen Beziehungen lassen sich graphisch in Form 
eines Stammbaumes, wie folgt, darstellen: 


Jahresbericht der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. 


106 


973 5931/07349 


emegeuvy NZ 
J27E: B1//7U0y 


as naar 
S7Turso3aU/1 Nw777 
En EIerererym VERS > 


Im 
Cyathophyllidae 


B3e1JSe/AJS 


ei 


SIELLIT a re 78 


Zaphrentidae 


ei ze Fu ie 


nr 40032207 


E77] Fe RENTE 


SPI7 Varel | nn ner SEHEN ERS AH] IMS aY2SIU1EY 


SP14J | 24390 A1EYI2Y2SDW 


II. Abtheilung. Naturwissenschaftliche Section. 107 


Im Querschnitt würde man etwa folgende Vertheilung der Gattungen 
erhalten: 


Stylastraea Septastraea 
Esasiraea | 
Phyllocoenia 
Chorisastraea LARAN, 
Lepidophyllia \ Margarosmilia 
 ZThecosmilin Re 
Rha i & j ppelismilia 
bdophyllia — yomttivaitia — 
Margarophyllia 
Stephanocoenia 
Omphalophyllia 
Oraspedophyllia ——_Proeyelolites 
Q m Toechastraea Myriophyliia 
(v2) = 
St 
se Thamnastraea 
5 = Astraeomorpha 
s® Se 
S Spongiomorphidae 
Cyathocoenia 
Astrocoenia |‘ nn. ROSE S 
Stylophyllopsis es 
Ooeloeconia Stylophyllum = 
Pinacophyllum Maeandrostylis = 
| = 
Coccophyllum. = 


Es bedeutet: fett gedruckt: Die Gattung geht in den Jura über. 
gewöhnliche Schrift: Die Gattung stirbt mit dem unteren Lias aus. 
gesperrteSchrift: Die Gattung stirbt mit der obersten Trias aus. 
Oursi-Schrift: Die Gattung stirbt mit den Cassianer Schichten aus. 
Petit-Schrift: Untergattung. 


Beide Tabellen zusammengenommen geben ein klares Bild des 
/Jusammenhanges der Korallen-Gattungen der Uebergangsperiode. 


Ueber Salvadorit, einen neuen Kupfer-Eisen-Vitriol. 
Von 
Walter Herz. 

Der Vortragende legte ein neues Vitriolvorkommen von der Grube 
Salvador, Quetena bei Calama in Chile, vor. Die betreffenden Stufen, 
welche von dem Krantz’sehen Mineraliencomptoir in Bonn an das Bres- 
lauer Mineralogische Museum gesandt und von Herrn Professor Dr. Hintze 


108 : Jahresbericht der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. 


dem Vortragenden. zur Bearbeitung überwiesen worden waren, stellen 
2-—-7 mm lange, im Allgemeinen bläulich-grün, auch manchmal mehr blau 
gefärbte, durch verwitterten Eisenvitriol zusammengehaltene Krystalle 
dar. Die chemische Analyse ergab nahezu vollständige Uebereinstimmung 
der blauen und grünen Krystalle, mit 9 pCt. Eisenoxydul, 18 pCt. 
Kupferoxyd, 283 pCt. Schwefelsäure und 45 pCt. Wasser, entsprechend 
der Formel Cu, Fe (SO,) ,+21H,0. Krystallsystem monosymmetrisch. 
Krystallform: ein vorn 132°44' stumpfes Prisma mit oder ohne die 
Fläche der Symmetrieebene; häufig Zwillinge nach einer zur Symmetrie- 
ebene senkrechten Fläche. Vollkommene Spaltbarkeit nach der Symmetrie- 
ebene, die auch Ebene der optischen Achsen ist. Wegen der vollkommenen 
Verschiedenheit der vorliegenden Krystalle in physikalischer und kry- 
stallographischer Beziehung von dem schon früher bekannten, Pisanit 
genannten natürlichen Kupfereisenvitriol, der eine ähnliche chemische 
Zusammensetzung hat, liegt ein neues Mineral vor, für das nach dem 
Fundort der Name Salvadorit vorgeschlagen wird. 


Ueber die Umwandelung klastischer Gesteine in Schiefer. 
Von 
Privatdocent Dr. Milch. 


An einer Reihe von Handstücken aus den Hochalpen zwischen Rhein 
und Linth zeigte der Vortragende die Fähigkeit des Gebirgsdruckes, d.h, 
der bei der Aufthürmung der Gebirge wirkenden Kraft, in verfestigten Ge- 
steinen eine secundäre Parallelanordnung und Theilbarkeit hervorzurufen. 
Rein mechanisch wird diese Anordnung durch zwei verschiedene Arten der 
Einwirkung hervorgebracht: entweder werden die grösseren Gemeng- 
theile zertrümmert und die entstandenen Bruchstücke parallel gestellt 
(authiklastische Umwandelung) oder die Gesteinscomponenten bleiben 
struceturell eine Einheit, die Körner werden aber deformirt, besonders 
langgezogen und ausgewalzt, ohne Lösung der Continuität (kamptomorphe 
Umwandelung). Zu dieser mechanischen Beeinflussung gesellt sich in den 
meisten Fällen noch eine chemische Einwirkung; die durch den Druck 
erzeugte Wärme wandelt mit Hilfe der Bergfeuchtigkeit die meisten 
Mineralien um,. es bilden sich mit Vorliebe blätterige Mineralien, die 
sich mit ihrer breiten Fläche senkrecht zur Richtung des Druckes legen 
und somit die Theilbarkeit senkrecht zur Druckrichtung erhöhen. Auf 
diesem Wege entstehen aus Conglomeraten, Sandsteinen und Thonen 
sogenannte Schiefer, die bisweilen einen sehr hohen Grad von Fein- 
schieferigkeit erreichen können. 


II. Abtheilung. Naturwissenschaftliche Section. 


Allgemeine Uebersicht 


109 


der meteorologischen Beobachtungen auf der König]. Universitäts- 


Sternwarte zu Breslau im Jahre 1895. 


Mitgetheilt von 


Geh. Rath Professor Dr. Galle!) 


Höhe des Barometers über Normal-Null des Meeresspiegels — 147,03 m. 


1895. 


Monat 


Januar .... 
Februar ... 


August.... 
September. 
October ... 
November . 
December . 


Jahr 


reducirt auf 0° Celsius, 


I. Barometerstand, 


in Millimetern. 


5 
Eee 
&) 
Slaee 
mm 
99 |753,7 
15 | 540 
16 | 58.0 
30 | 549 
6 | 599 
23 | 584 
3 | 517 
96 | 55,6 
99 | 69,7 
18 | 59,7 
2 | 658 
98 | 691 
Nov. | 765,8 


5 | niedrigster 
B 


5 
= |: 
Peru 
mm 
740,64 | 16 
46,51 | 21 
43,26 | 31 
4738| 11 
49,69 | 31 
49,02 | 30 
47,21 | 29 
48,33 | 11 
59,74 6 
45,70 2 
592,98 | 8 
44,43 6 
Juli 
747,32 99, 


1I. Temperatur 
der Luft in Graden nach 


höchste 


a) Zusammengestellt von Herrn Dr. G. Rechenberg. 


Celsius. 
oO 
&0 
S Ko 
A = 
0 
29. 30) — 19,5: — 
19 |— 22,6 
6 133 
5 | 89 
19 3,9 
17 6,0 
15 11,& 
17.18 8,5 
99.93 4,5 
96 |— 1,6 
30 |— 11,4 
30 |— 14,6 
Febr. 
19. — 99,6 


mittlere 


110 Jahresbericht der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. 


III. Feuchtigkeit der Luft. IV. Wolken- 

189. a. absolute, b. relative, bildung und 
in Millimetern. in Procenten, Niederschläge. 
= 2) = fe! 

[eb] {eb} {eb} = er 
= = Ss |2| oe |@88 
vos |s 2/8 2831| 38|2| s Als ll 282 
Eı=s|:3|s|8 | 3:|3| 2 )&l8|-|8|*# >83 
ara Sa een Ei 
age. me) 
mm mm mm 

Januar ...| 16 | 51| 39 |14| 3,15öfterl100° 93 !6ıls5,9| — | 8 a3 | 50,98 
Februar ..| 92 | 22| 19 l07| 242 3 100) 11 lealsacl a | 9) ı7 | aas8 
Ma 28.29) 68| 6|1%| 414 öfter, 98| 30 12279,6| 1 | 10 20 | 45,68 
April..... %\ 95|\ 14 las|557| 3 | 93|öfterlarea, 7! 4 \ı3]l ı3 | 9,09 
Ma 99 '112| 10 |3,8| 6,95 15.17) 96) 10 l1siss,z| 4 | ısl 9 | 16,29 
na so |ı33| 12 |a6| 855|| 15 |9ıl 6 lessrol 6 |ı7ı 7 | 9857 
Sruketeslues »9 |ı53| 13 5311012) 30 | 96) 3 a656ol 1 | 19! 11 | 59,74 
August . 13.12) 14,0| ı7 |5,9| 9,72| 15 | 95 a4 aılea5| 5 | 16 10 | 70,39 
September| 5 | ı24| 22 |as| 8891 so | sel 6 asler,s| 9 | 14) 7 | A621 
October ..! 10 | 105 17.191 3,7| 636] 24 oo a aslzs,7| 1 | 15) 15 | 47,89 
November| 8105 | 30 |1,6| 540lh9.a6| el 1 olsıo| a |aı 7| 3865 
December | 5 | 61| 30 J14 381| 8 1000 7 Isılses] 1) sl oa | A567 
Daher u 153 0,7| 6,96 || öfter |100 Ya ı8lı2] 36 I1sslısı | 504,89 


V. Herrschende Winde. 


Januar. Der Wind wehte am häufigsten (besonders anhaltend in der 
Mitte des Monats) aus Südost, demnächst auch oft aus Süd, 
Nordwest und West. 

Februar. Die vorherrschenden Windesrichtungen waren Nordwest, 
Nord und West. 

März. Der Wind wehte am häufigsten aus Südost, doch kamen die 
Richtungen Süd, Südwest, West und Nordwest nahe ebenso 
oft vor. ni 

April. Vorherrschende Windesrichtung Südost, nächst dieser am 
häufigsten West und Nordwest. 

Mai. Der Wind wehte am häufigsten aus Nordwest und hiernächst aus 
Südost. . 

Juni, Der Wind wehte am häufigsten aus Südost, jedoch nahe ebenso 
oft aus Nordwest und West. 

Juli. Der Wind wehte meist aus westlicher Richtung, doch waren 
auch Südostwinde in ziemlicher Anzahl vertreten. 

August. Die vorherrschenden Windesrichtungen waren West, Nordwest 
und Südwest, 


II. Abtheilung. Naturwissenschaftliche Section. 111 


September. Vorherrschende Windesrichtungen Nordwest und West, 
nächst diesen Südost, oft auch Windstille. 


October. Unter den 8 Windesrichtungen kam am häufigsten Südost 
vor, jedoch nahe ebenso häufig jede der 3 Richtungen Südwest 
West und Nordwest, sodass die westlichen Richtungen die vor- 
herrschenden waren. 

November. Von den Windesrichtungen kam am häufigsten Südost vor, 
es folgen dann West, Südwest und Ost. 

December. Oestliche und westliche Windesrichtungen kamen nahezu 
gleich oft vor, am häufigsten Südost und West. 


VI. Witterungs-Charakter. 


Januar. Die Schwankungen in der Temperatur waren in der ersten 
Hälfte des Monats nicht erheblich, stärker in der zweiten Hälfte, 
wo gegen den Schluss des Monats eiwas grössere Kälte eintrat 
und wonach dann der Mittelwerth der Temperatur sich etwas 
unter den Durchschnittswerth dieses Monats stellte. Ganz un- 
gewöhnlich tief war während des ganzen Monats der Barometer- 
stand, der nur an 3 Tagen sich ein weniges über den Normal- 
werth erhob. Das Monatsmittel ergab sich um nahe 10 mm 
tiefer als der vieljährige Durchschnitt und bildet den tiefsten 
Mittelwerth des Barometerstandes im Januar seit dem Beginn 
der genaueren hiesigen Messungen im Jahre 1825. Das Wetter 
war sehr andauernd trübe und es wurde kein einziger ganz 
heiterer Tag verzeichnet. Ungewöhnlich gross war auch das 
Quantum der Niederschläge, meist aus Schnee bestehend, und 
betrug das Doppelte des Normalwerthes. 


Februar. Der ganze Monat war ungewöhnlich kalt. Nicht blos der 
Mittelwerth der Wärme war 5°/,° unter dem Durchschnitt, 
sondern auch von den einzelnen Tagen überstieg die Temperatur 
nur am 21. und 22. um ein weniges den Normalwerth, während 
dieselbe an 5 verschiedenen Tagen 10° bis 14 ° unter demselben 
war. Kein einziger Tag war ganz frostfrei. Der Luftdruck war 
zwar nicht so tief als im vorigen Monate, jedoch noch immer 
3 mm unter dem Durchschnittswerthe. Die nur an 7 Tagen 
fehlenden Niederschläge bestanden ausschliesslich aus Schnee, 
jedoch blieb die darin enthaltene Wassermenge etwas unter dem 
Normalwerthe des Monats. 

März. Die durchschnittliche Temperatur dieses Monats war nahe 
normal, der Luftdruck dagegen ungewöhnlich niedrig und nur 
an 8 Tagen über dem Mittelwerthe. Die am Aujange des 


112 


April. 


Mai. 


Juni, 


Jul. 


Jahresbericht der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. 


Monats noch vorhandene 18 em hohe Schneedecke erhöhte sich 
durch einen ausgiebigen Schneefall am 3. nochmals bis auf 
25 cm, verminderte sich dann allmählich und verschwand am 14., 
nachdem am 11. Thauwetter eingetreten war. Vom 15. ab 
verlief fast kein Tag ohne Niederschläge, deren Gesammtbetrag 
etwa um ein Drittheil grösser war als der Normalwerth. 


Der Luftdruck zeigte ausser einem tiefen Stande am 7. keine 
erheblichen Schwankungen, ebenso die Temperatur, welche 
indess vorwiegend über dem Normalwerthe sich befand, be- 
sonders in der zweiten Hälfte des Monats. Sehr gering war 
das Quantum der Niederschläge, die nur den vierten Theil des 
Normalwerthes betrugen. 


Der Luftdruck war bis zum 14. stetig über dem Mittel, dann bis 


zum 26. unter demselben, hierauf bei vorwiegend klarem Himmel 
von neuem steigend. Die Wärme war fast stetig über dem 
Durchschnittswerthe und nur am 16.: bis 19. und am 23. und 29. 
traten kleine Rückfälle ein. Die Summe der Niederschläge 
war nahe normal, besonders starke Regen fanden am 1. und 
15. statt. 


Der Luftdruck war öfteren, jedoch nur mässigen Schwankungen 
unterworfen und war etwas höher als im Durchschnitt. Noch 
erheblicher überstieg den Mittelwerth die Temperatur, sodass 
in Verbindung mit der ungewöhnlich geringen Feuchtigkeit der 
Luft, dem vorwiegend heiteren Wetter und der geringen Menge 
der Niederschläge während des ganzen Monats eine grosse 
Trockenheit und Dürre sich zeigte. Das Quantum der Nieder- 
schläge erreichte noch nicht die Hälfte des Durchsehnittswerthes. 


Der Luftdruck bewegte sich mit Ausnahme eines tiefen Minimums 
gegen Mitte des Monats in nur mässigen Schwankungen. Die 
Temperatur blieb fast beständig über dem Mitiel, nur an 
9 Tagen sank sie um ein weniges unter dasselbe. Die hohen 
Wärmegrade, die in der ersten und besonders auch in der 
letzten Woche des Monats sich unangenehm fühlbar machten, 
sind übrigens in keinem Falle abnorme zu nennen, da gleich 
hohe Wärmegrade in den Sommermonaten fast regelmässig 
mehrere Male notirt werden. Bemerkenswerth war der jähe 
Absturz der Temperatur in den letzten Tagen des Monats. Die 
Himmelsbedeckung war annähernd normal, dagegen blieb die 
Feuchtigkeit der Luft 10 pCt. unter dem Mittelwerthe, und auch 
die Niederschläge erreichten nur ?/, ihres Durchschnittswerthes, 
obwohl allein die Gewitter der letzten Woche nahezu 30 mm 
Regen brachten, 


| II. Abtheilung. Naturwissenschaftliche Section. 113 


August. Der Luftdruck war im Durchschnitt normal, jedoch in der 


ersten Hälfte des Monats stetig unter, in der zweiten Hälfte 
über dem Mittel. Die Wärme überschritt den Mittelwerth um 
1 Grad. Eine kühlere Periode mit starken Regenfällen und 
Gewittern verbunden fand vom 13. bis 17. statt. Auch im An- 
fange des Monats fiel eine grössere Regenmenge, so dass die 
Summe des Regens nahe den Normalwerth erreichte. 


September. Ein sehr warmer Monat und mit hohem Luftdruck. Nur 


Octobe 


Novem 


an je 8 Tagen waren die Temperatur und der Luftdruck unter 
ihrem Normalwerthe. Das Wetter war mit Ausnahme einer 
kühleren und wolkigen Regenperiode in der Mitte des Monats 
meist heiter, des Morgens vielfach dunstig. Das Quantum der 
Niederschläge war normal. 


r. Die Temperatur hielt sich während der ersten Hälfte des 
Monats noch fast stetig über dem Mittel, während die zweite 
Hälfte kalt war. Der ungewöhnlich tiefe Barometerstand be- 
sonders in der ersten Hälfte des Monats war fast täglich mit 
Regen verbunden, am Nachmittage des 4. mit einem Gewitter- 
regen. Die Menge des Regens überstieg um ein Dritttheil den 
Mittelwerth. 


ber. Der Luftdruck war ungewöhnlich hoch und nur an 
7 Tagen unter dem Mittel. Die Wärme war grösstentheils, 
vom 3. bis 19., hoch, dann vom 21. ab unter den Mittelwerth 
stetig sinkend. Die Summe der Niederschläge war normal, be- 
sonders gebildet durch stärkere Regen vom 7. bis 9. und 
am 13. Schnee fiel nur an 3 Tagen, in spärlicher Menge. 


December. Im Gegensatze zu dem vorigen Monate war der Luftdruck 


1895. 


ein ungewöhnlich niedriger und überschritt nur an 6 Tagen den 
Mittelwerth., Die Wärme, sowie die absolute und die relative 
Feuchtigkeit, waren normal. Die Niederschläge, in der ersten 
Hälfte des Monats mehr aus Regen als aus Schnee bestehend, 
dann im letzten Dritttheil nur aus Schnee, übertrafen um ein 
Dritttheil den Durchschnittswerth; nur 4 Tage des Monats waren 
ohne Niederschläge. Die Höhe der Schneedecke betrug am 
Schlusse des Monats 9 cm. 


114 | Jahresbericht der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. 


Einige Zusätze, Nachträge und Berichtigungen zu den im Jahre 1857 
auf Veranlassung der Schlesischen Gesellschaft von dem Unterzeichneten 
herausgegebenen „Grundzüge der Schlesischen Klimatologie“. 


Obgleich seit der Herausgabe dieser tabellarischen Uebersichten über 
die klimatischen Verhältnisse Schlesiens nahe 40 Jahre verflossen sind 
und inzwischen durch die weitere Ausbreitung der Stationen des Königl. 
Meteorologischen Instituts auch in Schlesien neue und erweiterte Grund- 
lagen für Studien auf diesem Gebiete gewonnen worden sind, wird doch 
auch bei Verwerthung dieser neueren Beobachtungen ein vergleichendes 
Zurückgehen auf die zum Theil sehr langen Beobachtungsreihen der 
früheren Zeit nicht wohl entbehrt werden können. Es dürfte daher 
nicht überflüssig sein, hier noch einige kleine Nachträge und Berich- 
tigungen zu diesem älteren Beobachtungsmaterial (welches hier in Schlesien 
srossentheils der Anregung der Schlesischen Gesellschaft zu verdanken 
ist) zusammenzustellen, wie solche sich gelegentlich dargeboten haben, ohne 
gerade auf erschöpfende Vollständigkeit dabei Anspruch zu machen. 


Was speciell die Tabellen für Breslau betrifft, welche in der 
obigen Schrift bei weitem den grössten Raum einnehmen und den längsten 
Zeitraum umfassen, so haben diese seit jener Zeit bereits wiederholte 
Erweiterungen bis zu der neuesten Zeit erfahren. Insbesondere geschah 
dieses durch die Herausgabe der ‚Mittheilungen der K. Universitäts- 
Sternwarte zu Breslau über die hier bisher gewonnenen Resultate für 
die geographischen und klimatologischen Ortsverhältnisse‘“ im Jahre 1879, 
worin die Rechnungen bis zum Jahre 1875 fortgeführt sind. Sodann 
befinden sich in den Jahresberichten der Schlesischen Gesellschaft neben 
einzelnen besonderen Untersuchungen in jedem Jahrgange regelmässige 
jährliche Witterungsübersichten, und es konnte ferner in dem Jahrgange 
von 1891 eine Uebersicht über die Temperatur-Beobachtungen in Breslau 
für einen Zeitraum von 100 Jahren gegeben werden, sowie auch bezüglich 
der übrigen meteorologischen Elemente für längere Zeiträume, 


Nachweisungen über ältere meteorologische Beobachtungen in 
Breslau bis gegen das Ende des 17. Jahrhunderts zurück findet man in 
Hellmann’s Repertorium der Deutschen Meteorologie bei den Namen 
Grebner, Kanold, Löwe und J. E. Scheibel. Eine Fortsetzung der 
daselbst genannten und von 1692 bis 1722 veröffentlichten Beobachtungen 
Grebner’s, von 1722 bis 1736 August, ist auf der Breslauer Stadt- 
Bibliothek in sehr sorgfältiger Handschrift, von Grebner selbst, vor- 
‘handen. Derselbe starb am 21. Januar 1737. 


Später mit dem Jahre 1791 beginnen die Beobachtungen auf der 
Breslauer Sternwarte, die bis zu der gegenwärtigen Zeit fortgesetzt eine 
bis jetzt ununterbrochene Reihe von 105 Jahrgängen bilden. Zahlreiche 


II. Abtheilung. Naturwissenschaftliche Section. 115 


Auszüge aus diesen Beobachtungen und daraus gezogene Rechnungs- 
Resultate findet man ausser in den bereits genannten Jahresberichten 
der Schlesischen Gesellschaft in dem früheren Correspondenzblatt der 
Gesellschaft, dem Bulletin der naturwissenschaftlichen Section und von 
1804 ab auch in den Bulletins, welche in den ‚„‚Schlesischen Provinzial- 
blättern“ enthalten sind. Diesen Mittheilungen aus Breslau sind in diesen 
Schriften hin und wieder auch Witterungsnachrichten aus einigen andern 
Orten in Schlesien angeschlossen. 


Noch ist zu erwähnen, dass in Breslau durch eine lange Reihe von 
Jahren, von 1811 bis 1832, ausser an den gewöhnlichen täglichen 
Beobachtungsstunden auch noch zweistündliche Beobachtungen des Baro- 
meters und Thermometers angestellt worden sind, zu hypsometrischen 
Zwecken durch vergleichende Beobachtungen an verschiedenen Orten in 
der Provinz. Ueber diese Höhenmessungen und die dazu verwandten 
Instrumente der Schlesischen Gesellschaft vergleiche man die Jahres- 
berichte der Ges. 1836 8. 62—81, 1838 8. 89 f., 1839 $. 150—162, 
sowie auch Corresp. d. Schles. Ges. I. 104 (1819), Schles. Provinzial- 
blätter LXXI. 411, v. Zach’s Monatl. Correspondenz XXVII. 175 f. und 
die Schrift von Prudlo, Höhenmessungen in Schlesien. — Diese zwei- 
stündlichen Beobachtungen (in den Tagesstunden) sind in neuester Zeit 
von Herrn Dr. G. Grundmann in seiner 1892 erschienenen Inaugural- 
Dissertation als Grundlage zu sehr dankenswerthen Untersuchungen „über 
den täglichen Gang der Wärme und des Luftdruckes in Breslau nach 
den Beobachtungen der K. Universitäts- Sternwarte“ gemacht worden. 
Herr Dr. Grundmann giebt dabei zugleich in dem ersten Abschnitte 
dieser Abhandlung eine Uebersicht über die während des ganzen Zeit- 
raumes der Breslauer Beobachtungen gewählten Beobachtungsstunden 
und die dabei vorgekommenen Veränderungen. — Ueber die meteorolo- 
gischen Beobachtungen in Breslau und in Schlesien im allgemeinen ist 
noch zu vergleichen: Jungnitz, Verhandlungen der Schles. Ges. 1807, 
S. 59. 185, sowie Prudlo, Höhenmessungen in Schlesien S. 60; über 
deren Einrichtung auf der Sternwarte von 1832 October an: v. Bogus- 
lawski, Jahresbericht der Schles. Ges. 1832, 8. 4 f., 34 f. 


Nachstehend folgen nun einige specielle zusätzliche Bemerkungen 
und Berichtigungen zu den „Grundzügen der Schlesischen Klimatologie“, 
insbesondere den darin enthaltenen Tabellen, welche hier nach der 
Reihenfolge der Seitenzahlen dieser Schrift zusammengestellt werden mögen, 


Zu S. IV, Nach der Station Hirschberg kann hier noch Jauer 
erwähnt werden, wo 1821 December 23 bis 1822 März 2 beobachtet 
wurde, Beobachter Roppan (Schles. Prov.-Bl. LXXV. 260). — Ferner 
Karlsruh in Oberschlesien, Beobachter Hofrath Dr. Oswald. Die 
Beobachtungen befinden sich unter den Manuscripten der Schles. Gesell- 


116 Jahresbericht der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. 


schaft und enthalten folgende Jahrgänge: 1800, 1801 (Aug. 4—21 fehlt), 
1802 (nur bis März 6), 1804, 1805 (September 16 bis October 7 und 
einige Tage im November und December fehlen), 1806 (bis Juli, mit 
Lücken), 1814 (April 13 bis December 31), 1815 (ziemlich vollständig), 
1816, 1817, 1818, 1819, 1820, 1821 (Juli 7 bis September 7 fehlt), 
1822, 1823, 1824 (bis Juni). Diesen Beobachtungen ist eine fortlaufende 
Reihe von Barometer-Curven auf besonderen Blättern beigefügt. Bei 
den älteren Beobachtungen fehlt eine genauere Angabe der Stunden, 
dieselben sind täglich dreimal ‚‚früh, Mittags und Abends“ angestellt; 
von 1823 ab sind die Stunden angegeben. 


Zu 8. XVI. Bei den Barometer-Mitteln von Kupferberg besteht 
wegen der veränderten Aufstellung des Barometers im Jahre 1847 eine 
Unsicherheit. 

Zu S. XXI. Wegen der hier erwähnten etwas abweichenden (zu 
hohen) Temperatur in Neisse ist zu bemerken, dass im Sommer 1857 
eine Nachforschung darüber von Dove stattfand, und dass die Abweichung 
in der Aufstellung des Thermometers zu suchen ist, welches der strah- 
lenden Wärme der umliegenden Gebäude zu sehr ausgesetzt war. 
S. auch Dove, Ergebnisse des Meteorol. Instituts 1848—57, S. IX. 


In den Tabellen sind es folgende Stellen, an welchen einige nachträg- 
liche Bemerkungen hinzuzufügen oder Unrichtigkeiten zu verbessern sind: 


S. 2. 1794 Mai 12 statt 3,0 ist zu lesen 13,0. 
S. 5. 1800 December 29 statt —0,7 ist zu lesen —1,7. 


S. 6. Der December 1801 ist dem von 1800 so ähnlich, dass diese 
Zahlen auf einer etwas veränderten Abschrift der Beobachtungen vom 
December 1800 zu beruhen scheinen, nach Vergleichung mit dem Original- 
Manuscript. Inzwischen zeigen gleichzeitige Beobachtungen in Karls- 
ruh OS. (nach den Manuscripten der Schles. Ges.), dass der Gang der 
Temperatur im December 1801 auch dort dem im December 1800 sehr 
gleich war. In Karlsruh stimmen die beiden Monats-Mittel genau überein. 


S. 17. Die sämmtlichen August- Temperaturen für 1824 sind un- 


richtig und müssen heissen: 
0 0 0 0 


August 1. 16,2 98,115.0 ds Ass: 25....10,9 
2., 16,3 10. 1432 184,,,14,3 Don 
3. as its 15, Lan 12,8 IR. 110,9 
4. M0,340 512.17, 20 28... 12,6 
d2 Bl 13 La De 292 1086 
ba 1A 0125 RT 30. 14,3 
ae Lat 19. 21.089 Det il 
8 


12,3 16. oe ee 


II. Abtheilung. Naturwissenschaftliche Section. 17 


Ueber die Art, wie dieser Irrthum bei dem Ausschreiben aus dem 
Original- Tagebuch entstanden ist, findet man das Nähere in Band XVI 
S. 200 der Oesterreich. Zeitschr. f, Meteorologie, wo auch noch einige 
andere Unrichtigkeiten verbessert sind, auf deren Vorhandensein in dem 
Januar-Hefte der genannten Zeitschrift Herr Prof. Dr. Koeppen in 
Hamburg in dankenswerther Weise aufmerksam gemacht hatte. 

S. 18. Für die ersten 10 Tage des September 1825 ist zu lesen: 

1. 2. 3. 4. 5. 6. 7 SR. 3HDLOR 

ee 103 95 TG Ad TETT 94 106 
indem bei der Reinschrift der Original-Beobachtungen dieser 10 Tage 
das Thermometer am Barometer statt der Temperatur der Luft abge- 
schrieben war. 

8. 20. Bei 1850 sind sämmtliche Juli- Temperaturen mit den 
August-Temperaturen vertauscht und daher die Zahlen beider Columnen 
umzustellen. Die Mittel-Temperaturen der beiden Monate sind im übrigen 
nahe dieselben. 

S. 33. Wegen der vorgenannten Unrichtigkeiten in den Tages- 
mitteln und einiger anderen Versehen sind in dieser Tabelle der Monats- 
und Jahresmittel folgende Verbesserungen anzubringen: 

Juli 1830 statt 13,52 ist zu lesen 13,48, 

August 1830 statt 13,48 ist zu lesen 13,52, 

August 1824 statt 16,18 ist zu lesen 13,82, 

Mittel des August statt 14,08 ist zu lesen 14,05, 

September 1825 statt 11,08 ist zu lesen 9,20, 

September 1833 statt 7,50 ist zu lesen 10,77, 

Mittel des September statt 10,86 ist zu lesen 10,88, 

Jahr 1824 statt 7,51 ist zu lesen 7,31, 

Jahr 1825 statt 5,06 ist zu lesen 4,90, 

Jahr 1828 statt 5,60 ist zu lesen 5,50, 

Jahr 1830 statt 5,11 ist zu lesen 5,06, 

Jahr 1833 statt 6,38’ ist zu lesen 6,65. 

Ueber die etwas zu niedrigen Temperatur-Angaben in den Jahren 1825 
bis 1830 im allgemeinen s. Oesterr. Zeitschr. für Met, Bd. XVI (1881) 
8. 12 und 198, 

S. 43. Januar 1846 S statt 10,5 ist zu lesen 12,5. - 

S. öl. Bei dem Jahresmittel für 1834 ist statt 6,78 zu lesen 7,28. 
— Bei dem December 1840 ist statt 2,48 zu lesen a 25, wodurch das 
Jahresmittel aus 5,95 in 5,14 übergeht, (Ueber die (sich! dieser 
Unrichtigkeit s. Oesterr. Zeitschr. XVI. 199.) — Bei dem December 1841 
ist statt 2,51 zu lesen 2,48. 

8. 77. März 1838 statt des unrichtig berechneten Mittels 0,42 ist 
zu lesen 1,97. Das Jahresmittel 1838 geht in Folge dessen von 5,01 
in 5,14 über. 


Ye Jahresbericht der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. 


Schliesslich sei noch bemerkt, dass die meisten der in der Einleitung 
für die Beobachtungsorte angegebenen aus den Barometerständen ge- 
schlossenen Seehöhen gegenwärtig durch die genauen geometrischen 
Nivellements der K. Preussischen Landes-Aufnahme ihren Werth verloren 
haben, und dass für eine etwaige weitere Benutzung der absoluten 
Barometerstände Ermittelungen über die Höhe der Aufstellungsorte der 
damals benutzten Barometer über den nächstgelegenen Nivellements 


Marken der Landes-Aufnahme erforderlich sein würden. 
Galle, 


49 


Schlesische Gesellschait für vaterländische Gultur. 


SORT, N CE 
73. I. Abtheilung. 


Jahresbericht. Naturwissenschaften. 
1895. b. Zoologisch-botanische Section. 
@&e R 2,9 


Bericht über die Sitzungen der zoologisch-botanischen Section 
im Jahre 1895. 


Secretaire die Herren Ferdinand Cohn und Carl Chun. 


1. Sitzung vom 17. Januar 1895. 


Herr Gustav Born berichtete 


Ueber die Resultate der mikroskopischen Untersuchung künstlich 
vereinigter Amphibienlarven. 


Diese Untersuchungen werden im Archiv für Entwickelungsmechanik 
ausführlich veröffentlicht werden. 


Herr Ferdinand Cohn berichtete 


Ueber die botanische Forschungsreise des Dr. Franz Reinecke auf den 
Samoainseln. 


Dr. Reinecke ist ein Schüler der hiesigen und der Heidelberger 
Universität, an welch letzterer er auf Grund einer in Engler’s Jahr- 
büchern veröffentlichten Abhandlung „über die Knospenlage der Laub- 
blätter bei den Compositen‘“ 1892 als Dr. phil. promovirte; er bereitete 
sich sodann an den hiesigen botanischen Instituten, so wie an dem bota- 
nischen Museum in Berlin auf das gründlichste zu einer naturwissen- 
schaftlichen und insbesondere botanischen Erforschung des Samoa- 
archipels vor und trat im Sommer 1893 seine auf einen zweijährigen 
Aufenthalt berechnete Reise aus eigenen Mitteln an, wobei er von der 
Berliner Akademie der Wissenschaften für anthropologische Untersuchungen 
durch eine Geldbewilligung unterstützt wurde. Von Apia sendete er 
an den Berichterstatter eine Anzahl ausführlicher Reiseberichte, die ein 
lebhaftes Bild von dem Klima, dem Bau und der Vegetation dieser 
Inseln geben; aus ihnen wurden die interessantesten Stellen in dieser 
wie in der folgenden Sitzung mitgetheilt. 

1895. 1 


3 Jahresbericht der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. 


2. Sitzung vom 31. Januar 1895. 
Herr Bruno Schroeder hielt einen Vortrag 


Ueber die von Prof. Dr. Schroeter auf seiner letzten Reise in Klein- 
Asien gesammelten Algen. 
Die von dem Vortragenden ausgeführte Bearbeitung derselben ist 
in: La nuova Notarisia 1895 abgedruckt worden. 


3. Sitzung vom 14, Februar 1895. 
Herr Theodor Schube legte nachstehende Abhandlung mit Beleg- 


exemplaren vor: 


Nachträge zur Flechtenflora Schlesiens 
von E, Eitner. 


Seit dem Beginn des Jahres 1888, in welchem die Nachträge zur 
Flechtenflora Schlesiens von B. Stein im Jahresberichte der Schlesischen 
Gesellschaft für vaterländische Cultur (1888, botanische Section, $. 142 bis 
149) erschienen, hat die weitere Durchforschung des Gebietes so viel 
neues Material zu Tage befördert, dass ich es unternommen habe, einen 
weiteren Nachtrag zu liefern. Es kommen zu den bisher bekannten 
Flechten allein 54 für Schlesien neue Arten hinzu, so dass für Schlesien 
sich die Zahl der Arten jetzt auf überhaupt 782 beziffert. 

Die oft sehr interessanten Funde stammen diesmal zum grossen 
Theil aus dem endlich etwas mehr erforschten Gebiete des Ober- 
schlesischen Kalkes und den Wäldern des rechten Oderufers bis Rosen- 
berg hinauf, aus dem Glatzer Bergland, aus dem mährisch-schlesischen 
Gesenke und immer wieder noch aus dem fast unerschöpflichen Riesen- 
gebirge. 

Letzteres hat wieder eine sanze Reihe neuer Formen ergeben, 
zum Theil so auffallende Erscheinungen, dass es fast unbegreiflich er- 
scheint, wie dieselben von Körber, Stein und so vielen Anderen 
bisher übersehen werden konnten: Parmelia alpicola Th. Fr., Cato- 
carpus chionaphilus Th. Fr. f. riphaeus Stein, welche als fein 
schwarzweisses Muster oft quadratmetergrosse Flächen überzieht, Aspi- 
cilia sanguinea Krmpl. var. diamanta Ach., A. morioides Blombery, Caio- 
carpus copelaadi (Kbr.) Th. Fr., welcher im Weisswassergrunde ganze 
Wände feuchter Felsen mit seinen kleinen weissgrauen Polstern auf 
schwarzem Grunde schmückt. Auch der Basalt der kleinen Schneegrube 
hat in Pertusaria inguinata Th. Fr. eine ihm eigene neue Art als Zu- 
wachs erhalten. 

Die von Stein (Fiechtenflora Pag. 10) auf 51 Arten bezifferte Zahl 
schlesischer Flechten, welehe im übrigen Deutschland fehlen, ist nun 


auf 60 gestiegen, von denen 21 nur am Basalt der kleinen Schneegrube 
vorkommen. 


II. Abtheilung. Zoologisch-botanische Section. 3 


Wird die Zahl der deutschen Flechtenspecies auf 1400 veranschlagt, 
(Stein nahm 1879 1300 an), so besitzt Schlesien über 5 pCt. ihm eigene 
und der Basalt der kleinen Schneegrube 1,5 pCt. nur auf diesem 
classischen Boden gefundene Arten. 

Von den 54 für Schlesien neuen Arten dieses Berichtes gehörten 
nicht weniger als 10 bisher ausschliesslich der skandinavischen Flora 
an;ein Hinweis auf die pflanzliche Besiedelung des Riesengebirges. 

Noch immer fehlen lichenologische genaue Nachweise aus dem 
Glatzer Gebirge, aus dem Isergebirge, aus dem Liebauer Bergland 
(Rabenfelsen ete.), aus den Haidewäldern von Bunzlau bis Reisicht ete., 
aus den Walddistrieten um Lublinitz, Oberschlesien u. s. w., so dass 
. voraussichtlich noch viele und interessante Funde zu erwarten sind, be- 
sonders da die auch scheinbar durchforschten Gebiete, wie dieser Nach- 
trag zeigt, immer noch neue Arten beherbergen. 

Im nachstehenden Bericht bedeuten die Abkürzungen E. —= Eitner, 
K. — Kalmus (welcher Anfang der 60er Jahre im Altvatergebirge 
sammelte), St. — Stein. 

Die für Schlesien neuen Arten und Formen sind durch fetten 
Druck gekennzeichnet, ebenso wie ganz neue Arten, d. h. solche, 
welche ich aus Mangel vorhandener Beschreibungen neu benannt und 
diagnostieirt habe. 

Jede Berichtigung werde ich mit grossem Dank entgegennehmen, 

Usnea ceratina Ach. Altheide; Namslau: Kiefern (E.). 

Bryopogon bicolor Ehrh. Popelsteine im HEulengebirge (E.); 
Agnetendorf (Schöpke). 

Alectoria ochroleuca Ehrh. Am Altvater verbreitet (K.). 

A.nigrieans Ach. f. pallida (St). Vom Typus durch die auffallend 
sraue Färbung und die kaum schwärzlichen Astspitzen sehr abweichend. 
Oppaquellen, Altvater (K.). | 

Evernia divaricata L. Reiwiesen im Gesenke (K.), an Fichten 
und Eichen der Wälder um Constadt und Kreuzburg (B.). 

Evernia thamnodes Fw. An Felsen! hinter der Forelle in Stein- 
kunzendorf am Eulengebirge (E.). 

Stereocaulon coralloides Fr. Steinmauern in Asnetendorf 
(Schöpke). 

Stereocaulon incerustatum Flke. Merkelhöhle bei Schweidnitz 
(Sehöpke),” Steinbruch in Panthenau bei Nimptsch (E.), Sandhügel um 
Dammer, Kr. Namslau (E.); hier in einer Form mit unförmlichen wie 
von srauem Spinnwebenfilz bedeckten Früchten (E.). 

Stereoc. Cereolus Ach. Baberhäuser und unter der goldenen Aus- 
sicht gegen den Haynfall fruchtend; Wolfshau: Steinwälle steril (E.). 

(Thamnolia vermieularis Sw. scheint sowohl im Gesenke als auf 


dem Glatzer Schneeberge;zu fehlen.) 
& 


4 Jahresbericht der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. 


Cladonia iurgida Ehrh. Im Riesengrunde;, Obernigk; gegen 
Jaekel (E.). 

Cl. gracilis L. f. aspera Flik. Backofenberg im Gesenke (K.). 

— var. macroceras Flik. Glatzer Schneeberg (Niessl.), Altvater, 
Rother Berg (K.). 

Cl. decorticata Fk. Brunnenberg (Schöpke). 

Cl. pyxidata L. &. neglecta (Fike.). Altvater (K.) y chloro- 
phaea Flik. Altvater (K.), Kessel (St.). 

Cl. cornuta $S. Agnetendorf (Schöpke). 

Cl, ochrolora Fike. Raudenberg: Ochsenhaide (K.); Herdberg bei 
Agnetendorf, Bögenberge bei Schweidnitz (Schöpke). 

Cl. Floerkeana Fr. Altvater, Bielafall, Köpernik (K.). Gross- 
Stein O.-8. (E.). 

Cl. amaurocraea Flik. Altvater (Spitzner). 

Cl. digitata $S. Im Eysaks verbreitet (K.). f. prolifera (Ach.). 
Brünnelhaide, Köpernik (K.). 

Cl. deformis L. Im Gesenke verbreitet (K.). Rosenberg O.-S. (E.). 

Cl. bellidiflora Ach. Pelerstein (K.), Heuscheuer selten (St.). 

Cl. uncinata Hoffm. Altvater (K.), Gr.-Leubuscher Wald bei 
Brieg (E.). 

Cl. sguamosa Hoffm. Im Gesenke häufig, ebenso auf der Heu- 
scheuer (St.). 

Cl. rangiferina L. Noch auf der Spitze des Altvaters in der 
typischen Form der Ebene (Kolenatis). 

Cl. uncialis L. f. dieraea Ach. Altvater (Kirchner). 

Sphaerophorus compressus Ach. fehlt dem Quadersandstein der 
Heuscheuer (St.), [Hausgrund am Oybin, Sachsen] (B.). 

Sph. coralloides Pers. Altvater an Fichten (Spitzaer) (E.), Heu- 
scheuer an Sorbus (St.), Hohe Eule an Steinen (B.). 

Sph. fragilis L. Altvater (K.), (R.). 

Cetraria Islandica L. b. erispa Ach, auf Knieholzstämmen des 
Riesengebirgskammes reich fruchtend (E.). 

C. cucullata Belt. Altvater (K.), (R.). 

C. nivalis L. Gesenke (K.). 

C. glauca L. Heuscheuer verbreitet und sehr üppig (8); Gesenke 
verbreitet (K.).. F. umhausensis Auw. (Cornicularia umhausensis 
Auw.) An Baumleichen unter der Schäferei am Altvater (Spitzner). 
Das Lager ist so vollständig in bäumchenförmige Sprossungen auf- 
gelöst, dass nur noch. Rudimente der Lappen am Grunde erkennbar 
sind (teste Stein). 

C. sepincola Ehrh. f. chlorophylla Humb. Buchau am Eingang 
in den Kessel ($t.) Kr. Gr.-Strehlitz und Rosenberg O.-8., an Birken 
sehr verbreitet (E.). 


II. Abtheilung. Zoologisch-botanische Section. 5 


C. pinastri Scop. Reiwiesen im Gesenke (K.) und sonst in 
Schlesien, beinahe überall steril, am Grunde alter Bäume, besonders 
Kiefern, verbreitet (E.). 

Cetraria aleurites Ach. Schön und reichlich fruchtend an 
einem alten Brettzaun im Dorfe Obernigk, Weg nach Kummer- 
nigk (BE.). 

Stietina silvatica L. Agnetendorf (Schöpke). 

Parmelia perlata L., an Erlen bei Gr.-Pluschnitz Oberschlesien, 
Kr. Gr.-Strehlitz; f. sorediata (Schaer) an Birken bei Schieroth, Kr. Tost, 
Gleiwitz O.-8S. (E.). 

P. Borreri Turn. An Kiefern bei Gr.-Strehlitz und Gogolin, an 
Erlen bei Dambrau, Constadt, Obernigk (E.); doch stets steril! 

P. sinuosa Sm. Buchen am Leiterberg, Altvatergebirge (E.); 
Buchen am Wege von der Schüsselbaude nach Spindelmühl, Riesen- 
gebirge (E.). 

P. encausta Sm. Auch an den Schwalbensteinen des Gr. Schneebergs 
fruchtend (E.). 

P. hyperopta Ach. Grafschaft Glatz, Heuscheuer und das ganze 
Sandstein-Gebiet forma saxicola Stein verbreitet. (St.), (E.). 

P. acetabulum Neck. Fast überall, aber vereinzelt und oft steril. 
Fruchtend Gr.-Strehlitz, Park, Brettzaun in M.-Stradam, Birken bei 
Schierokau, Kr. Lublinitz; steril an Kirschbäumen bei Kreuzburg O.-S., 
an Strassenpappeln bei Oppeln, Oswitz, Sybillenort, Obernigk etc. (E.). 
Da die alten Liehenologen nur wenige Standorte kannten und Körber 
auch nur Bunzlau und Gorkau 1870 angab, ein Uebersehen bei der 
auffallenden Färbung und Grösse der Flechte nicht anzunehmen ist, so 
scheint hier eine so schnelle Verbreitung stattgefunden zu haben, wie sie 
bei Flechten noch nie beobachtet wurde. 


P. sorediata Ach. Felsen um Warmbrunn (E.). 


P. alpicola Th. Fr. Thallus runzlich krustig, angepresst bis 
anliegend, erst kreisrund, dann verschieden ausgebreitet, schwarz oder 
ins Olivenfarbige oder Graue übergehend, stets trübe und glanzlos, unter- 
seits schwarz und stellenweis mit Haftfasern besetzt. Die Lagerzipfel 
sind schmal, gewölbt, auch quergefaltet, nach unten eingekrümmt und 
vielfach gekerbt, eingeschnitten und zu Gruppen zusammengedrängt. 
Früchte häufig, schwarz, schüsselförmig mit ganzem Rand. Felsen an 
der grossen Sturmhaube und an den Grubenrändern (E.). Die Flechte 
scheint bisher nur im hohen Norden beobachtet zu sein, wenigstens 
ist sie bisher noch in keiner Flora von Deutschland aufgeführt! 

P. stygia L. «. genuina. Auf einem Sandsteinblock bei Carlsberg 
an der Heuscheuer (E.). Uebergänge von «. zu ß. im Riesengebirge 
häufig (E.). 


6 Jahresbericht der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. 


P. incurva Pers. Felsen auf dem Plane unter der alten schlesischen 
Baude, Riesengebirge (E.). 

P. diffusa (Web.). Mehr oder weniger häufig in allen alten 
Kieferbeständen der Ebene und Hügel, doch steril. Obernigk, Riemberg, 
bei Oppeln, Gr.-Strehlitz, Constadt, Kreuzburg ete.; fruchtend in 
Schierokau, Kr. Lublinitz auf Holz (E.). Auf dem Quadersandstein der 
Grafschaft Glatz häufig fruchtend in Gesellschaft von hyperopta Ach., 
oft an centrifuga L. stark erinnernd (St. u. E.). 


Menegazzia pertusa Schok. Schön fruchtend an Fichten oberhalb 
des Kochelfalles (E.). 


Xanthoria fallax Hepp. Glimmerschiefer des Petersteins im 
Gesenke fruchtend (Spitzner). 

Xanth. Iychnea Ach. var. polycarpa Ehrh. Reiwiesen (K.). 

Nephromium laevigatum Ach. Moosbruch bei Reiwiesen (K.), 
B papyraceum Hofm. Hohe Eule, Pappeln am Bahnhof Sibyllen- 
ort (E.). 

Nephr. tomentosum Hoffm. Melzergrund (E.). 

Peltigera venosa L. Ziegeleiteiche bei Schweidnitz (Schöpke), 
Heuscheuer (E.). 

Solorina crocea L. Brünnelhaide (K.). 

Gyrophora cylindrica L. Im Gesenke verbr. (K.), (E.). 

G. polyphylia L. Altvater (K.); (E.). Glatzer Schneeberg (Niessl.), 
(E.), Heuscheuer ($t.). 

G. deusta L. Im Gesenke verbreitet (K.). 

Endocarpon miniatum S. ß complicatum Sa. Peterstein im 
Gesenke (Kunisch), (teste E.). 

E. fluviatile Web. Agnetendorf (Schöpke), am Wölfelsfall (E.). 

Pannaria triptophylia Ach. An Sorbus auf der Heuscheuer ($t.). 
Mit grauen Lagerschuppen an Acer pseudoplat. und Sorbus im Melzergrund, 
mit braunem Lager im Elbgrund (E.). | 

P. microphylla Sw. An den Gipfelfelsen des Hartheberges bei 
Frankenstein (E.). 


Gasparrinia elegans Sk. In schmal- und langlappigen Exem- 
plaren am Eingang ins Schlackenthal bei Reichenstein, am Grochberg 
bei Frankenstein (E.). 

Gyalolechia episantha Ach. Im ganzen oberschlesischen Kalk- 
gebiet zwischen anderen Flechten gemein (E.). 

Placodium saxicolum (Poll.) $ versicolor Pers. Mit fast rein 
weissem dick bestaubtem Lager und dick bereiftem Fruchtrand am 
bröcklichen Basalt bei M.-Steine, Grafschaft Glatz (E.). 

Pl. eircinatum (Pers.) «a. radiosum Hoffm. Felsen am Fuss 
des Rothen Berges bei Rengersdorf, Grafschaft Glatz (E.). 


II. Abtheilung. Zoologisch-botanische Section. 7 


Acarospora glebosa Kbr. Sandgrube am Wege von Gr.-Strehlitz 
rach Dolna O.-S. an rothem Sandsteinknollen; an Geröll bei Bärwalde, 
Kr. Münsterberg (E.). 


Ac. badiofusca (Nyl.) Th. Fr. Thallus warzig-schuppig, 
mit gewölbten, verschieden gestalteten Areolen, braun, glänzend, 
Apothetien gross, erst eingesenkt, dann fast sitzend, mit schwarzer, sehr 
verbreiterter, flacher, später gewölbter, matter Scheibe. Thallusrand 
stumpf, niedergedrückt, zuletzt verschwindend. Sporen in aufgeblasenen, 


keuligen Schläuchen sehr zahlreich 
senke (E.). 

Ac. fuscata Schrad. «a. peliocyph@ Walbrg. Eichberge bei 
Reichenbach, Festungswerke Schweidnitz, bei Peiskretscham, Münster- 
berg; wohl vielfach verbreitet, aber stets einzeln (E.). 


4—6 
923, gross. Peterstein im Ge- 


Ac. cineracea Nyl. Lager grauweiss, locker anliegend, mit 
gehobenen, oft welligen Rändern. Areolen vereinzelt oder zu einer 
dieken, rissigen Kruste vereinigt. Früchte einzeln, mitten in den Areolen 
eingesenkt, punktförmig, rothbraun, nackt. Sporen lang elliptisch, 
1—1,5 u breit, 3—5 f lang. An dunklem Kalk bei Ober-Alt-Lomnitz, 
Kr. Habelschwerdt; Kalkbruch zwischen Schwieben und Langendorf bei 
Tost O.-S. (E.). Die Areolen sind hier einzeln mit ganz freien Rändern 
einer kleinen Gyrophora ähnlich. Beim Anfeuchten wird das Lager 
rothbräunlich, so dass die grauweisse Farbe als Reif erscheint (E.). 


Acarospora Heppii Naeg. Im oberschlesischen Kalkgebiet 
sehr verbreitet: bei Gross-Strehlitz, Nieder-Ellguth, Beuthen, Peiskret- 
scham etc. (E.). 

Callopisma cerinum Ehrh. f. stillieidiorum Ach. Sandgrube 
bei Hohenwilkau, Kr. Namslau; alter Kalkbruch zwischen Schwieben 
und Langendorf bei Tost O.-S. (E.). 


C. conservum Krplh. Kruste rauh, rissig gefeldert, braun- 
schwarz, auf schwarzem Vorlager. Früchte sehr klein, angedrückt, 
flach mit sehr zartem Rande, erst dottergelb, sich schnell bräunend bis 
schwarz werdend. Sporen elliptisch, mit sehr kleinen Sporoblasten, 
10 x lang, 4-5 y dick. Paraph. ausgezeichnet gegliedert und ästig. 
An Kalksteinen bei Leschnitz und im Kieferbusch bei Ottmuth, Gogolin 
auf Kalksplittern (E.). 

C. chalybaeum Fr. Im oberschlesischen Kalkgebiet verbreitet. 
Saerauer Berg, N.-Ellguther Kalkberg um Gr.-Strehlitz O.-8. ete. (B.). 

Xanthocarpia ochracea (Schaer.) Kbr. Lager sehr dünn, 
ockergelb, fast wie aufgestrichene und abgewischte Farbe erscheinend, 
die das weisse Vorlager durchsehen lässt, zartrissig gefeldert. Früchte 
angedrückt, erst krugförmig, mit hohem orangefarbigem Rande und 


8 Jahresbericht der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. 


punktförmiger Scheibe, dann flach, mit verschwindendem Rand. Schlauch- 
boden und Füllfäden wasserhell, Deckschicht krumig goldgelb, 
Paraphysen schön gegliedert und oben kegelig verdickt. Schläuche 
keulig bis sackartig, achtsporig. Sporen länglich elliptisch, 4 theilig 
(erst scheinbar polar 2th.), 14 w lang, 4 u dick. Die Frucht hat zur 
eigenen gonidienlosen Rand, aber im Schlauboden finden sich hänfig 
Gonidienklumpen. Körber zählt sie zu den Biatorineen. Sacrauer 
Kalkberg bei Gogolin (R.). 

Dimerospora rugulosa Hepp. An Platanenästchen im Schlosshof 
von Dambrau bei Oppeln (E.). 

D. proteiformis Mach. Park in Pless O.-$., Münchhof bei 
Münsterberg; N.-Ellguther Kalkberg, bei Gogolin (E.). 

D. Turicensis Hepp. Kruste weinsteinartig, schuppig-körnig, . 
weissgrau, auf undeutlichem weissem Vorlager. Apothecien untermischt 
bis weit hervortretend, das Lager oft fast verdeckend, erst flach, dann 
gewölbt, bis unförmig faltig, kopfförmig dick, hechtblau bereift. Sporen 
in keuligen Schläuchen zu 8, elliptisch, zweitheilig mit deutlicher Quer- 
wand, 12 w lang, —5 u dick. Am N.-Hllguther Kalkberg bei Go- 
golin (E.). ' 

Rinodina Conradi Kbr., auf todtem Birkenstock am Sandberg bei 
Pontwitz, Kr. Oels (E.). 

Rinodina Bischofii Hepp. «a. protuberans Kbr. B. immersa 
Kbr. Durch das ganze oberschlesische Kalkgebiet verbreitet und in 
beiden Formen fast in jedem Kalkbruch von Oppeln bis Beuthen zu 
finden (E.). 

Rinodina exigua (Ach... Th. Fr. r. inundata Blom- 
berg (in sched.). Kruste ausgebreitet, firnissartig und feinrissig 
gefeldert, graubraun, auf undeutlichem (schwarzem) Vorlager. Früchte 
sehr klein, eingesenkt, mit erst wulstigem, dann fast verschwindendem 
Lagerrande; später sitzend. Sporen in fast eiförmigen Schläuchen zu 8, 
elliptisch, 2theilig, rauchgrau, erst beim Absterben mitten eingeschnürt, 
genau denen der Buellia discolor Hepp. gleich. Schlauchboden farblos. 
Görbersdorf, Freudengraben an zeitweis überfluthetem Basalt (E.). 

Rinod. colobina Ach., an Acer Pseudoplatanus im Park von 
Kraschnitz bei Militsch (St.). 

Lecanora gypsodes Kbr. An Körber’s Standort: Echofelsen 
des Kynast. An in Menge gesammelten Exemplaren zeigt sich die Oel- 
tropfenzweitheilung der Sporen typisch (St.), (E.). 

Lec. cenisia Ach. An der Heuscheuer verbreitet (St.), (E.). 

Lec. badia. Pers. :Schmiedelehne bei Peterswaldau. Eule (E.). 

Lecanora effusa Pers. y. hypopta Ach. Kiefern bei Nassadel, 
Kreis Namslau (E.). f. glaucella Fw. an Larix zwischen Jaekel und 
Haufen bei Riemberg. Auf Hirnschnitt von Kiefern bei Ohmsdorf, 


II. Abtheilung. Zoologisch-botanische Section. 9 


Kreis Schweidnitz. Sehr schön im Königl. Forst bei Constadt an 
Kiefern (E.). 

Lecanora Pumilionis Rehm ist Lec. symmicta Ach. f. 
denigrata Fw., ist auf Knieholz auf dem Kamme des Riesen- 
sebirges gemein und wechselt ab von ganz hellen bis fast schwarzen 
Früchten (E.). 

Mosigia gibbosa Ach., am Basalt der kleinen Schneegrube 
fruchtend (E.), 

Icmadophila aeruginosa Scop. Auf torfigsem Waldboden im 
Wald zwischen Jamm und Alt-Rosenberg, Kreis Rosenberg O.-S. (E.). 

Aspicilia Myrini Fr. Bibersteine (E.). 

Asp. sanguinea Krplh. = 4A. cinereorufescens Ach. 
f. diamartha Nyl. Nahe am Koppenbach im Riesengrunde und im 
Teufelsgärtehen (E. 1895). Die Grundform schon früher, 1892, im 
Kessel des Riesengrundes und in diesem Jahr eine sehr dicklappigkrustige 
Form mit sehr grossen Früchten, an der Kesselkoppe, auf Steinwällen, 
genannt Teufelslustgarten, beobachtet (E.). (Lecanora eritica Nyl.) 

Asp. complanata Kbr., in taubengrauer, eigenthümlicher Form 
mit glatt eingesenkten Früchten an der grossen Sturmhaube und den 
Grubenrändern, genau Körber’s Diagnose entsprechend (E.). 

Asp. bohemica Kbr. Kleutschberg bei Gnadenfrei (St.). 

Asp. phaeops Nyl. An Steinmauern auf der Feldseite von Mittel- 
Peilau bei Gnadenfrei (E.). 

Asp. morioides Blomberg. Fast nicht von Sporastatia 
tesiudinea, mit welcher sie oft zusammen wächst, zu unterscheiden. 
Die Lagerareolen metallisch glänzend, gewölbter und kleiner wie bei 
Sp. und ohne effigurirten Rand. Früchte sehr klein, punktförmig, 
einzeln, in Mitten der Areolen tief eingesenkt, mit schwarzer Scheibe. 
Sporen in fast birnförmig-keuligen Schläuchen zu 8, 10—12 y lang, 
5—6 pw diek. Schlauchboden ungefärbt. 

Pferdeköpfe bei der neuen Schles. Baude, 1892 entdeckt. 1894 in 
Menge wieder gefunden (E.). 

Asp. Prevosti (Fr.) Th. Fr. Kruste sich ganz anschmiegend, 
glatt, röthlichgrau, glanzlos und nur sehr fein rissig. Früchte stets 
kreisrund, ganz eingesenkt, concav (schüsselförmig), röthlichgrau, ange- _ 
feuchtet feurigroth, dann matt werdend.. Rand wenig vortretend. 


Sporen m 
p er I gross. 


Glatzer Schneeberg: Schwalbensteine (E.). 
Asp. flavida Arn. Kruste ausgebreitet oder fleckenartig dünn, 
fast schorfig, fein rissig gefeldert, gelbgrau, „wie eine dünn angeflogene 
Lage erdigen Schmutzes“ (Kbr.).. Früchte sehr klein, eingesenkt bis 
sitzend, mit anfangs vertiefter, später flacher, schwarzer Scheibe. Füll- 


10 Jahresbericht der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. 
fäden schön gegliedert, oben stahlblau. Sporen zu 8 in keuligen Schläuchen 
16—18 yı lang, 8—10 w dick. 

Auf Kalkgeröll in einem alten Steinbruch bei Chorulla, Gogolin und 
an Kalkfelsen im Riesengrunde (E.). 


Asp. ceracea. Arn. Kruste dünn, schorfig, kaum rissig, firniss- 
artig heller oder dunkler bis braunschwarz, meist kleinfleckig. Früchte 
zahlreich eingesenkt, dünn-wulstig, vom Lager berandet, wachsgelb oder 
mit einer braunen, dem Lager sgleichfarbigen Schicht bedeckt, 
Schlauchschicht ganz hyalin wie der Schlauchboden, alles sehr zart. 
Sporen in keuligen Schläuchen oft einreihig gelagert 10—14 u lang, 
5—6 w dick. 

Gipfel des Wartha-Berges, Grafschaft Glatz, Zobten, Eichberge bei 
Reichenbach. Bei Wolfshau an vom Wasser bespritzten Stein in ganz 
heller, graugelblicher Form (B.). | 

Asp. faginea Eitner. (nov. spec.) Kruste dünn, rehgrau, fein- 
rissig gefeldert, mit rauhen, flachen Feldern, mit oft effigurirtem Rande. 
Vorlager unkenntlich. Früchte eingesenkt, erst punktförmig mit leprösem, 
hervorstehendem Thallusrand, später unberandet, mit unregelmässig er- 
weiterter, flacher, nackter, schwarzer Scheibe, welche angefeuchtet 
rothbraun wird. Füllfäden verleimt, dieklich straff, oben schwach ver- 
dickt, gelbbraun. Sporen zu 3, in gestielt keuligen Schläuchen, 
nn ı gross. Jod färbt das Hymenium goldbraun. Erscheint wie 
Rindenform vorstehender A. complanata (Kbr.). 

An Rothbuchen im Trebnitzer Buchenwald (E.). 


Phialopsis rubra Hoffm. An alten Eichen im Reinersdorfer 
Wald bei Constadt und im Gr.-Leubuscher Wald bei Brieg (E.). 


Petractis exanthematica Sm. Kruste sehr dünn, oft fast 
fehlend, weisslichgrau, gelblich. Früchte eingesenkt, die Kruste mit 
sternförmig zerschlitztem Rande durchbrechend. Scheibe röthlich flach. 
Sporen spindelförmig 4theilig. 

Alter Kalkbruch auf der Anhöhe zwischen Schwieben und Langen- 
dorf bei Tost O.-8. (E.). 


Gyalecta truncigena (Ach. 1814). (Secoliga abstrusa Kbr.),,. An 
Ulmus camp. im Heinrichauer Park, an alten Eichen im Gr.-Leubuscher 
Wald bei Brieg (E.). 

Gyalecta fagicola Hepp. Thallus graubraun, oft wulstig, 
aber sehr dünn. Früchte von der Kruste halb überwölbt, sich spät 
: öffnend und stets mit "eingebogenem Rand napfförmig. Scheibe flach, 
rothbraun, Hymenium wasserhell, Füllfäden straff gegliedert. Sporen 
zu sehr vielen in schlankkeuligen Schläuchen, spindelförmig, Atheilig 
20 p lang, 4 p diek. An Ulmus im Kgl. Forst bei Constadt (B.). 


II. Abtheilung. Zoologisch-botanische Section. ul 


Thelotrema lepadinum Ach. Heuscheuer (E.) und noch an 
Buchen im Wald bei Dammer, Kr. Namslau (E.). 


Pertusaria inquinata (Ach.) Th. Fries. Thallus dünn 
grauweisslichgrün, der Asp. calcarea ähnlich, doch dünner, Frucht- 
warzen ganz unregelmässig, flach, rundlich bis eckig, Früchte 
Aspicilia-artig ganz eingesenkt, mit schwarzer, flacher, körnig weiss- 
berandeter, punktförmiger rauher, dann unregelmässig verbreiteter 
Scheibe. Oft einzeln, aber auch bis zu 10 in einer Warze, später 
verschmelzend. Füllfäden haarförmig, wirr, Schläuche fast lineal 
mit 8 einreihig gelagerten 

Basalt der kleinen Schneegrube (E.). 

Pertusaria coccodes Ach. (K + erst gelb, bald blutroth). 
Am Grund alter Fichten im Königl. Forst bei Kotschanowitz, Kreuz- 
burg O.-S. (E.). 

Pert. coronata Ach. (K — oder bräunt.) An Fagus im Wald 
über Schreiberhau nach. der alten Schles. Baude. Im Elbgrund an 
demselben Substrat und ebenso im Gr.-Leubuscher Wald bei 
Brieg (B.). 

Pert. ocellata Walir. und var. Flotowiana Flk., an Sandstein 
des Höllengrundes bei Althaide (E.). 

Pert. multipuncta Turn. Im Bankauer Wald bei Kreuzburg 
an Fagus. Goerbersdorf, Schwarzer Berg, hohes Gebirge steis an 
Fagus (E.). 

Pert. Wulfenii D. ©. An Sorbus bei Grottkau (E,). 

Thelocarpon Laureri Fw. Hirnschnitt alter Zaunbretter auf der 
Wörtherstrasse (vulgo Klingelgasse) in Breslau ($t.). 

Th. epilithellum Nyl. Auf grobem, bröcklichem Granitblock in 
der Sandgrube zwischen Polgsen und Kl.-Schmograu bei Wohlau in sehr 
kräftigen Exemplaren (E.). 


grossen Sporen. 


Thalloedema squalescens Nyl., von der Schneekoppe, wurde 
1864 von Körber als Biatorina eryptadia Kbr. in sched. veröffentlicht. 
(Stein). 

Hier möge eine nicht schlesische Art Erwähnung finden. Thalloe-_ 
dema Bormülleri Stein in litt. 

Lagerschuppen 1 bis 2 cm hoch, drehrunde, hohle, vielverzweigte 
Stämmehen bildend, welche oben in bläulichgrüne, dicht bleigrau be- 
reifte, blasig warzige, polsterbildende, 2—3 mm breite Schuppenköpfe 
enden. Früchte 2—3 mm gross, Scheibe flach, mattschwarz oder leicht 
grau bereift mit dauernd vortretendem, anfangs bereiftem, dann 
schwarzem Rande. Schlauchboden rothbraun, Füllfäden kräftig, ästig und 
oben trübgrünlich bis schwärzlich-grünlich, oft mit körniger schwarzer 


12 Jahresbericht der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. 


u 


Epithel-Schicht. Sporen zu 8 in schmalkeuligen Schläuchen, breit- 


ga 
spindelförmig, quer zweitheilig— 


B) 3 
—_Ig | gross (Stein). 


Am Domegbed im Banat Primula Auricula im Juli 1886 
von Bornmüller gefunden (Stein). 

Erinnert an eine Dufourea und weicht habituell von allen europäischen 
Thalloedema-Arten weit ab. 


Psora ostreata Hoffm., stark fruchtend im Dorfe Jaekel bei 
Obernigk an alten Brettzäunen (R.). 


Psora fuliginosa Tayl. An Kesselfelsen unter der Kesselkoppe, 
Riesengebirge, mit stark verbreiteter Kruste (E.). Granit. 


Psora Limprichtii (St). An der Felsenspitze neben dem Kochel- 
fall (E.), auf Granit. 

Toninia syncomista Flke. Kirchhofmauer Altstadt Nimptsch (E.). 

Strangospora moriformis Ach. Zaun hinterm Turnplatz in 
Gleiwitz (R.). 

Scoliciosporum compactum Kbr. An faulem Brettzaune bei 
Glausche, Kr. Namslau (E.). 

Sc. vermiferum Nyl. An Eichen im Gr.-Leubuscher Wald bei 
Brieg (E.). 

Sc. Baggei Metzler. Trebnitzer Buchenwald Alnus incana und im 
Wald hinter Schimmelwitz bei Obernigk (wohl Körber’s Standort) in 
Menge. An Birken bei Constadt O.-$8. Im Wald bei Kl.-Schmograu. 
Wohlau an Eichenästchen (E.). 


Bacidia rosella Pers. An jüngeren Eichen! im Trebnitzer 
Buchenwald und im Walde hinter Deutsch-Lissa ebenfalls an 
Eiche! (E.). 

Bac. albescens Arn. An alten Eichen im Reinersdorfer Wald bei 
Constadt, auf gleichem Substrat im Gr Alaususanen Wald bei Brieg und 
auf Sarothamnus in Obernigk (E.), 

Bac. inundata (Fr.) Kbr. Auf überfluthetem Sandstein im 
Höllengrund bei Althaide (Glatz), Görbersdorf, Schmiedegrund (Eulen- 
gebirge) (E.). 

Bac. arceutina Ach. An jungen Eichen im Gr.-Leubuscher Wald, 
Kr. Brieg (E.), hier häufig. 

Bac. acerina (Pers.) Arn. Kruste körnig, staubig, gelbgrau. 
Früchte gelblich-röthlichbraun bis rothschwarz; sitzend bis fast gestielt, 
mit dickem, hohem, glänzend schwarzem, resp. der Scheibenfarbe fast 
‘ gleichem Rand. Scheibe vertieft bis flach. Paraphysen wenig verleimt, 


wie das Hypothecium hyalin, oben wenig matt graubraun gefärbt. , 


Schlauchboden sehr diek und fast hornig. Gehäuse dick, rosagelblich 
bis ungefärbt. Sporen in schmalkeuligen Schläuchen zu 8, 50—80 u 


II. Abtheilung. Zoologisch-botanische Section. 13 


lang, an einem Ende keulig verdickt und kurz scharf zugespitzt, 2—5 1 
diek, deutlich vieltheilig. 

An alten Eichen im Bankauer Wald bei Kreuzburg (R.). 

Bac. abbrevians (Nyl.) Th. Fr. Kruste glatt, runzlich 
slänzend, oder staubig aufgelöst, weiss oder grau, Apothecien klein, 
angedrückt bis sitzend, schwarz, erst concav, dann flach, mit dünnem, 
sleichfarbigem Rand umgeben, später leicht gewölbt, randlos. Exeipulum 
in’s Violette spielend. Hypothecium farblos; Paraphysen ziemlich locker 
zusammenhängend, mit dunklen, verdieckten Enden. Schläuche keulig, 
mit 8 meist viertheiligen, stumpfen, 12—20 u langen, 2—3 u dicken 
Sporen. 

An Sorbus im Reinersdorfer Wald bei Constadt (E.). 

Bacidia egenula (Nyl.) Th. Fr. Kruste dünn, helleroder dunkler 
grau, bis fast schwarz, oft fehlend, auf weissem Vorlager. Apothecien 
klein, sitzend, angedrückt, erst flach mit schwachem stumpfem Rand, 
dann leicht gewölbt unberandet. Trocken schwarz oder schwarzröthlich, 
angefeuchtet heller werdend, rothbraun. Exceipulum violett. Schlauch- 
boden gelb oder schmutzig gelbbraun. Paraphysen ungefärbt. Schläuche 
schmalkeulig. Ziemlich oft sind im Thecium abgestorbene, schmutzig- 
violette Schläuche vorhanden, wodurch die Schlauchschicht manchmal 
dunkler erscheint, Sporen 21—30 yp lang, 1 ıw eirca dick. 

Auf Kalk auf der Weisskoppe, Grafschaft Glatz (E.). 

Bilimbia borborodes Kbr. An alten Eichen im Gr.-Leubuscher 
Wald bei Brieg (E.). 

Bilimb. obscurata Th. Fr. Weber Moospolstern Schnee- 
koppe (E.). 

B. sphaeroides (Dcks,) Th. Fr. An alten Robinien im Stadtwald 
von Namslau (E.). An Populus trem. im Dirsdorfer Wald bei Gnaden- 
frei (E.). 

B. hypnophila Ach. An alten Eichen im Reinersdorfer Wald bei 
Constadt. Auf Moosen und Rinde (E.). 

B. coprodes Kbr. An versteckten Sandsteinblöcken im Höllen- 
thal bei Althaide, Grafschaft Glatz (E.). 

B. trisepta Naeg. f. saxicola. An Kopfsteinen (Granit) im 
Jaekeler Wald bei Obernigk: An Sandstein im Höllenthal bei Althaide, - 
Grafschaft Glatz (E.). 

B. effusa Auersw. An alten Eichen im Gr.-Leubuscher Wald bei 
Brieg (E.). 

B. Nitschkeana Lahm. Im Kgl. Forst bei Constadt O.-S. an 
‚Eichen und ebenso im Muckerauer Wald bei Lissa (E.). 

B. chlorococca Graewe. Kruste dünn, staubig oder körnig, 
schmutziggrün oder gelblichgrün; Apothecien klein, angedrückt bis 
fast eingesenkt, mehr oder weniger gewölbt, unberandet, Schlauchboden 


14 Jahresbericht der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. 


ungefärbt; Paraphysen gallertartig zerfliessend; Schläuche aufgeblasen 
keulig; Sporen 4—Stheilig zugespitzt. Die Theilung ist oft so un- 
deutlich, dass man einzellige Sporen zu sehen glaubt. 

a tristior Th. Fr. Apothecien schwarzbraun bis schwarz, sitzend; 
Paraphysen-Enden schmutzig olivenfarbig. 

ß hülarior Th. Fr. Kruste dicker, Apothecien heller oder 
dunkeler rothbraun bis fast braunschwarz, oft fast eingesenkt. 

&. An Erlenästchen im Park von Pless.. An Birken bei Constadt O.-S. 
und auf gleichem Substrat bei Gleiwitz (E.). 

B. An Populus tremula in den Sitten bei Obernisk (E.). 

Biimbia atro-candida Eitner nov. spec. Kruste wie firniss- 
artig schorfig, weiss, leprös gelblich sich auflösend. Früchte sehr klein, 
unberandet, schwarz, nackt, angefeuchtet nicht heller werdend; flach bis 
leicht gewölbt, rund bis unregelmässig. Schlauchboden dunkelrothbraun, 
Füllfäden hyalin,. ziemlich verleimt, oben braun, kopfig verdickt. 
Schläuche blasig, keulig, 8sporig. Sporen schmal, spindelförmig, an 
beiden Enden scharf zugespitzt, 20 u lang, 3—4 w dick, 4- und 6-theilig, 
ungefärbt. 

Die Farbe des Schlauchbodens steigt oft in die Füllfäden, so dass 
diese auch ganz hellbräunlich werden. 

An nicht zu alten Eichen im Gr.-Leubuscher Wald bei Brieg (E.). 


Biatorina wmicrococca KDr. an abgestorbenen Juniperus- 
zweigen auf der Schwedenschanze bei Grünberg (Hellwig, t. Stein). 

B. lutea Dcks. an alten Eichen im Reinersdorfer Wald bei Con- 
stadt (E.). 

B. Ehrhardtiana Ach., stark fruchtend. Altstadt bei Namslau: 
Scheune; Obernigk: Scheune; Deutsch-Würbitz bei Constadt: Feld- 
scheune etc. (E.). 

B. sub-Ehrhardtiana Einer nov. spec. Kruste zwischen an- 
deren Flechten, kleine 1 > 2 cm grosse Flecken bildend, sehr klein- 
körnig, grauweiss, ohne Spermogonien. Früchte kaum halb so gross 
wie bei Ehrhardtiana, mit gelber Scheibe ohne eigenen Rand, eingesenkt 
und vom Lager feinkörnig staubig bekrönt. Sporen dicker als bei 
Ehrhardtiana, elliptisch, 14 u lang, 5 p dick, deutlich zweitheilig ohne 
Einschnürung. An altem Brettzaun des Dom. Hennersdorf bei Koeltschen, 
Kreis Reichenbach (E.). 

B. diaphana Kbr. Felsen in der Aupa im Riesengrunde (E.). 

B. prasina Fr. An faulen Birken auf dem Königshayner Spitzberg, 
' Grafschaft Glatz (E.). 

B. lenticularis Ach. «a vulgaris Kbr. Warthaberg bei Ca- , 
menz (E.). # erubescens Fw. Sacrauer und Nieder-Ellguther Kalkberg 
bei Gogolin (E.). 


II. Abtheilung. Zoologisch-botanische Section. 15 


Biatora granulosa Ehrh. 1785. Obernigk: Schonung vor dem 
Riemberger Walde. Im Wald bei Kandrzin O.-S. (B.). 

B. rivulosa Ach. Am Brunnenberg, Kesselrand (E.). 

B. mollis Wbg. Pferdeköpfe. Sturmhaube. Melzergrund. Sand- 
steinfelsen bei Rückers (E.). 

B. lweida Ach. An Gabbrofelsen des Zobten gegen Tampadel, 
sehr stark fruchtend (E.). 

B. gibberosa Ach. Im Inneren hohler Weiden, Weg von Obernigk 
nach Schimmelwitz (E.). 

B. atomaria Th. Fr. An einem Basaltblock bei Rudzinietz O.-8. 
und auf Kieseln des alten Festungswerkes in Schweidnitz (E.). 

B. trrachona Ach. Am (uadersandstein der Heuscheuer (St.). 
Lomnitzfall und Melzergrund (E.). 

Diplotomma tegulare Kbr. Thallus ziemlich grosse Flecke 
bildend, sehr dünn, warzig gefeldert, grau, mit dem schwarzen, dendri- 
tischen Vorlager verschmolzen. Apothecien klein, fast eingesenkt, stets 
eben, schwarz, vom Thallus erst erenulirt bekrönt, dann unberandet. 
Sporen in eiförmig keuligen Schläuchen, ziemlich gross, fast eiförmig; 
von Anfang an mauerartig, erst wasserhell, bald braun. Friedersdorf 
bei Strehlen. Altstadt Nimptsch, an Granitmauern (E.). 

Poetschia Sphyridii Stein (Verhdl. d. Brandenb. Bot. Verein 1872) 
auf Sphyridium an Steinen auf den Bergen hinter dem Gasthaus ‚Zur 
Forelle“ in Steinkunzendorf a. d. Eule (E.). 

Poetschia buellioides Kbr. an Eichen des Constädter Kgl. Forstes 
(E.). — Gleichfalls auf Sphyridium byssoides L. und zwar auf der var. 
carneum Flke. sammelte Stein einen neuen Epiphyten, der wohl auch 
in Schlesien vorkommen dürfte und dessen Diagnose lautet: 

Celidiopsis Sphyridii Stein in litt. Früchte kaum 0,6 mm 
gross, rund. Jung angedrückt, dann aufsitzend, von Anfang an rändlos, 
braunschwarz bis matt reinschwarz; erst flach, bald stark gewölbt, fein 
rauh. Sporen in langen schmalen, oft fast walzigen Schläuchen zu je 4, 
selten 3 oder 5; anfangs wasserhell und zweitheilig, bald gelbbräunlich, 
schliesslich grau bis violett, schwärzlich und durch starke Querwände 


4 theilig; lang eiförmig bis fast puppenförmig, a gross. Füll- 


fäden zart, schleimig in einander verfliessend, oben breit grün-schwärz- 
lieh. Schlauchboden dick und fest; aus braunschwarzem Grunde gelb- 
bräunlich (Stein. An losen Sandhängen des Weges zum Alpenzeiger 
bei Brugg ca. 550 m Seehöhe (Stein). 

Ist schon durch die Grösse der Sporen und deren Vierzahl von 
C. insitiva Fw. verschieden. 

Buellia discolor Hepp. Görbersdorf: Büttnergrund; Langer 
Grund bei Wartha (E.). 


16» Jahresbericht der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. 


Catocarpus chionophilus Th. Fr. auf dem ganzen Kamm des 
Riesengebirges verbreitet (B.). 

Var. riphaeus Steim nov. var. Felderchen der Kruste bläulich, 
weiss, glatt, matt, etwas gewölbt, mehr oder weniger dichtstehend auf 
dem überall durchbliekenden schwarzen Vorlager. Früchte in den 
Felderchen eingesenkt, gewölbt, unberandet oder hervortretend flach 
und niedergedrückt berandet. Schlauchschicht und Sporen wie bei der 
Normalform. Letztere etwas kleiner und länger farblos bleibend. 
Schleimhof schmal und oft undeutlich. 

An trockenen Felsen der Mädelsteine und an Granitblöcken, welche 
am Wege unter der grossen Sturmhaube liegen. Oft grosse Strecken 
als kräftige, gesunde Pflanze überziehend, oft auch mit der Normal Form 
vermengt, doch fast stets durch das schwarze Vorlager scharf abgegrenzt. 
Selbst Th. M. Fries, der berufenste Kenner der Catocarpus-Gruppe sah 
die Pflanze als eigenartig und neu an, um so mehr, als die Früchte 
oben rothbraune Füllfäden zeigten. 

Bei im Jahre 1892 von mir in Masse gesammeltem Material zeigten 
sich aber deutliche Uebergänge zur Normalform, sowohl durch einge- 
sprengte gelbe Felder wie auch durch Uebergänge aus weiss in mehr 
oder weniger gelben Farbenton. Einfluss der Unterlage ist ausge- 
schlossen, ebenso der eines Epiphyten, da die weisse Kruste stets 
strotzend gesund ist und mit sehr kräftigen, gut ausgebildete Sporen 
enthaltenden Früchten dicht besetzt ist (E.). 

C. applanatus Fr. Zackenfall (B.). 

C. Koerberi Stein (Catillaria concreia Kbr.). Schneekoppe, 
Salzgrund bei Fürstenstein (B.). 

©. copelandi (Kbr.) Th. Fr. Kruste warzig, weiss, grau oder 
bräunlich. Vorlager schwarz, Hyphen nicht amylumhaltig. Früchte, 
den Felderchen untermischt, erst dem Thallus gleich hoch, dann mehr 
oder weniger hervorragend, eben und dünn berandet, dann gewölbt, un- 
berandet, schwarz und nackt. Sporen gross, dunkel gefärbt; Apotheeien 
0,3 bis 1,0 mm breit, Exeipulum trüb rothsehwarz. Hypoth. braun- 
schwarz, Paraphysen gelatinös verleimt mit fast braunschwarzen 
oder trüb rothbraunen Enden. Schläuche aufgeblasen, keulig, Sporen 
— gross. 

An feuchten Felsen des Weisswasser-Grundes, oberer Theil (E.). 

An meinen Exemplaren sind die einzelnen weissen Wärzchen dünn 
über dem schwarzen Vorlager zerstreut, so dass die Flechte ein reizendes 
- Aussehen erhält. 


C. simillimus Anzi. Im höheren Vorgebirge und den Bergen bis . 


ans Hochgebirge verbreitet. Ganz vereinzelt ist ein Fund bei Gr.-Streh- 
litz O.-S. gegen Dolna an Basalt (E.). 


II. Abtheilung. Zoologisch-botanische Section. 17 


Catocarpus polycarpus Hepp. Im Riesengebirge auf dem 
ganzen Kamm stark verbreitet, in sehr diekkrustigem, grossfrüchtigem 
Exemplar am Buchberg, Görbersdorf (E.). 

C. seducius Nyl. (Lecidea seducia Nyl Flora 1881. Cato- 
carpus concretus Arn., aber nicht Catillaria concreta Kbr., nach 
Th. Fries, auch Lecidea concreta Ach., so dass der Name (. con- 
creius für diese Art nicht zu erhalten ist). 

Thallus schmutzig grau, ungleich warzig, zerklüftet, ziemlich diek 
vom dünnen schwarzgrauen Vorlager dendritisch berandet. Warzen 
körnig rauh, gewölbt. Früchte, den Warzen untermischt, randlos, vom 
Lager oft scheinbar körnig bekrönt. Scheibe rauh, schwarz, nackt 
Hypoth. schwärzlich braun, Füllfäden gelatinös zerfliessend, hyalin mit 
brauner Decke, Sporen zu 8 in schmalkeulisen Schläuchen, farblos, 
14 —18 

8—10 
Granitblöeke am Grenzweg vor Hauffen bei Riemberg (E.). 

Rhizocarpon geographicum L. f. lecanorinum Flke. Hockschar 
(E.). F. pulverulentum Schaer. Mädelsteine (E.). 

f. albocoerulescens Eitner nov. f. mit blauweisser Kruste 
und länger hellbleibenden Sporen, sonst wie die Normalform. Schnee- 
koppe (E.). Schwalbensteine auf dem Glatzer Schneeberg (E.). 

Rh. distinctum Th. Fr. Hierher gehören sämmtliche von Stein, 
Fl. von Schl. pag. 229 No. 400 unter Rh. atroalbum Ach. aufgeführten 
Funde (E.). 

Rh. calcareum (Weiss) ß. conceniricum (Dav. 1794). Am 
rothen Berge bei Rengersdorf an der Chaussee von Volpersdorf nach 
dem Pländel, Grafschaft Glatz (E.). F. exceniricum Ach. mit gelb- 
grüner Kruste. Eulengebirge — Öbernigk. — (E.). 

Rh. Moniagnei (Fw.) Kbr. Dreiecker bei Landeck (E.). 

Rh. lavatum Ach. (vicht Rh. obscuratum Ach. f. lavatum Fr.) 
Kruste fleckartig, warzig körnig, dünner oder dicker, unrein dunkelgrau, 
auf oft durchblickendem, firnissartigem, grauschwarzem Vorlager. Früchte 
stets mit wulstigem, dickem, niedergedrücktem, fast glänzendem schwarzen 
Rande. Scheibe uneben, rauh, oft fast rillig, wie@Gyrophora. Schlauchboden 
und Gehäuse braunschwarz; Füllfäden wenig kenntlich, verleimt, oben 
dunkelbraun. Sporen in schlankkeuligen Schläuchen zu 8, 20 bis 28 
lang, 10 u diek; farblos, meist mauerartig vieltheilig, höchstens beim 
Absterben mit dunkleren Querbändern, 

Obernigk im Walde gegen Jaekel viel. Schlackenthal bei Reichen- 
stein (E.). 

Rh. obscuratum Ach. Warthaberg bei Wartha, Glatz (E.). 

Rh. melaenum Kbr. An überspülten Felsen des Lomnitzfalles 


(Koerber’s Standort) wiedergefunden (E.). 
1895. QN 


gross, mit dünner Querwand und oft undeutlichem Schleimhof. 


18. Jahresbericht der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. 


Catillaria Laureri Hepp. Kruste firnissartig oder rissig ge- 
feldert; gelblich weiss, grau oder schmutzig graugrün. Apotheeien 
sitzend, erst mit dickem, wulstigem, meist hellerem Rande; dann bald 
gewölbt, mit verschwindendem Rande, verschiedenartig tuberculös, bis 
fast kugelig. Scheibe blaugrau bis gelbgraubraun, an den Seiten heller 
werdend. Paraphysen, Grund- und Deckschieht mehr oder weniger violett 
bis rothschwarz. Sporen ziemlich gross, 2theilig, in keuligen Schläuchen. 
= w gross zu 8. Schlauchboden rothbraun. Jod färbt anfangs das 
ganze Hymenium blau, nachher weinreth. An Fagus über Marienthal 
nach der alten Schles. Baude (E.). 

©. athallina Hepp. Kruste sehr dünn oder fehlend, grau bis 
gelblich, Vorlager undeutlich; Apothecien erst eingesenkt, dann ange- 
presst sitzend, eben und dünn berandet; später gewölbt, ohne Rand, 
kahl. Hypothecium dunkel rothbraun; Gehäuse rothschwarz; Paraphysen 
lose zunammenhängend mit dunkel smaragdgrünen oder schmutzig blauen 
und eingeschnittenen Enden. Schläuche keulig, Sporen zu 8, länglich, 


ge 
elliptisch, __ uw gross. — Kalkblöcke um Gr.-Strehlitz, alter Bruch 


zwischen Schwieben und Langendorf bei Tost (E.). 

Catillaria neglecta Kbr. Thallus fleckartig bis ausgebreitet, 
sehr dünn, an den Rändern dendritisch wachsend, grau, häutig oder 
staubig aufgelöst. Vorlager scheint zu fehlen. Früchte sehr klein, 
erst eingesenkt und vom Lager bekrönt, später sitzend flach. Scheibe 
schwarz, hin und wieder bereift mit dünnem, schwarzem, nacktem 
Rande. Lamna hellgraugrün. Paraphysen dick, locker zusammen- 
hängend, hyalin, knotig gliedrig, ästig. Schlauchboden krumig, farblos. 
Sporen in breitkeuligen Schläuchen zu 8, eiförmig, elliptisch, 2 theilig, 
hyalin, mitten etwas eingeschnürt, —_— i gross. Jod bläut dauernd 
nur die Schlauchspitzen, alles andere bald gelbroih. 

Erinnert äusserlich an Rinodina exigua Ach. f. colleiica Flke. oder oft 
mehr noch an Aspieilia flavida Arn. 

Tost: Kalkbruch zwischen Schwieben und Langendorf! (E.). 

Lecidella nodulosa Kbr. Melzergrund. Glatzer Schneeberg, 
Schwalbensteine (E,). | | 

L.®Mosigii Hepp. Kessel im Riesengrund, Koppe und Kleine 
Sturmhaube (E.). | 

L. pantherina Ach. Reichenbach a. d. Eule: am goldenen Sieb! 
Schmiedelehne. Glatz: Schloss Waldstein bei Rückers. Görbersdorf 
Buchberg! Altvater, Brünnelheide (E.). 

L. lapicida Ach. Riesengebirge: Mädelsteine und Koppe. Glatz: 
Dreiecker bei Landeck. Eulengebirge: Popelsteine (E.). 


we: 
Ts 


DIET 2 


> 


II. Abtheilung. Zoologisch-botanische Section. 19 


L. cyanea Ach. Glatz: Warthaberg! Eulengebirge: Schmiede- 
lehne! Nimptsch: Schanze bei Pristram! (E.) 

L. plana Lahm. Riesengebirge: Kl. Schneegrube, Grubenränder, 
Mädelsteine! Glatz: Schloss Waldstein bei Rückers. 

L. fuscorubens Nyl. Oberschlesien: im Kalkgebiet verbreitet, 
sehr schön Gr.-Strehlitz: Kalinowitz an Steinwällen! (E.) 

L. bullata Kbr. Glatzer Schneeberg: Schwalbensteine (E.). 

L. assimilata Nyl. ß infuscata Th. Fr. Gesenke: Peterstein 
(K. & E.). 

L. arctica Smf. Riesengebirge: Kessel im Riesensrunde, an der 
grossen Sturmhaube nach der alten Schlesischen Baude und sonst ver- 
streut (E.). 

Nesolechia punctum Mass. Epiphytisch. Apotheeien flach, schei- 
benförmig auf der Oberfläche der Nährpflanze angedrückt, schwarz. Sporen 
in rübenförmigen Schläuchen zu 8; dieselben unterm Objetgläschen nicht 
verlassend, 10—12 u lang, 3 u dick, farblos. 

Tost: Kalkbruch zwischen Schwieben und Langendorf auf Cladonia- 
schuppen (R.). 

Lecidea fuscoatra L. f. meiosporiza Nyl. Von der Grund- 
form durch glanzlosen weissen Thallus unterschieden, dessen Schuppen- 
theilung oft sehr undeutlich (K.). — Früchte dünn und flach, oft fast von 
der Lagerfarbe, oft unbereift schwarz mit dünnem Rande. Sonst wie Grund- 
form. Kreuzburg O.-S.: Erzschurfstellen bei Matzdorf (E.). 

L. subconfluens Th. Fr. (L. sorediza Nylt.). Thallus dünn, 
glatt, feinrissig gefeldert, blei- oder weissgrau, glanzlos, von blau- 
schwarzem Vorlager durchkreuzt und begrenzt. Hyphen amylumhaltig. 
Früchte angepresst — fast eingesenkt, mit ebener, dünn berandeter 
schwarzer, grau bereifter Scheibe, welche hin und wieder sich mit 
verschwindendem Rande wölbt. Hypothecium braunschwarz, Sporen 
14—21 

Bet 
dick, schwarz (K.). 

Fürstensteiner Grund, an den Felsen, welche die alte Burg tragen (R.). 

L. auriculata Th. Fr. Kruste unregelmässig warzig oder fast 
fehlend, weisslich. Früchte dicht sitzend oder zerstreut, ziemlich gross, 
schwarz, glanzlos, entweder flach und diek berandet, oder gewölbt 
randlos.. Rand wulstig, erenulirt, vielfach verbogen. Exeipulum dick, 
innen und aussen blauschwarz, mitten hell. Schlauchboden bläulich 
braunschwarz, so wie die Decke der farblosen Paraphysen. Sporen in 
sehr kleinen, schmalkeuligen Schläuchen, zu 8, fast stäbchenförmig, 


sross, in kugeligen bis aufgeblasenen Schläuchen. Exeipulum 


e) 
95 } gross. Grenzt an L. sarcogynoides Kbr. 
Quadersandstein der Heuscheuer! (E.) 

| es 


0: Jahresbericht der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. 


Lecidea glaucophaea Kbr. Felsen über Steinkunzendorf a. d. 
Eule. Warthaberg bei Wartha (E.). 

L. erratica Kbr. Öbernigk, Münsterberg; Berge gegen Heinrichau ; 
bei Gr.-Strehlitz O.-S., kurz wohl überall auf Sand- und Kiesboden ver- 
breitet (E.). Die Obernigker Exemplare differiren: lepröse dünne Kruste 
ohne Vorlager, dunkelgrau. Jod bläut dauernd und färbt nicht weinroth, 
sonst normal. | 

L. silvicola Fw. Im Kessel am Riesengrunde. Warthaberg bei 
Wartha. Burgberg bei Peterswaldau im Eulengebirge (E.). 

L. sarcogynoides Kbr. Am Granit der Steinbrüche bei Strehlen, 
besonders nach Niclasdorf zu, sehr verbreitet (B.). 

Sporastatia testudinea (Ach. 1810). An den Pferdeköpfen bei 
der neuen Schles. Baude viel verbreitet (E.). 

Sarcogyne pruinosa Sm. An Kalk und granitischem Gestein 
durch das ganze Hügel- und Berggebiet gemein (B.). 

Arthrosporum accline Fw. An Espen im Pilsnitzer Wald bei 
Breslau (R.). 

Einncephalographa (Lithographa) interjecta Lght. Thallus 
srünlichgrauweiss, dünn, oft sprossend rauh, rissig, meistens ausgebreitet; 
Apothecien schwarz rillig, oft glänzend, linear, einfach oder ästig, einzeln 
oder zu mehreren verbunden, bogig. Epithecium sehr schmal, rinnen- 
förmig, mit mattem, eingebogenen Rand. Schlauboden schwarz; Sporen 
zu 8, farblos, länglich, 2theilig, nn W gross. 

Schneegraben am Brunnenberge (E.). 

Lecanactis biformis Fike. Eichen im Thiergartenwald bei 
Ohlau (Stein & E.). Guhrauer Stadtwald (E.).. Oppeln.an Eichen (E.). 

Opegraphavuigata Ach. f. lithurga Ach. Granit des Schmiede- 
grundes bei Steinseiffersdorf a. d. Eule (E.). 

Opegrapha inaequalis Fec. Kruste ausgedehnt, glatt, ohne 
Glanz, grauweis, sehr dünn, zum grossen Theil von goldgelben, auf- 
brechenden Soredien staubig, welche Farbe von den goldgelben Gonidien, 

welche die ganze Kruste erfüllen, herrührt. Früchte klein, entweder 
kreisrund oder rillig, kürzer als breit, wulstig eingerollt, dauernd be- 
randet, braunschwarz mit meist weisslich oder grüngelblich bereifter 
Scheibe und nacktem Rande, Gehäuse dickkohlig, Schlauchboden 
gelbbraun, Füllfäden farblos, deutlich parallelfädig wie bei Graphis 
bleibend, mit goldgelber oder gelbbräunlicher Decke und keulig ver- 
diekten Enden. Sporen in breitkeuligen bis rübenförmigen Schläuchen 
zu 8, 12 p lang, 3—4 w dick, 4theilig mit abgerundeten Enden. 

Im Moschwitzer Buchenwald, Kreis Münsterberg, an Acer pseudo- 


platanus (E.). 


ee en 


II. Abtheilung. Zoologisch-botanische Section. 91 


Op. hapaleoides Nyl. Kruste staubig, weissgrau, grünlich, oft 
mit weissen Warzen bedeckt, deren dunkle Mittelpunkte Spermogonien 
sind. Früchte strichförmig, sternförmig gruppirt, lang und sehr schmal, 
mit durch die eingekrümmten Ränder fast ganz bedeckter Scheibe, 
schwarz. Gehäuse kohlig, Schlauchboden dunkel gelbbraun, Paraphysen 
unkenntlich, Schlauchschicht schmutzig hell gelbgrün - bräunlich, nach 
oben dunkler, mit krumiger Decke, Sporen in schlank rüben- bis keulen- 
förmigen Schläuchen zu 8, 6theilig, 20 lang, 2—3 1 dick, mit stumpf 
zugespitzten Enden, hyalin. 

Im Gr.-Leubuscher Wald bei Brieg, im Moschwitzer Buchenwald, 
Kreis Münsterberg (E.). 

Op. rupestris Pers. 1794 ß dolomitica Arn. N.-Ellguter Kalk- 
berg in sehr kräftigen, grossfrüchtigen, an O. varia erinnernden Exem- 
plaren (E.). 

Schismatomma pericleum Th. Fr. An alten Fichten um Kreuz- 
burg O.-S. sehr häufig (E.). 

Haszlinskia gibberulosa (Ach... An Weissbuchenhecken im 
Schlanzer Park, Kreis Breslau (E.). 

Arthothelium spectabile Fw., An Alnus incana am Bahnhof 
Schlawentzitz O,-S. (E.). 

Bactrospora dryina Ach. Eichen im Thiergartenwald bei Ohlau 
(St. & E.) und im Guhrauer Stadtpark (E.). 

Lahmia Kunzei Fw. An Espen im Pilsnitzer Wald bei Breslau (E.). 
An Robinien in Dyhernfurth ($t.). 

Arthonia didyma Kbr. (pineti Kbr.) An Fichten, Wes von 
Wartha nach dem Spitzberg bei Königshayn (E.). ß decipiens Kbr. 
an jungen Eichen im Pilsnitzer Wald bei Breslau und auf demselben 
Substrat bei Nimptsch, Eichberge bei Reichenbach ete. und wohl sonst 
verbreitet (E.), erinnert an Mycoporum Nyl., hat aber nur 2theilige 
Sporen, und die einzelnen Knötchen der Früchte sind zu Lirellen ver- 
bunden. 

Coniangiumclemens Kbr. Aufder Fruchtscheibe von Lecanora 
dispersa Pers. in der Sandgrube an der Chaussee von Wohlau nach 
Polgsen, vor dem Walde (E.). 

C. fuscum Mass, Ueberall gemein, sowohl an Kalk- als an anderen 
Gesteinen (E.) 

C. rugulosum Krmpilh. An Platanenästehen im Schlosshof in 
Dambrau (E.). 

C. spadiceum Lght. An Linden auf dem Zobten (BE.). 

 Oyrtidula miserrima (Nyl. Mycoporum). An jungen Eichen 
sehr verbreitet (E.). 

Kruste meist unterrindig, sonst sehr dünn schülferig, weisshäutig. 

Früchte sehr klein, punktförmig, einzeln oder in Gruppen, Arthopyrenia- 


32 Jahresbericht der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. 


artig gewölbt; doch ohne Pore, schwarzbraun. Schlauchboden ungefärbt 
oder nicht bemerkbar. Schlauchschicht gelatinös, hyalin, mit locker 
inliegenden, eiförmigen Schläuchen, 8sporig. Sporen ungefärbt, eiförmig, 
parallel, Stheilig und durch einzelne Längswände 7—9Itheilig, mauer- 
0— { 5 h > 

artig, —— i gross. Die ganze Schlauchschicht ist von einer gross- 
rar ek eingeschlossen oder vielmehr überdeckt. 

Eichberge bei Reichenbach. Dirsdorfer Wald bei Gnadenfrei ete, (BE). 


Acolium tympanellum Ach. Thallus wohl selten ausgebreitet, 
sondern meist in kleinen Polstern, vereinzelt, körnig oder warzig faltig, 
gsrauweiss. Vorlager weisslich. Apothecien sitzend, ziemlich gross, 
schwarz, grauweiss bereift, mit diekem, weissem Lagerrande. Sporen 
in langen Schläuchen zu 8, klein, stumpf, eiförmig, 2theilig, mitten 
zusammengeschnürt, Sporen 10—18 w lang, 7—12 ı breit. An alten 
Fichten in der Oppaschlucht bei Carlsbrunn (E.). 

Stenocybe pullatula Ach. An Ain. incana im Trebnitzer Buchen- 
wald (E.). 


Calicium corynellum Ach. An Sandsteinblöcken im Höllen- 
srund bei Altheide, Grafschaft Glatz (E.). 

C. chlorinum Ach. Sandstein der Heuscheuer (St.). 

C. nigrum (Schaer) Kbr. Alte Fichte am Kochelfall (St.). Sehr 
kräftig an alten Eichen im Gr.-Leubuscher Wald, Kreis Brieg (E.). 


Cyphelium ferrugineum Turn et Borr. An altem Brettzaun auf 
dem Kirchberg bei Lissa, am Grunde alter Kiefern um den Haide- 
kretscham, Mahlener Wald (E.). An alten Kiefern bei Clarencranst (St.). 

C. phaeocephalum Turn, @ saepiculare Ach. An alten Scheunen- 
thoren und Holzwänden in den Dörfern um Kreuzburg und Bone 0.-8. 
sehr verbreitet (E.). 

©. trichiale Ach. & cinereum Pers. Alte feste kieferne Scheunen- 
balken bei Kreuzburg und Rosenberg O.-$. (E.). Schönwald bei Kreuz- 
burg ($t.). 


Endopyrenium Michelii Mass. Ist bei feuchtem Wetter lebhaft 
grün! Mauer des Dominialhofes in Klentsch bei Gnadenfrei (St.), sonst 
vielfach auf mit Lehm belegten Steinwällen und Mauern verbreitet um 
Strehlen, Nimptsch, Münsterberg, Reichenbach (E.). 

E. ee Ach. Obernigk, Wald nach Riemberg (E.). 


Dermatocarpon Schaereri Hepp. Im ganzen Vorgebirge sehr 
verbreitet auf mit Lehm bedeckten Steinmauern (E. & $St.), an lehmigen 
Ausstichen (Wände) auch in Sandgruben bei Namslau (E.). 

Sphaeromphale clopimum Wbg. Grafschaft Glatz häufig. Felsen 
am rothen Berg vor Rengersdorf, Felsen an der Chaussee nach Mittel- 
steine, Burgfelsen in Nieder-Rathen bei Wünschelburg (E.). 


II. Abtheilung. Zoologisch-botanische Section. 93 

Sph. fissa Tayl. Wohl in allen Gebirgsbächen, die vom Gebirge 
in’s Hirschberger Thal strömen, auch im Hayn., (E.), Wölfelsgrund (E.). 

Polyblastia lactea Mass. An Eichen im Walde vor Jaekel 
bei Riemberg (E.). 

P, fallaciosa Stitzbg. An Schwarzpappeln der Chaussee zwischen 
Blottnitz und Gr.-Pluschnitz bei Gr.-Strehlitz und an Pappeln bei Gogolin 
und Ottmuth (E,). 

Thelidium minutulum KDdr. Thallus sehr dünn auf unbe- 
stimmtem Vorlager, ausgebreitet, staubig, rissig, bräunlich grau, ange- 
feuchtet fast grünlich. Apotheeien sehr klein, rundlich, kugelig, sitzend, 
mit eingedrückter durchbohrter Spitze, matt schwarz. Sporen in läng- 
lichen bis aufgeblasen kenligen Schläuchen zu 8, eiförmig, 2theilig, 
hyalin, u W gross. 

6—8 

An Kalkblöcken um Gr.-Strehlitiz und um Gogolin, stets an 
schattigen Stellen (E.). 

Amphoridium alociza Mass. Lager feinstaubig, grauweiss, 
von starken schwarzen Vorlagerlinien begrenzt. Früchte meist fast 
ganz eingesenkt, nur mit dem abgeflachten Scheitel hervorragend. Sporen 
18—20 
35 }* gross. 

Am Kalkfelsen des Sakrauer und N.-Ellguther Berges bei Gogolin (E.). 

Am. mastoideum Mass. Am N.-Ellguther Kalkberg (E.). 

Am.Leightonii Mass. Am Sakrauer Kalkberg (E.), an dem Kalkfels, 
welcher die Spitze der Weisskoppe in der Grafschaft Glatz bildet (E.) 

Lithoicea hydrela Ach. Höllengrund bei Altheide, Langer Grund 
bei Wartha, auch sonst in allen Gebirgsbächen verbreitet, Görbers- 
dorf etc. (B.). 

L. aethiobola Ach. Oppaschlucht bei Carlsbrunn, Gesenke (R.). 
Büttnergrund bei Görbersdorf (E.). 

L. chloroiica Hepp. Büttnergrund bei Görbersdorf, Freudengraben 
in der Lomnitz, im Weisswassergrund. In der Oppa bei Carlsbrunn (E.). 

L. margacea Wbg. Heinrichsbaude, Bach, der in den kleinen Teich 
stürzt (E.). 

L. aquatilis Mudd. Büttnergrund bei Görbersdorf, im Bach nach 
der Schmelze bei Reinerz (E.). 

Verrucaria amylacea Hepp. An Kalkstein bei Kottlischowitz 
bei Tost (E.), (teste $t.). 

V. rupestris Schrad. N.-Ellguther Kalkberg bei Gogolin (E.). 

V. plumbea Ach. N.-Ellguther Kalkberg bei Gogolin (R.). 

V. catalepta Schaer. Thallus dick, oft undeutlich bis lappig be- 
grenzt, rissig feldrigs, graubräunlich. Vorlager undeutlich. Apothecien 
sehr dicht stehend, den Areolen halb eingesenkt, mit warziger, einge- 


zu 8, in keuligen Schläuchen, 


24 Jahresbericht der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. 


drückt durchbohrter Mündung. Sporen in sackartig keuligen Schläuchen, 
mittelgross, eiförmig, mit trübem Inhalt, zweimal so lang als breit. 
Am Sakrauer und N.-Ellguther Kalkberg (E.). 

V. latebrosa Kbr. Am Basalt der Vorberge der Ascherkoppe, 
Eulengebirge (E.). 

V. tapetica Kbr. Görbersdorf (E.). 

V. acrotella Ach. An Kalksteinen bei Gogolin; am Kirchhof bei 
Tost; an der Biele in Ullersdorf; Költschenberg (E.). 

V. maculiformis Hepp. Kalksteine bei Schwieben; zwischen 
Seiffersdorf und Schlaupitz, Kreis Reichenbach (E.). 

Microthelia micula Fw. An Ulmus bei Kraschnritz (St) An 
alten Linden und Ulmen in der Ebene und dem Vorgebirge verbreitet (R.). 
An Eichen in den Oderwäldern eine sehr grossfrüchtige Form (E.). 

Limboria corrosa Kbr. DBrunnenberg (f. athallina); Schnee- 
gruben im Riesengrunde; Granatlöcher bei Wolfshau; Storchberg bei 
Görbersdorf; Höllengrund bei Altheide (E.). 

Segestrella lectissima Fr. Wölfelsfall, Grafschaft Glatz (E.). 

Sagedia Koerberi Fw. Oberer Theil des Weisswassergrundes (E.). 

S. parvipuncta St. auf Lithoicea chlorotica im Freuden- 
graben bei Görbersdorf (E.). 

Acrocordia tersa Kbr. Im Trebnitzer Buchenwald; im Hein- 
richauer Park (E.). 

Ac. biformis Borr. Im Moschwitzer Buchenwald bei Heinrichau; 
an Ac. Pseudoplatanus! (E.). 

A. conoidea Fr. Kbr. Kruste verbreitet, weinsteinartig, mehlig, 
weisslich oder pfirsichblüthenroth bis kupferröthlich. Früchte 0,5 bis 
0,6 mm gross, fast kugelig sitzend, Sporen elliptisischh 5—6 p dick, 
12—20 p lang. Spermatien 11,—2 1 dick, 3—6 y lang. Auf Kalk- 
steintrümmern in dem Kalkbruch zwischen Schwieben und Langendorf, 
Kreis Tost (E.). 

Arthopyrenia Lomnitzensis St., auch im Weisswassergrund (E.). 

Arth. dispersa Lahm. auf Lecidea crustulata Ach. Wartha- 
berg, Kreis Glatz (E.). 

Arth. stenospora Kbr. Sehr häufig an jungen Eichen, Linden 
und Ahorn in der Hügel- und Bergregion. Früchte sehr klein (E.). 

Arth. catalepta Kbr. An selbem Substrat wie vorige, aber viel 
seltener, ich sammelte sie nur am Hartheberg; Grafensitz und Spitzberg 
bei Wartha (E.).. Früchte dreimal grösser wie vorige Art, flach gewölbt. 

Arth. globularis Kbr. An Weiden bei Turawa; Eichen im 
Schlackenthal bei Reichenstein; an Pappeln bei Schönwald, Rosen- 
berg 0.-8. (E.). 

Arth. Laburni Lght. Tannen der Vorberge bei Steinseiffersdorf 
an der Eule (E.). (Sonst nur an Cytisus ‚Laburnum.) 


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II. Abtheilung. Zoologisch-botanische Section. 95 


Arth. Nesii Kbr. Weiden bei Leschnitz O.-8.; Pappeln im Rudels- 
dorfer Wald, Kreis Gr.-Wartenberg, und Ahorn bei Kochezütz, Kreis 
Lublinitz O.-8. (E.). 

Arth. Personii Mass. Platanenästehen in Dambrau; Nussbaum 
in Ohmsdorf bei Schweidnitz; Kirschbäume in Habendorf, Kreis Reichen- 
bach (E.). 

Arth. Cerasi Schrad. Pangel bei Nimptsch (E.). 

Arth.rhypontha Ach. An Alnus incana bei Sowada, Kr. Oppeln; 
Eschenäste vorm Schmiedegrund an der Eule (E.). 

Arth. microspiüla Kbr. Thallus, einzelne kleine, sehr fein- und 
dünnstaubige, grauschwarze Flecken bildend, bis verschwindend. Apo- 
thecien sehr klein, eingesenkt sitzend, halbkugelig, glanzlos, undeutlich 
warzig. Sporen in keuligen Schläuchen, länglich bis spindelförmig, 
2—4theilig, ungefärbt, 18—20 y lang, 3—7 w dick. 

Epiphytisch auf der Kruste von Graphis scripia im Pilzwald bei 
Camenz und auf dem Hochwald bei Waldenburg auf Acer Pseudo- 
platanus (B.). 

Leptorhaphis Tremulae Fike. An Pop. tremula sehr verbreitet. 
Ich sammelte sie ausser im Pilsnitzer Walde bei Breslau in Altstadt bei 
Namslau, Burgberg bei Peterswaldau a. d. Eule; bei Gogolin (R.). 

Lept. Quercus Bdtr. Unterscheidet sich mikroskopisch von den 
anderen Arten durch die sehr grossen bis 75 j. langen, 2—4 w dicken, 
deutlich oder undeutlich vieltheiligen Sporen, welche vermöge ihrer 
Fülle und ihrer Neigung sich zu krümmen, die Schläuche leicht sprengen 
und aus denselben ausströmen, was bei anderen Arten nicht der Fall ist. 

An jüngeren Eichen sehr verbreitet, Obernigk bei Riemberg; Minken 
bei Namslau; Berthelschütz bei Constadt; Aussenpark von Plers; Klein- 
Ellguth bei Nimptsch etc. (E.). 

Lept. lTucida Kbr. An Schwarzpappeln im Walde von 
Gr.-Kottulin nach Gr.-Strehlitz. Sporen in fast eylindrischen Schläuchen, 
gerade, 22—-28 y lang, 3—4 dick, 4theilig, kurz zugespitzt, stäbchen- 
förmig (E.). 

Lept. Wienkampii Lahm. An Ahorn am Bahnhof Obernigk, an 
Eichen ebendaselbst (E.). 

Lepti. Koerberi Stein. Auf der Kruste von Aspicilia compla- 
nata Kbr. in der kleinen Schneegrube (St.). 

Phaeospora quaterna Fitner nov. spec. Apothecien ganz in 
den Thallus der Nährpflanze eingesenkt, diese wulstig knotig auftreibend 
und mit dem ringförmig umwallten Scheitel vortretend, welcher später 

- warzig wird. Gehäuse braunschwarz, eiförmig, unten geschlossen. Para- 
physen ästig, haarartig wirr. Sporen zu 4, in keulig eylindrischen, dick- 
wandigen Schläuchen, braun, 4theilig, kurz zugespitzt, breit spindel- 
förmig, mit helleren Endsporoblasten, 24 pw lang, 5—6 y dick. 


36 Jahresbericht der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. 


Auf Rhizocarpon obscuratum Ach. f. lavatum Fr. im Bett der 
Lomnitz im oberen Melzergrunde (BR.). 

Tichothecium erraticum Mass. Auf Lecanora atra am 
Warthaberge, Grafschaft Glatz. f. calcareum Einer auf Biatora 
rupestris auf dem Neu-Ellguther Kalkberge, weicht ab durch längere, 
mitten nicht eingeschnürte Sporen, welche 5—8 ı lang, 2,5—3,5 u dick 
sind, während die Grundform fast kugelige, 3—5 q. lange, 2,5 u dicke 
Sporen hat (E.); auch am Kalkbruch bei Schwieben auf Verrucaria (E.). 

Tichoth. stigma Kbr. Auf Lithoicea chlorotica im Weiss- 
wassergrunde an überflutheten Felsen. f. rövulosum nov. f. Eitner 
weicht ab durch nicht eingeschnürte Sporen, deren Enden nicht zu- 
gespitzt, sondern abgerundet erscheinen, 18 ı lang, 5—6 wu dick, während 
Körber dieselben als bisquitförmig mit scharf zugespitzten Enden an- 
siebt (BE.). 

Tichoth. Dannenbergii Stein in sched. Früchte zahlreich, bis 
0,5 mm gross, vorfretend bis fast erhaben sitzend, halbkugelig, oben 
deutlich abgestutzt, mit breiter, tief eingedrückter Mündung, fast glän- 
zend schwarz. Sporen zu 8, in schmal keuligen Schläuchen, fast immer 
zweireihig gelagert, lang elliptisch bis sohlenförmig, grünlichbraun, 
mit deutlicher, dunkler Querwand, == gross. 

Auf steriler Kruste von Pertusaria Wulfenii v.lutescens an Linden 
am Pappenhäuser Stein in der Rhön vom Apotheker Dannenberg in 
Fulda in Menge gefunden und wohl auch in Schlesien zu er- 
warten. Die Früchte übertreffen an Grösse. alle deutschen Arten er- 
heblich und erinnern an das nordische T. grossum, dem Körber hirse- 
korngrosse Früchte zuschreibt (Stein). 

Synechoblastus flaccidus Ach. Költschenberg . (Schöpke); 
Schanze bei Pristram, schön fruchtend! (E.); bisher tiefste Standorte! 

Mallotium saturninum Deks. 1790. An Eichen auf dem Gipfel 
des Karpensteins bei Landeck (E.). 


4. Sitzung vom 28. Februar 1895. 
Herr Rosen sprach 


Ueber die Nucleolen, Chromosomen und Attractionssphaeren in den 
Pflanzenzellen. 

Die diesem Vortrage zu Grunde liegenden eigenen Beobachtungen 
sind unter dem Titel „Kerne und Kernkörperchen in meristematischen 
und sporogenen Geweben‘ (Beiträge zur Kenntniss der Pflanzen- 
zellen, III) in Cohn’s Beiträgen zur Biologie der Pflanzen, Bd. vr 
mit Figuren veröffentlicht worden. 

Der Vortragende bezweifelte, dass das von L. Guignard für die 
Centrosomen (bei Lilium Martagon) aufgestellie Schema allgemeine 


II. Abtheilung. Zoologisch-botanische Section, 37 


Giltigkeit besitz. Es muss zur Zeit noch durchaus zweifelhaft er- 
scheinen, ob allen Zellen Oentrosomen zukommen. Vielleicht haben 
wir in ihnen eine atavistische Erscheinung zu erblicken. Sie können 
sich wohl aus sog. Nebenkernen abgeleitet haben, die dem Hauptkern 
gegenüber, welcher vornehmlich chemische Functionen zu besitzen 
scheint, sich als mechanische Centren etablirt haben mögen. Ihnen 
kommt bei jeder mitotischen Kerntheilung, vielleicht ebeuso bei jeder 
sexuellen Kernverschmelzung die Initiative zu; sie stellen hier offenbar 
Krafteentren dar. In ihrem Aufbau, in dem Rhythmus ihrer Vermehrung, 
ja selbst in ihren Theilungsfiguren erinnern sie in vielen Fällen (Pro- 
tozoen und Protophyten) an die Hauptikerne. Mit fortschreitender Ent- 
wiekelung und Arbeitstheilung der Pflanzenzellen verlieren sie mehr und 
mehr ihren Kerncharakter und werden auf mechanische Centra ein- 
facheren Baues (Kinosomen) redueirt. Vielfach mögen sie nun bei vege- 
tativen Zellen überhaupt nicht mehr permanente Organe darstellen, 
sondern wenigstens während der Zellruhe gewissermaassen im Cytoplasten 
aufgehen, dagegen scheinen sie in den reproductiven Zellen, welche in 
ihrer Ontogenie oft phylogenetisch ältere Stadien wiederholen, niemals 
zu fehlen. 


5. Sitzung vom 18. Juli 1895. 
Herr H. Endres berichtete 


Ueber Anstich- und Schnürversuche an Eiern von Triton taeniatus. 


Im Frühjahre 1894 hatte Herr Professor G. Born die Güte, mich 
auf Triton taeniatus als ein für entwiekelungsmechanische Studien 
besonders geeignetes Material aufmerksam zu machen. An diesem 
Material stellte ich mehrere Versuchsarten an, 

Zwei derselben: „Anstich- und Schnürversuche“ sind soweit 
gediehen, dass ihre Ergebnisse einer Veröffentlichung werth sind. 

Da die Verarbeitung des für die mikroskopische Untersuchung 
reichlich gesammelten Materials einige Zeit beanspruchen dürfte, so er- 
laube ich mir hier die Ergebnisse nicht in allen, sondern nur in ihren 
wiehtigsten Punkten kurz darzulegen. 


A. Anstichversuche, 
Durch den Anstich mit der heissen Nadel gelingt es, an Eiern von 
Triton taeniatus überraschend neue und sehr interessante Erscheinungen 
hervorzurufen. !) 


!) In der nachstehend citirten Mittheilung vom 15. November 1894 habe ich 
an mehreren Stellen auf diese hier nun zu veröffentlichenden Anstichergebnisse 
an Triton taeniatus hingewiesen. 

H. Endres: Anstichversuche an Froscheiern. Sitzungsbericht der zoologisch- 
botanischen Section der schlesischen Gesellschaft für vaterländische Cultur vom 
15. November 1894. Sonderabdruck. 


Jahresbericht der Schles. Gesellschaft für vater!. Cultur. 


DV 
[0 2] 


Bei diesen Erscheinungen handelt es sich im wesentlichen um eine 
Dislocation der einzelnen Eibestandtheile. Auf Grund der verschie- 
denen Beschaffenheit der Erscheinungen nach Raum und Zeit kann man 
zwei Gruppen unterscheiden. Diese beiden Haupterscheinungsarten 
der Dislocation sind auf die Thatsache zurückzuführen, dass die ein- 
zelnen Zellbestandtheile den durch einen Anstich gesetzten Reiz in ver- 
schiedener Weise beantworten. In dem einen Falle bewirkt der Anstich 
ein Extraovat, in dem anderen bleibt der dislocirende Effect auf das 
Eiinnere beschränkt. Ich charakterisire daher in der nun folgenden Be- 
sprechung die eine Erscheinungsgruppe als „extraovarielle Dis- 
location“, die andere als „intraovarielle Dislocation.‘“ Ich lasse 
es hierbei jetzt unerörtert, inwiefern das dieser Bintheilung zu Grunde 
liegende Prineip allgemein berechtigt sei. 


I. Extraovuläre Dislocation.') 


1. An der Einstichstelle bildet sich namentlich unter der Hitze- 
wirkung der Nadel ein bruchähnlicher, mandelförmiger Vorfall. Zieht die 
Hitzewirkung der Nadel auch die nicht operirte Zelle in Mitleidenschaft, 
so treten zwei Hernien auf, die sich längs der ersten Furche berühren. 
Eine solche Hernie vergrössert sich durch langsame Aufnahme des aus 
dem Eirumpfe überfliessenden Inhaltes und wird kugelförmig; eine Ring- 
furche trennt sie vom Eirumpfe. 


Die Theilung des Eiganzen greift nun in dem einen Falle auf die 
Hernie so über, als ob es sich überhaupt um kein dislocirtes Gebilde 
handele, in dem anderen Falle hingegen wird die Schnürebene zwischen 
Eirumpf und Hernie sehr bald zur Furchungsebene. Sind zwei Hernien 
vorhanden, so vereinigen sie sich im Verlaufe der Furchung zu einer 
Hernienkugel. 


2. Weiterhin kann sich die kugelige Hernie vom Eirumpfe los- 
lösen; sie wird zur selbständigen Blastula und stirbt nach einem ver- 
geblichen Gastrulationsversuche ab, 


3. Oder es bildet sich zwischen der kugeligen Hernie und dem 
Eirumpfe ein schlanker, dünner Hals, der während seiner Entwickelung 
die kugelige Hernie vom Eirumpfe abschiebt. Der Hernienhals krümmt 
sich und sinkt nach einer Seite etwas in den Eirumpf ein, so dass das 
Hernienköpfehen dem Eirumpfe aufruht. Eirumpf und Hernie blastuliren 
sich. Je kürzer und dieker der Hals ist, in desto engerer Beziehung 
stehen Eirumpf und Hernie, 


!) Man vergleiche die Ergebnisse dieser extraovulären Dislocation an Eiern 
von Trit. taen. mit den Beobachtungen Roux’, Barfurths, Drieschs, J. Loebs 
u. a. über Extraovate an Eiern anderer Thiere. 


II. Abtheilung. Zoologisch-botanische Section. 939 


a. stellt die Hernienmasse eine selbständige Blastula mit einer 
oft nur äusserst schmalen, spaltförmigen Höhle dar, so kann sich ein nor- 
maler Embryo entwickeln, dem ein gestielter Tumor mit selbst- 
ständiger Medullarplatte aufsitzt. 

b. Communieiren hingegen die Blastulahöhlen des Eirumpfes und 
der Hernie, so wird diese im Verlaufe der Gastrulation dem Rumpfe 
einverleibt. Bei einem solchen Entwickelungsverlaufe resultirt ein nor- 
maler Embryo. 


II. Intraovuläre Dislocation. 

1. Der dorso-ventrale Anstich mit heisser Nadel durchsetzt drei 
Viertel oder die ganze Tiefe des Eies,. Unmittelbar nach dem Einstiche 
entsteht dorsal ein bruchähnlicher, vom Eirumpfe durch eine ellipsoide 
Furche deutlich abgesetzter Vorfall. Ventral hingegen findet man 
eine nabelförmige Vertiefung, von der meistens eine oft doppelt con- 
turirte Rinne senkrecht auf den ventralen Theil der ersten Furche hin- 
zieht. Von den beiden Polen der ellipsoiden Prolapsumrandung ent- 
spricht der eine der Einstichstelle, die im Augenblicke der Prolaps- 
entstehung an und in die erste Furche gezogen wird. Der andere Pol 
der ellipsoiden Prolapsumrandung wandert unter steter Vergrösserung 
des Prolapses auf die ventrale Eiseite gegen jene nabelartige Einziehung 
hin, von der wir wissen, dass sie der Anstichstelle entspricht oder doch 
die ventrale Verlängerung des Stichkanals andeutet. An der nabel- 
artigen Einziehung angelangt, macht die Prolapsumrandung in ihrer 
Wanderung Halt. Es liest nun zwischen ihr und der ersten Furche 
eine Querwulstzone, die das Ei gürtelförmig umgiebt und ventral 
am breitesten ist. 

Die Prolapsumrandung verschwindet nun entweder oder sie wandert 
auf die nicht operirte Zelle über. 

Dieses überaus rasche und wechselvolle Faltenspiel endet mit 
einer normalen, einfachen oder abnormen, mehrfachen Theilung der 
beiden ersten Furchungszellen. Es liegen die Zellen nach der zweiten 
Furchung, nicht selten selbst noch nach der dritten Furchung in einer 
Ebene. 

Das Ei entwickelt sich weiterhin zu einer abgeplatteten, läng- 
lieh-kuchenförmigen Blastula und Gastrula. Die Epibole des 
Ectoblasts geschieht in der Richtung der ersten Furche, die bis nach 
nach beendeter Gastrulation als seichte, aber sehr deutliche Ring- 
furche das längliche und abgeplattete Bi in zwei Hälften sondert. Aus 
derartig deformirten Eiern gehen lebensfähige Embryonen hervor. 

Noch sind zwei, ebenfalls hierher gehörige Ansticheffeete zu nennen, 

2. Durch den Anstich mit heisser Nadel kann man die normale 
zweite oder dritte Furche plötzlich und vorübergehend zur 
Erscheinung bringen, 


30 Jahresbericht der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. 


3. Eine weitere, höchst interessante Erscheinung ist die Verkleine- 
rung der Berührungsfläche beider Furchungszellen auf Anstich. 
Aus solchen Gebilden sehen wir biscuitförmige Morulae und 
Gastrulae sich entwickeln. Der Urmund liegt in der Ebene der ersten 
Furche. Die biseuitförmige Gastrula wandelt sich zu einem normalen 
Embryo um, indem die erste Furchungsebene durch Zellumlagerung an 
Ausdehnung gewinnt und so zur Medianebene des normalen, lebensfähigen 
Embryo wird. 

Die Möglichkeit, Biscuitformen künstlieh zu erzeugen, führte mich 
dazu, die Oontinuität der beiden Hauptmassen des biseuitförmigen Eies 
auf verschiedenen Stufen der Entwiekelung durch Anstich und Schnürung 
zu trennen. Die Ergebnisse waren im wesentlichen dieselben, welche 
sich aus den nun folgenden Versuchsweisen ergaben. 


B. Schnürversuche, 
1. 

O0. Hertwig unternahm als Erster den Versuch, Eier von Triton 
taeniatus nach der ersten Furchung in zwei Hälften zu schnüren; jedoch 
mit negativem Resultat.) Was O. Hertwig durch einmaliges Zu- 
sammenziehen der Ligatur zu erreichen versuchte, strebte ieh durch 
langsames, periodisches Verfahren an. 


Die Ligatur wurde theils vor, theils während der ersten Furchung 
angelegt und soweit angezogen, dass die Eier deutliche Biscuitform an- 
nahmen. Das weitere Anziehen der Ligatur wurde in den ersten Ver- 
suchen durch angehängte und stetig vermehrte Gewichte bewirkt. Diese 
zeitraubende Schnürmethode verliess ich jedoch, da ich sah, dass bei 
einiger Vorsicht ein direetes Anziehen der Ligatur mit der Hand das 
Gleiche leistet. 


Um das Material kennen zu lernen und mich über das Vermögen 
der Selbstdifferenzirung und der Postgeneration einzelner Entwickelungs- 
stufen zu unterrichten, schnürte ich bei der einen Versuchsreihe so, 
dass das Ei zur Zeit der auftretenden Rückenplatte und bei einer 
anderen so, dass es zur Zeit der Gastrulation durchtrennt war. Weiter- 
hin durehschnürte ich die Eier mittelst frühzeitig angelester Ligatur im 
Stadium der Blastulation, wie der feinen und groben Morulation. 
Alle diese Versuche sind leicht auszuführen. 


Das Bestreben, das Ei nach der ersten und vor der zweiten 
Furehung durch blosses Schnüren zu durchtrennen, misslang mir 
ebenso wie O. Hertwig. Erst die Combination der Schnürmethode mit 


!) O. Hertwig: „Ueber den Werth der ersten Furchungszellen für die Organ- 
bildung des Embryo. Experimentelle Studien arm Frosch- und Tritonei. Arch. f, 
mikroskop. Anatomie. Bd. 49. 


II. Abtheilung. Zoologisch-botanische Section. 31 


der des Anstiches führte zum Ziele. Mit einiger Debung gelingt auf 
diese Weise die Durchtrennung des erst gefurchten Eies, ohne das 
Material der beiden Hälften sichtlich zu schädigen; selbst ein Extraovat 
kann vermieden werden. 

II. 

Die Ergebnisse dieser Versuchsreihen sind kurz folgende. 

1. Das Entwickelunssbild der nach der Gastrulation durch- 
trennten Eihälften ist in hervorragender Weise vom Selbstdiffe- 
renzirungsvermögen im Roux’schen Sinne beherrscht. Jeder Theil 
des annähernd halbirten Embryos entwickelt sich so, als ob er noch einem 
Rumpfganzen angehörte. Eine Entwicekelungsstörung macht sich in einem 
der Abschnitte des zweigetheilten Rumpfes im allgemeinen um so weniger 
bemerkbar, je grösser er im Verhältnisse zum anderen Abschnitte ist. 

2. Nicht geringeres Interesse beansprucht das Entwiekelungsbild 
von Eiern, die im Stadium der Blastulation oder der feinen 
oder groben Morulation durchtrennt werden. Wir sehen zwei birn- 
förmige Blastulae und Gastrulae entstehen, deren Spitzen der 
Durchschnürungsstelle des Eiganzen entsprechen. Die beiden Gastrula- 
birnen können sich zu normalen Embryonen entwickeln. Bei einigen 
derselben sah ich als Zwischenform deutliche Hemiembryones d. h. 
Embryonalformen mit nur einem Rückenwulst, dem sich dann 
secundär die Bildung des zweiten kopfschwanzwärts anschloss. 

Indessen die eine der beiden Gastrulabirnen sich meistens zu einer 
normal gebauten oder mit nur relativ geringfügigen Defecten behafteten 
Larve entwickelt, zeigt die andere sehr häufig schon während der Gastru- 
lation in bestimmter Weise atypische Formwandlungen, aus welchen 
nur eine hochgradige Missbildung, aber kein lebensfähiges Individuum 
hervorgeht. — Es kann die Gastrulation damit beginnen, dass die Birnen- 
spitze sich activ zu einem hackenförmigen Fortsatze umbildet. Die 
Seitenränder der umgebogenen Spitze und des sich abplattenden Birnen- 
rumpfes treten zur Bildung des Urmundes in wechselseitigen Contact. 
Bei einzelnen solcher gastrulirter Gebilde kommt es auch zur Bildung 
einer seichten Rückenrinne und der Medullarplatte — Des 
öfteren war der Gastrulationseffeet der Blastulabirne aber derart, dass 
man glauben konnte, man habe eine hintere Embryohälfte mit Ur- 
mund und Dotterpfropf vor sich. 

3. Um die beiden ersten Furchungszellen isolirt zur Ent- 
wickelung zu bringen, wurden zwei Methoden gebraucht, Erstens: 
das stark biseuitförmig geschnürte Ei wird an der Stelle der stärksten 
Einsehnürung mit der heissen Nadel durehstochen. Zweitens; durch 
sehr starkes Einschnüren der Gallerthülle wird das Ei als Ganzes in 
eine der beiden Hälften des biscuitförmigen Perivitellinraumes gedrängt. 
Die eine der beiden ersten Furchungszellen des Eies wird nun von der 


39 Jahresbericht der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. 


freien Hälfte des Perivitellinraumes her mit der heissen Nadel ange- 
stochen, so dass ihr Inhalt nach der Nadelseite in den freien Perivitellin- 
raum ganz oder theilweise entweicht. 

Durch die letztere Methode: der Schnürung und des Anstiches 
erhält man aus der unverletzten Zelle eine Larve, die wohlgebildet ist, 
sofern wir von der abnormen Gestaltung des vorderen Kopfendes und 
vom Fehlen der Augen und Riechgruben absehen. 

Bei ersterer Methode: der Schnürung und des Durchstiches 
verhalten sich die Abkömmlinge der beiden ersten Furchungszellen ver- 
schieden. Vor allem ist verschieden die Furchung der beiden ersten 
Furchungszellen. Dann entwickeln sich einerseits normale Embryonen, 
anderseits aber mittelst atypischer, jedoch deutlicher Gastrulation ovoide 
Gebilde, die an dem einen Pole einen von einer ceireulären Furche um- 
schriebenen Zellpropf aufweisen. 


C. Zusammenfassung. 
I. 

1. Die Eier verschiedener, einander jedoch sehr nahestehender 
Thierspecies reagiren auf dieselben äusseren Reize in specifisch 
verschiedener Weise.') 

2. Die Art und Weise der Reizantwort specifisch gleicher Eier 
richtet sich a. nach der Beschaffenheit des Reizmittels und b. nach 
der Beschaffenheit der gereizten Stelle des Eiinhaltes.?) 

3. Die Entwicklungsfactoren eines Organismus sind zu 
trennen a. in specifische, innere, im Organismus gegebene und b. 
allgemeine, äussere, die der Umgebung der Organismus angehören. 

4. Der innere Entwickelungsfactor eines Eies ist seine 
specifische Organisation; diese besitzt das Vermögen, unter Mit- 
wirkung der äusseren, allgemeinen Factoren ein specifisch be- 
stimmtes Individuum zu bilden. 


Il. 

1. Der gesammte Zellleib besitzt eine activer Bewegung fähige, 
protoplasmatische Gerüstsubstanz, die unter der einheitlichen 
Herrschaft eines Centrums steht, aber nicht nur in radiärer, sondern 
auch in tangentialer Richtung contractil ist. 


2. Die Gerüstsubstanzen der beiden ersten Furchungs- 
zellen, wie auch. wahrscheinlich der späteren, stehen unter sich in 
engster Beziehung. 


!) Vergl. H. Endres: „Anstichversuche an Froscheiern“ p.9 supr. (auf Seite 1 
dieser Mittheilung vollständig citirt). 

2) Vergl. W. Roux: „Ueber die verschiedene Entwickelung isolirter erster 
Blastomeren“. Arch. für Entwickelungsmechanik der Organismen. Bd. I. p. 596, 


II. Abtheilung. Zoologisch-botanische Section. 33 


Ill. 

1. Die Richtung der Zelltheilung wird beeinflusst a. von intra- 
cellulären Momenten: hierzu gehören der Zustand des Kernes und des 
Zellleibprotoplasmas, wie auch die wechselseitigen Beziehungen beider 
unter sich und zur Dottermasse; b. von extracellulären Momenten; 
da sind die äusseren Entwickelungsfactoren zu nennen: 


& physikalische: z.B. Schwerkraft, Druck, Temperaturdifferenzen; 


ß. physiologische: z. B. Contactwirkungen der Zellen im Zell- 
verbande. 


2. Abnorme Modificationen dieser äusseren Faetoren ver- 
mögen im protoplasmatischen Zellgerüst gewisse Protoplasmazüge und 
Streifen, die unter normalen: Verhältnissen eine bestimmte Länge be- 
sitzen, in den Zustand der Contraetion zu versetzen, indes sie auf andere 
Protoplasmazüge derselben Zelle erschlaffend wirken. 


3. Tritoneier genügend lange vor der ersten Furcehung mässig 
stark eingeschnürt, zeigen die erste Furche in oder neben und 
parallel der Schnürrinne. Bei sehr starker Einschnürung halbirt 
die erste Furche eine der beiden Biscuitkugeln. 


IV. 


1. Die erste Furchungsebene des Tritoneies entspricht nor- 
maler Weise der Medianebene des Embryo. 

Namentlich unter dem Einflusse der durch das Experiment ge- 
schaffenen, abnormen äusseren Bedingungen kann die normale zweite und 
dritte Furche als erste auftreten. 


2. Die Verwirklichung des Entwiekelungsvermögens der 
beiden ersten Furchungszellen ist normaler Weise auf die beiden Embryo- 
hälften eingestellt. 


3. Die Entwickelungsgeschichte von Triton taeniatus bietet zahl- 
lose Beispiele des Selbstdifferenzirungs-, sowie des Postgene- 
rationsvermögens: 

a. Die Fähigkeit der delbstditferenzirung — dd. i. des Be- 
harrungsvermögens der Entwickelungsbewegung — ist von dem 
Stadium der ersten Furchungszellen, im besonderen aber von dem 
der Gastrulation an sehr deutlich; 

b. es giebt bei Triton taeniatus den Hemiembryones ranae 
analoge Gebilde; 

ce. für das Studium des Postgenerationsvermögens eignen sich 
namentlich die vor der Gastrulation gelegenen Entwicke- 
lungsstufen; 

d. die Postgeneration ist Nachentwickelung; sie wird durch Um- 


differenzirung oder Umordnung erreicht oder nur eingeleitet, 
1895, 3 


u 
ur 


34 Jahresbericht der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. 


Es giebt 
&. eine intercelluläre Umordnung: der Zellen im Zellver- 
bande durch active Thätigkeit des Protoplasmas; 
ß. eine intracelluläre Umordnung; ohne diese ist erstere 
kaum verständlich, 


V. 

Alle Ergebnisse weisen hin auf die Richtigkeit des His’schen 
Prinzipes der organbildenden Keimbezirke, der Roux’schen 
Mosaiktheorie und der Weismann’schen Keimplasmatheorie, 
soweit sich diese mit Absatz 1 dieser Zusammenfassung deckt.') 


6. Sitzung vom 7. November 1895. 


Der Secretair der Section, Herr Ferdinand Cohn, theilte mit, 
dass dieselbe am 27. Soptember einen schweren Verlust durch das Hin- 
scheiden ihres langjährigen Mitgliedes, des Herrn Apotheker Hermann 
Werner, erlitten habe, welcher durch eifrige Theilnahme an unseren Ver- 
handlungen und durch mehrere interessante Vorträge über botanisch- 
pharmakognostische Gegenstände sich um dieselbe verdient gemacht hat. 

Derselbe legte Photographieen von Hexenbesen der Tanne vor, ver- 
anlasst durch Aecidium elatinum, welches im Schwarzwald epidemische 
Verunstaltungen der Tannenäste herbeiführt. Die Photographieen waren 
vom Proreetor Prof. Dr. Bail (Danzig) der Section zugeschickt worden. 


Ferner zeigte derselbe eine Anzahl Photographieen aus dem Botanischen 
Garten und Laboratorium zu Buitenzorg (Java), mitgetheilt durch den 
Direetor dieser Institute, Prof. Dr. Melchior Treub,. 


Herr Rosen machte 


Mittheilungen über einige neuere Methoden und Ergebnisse 
der Nahrungsmittel-Mikroskopie. 


Die Nahrungsmittel- Untersuchung ist durch die 1894 beschlossene 
Einführung einer Staatsprüfung für die sogenannten Nahrungsmittel- 
Chemiker, welche als gerichtliche Sachverständige fungiren wollen, zu 
einem der wichtigsten Lehrfächer aus dem Gebiet der angewandten 
Naturwissenschaften geworden. Namentlich die botanisch-mikroskopische 
Seite des Faches bedurfte jedoch noch sehr einer methodischen Aus- 
bildung, welche die chemische Seite schon seit Jahren erfahren hat. 
Der Vortragende versuchte den systematischen Gang der Ausbildung, 
welche die Nahrungsmittel-Mikroskopiker erhalten sollten, zu skizziren 
und stellte für die Untersuchung selbst allgemeine Regeln und Methoden 
. in Form eines Schema äuf, welches ähnliche Zwecke verfolgt, wie die 
sogenannten analytischen Tabellen für den Unterricht in der qualitativen 


!) Vergl. A. Weismann: „Aeussere Einflüsse als Entwickelungsreize.‘ Jena, 
G. Fischer. 1894, 


II. Abtheilung. Zoologisch-botanische Section. 35 


chemischen Analyse; dieselben sind in: F. Rosen, Anatomische Wand- 
tafeln der vegetabilischen Nahrungs- und Genussmittel, Text, Breslau, 
J. U. Kern’s Verlag, 1895, veröffentlicht. Eingeflochten wurden ge- 
nauere Angaben über einige neuere werthvolle Methoden der Nahrungs- 
mittel-Untersuchung, so die Verwendung von Natriumsalieylat, Ammoniak 
und Nelkenöl zur Aufhellung in genauer präeisirten Fällen, die An- 
wendung der Bodensatzprobe zur Untersuchung von Chocoladen, be- 
sonders solcher, welche mit Gewürz versetzt sind und in welchen eine 
Fälschung mit Cacao-Schalen vermuthet wird. 

Sodann wurden die vom Vortragenden herausgegebenen Wandtafeln 
über die vegetabilischen Nahrungsmittel demonstrirt und ihre praktische 
Verwendung zum Unterricht und als Vergleichsobjecte erläutert. 


Herr Bruno Schröder sprach über 
Die Algenflora der Hochgebirgsregion des Riesengebirges. 


Von den Hochsudeten hat der westliche Theil derselben, das Riesen- 
gebirge, durch das Vorkommen von seltenen und pflanzen-geographisch 
interessanten Phanerogamen und höhern Cryptogamen relativ frühzeitig 
die Aufmerksamkeit sowohl auswärtiger, wie namentlich schlesischer 
Botaniker auf sich gelenkt. Wenn man an der Gliederung dieses Gebirges 
in drei Regionen festhält, die Region der Vorberge bis 500 m, die Berg- 
region bis 1100 m und die Hochgebirgsregion von da bis 1600 m und 
darüber hinaus, so gilt das eben erwähnte insbesondere von der Flora 
der letzteren, als demjenigen Theile des Gebirges, in welchem der normale 
Waldbestand aufhört, wo die denselben bildenden Bäume strauchartige 
Formen annehmen, verkrüppeln und nur hier und da vereinzelt oder 
höchstens in kleinen Gruppen sich die für ihre Vegetation noch am 
günstigsten Punkte aufgesucht haben oder gänzlich geschwunden sind. 
Steilabfallende Gründe und Felsschluchten, meist „Gruben“ genannt, mit 
öfters überrieselten Wänden und Abstürzen, in deren unteren Theilen eine 
mächtige Staudenvegetation wuchert und die sogar seeenartige Wasser- 
ansammlungen, wie den Grossen und den Kleinen Teich, beherbergen, 
quellige und moorige „Wiesen‘‘ aus Sphagnen, Hypnen, Gramineen, 
Cyperaceen und Vaceinien, über welche die Aeste des Knieholzes (Pinus 
montana Haenke var. Pumilio Haenke) hinkriechen, trockene, kurzgrasige 
Matten, die im Schmucke von Anemonen und Hieracien prangen, und 
kahle, steinbesäte Bergkuppen, auf deren Trümmern grosse gelbe und 
graue Lichenen wachsen, das sind in kurzen Zügen die Kennzeichen der 
Hochgebirgsregion des Riesengebirges, deren specieller botanischer 
Charakter an anderen Orten!) ausführlich dargestellt worden ist. 


!) Siehe die Einleitungen der einzelnen Abtheilungen in F. Cohn, Kryptogamen- 
flora von Schlesien 1876, und die der Phanerogamen- und Gefässkryptogamenflora 
von Schlesien von E. Fiek, Breslau 1881. 


ar 


36 | Jahresbericht der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. 


Auch hinsichtlich der Algenflora ist die Hochgebirgsregion schon 
Gegenstand mehrfacher Untersuchungen gewesen. Die erste sichere 
Kunde von dem Vorkommen einer Alge in Schlesien im Allgemeinen 
und in den Hochsudeten im Besonderen findet sich in Caspar Schwenck- 
felts Stirpium & Fossilium Silesiae Catalogus, 1600, pag. 382. Daselbst 
wird im Liber fossilium (Lib. tert.) erwähnt: „Lolithos. Ai9av$oc. Lapis 
violaceus. Violenstein, Steinblüthen sil. Lapis est einereus seu potius Muscus 
subrubens, qui acereseit saxis firmiter ac si lapides efflorescerent, odorem 
Violae Martiae spirans. In petrosis Sudetorum supereiliis. ete.“. In der 
Enumeratio Stirpium in Silesia sponte erescentium des Grafen Heinrich 
Gottfried von Mattuschka vomJahre 1779 wird diese Alge(Trentepohlia 
Iolithus (L.) Wittr.), als Byssus Iolithus von der Schneekoppe aufgeführt. 
Wie aus einer handschriftlichen .Mittheilung der: „Reise- Bemerkungen 
einer im Juli 1791 unternommenen kleinen Gebirgsreise‘ eines Breslauer 
Bürgers hervorgeht, war um diese Zeit das Vorkommen derselben auf 
der Koppe auch schon ganz einfachen Leuten als merkwürdig bekannt, 
und sie wird jetzt noch von demselben Standorte ais ‚Veilchenstein‘‘ 
oder ,„Veilchenmoos‘‘ den Koppenbesuchern zum Kauf angeboten. Um 
die Mitte dieses Jahrhunderts interessirte sich J. von Flotow mit Erfolg 
auch für die Algen der höheren Theile des Riesengebirges und konnte 
Kützing für seine Phycologia Germanica, sowie für die Species Algarum 
eine Anzahl Fundstellen daraus mittheilen. Später sammelten daselbst 
hauptsächlich Kühn, Rabenhorst, Hilse, Long u. A., deren Ergebnisse 
in der Algenflora von Schlesien von O. Kirchner aufgeführt wurden. 
Seit dem Erscheinen dieses Werkes (1878) hatte sich J. Schroeter mit 
dem Studium der Algen des eigentlichen Hochgebirges eifrig beschäftigt‘) 
und während Kirchner aus diesem Gebiete 75 Algenspecies verzeichnet 
(nicht 71 wie Schroeter in den Beiträgen der Algenkunde Schles. pag. 78 
angiebt), so konnte Schroeter, der 60 Species (nicht 61, wie ]. e. an- 
gegeben) hinzufand, die Zahl der bis dahin aus der Hochgebirgsregion 
bekannt gewordenen Algen auf 135 Species erhöhen. In A. Hansgirgs 
Prodrom. d. Algenfl. v. Böhmen, 1837 und 1892, finden sich weitere Stand- 
orte aus dem Gebiete erwähnt, ebenso in verschiedenen Abhandlungen von 
G. Hieronymus,?) welcher auch einige Exsiccate in Hauck &Richter’s 
Phykotheka universalis veröffentlichte, die theilweise aus der Hochgebirgs- 
region herrühren. Seit 18385 habe ich selbst zu mehreren Malen (im 


!) Schroeter J., Neue Beiträge zur Algenkunde Schlesiens. 61. Jahresbericht 
der Schlesischen Gesellschaft für vaterl. Cultur. Breslau 1883, 

2) Hieronymus G., Ueber einige Algen aus dem Riesengebirge. 65. Jahres- 
bericht der Schles. Gesellsch. für vaterl. Cultur. Breslau 1883. — Ueber die Re- 
sultate der Erforschung der Algenflora Schlesiens, 69. Jahresbericht der Schles. 
Gesellsch. für vaterl. Cultur. Breslau 1892. — Ueber Diceranochaete reniformis 
Hieron. Beiträge zur Biologie der Pflanzen von F.Cohn. V.Band. Breslau 1892, 


II. Abtheilung. Zoologisch-botanische Section. 37 


genannten Jahre, sowie 1891 und 1895) auf meinen Wanderungen im 
Riesengebirge Material gesammelt, welches ich zusammen mit solchem von 
den Herren Hieronymus, Auras und Krull erhaltenen bearbeitete, und 
schliesslich war Prof. Wille in Christiania so liebenswürdig, mir Notizen 
über die auf dem Kamme des Riesengebirges 1886 von ihm gefundenen 
und bestimmten Algen bereitwilligst zuzustellen, wofür ich Herrn Prof, 
Wille an diesen Stellen meinen verbindlichsten Dank sage. Auch die 
Algenexsiccate, die sich aus dem in Rede stehenden Gebiete im 
Schroeter’schen Herbare fanden, unterzog ich unter Anwendung geeigneter 
Untersuchungsmethoden und unter Benutzung fast aller einschlägigenLittera- 
tur einer möglichst genauen Durchsicht, so dass alles in allem für die 
Hochgebirgsflora desRiesengebirges bis jetzt festgestellt werdenkonnten, von 


Echodophyceem .C0 st... misjacuit 2 Species, 
EhaeophyceenJulgel.ios undasıh. 2 35 
Chlorophyceen! ‚ala raulanndan nl 78 ur, 
Bacillartaeeenko ...0 «url 012791102469 4 
Ehyeochromaceennv.n N u. Ana 42 5 


Summa 293 Species. 

Davon sind nach den bisherigen Arbeiten von Kirchner, 
Schroeter, Hansgirg und mir 79 Species und Varietäten für 
Schlesien neu. Es sind folgende: 1. Dinobryon sertularia Ehrb., 
2. Prasiola fluviatilis (Sommerf.) Aresch., 3. Ulothrix diseifera Kjellmann, 
4. Aphanochaete globosa (Nordst.) Wolle, 5. Binuclearia tatrana Wittr,, 
6. Vaucheria terrestris Lyngb., 7. Scenedesmus obliquus (Turp.) Kg., 
8. Selenastrum acuminatum Lagerh., 9. Tetra&dron Gigas (Wittr.) De 
Toni, 10. Characium strietum A. Br., 11. Oocystis solitaria Wittr., 
12. Oocystis Novae Semljae Wille, 13. Mougeotia nummuloides (Hass.) 
De Toni, 14. Gonatozygon Brebissonii De By. var. Kjellmanni (Wille) 
Raeib., 15. Cylindrocystis Brebissonii Ralfs var. turgida Schmidle, 
16. Cylindroeystis tatriea Racib., 17. Closterium obtusum Breb. var. 
ineisum mihi, 18. Closterium Cynthia De Not. var. subtilis mihi, 
19. Penium polymorphum Lund., 20. Penium phymatosporum Nordst., 
21. Penium forma Nordst., 22. Disphinetium globosum Bulnh., 23. Di- 
sphinetium quadratum (Ralfs.) Hansg. var, punctulatum mihi, 24. Cosmarium 
pseudexiguum Raeib., 25. Cosmarium subtumidum Nordst., 26. Cosmarium- 
Meneshinii Br&b. var. Reinschii Istv., ?27. Cosmarium Meneghinii Breb. 
var. Anderssonii mihi, 28. Cosmarium laeve Rabh., 29. Cosmarium 
Hammeri Reinsch var. rotundatum (Wille) Borge, 30. Cosmarium decedens 
Reinsch var. carpathica Racib., 31. Cosmarium pseudopyramidatum Lund,, 
32. Cosmarium pachydermum Lund. var. latum Klebs, 33. Cosmarium 
mierosphinetum Nordst., 34, C. didymochondrum Nordst., 35. Cosmarium 
anomalum Delp., 36. Cosmarium Botrytis Menegh. var. mesoleium Nordst,, 
37. Cosmarium subspeeiosum Nordst., 38. Cosmarium sphalerostichum 


38 Jahresbericht der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. 


Nordst., 39. Cosmarium cambrieum Cooke et Wille, 40. Cosmarium calo- 
dermum Gay, 41. Cosmarium nasutum Nordst., 42, Cosmarium sub 
cerenatum Nordst., 43. Cosmarium reetangulare Grun., 44. Cosmarium 
coneinnum Rabh., 45. Euastrum erosum Lund., 46. Euastrum elegans 
Kg. var. latum mihi, 47. Euastrum insigne Hass. var. simplex Raeib., 
48. Euastrum insigne Hass. var. montanum Racib., 49. Euastrum 
pinnatum Lund. var. intermedium Raeib,, 50. Euastrum didelta 
Ralfs var. tatricum Raecib., 51. Staurastrum punctulatum Breb. var. 
subrugulosum Raeib., 52. Staurastrum pygmaeum Breb., 53. Staurastrum 
alternans Ralfs., 54. Staurastrum Bieneanum Rabh. var. elliptieum Wille, 
55. Staurastrum turgescens De Not. var. sudeticum mihi, 56. Staurastrum 
margaritaceum Menegh. var. minor Heimerl, 57. Staurastrum Simonii 
Heimerl, 58. Staurastrum spinosum Ralfs, 59. Staurastrum gracile Ralfs 
var, nanum Wille, 60. Staurastrum basidentatum Borge var. simplex 
Borge, 61. Staurastrum megalonotum Nordst., 62. Navicula acrosphaeria 
Rabenh., 63. Navicula macilenta (Eihrb.) Kg., 64. Naviecula angustata Sm., 
65. Navicula gracillima Pritch., 66. Navicula limosa Ag. var. truncata 
Grun., 67. Cocconeis borealis Ehrb., 68. Achnanthidium ellipticum Schuhm,, 
69. Suriraya linearis Sm., 70. Ceratoneis Arcus Kg. var. amphioxys 
(Rabh.) De Toni, 71. Eunotia bidentula Sm., 72. Eunotia quaternaria Kg., 
73. Stigonema ocellatum (Dillw.) Thur. var. Braunii Hieron., 74. Scytonema 
Mychroum Ag., 75. Seytonema ocellatum Lyngb., 76. Anabaena catenula 
(Kg.) Born. et Flah., 77. Chamaesiphon gracilis A. Br., 78. Gloeocapsa 
slomerata Kg., 79. Chroococeus rufescens Näg. 

Die eben angeführten Species und Varietäten sind im nachfolgenden 
systematischen Verzeichnisse mit einem * bezeichnet. Die für das 
Hochgebirge zwar neuen, aus tiefern Regionen jedoch schon bekannten 
Arten mache ich durch ein + bemerkbar. Der Vollständigkeit halber 
und um eine übersichtliche Darstellung der Ergebnisse der bisherigen 
Erforschung der höheren Theile des Riesengebirges zu geben, sind in 
das systematische Verzeichniss alle diesbezüglichen mir bekannt ge- 
wordenen Standorte aufgenommen worden. Nebenbei sei bemerkt, dass 
manche Algen allerdings von Fundorten herrühren, die in politischer Hinsicht 
nicht zur preussischen Provinz Schlesien, sondern zu dem benachbarten 
Böhmen gehören, was jedoch nur von untergeordneter Bedeutung ist, 

Im Allgemeinen lassen sich über Vorkommen und Verbreitung der 
Algen im höheren Riesengebirge zuf Zeit nur einzelne Momente andeuten, 
da die Kenntniss der Algen aus demselben noch lange nicht Anspruch 
auf Vollständigkeit machen kann. Von einigen Gattungen derselben 
zeigt sich jedoch unverkennbar eine gewisse Vorliebe für die Hoch- 
gebirgsregion, Als vorherrschend in diesem Theile des Gebirges können. 
betrachtet werden: Ulothrix- und Confervaarten, ebenso bestimmte Meso- 
carpeen, Cylindrocystis, Penium, Tetmemorus und Disphinetium, ferner 


IT. Abtheilung. Zoologisch-botanische Section. 39 


Frustulia, Tabellaria (floceulosa), Fragilaria (virescens) und Eunotien. Spär- 
licher finden sich z. B. Dedogonien, Volvocaceen, Spirogyren, Scenedesmus, 
Closterium, Euastrum, namentlich grosse Micrasteriasspecies, Navicula, 
Cymbella, Nitzschia, Synedra, Suriraya, Cystopleura, Nostocaceen und 
Oscillariaceen. Gänzlich fehlen dagegen eine grosse Anzahl Gattungen 
und Arten von Algen, die namentlich der fluviophilen und limnophilen 
Formation angehören oder die sich in am Grunde bewachsenen Wasser- 
ansammlungen, wie alten Lehmgruben etc. aufhalten. Halophile Species 
sind auch hier, wie im ganzen übrigen Schlesien, nicht anzutreffen, 
ebenso wie auch echte Thermalalgen in der Hochgebirgsregion des 
Riesengebirges nicht gefunden wurden. 

In Bezug auf die vergleichende Pflanzengeographbie haben Wille’s 
und meine Untersuchungen zu dem Ergebnisse geführt, dass zwischen 
der Algenflora der Hochgebirgsregion des Riesengebirges und derjenigen 
von Novaja Semlja eine gewisse nicht zu leugnende Aehnlichkeit besteht. 
Die Veranlassung, welche Wille dazu bewegte, seine Exeursion ins 
Riesengebirge zu unternehmen, war nach brieflicher Mittheilung die, an 
Algenmaterial aus der Hochgebirgsregion desselben zu untersuchen, ob 
die Möglichkeit vorhanden wäre, dass sich in den mitteleuropäischen 
Hochgebirgen Algenformen finden würden, die von Nordstedt (Desm. 
arctoae) und Wille (Ferskvandsalger fra Novaja Semlja und a. a. O.) 
als arktisch nachgewiesen worden waren, was sich in der That theil- 
weise als zutreffend erwiesen hat. Auch ich bin, ohne von den Wille’schen 
Entdeckungen Kenntniss zu haben, zu demselben Resultate gekommen, 
nachdem ich Aehnliches schon für die Algenflora der hochalpinen Theile 
Südwesttirols vor 2 Jahren festgestellt hatte.) Ein Vergleich der Algen- 
arbeiten von Nordstedt und Wille über Novaja Semlja mit der 
systematischen Aufzählung der Algen aus der Hochgebirgsregion des 
Riesengebirges dürfte Wille’s und meine Behauptung rechtfertigen. Die 
für das Riesengebirge von mir oben als vorherrschend, spärlich oder gar 
nicht vorkommenden Gattungen und Arten finden sich oder fehlen meist 
in ähnlicher Weise auf jener arktischen Insel, und ich glaube mir eine 
Aufzählung der von jeder Gattung im Riesengebirge und auf Novaja 
Semlja gemeinsam gefundenen Species ersparen zu dürfen. h 

Bemerkenswerth für die westlichen Hochsudeten ist das Fehlen von 
Diatomella Balfouriana Grev. und Tetracyclus Braunii Grun,, die aus den 
östliehen Hochsudeten von der Mitteloppaquelle auf dem Leiterberge 
bekannt geworden sind, und die ich in den Hochalpen Tirols mehrfach 
gefunden, im Riesengebirge aber vergeblich gesucht habe. (Tetraeyelus 
 Braunii Grun. beobachtete ich jedoch an 2 Stellen in Oberschlesien.) 


!) Ueber Algen insbesondere Desmidiaceen und Diatomaceen aus Tirol. 
71. Jahresbericht der Schles. Gesell. f. vaterl. Cultur 1894. 


40 | Jahresbericht der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. 


Nahe Beziehungen zeigt die obere Region des Riesengebirges auch zu 
den höheren Theilen der Karpathen, besonders der Tatra, und zwar 
vornehmlich durch das Vorkommen von Binuclearia tatrana, Cylindro- 
eystis tatrica, verschiedener Cosmarien (pseudexiguum, contraetum, 
decedens var. carpathica und Zwischenformen von C. Ralfsii, Euastrum- 
varietäten, Navicula angustata formae, Cocconeis borealis, Achnanthidium 
ellipticum und andere mehr. Auch an die Flora des nördlichen Russlands 
und Skandinaviens wie in geringerem Maasse an die der Alpen, des Schwarz- 
walds und des französischen Jura erinnern manche Vorkommnisse, jedoch 
bemerkt schon Grisebach in seiner Abhandlung über: Die Vegetations- 
linien der Erde, Seite 196 und 227, in Bezug auf die Phanerogamenflora 
dass die höheren Theile des Riesengebirges mit denjenigen der Karpathen 
in pflanzengeographischer Hinsicht mehr übereinstimmen, als mit den 
Alpen, was R. von Uechtritz ausführlich nachweist. ') 

Ueber die Art und Weise des Einsammelns und Untersuchens der 
Algen aus dem Riesengebirge sei noch Folgendes hervorgehoben. Wille 
bemerkt in der mir übersendeten handschriftlichen Mittheilung von 
seinem Materiale: Die Algenproben werden in kleinen Flaschen mit 
einer verdünnten Carbolsäurelösung oder in einer beinahe eoncentrirten 
Lösung von essigsaurem Kali aufbewahrt. Die Algen haben sich die 
ganze Zeit (mehr als 9 Jahre) gut erhalten, besonders diejenigen in 
essigsaurem Kali, welches vor allen Dingen zum Aufbewahren (und auch 
als Einbettungsflüssigkeit für Dauerpräparate d. Verf.) geeignet ist, um 
die Structur der Desmidiaceenschalen zu studiren. Dagegen werden 
die Chromatopboren oft etwas undeutlich. Die Membranstruetur ist 
weniger deutlich bei den in Carbollösung conservirten Algen, weil die 
Zellwände zu durchsichtig geworden sind; die Chromatophoren haben 
sich dabei meist besser gehalten, doch ist oft der Zellinhalt schwarz 
seworden, wodurch eine genaue Untersuchung sehr erschwert wird. 
Für kürzere Zeit hat Wille mit Vortheil schwachprocentige Carbol- 
säurelösung benutzt, um Süsswasseralgen zu conserviren, er hält aber 
jetzt das essigsaure Kali zum Conserviren auf längere Zeit für vortheil- 
hafter. Alkohol ist nach ihm für den besagten Zweck weniger geeignet, 
weil die Membranstruetur nicht genügend hervortritt. — Mit Ausnahme 
der Schroeter’schen Exsiceate und derjenigen von Hieronymus 
wurde von mir nur frisches Material oder in Alkohol fixirtes unter- 
sucht. Das Schroeter’sche Material bestand meist in rohen Schlamm- 
und Moosproben. Beim ‚Aufweichen desselben verfuhr ich so: Etwa 

1 cem der Algenprobe ‘wurde in einem gewöhnlichen Reagenzglase in 
2—3 cem destillirtes Wasser gebracht, zu welchem Y, bis 1 cem 
Ammoniakflüssigkeit und 2—3 Tropfen Glycerinum purum gegossen 


!) Die Vegetationslinien der schlesischen Flora in Fiek (l. c. pag. 83 bis 9.) 


II. Abtheilung. Zoologisch-botanische Section. 41 


wurde. Darauf schüttelte ich die Mischung so lange, bis alle lösbaren 
Partikel sich getrennt hatten, füllte das Gläschen mit aqu. dest. beinahe 
voll und liess je nach der Stärke oder Feinheit des Materiales das Ge- 
misch sich setzen. Dann wurde durch ein feineres Drahtsieb abgegossen, 
nachdem die gröberen Bestandtheile, wie grosse Sandkörner sich am 
Boden des Reagenzglases sich gesammelt halten. Moosblätter und andere 
makroskopische Pflanzentheile blieben im Siebe. Die so erhaltene 
Flüssigkeit wurde nun etwas längere Zeit in einem Standeylinder stehen 
selassen und dann abermals abgegossen und zwar in einen zweiten 
Standeylinder, der ca. 12 Stunden stehen blieb. Darauf wurde der 
Bodensatz im ersten uud zweiten Standeylinder so lange mikroskopisch 
untersucht, bis sich in den Präparaten, die erst mit schwacher, dann mit 
stärkerer und zuletzt mit Oelimmersion (Leitz '/,,) betrachtet wurden, 
nichts Neues mehr fand. Die Präparate wurden unter Umständen auch 
durch Zusatz einer wässerigen Lösung von Methylenblau schwach tingirt, 
wodurch besonders alles Organische durch seine Färbung mehr oder 
minder auffiel, also nicht übersehen werden konnte, und auch manche 
Feinheiten der Membranstructur von Alsenzellen deutlicher hervortraten. 
Zygoten und Sporen wiesen dann andere Nuancen auf, als gewöhnliche 
vegetative Zellen, auch die verschiedenen Algenfamilien reagirten in 
mannigfacher Weise auf den Farbstoff. Das Alkoholmaterial wurde 
theilweise nach Schmidle’s Methode (Hedwigia 1893, pag. 111) behandelt 
und gefärbt. Die Diatomaceen wurden in Canadabalsam oder Monobrom- 
Naphthalin eingebettet und bei ihrer Bestimmung ausser der Special- 
litteratur eine Möiler’sche Typenplatte (1869) und Centurie I, Editio 
secunda, der Diatomacearum species typicae von Th. Eulenstein, 
Dresden 1869, benutzt. 
Breslau, Pflanzenphysiologisches Institut. November 1895. 


Erklärung der im systematischen Verzeichnisse gebrauchten 
Litteraturabkürzungen. 


Andersson, Sveriges Chlorophyc. —= Andersson ©. Fr., Bidrag till kännedomen om 
Sveriges Chlorophyllophyceer. I. frän Roslagen (Bihang till K. Svenska Vet. 
Akad. Handlingar. Band 16. Afd. III. Nr. 5, Stockholm 1890.) 

De Bary, Conj. = De Bary A., Untersuchungen über die Familie der Conjugaten. 
Leipzig 1858. 

Borge, Chloroph. Norska Finmarken = Borge O., Chlorophyceer frän Norska Fin- 
marken. (Bihang till K. Svenska Vet. Akad. Handlingar. Band 17. Afd. II. 
Nr. 4 Stockholm 1892.) 

Borge, Chlorophye. v. Russland — Süsswasser Chlorophyceen gesammelt von Dr. 
A. Osw. Kihimann im nördlichen Russland, Gouvernement Archangel. (Bihang 
till K. Svenska Vet. Akad. Handlingar. Band 19. Afd. III. Nr. 5. Stockholm 1894.) 

Borge, Sibiriens Chlorophyc. — Eit litet Bidrag till Sibiriens Chlorophyceflora. 
(Bihang till K. Svenska Vet. Akad. Handlingar. Band 17. Afd. II. Nr. 2. 
Stockholm 1891.) 


49; 7, Jahresbericht der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. 


Born. et Flah. Revis. Nostoch. — Bornet et Flahault, Revision des Nostochacees 
heterocystees contenues dans les principaux herbiers de France. (Annales 
des sciences naturelles. Botanique. 7. Serie, Tome 3. 4. 5. 7 Paris 1886—-88.) 

Breb., Liste = De Brebisson A., Liste des Desmidiees, observees en Basse — 
Normandie. (Memoire de la Societe imperiale des sciences naturelles de Cher- 
bourg. Tome IV. Cherbourg 1856.) 


Eichl., Flory Wodorostöw — Eichler B., Materyaly do Flory Wodorostöw 1893. 


Gay, Monogr. Conjug. — Gay F., Essai d’une monographie locale des Conjuguees. 
Montpellier 1884. 
Grun., Oester. Diat. = Grunow A., Die Oesterreichischen Diatomaceen I. Folge. 


(Verhandl. der k. k. zoologisch-botanischen Gesellschaft. Wien 1862.) 

Grun., Neue oder ungenügend bekannte Algen = Grunow A., Ueber neue oder 
ungenügend bekannte Algen, I. Folge, Naviculaceen. (Verhandl. der k.k. 
zoologisch-botanischen Gesellschaft. Wien 1860.) 


Gutw. Prodrom. flor. alg. Galice = Gutwiäski R., Prodromus Florae algarum 
Galiciensis. Krakau 189. 
Kirchn., Fl. = Kryptogamenflora von Schlesien. Im Namen der Schlesischen Ge- 


sellschaft für vaterländische Cultur herausgegeben von Prof. Dr. F. Cohn, 
II. Band, I. Hälfte. Algen, bearbeitet von Dr. O. Kirchner. Breslau 1878. 

Klebs, Desm. Ostpreuss. = Klebs G., Ueber die Formen einiger Gattungen der 
Desmidiaceen Ostpreussens. Königsberg 1879. 

Hansg., Prodrom. der Algenf. v. Böhmen —= Hansgirg A., Prodromus der Algen- 
flora von Böhmen. Theil I u. II. Prag 1887 und 1892. 

Heimerl, Desm. alpinae. — Heimerl, Desmidieae alpinae. (Verhandl. der k. k, 
zoologisch-botanischen Gesellschaft. Wien 1891.) 


Lagerstedt, Diat. Spitzbergens — Lagerstedt N. G. W., Sötvattens Diatomaceer 
frän Spetzbergen och Beeren-Eiland. (Bihang till K. Svenska Vet. Akad. Hand- 
lingar. Band VIII. Afd. II. Nr. 14. Stockholm 1873.) 

Lüttkemüller, Desm. v. Attersee. — Lüttkemüller J., Desmidiaceen aus der Um- 
gebung des Attersees in Oberösterreich. (Verhandl. der k. k. zoologisch- 
botanischen Gesellschaft. Wien 1892.) 

Nordst., Desm. arct. = Nordstedt O., Desmidieae arctoae (Öfvers. K. V. af. K. 
Vet. Acad. Förh. 1875. Nr. 6. Stockholm 1875.) 

Nordst., Desm. Tirol. = Nordstedt O. et Wittrock V., Desmidieae et Oedogonieae 
ab O. Nordstedt in Italia et Tirolia collectae. (Öfvers. af K. Vet. Akad. 
Förh. 1876. Stockholm 1876.) zus 

Nordst., De Alg. et Char. Sandvic. = Nordstedt O., De algis aquae duleis et de 
Characeis ex insulis Sandvicensibus a Sv. Berggren 1875 reportatis. (Commen- 
tationes quas in memoriam sollenium secularium a. D. III Novas ost. 1878 
edidit Regia Societas Physiographorum Lundensis. Lundae 1878.) 


De Not. Desm. ital. = De Notaris G., Elementi per lo studio delle Desmidiaceae 
italiche. Genua 1867. 
Rabh. Flor. europ. alg. = Rabenhorst L., Flora europaea Algarum aquae duleis 


et submarinae. 1—3. Leipzig 1864—68. 

Racih. De nonnull. Desm. — Raciborski M., De nonnullis Desmidiaceis novis vel 
minus eognitis, quae in Polonia inventae sunt. (Pamietnik Wydz. matem. 
przyrodn. Akadem. Umiej. w. Krakowie, tome 10. Krakau 1885.)' 

Ralfs. Brit. Desm. — Ralfs. J., The british Desmidieae. London 1848. 

Schmidle Alp. Alg. — Beiträge zur alpinen Algenkunde. (Oesterreichische 
botanische Zeitschrift. Jahrg. XLV. Wien 189.) 


II. Abtheilung. _ Zoologisch-botanische Section. 43 


Schmidle Algenfl. des Schwarzwaldes —= Schmidle W., Beiträge zur Algenflora des 
Schwarzwaldes und der Rheinebene (Berichte der Naturforschenden Gesell- 
schaft zu Freiburg i. B. Band VII, Heft 1. 1893.) 

Schmidt Atlas der Diat. = Schmidt A., Atlas der Diatomaceen-Kunde. Heft 1—49. 
Leipzig. 

Schuhm. Diat. d. Tatra. = Schuhmann J., Die Diatomeen der hohen Tatra. (Heraus- 
gegeben von der k. k. zoologisch-botanischen Gesellschaft. Wien 1867.) 
Smith Brit. Diat. = Smith W., A Synopsis of the British Diatomaceae Vol. TI. Il. 

London 1853. 

De Toni Syllog. = De Toni J. B., Sylloge algarum omnium hucusque cognitarum 
Vol. Tet II. Padua 1891. 

Wille Ferskvandsalg. fra Nov. Semlja = Wille N., Ferskvands alger fra Novaja 
Semlja samlede af Dr. F. Kjellmann paa Nordenskiölds Expedition 1875. 
(Öfversigt af K. Svenska Vet. Akad. Förhandlingar 1879. Nr. 5. Stockholm.) 

Wille u. K. Rosenvinge, Alg. fra Nov. Zemlia og Kara-Havet —= Wille N. og 
Kolderup Rosenvinge L., Alger fra Novaia Zemlia og Kara-Havet, samlede paa 
Dijmphna-Expeditionen 1882—83 af Th. Holm. (Saertrik af „Dijmphna-Togtets 
zoologisk-botaniske Udbytte*. Kopenhagen 1885.) 

Wittrock et Nordstedt, Alg. exsicc. — Algae aquae duleis exsiccatae praecipue 
scandinayicaee, quas adjetis algis marinis chlorophyllaceis et phycochromaceis. 
distribuerunt Wittrock V. et Nordstedt O. Fasc. 1—25. Upsala und Stockholm 
1877—93. 

Wittrock, Gotland och Oelands, Sötvattensalger (Bihang till K. Vet. Akadem. Hand- 
lingar Band 1. Stockholm 1872.) 


I, Rhodophyceae. 
Lemaniaceae. 
Lemania Bory. 
1. L. fluviatilis (L.) Ag. 
Aupafall (Hansg. Prod.).') 
Batrachospermaceae. 


Batrachospermun. 
12. B. vagum Ag. 


Weisse Wiese, Aupaquellen (Hieron.). 
II. Phaeophyoeae. 


Dinobryon Ehrb. 
*3. D. sertularia Ehrb. 


Mädelwiese zwischen Peter- und Spindlerbaude (Schrd.). 
Hydrurus Ag. 
4. H. foetidus (Vill.) Kirchn. 
Weisswasserquelle (Schrd.), Aupagrund (Hansg.Prod.), Elbwiese (Hansg. Prod.). 
III. Chlorophyoeae, 
A. Confervoideae, 
Coleochaetaceae. 
Coleochaete Breb. 


79. CO. pulvinata Pringsh. 
Fructifieirend. 
Elbwiese (Schrd.). 


!) Hinter dem Standorte bedeutet: (Kirchn. Fl.), dass die betreffende Fund- 
stelle in der Algenflora von Kirchner angegeben ist. Hinter die von Schroeter 
festgestellten Fundorte stelle ich (Schrt.), hinter die von Hansgirg (Hansg. Prod.), 
von Hieronymus (Hieron.), von Wille (W.) und hinter die meinigen (Schrd.). 


44 


[0'o} 


=) 


10. 


11. 


+12. 


13. 
14. 


15. 


16. 


17, 


Jahresbericht der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. 


Oedogoniaceae. 
Oedogonium Lk. 

Oe. Rothii Pringsh. 
Mädelwiese (Schrt.). 
Oe. spec. Steril. 
Elbwiese (Schrd.). 

Bulbochaete Ag. 
B. setigera Ag.? Steril, Species zweifelhaft. 
Koppenplan nach der Weissen Wiese zu (Schrt.). 
(Auch ich habe wie Schroeter vergeblich nach Fructificationsorganen gesucht.) 


Ulvaceae. 
Prasiola Ag. 

P. fluviatilis (Sommerf.) Aresch. 

In der Umgebung des Kleinen Teiches (W.). 


Chaetophoraceae. 
Ulothricheae. 
Schizogonium Kg, 
Sch. murale Kg. 
var. Neesii (Kg.) Kirchn. 
An der Schneegrubenbaude, weitverbreitete Ueberzüge bildend (Schrt.), 
Elbwiese (W.). 
Ulothrix Kg. 
U. zonata Kg. 
Kleine Sturmhaube (Schrt.), Grosser Teich (Kirchn. F].), Weisse Wiese 
(Sehrt.). 
U. subtilis Kg. 
var. variabilis (Kg.) Kirchn. 
Elbwiese (W.). 
var. stagnorum (Kg.) Kirchn. 
Weisse Wiese bei der Wiesenbaude (Hansg. Prod.). 
var. tenerrima (Kg.) Kirchn. 
Im Kleinen Teiche, Elbwiese (W.). 
var. albicans (Kg.) Hansg. 
Weisse Wiese bei der Wiesenbaude (Hansg. Prod.). - 
U. mirabilis (Kg.?) Hanse. 
Mädelwiese bei der Peterbaude (Hansg. Prod.). 
U. discifera Kjellm. 
Kleine Schneegrube (W.). 
U. flaccida Kg. 
Elbwiese, Südabhang der Schneekoppe (Hansg. Prod.). 
var. nitens (Kg.) Hanse. 
Wiesenbaude an feuchten Brettern (Hansg. Prod.). 
U. parietina (Vauch.) Kg. 
Elbwiese, Mädelwiese, Weisse Wiese (Hansg. Prod.). 
Chaetophoreae. 
* Aphanochaete A. Br. 
A. globosa (Nordst.) Wolle. 
Herposteiron globosum Nordst. De alg. et Char. Sandvic. pag. 23, tab. II, 
fig. 22 et 23. 
Elbwiese (Schrd.). 


II. Abtheilung. Zoologisch-botanische Section. 45 


18. 


19. 


20. 


21. 


22. 


25. 


26. 


27. 


98. 


zo 


Die Zellen der beobachteten Exemplare sind in der Scheitelansicht rund, in 
der Seitenansicht elliptisch bis eiförmig. Manchmal trägt eine Zelle am 
Rande des Zellverbandes (wohl eine junge Zelle) keine Borste. Von den 
Borsten stellt jede einen Faden dar, der am proximalen Ende etwa in 
gleicher Länge wie der Durchmesser der Zellen stachelartig verdickt aus- 
sieht und an der scharfen Spitze in ein langes, dünnes, hyalines Haar aus- 
läuft, das 20-25 mal so lang als der stachelförmige Proximalanfang der 
Borste ist. Die gefundenen Exemplare tragen keine Gallerthülle. 

Draparnaldia Ag. 
D. glomerata As. 
Graben oberhalb der Alten schlesischen Baude (Schrt.). 
var. remota Rabh. 
Im Grossen Teiche (Kirchn. FI.). 


Cladophoraceae. 


Conferva Lk. 
©. tenerrima Ke. 


Weisse Wiese bei der Wiesenbaude (Hansg. Prod.). 
C. bombycina (Ag.) Wille. 
genwina Wille. 
Mittagsteine (Schrt.), Kesselgrube, Kleiner Teich, Elbwiese, Koppenplan (W.). 
forma minor Wille. 
Kleine Schneegrube, Kesselgrube, Elbwiese (W.). 
©. pachyderma Wille. 
Weisse Wiese bei der Wiesenbaude (Hansg. Prod.). 
©. floccosa Ag. 
Kleine Schneegrube (W.), Kleiner Teich (W. u. Schrd.), Elbwiese (W.). 
C. amoena Ke. 
Kleine Schneegrube, Elbwiese (W.). 
var. gracilis Wille. 
Kesselgrube, Elbwiese (W.). 
©. stagnorum Kg. 
Kleine Schneegrube, Kesselgrube, Elbwiese (W.), Weisse Wiese bei der 
Wiesenbaude (Hansg. Prod.), Koppenplan (W.). 
Binuclearia Wittr. 
B. tatrana Wittr. 
Wittr. et Nordst. Alg. exsicc. No. 715. 
Kesselgrube (W.), im Kleinen Teiche (W. u. Schrd.). 


Trentepohliaceae. 


Trentepohlia Marti. 
T. aurea (L.) Mart. 


Grosse Schneegrube (Kirchn. Fl.). 5 
T. Iolithus (L.) Wittr. ® 
Kamm vom Reifträger bis zur Schneekoppe, Biesengrund (Kirchn. Fl.) 
Melzergrund (Schrd.). 

Microthamnion Näsg. 
M. Kützingianum Näg. 
Sausteine (Schrd.). 

B. Siphonaceae. 


Vaucheria DC. 
V. terrestris Lyngb. 


Kesselgrube (W.). 


30. 


al. 


33. 


"34. 


#35. 


+36. 


+4. 


42. 


43. 


Ah, 


Jahresbericht der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. 


G, Protococeacae. 
Volvocaceae. 


Sphaerella Sommerf. 
S. pluvialis (Flot.) Wittr. 


Unterhalb der Schneekoppe (Hieron.). 


D. Palmellaceae. 

Scenedesmus Meyen. 
Sc. obliquus (Turp.) Kg. 
Kleiner Teich (W.), Elbwiese [Exemplare übereinstimmend mit Ralfs Brit. 
Desm. tab. XXXI, fig. 15a] (Schrd.). 
var. dimorphus (Kg.). 
Beim Mittagstein, Kleiner Teich (Schrd.). 
Sc. quadricaudatus (Turp.) Breb. 
Im Grossen Teiche typisch (Schrd.). 
Sc. denticulatus Lagerh. 
forma Willd. Obs. Alg. tab. I, fig. 27—30 cit. nach Bar Sibiriens Chloro- 
phye. pag. 6, fig. 1. 
Im Grossen Teiche (Schrd.). 

Selenastrum Reinsch. 
S. acuminatum Lagerh. 
Im Grossen Teiche (Schrd.). Selten. 


Tetraödron Kg. 

T. Gigas (Wittr.) De Toni — Polyedrium Gigas Wittr. Gotland och Oelands 
Sötvattensalg. 
Mädelwiese (Schrd.). 

Eremosphaera De By. 
E. viridis De By. 
Elbwiese (Schrd.). 

Characium A. Br. 


. Ch. longipes Rabh. 


An Ulothrix subtilis var. tenerrima. 
Elbwiese (W.). 


. Ch. Siboldi A. Br. 


Mädelwiese zwischen Peter- und Spindlerbaude (Schrd.). 


. Ch. strietum A. Br. 


An Ulothrix subtilis var. tenerrima. 
Elbwiese (W.). 

Dieranochaete Hieron. 
D. reniformis Hieron. 
Koppenplan: Aupaquelle (Hieron.). 

Tetraspora Ag. 

T. bullosa Ag. 
Koppenplan (W.). 
T. gelatinosa Desv. 
Graben oberhalb der Alten schlesischen Baude, Koppenplan 


Palmodactylon Näg. 
P. simplex Näg. 
Mädelwiese (Schrt. u. Schrd.). 
P. varium Näg. 
Weisse Wiese bei der Wiesenbaude (Hansg. Prod.). 


II, Abtheilung. Zoologisch-botanische Section. 47 


Pleurococcus Menegh. 


45. P. miniatus Näg. 


46. 


47. 


48. 


49, 


50. 


51. 


52. 


58. 


54. 


+55. 


*56. 


#57. 


Auf dem Kamme vom Reifträger bis zur Peterbaude auf altem Kuhdünger 
(Schrt.). 

Ich bin zu der Ansicht geneigt, dass die von Schröter gefundene Alge 
wahrscheinlich die ihr sehr ähnliche Palmella miniata Leibl. ist, welche 
sich, abgeseben von ihrem Vorkommen, durch die relativ grösseren Zellen 
(bis 40 u) von dem citirten Pleurococeus unterscheidet, beide Species sind 
jedoch durch Haematochrom orange gefärbt, die Färbung geht auch bei 
beiden zuweilen in Grün über. Pleurococcus miniatus Näg. halte ich für 
eine ausschliesslich kalkliebende, ausgesprochene Gewächshaus-Alge. Die 
Schroeter’schen Originalexemplare sind in seinem Herbare leider nicht 
mehr zu finden gewesen. 


Palmella Lyngb. 
P. botryoides Kg. 


Mädelwiese bei der Peter- und Spindlerbaude (Hansg. Prod.). 


Stichococcus Näg. 
S. bacillaris Näg. 
Weisse Wiese bei der Wiesenbaude (Hansg. Prod.). 
vor. mascımus Hansg. 
Ebendaselbst. 


Inoderma Kg. 
I. majus Hanse. 


Weisse Wiese bei der Wiesenbaude spärlich (Hansg. Prod.). 
Protococcus Ag. 

P. viridis. 

Nach Hansg. Prod. auch in der Hochgebirgsregion des Riesengebirges. 


Urococcus (Hass.) Kg. 
U. insignis Hass. 


Weisse Wiese bei der Wiesenbaude, Koppenplan am Aupafall (Hansg. Prod.). 
Dactylococcus Näg. 

D. caudatus (Reinsch) Hansg. 

Weisse Wiese bei der Wiesenbaude (Hansg. Prod.). 
Botryococcus Kg. 

B. Braunii Kg. 

Elbwiese (Kirchn. F].). 


Gloeocystis Näg. 
@G. vesiculosus Näg. 


Elbwiese, Koppenplan (Schrt. u. Schrd.). 
G. rupestris (Lyngb.) Rabh. 
Aupagrund (Hansg. Prod.). 
Oocystis Näg. 5 
O. Naegelii A. Br. 
Im Kleinen Teiche (W.). 
O. solitaria Wittr. 
Kesselgrube (W.), Elbwiese (Schrd.). 

In den Proben, die ich von der Elbwiese mitbrachte, und auch in 
solchen von Schröter dort gesammelten, finden sich nicht selten auch 
8 Zellen in der Mutterzellhaut eingeschlossen. 

O0. Novae Semljae Wille. 
Ferskvandsalger fra Nov. Semlja pag. 26, tab. XII, fig. 3. 
Am Kleinen Teiche, Grosse Schneegrube (W.), Elbwiese (Schrd.). 


48 


ot 
0) 


62. 


63. 


64. 


*65. 


66. 


67. 


68. 


69. 


70. 


Jahresbericht der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. 


‚Raphidium Kg. 
R. convolutum Rabh. 
Koppenplan (Schrt.). 
E. Conjugatae. 
Zygnemaceae. 
Mesocarpeae. 
Mougeotia Ag. 


. M. nummwuloides (Hass) De Toni. 


Kesselgrube (W.). 


. M. viridis (Kg.) Wittr. 


Elbwiese (Hansg. Prod.). 
Mesocarpus Hass. 


. M. parvulus Hass. 


Elbwiese, Mädelwiese, im Kleinen Teiche (Schrt. u. Schrd.), im Grossen 
Teiche (Schrd.). 
Zygnema As. 
Z. stellinum (Vauch.) Ag. 
Weisse Wiese bei der Wiesenbaude (Hansg. Prod.). 
Zygogonium Ke. 
Z. ericetorum (Kg.) De By. 
Kleine Schneegrube, Kesselgrube, Elbwiese (W.), Weisse Wiese bis Koppen- 
plan (Hansg. Prod.). 
Spirogyra Lk. 
S. porticalis (Müll.) Cleve. 
Mädelwiese bei der Peterbaude (Hansg. Prod.). 


 Desmidieae. 
Gonatozygon De By. 

@G. Brebissonii De By. 
var. Kjellmanni (Wille) Racib. 
Wille, Ferskvandsalger fra Nov. Semlja pag. 59, tab. XIV, fig. 78. 
Grösse wie bei Raciborski, De nonnull. Desm. pag. 12. 
Elbwiese. Selten und nur einzeln (Schrd.). 

Die Zellen der beobachteten Formen sind in der Mitte ziemlich genau 
eylindrisch, vor den Enden aber plötzlich verdünnt, nach dem Scheitel nur 
ganz unmerklich sich erweiternd und gerade abgestutzt. 


Hyalotheca Ehrb. ’ 
H. dissiliens Breb. 


Im Grossen Teiche (Schrt.), im Abflusse aus dem Grossen Teiche unterhalb 
des Kleinen Teiches (Schrd.), Elbwiese (Kirchner FI.). 
Gymnozyga Ehrb. 
G. Brebissonii (Kg.). 
Weisse Wiese, Elbwiese, Koppenplan. Ueberall häufig (Schrt. u. Schrd.). 
Spondylosium Breb. 
S. depressum Breb. 
Am Grossen Teiche (Schrt,), Abfluss aus dem Grossen Teiche unterhalb des 
Kleinen Teiches (Schrd.). 
S. pulchellum Arch. 
Weisse Wiese, Koppenplan (Schrt.). 


Mesotaenium Näg. 
M. Braunii De By, 


Koppenplan (Schrt.). 


II. Abtheilung. Zoologisch-botanische Section. 49 


71. 


*73. 


74. 


75. 


76. 


VErR 


+78. 


2 


80. 


M. micrococcum (Kg.) Kirchn. 
Elbwiese, Weisse Wiese, Südabhang der Schneekoppe (Hansg. Prod.). 


Cylindrocystis (Menegh.) De By. 


. ©. Brebissonmii Ralfs. 


In allen Wasseransammlungen der Hochgebirgsregion sehr verbreitet. 
Weisse Wiese, Kleine Sturmhaube (Schrt. u. Schrd.), Kieine und Grosse 
Schneegrube, Kesselgrube (W.), Mittagsteine (Schrt.), Sausteine (Schrd.), am 
Grossen Teiche und in demselben (Schrt. u. Schrd.), oberhalb des Kleinen 
Teiches (Schrt.), Mädelwiese (Schrd.), Elbwiese und Koppenplan (Schrt. 
u. Schrd.). 
var. turgida Schmidle, Alpine Algen, tab. XIV, fig. 15. 

Elbwiese (Schrd.). 

var. Jenneri (Ralfs) Kirchn. 

Kleine Sturmhaube, Mittagstein, Kleiner Teich (Schrd.). 
©. tatrica Racib. 

De nonnullis Desmid. pag. 3, tab. XIV, fle. 8. 

Kleiner Teich. Selten aber mit Zygospore (Schra.). 


Closterium Nitzsch. 
C. obtusum Breb. 
Mädelwiese hei der Peterbaude (Schrt.), Kuppenplan am Aupafall (Hansg. 
Prod.). 

Dort eine nach Schröter vom Typus „abweichende Form mit gerade 
abgestülpten Enden und ganz fehlenden Endbläschen‘“. 
Mittagstein (Schrt. u. Schrd.), Elbwiese (W.). 

Unter typischen Formen beim Mittagstein, wie sie bei Brebisson, Liste 
Desm. pag. 154, tab. II, fig. 46 angegeben werden, sah ich zwei Mal solche, 
die in der Mitte eingeschnürt waren, die Einschnürung war innen abgerundet. 
Die Breite der betreffenden Individuen betrug 5,5 u, ich bezeichne sie als 
var. incisum Nov. var. 

C. didymotocum Corda. 

Elbwiese (Schrt.). 

forma glabra Andersson. Sveriges Chlorophye. pag. 17. 

Mittagstein (Schrd.). 

©. gracile Breb. 

Elbwiese (Schrt.). 

C. striolatum Ehrb. 

An der Alten schlesischen Baude (Schrt.), am Kleinen Teiche (W. u. Schrd.), 
Mädelwiese (Schrt.), Elbwiese (Kirchn. Fl.). 

C. intermedium Ralf. 

Neue Schlesische Baude, Elbwiese (Kirchn. Fl.), Mädelwiese, Koppenplan 
(Schrd.). 5 
C©. Cynthia De Not. 

var. suwbtilis nov. var. 

Membran feiner gestreift als beim Typus. Breite 8,5 u, Enden etwas 
spitzer. Hierzu dürfte vielleicht auch das 02. Cynthia De Not. zu rechnen 
sein, welches Eichl., Flory Wodorostöw, pag. 58 anführt und in Fig. 5 
abbildet. 

Mädelwiese zwischen Peter- und Spindlerbaude (Schrd.). 
C. Dianae Ehrb. 

Mittagstein (Schrd.), im Kleinen Teiche (W.). 

189. 


6 
N 


ga 
em 


50 


32. 


83. 


S4. 


+85. 


86. 


37. 


88. 


89. 


90. 


91. 


92. 


93. 


+94. 


20 


#96. 


Jahresbericht der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. 


forma major Wille. 

Elbwiese, Mädelwiese, im Grossen Teiche und im Abflusse aus dem Grossen 
Teiche unterhalb des Kleinen Teiches (Schrd.). 

©. Jenneri Ralts. 

Im Kleinen Teiche (W.), Elbwiese (Schrd.), Koppenplan am Aupafall (Hansg. 
Prod.). 

C. moniliferum Ehrb. 

An der Alten schlesischen Baude (Schrt.). 

C. parvulum Näg. 

Elbwiese (Hansg.), am Grossen Teiche und in der Quelle oberhalb des 
Kleinen Teiches (Schrt.). 

C. Venus Kg. 

Elbquellen (Schrt.), Kleiner Teich (W.). 

C. acutum Breb. 

forma major Wille. 

Mädelwiese zwischen Peter- und Spindlerbaude (Schrd.). 

forma minor Wille. 

66 u lang und 9 w dick nach Wille. 

Elbwiese (W.). 

C. rostratum Ehrb. 

Mittagstein (Schrd.). 


Spirotaenia Breb. 
S. condensata Breb. 
Elbwiese, Mädelwiese (Schrt.), Weisse Wiese (Kirchn. Fl.). 


Penium Breb. 
P. Digitus Breb. 
Elbwiese. Kesselgrube (W.), Koppenplan am Brunnenberge (Hieron.). 
Länge der Exemplare von dem letzten Standorte 160—210 uw nach Hieron. 
P. lamellosum Breb. 
Elbwiese, Kesselgrube, Koppenplan (W.). 
P. oblongum De By. 
Elbwiese (Kirchn. Fl.), Kesselgrube [66 uw lang und 24 wu dick] (W.), Mädel- 
wiese, Weisse Wiese, Koppenplan (Schrt. u. Schrd.). 
P. interruptum Breb. ; 
Weisse Wiese (Kirchn. F].). 
P. navicula Breb. ; 
Elbwiese (Schrd.), Mädelwiese (Schrt.), im Abflusse aus dem Grossen Teiche 
unterhalb des Kleinen Teiches (Schrd.). 
P. truncatum Ralfs. 
Elbwiese (Kirchn. Fl.), Mädelwiese an der Peterbaude (Schrd.), Koppenplan 
am -Aupafali, spärlich (Hansg. Prod.). 
P. polymorphum Lund. 
Am Kleinen Teiche (W.), Koppenplan (Schrd.). 
P. phymatosporum Nordst. 
23 w lang und 11 w breit nach Wille. 
Elbwiese, am Kleinen‘ Teiche, Koppenplan {W.;,. 
P. forma. 
Nordstadt: Desm, arctoae tab. VI, fig. 2. 
26—23 u lang, 14 u breit nach Wille, 
Elbwiese (W.). 


II. Abtheilung. Zoologisch-botanische Section. 51 


aM. 


98. 


99. 


100. 


=101. 


#102. 


=103. 


104. 


#109. 


106. 


+107. 


108. 
109. 


110. 


+11. 


Tetmemorus Ralfs. 
T. Brebissonii Ralfs. 
Elbwiese (Kirchn. Fl., Schrd. u. W.). 
T. laevis Ralfs. 
Elbwiese (Kirchn. Fl. u. W.), Kleine Schneegrube, Kesselgrube (W.), Mädel- 
wiese (Schrt.), im Kleinen und Grossen Teiche (W. u. Schrd.), Koppenplan 
(Schrt.). 
T. granulatus Ralfs. 
Elbwiese (Kirchn. Fl., W. u. Schrd.), Weisse Wiese (Schrd.). 
T. minutus De By. 
Weisse Wiese bei der Wiesenbaude (Hansg. Prod.). 


Disphinctium Näg, 
D. globosum (Bulnh.). 
20-22 u lang und 14 u breit. 
Elbwiese, Kleine und Grosse Schneegrube (W.), Mädelwiese (Schrd.). 
D. curtum (Breb.). 
Am Kleinen Teiche (W.). 
forma minor Wille. 
Kleine Schneegrube (W.), im Grossen Teiche (Schrd.). 
D. Palangula (De By). 
Elbwiese (Kirchn. Fl. u. W.), Kesselgrube, Kleiner Teich (W.), Weisse Wiese 
(Schrd.), Koppenplan (Schrt. u. W.). 
D. Cucurbita (Breb.). 
Elbwiese (Kirchn. Fl.), Grosse Schneegrube (W.), Mädelwiese (Schrt.), im 
Grossen Teiche (Schrd.), Weisse Wiese, Koppenplan (Schrt.), am Südabhange 
der Schneekoppe (Hansg. Prod.). 
D. quadratum (Ralfs) Hanse. 
Elbquellen, Koppenplan (Schrt.). 
var. punctulatum nov. var. 

Scheitel der Halbzellen hochconvex, Einschnürung auf jeder Seite ca. !/, 
der Zellbreite einnehmend und nach innen etwas erweitert. In jeder Halb- 
zelle zwei Chromatophoren und zwei Pyrenoide Zellhaut deutlich fein 
punktirt, aber am Isthmus eine freie Zone zeigend. Mädelwiese zwischen 
Peter- und Spindlerbaude (Schrd.). 

D. Cylindrus Näg. 

var. silesiacus Kirchn. 

Mädelwiese zwischen Peter- und Spindlerbaude (Schrd.), im Abflusse aus dem 
Grossen Teiche unterhalb des Kleinen Teiches (Schrd.). 

D. Ralfsii (De By.) Hanse. 

Mädelwiese an der Peterbaude (Schrd.). - 

Mitteleinschnürung noch viel seichter als bei De Bary, Conj. tab. 5, fig. 8. 

D. minutum (Ralfs). 
Weisse Wiese (Schrt.). 
D. notabile (Breb.). 
Im Grossen Teiche (Kirchn. Fl.). 
D. annulatum Näs. 
Elbwiese (Kirchn. Fl.). 
Cosmarium Corda. 
0. Cucumis Corda. 
Elbwiese, Kesselgrube, Kleiner Teich (W.), Mädelwiese (Schrd.), Koppenplan(W.). 
AF 


Jahresbericht der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. 


. C. pseudexiguum Raeib. 


De nonnull. Desm. tab. X, fig. 8. 8,1 u breit, 18,9 u lang, 5,4 u dick, & u 
Koppenplan gegen den Brunnenberg zu (Schrd.). 
Neue schlesische Baude, Alte schlesische Baude (Schrd.), Elbwiese, Kleine 


Die von mir beobachteten Formen stimmten ziemlich genau mit den- 
jenigen von Klebs, Desm. Ostpreuss. tab. III, fig. 26 überein, soweit dies 
aus der Abbildung und Beschreibung ersichtlich ist. 


31 u lang, 29 w breit, 12 u am Isthmus breit (nach Wille). 


var. subtile Kirchn. 

Elbwiese häufig; Koppenplan (Schrd.). 
C. subtumidum Nordst. 

Wittr. & Nordst. Alg. exsicc. No. 172. 


©. contractum Kirchn. 
Racib. De nonnull. Desm. tab. X, fig. 10. 
Mädelwiese an der Peterbaude (Schrd.). 


. C. Meneghinii Breb. 


Elbwiese, Kleine Sturmhaube, Mädelwiese, Mittagsteine, Weisse Wiese (Schr t.) 
var. Reinschii Istv. Borge, Sibiriens Chlorophye. fig. 9. 

Mädelwiese zwischen Peter- und Spindlerbaude (Schrd.). 

var. Anderssonii nov. var. 

Cosmarium Meneghinii forma bei Anderss. 

Sveriges Chlorophye. fig. 10. 18,9 u lang, 14,4 u breit, 10,8 u am Isthmus breit. 
Mädelwiese an der Peterbaude, Koppenplan nach dem Brunnenberge zu, an 
beiden Orten selten (Schrd.). 


©. Hammeri Reinsch. 
var. rotundatum (Wille) Borge. 
Borge, Chlorophye. Russlands pag. 24, tab. II, fig. 22. 


C. decedens Reinsch. 

var. carpathicum Fäcib. 

Elbwiese (W. u. Schrd.). 

C. crenatum Ralfs. 

Neue schlesische Baude, Mädelwiese (Schrt.). 

forma crenae laterales 3. Nordst. 

Im Abflusse des Grossen Teiches unterhalb des Kleinen Teiches (Schrd.), im 
Kleinen Teiche (W.). 

C. venustum Rabh. 

Elbwiese (Kirchn. F].), Mädelwiese, Weisse Wiese, Koppenplan (Schrt.). 
C. holmiense Lund. 

Elbwiese (Schrd.). 


52 
*119 
am Isthmus hreit. 
113. C. granatum Breb. 
Schneegrube (W.). 
114. C. bioculatum Breb. 
Kesselgrube (W.). 
115. C. tumidum Lund. 
#116. 

Elbwiese (Schrd.). 
+117. C. tinctum Ralfs. 
Elbwiese (W.). 

7118 
119 
= 
+ 
*120. ©. laeve Rabh. 
Elbwiese (Schrd.). 
#121. 
Elbwiese (Schrd.). 
#199. 
123. 
124. 
125. 


129. 


130. 


*131. 
*132. 
133. 


134. 


*135. 


2138. 


#139. 


II. Abtheilung. Zoologisch-botanische Section. 53 


. C. pseudopyramidatum Lund. 


Kesselgrube (W.), Mädelwiese an der Peterbaude (Schrd.). 
C. circulare Reinsch. 

var. minus Hansg. 

Am Südabhange der Schneekoppe (Hansg. Prod.). 

©. pachydermum Lund. 

var. latum Klebs. 

Desm. Ostpreuss. pag. 34, tab. III, fig. 38. 

Im Grossen Teiche (Schrd.). 

C. smolandicum Lund. 

var. angulosum Kirchn. 

Elbwiese (Kirchn. Fl.), Mädelwiese an der Peterbaude (Schrd.). 
C. Ralfsii Breb. 

Mädelwiese (Schrt.), Weisse Wiese (Schrd.). 

Auf der Weissen Wiese fand ich Formen, welche den Uebergang zur Var. 
montanum Racib., De nonnull. Desm. pag. 15, tab. I, fig. 4 bilden, deren 
Halbzellen zwar halbkreisförmig sind, deren Isthmus sich aber nach aussen 
erweitert. 

C. microsphinctum Nordst. 

Elbwiese (W.). 

C. didymochondrum Nordst. 

Elbwiese, am Kleinen Teiche (W.). 

C. punctulatum Breb. 

Kleine Sturmhaube, Quelle oberhalb des Kleinen Teiches, Koppenplan (Schrt.). 
C©. margaritiferum Menegh. 

Im Grossen Teiche und am Mittagsteine (Schrd.). 

Im Grossen Teiche fanden sich unter dem Typus auch Formen, bei 
denen die Zellhälften elliptisch waren mit grader Basis und linearischer 
Mitteleinschnürung. 
var. incisum Kirchn. 

Elbwiese (Kirchn. Fl.), Mädelwiese (Schrt. u. Schrd.), Quelle am Grossen 
Teiche und oberhalb des Kleinen Teiches, Koppenplan (Schröt.). 

Aehnliche Formen erwähnen Borge: Chlorophyc. Russlands, pag. 20, 
tab. II, fig. 15 und Schmidle: Alpine Algen (als Cosmarium Netzerianum 
Schmidle, tab. XV, fig. 19). 

C. anomalum Delp. 
Elbwiese, Kleine Schneegrube, Kesselgrube, Koppenplan (W.). 


. ©. Botrytis Menesh. 


Elbwiese (Schrd.), im Kleinen Teiche und Weisse Wiese (Kirchn. Fl.), am 
Aupafall (Hanse. Prod.). 

var. mesoleium Nordst., Desm. Tirol. tab. XII, fig. 2. 

Elbwiese (Schrd.). 


. O. subspeciosum Nordst., Desm. arctoae pag. 22. De Notaris, Desm. ital. 


pag. 47, tab. IV, fig. 34, unter Cosmarium cerenatum Ralfs. 

Elbwiese, Grosse Schneegrube, Kesselgrube (W.), Mittagsteine (Schrd.), am 
Kleinen Teiche (W.). 

©. sphalerostichum Nordst. 

Elbwiese (Schrd.). 

C. cambricum Cooke et Wille. 

Weisse Wiese (Schrd.), 


54 Jahresbericht der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. 
=140. ©. Calodermuum Gay. 
Monogr. Conjug. pag. 64, tab II, fig. 1. 
Elbwiese, Mädelwiese zwischen Peter- u. Spindlerbaude (Schrd.). 
#141. CO. nasutum Nordst. 
forma nuclei amylacei singuli Wille. 
Elbwiese, kleine Schneegrube (W.), Mädelwiese an der Peterbaude, Weisse 
Wiese (Schrd.). 
142. ©. caelatum Ralfs. 
Ueberall zerstreut vorkommend. 
Elbwiese (Kirchn. Fl.), Kleine Schneegrube (W.), im Teiche der Grossen 
Schneegrube (Schrt.), Kesselgrube (W.), im Grossen Teiche (Schrd.), am 
Kleinen Teiche (W.), Mädelwiese (Schrd.), Koppenplan (Schrd. u. W.). 
Die Formen zeigen Verwandtschaft zur var. bohemicum Bacib. 
*143. CO. suberenatum Nordst. 
Elbwiese am Kleinen Teiche (W.). 
*144. O. rectangulare Grun. 
Elbwiese, Kesselgrube, Kleiner Teich (W.). 
#145. CO. concinnum Rabenh. 
12 w lang und ebenso breit, 
Mittagstein, im Abflusse aus dem grossen Teiche unterhalb des Kleine 
Teiches (Schrd.). 
146. C. Phaseolus Breb. 
Kleine Schneegrube (W.). 
147. 0. pusillum Breb. 
Mädelwiese, Quelle oberhalb des Kleinen Teiches, Weissbrunnen bei der 
Wiesenbaude (Schrt.). 
148. C. sublobatum (Breb.), Arch. 
Elbwiese (W.). 
149. CO, eruciatum Breb. 
Im Kleinen Teiche (Kirchn.Fl.), am Südabhange der Schneekoppe (Hanse. Prod.). 
Xanthidium Ehrb. 
150. X. aculeatum Ehrb. 
Elbwiese (Kirchn. Fl.). 
Arthrodesmus Ehrb. 
7151. A. Incus Hass. 
forma 18 u lang, 17 & breit, 7 u am Isthmus breit. 
1,5—2 u lange Stacheln (nach Wille.). 
Elbwiese (W.) 
forma isthmosa Heimer!. 
Desm. alpinae pag. 17, tab. V, fig. 18. 
19 w lang, 18 u breit, 7 w am Isthmus breit, 6—7 u a Stacheln. 
Koppenplan gegen den Brunnenberg zu (Schrd.). 
Euastum Ehrb. 
#152. E. erosum Lund. 
Kesselgrube (W.). 
153. E. binale Ralfs. 


Elbwiese (Kirchn. Fl.), am Grossen Teiche (Schrt.j, Kesselgrube (W.), Mädel-, 
wiese, Weisse Wiese (Schrt.), Koppenplan gegen den Brunnenberg zu (Schrd.). 

Die meisten Formen stimmen am besten mit Ralfs, Brit. Desm. tab. XIV, 
fig. Se überein, 


II. Abtheilung. Zoologisch-botanische Sectoin. 55 


var. granulatum Hanse. 
Am Südabhange der Schneekoppe (Hansg. Prod.). 
7154. E. denticulatum (Kirchn.) Gay. 
Mädelwiese an der Peterbaude (Schrd.). 
155. E. elegans Kg. 
Elbwiese (Kirchn. F].), im Grossen Teiche (Schrt.), im Abflusse aus dem 
Grossen Teiche unterhalb des Kleinen Teiches (ich fand an diesem Stand- 
orte eine * var. latum nob., die 30 u breit und nur 44 u lang ist), Mädel- 
wiese (Schrt.), Weisse Wiese (Kirchn. FI.). 
156. E. insigne Hass. 

= var. simplex Racib. 
De nonnull. Desm. pag. 36, tab. XIII, fig. 
Elbwiese (Hieron. u. Schrd.). 

* var. montanum Racib. 
De nonnull. Desm. pag. 36, tab. XIII, fig. 1. 
Elbwiese (Hieron. u. Schrd.), Weisse Wiese (Schrd.). 
Beide var. besonders auf der Elbwiese häufig und mitunter sehr schön rein. 

*157, E. pinnatum Ralfs. 
var. intermedium Racib. 
De nonnull. Desm. pag. 37, tab. XI, fig. 4. 
Mädelwiese an der Peterbaude (Schrd.). 
158. E. Didelta Ralfs. 

*= var. tatricum Racib. 
De nonnull. Desm. pag. 36, tab. XII, fig. 3. 
Elbwiese (Kirchn. Fl. u. Schrd.), Mädelwiese (Schrt.), im Grossen Teiche (Schrd.), 
Weisse Wiese (Schrd.). 


Micrasterias Ag. 
159. M. Jenneri Ralfs. 


Zellen 190 u lang und 110 u breit. 
Mädelwiese (Schrt.) Selten. 
1160 M. truncata Breb. 
var. 96 u lang, 88 u breit, 19 w am Isthmus breit. 
Zähne der Segmente letzter Ordnung sehr kurz und stumpf; Zellhaut fein 
aber deutlich punktirt. 
Mädelwiese an der Peterbaude, selten und nur 1 Exemplar beobachtet (Schrd.). 
Staurastrum Meyen. 
161. 8. muticum Breb. 
Elbwiese (Kirchn. Fl.), Koppenplan (Schrt.), am Südabhange der Schnee- 
koppe (Hansg. Prod.). 
1162. 8. orbiculare Ralfs. 
Elbwiese, Koppenplan (W.). 
163. S. punctulatum Breb. 

Häufig an verschiedenen Stellen des Hochgebirges. Fast überall finden sich 
neben den typischen Formen Mittelformen zu St. Kjellmanni Wille, die 
namentlich am Mittagsteine dem zuletzt genannten Staurastrum sehr nahe 
stehen. (Man vergleiche auch N. Wille und K. Rosenvinge, Alger fra Novaja 
Zemlia og Kara Havet in den Separaten pag. 8.) 

Neue schlesische Baude, Elbwiese (Kirchn. Fl. u. W.), Kleine u, Grosse 
Schneegrube, Kesselgrube (W.), Kleine Stermhaube (Schrt. u. Schrd.), Mädel- 
wiese (Schrt.), Mittagstein (Schrt. u. Schrd.), im Grossen Teiche (Schrt.)» 
Quelle oberhalb des Kleinen Teiches, Koppenplan (Schrt. u. W.). 


96 


#164. 


*165. 


*=166. 


=.167. 


+168. 


169. 


+170. 


171. 


172. 


174. 


112, 


Jahresbericht der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. 


var. subrugulosum Racib. 

De nonnull. Desm. pag. 30, tab. XII, fig. 13. 
Im Grossen Teiche (Schrd.). 

S. pygmaeum Breb. 

Elbwiese (W.). 

forma major Wille. 

Ale. frän Nov. Sem]ja, tab. XIII, fig. 54. 55. 
Mittagstein (Schrd.). 

S. alternans Ralfs. 

Quelle oberhalb des Kleinen Teiches (Schrd.). 
S. Bieneanum Rabh. 

var. ellipticum Wille. 

Als. frän Nov. Semlja pas 50, tab. XI, fig. 49. 
Elbwiese, Mädelwiese (Schrd.), am Kleinen Teiche (W.). 
S. turgescens De Not. 

var. sudeticum nov. var. 

37 u lang, 29 w breit. 

Mitteleinschnürung innen abgerundet, Scheitel wenig convex, Zellhaut 
reiheweise und mehr punktirt als bei Schmidle, Algen des Schwarzwaldes 
tab. V, fig. 28 angegeben, sonst in der Scheitelansicht der Form nach wie 
bei der Abbild. von Schmidle. 

Elbwiese (Schrd.). 

S dilatatum Ehrb. 

forma tetragona. 

Elbwiese, Kesselgrube (W.), Mädelwiese bei der Peterbaude (Schrd.). 
S muricatum Breb. 

Elbwiese, (Kirchn. Fl. u. W.), Mädelwiese (Schrt.), im Grossen Teiche, am 
Kleinen Teiche, Weisse Wiese bei der Wiesenbaude (Schrd.). 

S. amoenum Hilse. 

Elbwiese, Kleine Schneegrube, Kesselgrube (W.). 

S. pileolatum Breb. 

var. cristatum Lüttkemüller. 

Desm. vom Attersee, pag. 30 (566), tab. X, fig. 16. 

Elbwiese, Mädelwiese (Schrt.) [als $. pileolatum Breb.] (Schrd.). 

Die von mir von beiden Standorten untersuchten Exemplare stimmen mit 
der var. cristatum Lüttkemüllers nach Beschreibung, Maass und Abbildung 
genau überein. 

S. margaritaceum Menesh. 

var. minor Heimer!. 

Desm. alpinae pag. 20. 

forma pentagona. 

Elbwiese (Schrd. u. W.), Kesselgrube (W.). 

forma tetragona et pentagona. 

Mädelwiese bei der Peterbaude, Kleine Sturmhaube, im Grossen Teiche 
(Schrd.), Weisse Wiese, Koppenplan (Schrt. u. Schrd.). 


. 8. hirsutum Breb. 


Elbwiese (Kirchn. Fl.), im Grossen Teiche, Mädelwiese zwischen Peter- und 
Spindlerbaude (Schrd.). 

S. echinatum Breb. 

Elbwiese (Kirchn. Fl.), Mädelwiese (Schrt. u. Schrd.). 

S. Simonii Hemierl. 


II. Abtheilung. Zoologisch-botanische Section. 57 


var. gracile Lüttkemüller. 
Desm. vom Attersee pag. 27 (563), tab. IX, fig. 14, 
Elbwiese (Schrd.). 
*176. S. spinosum Ralfs. 
Koppenplan (Schrd.). 
7177. S. acuwleatum Menesh. 
var. controversum Rabh. 
Grosse Schneegrube (W.). 
178. 8. polymorphum Breb. 
Elbwiese (Schrd.), Mädelwiese (Schrt.), am Kleinen Teiche (Schrd.). 
7179. 8. gracile Ralfs. 
* var. nanum Wille. 
forma tetragona. 
Raciborski, De nonnull. Desm. pag. 33, tab. XI, fig. 6. 
Weisse Wiese bei der Wiesenbaude (Schrd.). 
*180. 8. basidentatum Borge. 
var. simplex Borge. 
Chlorophyc. Norska Finmarken pag. 8, fig. 6. 
Elbwiese (Schrd.). 
#181. S. megalonotum Nordst. 
var. ? 
Weisse Wiese bei der Wiesenbaude (Schrd.). 
182. S. dejectum Breb. 
var. sudeticum Kirchn. 
Elbwiese (Kirchn. Fl.), im Grossen Teiche (Schrt.). 
var. convergens Wille. 
Koppenplan am Aupagrunde (Hansg. Prod.) 
183. 8. furcatum Breb. 
Koppenplan (Schrt.). 
IV. Bacillariaceae. 


Navicula Bory. 
154. N. major Ehrb. 


Neue Schlesische Baude (Kirchn. Fl.), Alte schlesische Baude (Schrt.), im 
Grossen Teich (Schrd.). 
185. N. gibba Ehrb. 
Alte schlesische Baude, Elbwiese (Schrt.), im Grossen Teich (Kirchn. Fl.), 
Mädelwiese an der Peterbaude (Schrt. u. Schrd.). 
Die Exemplare von der Mädelwiese stimmen mit Schmidt, Atlas der 
Diat. tab. 45, fig. 49 sehr gut üherein. 
#186. N. acrosphaeria Rabenh. 
W. Smith Brit. Diat. pag. 58, tab. XIX, fig. 183. 
Elbwiese (Schrd.). 
*187. N. macilenta (Ehrb.), Kg. 
Schmidt, Atlas der Diat. tab. 43, fig. 9. 
Mädelwiese (Schrd.). 
188. N. lata Breb. 
Neue schlesische Baude, einzeln (Schrd.); Teich in der grossen Schneegrube 
häufig, Mädelwiese (Schrt.), Weisse Wiese, einzeln (Schrd.). 
189. N. borealis (Ehrb.) Kg. 
Wie die vorige in der Hochgebirgsregion ziemlich verbreitet und in ver- 
schieden gestalteten Formen sich vorfindend, wie solche von Schuhm., 


98 


190. 


191. 


+19. 


133. 


#194. 


#195. 


196, 


197. 


+198. 


19% 


Jahresbericht der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. 


Diat. der Tatra und von Lagerstedt, Diat. Spitzbergens, abgebildet werden. 
Neue schlesische Baude (langgestreckte Formen), Elbwiese (Schrd.), Teich 
der Grossen Schneegrube (Schrt.), Mittagstein, Mädelwiese, Sausteine, 
Koppenplan (Schrd.). 

N. viridis (Nitzsch.) Kg. 

Auf dem ganzen Kamme überall verbreitet. 

Elbwiese, Neue schlesische Baude, Alte schlesische Baude, Teich in der 
Grossen Schneegrube, Mittagsteine (Schrt.), im Grossen Teiche (Kirchn. Fl.) 
oberhalb des kleinen Teiches, Mädelwiese, Weisse Wiese, Koppenplan (Schrt.) 
N. hemiptera auct. (non. Kg.) De Toni Syllog, Vol. 2. I. pag, 11. 

Neue schlesische Baude (Kirchn. Fl.), Sausteine, Teich in der Grossen 
Schneegrube (Schrd.), im Grossen Teiche (Kirchn. Fl.), Quelle oberhalb des 
Kleinen Teiches (Schrd.). 

M. mesolepta Ehrb. 

var. stauroneiformis Grun. 

W. Smith, Brit. Diat. pag. 57, tab. XIX, fig. 184. 

Neue schlesische Baude, Mittagstein, im Grossen Teiche (Schrd.). 

N. Brebissonii Kg. 

Neue schlesische Baude (Kirchn. Fl.), Teich in der Grossen Schneegrube 
(Schrt.), im Grossen Teiche (Kirchn. Fl.), Quelle oberhalb des Kleinen Teiches 
(Schrt.), Koppenplan (Schrd.). 

var. angusta Grun. 

Im Grossen Teiche (Kirchn. Fl.). 

N. angustata Sm. 

Schuhmann, Diat. der Tatra pag.. 68, tab. II, fig. 40. 

Die beobachteten Exemplare aus der Hochgebirgsresion des Riesen- 
gebirges sind ebenso wie die von Schuhmann aus der Tatra angeführten 
an den Seiten mehr abgerundet und nicht eckig, sondern noch runder als 
bei Schmidt, Atlas der Diat. tab. 47, fig. 94. 

Im Grossen Teiche, Mädelwiese zwischen Peter- u. Spindlerbaude, Weisse 
Wiese (Schrd.). 

N. gracillima Pritch. 

var. subcapitata Schuhm. 

Diat. der Tatra pag. 70, tab. IV, fig. 49h. 

Im Grossen Teiche. 

N. eryptocephala Ke. 

Im Grossen Teiche (Kirchn. FI.). = 

Dürfte vielleicht von diesem Standorte mit der N. angustata Sm. nach 
der Schuhmann’schen Abbildung identisch sein, da ich nur letztere Species 
aus dem Grossen Teiche sah. 

N. dicephala Kg. 

Neue schlesische Baude (Kirchn. Fl.), im Grossen Teiche, Quelle oberhalb 
des Kleinen Teiches (Schrd.). 

N. elliptica Kg. 

Elbwiese. Selten. (Schrd.). 

Hierher gehört ‚auch Schuhmann’s N. Coccus, Diat. d. Tatra tab. III, 
fig. 45, der die von mir gefundene N. elliptica vollständig gleicht. (Siehe 
auch Gutw., Prod. flor. alg. Galic. pag. 5.) 

N. affinis Ehrb. 

ou genwina Grun. 

Neue oder ungenügend gek. Algen. Nav. Tab. 3 (V), fig. 2. 
Neue schlesische Baude, im Grossen Teiche (Schrd.). 


II. Abtheilung. Zoologisch-botanische Section. 59 


7200. N. limosa Ag. 


+201. 


202. 


203, 


204. 


205. 


206. 


+207. 


+208. 


var. inflata Grun. 

Neue oder ungenügend gek. Algen. Nav. Tab. 3 (V), fig. Sc. 

Elbquellen (Schrd.). 

var. truncata Grun. 

Neue oder ungenügend gek. Algen. Nav. Tab. 3 (V), fig. Se et fig. 9. 
Mädelwiese zwischen Peter- und Spindlerbaude, Mittagsteine, im Grossen 
Teiche, Weisse Wiese (Schrd.). 

Es scheint mir, als ob diese Alge von Schroeter als N. Bacillum Ehrb. 
bestimmt worden ist, die mir jedoch aus dem Riesengebirge als zweifelhaft 
bekannt wurde. An der obigen Grunvw’schen Var. von N. limosa Ag. waren 
die Querstreifen, mit OQelimmersion betrachtet, nicht convergirend und auch 
stets deutlich sichtbar. 

N. trinodis Sm. 
Grun., Neue oder ungenügend gekannte Alg. Nav. Tab. 2 (IV), fig. 8a, b, c. 
Im Grossen Teiche. Selten. (Schrd.). A 


Stauroneis Ehrb. 
S. Phoenicenteron Ehrh. 
Mädelwiese zwischen Peter- und Spindlerbaude, im Grossen Teiche (Schrd.). 
var. lanceolata Ke. 
Elbwiese, im Grossen Teiche (Schrd.). 
S. anceps Ehrb. 
Neue schlesische Baude, Mädelwiese, Mittagsteine, am Grossen Teiche 
(Schrt.), Weisse Wiese (Schrd.). 


Frustulia Ag. 
F. rhomboides (Ehrb.) De Toni. 
var. saxonica (Rabh.) Gutw. 
Prodrom. Algenflora von Galicien p. 115. 
Ueber den Kamm sehr verbreitet und häufig. 
Elbwiese, Mädelwiese (Schrt.), im Grossen Teiche (Kirchn. Fl.), Quelle ober- 
halb des Kleinen Teiches, Weisse Wiese (Schrt.). 


Cymbella Ag. 
CO. naviculaeformis Auersw. 
An der Alten schlesischen Baude (Schrt.). 
C. maculata Ke. 
Koppenplan (Schrt.). 
Encyonema Ke. 
E. ventricosum Grun. 5 
Mädelwiese zwischen Peter- und Spindlerbaude, spärlich (Schrd.). 
E. gracile Rabh. 
Schmidt, Atlas der Diat., tab. 10, fig. 36—40. 
Enden etwas vorgezogen. 
Neue schlesische Baude, Mädelwiese an der Peterbaude, Mittagsteine, im 
Grossen Teiche (Schrd.) 
Am zuletzt genannten Standorte sah ich eine Form, deren Gürtelseite 
linealisch mit gradlinigen, nicht gewölbten Seiten versehen war. 
Schroeter hat mit dieser Species Cymbella parva (Sm.) Kirchn. ver- 
wechselt, die dem oberen Theile des Riesengebirges bisher fehlt, 


60 


Jahresbericht der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. 


* 209. 


215. 


+216. 


#217. 


218. 
219. 
290. 

+221. 


+222. 


2923. 
224. 


#295. 


Cocconeis Ehrb. 
©. borealis Ehrb. 
Diat. der Tatra, pag. 61, tab. II, fig. 21. 
Im Grossen Teiche, Quelle oberhalb des Kleinen Teiches (Schrd.). 


Gomphonema Ag. 


. @. eristatum Ralfs. 


Im Grossen Teiche (Kirchn. Fl.). 

G. olivaceum Ehrb. 

W. Smith, Brit. Diat. pag. 80, tab. XXIX, fig. 244. 
Mittagsteine (Schrd.). 


. @. dichotomum Ke. 


W. Smith, Brit. Diat. pag. 79, tab. XXVIII, fig. 240. 
Elbwiese, Mittagsteine, im Grossen Teiche (Schrd.). 


. @. intricatum Ke. 


W. Smith, Brit. Diat. pag. 80, tab. XXIX, fig. 241. 

Neue schlesische Baude (Kirchn. Fl.), Alte schlesische Bande (Schrt.), Elb- 
wiese (Schrd.). 

G. tenellum Sm. 

W. Smith, Brit. Diat., pag. 80, tab. XXXMX, fig. 243. 

Neue schlesische Baude, Alte schlesische Baude, Mittagsteine (Schrd.). 


Achnanthidium Kg. em. Heib. 


A. lanceolatum (Breb.) Heib. 

Neue schlesische Baude (Kirchn. Fl.). 

A. exile (Kg.) Heib. 

W. Smith, Brit. Diat. pag. 29, tab. XXXVII, fig. 303. 

Alte schlesische Baude (Schrd.). 

4A. ellipticum Schuhm. 

Diat. der Tatra pag. 63, tab. II, fig. 97. 

Alte schlesische Baude, Mittagsteine, im Grossen Teiche (Schrd.). 


Nitzschia Hass. 
N. amphioxys Kg. 
Neue schlesische Baude (Schrd.), an der Alten schlesischen Baude (Schrt.). 
N. sigmoidea Sm. 5 
Im Grossen Teiche (Schrt.). 
N. vermicularis Hantsch. 
Mädelwiese (Schrt.). 
N. thermalis (Ehrb.) Auersw. 
Mittagsteine (Schrd.). 
N. Palaea Grun. 
Oesterr. Diat. II. Folge. Nitzschiaceae pag. 579, tab. XVII, fig. 3. 
Im Grossen Teiche (Schrd.). 


Suriraya (Turp.). 
S. splendida Kg. 
Mädelwiese (Schrt.), im Grossen Teiche (Kirchn. F].). 

S. pinnata Sm. 

Im Grossen Teiche (Schrt.). 

8. linearis Sm. 

Schmidt, Atlas der Diat. tab. 23, fig. 33. 

Elbwiese, Alte schlesische Baude, im Grossen Teiche, Mädelwiese (Schrd.). 


Kin. -, 


II. Abtheilung. Zoologisch-botanische Section. 61 


Es fanden sich an allen Standorten sowohl die typische Form als auch 
darunter einzeln die var. constrica Sm., welche Schmidt 1. ce. Fig. 28 
abbildet. 
Diatoma DC. em Heib. 
226. D. hiemale Heib. 
var. mesodon (Ehrb.) Grun. 
An der Neuen schlesischen Baude (Kirchn. Fl.), oberhalb der Alten schle- 
sischen Baude (Schrt.), am Kleinen Teiche (Kirchn. F].). 
1227. D. anceps Kirchn. 
a. genuinum Grun. und 
b. curtum Grun. 
Elbwiese (Schrd.). 
Meridion Ag. 
928. M. constrictum Ralfs. 
Neue schlesische Baude (Kirchn. Fl.), Alte schlesische Baude (Schrt.), Mädel- 
wiese, Mittagsteine (Schrd.). Immer nur sehr vereinzelt, mit Ausnahme des 
Standortes an der Alten schlesischen Baude. ; 
Fragilaria Lyneb. 
229. F. construens Grun. 
Am Grossen Teiche, Koppenplan (Schrt.). 
var. binodis Grun. 
Oesterr. Diat., I. Folge, pag. 371. 
Weisse Wiese (Schrd.). 
Ich bemerkte auch Formen, die, wie Grun I. e. pag. 371 angiebt, nur 
eine Seite der Schalenansicht eingebogen ist. 
7230. F. capucina Desm. 
var. acuta (Ehrb.) Kirchn. 
Mädelwiese, Weisse Wiese (Schrd.). 
231. F. virescens Ralfs. 
Durch das ganze Gebiet verbreitet und sehr gemein. 
Neue schlesische Baude (Kirchn. Fl.), Alte schlesische Baude, Teich der 
Grossen Schneegrube (Schrt.), im Grossen und im Kleinen Teiche (Schrd.), 
Elbwiese (Kirchn. Fl.), Pantschefall (Schrd.), Mittagsteine (Schrt.), Weisse 
Wiese (Kirchn. Fl.), Koppenplan (Schrd.). 


Synedra Ehrb. 
1232. S. radians Kg. 


Im Grossen Teiche (Schrd.). 
Ceratoneis Ehrb. 
1233. C. Arcus Ke. 
Elbquellen (Schrt.). 
= var. amphioxys (Rabh.) De Toni. 
An der Alten schlesischen Baude, Sausteine (Schrd.). 

Die Gattung Ceratoneis stelle ich im System zwischen Synedra und 
Tabellaria aus folgenden Gründen: Ceratoneis trägt eine Pseudoraphe wie 
die eben erwähnten Genera; eine echte Raphe, sowie echte End- und 
Centralknoten fehlen, weshalb Ceratoneis nicht nach Grunow u. Kirchn. Fl. 
pag. 215 „einen Uebergang zu den Cymbelleen“ bildet, welche die genannten 
Kennzeichen besitzen. Ferner fand ich in Proben aus Tirol und zwar aus 
der Nähe der Schaubachhütte am Ebenwandferner im Ortlergebiete, in 
welchem Ceratoneis Arcus Kg. fast ausschliesslich vorkam, 4 bis 8 Individuen 
zu kurzen Bändern vereinigt, die mit ihren ganzen Seitenflächen aneinander 


62 


234. 


tO 
co 
OL 


Jahresbericht der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. 


hinsen. Auch bemerkte ich an Exemplaren aus der Oder bei Breslau, dass 
Ceratoneis Arcus Kg. mit kurzen Gallertpolstern irgend einem Substrat auf- 
sitzen kann, wie dies ja für Synedra und Tabellaria bekannt ist, denen 
also Ceratoneis in dieser und der vorerwähnten Hinsicht phylogenetisch 
näher steht, als den Cymbelleen. 

Tabellaria Ehrb. 
T. floceulosa Ke. 
In der oberen Region des Riesengebirges sehr verbreitet und zwar nur in 
der var. ventricosa (Kg.) Grun. 
Neue schlesische Baude (Schrt.), Elbwiese (Kirchn. Fl.), Pantschefall (Schrd.), 
Mädelwiese, Mittagsteine (Schrt.), im Grossen Teiche zahlreich, im Kleinen 
Teiche (Kirchn. Fl.), Weisse Wiese, Koppenplan (Schrd.). 
T. fenestrata Kg. 


Elbwiese (Kirchn. Fl.). 


238. 


+239. 


+240. 


241. 


242, 


. E. Zebra (Ehrb.) Kunze. 


Pseudo-Eunotia Grun. 


. P. lunaris (Ehrb.) Grun. 


Sausteine, Mittagsteine, im Grossen Teiche (Schrd.). 


Cystopleura Breb. 


Mittagsteine, selten (Schrd.). 


Eunotia Ehrb. 

E. Arcus (Ehrb.) Rabh. 

a. genuina Grun. 
Alte schlesische Baude, Teich der Grossen Schneegrube (Schrt.), Mittag- 
steine, Quelle oberhalb des Kleinen Teiches (Schrd.), Weisse Wiese, Koppen- 
plan (Schrt.). 

var. curtuwm Grun. 
Oesterr. Diat., I. Folge, pag. 339, tab. 6 (IID), fig. 16. 
Neue schlesische Baude, Teich der Grossen Schneegrube, Elbwiese, Mittag- 
steine, im Grossen Teiche, Weisse Wiese (Schrd.). 
E. gracilis (Ehrb.) Rabh. 
Mädelwiese zwischen Peter- und Spindlerbaude (Schrd.). 
E. paludosa Grun. 
Oesterr. Diat., I. Folge, pag. 336, tab. 6 (II), fig. 10. 
Im Grossen Teiche, Quelle oberhalb des Kleinen Teiches, Mädelwiese an 
der Peterbaude (Schrd.). 
E. exiguwa Rabh. 
Auf dem Kamme sehr verbreitet und häufig. 
Neue schlesische Baude, Elbwiese, Kleine Sturmhaube, Mädelwiese (Schrd.), 
Mittagsteine, Sausteine, im Grossen und im Kleinen Teiche, Quelle oberhalb 
des Kleinen Teiches, Weisse Wiese (Schrd.), Koppenplan (Schrt.). 
E. pectinalis Dillw. 
Ebenfalls sehr häufig. 
Neue schlesische Baude (Kirchn. Fl.), Elbwiese (Schrt.), Kleine Sturmhaube 
(Schrd.), Mittagsteine (Schrt.), im Grossen und im Kleinen Teiche (Kirchn. 
F1.), Weisse Wiese (Schrd.), Koppenplan (Schrt.). 
var. minor (Kg.) Grun. 
Im Pantschefall (Schrd.), im Grossen Teiche (Kirchn. F].), im Kleinen Teiche, 
Quelle oberhalb des Kleinen Teiches, Mädelwiese bei der Peterbaude, 
Weisse Wiese (Schrd.). 


Il. Abtheilung. Zoologisch-botanische Section. 63 


243. E. Soleirolii (Kg) Rabh. 

Mädelwiese (Schrd.), Ränder des Grossen und des Kleinen Teiches (Kirchn. 
Fl.), Koppenplan (Schrd.). 

944. E. diodon Ehrb. 
Elbwiese (Schrd.), Teich der Grossen Schneegrube (Schrt.), im Abflusse aus 
den Grossen Teiche unterhalb des Kleinen Teiches (Schrd.). Ueberall 
nicht häufig. 

#245. E. bidentula Sm. 
Grunow, Oesterr. Diat., I. Folge, pag. 333. 
Im Grossen Teiche, Quelle oberhalb des Kleinen Teiches (Schrd.). 

7246. E. tridentula Sm. 
Pantschefall zwischen Moos nicht selten (Schrd.). 

#947. E. quaternaria Kg. 
Kützing, Bacillariaceen pag. 38, tab. 99, fig. 59. 
Mittagsteine, ziemlich zahlreich im Grossen Teiche, Mädelwiese an der 
Peterbaude, selten (Schrd.). 

248. E. tetraodon Ehrb. 
An der Peterbaude zwischen Jungermannien, am Grossen Teiche (Schrt.). 

Melosira Ag. em. Heib. 

949. M. distans Kg. 
Neue schlesische Baude, in der Grossen Schneegrube, im Grossen Teiche 
(Kirchn. Fl.), Mädelwiese, Quelle oberhalb des Kleinen Teiches (Schrt.). 
var. nivalis (Sm.) Kirchn. 
Im Grossen Teiche (Kirchn. Fl.), im Kleinen Teiche, Koppenplan (Schrd.). 

350. M. tenwis Kg. 
Mädelwiese, im Grossen Teiche, Quelle oberhalb des Kleinen Teiches, Weisse 
Wiese, Koppenplan (Schrt.). 


Cyclotella Kg. 
251. CO. dubia Hilse. 
Neue schlesische Baude (Kirchn. Fl.) 


V. Phycochromaoeae. 
A. Hormogoneae. 


1. Heterocysteae. 
Scytonemaceae. 
Stigonema Ag. 
252. S. informe Kg. 
Am Aupafalle, am Südabhange der Schneekoppe, im Aupagrunde (Hansg. 
Prod.) Die Kirchner’sche Stigonema mamillosum Ag. ist nach Born. et Flah. 
(Revis. Nostoch. pag. 77) S. informe Kg. 
253. 8. turfaceum Cooke. 
Elbfall, Kleine Schneegrube (W.), Aupafall, Zähgrund (Hansg. Prod.), Aupa- 
grund (Kirchn. Fl.). 
254. 8. minutum Hass. 
Elbfall (W.), Südabhang der Schneekoppe (Hansg. Prod.). 
255. 8. ocellatum (Dillw.) Thur. 
Im Gebiete häufig und verbreitet. 
Am Pantschefall, am Elbfall (Hansg. Prod.), Elbwiese (Schrt.), Kleine Schnee- 
grube (W.), Mädelwiese (Schrt.), Weisse Wiese, Südabhang der Schneekoppe 
(Hansg. Prod.), Aupagrund (Kirchn. Fl.). 


Jahresbericht der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. 


var. Braunii (Ke.) Hieron. Hedwigia 1895, pag. 159. 
Zwischen Moos in der Nähe der Wiesenbaude (Hieron.). 


Kleine Schneegrube, am Kleinen Teiche, Kesselgrube (W.), Melzergrund 


Hapalosiphon Näsg. 


Sümpfe bei der Wiesenbaude (Hansg. Prod.), Kesselgrube (W.). 
Scytonema Ag. 


Elbfall (Hansg. Prod.), Kleine Schneegrube (W.), Aupafall, Aupagrund, Süd- 
abhang der Schneekoppe (Hansg. Prod.). 

Scytonema turfosum Kg. von Kirchner vom Aupagrunde und von Schroeter 
von der Mädelwiese angeführt ist nach Hansgirg zweifelhaft. 


Tolypothrix Kg. 


Elbfall (Kirchn. Fl.), Mädelwiese (Schrt.). 
Rivulariaceae. 
Calothrix Ag. 


Oberer Teil des Aupagrundes (Kirchn. Fl.), Aupafall (Hansg. Prod.). 


Microchaete Thur. 


Mädelwiese an der Peterbaude (Schrd.), Koppenplan (Schrt.). 


Nostoceae. 
Nostoe Vauch. 


Teufelgärtchen. Originale v. Flotow leg. (Kirchn. F].). 


Mädelwiese (Schrt.), Weisse Wiese, Koppenplan (Schrd.). 
Anabaena (Bory) Wittr. 


Koppenplan gegen den Brunnenberg hin (Schrd.). 


9. Homocysteae. 
Microcoleus Desmaz. 


Elbfall, Mädelwiese bei der Peterbaude (Hansg. Prod.). 
Lyngbya (Ag.) Thur. 


64 

256. S. hormoides (Kg.) Hanse. 
(Kirchn. Fl.). 

257. H. pumilus Kirchn. 

#258. $8. Myochroum As. 
Kesselgrube (W.). 

259. 8. figuratum Ag. 

*260. S. ocellatum Lyngbh. 
Kleine Schneegrube (W.). 

261. T. Zanata (Desv.) Wartm. 
var. aegagropila (Corda) Hansg. 

262. C. Orsiniana (Kg.) Thur. 
var. intertexta (Grun.) Hansg. 
Aupagrund (Kirchn. Fl.). 

263. M. tenera Thur. 

964. N. muscorum Ag. 

265. N. sphaericum Vauch. 

#966. A. catenula (Kg.) Born. et Flah. 

267. M. monticula (Kg.) Hansg. 
Aupafall (Hansg. Prod.). 

268. M. heterotrichus (Kg.) Wolle. 

269. L. lateritia (Kg.) Kirchn. 
Melzergrund (Kirchn. Fl.). 

7270. L. sudetica (Nave) Kirchn. 


Aupafall, Südabhang der Schneekoppe (Hansg. Prod.). 


IT. Abtheilung. Zoologisch-botanische Section. 65 


971. L. Boryana (Kg.) Kirchn. 
Elbfall, Mädelwiese bei der Peterbaude (Hansg. Prod.). 
272, L. fusca (Kg.) Hanse. 
Teich in der Grossen Schneegrube (Schrt.). 
273. L. tenuis (Ag.) Hanse. 
Mädelwiese (Schrt.). 
97%. L. Schroeteri Hansg. 
Prod. Theil II, pag. 117. 
Mädelwiese (Schrt.). 


B. Coccogoneae. 
Chamaesiphoniaceae, 
Chamaesiphon A. Br. 
17275. (©. incrustans Grun. 
Alte schlesische Baude (Schrd.), Wiesenbaude (Hansg. Prod.). 
#276. O. gracilis A. Br. 
Elbquellen (Schrd.). 


Chroococcaceae. 
Aphanothece Näg. 
277. A. pallida Rabh. 
Am Kleinen Teiche (W.), Aupagrund (Kirchn. Fl.) 
1278. A. microscopica Näg. 
Grosse Schneegrube, am Kleinen Teiche (W.). 


Synechococcus Näg. 
979. $. major Schröter. 
Mädelwiese (Schrt.). 


Glaucocystis Itzigs. 
280. G. nostochinearum Itzigs. 
Mädelwiese (Schrt.). 


Merismopedium Meyen. 
7281. M. glaucum (Ehrb.) Näg. 
Elbwiese, Mädelwiese, Koppenplan (Schrd.). 


Coelosphaerium Näg. 
1282. 0. Kützingianum Näg. 
Mädelwiese (Schrd.). 
Gloeocapsa (Kg.) Näg. 

283. G. purpurea Kg. 

Am Kleinen Teiche (Rabh. Fl. europ. alg. II, pag. 45.). 

2834. G. Magma Kae. “ 
Elbfall (Hansg.), am Kleinen Teiche (Kirchn. Fl.), am Südabhange der 
Schneekoppe, Aupafall, Aupagrund (Hansg. Prod.). 

285. G@. sanguinea (Ag.) Kg. 

Elbfall, Aupagrund (Hansg. Prod.). 
1286. F. fuscolutea Kirchn. 
Aupafall (Hansg. Prod.). 
#987. G. glomerata Kg. 
Kleine Schneegrube, am Kleinen Teiche (W.). 
988. G. Shuttleworthiana Kg. 
Felsen im Riesengebirge (Kirchn. Fl.). 
189. 5 


66: Jahresbericht der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. 


Aphanocapsa Näg. 
989. A. rufescens Hansg. 
Prod. Teil II, pag. 157. 
Wiesenbaude (Hansg.). 
7290. A. Castagnei Rabh. 
Am Kleinen Teiche (W.). 
Chroococcus Näg. 
*391. CO. rufescens Näg. 
Grosse Schneegrube (W.). 
9993. C. turgidus Näg. 
Elbwiese (Kirchn. Fl.), am Kleinen Teich (W.), Mädelwiese (Schrd.), Weisse 
Wiese, Koppenplan (Schrt.). 
var. chalybaeus Rabenh. 
Weisse Wiese (Hieron.). 
293. CO. macrococcus Rabh. 


Mädelwiese (Schrt.), Aupafall, Aupagrund, Südabhang der Schneekoppe 
(Hansg. Prod.), Koppenplan (Schrt.). 


7. Sitzung vom 21. November 1895. 
Herr Reinecke sprach über: 
Samoa. 


Das Sammeln und Conserviren von Pflanzen auf den Samoa-Inseln 
ist abgesehen von dem Mangel gewohnter Bequemlichkeits-Einrichtungen, 
geeigneter, trockener Räume und anderer Hilfsmittel in Allem verschieden 
von den Verhältnissen, in denen man sich zu Hause damit vertraut 
macht und einarbeitet. Vor Allem ist es ungleich schwieriger und oft 
von grossen, unvermeidlichen Misserfolgen begleitet. 

Schon das Sammeln der Pflanzen und Pflanzentheile erfordert die 
Anwendung eigenartiger Methoden. 

Ein sofortiges Aufbewahren und Einlegen des für das Herbar aus- 
erkorenen Materials in Papierblätter, mit schnellem Pressen verbunden, 
lässt sich nicht durchführen, da einerseits die Luft im Busch der Berge und 
Flussthäler an und für sich stets stark mit Wasserdämpfen geschwängert 
ist, andererseits aber unerwartete und oft anhaltende Regenschauer selbst 
gut verpacktes Trockenpapier sehr bald feucht, weich und völlig un- 
brauchbar machen. Botanisirbüchsen wiederum haben den Nachtheil, 
dass beim Durchschreiten freier, sonniger Gebiete das Nalanız an 
sehr schnell schrumpfen und vertrocknen würde. 

Deshalb sah ich mich nach den ersten Misserfolgen veranlasst, mich 
dem Beispiel der Eingeborenen nicht nur in Bezug auf mein Gepäck 
und den Proviant, sondern auch auf den Transport der Pflanzen anzu- 
. schliessen, d. h. dieselben sofort in luftige Körbe, aus Cocosblatthälften 
geflochten, einzulegen und zu verpacken. 

Diese Körbe werden von den Samoanern in wenigen Minuten da- 
durch hergestellt, dass ein Cocoswedel von der Spitze aus längs der 


a: 


II. Abtheilung. Zoologisch-botanische Section. 67 


Mittelrippe auf 1'/, bis 2 m Länge gespalten wird, die beiden Enden 
einer abgetrennten Mittelrippenhälfte mit einander verbunden, die Fiedern 
abwechselnd kreuzweis geflochten und dann mit ihren correspondirenden 
Enden unten, also am Boden des Korbes, verknüpft werden. Proben 
soleher Körbe, die sich ebenso durch Leichtigkeit und Kostenlosigkeit, 
wie durch Haltbarkeit auszeichnen, befinden sich im Museum des König]. 
Botanischen Gartens hierselbst. Die Eingeborenen Samoas tragen sie 
meist zu zweien an den beiden Enden eines Tragstockes über der 
Schulter. Wenn man solch einem Korbe die Function einer Botanisir- 
trommel übertragen will, so legt man ihn zunächst mit Bananenblättern 
aus, so dass dadurch ein Schutz sowohl gegen Entziehung als gegen das 
Eindringen von Feuchtigkeit von aussen geboten wird. Dann legt man 
die des Mitnehmens für würdig befundenen Pflanzen, Proben oder Blüthen, 
möglichst glatt hinein, nachdem man dieselben, wenn im Interesse der 
Isolirung erforderlich, zusammengebunden und mit einem Zettel, event. 
erwünschte Notizen enthaltend, versehen hat. Besonders zarte oder kleine 
Pflänzchen, wie Kryptogamen, Farne oder zarte Blüthen, hüllt man in die 
Theile einer Bananenspreitenhälfte und umwickelt sie mit der Faser der 
Blattrippe. So lest man dann ein Exemplar über das andere und be- 
sinnt, wenn der Korb etwa zur Hälfte angefüllt, so dass ein Zerquetschen 
der Theile nieht mehr zu befürchten ist, allmählich durch Druck von 
oben das Volumen zu beschränken. Man kann auf diese Weise, ohne 
dem Material irgend welchen Schaden zuzufügen, eine ganz erhebliche 
Menge von frischen Pflanzen in einem Korbe unterbringen und ihm, 
wenn er gefüllt ist, einen zweiten folgen lassen. Es empfiehlt sich, je 
nach Bedarf, zeitweise ein Bananenblatt als Zwischenlage einzuschalten. 
— Ich muss bemerken, dass es hierzu an Material nur selten im Innern 
Samoas fehlt, denn 2 Musa-Arten sind endemisch und .ausserordentlich 
verbreitet. Bei längeren mehrtägigen Excursionen, für welche man 
gut thut, mehrere Samoaner als Träger zu engagiren, um nicht schliess- 
lich zu vorzeitiger Rückkehr genöthist zu werden, kann man sehr 
angenehm die leerwerdenden Proviantkörbe zu Botanisirtrommeln avaneiren 
lassen. Hat man, nachdem schon Material in den Körben eingelegt ist, 
sonniges oder auch nur lufttrockenes Gebiet zu passiren, so thut man 
gut, zwischen die Pflanzen Packete von nassem Moos zu bringen, um 
dadurch das Austrocknen derselben zu verhindern oder mindestens lange 
hinzuhalten. Derartig aufbewahrtes Herbarmaterial hält sich meist 3 bis 
4 Tage unverändert und frisch. Nur die dickfleischigen Blüthen büssen 
sehr häufig Farbe und Form ein. 

Es ist aber jedenfalls sehr ratısam, wenn man am Ausgangs- 
punkte wieder eingetroffen ist, die endgültigen Conservirungsarbeiten 
möglichst bald vorzunehmen; denn sie beanspruchen noch eine recht er- 
hebliche Zeit, Nach mehrtägigen Touren, von denen ich meist erst 

5* 


68 Jahresbericht der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. 


gegen Abend, mit‘ Vorliebe nach einer Mondscheinwanderung längs der 
Küste eintraf, verschob ich allerdings diese neue Arbeit bis auf den 
nächsten Tag. Man fühlt immerhin nach mehreren in den Bergen 
zugebrachten Nächten und ununterbrochenem Marschiren, oft im strö- 
menden Regen und in durchnässten Kleidern, ein Bedürfniss nach 
einem erfrischenden Bade, neuer Kleidung und innerer Stärkung; denn 
der Wünsche des eigenen Magens kann man aus Rücksicht auf die be- 
schränkten Tragleistungen der Begleiter und die bedeutenden Ansprüche 
eines Samoaner-Magens bei der Ausrüstung nicht mit besonderer Liebe 
gedenken. 

Am nächsten Morgen beginnt dann das Einlegen der grünen Pflanzen- 
stösse in Trockenpapier. Von solehem hatte ieh mir 50 kg von San 
Franeisco mitgebracht und bald noch weitere 75 kg von Neu-Seeland 
kommen lassen. 

Mit Beiseitelegen der besonders fleischigen Pflanzen thut man gut, 
den Inhali der Körbe der Reihe nach auf das Papier zu übertragen, 
Bei entsprechender Aufhäufung des Papiers mit den eingelesten Pflanzen 
benutzte ich Bretter mit Lavablöcken oder Schrotsäcken darauf als sehr 
geeignete Pressen. Die dickfleischigen Exemplare erfordern, bevor sie 
eingelegt werden, noch besondere Behandlung. Vielfach ist ein Aus- 
trocknen derselben nicht möglich, ohne vorher die Gewebe durch Treten 
oder Klopfen etwas zerstört oder auseinandergerissen zu haben. Das 
Trocknen selbst ist überbaupt noch mit den weitaus grössten Schwierig- 
keiten verbunden. 

Schon an und für sich ist in regenarmen Zeiten, die auf Samoa 
nur ausnahmsweise mehrere Wochen lang anhalten, die dadurch ein- 
tretende Trockenheit nur eine bedingte. Die Luft ist in Folge der 
insularen Verhältnisse und des vom März bis October sehr: gleichmässig 
wehenden SO-Passates stets mehr oder weniger durch Feuchtigkeit ge- 
sättigt, und nur unter dem directen Einfluss der Sonne entsteht tags- 
über Trockenheit. | 

So trocknete ich denn auch meine Pflanzen, indem ich sie nach 
24stündigem Aufenthalt in den erwähnten Pressen in braunes Packpapier, 
das ich von der Deutschen Handels- und Plantagen -Gesellschaft kaufen 
konnte, umlegte und dann unter geringem Druck luftiger Korallen der 
Sonne preisgab. — Die dadurch entstehenden Lagenveränderungen und 
leichten Schrumpfungen der verschiedenen Theile, speciell der zarteren 
Blätter, ordnen sich Nachts wieder, indem das gesammte Material unter 
geringem Druck und wieder glättendem Einfluss der nächtlichen Feuchtig- 
‚keit auf regensicherer Veranda die ihm durch das 24stündige Pressen 
bereits aufgezwungene Lage wieder einnimmt. Bei manchen Pflanzen 
genügt dann am nächsten Tage eine nochmalige Sonneneinwirkung, um sie 
herbartrocken zu machen. Viele Vertreter der Samoa- resp. der feuchten 


II. Abtheilung. Zoologisch-botanische Section. 69 


Tropenvegetation überhaupt, besonders Piperaceen, Orchidaceen, Rubiaceen, 
Myrtaceen, und alle typischen Blattgewächse widerstehen mit unglaub- 
licher Zähigkeit der wasserentziehenden Kraft oder trocknen überhaupt 
auf Samoa nie völlig aus. Da ist vor Allem eine Hoja, an der die 
Samoaner schon diese Eigenschaft in dem ihr beigelegten Namen aus- 
drücken. Sie nennen sie „fue se le la‘ d. h. „Winde, die der Sonne 
rotzt“, Diese prächtig duftende Aselepiadee mit grossen, schneeweissen 
Blüthen und violettrothen Pollinien habe ich nur unter den Heizrohren 
der Kopradarren wirklich trocken bekommen, und auch dort erst nach 
stägigem Liegen. Die Zellmembranen und der Schleim der Blätter 
müssen eine ganz eigenartige die Verdunstung hindernde Kraft besitzen. 

Im Allgemeinen, und wenn ohne Störung durchführbar, habe ich 
das Sonnentrocken-Verfahren sehr vortheilhaft für die Erhaltung der 
Farben gefunden. Es hat nur den Nachtheil, dass es ununterbrochene 
Aufsicht erfordert, da in diekeren Lagen durch die rapide Wasser- 
entziehung die Pflanzen ebenso leicht völlig schwarz und entstellt werden, 
wie die obenaufliegenden Bogen durch einen plötzlichen Windstoss leicht 
sehr geschädigt und alle darin befindlichen bereits trockenen Theile zer- 
bröckelt werden können. Dafür ist aber auch die Gefahr des bei dem 
üblichen Trocknen und Umlegen in Papier unvermeidlichen Schimmelns 
ausgeschlossen und eine erhebliche Abkürzung der Trockenzeit damit . 
verbunden. 

Selbst bei trockenem Wetter ist es rathsam, alle trockenen Pflanzen 
sofort zu verpacken, da die feuchte Nachtluft in alle Räume der Holz- 
häuser eindrinst. Nur nach anhaltend regenfreien Perioden sind auch 
die Nächte auf Samoa. leidlich trocken. Dazu ist erste Bedingung, dass 
die oberen Bergregionen, die meist sumpfig sind, und in Kraterkesseln 
verschiedentlich stehendes Wasser bergen, bereits ausgetrocknet sind. 
In anderen Fällen speist die nach Sonnenuntergang mit beginnender 
Wärmeausstrahlung von den Bergen zur Küste herabwehende Landbrise 
die Atmosphäre mit Wasserdämpfen; denn die verschiedene Wärme- 
capacität des Wassers und der Erdoberfläche bedingt eine stetige Aus- 
gleichsbestrebung, die als Luftströmung wahrnehmbar wird. 

Einige Kilometer von der Küste entfernt, landeinwärts und höher, 
ist die Luft wesentlich trockener, besonders da, wo ein Buschstreifen 
die Feuchtigkeit der Nachtbrise abhält. 

Diese Nachtbrise ist an der Küste nach heissen Tagen besonders 
erquiekend, wenn auch von Vielen ihre directe Einwirkung auf den 
Körper gefürchtet wird, da ihr die Erzeugung einer malariaartigen Fieber- 
erkrankung, bisher „Samoafieber‘ genannt, zugeschrieben wird. Wohl 
mit Unrecht der Brise; denn da fast überall da, wo nicht Steilküste 
dem andringenden Meere Einhalt gebietet, das Küstengebiet oft Kilo- 
meter weit in das Innere von Mangrove- oder Brackwassersümpfen durch- 


20, Jahresbericht der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. 


zogen ist, scheint wohl diesem Umstand weit eher eine Urheberschaft 
an dem Uebel zuzuschreiben zu sein. 

Gegen Ende October tritt gewöhnlich der Wechsel in den 
meteorologischen Erscheinungen ein: die trockene Jahreszeit neigt sich 
dem Ende entgegen. Die Sonne hat den Aequator passirt und strebt, 
den Parallelkreis Samoas überschreitend, ihrer südlichen Culmination 
entgegen. Der Südliche Sommer beginnt. Der Passat flaut allmählich 
ab, an seine Stelle treten Windstille oder Luftströmungen aus den ver- 
schiedensten Richtungen, elektrische Ausgleichserscheinungen, Horizont- 
blitze und auch Gewitterschauer werden häufiger, allmählich macht sich 
die Regenzeit bemerkbar. 

Im Innern . der Inseln, wo sonst oft Wassermangel zu den unan- 
genehmen Factoren auf Excursionen gehörte, ändert sich das Bild er- 
heblich und man denkt mit Sehnsucht an Zeiten zurück, in denen man 
die den Wassermangel bedingende Trockenheit verwünschte. Das 
Schlimmste dabei ist, dass dem vorher beklagten Uebel trotz neuer 
Beschwerden nur sehr unvollständig abgeholfen ist; denn meist saugt 
selbst in der Regenzeit der Boden gierig und schnell die herabstürzenden 
Wassermassen auf und gestattet ihnen nur ungern, in Erdrisse oder 
flussartige Einsenkungen und Schluchten zu entschlüpfen und zum Vater 
Ocean auf offenen Pfaden hinabzueilen oder sich in Schlackengängen 
einen versteckten Weg dorthin zu suchen. Auch dann ist dieses Wasser 
selten zum Trinken einladend und meist empfiehlt es sich weit mehr, 
das an den vom Blätterdache herabhängenden Lianen herabfliessende 
Wasser aufzufangen, als von dem lehmigen, durch verweste Pflanzen- 
reste getrübten Erdwasser zu trinken. Der Regen spült auch die kleinen 
eirca 1 cm langen Blutegel herab, welche im Blätterdach der Laubbäume 
in grossen Mengen leben und dem Menschen dadurch besonders lästig 
werden, dass sie mit besonderer Vorliebe in Mund und Augen kriechen, 
um sich dort festzusaugen. Sie sind wegen ihrer geringen Grösse und 
schlüpfrigen Haut schwer abzuwehren. Auch in trockenen Zeiten schützt 
eine Liane (Mucuna), von den Eingeborenen fuevai d. h. Wasserwinde 
genannt, den seines Trinkvorrathes baren Wanderer in verschiedenen 
Theilen des Urwaldes vor dem Verdursten. Doch nur einzelne Samoaner 
nehmen gern ihre Zuflucht zu diesen pflanzlichen Wasserreservoiren, die 
in ihrem Stengeltheil enorme Mengen von wässrigem Saft enthalten und 
ihn auch willig aus einem abgeschlagenen Stück abgeben. 

Ich habe mich wenig für die durststillende Wirkung dieses Ge- 
tränkes begeistern können. Schon der Geschmack ist etwas harzig, 
_ tanninartig und die im Saft enthaltenen Nährlösungen rufen einen klebrigen 


Nachgeschmack hervor und wirken daher störend auf die Thätigkeit der 


Speicheldrüsen, so dass sich bald erhöhter Durst einstellt und das Be- 
wusstsein, ein Uebel durch ein grösseres beseitigt zu haben. 


II. Abtheilung. Zoologisch-botanische Section. zii) 


Doch man kann sich jedenfalls bei dem nöthigen guten Willen auch 
daran gewöhnen. Beim ersten Genuss der Cocosnussmilch empfindet man 
Aehnliches, sobald dieselbe sehr jungen Nüssen entstammt. Man muss 
sich deshalb für den Anfang möglichst ausgewachsene Nüsse auswählen, 
da deren Wasser bereits durch Beendigung des Endospermbildungs- 
processes seine meisten Beimengungen und vorher in ihnen suspendirten 
Nährlösungen beraubt ist und nur noch minimale alkalische und organische 
Verbindungen enthält. Dieses Frucht- oder nun richtiger Keimwasser 
verdient allerdings nicht mehr den Namen Cocosmilch; denn es ist fast 
wasserklar mit einem ganz leichten bläulichweissen Schein. Der Saft 
junger Cocosnüsse hingegen hat eine sehr milchähnliche Färbung und 
Dichte, dabei einen süsslichen Geschmack. Mit einer geringen Quantität 
Cognac versetzt schmeckt dieses Fruchtwasser recht angenehm, besonders 
in den Morgenstunden, wenn noch recht kühl. Die Samoaner bevor- 
zugen überhaupt die jungen Nüsse; zum Theil auch des Keines wegen, der, 
bevor er feste Consistenz annimmt, einen recht angenehmen Geschmack 
besitzt. Auch die reife, frisch geschnittene und die scharf getrocknete 
Darrenkopra ist keineswegs für einen Culturgaumen unschmackhaft. 
Dieses reife Endosperm erinnert sogar nicht unwesentlich an den Geschmack 
unserer Conditormakronen. Die Vielseitigkeit der Eingeborenen in 
Verwendung dieses Nährgewebes in seinen verschiedenen Altersstadien zu 
eulinarischen Zwecken, ist bewunderungswürdig. Ein aus junger Cocosmilch 
und fein geschabtem, reifem Endosperm mit Salzwasser in Blättern er- 


hitzter Teig — „Faiai“ genannt — lässt sich am besten mit dem 
Geschmack und der Consistenz eines heimathlichen Sahnenpuddings ver- 
gleichen. 


Die Cocosnüsse sind wegen ihrer Leichtigkeit und natürlichen 
Festigkeit, sowie wegen ihrer Schale als schlechtem Wärmeleiter sehr 
werthvoll, zumal sie sich bequem transportiren lassen. Eine Nuss fasst 
0,4—0,8 Liter Fruchtwasser. Vier Stück genügen Mangels sonstigen 
Trinkwassers für einen Mann pro Tag; ich würde mich jedes Mal mit 
'/, des Inhaltes zufrieden erklärt haben. Hin Samoaner jedoch fühlt 
seinen Durst erst nach Genuss einer ganzen Nuss gestillt. 

Dies, wie der gesunde Appetit dieser Leute, trägt nicht wenig zu 
den Schwierigkeiten von Expeditionen bei. Dieselben sind überhaupt 
für Jemand, dessen Hauptaufgabe darin liegt, entlegene Gebiete und 
die tiefsten Schluchten, sowie die höchsten Punkte möglichst vollständig 
zu besuchen, nicht zu unterschätzen, besonders in neuerer Zeit. Ein 
Geologe, der von den Hawaii-Inseln aus Samoa aufsuchte und sich vier 
Wochen zwecks geologischer Studien dort aufhielt, soll darin besonders 
trübe Erfahrungen gesammelt haben. Schon die Vereinbarung des 
Lohnes stösst auf Schwierigkeiten. Während eigenthümlicherweise auf 
Upolu die Bezahlung für einen Tag Arbeitsleistung 1 Doll. = 4 Mk. 


73: Jahresbericht der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. 


beträgt und nur ausnahmsweise darüber steigt, weigerten sich die 
Eingeborenen auf Savaii, der grössten, von Fremden wenig besuchten 
Insel, überhaupt für 4 Mk. pro Tag zu arbeiten und forderten mindestens 
6 Mk. Auch dafür habe ich jedoch in den seltensten Fällen für meine 
Zwecke Führer und Träger gefunden. Selbst dann aber steigt der Lohn 
durch Nebenauslagen, als da sind Verpflegung an Speise, wofür man 
etwa 1,50 bis 2 Mk. pro Tag und pro Mann rechnen muss, sowie Tabak 
und Schnaps, der allerdings nur in geringen Quantitäten erforderlich, 
aber doch für 3 Mann und je 3 Tage auf 1 Fl. 5 Mk. zu berechnen 
ist, auf mehr denn 8 Mk. Meist verlangt noch der Eine oder Andere 
der Leute Pulver oder Schrot, um Tauben oder Schweine zu schiessen; 
denn er will bei der Sache neben der Bezahlung auch sein Vergnügen 
haben. Verdenken kann man ihnen dies nicht, zumal die Natur sie mit 
allen Lebensbedürfnissen in reichstem Maasse mühelos versorgt und 
Arbeit als etwas Unbekanntes vorenthalten hat. Schon die Ver- 
proviantirung wmächt eine nicht unerhebliche Last aus, wenn auch ein 
Mann bei gutem Willen und aus persönlichem Interesse ohne Mühe 
und Anstrengung auf gangbarem Gebiete 50—60 Pfund in zwei Körben 
8— 10 Stunden lang über die Berge trägt. Im Durchschnitt jedoch konnte ich 
auf meinen Touren nicht mehr als 25—30 Pfund Last auf den Mann rechnen, 
während 6—7 Pfund allein als Proviant pro Tag auf den Träger selbst 
entfallen, falls man unterwegs nicht auf Bananen-Pflanzungen und Trink- 
wasser rechnen kann. 


Der Proviant für die Träger besteht, je nach Vorrath und Vorhanden- 


sein, aus Brotfrüchten, zur Gewichtsverringerung vorher geröstet, un- 
reifen und reifen Bananen, Taro (Rhizom des Colocasia antiquorum), 
Zwiebacks, frischem Schweinefleisch, Rindfleisch in Dosen und, last not 
least, conservirtem Lachs. Für letztere Conserven haben die Samoaner 
eine besondere Vorliebe. 

Die Samoaner lieben auf längeren Touren das „Rasten‘‘ ausser- 
ordentlich und länger als eine Stunde ohne Rast zu marschiren, deucht 
ihnen in allen Fällen eine unnöthige Ausdehnung der Leistungsfähigkeit 
ihrer motorischen Nerven. Aus all diesen Gründen sah ich mich ge- 
nöthigt, meinen Bediensteten zu Liebe mein eigenes Gepäck auf ein 
Minimum zu reduciren. Es bestand zumeist ausser einer oder zwei 
wollenen Decken aus einem oder mehreren Paaren Reserveschuhen, 
einem Reserveanzug, je einem wollenen Hemd und Beinkleid für die 
Nächte, einigen Paar Strümpfen und als Proviant aus einem Stück Brot, pro 
Tag ", Pfund Fleischeonserven oder Erbs- und Bohnenwurst, Sardinen, 
: amerikanischem Jam (Fruchtmarmelade) und Zwiebacks, aus Cigarren 


oder Cigarettentabak. Das Aneroid, Schleuderthermometer, Reagenz- ' 


gläschen und sonstige wissenschaftliche Geräthe trug ich selbst; ebenso 
ein 18zölliges Buschmesser, das im Stande ist, auch eine Axt zu ersetzen. 


II. Abtheilung. Zoologisch-botanische Section. 73 


Derartig ausgerüstet unternahm ich meine Expeditionen in das 
Innere der Inseln, und konnte so hoffen, auch für einige Tage auf eine 
zufriedene Stimmung meiner Begleiter rechnen zu dürfen, und davon 
hängt, sowie in erster Reihe von dem Wohlwollen ihres Magens, das 
Gelingen der Expeditionen wesentlich ab. Mit unwilligen Samoanern 
kann man, wenn man nicht bereits eine grössere Vertrautheit mit ihren 
Institutionen und ihrer Natur und Sprache besitzt, überhaupt nichts 
anfangen. Einen solchen vermögen weder Drohungen noch Ver- 
sprechungen zu beeinflussen. 

Die Schilderung einer Exeursion auf der Insel Savaii will ich hier 
versuchen. 

Mit einem Halfcast, einem nothdürftig angelernten Assistenten beim 
Botanisiren und Arbeiten zu Haus, und zwei Samoanern brach ich im 
October 1894 von meinem Hauptquartier Matautu, wo ich wie überall 
bei dem Agenten der deutschen Handels- und Plantagen-Gesellschaft 
liebenswürdigste Gastfreundschaft und erfahrene Unterstützung genoss, 
zu einer Tour nach den Höhen des nordwestlichen Kammgebietes auf. 

Das Terrain steigt von der Küste aus dort allmählich an. Mein 
Weg führte mich durch eine ca. 50 ha grosse Palmenpflanzung der 
deutschen Gesellschaft nach °/, Stunden in den Busch; derselbe trägt in 
soleher Höhe und Entfernung von der Küste noch keineswegs den 
Charakter eines Urwaldes, wenn auch von mächtigen Bäumen — Hibiscus, 
Maba, Inocarpus, Citrus, Gardenia, Fieus, Myristica, Rhus, Aglaja, 
Laportea ete, — überdacht und von Lianen Entada, Mucuna, Cissus etc. 
durchzogen. Er ist mit geringem Untergebüsch und spärlicher Strauch- 
vegetation ausgefüllt. Vereinzelte Brotfruchtbäume beweisen auch, dass 
Samoaner hier einst gehaust und Wohnplätze gehabt haben. 

In einer Höhe von 120 m gelangt man, nach Süden vorgehend, auf 
junges vulkanisches Gebiet, von gelblich-röthlicher Tuffrinde bekleidet, 
spärlich bewachsen von Gleichenia diehotoma, Lycopodium cernuum, 
vereinzelien Pandanus-,'Nelitris-, Morinda-, Böhmeria-Stauden. Nur selten 
hat ein Rhus- oder Baum-Same schon genügend Boden gefunden, um sich 
zu entfalten und seine Krone über das Ganze zu erheben. Tropische 
Sonnengluth und schöne Rundblicke kämpfen um die Herrschaft über das 
Gefühl und Behagen des Wanderers. Eine kahle, kegelförmig ab- 
gerundete kleine Kuppe inmitten dieser Scenerie erhebt sich trostlos 
aussehend in ihrer Opposition gegen die auf sie eindringende Vege- 
tation,;, denn ihre Helferin, die Sonne, hat für einige Zeit den an- 
rückenden Farnen und vorkämpfenden Moosen eine empfindliche 
‚Niederlage beigebracht und das gelblich-braune Naturkleid des Hügels, 
vielleicht des Vaters dieser Formation, mit einem Ueberkleid von 
schwarz-grauen, verbrannten Farnen bedeckt. Doch der Kampf ist ein 
ungleicher, und die Leichen der Genossen dienen den ringsum schon fest 


(a Jahresbericht der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. 


fussenden Reserven immer von Neuem als Deckung gegen den sengenden 
Bundesgenossen der kleinen Erhebung, die noch vor wenig Jahren in 
ihrem mineralischen Kleid dessen Strablen begierig aufsog. 

Noch eine Stunde landeinwärts gelangt man auf schmalem Pfade 
durch einen weiteren Buschstreifen an eine Bananen- und Taropflanzung 
der Eingeborenen, welche sich eine feuchte, von steilen Höhen begrenzte 
Einsenkung mit fruchtbarem, tiefgründigem Schwemmboden geschickt 
zu Culturzwecken ausgewählt und durch Gräben die von den Bergen 
herabrieselnden und aus ihnen hervordringenden Quellen zu einer gleich- 
mässigen Bewässerung erfolgreich benutzt haben. Ueppige Grasvegetation, 
Paniceen, Cyperaceen, eine grasartige Commelina verdeckt jedoch die 
Gräben, und vom Pfade abweichend, sitzt man sehr bald im Wasser 
und hat Mühe, sich aus dem gelb-braunen Schlamm wieder herauszuarbeiten. 
Nach starken Regengüssen sind derartige Thäler kaum passirbar. Einige 
Cocospalmen und Brotfruchtbäume ' beschatten den Rastplatz der hier 
zeitweise arbeitenden und erntenden Eigenthümer dieser Pflanzung, 

Der lehmige Grund setzt sich fort an den angrenzenden Abhängen und 
überdeckt völlig die Gesteinstrümmer und Lavagebilde. Es ist eine stets 
glatte, schlüpfrige Thonerde, welche das Vordringen erschwert. Auf 
ihr beginnt die Vegetation sich urwaldartig zu entfalten und beweisen 
üppige Farne, Urticaceen (Elatostemma, Cypholopus) und Selaginellen, 
von diehtem, blattreichem Gebüsch und mächtigen Bäumen doppelt be- 
schattet, dass hier für das Gedeihen tropischer Ueppigkeit alle Be- 
dingungen erfüllt sind.. — Die sich aus der vulkanischen Entstehung 
ableitende Erscheinung, dass die allmählich ansteigenden Kämme nach 
dem Centralstock des Inneren führen, erleichtert einerseits die Orientierung 
und das Vordringen, andererseits durch die schroffen Seitenwände dieser 
von tiefen Schluchten begrenzten und begleiteten Ausläufer den Ueber- 
blick über die Vegetation, an den Abhängen und in den Abgründen. Eine 
Aussicht über die weitere Umgebung ist jedoch stets ausgeschlossen. Es 
giebt nur wenige Punkte im Inneren der Berge, an denen man durch Axt 
und Messer sich Aussichts- und Orientirungspunkte schaffen kann; — es 
sei denn mit Aufbietung der dazu erforderlichen Arbeitskräfte und Zeit. 
Selbst das Erklettern von hohen Bäumen ist nur in seltenen Fällen ein 
Hilfsmittel, dessen Anwendung man allerdings besser den Eingeborenen 
überlässt, falls sie sich dazu bewegen lassen; denn selbst ihrer Gewandt- 
heit im Klettern setzen die entweder dicht mit Epiphyten, Orchideen, 
Farnen, Moosen, Flechten, kletternden Piperaceen, Araceen ete. bedeekten 
oder schlüpfrigen, mächtigen Stämme oft unüberwindliche Schwierig- 
_ keiten entgegen. Häufig muss mit Axt und Messer der Baum gefällt 
werden, um seine botanischen Schätze zugänglich zu machen. 

Wegen dieser Ursachen sind die Samoaner auch nur mit grosser 
Mühe und Ueberredungskunst zu bewegen, in ihnen unbekanntes Gebiet 


II. Abtheilung. Zoologisch-botanische Section. 75 


vorzudringen. Das ihnen bekannte Land reicht aber mit wenigen Aus- 
nahmen nicht weiter, als wohin die Jagd nach Tauben und verwilderten 
Schweinen sie geführt hat; ihre Jagdfährten sind an den schiefen, glatten 
Stengelschnitten, von dem von ihnen beständig benutzten Buschmessers 
herrührend, erkennbar. Vor dem Verirren hat der Samoaner eine 
unüberwindliche Furcht. 

Die Jagd nach Tauben wird zu gewissen Zeiten, besonders im 
September, wenn die Früchte des Rhus Tahitensis reifen und die Tauben 
in grossen Mengen diese bis in das Küstengebiet hinabsteigenden 
Waldbäume aufsuchen, en gros betrieben. Man findet dann unter einem 
Rhus die Federn von 5—10 Tauben, die ein Schütze in wenigen Stunden 
nacheinander mit der Schrotflinte heruntergeschossen und an der Stelle, 
wo sie herabfielen, sofort abgerupft hat. 

In einer Höhe von 500 m beginnen auf ebenerem, flach ansteigen- 
dem Gebiet Niederholz, Sträucher und junge aufstrebende Bäume 
seltener zu werden; der Wald selbst wird lichter, aber das hohe Laub- 
gewölbe der Baumriesen ist dann um so dichter. Die alten Bäume haben 
sich hier durch dichten Lichtabschluss das Monopol errungen, dem nur 
Lianen, Farne, Epiphyten und Schmarotzer zu {rotzen vermögen. Riesige 
Banyans mit winzigen Blättern und kleinen, erbsengrossen, scharlach- 
rothen Fruchtständen, weit ausgebreiteter Krone und mächtigem Luft- 
wurzelgewirr durchbrechen das dichte Laubdach von Spondias, Aglaja» 
Maba, Disoxylon, Caraya, Gardenia, Fagraea, Eugenia, Alphitonia, 
Acalypha ete. — Dichte Gebüsche von Parinarium bilden einen Wald 
im Walde, den Boden verbergend unter dem dichten Gestrüpp ihrer 
Naehkommen. Hier und dort rankt sich eine Caesalpinia zwischen den 
Stämmen und an ihnen empor. Den Boden bedeckt ein Gewirr von 
Wurzeln und Ausläufern der Lianen, jener gigantischen Baumkletterer 
der Tropen. Gleich fingerdicken, braunen Strängen laufen sie hunderte 
von Metern weit über Wurzeln und Steine dahin, um dann an einem 
ihnen zusagenden Stamm sich hinaufzuschlängeln, dem Lichte zuzustreben 
und Blätter und Blüthen zu treiben. Hier haben sie ihre ersten Stützen 
bereits erwürgt und neuen Halt in schwindelnder Höhe gesucht; dort 
haben sie von Baum zu Baum weiter ziehepd, durch die eigene, rasch 
zunehmende Schwere ihre Träger gebrochen und hängen nun als stamm- 
dicke, spiralig gewundene Taue tief herab. 

Wird Dank der Terrainverhältnisse das oberste Laubdach dünner, 
dann haben sich bald all die kleineren busch- und baumförmigen Vertreter 
tropischer Vegetation in buntem Durcheinander eingefunden. Der Wald 
'erhält durch sie einen abwechselungsreichen, farbenprächtigen Charakter. 
Hier lässt eine baumförmige Maesa oder Ardisia, eine wilde Artocarpus- 
Art oder eine Euphorbia ihre riesigen Blätter herabhängen, dort ist der 
Boden dicht bedeckt mit prächtig duftenden langen Blüthen einer Fagraea 


Be. Jahresbericht der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. 


und Gardenia oder den S cm langen gelben Staubfäden einer Barringtonia 
mit faustgrossen Blüthen. An den Stämmen, auf den Aesten und Zweigen 
führen Epiphyten und Parasiten ein behagliches Dasein. Da wimmelt 
es von Orchideen mit winzigen weissen oder gelben Blüthen, von präch- 
tigen feingefiederten Kletterfarnen — Davallien, Hymenophyllien, Tricho- 
manes — und frischgrünen, wenig getheilten Polypodien. Zwischen 
dem saftigen Grün, das die Aeste der Bäume und Sträucher verhüllt, 
hängen lange Moosrasen und Lycopodien fluthend herab. Dort thront 
ein riesiges Asplenium nidus mit seinen I—2 m langen ungetheilten 
Blättern auf dem Ende eines abgestorbenen Astes, und hängt ein Ophio- 
glossum pendulum mit meterlangen, spiralig gewundenen, 2—3 cm breiten 
Blättern, grünen Bändern gleich, von demselben herab. — Diese Pracht 
und Ueppigkeit aber der Blattentfaltung erreicht ihren Höhepunkt bei 
den majestätischen Baumfarnen, welche bis 20 m hoch, vielfach all das 
Untergebüsch stolz überragen und ihre wundervolle, von 2—3 m langen 
Wedeln von zierlichster Anordnung gebildete Krone auf dünnem, 
schwarzem Stamm graziös bewegen. 

Und all diese Herrlichkeit, dieser üppige organische Reichthum 
sprosst aus einer Schicht hervor, der man nicht die geringste Productions- 
fähigkeit ansehen kann; denn vergeblich sucht man nach einer Erdkruste 
oder humosen Schicht. Nichts als Steine, poröse, verbrannte, vielgestaltige 
Basalttrimmer, locker und wirr ühereinander geworfen, die das Gehen 
erschweren und die Schuhe mit erschreekender Geschwindigkeit ihrer 
Auflösung entgegenführen, bilden die Erddecke, aus der all diese 
Pracht und Fülle hervordringt. Tief unten aber, verborgen durch 
dieses schwarze trümmerhafte Geröll, hat sich eine productive Nähr- 
schicht für all das Leben über dem todten, mit elementarer Gewalt aus 
seiner Ruhe gerissenen und verbrannten Gestein gebildet. Stein auf 
Stein muss man entfernen, um an diese verborgenen Schätze zu gelangen. 
Erst in erheblicher Tiefe findet man die jüngsten Spuren der hinabge- 
spülten verwesten Vegetation, die selbst abgestorben, neues Leben er- 
zeugt. Alles, was Schmarotzer, Pilze und Fäulniss dort oben verdorben, 
reisst der Regen in diese verborgenen Tiefen hinab. 

Bald ändert sich die Bodenoberfläche wieder, die Steine werden 
seltener und man betritt wieder thoniges, feuchtes Gebiet. Oft wechselt 
dieses ganz unvermittelt mit solchen Trümmerfeldern ab. 

Um auf einen schneller ansteigenden, höheren Kamm zu gelangen, 
ist eine tiefe Schlucht zu überwinden. Nach vergeblichen Versuchen, 
deren Boden festen Fusses hinabsteigend zu erreichen, folge ich dem 
_ Beispiel der Begleiter und erreiche, im Sitzen gleitend und die hindern- 


den Stämme und Stauden mit den Händen als Lenkstangen benutzend, 


schnell und sicher die Thalsohle. Meine Rückenansicht ruft erklärlicher 
Weise bei den Samoanern grossen Beifall hervor. Ein kleiner Wasser- 


audksiees 


II. Abtheilung. Zoologisch-botanische Section. 77 


lauf hat sich die Schlucht zu Nutze gemacht und um ihn haben sich 
sattgrüne Farne, Selaginellen, Moos- und Lebermoosrasen geschaart und 
üppige Matten aus der formenreichen Gattung Elatostema wechseln mit 
jenen ab. Caladium, Peperomien, zierliche, weiss und gelb blühende 
Cyrtandreen und das durch seinen Blattdimorphismus auffallende Asplenium 
multilineatum sprossen dazwischen hervor. Mächtige Bambusgebüsche 
versperren den Weg. 

Nun aber heisst es, 100 m an einem schlüpfrigen, steilen Abhang 
wieder hinaufzuklettern und den Höhenverlust wieder einzuholen. Nur 
unter energischer Mitwirkung der Hände und Arme, welche jede 
Pflanze und Baumwurzel als Halt benützen müssen, ist dies möglich. 
Der neu erkämpfte Bergrücken lohnt aber die Mühe und weist sich 
des in ihn gesetzten Vertrauens würdig. Als die Dämmerung gegen 
4‘), Uhr beginnt, haben wir auf ihm ein erweitertes Gebiet - und eine 
Höhe von 860 m erreicht, wo die Schluchten zu beiden Seiten sich 
rasch heben und darauf schliessen lassen, dass wir uns dem Ausgangs- 
punkt mehrerer Bergrücken nähern. 

Ich lasse halten und das Nachtquartier vorbereiten. Schnell wird 
ein Haus errichtet; vier im Rechteck stehende dünne Baumstämme werden 
ausgewählt und durch Stangen verbunden, sodann werden zwei höhere 
Stangen in der Mitte der beiden Schmalseiten in die Erde geschlagen, 
ihre Spitzen wiederum durch einen Querstock in Verbindung gesetzt, so 
der Dachfirst gebildet. Von beiden Seiten werden alsdann die 
Dachflächen durch einige weitere mit Lianenausläufern oder Bananen- 
fasern gefestigte Sparren angelegt und das Dach mit Musablättern 
und Farnwedeln regensicher gedeckt. — In etwa 20 Minuten ist auf 
diese Weise ein sicherer Schutz gegen Wind und Feuchtigkeit geschaffen ; 
denn auch die Aussenwände sind durch Farnwedel gegen die Wind- 
richtung abgeschlossen und der Boden des Hauses ist mit weichen 
Todeawedeln gepolstert. Inzwischen hat auch mein Halfcast durch 
schnelles Reiben mit einem Stück Apristicaholz auf altem, abgestorbenem, 
weichen Hibiscusholz natürliches Feuer angefacht; denn starker Regen 
während der letzten Stunden hat die Streichhölzer ihrer Zündkraft be- 
raubt, und nachdem meine Begleiter ihre Fleischeonservenbüchse geleert 
haben und diese nothdürftig ausgewaschen ist, kocht mir mein Adjutant 
Charly aus einem Stück Bohnenwurst und Wasser eine warme Suppe, 
die, mit einem Zwieback genossen, nach des Tages Arbeit ein will- 
kommenes Mahl gewährt, dem sich später eine frisch erlegte Taube als 
Nachtisch anschliesst. 

Bald weicht der Tag der Nacht, der Regen hat aufgehört und durch 
das Blätterdach, von dem noch die letzten Regentropfen herabfallen, 
beginnen die ersten Sterne hindurch zu leuchten. In den Bäumen rings 
herum stimmen Vögel, Cicaden und Grillen ihr Nachtlied an. Ueberall 


78: Jahresbericht der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. 


regt es sich. Wenn das Feuer erlischt, fängt ein geheimnissvolles 
Leuchten an. Hier ein matter, phosphoreseirender Schein, dort von einem 
gefallenen Baum her strahlt ein intensiverer Lichtglanz, der heller und 
heller werdend, je mehr die Nacht ihre Schatten ausbreitet, bald einem 
Feuerschein gleicht. Diese Holztheile behalten auch im Hause noch 
längere Zeit ihre Leuchtkraft und entfalten sie, sobald eine stark feuchte 
Nacht dem sie verursachenden Pilz die nöthigen Bedingungen gewährt. — 
Das Leuchten, welches auch im Nachtquartier selbst unter den Todea- 
wedeln hervorblinkt, von verwesten Marattiastielen ausgehend, ist so 
intensiv, dass man grossen Druck auf dicht darüber gehaltenem Papier 
lesen kann. 

Nachdem ich mein durchweichtes, mit Lehm bedecktes Wander- 
costüm, bestehend in einem Wollhemd, einem Beinkleid und langen 
Strümpfen, mit der ziemlich trockenen ähnlichen Nachtkleidung vertauscht 
und mich in eine Decke eingehüllt habe, sehe ich, eine inzwischen 
über glimmendem Holz getrocknete Cigarre rauchend, mit Behagen dem 
sich bald einstellenden Schlaf und den Erlebnissen des nächsten Tages 
entgegen. 

Sobald früh die Schatten sich heben und eine Orientirung über das 
Terrain möglich wird, verdrängt der Genuss von Thee mit Zwieback 
und Marmelade die ersten unbehaglichen Gefühle, welche sich bei 
Wiederanlegung des Abends gewaschenen und ausgewrungenen, feuchten 
Costüms einstellen, Sodann wird zum Aufbruch geblasen, und weiter 
geht es, zum Missfallen der Samoaner, die dem Kompass und Aneroid nicht 
das rechte Vertrauen entgegenbringen wollen, in unbekanntes Gebiet. 

Bald ist der vermuthete Krater erreicht, sein trockener, mit grossen 
Lavablöcken übersäter Kessel durchsucht und wieder verlassen. Durch 
einige Schluchten gelangen wir endlich zu einer Höhe von 1000 m 
auf einen steilen Kamm mit nur einigen Fuss breitem Rücken und jäh 
abfallenden Seitenwänden. Der Morgen ist herrlich klar, die Luft an- 
senehm kühl, allerdings nicht nach Ansicht der Samoaner; denn sie 
frieren bei 19° C. Von Westen her dringt in kurzen Unterbrechungen 
ein dumpfes, donnerndes Geräusch herauf. Es ist das Branden des 
Meeres gegen die Steilküste, welches bis hierher durch eine Entfernung 
von mindestens 20 km zu vernehmen ist. Das Vordringen auf diesem 
schmalen Bergrücken ist mit erheblichen Schwierigkeiten verbunden; 
denn nur einer meiner Leute kann mit dem Messer in der Hand voraus- 
gehen und durch das dichte verwirrte Gestrüpp von Freyeinetia, von 
Gleichenia oceanica durchwachsen, einen Weg bahnen. Dafür aber 
bietet mir das langsame Avanciren Gelegenheit, den geflochtenen 
Botanisirbüchsen manche Neuheit einzuverleiben und eifrig Umschau auf 
den Bäumen nach Epiphyten abzuhalten. — Mein erstrebtes Ziel sollte 
ein Kratersee, der nach Angaben alter Samoaner in diesen Regionen zu 


II. Abtheilung. Zoologisch-botanische Section. 79 


vermuthen war, sein, und ich hoffte, ihn bis zum Nachmittage aufzu- 
finden, wurde jedoch leider enttäuscht und sah mich genöthigt, dem 
Drängen der Samoaner endlich zu folgen und nach kurzer Mittagsrast 
und kalter Stärkung gegen 2 Uhr über die Rückzugsrichtung nachzu- 
denken; denn meine Begleiter, denen schon recht unbehaglich zu Muthe 
wurde, erklärten energisch, nicht länger als die vereinbarten drei Tage 
aushalten zu wollen. Nur mit grosser Ueberredungskunst konnte ich sie 
endlich bewegen, für den Rückweg eine andere Route zu wählen, nach- 
dem ich durch Schlagen eines kleinen Durchblicks zur nördlichen Küste 
hin ihnen die Möglichkeit der Ausführung in vorgeschlagener Richtung 
zu beweisen versucht hatte. Das Heraufziehen dunkler Wolken machte 
es mir schliesslich selbst erwünscht, aus diesem etwas unbehaglichen 
Gewirr, wo anhaltender Nebel die Position sehr ungünstig gestalten 
konnte, herauszukommen, und so verfolgten wir zunächst den -gebahnten 
Weg bis zu einer Stelle, wo der Abfall des Kammes einen Abstieg 
wenig bedenklich erscheinen liess. Derselbe nahm fast eine Stunde in 
Anspruch und versetzte uns aus einer Höhe von 1230 auf 890 m mit zer- 
rissenen Kleidern und stark beschundenem Körper in den Grund einer 
schauerlich grossartigen Schlucht, aus der wir nun eilen mussten, einen 
Ausweg und vor völliger Dunkelheit einen sicheren Platz für die Nacht 
zu finden; denn das finstere Antlitz des Himmels verhiess für die Nacht 
schlimmes Wetter und konnte leicht die Schlucht in kurzer Zeit zu 
einem gefährliehen Giessbach gestalten. Meine Leute athmeten deshalb 
erleichtert auf, als wir eine seitliche Wand erklimmen und auf einem 
breiten Ausläufer des Centralkammes bereits im Dunkeln und bei be- 
sinnendem Regen ein Schutzdach herrichten konnten. Die Vorsicht er- 
wies sich sehr bald als werthvoll; denn schon nach Mitternacht drang 
aus der Tiefe, der wir am Abend entronnen waren, das Geräusch ent- 
eilender Wassermassen herauf, während ich Gelegenheit hatte, von 
Neuem die Vorzüglichkeit unseres Hauses und insonderheit seines Daches 
zu bewundern, das ohne Schaden 12 Stunden lang einem fürchterlichen 
Gewitterregen trotzte. 

Ich war den Samoanern nie so dankbar für ihre Aengstlichkeit und 
Unlust, sich in fremde Gebiete zu wagen, als in dieser Nacht, die schon 
in unserer geschützten Lage keineswegs zu den äusseren Annehmlich- 
keiten gehörte; denn ein heftiger Windstoss, wie wir ihn in höheren 
Regionen sicher öfter genossen hätten, würde uns immerhin in eine 
wenig beneidenswerthe Lage versetzt haben. Bei andauerndem Regen 
erreichten wir am Abend glücklich nach mancherlei Beschwerden die 
Küste, als ich auch die Reserveschuhe bereits durch Bindfaden und Bast 
nur noch sehr widerstrebend an meine Füsse fesseln konnte und deshalb, 
noch 2 Stunden von meinem Endziel entfernt, ausharren musste, bis mir 
mein Gastfreund am nächsten Morgen erbetene frische Fussbekleidung 


80. Jahresbericht der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. 


schickte. Selten hat mir ein kräftiger Grog, für den ich die erforder- 
lichen Ingredienzien von einem englischen Händler in der Nachbarschaft 
noch glücklich am Abend erhielt, so gute Dienste geleistet, wie nach 
dieser Tour. Auch meine Begleiter, die gegen die niedere Temperatur 
in den Bergen äusserst empfindlich sind, erfreuten sich an der er- 
wärmenden und stärkenden Wirkung und thaten ihr Bestes, um die 
Reste unseres Proviants, ergänzt durch frisch geröstete Brotfrüchte, 
nicht umkommen zu lassen; denn wir waren 12 Stunden ohne Unter- 
brechung auf den Beinen gewesen und ausser einigen Zwiebacks, die 
der Regen etwas erweicht hatte, war unser Magen mit einem flüchtigen 
Morgenimbiss hingehalten worden. 

Derartige Expeditionen, die natürlich als besondere Leistungen von 
meinen Begleitern sehr schnell verbreitet und bekannt wurden, hatten 
stets eine Steigerung des Widerwillens gegen Betheiligung an weiteren 
Unternehmungen zur Folge, so dass ich froh war, wenn ich auf der 
Insel Upolu mit Erlaubniss der Leiter der deutschen Pflanzungen mela- 
nesische angeworbene Arbeiter als willige und brauchbare Träger an 
Stelle der Eingeborenen benutzen konnte; obwohl auch sie angestrengte 
Arbeit auf den Pflanzungen meiner Gesellschaft vorzogen, wenn sie die- 
selbe einmal ordentlich genossen hatten. 


Herr Chun hielt einen Vortrag: 

Zur Biologie der pelagischen Süsswasserfauna. 

Der Vortragende gab zunächst eine Uebersicht über die früheren 
und neueren Untersuchungen (unter letzteren namentlich die Ergebnisse 
von Zacharias am Plöner See berücksichtigend), soweit sie das perio- 
dische Erscheinen und die quantitative Verbreitung pflanzlicher und 
thierischer pelagischer Organismen betreffen. Er schilderte dann weiter- 
hin die noch nicht veröffentlichten Ergebnisse von Hofer, dessen Studien 
er im Herbste 1895 am Achensee beiwohnte. | 

Hofer untersuchte die Vertheilung der Thierwelt im Bodensee, 
Königssee, Starnberger-, Walchen- und Achsensee und berichtet nament- 
lich über die horizontale, verticale und zonare Vertheilung des Planktons 
in diesen Seen. 

Mit Hilfe der Hensen’schen Planktonmethode stellt er fest, dass 
die horizontale Verbreitung des Planktons im Bodensee eine gleich- 
mässige ist, so dass die Abweichungen vom Mittel normalerweise nicht 
über 25°, hinausgehen. 

In Betreff der vertiealen Verbreitung findet Hofer auf Grund 
von zahlreichen Stufen- und Schliessnetzfängen (im Gegensatz zu der 


bisher allgemein verbreiteten Ansicht), dass die limnetische Thierwelt‘ 


in den tiefen Seen nicht in allen Schichten verbreitet vorkommt, 
sondern dass sich unter einer oberflächlichen belebten, eine abyssale 


Mir FREUEN EEE ER SL E 


II. Abtheilung. Zoologisch-botanische Section. Ss 


unbelebte Zone befindet. So reicht im Bodensee das Plankton nur 
bis zu einer Tiefe von 30 m, ebenso auch im Starnberger und Königssee 
nur bis 35 m Tiefe, im Achensee steigt dasselbe jedoch bis zu 70, im 
Walchensee bis 85 m herunter. 

Die Ursache dieser beschränkten verticalen Vertheilung setzt Hofer 
in Beziehung mit dem Verhalten des Lichtes im Wasser, Er constatirte, 
dass die Sichtbarkeitsgrenze während des Sommers im Bodensee, Starn- 
berger- und Königssee in 5 bis 5'/, m Tiefe, dagegen im Achensee zu 
gleicher Zeit bei 12 m, im Walchensee bei 14 m Tiefe liegt. Je durch- 
sichtiger also ein See ist, um so tiefer steigt das Plankton in demselben 
herab. Nach den Untersuchungen, welche von Forel im Bodensee mit 
Chlorsilberplatten angestellt wurden, hat das Licht im Sommer bei einer 
Tiefe von 30 m bereits soviel an Intensität eingebüsst, dass Chorsilber- 
platten davon nicht mehr angegriffen wurden. Hofer nimmt deshalb 
an, dass die untere Grenze für die Verbreitung des Planktons zusammen- 
fällt mit demjenigen Grad der Dunkelheit, bei welcher Chlorsilberplatten 
nicht mehr chemisch auf die jedenfalls nur sehr splärlich vorhandenen 
blauen oder violetten Lichtstrahlen reagiren. 

In einer kritischen Revision der in der Literatur vorliegenden 
älteren Angaben über die verticale Verbreitung des Planktons weist 
Hofer nach, dass seine Befunde in keinem Gegensatz mit den früheren 
Untersuchungen stehen, sondern dass die wirklich zuverlässigen Beobach- 
tungen von Weismann, Pavesi und Asper eigentlich schon zu dem- 
selben Schluss hätten führen müssen. 

In dem Kapitel über die zonare Vertheilung des Planktons be- 
richtet Hofer, dass er in Uebereinstimmung mit Pavesi innerhalb der 
belebten Zone die Gesammtmasse des Planktons keineswegs gleichmässig 
vertheilt vorgefunden habe. Vielmehr findet er im Bodensee während 
der Sommer- und Herbstmonate, dass in den alleroberflächlichsten 
Schichten von 1—2 m Tiefe nur ganz geringe Mengen limnetischer Thiere 
vorkommen (in 60 cbm Wasser ca. 0,1 cbem Plankton). Von hier ab 
schwillt die Menge nach der Tiefe allmählich an, um im Bodensee 
zwischen ca. 10 und 15 m ihr Maximum von ca. 15—20 cbem pro 
60 cbm Wasser zu erreichen, fällt von da ab wieder langsam bis auf 
30 m ab, um unter dieser Tiefe völlig zu verschwinden. Im Winter 
ändert sich diese Art der Vertheilung völlıg, indem von der freien Ober- 
fläche ab durch alle belebten Zonen eine ziemlich gleichmässige Ver- 
breitung des Planktons zu beobachten ist. 

Bei dieser zonaren Vertheilung verhalten sich die einzelnen das 
Gesammtplankton zusammensetzenden Thiere sehr verschieden. 

Hofer unterscheidet vier Gruppen. Er fand einmal Formen, wie 
Diaptomus gracilis und Cyclops Leuckarii, welche zu keiner Zeit, auch 
nicht im Sommer, in irgend einer Zone massenhafter vorkommen, sondern 

1895. 6 


2) 


32. Jahresbericht der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. 


welche in allen belebten Schichten ziemlich gleichmässig vertheilt sind. 
Die zweite Gruppe, nämlich die Räderthiere, wie Anuraea longispina. 
Conochilus volvox, Anuraea cochlearis, ferner die meisten Daphniden (D, 
hyalina, Daphnella brachyura, Bosmina lonyispina) hält sich vornehmlich in 
den obersten und am meisten erwärmten Schichten des Wassers bis zu 
15 m Tiefe auf. Die dritte Gruppe bilden Leptodora hyalina und 
Bythotrephes longimanus, welche in mittleren Zonen, zwischen 7 und 18 m 
leben, also die oberen warmen, wie auch die tieferen kalten Schichten 
meiden. Zur vierten Gruppe gehören endlich Heterocope robusta und 
Oyclops sirenuus, welche die tiefen und kalten Zonen von 15—25 m 
besonders bevorzugen. Namentlich gilt dies von Heterocope, welche in 
den oberen Sthichten bis 15 m nur spärlich verbreitet ist, während 
Cyel. strenuus eine weitere Verbreitung besitzt, aber nach der Tiefe zu 
unzweifelhaft viel massenhafter vorkommt. 

Während des Winters ändert sich dieses Bild der Vertheilung sehr 
' wesentlich. Zahlreiche Formen, wie Leptodora, Bythotrephes, Heterocope, 
mehrere Daphniden und Räderthiere, verschwinden nach Ablage ihrer 
Dauereier vollständig aus dem Plankton oder treten an Masse stark 
zurück, so dass die Zusammensetzung desselben sehr viel einförmiger 
wird. Die limnetische Thierwelt setzt sich dann wesentlich nur aus 
Diaptomus gracilis, Cyclops strenuus, Cyclops Leuckarti, den Nauplien dieser 
Copepoden und Bosmina longispina zusammen und alle diese Thiere er- 
scheinen nun gleichmässig in der ganzen belebten Zone vertheilt. 

Berücksichtigt? man die verschiedenen Temperaturverhältnisse 
während des Sommers und des Winters, so geht aus diesen Be- 
obachtungen hervor, dass die Thiere des Planktons so lange eine zonare 
Vertheilung zeigen, als das Wasser thermisch geschichtet ist; wenn 
dagegen, wie im Winter, die thermische Schiehtung des Wassers auf- 
hört und dasselbe eine gleichmässige Temperirung von 4° C. erfährt, 
dann erscheinen auch die Planktonthiere gleichmässig vertheilt und nicht 
zonarisch geschichtet. Interessant ist es, dass das Winterplankton 
vornehmlich aus solchen Thieren besteht, die auch im Sommer entweder 
in allen Zonen leben (Diaptomus, C. Leuckarti) oder sich mehr im 
kalten Wasser aufhalten, wie C. strenuus. Wenn Bosmina longispina 
welche sich den Sommer über in warmen Wasserschichten aufhält, 
dennoch im Winterplankton zu finden ist, also eine Ausnahme hiervon 
macht, so rührt dies daher, dass diese Daphnide, wie bereits Weis- 
mann hervorgehoben hat, sich während langer Zeiträume im Bodensee 
nur noch parthenogenetisch fortpflanzt und keine befruchteten 
Wintereier mehr bildet. 

Trotz der augenfälligen Beziehungen zwischen zonarer Schiehtung 
der Thierwelt und der Temperatur des Wassers glaubt jedoch 
Hofer, namentlich mit Rücksicht auf das allnächtliche Aufsteigen 


II. Abtheilung. Zoologisch-botanische Section. 83 


auch der am tiefsten lebenden Formen (Heterocope robusta), den Einfluss 
des Lichtes auf die zonare Vertheilung des Planktons keineswegs aus- 
schliessen zu dürfen. 

Die mitgetheilten Beobachtungen sind durch eine Reihe von Zahlen- 
tabellen mit quantitativen Planktonangaben, sowie durch einige 
graphische Darstellungen der verticalen Verbreitung erläutert. Ausser- 
dem bringt der Verfasser einige speeiellere Beobachtungen über die 
Tiefseefauna des Bodensees, von denen wir hier nur hervorheben 
wollen, dass sich, unmittelbar über dem Boden schwebend, bis 
in alle Tiefen herab ein Cyclops viridis im Bodensee vorfindet, welcher 
mit zunehmender Tiefe sein Augenpigment verliert und bei ca. 100 m 
‚ Tiefe blind ist, Hofer nennt denselben daher Cyclops viridis var. caecus. 
Ebenso erwähnt der Verfasser einen von den Ichthyologen bisher über- 
sehenen, den Fischern aber bekannten Tiefseesaibling (Salmo salvelinus), 
welcher nur am Grunde des Bodensees (auch des Ammersees) vor- 
kommt, also dieselbe Lebensweise wie der Kilch, Coregonus hiemalıs, 
führt und sich durch seine minimale Grösse, seine einförmig braungelbe 
Färbung auf dem Rücken und sein auffallend vergrössertes Auge als be- 
sondere Localvarietät auszeichnet. 

Im Anschluss an die hier mitgetheilten Befunde berichtete Herr 
Chun über seine Untersuchungen an.den Augen der Polyphemiden. Er 
schilderte genauer den Bau des Auges von Bythotrephes und hob hervor, 
dass allen Beobachtern die Zweitheilung desselben in ein Front- und in 
ein Ventralauge entgangen war. In dieser Hinsicht stimmt also das 
Auge mit dem früher von ihm beschriebenen der pelagischen Tiefsee- 
Schizopoden, speciell auch mit dem Auge der Phronimiden überein. Es 
seheint sogar, dass bei marinen Polyphemiden (Podon und Evadne) das 
Ventralauge zu Gunsten eines mächtig entwickelten Frontauges völlig 
schwindet und dass die genannten Gattungen eine Parallele zu der 
monströsen mysiden Arachnomysis mit ihrem allein persistirenden Front- 
auge abgeben. 


Sodann gab Herr Schube den folgenden Bericht: 


Ergebnisse der Durchforschung der schlesischen Phanerogamenflora 
im Jahre 1895, 


zusammengestellt von E. Fiek und Th. Schube., 


A. Für das Gebiet neue Arten und Formen, 


Ranunculus acer X repens Figert nov. hybr. Pflanze fast 
durchweg anliegend behaart, mit kriechendem Ausläufer; 
Grundblätter 3theilig, mit rhombischen Abschnitten, zum Theil aber 
auch 3zählig und dann mit verkehrt-eiförmigen gestielten Blättchen, 
die Blattfläche (besonders der Endblättchen) in den Blattstiel verlaufend, 


6*7 


S4- Jahresbericht der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. 


Blättehen und Abschnitte mit lanzettlichen Zipfeln , Blüthenstiele schwach 
gefurcht; Kelchblätter anliegend; Früchtehen mit kurzem, gekrümmtem 
Schnabel. 

Liegnitz: auf der Siegeshöhe ein Exemplar (Figert!). 

Von dem Aussehen eines R. acer ZL., zumal die unteren Theile 
des Stengels und die Blattstiele anliegend bekleidet sind; die meist ge- 
krümmten Schnäbel der Früchtchen würden indessen auf R. 
polyanthemos deuten, wenn nicht solche auch bei R. acer vorkämen; 
aber Ausläufer und die 3zähligen Blättchen, die allerdings nicht so 
deutlich vom Blattstiel abgesetzt und auch kürzer gestielt sind, weisen 
unzweifelhaft auf die Abkunft von R. repens hin. 


Delphinium alpinum W. Kit. wird für Schlesien zwar schon 
1843 von Grabowsky in seiner „Flora von Oberschlesien und dem Ge- 
senke‘‘ S. 153 angegeben, aber nur als eine ihm offenbar als unwesentlich 
erschienene Abänderung von D. elatum L., denn er sagt daselbst: „‚die 
niedrige und behaarte Form: D. alpinum Kit. auf den Kämmen der 
höchsten Berge“. In seiner Monographie der Gattung Delphinium (in 
Engler’s Botanischen Jahrbüchern XX. Bd. 1895) führt nun Dr. E. Huth 
das D. alpinum W. Kit. als besondere Species auf, die sich nach ihm 
von D. elatum Z. hauptsächlich durch die Deckblätter*) unterscheidet. 
Bei diesem sind die unteren Deckblätter verschiedenartig getheilt, die 
mittleren eiförmig oder lanzettlich, die obersten lineal, bei jenem aber 
sind sämmtliche Deckblätter schmal-lineal und ungetheilt. 


Habituell dürften beide sich nicht auffällig unterscheiden, doch scheint 
es, als ob die Blüthenstiele bei D. alpinum gewöhnlich aufrecht ab- 
stehen und die Traube dadurch ein lockeres Aussehen erhält, während 
sie bei D. elatum durch deren meist straffer aufrechte Stiele 
schmäler und dichter aussieht. Ob jedoch die angegebenen Merkmale 
sich als solche beständig erweisen werden und ob die Rehabilitirung 
der Kitaibel’schen Fom als Art hinreichend begründet ist, müssen 
weitere Beobachtungen lehren. | 


Fundorte: Riesengebirge, im Kessel an der Kesselkoppe (Josefine 
Kablik, Winkler ete.)!!; Glatzer Schneeberg im Wölfelsgrund 
(Seliger ete.)!!, an beiden Orten mit D. elatum;, Gesenke an der Hock- 
schaar (Engler), Kleinen Altvater (Herp. imp. Vindob.), Abhänge des 
Kessels (Herb. Berol.). 


+ Malcolmia maritima (L.) R. Br. Strehlen: Schreibendorf, 
auf einem Acker (Eitner, $.) 


*) Dr. E. Huth versteht unter Bracteen (Deckblätter) nur die Hochblätter am 
Grunde der einzelnen Blüthenstiele, nicht die Stützblätter am Grunde der 
Zweige, welche mehrere Blüthen tragen. 


II. Abtheilung. Zoologisch-botanische Section. 85 


Viola collina X odorata Gremblich (V. Merkensteinensis 
Wiesb.) Goldberg: Geiersberg bei Neukirch auf der Süd- und West- 
seite unter den Eltern (Pinkwart)! 


Die vorliegende Kreuzung stellt sich dar als eine minderbehaarte 
V. collina, die durch die kräftig wurzelnden Ausläufer zugleich ihre 
Abstammung von V. odorata bezeugt. Blätter, namentlich die inneren 
der Rosette, oben mehr abgerundet, ihre Bekleidung etwas anliegend 
und nicht so dicht als an V. collina, die Nebenblätter breiter als an 
dieser, am Rande und an den (kürzeren) Fransen sparsamer bekleidet 
bis kahl; Blüthen etwa so gross als bei Y. odorata, soweit sich die 
Färbung noch erkennen liess lila-violett, verhältnissmässig dunkel; 
Samen meist verkümmert. 


V. Riviniana Rchb. var. leucocentra Pinkwart. Goldberg: am 
Wolfsberge, an der alten Chaussee bei Wolfsdorf, im Walde bei Stein- 
berg, in einem buschigen Abhange beim Dorfe Geiersberg (P.)!, auch 
an anderen Stellen der dortigen Gegend, aber bisher immer nur unter 
Nadelholz. 


Von dieser Form hat der Autor in der Deutschen botanischen 
Monatsschrift (XIII. Jahrgang 1895, S. 105) eine ausführliche Be- 
sehreibung gegeben, der er die Bemerkung beifügt, dass auch Professor 
Ascherson sie als eine ausgeprägte Varietät bezeichnet habe. 


V. arenaria DC. f. glabra Liegnitz: im Kuchelberger und 
Neuroder Walde zerstreut (Figert!). 

Nicht nur sind hier Stengel, Blatt- und Blüthenstiele, sondern auch 
die Blätter obne jede Spur von Behaarung. Bei uns so noch nicht be- 
obachtet und jedenfalls auch anderwärts sehr selten. Mit der V. 
rupesiris Schmidt bo&m. anscheinend nicht übereinstimmend. 


?-4) Spergularia salina Presi. Breslau: Wüste Plätze bei 
Morgenau (Uechtritz 1884). Die Exemplare sind, im Gegensatze zu den 
Angaben vieler Autoren, völlig drüsenlos, und deswegen wurden sie 
wohl vom Finder für $. campestris (L.) Aschs. (= 8. rubra Presl) 
v. glabrata Kab. gehalten; erst Ascherson erkannte dieselben bei dem 
Studium der Spergularien des Herb. siles. richtig. Da der Boden, auf 
dem die Pflanzen hier gewachsen, seinen Salzgehalt jedenfalls nur den 
Auslaugungen des nahen Schuttes verdankt, so beruht dies Vorkommen 
wohl nur auf gelegentlicher Einschleppung; doch gelingt es vielleicht 
noch, die Art auf ursprünglich salzhaltigem Boden in der Provinz nach- 
zuweisen. ($.) 


Acer Pseudoplatanus L. v. Fieberi (Ortm.) Pax. Strehlen: 
Rummelsberg (Schröder, $.). 


86 Jahresbericht der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. 


Rosa gallica > rubiginosa (Reuter), deren Beschreibung Straehler 
in der Deutschen bot. Zeitschr. 1895, $. 103 giebt, an der Siegeshöhe 
bei Hohenfriedeberg (W. Scholz)! 

— Viburnum Lantana L. am Gröditzberge ein Strauch auf einer 
Mauer und andere Sträucher auf der Westseite im Walde, wo sie nicht 
gepflanzt sein können (Pinkwart)! — Uebrigens schon früher einmal 
(1878) ein Exemplar auf dem Kirchberge bei Landeshut von Höger 
gefunden. 

—+ Cnieus benedictus (L.) Gärtn. Greiffenberg: auf Feldern und 
Gartenland bei Gross-Stöckigt mehrfach (Kruber)! Hier auch nach dem 
Finder noch hin und wieder von den Landleuten als Arzneikraut gebaut. 

—+ Convolvulus dahuricus Sims. Hirschberg: Hecken in Gotsch- 
dorf bei Col. Kynwasser zwischen Sträuchern oberhalb des letzten 
Hauses!! — Hierher gehören wohl auch die meisten Fundorte, die bisher 
für C. sepium L. var. rosaceus DC. angegeben worden sind, von 
welcher Form sich übrigens die oben bezeichnete, aus der Tatarei und 
Sibirien stammende Species — wenigstens nach den bei uns gefundenen 
Exemplaren — nur schwach unterscheidet. Die Bekleidung ist nicht 
selten sehr unbedeutend und auch die Form des Blattgrundes, wie die 
Länge der Vorblätter im Verhältniss zu den Kelchzipfeln geben keine 
beständigen Merkmale ab, so dass eine sichere Bestimmung oft genug 
auf Schwierigkeiten stösst. 

+ Solanum rostratum Dunal. Diese in den letzten Jahren im 
westlichen Deutschland mehrfach (vgl. Aschersons Mittheilungen in 
Verh. Brandb. B. Ver. XXXV) beobachtete, aus Mexiko und Texas 
stammende Art ist nunmehr auch bei uns eingeschleppt aufgefunden 
worden. Glogau: am Oderufer (Scholz durch einen Schüler, $.); Breslau: 
Poln.-Peterwitz (Jenner, $.). 

—+ Lamium hybridum Vill. (L. incisum Willd.) ER auf 
Gartenland in Gross-Walditz (Alt)! — Die vom Finder übersandten 
Exemplare dieser, nach seiner Mittheilung am angegebenen Orte nur 
sparsam vorkommenden und dort sicher nur zufällig verschleppten, Art 
gleichen vollkommen solchen von Greifswald und aus Ostpreussen. 

Ueber Kreuzungen von Arten der Gattung Polygonum hat E. Figert 
in Kneucker’s Allgem. botan. Zeitschrift 1895, 8. 26 ff., einen aus- 
führliehen Aufsatz veröffentlicht, aus dem ich das Vorkommen der für 
Schlesien angegebenen Hybriden hervorhebe: 

P. Hydropiper X minus an drei Stellen um Liegnitz, aber immer 
sehr spärlich. 

P. Hydropiper > mite Liegnitz: Oyas am Mühlenteiche; Breslau: 
am Strauchwehr. 

P. lapathifolium > minus Liegnitz: Sophienthal, einmal einige _ 
Exemplare. | 


. 


II. Abtheilung. Zoologisch-botanische Section. 37 


P. lapathifolium X Persicaria an einem Feldgraben bei 
Liegnitz. Ist nicht ganz unfruchtbar. (Diese wie alle vorhergehenden 
von Figert entdeckt.) 


Saliz (aurita X silesiaca) X Caprea Siraehler. Wüste- 
waltersdorf: am Mühlenberge in der Nähe von Dorfbach (t. Straebler)! 
— Ueber diese Form hat der Autor sich sehr eingehend in dem Artikel 
„Zwei neue Weiden-Tripel-Bastarde‘‘ (Deutsche bot. Monatsschrift 
XNHI. Jahrg., S. 129—131) ausgesprochen. 


S. Caprea X pulchra Figert Liegnitz: Eisenbahnausschachtung 
am Töpferberge, ein 2 Strauch (Fig)! — In der Allg. botan. Zeitschr. 
1895, S. 2, hat der Entdecker Näheres über diese Hybride ver- 
öffentlicht. 


Carex atrata L. y rhizogyna Schur aın Fusse des Schneekoppen- 
kegels bei der Riesenbaude (Prof. Sagorski in Mittheil. des Thür, bot, 
Vereins, N. Folge II, IV, S. 55). 


Als Varietät dürfte diese Abänderung, bei der das unterste Aehrchen 
ausserordentlich lang gestielt ist und aus der Achsel eines der untersten 
Blätter entspringt, kaum zu betrachten sein, zumal dergleichen Ab- 
weichungen vom Typus nicht gar selten und zwar bei verschiedenen 
Arten der Gattung Carex sind. Um nur einige derselben zu er- 
wähnen, so sind z. B. im Herbar. siles. folgende Funde belegt: 
C. acuta L. p.p. Chausseegraben bei Liegnitz (Gerhardt), Geiers- 
berg (Wimmer), Weinberg bei Ohlau (Bartsch), Breslau: bei Spitzers 
Badeanstalt und um Rothkretscham (Uechtritz), Dirschel (Heuser); 
C. Goodenoughi Gay: Brotbaude, Hampelbaude (Gerhardt), Mittelberg, 
Seifengrube (S.), Iserwiese (Krause), Kupferberg (Fiek), Lauskowe 
(Schwarz), Katholisch-Hammer (Uechtritz), Breslau: Carlowitz, Wasch- 
teiche, Neudorf (Uechtritz); €. rigida Gay: Schneekoppe (Stein), Elb- 
wiese (Hoeger); C. flacca Schreb.: Proskau (Richter); CO. panicea Z, 
Lissaer Wiesen, Canth: Neudorf (Uechtritz); ©. sparsiflora Steud. 
Woerlichgraben ($.), Leiterberg (Wetschky), Mitteloppaquelle (Kuegler). 
— (8.) 


Blechnum Spicant (L.) With. var. serratum Wollaston Riesen- 
gebirge: in der kleinen Grube an der Kesselkoppe ein Stock! ! — Diese 
in Deutschland bisher nur einmal in der bayerischen Pfalz gefundene 
Form ist von mir schon vor mehreren Jahren an dem angegebenen Orte 
entdeckt und sogleich für eine individuelle Abänderung, nicht für eine 
 Varietät, gehalten worden. Immerhin ist sie wegen der scharf gezähnten 
Fiedern der sterilen Wedel, die aber an den einzelnen Blättern ziemlich 
verschieden auftreten, interessant. 


88 Jahresbericht der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. 


B. Neue Fundorte. 

Thalietrum aquilegifolium L. Tarnowitz: Stahlhammer (Wossidlo 
und S.). 

Th. minus L. Guhrau: Herrndorf (Nitschke, $.); Tarnowitz: 
Segethwald (Wossidlo; auch schon Kutzi 1871, S.). 

Pulsatilla vernalis (L.) Mill. Glogau: Alt-Strunz, zugleich mit 
P. pratensis (L.) Mill. f. patula Pritzel. (Eitner, $.). 

P. alpina (L.) Del., zweiblüthig. Koppenplan (Schneider, $.). — 
Eine ähnliche Abnormität beobachtete ich an Anemone nemorosa Z. 
bei Breslau (S.). 

Anemone ranunculoides Z. Breslau: Weidenhof (Kirchhoff, $.). 

Adonis flammeus Jacg. von Kirchhoff bei Wessig wiederauf- 
gefunden ($.). 

Ranunculus fluitans Lmk. Ruhland: im Schwarzwasser (Barber)!; 
Bunzlau: Queis bei Thommendorf (ders.). 

R. circinnatus Sibth. Reichenbach: oberer Dominialteich in 
-Stoschendorf (M. Fiek)! 

R. triphyllus Wallr. Landeshut: Wüsteröhrsdorf im Dorfbach bei 
610 m (Alt)! 

— R. Steveni Andrz. Bunzlau: Tämmer’s Wiese (Alt)!; Liegnitz 
Gartenstrasse an der Promenade (Figert)!, Tümmler’s Brauerei am Eis- 
keller, viel (ders.)! 

R. sceleratus L. mit Schwimmblättern. Breslau: Waschteiche; 
Gleiwitz: in Lehmlöchern (Eitner, 8.). 

R. auricomus L. var. fallax W. Gr. Goldberg: bei Willmanns- 
dorf (Pinkwart)! 

R. bulbosus << polyanthemos Figert. Lüben: Krummlinde 
(Fig.)! 
Trollius europaeus L. Reichenbach: zwischen Diersdorf und 
Gnadenfrei ($.). 

+ Helleborus viridis L. Nimptsch: Langenöls (Eitner, S$.). 

Aconitum variegatum Z., im Lissaer Walde seit Jahrzehnten ver- 
misst, ist dort von Eitner wieder gefunden, zusammen mit Cephalanthera 
Xiphophyllum (L. fil.) Reichb. (8.). 

Nymphaea candida Presi. Hoyerswerda: Triebenteich bei 
Hohenbocka, grosser Lugteich bei Sabrodt, Lugteich bei Klein-Partwitz 
(Barber)!; Reichenbach O/L.: Nieder-Seifersdorfer Teiche (ders.)! 

Nasturtium austriacum COrantz. Cosel: Wiesen am Wege nach 

dem Stadtbahnhofe!! 
Arabis arenosa (L.) Scop. Rietschen: Hammerstadt an der Bahn 
nach Weisswasser (Thielscher)!; Annaschacht bei Charlottenbrunn (Figert)! 
Breslau: Geuchberg bei Bruch (v. Haugwitz, $.); Tarnowitz: Blechowka 
(Wossidlo), mit auffallenden Uebergangsformen zu A. Halleri L. (8.). 


II. Abtheilung. Zoologisch-botanische Section. 89 


Cardamine silvatica Lk. Ruhland: Guteborn im Thiergarten 
(Barber); Bolkenhain: im Walde zwischen Seitendorf und Leipe sparsam!!; 
Kupferberg: Bolzenschloss!! Schmiedeberg: am Jockelwasser, Bauden- 
steig, Langwasserquellen, Eulegrund u. a. ($S.); Herrnstadt: Nieder- 
Backen; Militsch: Fiedelberge bei Gr.-Lahse ($.), neu für die mittel- 
schlesische Ebene. 


©. pratensis L. v. paludosa Knaf. Trachenberg: Gross-Bargen 
in einem tiefen sumpfigen Graben (Schwarz)!; Breslau: bei Hundsfeld 
Baumann 1890)! — Die Pflanzen, namentlich vom erstgenannten Stand- 
orte, sehr kräftig, bis 70 cm hoch, in der Tracht und durch die ge- 
stielten, länglichen bis eiförmigen, stachelspitzig gezähnten Stengelblätter 
lebhaft an C. amara L. erinnernd, auch wie diese aus den Blatt- 
achseln Sprosse treibend, die hier zu wurzelnden Blattrosetten aus- 
gewachsen sind, aber wegen der gelben Staubbeutel und der kurzen, 
dieklichen Griffel zu C. pratensis L. gehörig. Uebrigens haben die 
sämmtlichen vorliegenden, zur f. denitata R. u. Sch. (als Art) zu 
ziehenden Exemplare verhältnissmässig viel verkümmerte Schoten, wie 
auch die Blüthen nicht alle zur Entwickelung gelangt sind. 

©. Opicii Presl var. glabra Uechtir. Riesengebirge: in der 
Lomnitz unweit Krummhübel bei 605 m (M. Fiek)! Tiefster Standort 
dieser Form, 

C. trifolia L. Reinerz: Höllengrund (Eitner, S$.). 

Dentaria bulbifera L. Jauer: Mochau (W. Scholz, 8.), Wölfels- 
fall (Eitner, 8.). 

Lunaria rediviva L. Schmiedeberg: Ruhberg ($.). 

Teesdalea nudicaulis (L.) R. Br. Im Gebirge noch bei Greiffen- 
berg: im Queisthale bei der Finkenmühle (Kruber)!; Weinberg bei 
Warmbrunn!! 

Thlaspi alpesire L. Patschkau: Oberwehr (Zwick, $.). 

Coronopus Ruelli All. Ohlau: Baumgarten (Eitner, $.). 

Viola canina X elatior. Für diese Kreuzung hat schon früher 
Uechtritz ein von Krause bei Ransern gesammeltes Stück gedeutet; es 
sind ihm dann aber, wohl mit Recht, an der Richtigkeit dieser Deutung 
wieder Zweifel aufgestiegen. Recht gut aber halten die Mitte zwischen 
den beiden genannten Arten Exemplare ein, die Eitner am Josefinen- 
berge bei Althof sammelte ($.). 

V. stagnina Kit. Hammerstadt bei Rietschen (Thielscher)! zweiter 
Standort in der O/L.; Neuhof bei Jauer (W. Scholz)!; Waldwiesen 
zwischen Maltsch und Leubus (Pinkwart)! Neumarkt: Gäbel ($.). 


V. arenaria X canina (Lasch) Uechtr. Lüben: Neurode an 
2 Stellen (Figert)! 


90. Jahresbericht der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. 


V. arenaria X Riviniana (Lasch) Uechtr,. Lüben: Kaltwasser 
(Figert)!, Neurode im Walde westlich der Chaussee (ders.)! 

Viola arenaria DC. Tirachenberg: zwischen Grenzvorwerk und 
Lauskowe (Nitschke, 8.); Rosenberg: zwischen Wendzin und Klein- 
Lassowitz (Eitner, $.). 

—+ Reseda lutea L. Görlitz: in der Ponte (Barber)!; Hirschberg: 
Bahndamm gegen Fichberg (M. Fiek)! Breslau: Thiergartenstrasse 
(Kirchhoff, $.). ; 

Drosera intermedia X rotundifolia Camus. Hoyerswerda: 
Holzteich bei Hohenbocka (Barber)!, Kroppen und Kaupenteich (ders.)! 

D. rotundifolia >< anglica Schiede. Rybnik: Czerwionka 
(Eitner, 8.). 

Polygala amara L. var. austriaca (Crantz). Lüben: Wiesen 
nördlich von Gross-Kotzenau nicht selten (Alt)!. 

Gypsophila fastigiata L. Militsch: Gollkowe (8.), Rosenberg: 
gegen Boroschan (Eitner, $.). 

Tunica prolifera (L.) Scop. Bolkenhain: Bolkoburg (Richter, S.), 
Würgsdorf ($.); Leschnitz: Roswadze (Eitner, 8.). 

Dianthus deltoides L. f. albiflora. Zwischen Carolath und 
Tschiefer (Heilwig)! Diese Form wegen der weissen ins Gelbgrüne 
spielenden Kronblätter ohne röthliche Querzeichnung wohl nicht zu 
D. glaucus L. gehörig. 

D. superbus L. Militsch: zwischen Gollkowe und Sulmirschütz 
(S.), Trachenberg: zwischen Woidnig und Heidchen (Nitschke und S$.), 
Neumarkt: Gäbel ($.). 

Silene gallica L. Reichenbach: Felder zwischen Rosenbach und 
Habendorf (M. Fiek)! | | 

8. chlorantha (W.) Ehrh. Namslau: zwischen Dammer und 
Schwirz (Eitner, $.). | 

+ 8. dichotoma Ehrh. Hirschberg: Kleefelder bei Hartau, 
Boberstein, Jannowitz (M. Fiek)!!; Gottesberg; Reichenbach: zwischen 
Jentschwitz und Schlaupitz, Weigelsdorf (M. Fiek); Schweidnitz: Ziegelei- 
äcker vor Schönbrunn (Schöpke); Breslau: Oswitz (H. Limpricht, $.), 
Rosenthal (v. Haugwitz, $.), Kattern (Kirchhoff, $.), Zimpel (Eitner, $.). 

Silene Otites (L.) Sm. Breslau: Süsswinkel (H. Limpricht, $.). 

Sagina apetala L. Haynau: um die Bielauer Ziegelei (Alt)! 

Alsine viscosa Schreb. Sprottau: Kaltenbriesnitz (Pinkwart)! 

Arenaria serpyllifolia L. v. leptoclados (Guss) Tarnowitz: 
Naklo ($.). | 

Stellaria pallida Pire. Glogau: Dalkauerhügel am Belvedereberg,,. 
Bahndamm zwischen dem Bahnhofe und der Stadt (Pinkwart)!, Goldberg: 
Lindenplatz (ders.)!; Kloster Leubus (ders.)! 


If. Abtheilung. Zoologisch-botanische Section. 9] 


S. Friesiana Ser. Bunzlau: Wehrauer Heide in den Sümpfen des 
Eulenbades (Barber)! 

S. crassifolia Ehrh. Liegnitz: Arnsdorf am kleinen und grossen 
Grundsee (Figert)! — Durch diesen Fund wieder für das Gebiet ge- 
sichert, da diese Art an dem 1849 von Lothar Becker entdeckten 
Standort im Quaritzer Bruche noch nicht wieder gefunden worden ist. 


Cerasiium brachypetalum Desp. Goldberg: Gottschlingberge 
bei Niederau (Pinkwart)! 

Elatine triandra Schrank. Reichenbach: am Baerteiche bei 
Kittlitzheide unweit Habendorf (M. Fiek)! 


Malva moschata L. Camenz: Hemmersdorf; Nimptsch: Tiefen- 
see; Mittelsteine (Eitner, $.); Waldenburg: Neu-Weissstein (Leisner, $.); 
Reinerz: Herrmannsbusch bei Hordis (G. Schube, $.). 


Lavatera thuringiaca L. Jauer: Hertwigswaldau (W. Scholz)! 


Hypericum pulchrum L. Lüben: Gross-Kotzenau im Hammer- 
walde unter alten Kiefern an einer Stelle (Alt)! Zweiter Standort 
im Gebiet und erster im eigentlichen Schlesien. 


H. monianum L. Zobten: häufis am ‚„Curvenplatzwege‘“ ($.). 

H. hirsutum L. Zobtenberg am Fusssteige nach Kl.-Silsterwitz ; 
Sonnenkoppe im Eulengebirge um 900 m (M. Fiek)!, höchster Standort. 
Oberglogau: Pfarrerlen (Richter, $.). 

Geranium phaeum L. Schmiedeberg: Ruhberg, Hohenwiese ($.); 
Ottmachau: Matzwitz (Zahn, 8.). 

G. sanguineum L. Neumarkt: zwischen Saabor und Kadlau; 
Reiehenbach: Lauterbach; Oels: Zucklauer Forst ($.). 

G. pyrenaicum L. Gr.-Strehlitz: Reitbahn (Eitner, S.). 

G. molle L. Glogau: Alt-Strunz (Eitner, $.); Militsch: Maliers; 
Trachenberg: Radziunz ($.). 

G. columbinum L. Reinerz: Schäferei (G. Schube, S$.). 

Oxalis Acetosella L. mit violett-purpurnen Blüthen im Lieben- 
thaler Walde (Kruber)! 

+ DUlex europaeus L. Reichenbach: Ruhberg bei Faulbrück 
(Sehöpke), Waldsaum oberhalb Schlaupitz (M. Fiek). An beiden Stellen 
wohl ältere Anpflanzung. ö 

Genista germanica L. f. inermis Koch. Gr.-Stein: nahe bei der 
Wolfsschlucht ($.). 

Cytisus nigricans L. Hoyerswerda: Heide bei Sablodt; Reichen- 
bach O/L.: Attendorf; Bunzlau: Bahnstrecke bei Station Waldau 
'(Barber). 

C. capitatus Jacg. Reichenbach: Ruhberg bei Faulbrück 
(Sehöpke), Lindenberg bei Eichberg (M. Fiek)!, bei Langseiffersdorf, 
Jentschwitz, Lauterbach (ders.)!, zwischen Diersdorf und Gnadenfrei ($.). 


92°. Jahresbericht der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. 


C. ratisbonensis Schäf. Tarnowitz: Stahlhammer (Wossidlo 
und $.). 

Ononis procurrens Wallr. Ruhland: Guteborn, Lipsa (Barber)! 
am Dub bei Jannowitz (ders.). | 

O. spinosa L. Guhrau: Triebusch (Nitschke, $.). 

Anthyllis Vulneraria L. Oberglogau: Thomnitz (Richter, S.). 

Trifolium praiense L. var. americanum Harz. Haynau: gegen 
Birkfleck!; Liegnitz: Bärsdorf (Figert)!. Nach den Ausführungen Ascher- 
sons (Verh. des bot. Ver, Pr. Brandenb. XXXV S. 135 ff.) hat diese 
robuste Form des aus Amerika eingeführten, bei uns überall nur ver- 
wilderten, Wiesenklees obigen Namen zu führen, von der sich die in 
Schlesien noch nicht nachgewiesene var. villosum Wahlbg. (= v. 
maritimum Marsson), der deutschen Küstenländer durch schmächtigeren 
Wuchs und schmälere Blätter auszeichnet. 

T. rubens L. Reichenbach: Langseiffersdorfer Forst (M. Fiek)!, 
Höhen bei Olbersdorf (ders.)! 
| T. striatum L. Breslau: Oswitz (H. Limpricht, 8.). 

T. spadiceum L. Reichenbach O/L. Forellenwiesen bei Hilbers- 
dorf (Barber)!; Jauer: am Wege nach Moisdorf (W. Scholz)! 

Astragalus arenarius L. Namslau: zw. Gr.-Marschwitz und 
Simmelwitz (Eitner, 8.); var. glabrescens Reichb. (völlig kahl!) 
Militsch: Maliers (S.). 

Ornithopus perpusillus L. Rosenberg: Radau (Eitner, $.); neu 
für Oberschlesien. 

Vicia silvatica L. Reinerz: am Kaiserweg bei 750 m 
(G. Schube, S.). 

V. sepium L. v. ochroleuca Basti. Oberglogau: Widrowitz 
(Richter, $.). 

Lathyrus Nissolia L. Breslau: Schwoitsch (Kirchhoff, 8.). — 
Hier mit behaarter Hülse. | 

L. tuberosus L. Breslau: Kapsdorf; Ohlau: Seifersdorf (8.): 

L. paluster L. Trachenberg: Lauskowe (Nitschke, 8.). 

+ L. latifolius L. Sophienau bei Charlottenbrunn unweit des 
Annaschachtes (Figert)! 

L. montanus Bernh. Lähn: Wald zwischen Lehnhaus und der 
Tränke!!; Hirschberg: im Walde nördlich von Berthelsdorf gegen 
Riemendorf!! Strehlen: Rummelsberg bei Gepversdorf (Eitner, $.), 
Oels: Zucklauer Forst; Militsch: Maliers ($.). 

Aruncus silvester Kostl. Nimptsch: an einem Bache östlich von 
Neudeck!!; Gesenke: Ufer der Oppa bei Pochmühl!!, oberes Thessthal!! 
Geum rivale L. v. pallidum Blytt. Neumarkt: Gäbel ($.). 

G. urbanum X rivale Schiede. Schönau: zw. Kauffung und 
Seifersdorf (G. Schneider, $.). 


II. Abtheilung. Zoologisch-botanische Section. 95 


Rubus nitidus W. u. N. bei Ruhland häufig; Reichenbach O/L.: 
an den Attendorfer Teichen; Bunzlau: nur westlich des Queis in der 
Wehrauer Heide bei Forsthaus Hosenitzbrand (Barber)! Neu für das 
eigentliche Schlesien. 

R. tomentosus Borkh. Leschnitz: gegen Lenkau (Eitner, $.). 
Zweiter Standort in Pr.-Schlesien. 

R. silesiacus Weihe. Bunzlau: Wehrauer Heide im Rev. Marien- 
haus (Barber). 

R. Koehleri W. u. N. Ruhland: Welschholzteich bei Jannowitz 
und am grossen Dub, Raudenteich bei Hermsdorf, Hohenbocka am 
Holzteich; Reichenbach O/L.: häufig; Bunzlau: Wehrauer Heide, Erlicht- 
wiesen bei Tiefenfurt (Barber). 

R. caesius X Idaeus Mey. Obernigk: gegen Jäkel (Eitner, $.). 

Potentilla norvegica L. Reichenbach: Baer- und Schilfteich bei 
Kittlitzheide (M. Fiek)! 

P. recta L. Breslau: Pleischwitz; Gr.-Strehlitz: Reitbahn 
(Eitner, S.). 

P. canescens Bess. Auf Waldwegen westlich vom Gröditzberge 
(Pinkwart)!; Reichenbach: Ruhberg bei Faulbrück (Schöpke). 

P. Wiemanniana Gth. u. Schummel. Reichenbach: Ruhberg bei 
Faulbrück zahlreich (Schöpke). 

P. Tabernaemontani Asch. (= P. verna auct.) var. serolina 
(Vill.) Löwenberg: Sirgwitz am Basaltbruch (Alt)! 

P. aurea L. Riesengebirge: zwischen der Bismarekhöhe und 
Petersdorf bei 725 m in Gesellschaft von Lathyrus montanus, Rubus 
saxatilis, Orchis sambucina ete.!! Hier an einem isolirten, von 
der zusammenhängenden Verbreitung der Pflanze ziemlich weit entfernten 
Standorte. 

P. procumbens Sibth. Reinerz: Fouque&weg; Militsch: Lahse, 
Frauenwaldau ($.). 

P. procumbens X silvestris (P. suberecta Zimmeter). Gold- 
berg: zwischen Taschenhof und Steinberg (Pinkwart)!; Liegnitz: Riesel- 
felder (Figert)!; Charlottenbrunn; Klein-Silsternitz am Geiersberge 
(M. Fiek)! ü 

Agrimonia odorata Mill. Ruhland: Kroppen, in Jannowitz häufig 
(Barber)! Militsch: Politz; Goschütz: Brustawe ($.). 

Rosa alpina L. Landeshut: bei Wüsteröhrsdorf (Alt)! Diese die 
in meiner Flora als ß) globosa Siraehler bezeichnete Form, die aber 
die eigentliche typische R. alpina darstellt, denn Linn€ sagt von den 
Receptakeln „Fructus globosi“. während er die bei uns herrschende 
Form mit eiförmigen bis länglich-flaschenförmigen Scheinfrüchten R, 
pendulina nennt, 


27 Jahresbericht der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. 


R. pomifera Herrm. Görlitz: an der Hochstrasse bei Koders- 
dorf; Reichenbach O/L.: Wegränder bei Attendorf (Barber). 

Cotioneaster integerrima Med. Gröditzberg: auf der Westseite 
unterhalb des Gipfels (Pinkwart)! Nördlichster Standort im Gebiet. 


Epilobium irigonum Schrank. Schmiedeberg: am Langwasser, 
bei 750m (8.). 


E. Lamyi F. Schz. Goldberg: Haaseler Kalkbruch (Pink wart)! 


E. obscurum Schreb. Ruhland: im Hassbruch, bei Hermsdorf, 
Lipsa; Reichenbach O/L.: Quellen des Arnsdorfer Wassers (Barber)!; 
Bunzlau: Nieschwitz (Alt)!; Reichenbach i. Schl.: Ober-Peterswaldau, 
Steingrund bei Langenbielau, Kittlitzheide, Habendorf (M. Fiek)! 


E. parviflorum X roseum Krause Schlawa: am See (Ziesche&, S.). 


E. obscurum X roseum (E. brachiatum Cik.) Hirschberg: am 
Wege nach dem Hausberge!! 

E. obscurum X palustre (E. Schmidtianum Rosik.) Ruhland: 
Hermsdorf (Barber). 

Circaea intermedia Ehrh. Reinerz: Paulsweg (G. Schube, 8.). 

Montia rivularis Gmel. Ruhland: Quellgräben im Hassbruch 
(Barber)!, bei Hermsdorf und Lipsa; Görlitzer Heide im Rev. Heide- 
waldau (ders.)! Schmiedeberg: Baudensteig bei Forstlangwasser ($.). 

Herniaria hirsuia L. Cosel: Sandfelder bei Roswadze (Wetschky). 

Corrigiola litoralis L. Hoyerswerda: Dorfanger in Kühnicht 
(Höhn); Görlitzer Heide am Eisenbahndamm bei den Zeisigbergen 
(Barber). 

Polycarpum teiraphyllum L. fil. Brieg: Frauenhain; Ohlau: 
Jungwitz (Eitner, $.). / 

Sempervivum soboliferum Sims. Schmiedeberg: Wolfshau (S.); 
Reichenbach: Ruhberg (Schöpke, $.). 

Ribes Grossularia L. Schweidnitz: Pantenmühle (Leisner, $.); 
Reichenbach: Steinhäuser bei Langenbielau, zw. Diersdorf und Gnaden- 
frei; Militsch: Dachsberg, Johannahöhe; Freyhan: Wälder bei Breschine 
mehrfach, weit entfernt von menschlichen Ansiedelungen ($.). 

R. alpinum L. Schmiedeberg: Forstlangwasser ($.). 

R. nigrum L. Bunzlau: am Queis bei Thammendorf (Alt)!! 
Greiffenberg: Harthe bei Stöckigt (Kruber)! er 

Chrysosplenium oppositifolium L. Reichenbach O/L.: Löbens- 
müh am Forellenbach (Barber)!; Greiffenberg: Wiesaer Busch (Kruber); 
Riesengebirge: zwischer dem Mittelberge und den Granatenfelsen ($.). 

Pimpinella Saxifraga L. var. dissecta (Reiz.) Bunzlau: 
Queisthal bei Wehrau verbreitet (Barber); Glogau: zwischen Meschkau 
und Quaritz (Pinkwart)! — var. rosea Metsch Liebau: am Aus- 
gespann ($.). 


II. Abtheilung. Zoologisch-botanische Section. 95 


Oenanthe fistulosa L. Lüben: Gr.-Kotzenau (Alt)!; Steinau: auf 
Kreischau zu (Pfeiffer)! Herrnstadt: zwischen Heidehen und Lauskowe 
(Nitschke und S.). 

Libanotis montana Craniz. Freiburg: Daumenberg bei Alt- 
Liebichau (M. Fiek)! 

Onidium venosum (Hoffm.) Koch. Neumarkt: Olschebruch ($.). 

Meum aithamanticum Jacg. Nd.-Schreiberhau (H. Limpricht, $.). 

Peucedanum Cervaria (L.) Cuss. Neumarkt: zwischen Saabor 
und Kadlau (S.). 

Laserpitium prutenicum L. v. glabrum Wallr. Reichenbach 
Lauterbach (S.). 

L. Archangelica Wulf. Gesenke: sehr häufig im Saugraben!! 
Vielleicht ist dieser Fundort identisch mit dem von Grabowsky an- 
gegebenen „am Fusswege nach Winkelsdorf“, der dann aber seiner 
Unbestimmtheit wegen berichtist werden müsste. 

Myrrhis odorata (L.) Scop. Schmiedeberg: am Langwasser, bei 
600 m (S.). 

Sambucus racemosa L. Trebnitz: zwischen Pollentschine und 
Glauche zahlreich; Militsch: zwischen dem Waldkretscham und Gross- 
Lahse ($.). 

Linnaea borealis L. Herrnstadt: bei Königsdorf, unweit der 
Provinzgrenze, eine ansehnliche Kolonie (Nitschke, S.). 

Lonicera Periclymenum L. Greiffenberg: Thierscher Wald_bei 
Mühlseiffen (Kruber)!; Goldberg: Laubwald beim „Hohen Grimm“ 
(Pinkwart)!! hier auch ein, an einer Eiche sich erhebendes 
Stämmchen von fast 8 cm Umfang etwas über dem Boden. 

L. Xylosteum L. Wald zwischen Lehnhaus und der ,„Tränke‘!!; 
Nimptsch: Südseite des Pangelberges!!; Würbenthal: Oppaufer bei 
Pochmühl!! Tarnowitz: Segethwald (Wossidlo, $.); Reichenbach: Stein- 
häuser bei Langenbielau (S.). 

Asperula glauca (L.) Bess. Breslau: Gräbschen (Heinzmann, $.); 
hier, wie wohl überall im mittleren Gebiete, erst neuerdings ein- 
gebürgert. 

Galium COruciata (L.) Scop. Nimptsch: Hochwald (Remer, $.). 

G. saxatile L. Greiffenberg: bei Rabishau, Finkenmühle im 
Queisthal (Kruber)! 

Valerianella carinata Lois. Nimptsch: grasige Abhänge bei 
der Walkmühle mit V. olitoria Poll. (M. Fiek)!! Bisher spontan nur 
im Vorgebirge gefunden. 

Seabiosa Columbaria L. Militsch: Dachsberg ($.), zwischen 
Rosenberg und Kreuzburg mehrfach (Eitner, $.). 

Homogyne alpina (L.) Cass. f. multiflora Grab. _Seifen- 

grube ($S.). 


96° Jahresbericht der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. 


Petasites officinalis Mönch. Breslau: Skarsive ($.). 

P. albus Gärtn. Im mittelschlesischen Hügellande auch bei 
Reichenbach: am Lindenberge gegen Gross-Ellgut (M. Fiek). 

Aster frutetorum Wimm. Steinau: Werder an der Oder auf 
Preichau zu (Pfeiffer)! 

Stenactis annua(L.) Nees. Breslau: Oswitz (Ziesche, S.), Kriptau, 
Peiskerwitz ($.). 

Solidago Virgaurea L. ist nach Schmula um Oppeln sehr 
selten; nur an der Winske (8.). 

— Rudbeckia laciniata L. Ruhland: an der Pulsnitz bei 
Kroppen; Bunzlau: in Wehrau, an der Grossen Tschirne bei Mühlbock, 
Tiefenfurth, Heiligensee (Barber). Breslau: Schmolz (Kirchhoff, S.). 

Bidens radiatus Thuill. Reichenbach: Taborteich in Mittel- 
Peilau (M. Fiek)!, hier auch eine Zwergform mit weniger zertheilten 
Blättern, Grossteich!, Schäferteiche, Kretscham-Mühle, Schilf- und Baer- 
teich in und bei Habendorf (ders.)! 

Helichrysum arenarium (L.) DC. In den Gebirgsgegenden noch 
im Queisthal bei Goldentraum (Kruber)!; Reichenbach: Ruhberg bei 
Faulbrück (Schöpke). 


Matricaria Chamomilla L. f. discoidea (nicht M. discoidea 
DC.) Schweidnitz: vereinzelt bei Tunkendorf unter der gewöhnlichen. 


M. discoidea DC. Reichenbach: Peilau, Güttmannsdorf, Langen- 
bielau, Peterswaldau (Eitner, S.), auch in der Stadt (S.); Breslau: 
Weide ($.). 

Senecio crispalus DC. Tarnowitz: Segethwald (Wossidlo und S.). 

S. aquaticus Huds. Elsterwiesen bei Ruhland (Barber)! 

8. Fuchsi Gmel. Görlitz: Wald an der Hochstrasse bei Koders- 
dorf, Arnsdorfer Forst (Barber)!; Niesky: an einem Waldgraben bei 
Nappatsch (Thielscher)!, dieser bisher der nördlichste Standort im 
Gebiet. Breslau: Süsswinkel; zw. Gäbel und Nimkau ($.). 

Carlina acaulis L. Strehlen: Korschwitz ($.). 

+ C. eriophorum (L.) Scop. Hirschberg: Alt-Kemnitz (Hacken- 
berg t. Ziesche, $.). 

C. rivulare Link. Ohlau: zw. Garsuche und Jeltsch (H. Lim- 
pricht, $.). 

C. acaule (L,) All. Bernstadt: Nieder-Schönau (Eitner, $.). 

C. canum (L.) Mönch. Bolkenhain: Würgsdorf ($S.). 

C. heterophyllum X palustre (O0. Wankeli Reich.). Landes- 
hut: Rothenzechau östlich der Grundhäuser (Alt)! 

0. oleraceum X palustre Schiede. Schmiedeberg: Hohen- 
wiese, $.). 


IT. Abtheilung. Zoologisch-botanische Section. 97 


Carduus Personata Jacg. Bunzlau: bei Zahns Lache (Alt)! 
Nördlichster, ganz in der Ebene gelegener Standort. Reinerz: an der 
Weistritz bei dem Bade ($.). 

Lappa macrosperma Wallr. Jauer: Moisdorfer Grund!!; Stein- 
srund bei Langenbielau (M. Fiek). 

Thrincia hirta Roth. Ruhland: am Dub bei Jannowitz, Welsch- 
holzteich, Kaupenteich bei Kroppen, Hassbruch, Wohl’sche Wiesen ete., 
sehr häufig auch bei Hohenbocka (Barber)! 

Scorzonera humilis L. Tarnowitz: Segethwald (Wossidlo und S.); 
Militsch: zw. Frauenwaldau und Schlottau mehrfach ($.). 

Hypochoeris radicata L. f. glabra. Wüstegiersdorf an der 
Landesgrenze (Figert)! — Pflanze mit Ausnahme einiger am Rande 
und an der Spitze der Grundblätter befindlichen Börstchen ganz kahl. 

Chondrilla juncea L. Ruhland: am Bahnhofe, bei Kroppen, Gute- 
born am Weinberge (Barber)!; nordöstlicher Theil der Görlitzer Heide 
bei Heiligensee häufig (ders.)!; Bunzlau: Sandhügel am neuen Kirchhof, 
Altöls (Alt)! Goldberg: Nieder-Vorwerk (Heinzmann, 8.). 

Prenanthes purpurea L. Bunzlau: am Teufelswehr bei Wehrau 
(Barber)! Nördlichster Standort der Pflanze überhaupt, nicht nur für 
Schlesien. 

Hieracium echioides Lumn. Brieg: zw. Schönau und Pramsen 
(Eitner, S$.). 

H, silesiacum Krause. Gesenke: in der Kriech gegen das 
Schlössel (Wetschky)! 

H. aurantiacum X Pilosella Näg.  Riesengebirge: Forstlang- 
wasser ($.). 

H. praiense X Pilosella Wimm. (H. prussicum N. P. 2. Th.) 
Liegnitz: Chaussee vor Rüstern hinter Raffels Vorwerk (Figert)! 

H. caesium Fr. Dreisteine ($.). 

H. barbatum Tausch. Wartha: Schöne Aussicht (Bänitz, 8.). 

Phyteuma orbiculare L. Constadt: Simmenau, Reinersdorf 
(Eitner, $.). 

Campanula rapunculoides L. var. . parviflora Uechtr. 
Hirschberg in Ober-Hermsdorf!! In der Tracht der ©, bononiensis L. 
sehr ähnlich. 

©. latifolia Z. Liebau: Michelsdorf ($.). 

C. Rapunculus L. Namslau: zwischen Eckersdorf und Dammer 
(Eitner, $.). 

Vaccinium Myrtillus L. var. leucocarpum Wender. Bunzlau: 
Wehrauer Heide im Rev. Mühlbock (Förster Andersch)! 

V. Myrtillus x Vitis idaea (V. intermedium Ruthe). Bunzlau: 
Wehrauer Heide (Barber)! [Herrnstadt: bei Königsdorf, unweit der 
Linnaea-Stelle, doch schon auf Posener Gebiet (S.).] 


1895, 7 


98° Jahresbericht der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. 


Arctostaphylus Uva ursi (L.) Spr. Rietschen: Mochholzer 
Revier mehrfach (Thielscher)! Militsch: zwischen Kuhbrück und 
Maliers ($8.). 

Ledum palustre L. Guhrau: Königsdorf (Nitschke, $.). 

Pirola media Sw. Riesengebirge: bei Wolfshau gegen Krumm- 
hübel (M. Fiek)! Wüsteröhrsdorf an einer Stelle gegen den Scharlach 
spärlich (Alt)!; Bulengebirge: unterhalb der „Sieben Kurfürsten“ 
(M. Fiek). 

Vinea minor L. Reinerz: am Wege zur Schnappe (G. Schube, $.); 
Reichenbach: Lauterbach ($.). 

Menyanthes trifoliata L. Breslau: Olschebruch bei Gäbel 
(Frl. v. Gregory, S$.). 

Limnanthemum nymphaeoides (L ) Link. Landsberg: Krzyzanowitz 
(Eitner, 8.). 

Gentiana Pneumonanthe L. Breslau: zwischen Rosenthal und 
Carlowitz (v. Haugwitz, 8.). — f. albiflora Zobten: Waldsaum der 
Oelsner Berge gegen Kl.-Silsterwitz (M. Fiek)! — f. latifolia Scholl. 
Reichenstein (Ziesche, S$.). 

G. eiliata L. Oppeln: Sackerau bei Gogolin (Eitner, $.). 

G. Amarella L. subsp. uliginosa W. Guhrau: Herrndorf 
(Nitschke, $.). 

G. spathulata Baril. subspec. praecox J. Kerner. Landes- 
huter Kamm: Rothenzechau bei den oberen Marmorbrüchen (Alt)! 

Nach der Auseinandersetzung von J. Kerner (in Schedae ad floram 
exs. austro-hung. 1893, $. 57 fi.) kann der von uns bisher gebrauchte 
Name @. obtusifolia (Schmidt) Willd., Koch eic. nicht mehr angewendet 
werden, weil er sich bei diesen und anderen Schriftstellern als Sammel- 
name für alle oder mehrere Arten oder Rassen der Gentianen mit 
stumpfen Stengelblättern (Gruppe der Aestivales A. u. J. Kerner der 
Sect. Endotricha Fröl.) erwiesen hat. Statt des Namens @. obtusi- 
folia Willd. stellen wir deshalb den Namen G. spathulata Bartl. 
voran, weil dessen Autor damit G. spathulata (Bartl.) J. Kerner und 
zugleich G. praecox A. und J. Kerner umfasst, wie die Tafel XCII 
in Reichenbachs lconogr. Germ. I. 8. 78, wo er die Pflanze be- 
schrieben hat, lehrt, denn dort stellt Fig. 195 jene, Fig. 196 und 197 
diese Form dar. In der That sind auch beide habituell gar nicht zu 
unterscheiden und das feine Merkmal der oft erst mit der Lupe festzu- 
stellenden kurzen flaumigen Bekleidung des Randes und der Mittelnerven 
der Kelchzipfel bei G..spathulata gegenüber den kahlen Kelchen von 
G. praecox kann unseres Erachtens einen Artunterschied nicht be- 
sründen. Indessen muss die G. praecox immerhin als eine östliche 
Rasse aufgefasst werden, die von den Karpathen nach Nieder-Oesterreich 
und den West-Sudeten verbreitet ist und bis zum Erzgebirge ausstrahlt, 


II. Abtheilung. Zoologisch-botanische Section. 99 


während die Verbreitung der G. spathulata von den nördlichen 
Kalkalpen bis Thüringen geht. Sämmtliche für Schlesien bisher be- 
kannten Angaben von Fundorten der Gentiana obtusifolia Willd. 
(Eulengebirge, Heuscheuer, Charlottenbrunn, Landeshuter Kamm) be- 
ziehen sich auf ein und dieselbe Form der G, spathulata Baril. 

—+ Phacelia tanacetifolia Benth. Jauer: Aecker bei Poischwitz 
(W. Scholz)! 

— Polemonium eoeruleum L. Greiffenberg: Queisauen unterhalb 
der Stadt zwischen Weidengebüsch (Kruber); im Dorfe Klessengrund 
an Zäunen (ders.). 

Convolvulus arvensis L. var. auriculatus Desr. Haynau: be 
. Reisieht (Figert)!; Glogau: beim Quaritzer Heidevorwerk, hier nicht 
ganz typisch (Pinkwart)! 

Lappula Myosotis Mönch. Nimptsch: Mauern in Vogelgesang!! 
und beim Dominium Lauterbach (M. Fiek)! Gaumitz ($.); Kattowitz: 
Hohenlohehütte (Eitner, $.). 

Omphalodes scorpioides (Haenke) Schrk. Nimptsch: Süd- 
abhang des Pangelberges (M. Fiek)!! 

Cynoglossum officinale L. Breslau: Süsswinkel (H. Limpricht, $.). 

Cerinthe minor L. Breslau: Kl.-Tinz (S.). 

Myosotis sparsiflora Mik. Am Nordrande ihrer Verbreitung in 
Schlesien noch bei Bunzlau: unter Gesträuch in der Nähe des Wehres 
mehrfach (Alt)!; Winzig: Berglehne bei Quallwitz (Pharmazeut 
R. Schulz)! 

—+ Lycopersicum esculentum Mill. Breslau: Fürstenbrücke (Bänitz, 

S.), Zedlitz (S.). 
Verbascum Blattaria L. Görlitz: Steinbruch am rechten Neisse- 
ufer (Hennig jun.)!; Reichenbach: Strassenrand in Schlaupitz (M. Fiek)! 
Breslau: Sachwitz, zwischen Poln.-Kniegnitz und Tschauchelwitz @.); 
Kl.-Sägewitz (Eitner, $.). 

V. nigrum X thapsiforme (V. adulterinum Koch). Ruhland: 
am grossen Dub bei Jannowitz (Barber)! 

Scrofularia alata Gilib. Breslau: Schleibitz (S.); Tarnowitz: 
Neudeck (Wossidlo und 8.). ; 

— Linaria Cymbalaria (L.) Mil. Nimptsch: Neudorf (Eitner, $.). 

L. spuria (L.) Mill. Breslau: Poln.-Peterwitz ($.). 

Lindernia Pyxzidaria All. Maltsch am Oderufer (Pinkwart)! 

Veronica scuiellata L. var. pilosa Vahl. Ruhland: Sicker- 
graben am Sorgeteich bei Guteborn!, am Raudenteich (Barber)! 

V. montana L. Militsch: Hedwigsthal, Maliers, Lahse u. a. ($.). 

V. bellidioides L. steigt in den Klüften an der Koppe bis fast in 
die Melzergrube hinab (Liebig und 8). — Auch Juncus trifidus L. 
ist bis zur Grube hinunter zu finden. 


100 Jahresbericht der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. 


Y. Dilleni Crantz. Ruhland verbreitet (Barber)!; Bunzlau: Tillen- 
dorfer Windmühle!, Alt-Oels (Alt)!; Haynau: Nieder-Reisicht (ders.)!; 
Lüben: Gross-Kotzenau (ders.)!; Glogau: Sprottebruch bei Quaritz 
(Pinkwart)!; im Hirschberger Thale — trotz der Schmalhausen’schen An- 
gabe — fehlend und dort überall nur V. verna L. — Muskau (Hellwig); 
Myslowitz (Unverricht); Pitschenberg; Trebnitz: Kath.-Hammer; Neu- 
markt: Geuchberg; Breslau: Ransern, Pöpelwitz, Riemberg ($8.). — 
Dürfte übrigens doch wohl nur als Form der V. verna aufzufassen 
sein. 

Melampyrum eristatum L. Neumarkt: Gäbel ($.). 

Alectorolophus serotinus Schönheit ist im Gebiet von Ober- 
schlesien bis zur Oberlausitz, wenigstens auf der linken Oderseite ver- 
breitet; noch mehrfach um Ruhland und Hoyerswerda (Barber)!. Höchste 
Standorte im Riesengebirge: am Wege von der Tannenbaude nach Forst- 
langwasser bei 690 m!!; Bulengebirge: am Burgberge bei Peterswaldau 
um 600 m!! — A. angustifolius (Heynh.) Gmel. ist nach den Unter- 
suchungen v. Sternecks (Oestr. bot. Zeitschr. 1895) eine davon ver- 
schiedene im südwestlichen Deutschland vorkommende Art. 

Euphrasia coerulea Tausch. Haynau: zwischen Reisicht und 
Birkfleck (Figert)! Erster Standort in der schlesischen Ebene. 

E. gracilis Fr. Hoyerswerda: zwischen Schwarz-Kollm und dem 
Steinteich!!; Köben: Fuchsberge bei Gurkau!! 

E. minima Schleich. var. carpathica Freyn. Riesengebirge: an 
der Kesselkoppe!!, Kiesberg!! ' 

Orobanche caryophyllacea Duby. Nimptsch: Südabhang des 
Pangelberges, ziemlich zahlreich !! 

— Mentha piperita L. Reichenbach: Dorfstrasse in Schlaupitz 
(M. Fiek)! 

Thymus Serpyilum L. var. pycnotrichus Uechtr. Mesch bei 
Kontopp (Hellwig)!, Deutsch-Schwenten, Telegraphenberg bei Grünberg 
(ders.)!; Köben: Fuchsberge bei Gurkau!!, überall + ausgeprägt. 

Salvia verticillata L. Hoyerswerda: Sandgruben südlich der 
Station Hohenbocka (Barber)!, hier natürlich nur verschleppt. 

Salvia pratensis L. Neumarkt: Kadlau; Oels: Zucklauer Forst ($.); 
Tarnowitz: vor Naklo (Wossidlo und $.). 

Meliitis Melissophyllum L. Reichenbach: um den Schenkenstein, 
Lerchenberg bei Olbersdorf (M, Fiek)!; Nimptsch: Wald östlich von 
Neudeck!! | 

Lamium maculatum L., weissblühend, Oberglogau: auf Garten- 
land (Richter, $.). / 

Galeopsis speciosa Mill. Reichenbach O/L.: am Forellenbach 
bei Hilbersdorf (Barber); Kohlgrund bei Langenbielau (M. Fiek)! 

Stachys germanica L. Nimptsch: Gaumitz ($.). 


II. Abtheilung. Zoologisch-botanische Section. 101 


St. arvensis L. Ruhland: Kartoffeläcker bei Guteborn (Barber)!; 
Hoyerswerda: Felder bei Sabrodt (ders.)! 

—+ Brunella alba Pall. Brieg: Bankau;, Zobten: Kl.-Silsterwitz 
(Eitner, $.). 

Teucrium Scordium L. Trachenberg: Gr.-Glieschwitz (Thielscher) ! 
Herrnstadt: Heidchen, Nd.-Backen u. a. (Nitschke, 8.). 

Utricularia neglecia Lehm. Hoyerswerda: Hammerstadt bei 
Rietschen (Thielscher)!; Reichenbach O/L.: Teichgräben bei Nieder- 
Seifersdorf (Barber)! 

U, intermedia Hayne. Ruhland: Mattuschka-Teich, Torflöcher 
der Wohl’schen Wiesen; Hoyerswerda: Blunower Teiche; Tschirnewiesen 
bei Altenhayn (Barber)! 

U. ochroleuca R. Harim. KRuhland: Steigeteichmoor bei Kroppen 
(Barber)! 

U. minor L. Ruhland: Torflöcher der Wohl’schen Wiesen (Barber) ! 
Bunzlau: Pfarrbruch bei 'Thommendorf, Erlichtwiesen bei Tiefenfurth, 
Tsehirnewiesenmoore bei Altenhayn, in KlI.-Schrems bei Mühlbock 
(Barber)! Glogau: Alt-Strunz (Eitner, $.), 

Primula offieinalis (L.) Jacg. Neumarkt: Gaebel ($.). 

Hottonia palusiris L. floribus purpureis. Görlitzer Heide: 
Waldsräben im Rev. Heidewaldau (Barber)! 

Litorella juncea Bergius. Ruhland: Ausstiche südlich vom 
Bahnhofe!, Holzteich; Hoyerswerda; Grosser Lugteich bei Sabrodt, 
Boberholzwiesen- und Grosser Buchholzteich nördlich von Bergen (Barber) ! 

Plantago arenaria W. Kit. Glogau: am Wege von Meschkau 
nach Neugabel zahlreich (Pinkwart)!, selten zwischen Meschkau und 
Gustau (ders.). 

— Salsola Kali L. Breslau: bei Zedlitz (Hillebrandt, $.). 

Rumex thyrsiflorus Fingerhutt (= R. Acetosa L. var. 
auriculatus Wallr.) dürfte im Gebiet ziemlich verbreitet sein, doch 
scheint er im Vorgebirge noch nicht beobachtet. Niesky: in Jahmen 
auf Grasplätzen!!; Bunzlau; Alt-Oels (Alt)!; Glogau: bei Meschkau 
(Pinkwart); Goldberg: Chausseeränder bei den Brückenhäusern, beim 
Waldschloss (ders.)!; Dyhrenfurt: östlich vom Bahnhofe!!; ‘um Breslau 
nicht gerade selten (Uechtr.)!; Kalkfelder von Gogolin!! ete. 

Nach dem Vorgange von Haussknecht, der in den Mittheil. des bot. 
Vereins für Gesammt-Thüringen (1884 S. 58 ff.) für das Artenrecht 
dieser Form eintrat, haben mehrere neuere Schriftsteller sich in gleichem 
Sinne ausgesprochen. In der That kann man sie wohl für eine ebenso 
‚gute Species erklären, wie R. arifolius All., die sich von R, AcetosaL. 
nicht nur durch wesentlich spätere Blüthezeit, sondern durch ver- 
schiedene Merkmale unterscheidet, die zum Theil beständig und a. a. O. 
von Haussknecht ausführlich auseinandergesetzt sind. 


102° Jahresbericht der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. 


R. alpinus L. Riesengebirge: Forstlangwasser ($.). 

Polygonum Bistorta L. Breslau: Margareth (Kirchhoff, $.). 

Daphne Mezereum L. Militsch : zwischen Maliers und Weissensee($.), 

Euphorbia striceta L. Ohlau: Peisterwitz ($.). 

Ulmus montana With. Greiffenberg: am Greiffenstein (Kruber); 
Lähn: Lehnhausberg zahlreich!!, hier auch ein Baum beobachtet, der 
zahlreiche 3lappige (in 3 Spitzen ausgezogene) Blätter trägt. 

Urtica dioeca L. var. angustifolia Ledeb. Waldenburg: 
Dittmannsdorf (Figert)! 

Quercus sessiliflora Sm. v. mespilifolia Wallr. Wüstewalters- 
dorf: im „Tilgner“ bei Wilhelmsthal (Schröder, S.). 

Salix silesiaca Willd. Im nördlichen Theile des Löwenberger 
Kreises an einem von Gr.-Walditz nach Hoblstein führenden Wege (Alt)!, 
nach dem Finder gewiss nicht angepflanzt. Wie bei Thomaswaldau 
merkwürdiges vereinzeltes Vorkommen in der Ebene, 

S. Caprea L. Riesengebirge: dicht unter der Riesenbaude (Liebig, $.). 

S. acutifolia X Caprea Figert. Schweidnitz: Styriusbrücke 
(Schöpke)! 

S. purpurea X repens Wimm. Hoyerswerda: Ausstiche bei 
Hohenbocka (Barber)! 

S. cinerea X aurita Wimm. Breslau: Göpperthain, Schaffgotsch- 
garten (Bänitz, $.). 

8. cinereaX viminalis Wimm. Breslau: Göpperthain (Bänitz, $.). 

Populus iremula L. f. villosa (Lang). Liegnitz: Kuchelberger 
Wasserwald (Figert)! Berge bei Heinrichau (Schröder, S.). 

Alisma natans L. Ruhland: im städt. Torfbruch, todte Lachen 
der Elsterwiesen, sehr häufig im Schwarzwasser (Barber)!, hier fast nur 
mit linealen Schwimmblättern vorkommend; Hoyerswerda: Grosser Lug- 
teich bei Sabrodt sehr häufig (Barber)! ; 

Scheuchzeria palustris L. Bunzlau: Schaukelsümpfe an der 
Grossen Tschirne bei Altenhayn (Barber)! | 

Potamogeton polygonifolius Pourr. Bunzlau: Ober-Launze und 
„Verlorner Graben“ bei Thommendorf, in der Grossen Tschirne, im 
„Kleinen Schrems“ bei Mühlbock (Barber). 

P. gramineus L. Reichenbach O/L.: Seifersdorfer Teiche (Barber)! 

P. obtusifolius M.u. K. Ruhland im Torfbruch; Reichenbach O/L.: 
Ullersdorf im Scheibeteich (Barber); Bunzlau: Alte See am Wehr (Alt). 

P. irichoides Cham. u. Schldl. Glogau: Edelteich bei Meschkau 
(Pinkwart)! a 

Calla palustris L. Militsch: Maliers ($.). 


Sparganium minimum Fr. Ruhland: Raudenteich bei Hermsdorf; 


Hoyerswerda: Graben am Bürgerteich, Torflöcher bei Blunow (Barber)! 
Breslau: Drachenbrunn (Eitner, $.). 


ee er 


II. Abtheilung. Zoologisch-botanische Section. 105 


Orchis ustulata L. Steinau: Vorwerk Guhl (Pfeiffer)! Gleiwitz: 
Wieschowa (Eitner, $.). 

O0. coriophora L. Jauer: Wiesen bei Poischwitz (W, Scholz)! 
Guhrau: Nd.-Backen (Nitschke, $.). 

O. mascula L., reinweiss; Silberberg: Eckersdorf (Kemer, S.). 

O. eambucina L. mit gelblichem Perigon, aber trübpurpurner, 
schmal berandeter, gelblicher Lippe, am Hersteinberge bei Langenbielau 
(M. Fiek)! Dürfte in dieser Färbung äusserst selten sein, wenigstens 
giebt sie M. Schulze in seinen ‚Die Orchidaceen Deutschlands ete,“ (1394) 
nicht an, 

Platanthera viridis (L.) Lindl. Salzbrunn: gegen Sorgau (S.). 

Cephalanihera Xiphophyllum (L. fil.) Reichb, Neumarkt: 
Lüttwitzhöhe bei Kadlau (Frl. v. Gregory, 8.). 

C. rubra (L.) Rich. Kreuzburg: Sausenberg (Eitner, S.).- 

Epipactis violacea Durand. Beuthen: Goy (Eitner, S$.). 

Listera cordata (L.) R. Br. Bunzlau: Rev. Gartenfurth der Wehrauer 
Heide (Barber)! 

Coralliorrhiza innata R. Br. Schmiedeberg: über Hohen- 
wiese ($9.). 

Gladiolus imbricatus L. Reinerz: Waldhaus (G. Schube, S.); 
Breslau: Pleischwitz (Kirchhoff, $.). 

Leueoium vernum L. Alt-Rauden (Pfeiffer)! Münsterberg: Mosch- 
witz (Eitner, S.). 

Galanthus nivalis Z. An der Sonnenkoppe im Eulengebirge in 
einer Höhe von nahezu 950 m wohl höchster Standort (M. Fiek); Reinerz 
Höllenthal (G. Schube, $.). 

Lilium bulbiferum L.  Freiwaldau: zwischen Ramsau und 
Peterswald (Bänitz, $.). 

Gagea minima (L.) Schult. Sibyllenort (Kirchhoff, S.). 

Anthericum ramosum L. Militsch: Dachsberg ($.); Ba 
Deutsch-Damno (Nitschke, $.). 

Ornithogalum umbellatum L. Glogau: bei Dalkau auf Rainen 
und in Getreidefeldern (Pinkwart)! Reinerz: @Quellenhaus bei der 
Friedriehshöhe (G. Sehube, $.); Breslau: vor Lossen ($.). 

-—- O. nutans L. Greiffenberg: Nieder-Wiesa (Kruber); Goldberg: 
an der Katzbach bei Neukirch (Pinkwart)! 

—+ 0. Boucheanum (Kunth) Aschs. Schweidnitz: Grasplätze bei 
Teichenau (Schöpke). 

Allium ursinum L. Militsch: zwischen Maliers und dem Caritte- 
berge ($.). 

Polygonatum officinale All. Oels; Zucklauer Forst; Militsch: 
zwischen Schlottau und der Janigmühle (8.); Tarnowitz: Segethwald 
(Wossidlo, 8.). 


104 ° Jahresbericht der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. 


Colchicum autumnale L. Liebau: unweit des „„Ausgespanns“, bei 
300 m (8.). 

Juncus tenuis Willd. Bunzlau: Wehrauer Haide an der Wald- 
strasse nach Siegersdorf, bei Bienitz (Barber)!; Waldwege westlich vom 
Gröditzberge (Pinkwart)!; Breslau: Oswitzer Kirchhof (Dubian t. Ascher- 
son, 8.); Carlowitz (Eitner, S$.). 

J. Tenageia Ehrh. Station Hohenbocka; Hoyerswerda: Grosser 
Lugteich bei Sabrodt; Reichenbach O/L.: bei den Nieder-Seifersdorfer 
Teichen mit J. fuscoater (Barber)! 

Luzula angustifolia (Wulf.) Garck. Reichenbach: Eichberge 
bei Lauterbach (S.). 

L. pallescens Bess. Glogau: Annaberg; Goldberg: südwestlich 
vom Dorfe Steinberg!, Gottschlingberge (Pinkwart)!; Greiffenberg: Harthe 
bei Stöckigt (Kruber)!; Reichenbach: Konradshöhe bei Langseiffersdorf 
(M. Fiek)!; Nimptsch: östlich von. Neudeck!! Neumarkt: Lüttwitzhöhe 
bei Kadlau ($.). 

L. spicata (L.) DC. Seifengrube ($.). 

Rhynchospora fusca (L.) R. u. Sch. Reichenbach OjL.: Atten- 
teich bei Attendorf; Bunzlau: Thommendorf am Langefurth-Teich und 
im Breiten Busch, Mühlbock, Tiefenfurth (Barber)! 

Scirpus ovatus Roth. Ruhland: Niedelteich bei Hermsdorf, Barsch- 
teich, bei Jannowitz (Barber)!; Niesky: Hammerstadt (Thielscher)!; 
Reichenbach O/L.: Arnsdorfer Forst, Nieder-Seifersdorf, Attendorfer 
Teiche (Barber)!; Reichenbach i. Schl.: Schilfteich und Bärteich bei 
Kittlitzheide (M. Fiek)! 

S. multicaulis Sm. Ruhland: Wohl’sche Wiesen, Mattuschkateich, 
Holzteich bei Hohenbocka; Hoyerswerda: in grösster Menge am Bober- 
holz-, Wiesen-, Grossen Buchholz- und Kleinen Baugatschteich nördlich 
von Bergen (Barber)! 

S. pauciflorus Lighif. Ruhland: im Sheischeichutenn bei Kroppen 
bis 30 cm lang (Barber)! Hoyerswerda: am Bürgerteich nördlich der 
Stadt (ders.). 

8. Tabernaemontani Gmel. Goldberg: Tümpel in einem Basalt- 
bruche des Wolfsberges (Pinkwart)! Breslau: Tschauchelwitz (8.). 

S. maritimus L. Ruhland: Niedelteich bei Hermsdorf!; Reichen- 
bach O/L.: Jänkendorfer Teiche bei Ullersdorf (Barber)!; Steinau: hinter 
dem Damm’schen Schlossgarten (Pfeiffer)! 

S. radicans X silvaticus Baenitz. Bunzlau: Zahn’s Lache (Alt)! 
Zweiter Standort im Gebiet und erster im en 
Schlesien. 

Eriophorum vaginatum L. Neisse: Wirsbel (an Se): 

Carex pulicaris L. Ruhland: Steigeteich bei Kroppen!; Reichen- 
bach O/L.: feuchte Teichwiesen bei Nieder-Seifersdorf (Barber)!; Landes- 
hut: Wüsteröhrsdorf auf Klose’s Wiese (Alt)! 


II. Abtheilung. Zoologisch-botanische Section. 105 


C. pauciflora Lightf. Bunzlau: Wehrauer Heide in Waldsümpfen 
am Asselgraben (Barber)! 

C. cyperoides L. Ruhland: Niedelteich bei Hermsdorf, Barsch- 
teich und am Schwarzwasser bei Jannowitz (Barber)!; Hammerstadt bei 
Rietschen (Thielscher)!: Reichenbach O/L.: Attendorfer Teiche (Barber)!; 
Reichenbach i. Schl.: Berthelsdorf, Stoschendorf, Bär- und Schilfteich 
bei Kittlitzheide (M. Fiek)! 

©. ligerica Gay. Hoyerswerda: Zwischen Uhyst und Mohnau!; 
Görlitzer Heide: Sandhügel bei Heiligensee (Barber)! 

C. paradoxa Willd. Namslau: gegen den Stadtwald (Eitner, $.). 

©. tomentosa L. Trachenberg: Gross-Bargen (Schwarz)! 

C. moniana L. Glogau: Schliehtsberg der Dalkauer Hügel! 
Goldberg: Haasel (Pinkwart)!; Reichenbach i. Schl.: Lerchenberg bei 
Olbersdorf (M. Fiek)! 

C. filiformis L. Ruhland verbreitet; Reichenbach O/L.: Atten- 
dorfer Teiche (Barber); Bunzlau: breiter Bruch bei Thommendorf, 
Heiligensee, Torfmoore an der Grossen Tschirne (Barber)! 

Hierochloa odorata (L.) Wahlb. Steinau: Tümpel auf dem 
‘Anger (Pfeiffer)! 

Phleum Böhmeri Wib. f. interruptum Zabel. Namslau: Giesdorf 
(Eitner, S.). 

Oryza clandestiina A. Br. um Ruhland, Hohenbocka u. s. w. 
verbreitet (Barber)!!; Reichenbach O/L. nicht selten (ders.); Reichen- 
bach i. Schl.: Schlaupitz, M. Peilau, Teiche bei Habendorf, Weigelsdorf 
(M, Fiek). 

Calamagrostis villosa (Vill.) Mutel (= C. Halleriana DC., 
Ruhland: Kray bei Lipsa; Bunzlau: Wehrauer Heide häufig (Barber). 
Kieferngehölz nordöstlich vom Wolfshainer Parke (Alt)! 

C. epigea (L.) Roth var. Hübneriana (Rchb.) (= C. glauca 
Rehb., nicht MB.) Trachenberg: Kiefernwald bei Kainowe (Schwarz), 

Aira praecox L. Bunzlau: Queisthalränder bei Bienitz, 
Thommendorf etc. häufig (Barber); Sprottau: Weg von Kaltenbriesnitz 
nach Neugabel!; Goldberg: Gottschlingberge bei Niederau (Pinkwart)! 

A. discolor Thuill. Hoyerswerda: sparsam nördlich vom Bürger- 
teiche!, Kleiner Baugatschteich nördlich Bergen!, in ungeheurer Menge 
im Grossen Lugteiche bei Sabrodt (Barber)! 

A. flexuosa Z. Breslau: Süsswinkel ($.). 

Avena fatua L. var. subsecunda Uechtr. Haferfelder bei Ober- 
Langenbielau (M, Fiek)! 

Melica uniftora Retzs. Auf der Südseite des Gröditzberges noch 
vorhanden (Pinkwart)!; Goldberg: Steinberg bei Pilgramsdorf (ders.)!; 
Reichenbach: Breitenstein bei Olbersdorf!, Lattigberg bei Langenbielau 
(M. Fiek)! 

8 


106° Jahresbericht der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. 


-+- Eragrostis minor Host. Bahnhof Königszelt zw. den Geleisen 
(Schöpke). 

Poa pratensis L. var. anceps Gaud. Glogau: „Langer Sand“ 
bei Meschkau; Goldberg: bei Niederau (Pinkwart)! 

Catabrosa aquatica (L.) P. B. Namslau: Paulsdorf (Eitner, $.). 

Festuca distans (L.) Kunth. Goldberg: Haseler Kalkwerke zahlreich 
(Pinkwart)!; auf dem Bahnhofe Königszelt und in dessen Umgebung 
(M. Fiek)! 

F. sciuroides Roth. Goldberg: Gottschlingberge bei Niederau!, 
Südostseite des Wolfsberges!, östlich vom Geiersberge bei Neukirch 
(Pinkwart)! 

F. heterophylla Lmk. Glogau: Belvedereberg der Dalkaue 
Hügel (Pinkwart)!; Goldberg: bei Taschenhof mit Viola mirabilis (ders.)! 

Bromus commutatus Schrd. Bunzlau: Warthau, auf einer 
Brache südlich der Stimmriche (Alt)!; Liegnitz: Aecker am Bruch 
(Figert)! 

B. asper Murr. Breslau: Süsswinkel ($.). 

B. erectus Huds. Striegau: Bahndamm (Schöpke, $.); Reinerz 
Paulsweg (G. Schube, $.). 

Elymus europaeus L. Langenbielau: Tiefer Grund (Schöpke, S.). 

Lolium multiflorum Lam. f. ramosum Kuntze. Oberglogau: 
Thomnitz (Richter, $.). 

Pinus uncinata Ram. Bunzlau: im Pfarrbruch bei Thommendorf 
mehrfach höhere Stämme beobachtet, als in der Flora angegeben, denn 
dort sind solche von 12 bis 15 m Höhe und einem Umfange von 
reichlich 1,0 m vorhanden (Barber), vereinzelt, aber jedenfalls ursprünglich 
im Asselgrabenmoor, Rev. Gartenfurth (Barber)! 

Picea excelsa (Lam.) Link v. alpestris Brügg. ’Riesengebirge : 
Forstkamm (8.). 

Abies alba Mil. Ruhland: Thiergarten bei Guteborn und be- 
sonders im Kray bei Lipsa (Barber)! Fu 

Pilularia globulifera L. Hoyerswerda: häufig im Grossen 
Lugteiche bei Sabrodt (Barber)! 

Lycopodium complanatum L. subsp. anceps Wallr. Bunzlau: 
Rev. Gartenfurtn der Wehrauer Heide (Förster Andersch t. Barber); 
Bärmersgrund im Eulengebirge (M. Fiek)! Militsch: Gugelwitz (S.). 

Equisetum maximum Lmk. var. serotinum A. Br. Sumpfige 
Stellen des Zobtenwaldes oberhalb Kl.-Silsterwitz (M. Fiek)! — 
v. breve Milde. Reinerz: Weistritzthal (Bänitz, $.). 

E. pratense Ehrh. Gleiwitz: Rachowitz (Eitner, S.). 

Botrychium matricarifolium A. Br. Gr.-Strehlitz: Warmuntowitz 
(Eitner, $.). | 

Polypodium vulgare L. Gogolin: Sackrauer Berg (Schmula, $.). 


II. Abtheilung. Zoologisch-botanische Section. 107 


Phegopteris Robertiana A. Br. Silberberg: Festungswerke 
(Eitner, $.): 

Phegopteris polypodioides Fee. Reichenbach O/L.: Arnsdorfer 
Forst; Bunzlau: Wehrauer Heide an mehreren Stellen (Barber)! Militsch: 
Hedwigsthal, Lahse (S.). 

Aspidium cristatum (L.) Sw. Ruhland: Steigeteichmoor bei 
Kroppen häufis (Barber)!; Haynau: Gehölz unweit des Reisichter 
Schlosses (Alt)! 

A. montanum (Vogler) Aschs. hHeichenbach O/L.: Arnsdorfer 
Forst häufig, Mengelsdorfer Forst; Bunzlau: Wehrauer Heide im Rev. 
Pechofen (Barber)! 

A, Filix mas (L.) Sw. v. deorsolobatum Moore. Reinerz: am 
Weissfloss (Bänitz, $.). 

A. Thelypteris (L.) Sw. Breslau: Strachate (Kitner, $.). 

Asplenium Serpentini Tausch. Reichenbach: Konradshöhe bei 
Nieder-Langseiffersdorf!, Kuchenberg bei Schlaupitz (M. Fiek)! 

A. Trichomanes L.. Gogolin: Sackrauer Berg (Schmula, S.). 

Blechnum Spicant (L.) With. Lauban: Waldeck; Trebnitz: 
zwischen Birnbäumel und Kl.-Ujeschütz (S.). 

Allosorus erispus (L.) Bernh. Am Schneekoppenkegel gegen die 
Melzergrube!! Schreiberhau: Hochstein (H, Limpricht, $.). 


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Schlesische Gesellschaft für vaterländische Gultur. 


ge ® 
73. Il. Abtheilunge. 
Jahresbericht. Naturwissenschaften. 
1895. c. Section für Obst- und Gartenbau. 


Bericht über die Thätigkeit der Section für Obst- und 
Gartenbau im Jahre 1895. 


Von Geh. Justizrath Biernacki, 


erstem Secretair der Section. 


Der Mitgliederbestand hat sich im Wesentlichen nicht geändert. 


In den Verwaltungsvorstand trat an Stelle des im December 1894 
verstorbenen Oberstabsarzt a. D. Professor Dr. Schröter der Apotheker 
Mortimer Scholz. 


In der Einrichtung des Versuchsgartens der Section wurde nichts 
geändert. 

An die Mitglieder der Section wurden, wie in den Vorjahren, 
Sämereien unentgeltlich vertheilt im Preise von 150 Mk. 


Die Leitung des Lesezirkels besorgte wie bisher der Apotheker 
Mortimer Scholz. 


Die Section hielt im Berichtsjahre acht Sitzungen, theils im Vereins- 
lokale in der alten Börse, theils im Seetionsgarten ab, die aus Vorträgen, 
Demonstrationen und Besprechungen ausgefüllt wurden; die ersteren 
werden nachstehend dargestellt: 


In der ersten Sitzung vom 21. Januar sprach der städtische 
Promenadeninspector Richter über: 


" Baumanpflanzungen in den Strassen. 


Die Bäume in den Strassen dienen den Strassen und Promenaden 
nicht allein zur Zierde und um Schatten vor sengender Sonne zu geben, 
sondern auch in hygienischer Hinsicht spielen sie eine gewichtige Rolle, 
da sie eine Menge Kohlensäure verarbeiten und somit die Luft ganz un- 
gemein verbessern. Um nun eine einheitliche Strassenbepflanzung durch- 
führen zu können, ist es vor allem erforderlich, dass die Stadtgemeinde 
‚allein das Recht hat, Bäume in den Strassen zu pflanzen, eventuell dass 
Bäume, welche bereits gepflanzt sind, in den Besitz der Gemeinde über- 
gehen, welche auch deren Pflege übernimmt. In unseren östlichen Pro- 
vinzen gehören nach dem Städtegesetz nur die Strassenkörper der Ge- 

1895. 1 


7; 


) Jahresbericht der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. 


meinde, während die Fusswege längs der Häuser im Besitz der Grund- 
eigenthümer sind, die jedoch für die Reinigung sowohl des Strassen- 
körpers wie des Bürgersteiges Sorge zu tragen haben. Hieraus ergiebt 
sich, was es von vorn herein für Schwierigkeiten macht, eine Strasse 
einheitlich zu bepflanzen; jeder Hausbesitzer hat das Recht, Einspruch 
zu erheben, und die Stadtgemeinde ist in einem solchen Falle nicht be- 
rechtigt, selbst wenn alle anderen Besitzer zustimmen, Bäume vor seinem 
Hause anzupflanzen. Andrerseits darf ein Hausbesitzer Bäume vor seinem 
Hause pflanzen, auch wenn der Bürgersteig nach fachmännischem Urtheil 
zu ‘schmal ist, z. B. bei 3,0 m Breite, ohne dass die Stadtgemeinde 
Einspruch erheben kann, da der Strassenverkehr der Polizei unterstellt 
ist. Ein Strassenbaum, namentlich im Innern der Stadt, erfordert aber 
eine ununterbrochene regelmässige Pflege, bestehend im Auflockern des 
Bodens, mindestens dreimaligem Giessen während des Sommers, und 
Schneiden, Auslichten seiner Zweige zur Erzielung einer schönen Krone. 
Alle diese Arbeiten müssen einheitlich durchgeführt und einer fortgesetzten 
Controle unterworfen werden. 

Bäume dürfen nur in denjenigen Strassen gepflanzt werden, welche 
5 m breite Fusswege eventl. einen Promenadenweg inmitten vorsehen. 
Sind Vorgärten vorhanden, so genügen 4 m Breite, doch darf die Strasse 
alsdann keine Hauptverkehrsstrasse sein. Zur Erzielung schöner Strassen- 
bäume sind folgende Punkte zu berücksichtigen: a. Genügende Entfernung 
von den Gebäuden. b. Genügende Entfernung vom Strassendamm. 
c. Ein mindestens 1 qdm grosser Baumkranz zur ständigen Luft- und 
Nahrungszufuhr. d. Die Anpflanzung gesunder, kräftiger Bäume in den 
geeignelsten Baumarten und ununterbrochene Pflege der Bäume. 

a. Genügende Entfernung von Gebäuden. Ein normal ge- 
wachsener, mittelgross werdender Baum braucht von seinem Stamm 
3—4 m weit Platz, um sich entwickeln zu können. Wo nun der Bürger- 


steig nicht 5 m Breite besitzt, werden bald Klagen und Gesuche der 


Hausbewohner laut, welche ein theilweises Zurückschneiden sog. Kappen 
der Baumkrone beanspruchen, da die Blätter und Zweige das Tageslicht 
beeinträchtigen. Ein solches Kappen verursacht aber nicht allein ein 
schlechtes Aussehen der so verstümmelten Bäume, sondern dieselben 
gehen in der Regel in wenigen Jahren an schlechter Safteirkulation, 
Pilzen u. s. w, zu Grunde. Es ist daher erwünscht, dass Bäume nicht 
näher als 4 m von den Hausfronten gepflanzt werden. Sind Vorgärten 
vorhanden, so dürfen die Bäume nie näher als 3 m von der Aussenmauer 
entfernt sein, da sonst der Fussverkehr allzusehr verengt wird. 

b. Genügende Entfernung vom Strassendamm. Die Aeste 
der Bäume dürfen den Wagenverkehr der Strassen nicht stören, die 
Strassenbeleuchtung darf durch sie nicht beeinträchtigt werden. Die 
Laternen stehen gewöhnlich '/, bis ®/, m von der Bordkante entfernt, 


x 


II. Abtheilung. Obst- und Gartenbau-Section. 3 


die Bäume dürfen nicht in dieselbe Reihe, sondern mindestens Y, m 
hinter die Laternen nach den Häusern zu gepflanzt werden. Für die 
Bäume bietet dieses Weiterabpflanzen von der Bordkante noch den Vor- 
theil, dass die Wurzeln nicht so durch die Erschütterung des Wagen- 
verkehrs leiden und dass auch mehr Platz zwischen Stamm und Bord- 
kante gewonnen wird, um guten nahrhaften Boden einzufüllen, sodass 
sich die Wurzeln auch nach der Strassenseite zu entwickeln und so die 
Bäume auch widerstandsfähiger gegen die Stürme machen können. In 
den letzten Jahren ist nun, um ein freudiges Gedeihen der Bäume zu 
sichern, so verfahren worden, dass ein zusammenhängender Erdkoffer 
von 2 m Breite und 1,50 m Tiefe aus nahrhaftem Ackerboden eingebracht 
bezw. aufgesetzt worden ist, wo Bäume gepflanzt werden sollen. 

e. Ein genügend grosser ungepflasterter Raum für die 
Baumscheibe, in deren Mitte der Baum zu stehen kommt. Der für 
die Pflanzgruben frei zu lassende Raum soll mindestens 1 qm be- 
tragen und eine Umpflasterung desselben mit 10 cm grossen Granit- 
würfeln erscheint am geeignetsten. Die Durchführung einer bestimmten 
Form dieser Baumschüsseln wäre den Hauseigenthümern aufzuerlegen und 
zwar kreisförmig, sobald die Bäume weiter als 1,5 m vom Bordstein 
entfernt sind, was immer bei zwei Reihen von Bäumen für die den 
Häusern zunächst liegenden der Fall sein wird, so z. B. auf der Kaiser 
Wilhelmstrasse hinter der Augustastrasse, halbkreisförmig mit der offenen 
Seite nach der Bordkante zu, wenn der Baum nur bis 1,5 m weit vom 
Bordstein entfernt ist. Als Hauptsache für das spätere Gedeihen des 
Baumes empfiehlt es sich, noch ehe der Fussweg befestigt wird, dafür 
zu sorgen, dass jeder neu zu pflanzende Baum mindestens 3,5 ebm nahr- 
haften Boden erhält, welcher eventuell aus dem Fahrdamme gewonnen 
und ohne erhebliche Kosten auf den Fussweg herübergesetzt werden 
kann. Noch besser allerdings ist es, wenn, wie schon vorn erwähnt, 


_ ein zusammenhängender Erdkoffer von dem gewöhnlich in dem Fahr- 


damme vorhandenen nahrhaften Boden hergestellt wird. Leider werden 
zuweilen schon bestehende Baumreihen, welche vor der Bebauung an- 
gepflanzt wurden, durch spätere Fusswegbefestigung zu Grunde gerichtet. 
Die Gräbsehnerstrasse z. B. besass noch theilweise ganz kräftig ent- 
wickelte Linden bis 30 cm Stammstärke, welche in dem urwüchsigen 
Kräutereiboden reichlich Nahrung finden, leider werden aber fast sämmt- 
liche Fusswege daselbst mit Cement- oder Asphaltestrich hergestellt, 
sodass nicht allein das Eindringen von Niederschlägen verhindert, sondern 
auch jeglicher Luftzutritt zu den Wurzeln abgeschlossen wird. Eine 


zweite Ursache des Absterbens starker Bäume ist das Einschütten (Ver- 


schütten), welches bei Neupflasterungen häufig durch Höherlegen des 

Strassenprofils geschieht. Auf der 1000 m langen, mit vier Reihen Acer 

dasycarpum bepflanzten Thiergartenstrasse sind streekenweise die Bäume 
1* 


4 Jahresbericht der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. 


bis 1 m tief verschüttet worden, Sie werden allerdings durch offen ge- 
haltene Baumscheiben um den Wurzelhals einstweilen vor dem Vertrocknen 
behütet, doch wird sich dies Offenhalten der Löcher auf die Länge der 
Zeit nicht durchführen lassen. Auch hier wird ein allmähliches Ab- 
sterben die Felge sein, sodass in wenig Jahren die schönste und einzige 
vierreihige Allee nur noch theilweise vorhanden sein dürfte. 


d. Die Anpflanzungen der geeignetsten Baumarten und 
die ununterbrochene Pflege der Bäume. Es sollen nur solche 
Baumarten angepflanzt werden, welche der trockenen Luft und dem 
Rauche widerstehen und den Verwüstungen der Insekten wenig aus- 
gesetzt sind. Für eine Fusswegbreite von —5 m eignen sich: Crataegus 
oxyacantha nebst Varietäten, und Robinia Pseud-Acacia incomis, Kugel- 
akazie; für Fusswege von 5—6 m Breite: Tilia euchlora (dasystyla) 
+r Krimlinde, T. tomentosa, ungarische Silberlinde, T. alba, abendländische 
Silberlinde, T. vulgaris, kleinblättrige Linde. (Nicht eignet sich bei uns 
die grossblättrige Linde, Tilia platyphyllos, da sie sehr leicht von der 
rothen Spinne befallen wird und häufig Anfang August schon blattlos da- 
steht), ferner Ulmus montana, grossblättrige Rüster, U. montana gigantea 
+r, U. vegeta, starkwüchsige Rüster +}, Aesculus Hippocastanum fl. pl. 
Rosskastanie, A. rubicunda +}, Acer dasycarpum, Zuckerahorn, A. plata- 
noides, Spitzahorn, A. plat. purpureum Reitenbachii, A. plat. Schwedleri, 
A. Pseudo-Platanus, Bergahorn, A. Pseudo-Platanus fol. purpureis, A. 
Späthii, Fraxinus americana, amerikanische Esche, Fr. juglandifolia; 
e. Fusswege über 6', m: Platanus orientalis, Acer Pseudo-Platanus, 
A. platanoides, Tilia dasystyla, Ulmus montana, U. mont. gigantea, U, 
vegeta, Acer dasycarpum. Bäume, welche ausserhalb der Stadt und auf 
den Oderdämmen zur Anpflanzung empfehlen, sind: Quercus peduneculata, 
Qu. rubra, Qu. coceinea, Qu. palustris, Qu. tinetoria, Fagus silvatica, 
F. silv. atropurpurea, . Liriodendron tulipifera. Die Pflanzweite der 
Bäume unter sich würde bei den kleineren 4—5 m, bei den mittleren 
6—7 m und bei den grossen 7—8 m betragen müssen. 


Mit dem Pflanzen der Bäunie ist es aber allein noch nicht gethan, 
sondern jeder Baum erfordert eine ununterbrochene Pflege: 1) ein 
wenigstens in den ersten zehn Jahren nach der Pflanzung alljährlich 
drei Mal zu wiederholendes gründliches Giessen der Bäume und ent- 
sprechendes Auflockern der festgetretenen Erde in dem Baumkranze; 
2) ein alljährliches, wenigstens in den ersten drei Jahren nach der 
Pflanzung zu wiederholendes Zurückschneiden der sogenannten Jahres- 
triebe und Ausdünnen der Krone. 

Die Kosten der Anpflanzung eines Strassenbaumes mit 
Aufwerfen eines Baumloches ohne zusammenhängenden Erdkoffer stellen 
sich folgendermassen: Für ein Baumloch von 15 m Durchmesser und 


II. Abtheilung. Obst- und Gartenbau-Section. 5 


1 m Tiefe, 3,5 cbm schlechten Boden heraussetzen und mit angefahrenem 
gutem Boden präpariren 1,50 Mk., 2 cbm guten beschaffen, anfahren 
3,00 Mk., den schlechten Boden 2 cbm = 1 Fuhre abfahren 1,50 Mk., 
den Baum ankaufen, pflanzen, schneiden u. s. w. 3,00 Mk., ein Baum- 
pfahl 0,50 Mk., ein Baumschutzkorb 1,25 Mk., zusammen 10,75 Mk. 
Berlin stellt in seinen Promenadenetat 15,00 Mk. für jeden anzupflanzen- 
den Baum ein, Paris aber 64 Fres. — 51,20 Mk. 


Nirgends haben wohl gärtnerische Anpflanzungen mit so grossen 
Schwierigkeiten zu kämpfen als die Baumanpflanzungen in den öffent- 
lichen Strassen grosser Städte. Sind endlich die Mittel bewilligt, und 
ist die Zustimmung der Hausbesitzer und Behörden erreicht, so heisst 
es, den unterirdischen Feinden der Baumwurzeln aus dem Wege zu 
sehen; Gas- und Wasserleitungen und in der letzten Zeit noch Telephon- 
und Blektricitätskabel liegen unter den Fusswegen der Strassen; hierzu 
treten noch die Hausanschlüsse, sodass häufig, wenn auch die nöthige 
Breite für Baumpflanzungen vorhanden ist, doch davon abgesehen werden 
muss. Der schlimmste Feind, und sicher den Tod herbeiführend, sind 
Gasausströmungen. In der Späthschen Baumschule in Rixdorf sind die 
weitgehendsten Versuche damit gemacht worden, und es hat sich ergeben, 
dass Platanen, Kastanien, Linden und Eichen, auch jeder andere Baum 
in kürzester Zeit vergiftet werden und absterben. Selbst im Winter, 
in der Ruhezeit der Bäume, wirkt Leuchtgas tödtlich; die desinfieirten 
Bäume machen wohl noch einen kümmerlichen Frühjahrstrieb, doch schon 
im Juni stehen sie blattlos da, um nie wieder auszutreiben. Wird auch 
der mit Gas geschwängerte Boden bei Neuanpflanzungen entfernt und 
durch frischen Boden ersetzt, so hält dies nicht lange vor, noch in der- 
selben Pflanzperiode ist das Erdreich wieder von Gas durchdrungen, 
und der Baum stirbt ab. Ist es nicht möglich, die undichte Stelle im 
Gasrohr zu finden, was in den meisten Fällen mit unendlichen Schwierig- 
keiten verknüpf: ist, so muss auf weitere Ergänzung der Bäume ver- 
zichtet werden. Ein anderer Uebelstand ist das Anfahren der Bäume, 
wobei fast immer eine erhebliche Beschädigung des Stammes, häufig 
aber auch ein vollsändiges Wegbrechen des Baumes und Pfahles statt- 
findet. Auf nicht verkehrsreichen Strassen, besonders in der Nähe von 
Brauereien und Schanklokalen, finden die Bäume einen sicheren Tod 
durch Verunreinigungen. All diesen Uebelständen hat sich nun in den 
letzten Jahren noch ein weiterer zugesellt, von dem zu befürchten ist, 
dass er allmählich alle Strassenbäume tödten wird. Es ist dies das 
. Streuen mit dem sogenannten gefärbten Viehsalz, welches das Schmelzen 
des Schnees befördert. Es wirkt ebenso vernichtend wie das Leucht- 
gas; die Bäume treiben zwar im Frühjahr nochmals aus, sterben jedoch 
bald ab. 


{or} 


Jahresbericht der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. 


In der zweiten Sitzung vom 11. März wurde zunächst der 
Kassenbericht vorgetragen und dem Kassenführer, Verlagsbuchhändler 
M. Müller, Decharge ertheilt. 


Demnächst trug der Apotheker Mortimer Scholz vor: 
Ueber Verholzungen der Blüthenstengel einiger krautartiger Culturpflanzen. 


Im Laufe des verflossenen Sommers und Herbstes beschloss ich ein 
Augenmerk auf die Holzbildung resp. Verholzung der Blüthenstengel der 
krautartigen Pflanzen zu richten, um so mehr, als ich wohl hoffen durfte, 
dass auch diese bei weitem ausgebildeter sein würde, als in andern 
für sie weniger günstigen Jahren. 

Und in der That, ich hatte mich nicht getäuscht. Der einigermassen 
aufmerksame Beobachter konnte in der herangetretenen Jahreszeit, gleich 
mir, beispielsweise prachtvolle Exemplare unserer sogenannten Unkräuter 
finden, in einem Stadium der Entwickelung und mit Verholzung der 
Blüthenstengel, wie man sie ähnlich selten zu sehen Gelegenheit haben 
dürfte. Waren nun bei ein- oder zweijährigen Pflanzen die 
Witterungsverhältnisse des Frühlings- und Sommers zum allergrössten 
Theil für ihre grandiöse Entwickelung massgebend, so trat bei aus- 
dauernden, krautartigen Pflanzen zur etwaigen Erhaltung eines vor- 
jährigen, bereits fructifieirten Blüthenstengels noch das milde Temperatur- 
verhältniss hinzu, wie es der vorangegangene Winter von 1893 zu 94 
aufwies, welches das Erfrieren der sich zufällig in geschützten Lagen 
befindlichen betreffenden Theile verhinderte. 

Um nun zunächst einige Beispiele aus der Gruppe der annuellen, 
wildwachsenden Pflanzen anzuführen, Beispiele für ausnahmsweis 
starke Entwiekelung, so wäre zu allererst die weisse Melde, Chenopodium 
album zu nennen, von welcher ich im Sommer 1894 auf Schutthaufen 
zerfallener Ziegelstücke Exemplare von ein und dreiviertel Meter Höhe 
mit einem Stammdurchmesser von 4 Centimeter oder anderthalb Zoll 
fand. Die Holzbildung bei diesen Pflanzen war sehr bedeutend, theil- 
weise sogar eine vollständige. Grosse Entwickelung der Holzbildung 
fand sich auch bei dem einjährigen schwarzen Nachtschatten Solanum 
nigrum. Diese Pflanze, sowie der ausnahmsweise ebenso stark ent- 
wickelte Ruttich, Polygonum lapathifolium, zeigten Dimensionen, die 
geradezu staunenerregend waren; ich sah von beiden Pflanzen Exemplare 
von einer Elle Höhe und ähnlich grosser seitlicher Ausdehnung. Die 
Verholzung der sonst sehr weichen, saftigen Stengel war an der Basis 
sehr oft eine fast vollständige. Von einjährigen, wilden Holzbildnern 
wäre noch der Wegesenf, Sisymbrium officinale, zu nennen und das 
Bilsenkraut, Hyoscyamus niger. Von ausgesprochen zweijährigen, wild-' 
wachsenden Pflanzen beobachtete ich, stark und holzig entwickelt, 
den Natterkopf, Echium vulgare, das Spinnenkraut, Senecio Jacobaea 


II. Abtheilung. Obst- und Gartenbau-Section. 7 


und den gelben und weissen Steinklee, Melilotus offieinalis und albus. 
Von letzteren beiden gab es im Herbste 1894 Exemplare von 1'/, Meter 
Höhe und den entsprechenden Dimensionen. Ein Ihnen vorzulegendes 
Stengelstück, rein holziger Natur, zeigt getrocknet noch einen Durch- 
messer von 4'), Centimeter, war aber frisch bedeutend dicker. Was 
endlich die ausdauernden, krautartisen Pflanzen unserer Gegend anbetrifft, 
so fanden sich viele nicht weniger entwickelt vor als die vorgenannten 
ein- und zweijährigen. Ich mache hier nur auf die Klette aufmerksam, 
Arctium Lappa, auf das behaarte Weidenröschen, Epilobium hirsutum, 
auf das Herzgespann, unser dörfliches Unkraut, Leonurus Cardiaca, und 
endlich auf den Rainfarrn, Tanacetum vulgare. Bei allen ist starke Ver- 
holzung der Stengel wahrnehmbar; bei dem Rainfarrn ist dieselbe sogar 
eine oft ganz vollständige, und das Mark in den Stengeln verschwunden. 
Von ausdauernden, krautartigen, jedoch schon halb strauchförmigen 
Pflanzen mit überwinterten vorjährigen Blüthenstengeln, bei denen eine 
sehr dichte und vollständige Holzbildung zu bemerken war, sind zu ver- 
zeichnen: die Schafgarbe, Achillea millefolium, die Rosenpappel, Malva 
Aleea, und das Johanniskraut, Hypericum perforatum. 

Fand sich nun, wie wir gesehen haben, die durch günstige Ver- 
hältnisse hervorgerufene, bedeutende Entwickelung der wildwachsenden 
Pflanzen unserer Gegend sehr geeignet zur vermehrten Bildung des Holz- 
stoffes, so konnte diese Thatsache wohl in gleichem, ja in erhöhtem 
Maasse bei der Klasse der Culturpflanzen wahrgenommen werden, 
Bei einer Betrachtung dürfte es sich empfehlen, von ihrer Vege- 
tationsdauer einstweilen abzusehen und sie, zunächst in natürliche 
Familien gebracht, der Reihe nach aufzuzählen, selbstredend mit Aus- 
schluss absoluter Vollständigkeit, da meine Plauderei nur als Skizze 
gelten soll. 

Beginnen wir mit den Gramineen. Unter diesen ist allein der 
türkische Weizen, Mais oder Kukurutz, Zea-Mais zu nennen, welcher 
in seinen unteren Schachtgliedern verholztes Zellgewebe aufweist. Von 
Cannabinaceen zeigt der, gleich dem Mais einjährige, Hanf starke Ver- 
holzungen. Ganz holzige Stammstücke, welche mir zu Gesicht gelangten, 
hatten einen Durchmesser von 5 Centimeter im frischen Zustande, welcher 
sich beim Trocknen jedoch auf 4 Centimeter reducirte. Von den zur 
Familie der Chenopodiaceae gehörigen Runkelrübe und ihren Varietäten: 
Mangold, Zuckerrübe u. s. w. wird der Blüthenstengel oft neun Meter 
hoch und verholzt sich bedeutend, namentlich dort, wo er der Rübe 
entspringt. Eine in unserer Gegend durch mehrere Culturpflanzen ver- 


 tretene Familie ist die der Korbblüthler, der Compositen. Wir finden 


unter ihnen zunächst die Cichorie, Cichorium Intybus, welche indessen 
auch wild häufig angetroffen wird. Der Blüthenstengel, namentlich der 
angebauten Cichorie, verholzt ungemein und nimmt auch selbstredend 


S Jahresbericht der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. 


ganz andere und viel bedeutendere Dimensionen an als der ihrer wild- 
wachsenden Schwester. Eine andere Culturpflanze dieser Familie ist 
der Kopf- oder Häuptelsalat nebst seinen vielfachen sich in Cultur be- 
findliehen Varietäten. Die Verholzung des Kopfsalatstengels ist nicht 
bedeutend und deutlich erkennbar nur an seinem untersten Ende. Beim 
Eintrocknen der gewaltigen Saftfülle dieses Stengels verliert der- 
selbe seine Rundung, indem er sich faltig zusammen zieht; das Holz 
ist gelb und hart. An dieser Stelle seien zunächst noch Helianthus 
tuberosus und des Helianthus annuus, der Topinambur und die Sonnen- 
rose erwähnt. Der Erstere, welcher ausdauernd ist, bildet in den 
Stengeln ein die Markschicht umgebendes, ungemein hartes, schmutzig 
selbliches Holz, wohl das härteste unserer Stauden neben dem 
des Rainfarrn. Weniger hartes Holz bildend, aber interessant durch 
ihr ungemein starkes Wachsthum und die dabei eintretende mächtige 
Holzbildung, mit dichten, deutlichen Markstrahlen, ist die einjährige 
Sonnenrose, Helianthus annuus. Dass der Stengel zum Spazierstock zu- 
rechtgeschnitten und als solcher, bemalt und lackirt, Verwendung findet, 
ist nichts Neues. Ich selbst bin in der Lage trockne Querschnitte davon 
vorzulegen, welche 7, ja selbst 10 Centimeter Durchmesser haben. 
Wir beschliessen hiermit das Kapitel über die sich verholzenden Cultur- 
pflanzen unter den Compositen und gehen zu denen der Familie der 
Crueiferen über. Diese ist reich an derartigen Pflanzen und namentlich 
ist es die Gattung Brassica, welche für uns besonders nutzenbringend 
ist. Die Pflanzen der Gattung Brassica sind durchweg zweijährig, 
werden aber sehr häufig nur einjährig cultivirt. Es sind dies: Brassica 
Napus, der Raps; Brassica Rapa, die weisse Rübe; und endlich Brassica 
oleracea, der Gemüsekohl, welcher in vielen Varietäten, als: Kopfkohl, 
Wirsing, Rosen-, Blatt- und Blumenkohl, einen hedeutenden Artikel des 
Anbaues repräsentirt. Hierher gehört auch eine andere Varietät des 
Gemüsekohls, nämlich der Kohlrabi, Brassica oleracea var. gongylodes, 

Bei Brassica Napus, dem Raps, finden wir den Blüthenstengel im 
Herbste leicht verholzt und meist noch mit vorhandener Markröhre ver- 
sehen. Bei den übrigen Brassicasorten verholzt der Blüthenstengel eben- 
falls; jedoch haben wir bei den Varietäten der Brassica oleracea nicht 
erst dessen Bildung abzuwarten; denn wir finden eine oftmals schon 
ganz bedeutende Verholzung bereits am Strunk oder Stiele, welche ihnen 
zum Halte dienen. Die Verholzung beginnt bei den stärkeren Wurzeln 
und setzt sich ein Stück oberhalb derselben im Strunke fort. Sehr 
schöne und dichte Verholzung zeigt namentlich der Rosenkohl. Das 
Holz der Gemüsekohlarten ist feinfaserig, sehr dicht und schön goldgelb. 


Sicherlich nimmt es bei vollständigster Austrocknung eine schöne Politur‘ 


an und es wäre ein Mobiliar davon, mosaikartig zusammengesetzt, gewiss 
für Raritätenliebhaber etwas ganz besonderes. Beim Trocknen schwindet 


a 


II. Abtheilnng. Obst- und Gartenbau-Section. 9 


das Holz — selbst nach längerer Zeit noch — durch den ganz all- 
mählichen Verlust seines Wassergehaltes und des reichlich vorhandenen, 
übel riechenden, schwefelhaltigen ätherischen Oeles, an welchem es noch 
lange zu erkennen ist. 

Wir gelangen nun zu den Umbelliferen, denen manche Culturpflanzen 
angehören. Ich erinnere nur an den Kümmel, Sellerie, Fenchel und 
Pastinak. Bei diesen Pflanzen zeigt der Stengel nur selten eine ge- 
schlossene Verholzung, vielmehr bleibt er meistentheils röhrig und besitzt 
nur eine am inneren Rande abgelagerte, verholzte Zellenschicht. Eine 
ähnliche verholzte Zellenschicht findet sich, deutlich erkennbar, bei 
der zu der Familie der Schmetterlingsblüthlern gehörigen Grossen- oder 
Saubohne, Vicia Faba, deren Stengel sich auch an der Basis fast 
niemals in Holz umwandeln, während man umgekehrt diese Er- 
scheinung sehr ausgesprochen bei der gewöhnlichen Bohne,. Phaseolus 
vulgaris, wahrnehmen kann. Der Stengel dieser Pflanze erscheint ein 
kleines Stück oberhalb der Wurzel stets vollständig verholzt; höchstens 
bleibt ein kleiner Hohlraum unausgefüllt. Schwach verholzt sich auch 
die Lupine und zwar nur an der Basis des Stengels. Mit der Familie 
der Malvaceen ist der Schluss meiner Skizze erreicht. Erwähnenswerth 
ist in dieser Familie nur die einjährige Malva crispa, die manchmal 
auch als Gemüsepflanze angebaut wird. Sie entflieht bisweilen den Gärten 
und tritt oft ganz plötzlich in irgend einem Gemüsegarten auf, wo sie 
sich bald etablirt und selbst in mässig gutem Boden ohne Pflege riesige 
Dimensionen annimmt. Ich fand von ihr zuletzt im Lissaer Gemüse- 
garten ein Exemplar von annähernd 2 Meter Höhe und bedeutender 
Stammstärke. Der Stamm der Pflanze ist zwar stark mit Wasser ge- 
füllt, hat aber namentlich im unteren Theile ein strahlich aufgebautes 
Holzgerippe. 

Als Sehlussbetrachtung erlaube ich mir noch zu bemerken, dass, 
da die soeben besprochene Gemüsemalve und die bereits vorher er- 
wähnte Sonnenrose wohl als die stärksten Holzbildner unter den ein- 
jährigen Pflanzen unserer Gegend anzusehen sind, es wohl nicht zu den 
Unmöglichkeiten gehören dürfte, beide bei grosser Anzucht als aushilfs- 
weises Heizmaterial benützt zu sehen. Vielleicht kauft man späterhin 
bei immer knapperem Waldbestande als Material zur Kohlenentzündung 
statt Fichten- oder Kieferholz das Holz der Sonnenrose oder Malve. 


In der vierten Sitzung am 10. Juni sprach Herr Landesbau- 
inspector Sutter 
"Veber die Düngung der Obstbäume und Fruchtsträucher sowie über das 
von ihm construirte und patentirte Locheisen 
unter Vorlegung desselben. Herr Sutter führte in seinem Vortrage 
etwa Folgendes an: 


10 | Jahresbericht der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. 


Dass die Ausnutzung aller zum Feldanbau nicht geeigneten Boden- 
flächen für die Landwirthschaft durch Anpflanzung von Obstbäumen 
und Fruchtsträuchern am einträglichsten werden kann, ist vielfach schon 
nachgewiesen, doch erfordern auch die Obstpflanzungen ebenso, wie der 
Bau von Feldfrüchten eine sorgsamere Pflege und namentlich eine bessere 
Düngung. 

In den letzten dreissig Jahren sind in Schlesien sowohl von dem 
Communal -Verbänden, wie von einzelnen Besitzern schon bedeutende 
Anpflanzungen von Obstbäumen an Strassen, in Gärten und Plantagen 
ausgeführt worden, weil sich die Erkenntniss immer mehr Bahn 
gebrochen hat, dass das Obst sowohl in rohem, wie gekochtem Zu- 
stande, — sowohl für Erwachsene wie für Kinder und selbst für Kranke 
— ein gesundes, wohlschmeckendes und leicht verdauliches Nahrungs- 
mittel ist. 

Auch ist die Conservirung des Obstes und die Herstellung von 
Getränken daraus schon ein lohnender Erwerbszweig geworden und 
könnten durch regelmässigere Obsternten auch viele Menschen beschäf- 
tigt und dem Lande viele Millionen erhalten werden. 


Und wie herrlich sieht eine Landschaft aus mit blühenden oder mit 
Früchte tragenden Obstbäumen, namentlich an den Landstrassen. 


Welches Glück und welche Zufriedenheit wird häufig in das Volks- 
leben hineingetragen durch die Schaffung und Bebauung eines Haus- und 
Fruchtgartens und wie erziehend und veredelnd wirkt die Bebauung 
und Pflege des Gartens und der Pflanzungen auf die Erwachsenen und 
die Kinder, 

Unsere edelsten deutschen Fürsten haben den Obstbau zu fördern 
gesucht, so z. B. Kaiser Karl der Grosse. 

Der grosse Kurfürst hatte z. B. verordnet, dass bei jeder Ehe- 
schliessung 6 Obstbäume gepflanzt werden mussten. 

Aber auch Friedrich der Grosse und unser Kaiser Wilhelm I. und 
Kaiser Friedrich haben den Obstbau sehr unterstützt. 


Der Vortragende kann dies aus eigener Erfahrung bestätigen, indem 
der Kaiser Friedrich i. J. 18387 noch als Kronprinz durch den landwirth- 
schaftlichen Minister, Herrn Freiherrn von Lucius, Excellenz, die An- 
nahme und Vertheilung einer von dem Vortragenden gezeichneten Plakat- 
tafel für die Schulen: „Kurze Anleitung zur erfolgreichen Pflanzung 
und Pflege der Obstbäume“, welche ich der Section schon früher bei 
einem Vortrage vorgelegt habe, gewünscht hatte. 

Unsere Herren Landwirthe in Schlesien betreiben im Allgemeinen 
den Obstbau nicht mit solcher Vorliebe, wie diejenigen in Süd- und 
West-Deutschland, weil sie der Ansicht sind, dass das Klima bei uns 
dem Massenanbau von Obst nicht günstig, weil die Ernten zu unregel- 


II. Abtheilung. Obst- und Gartenbau-Section. 11 


mässig und unsicher und weil die Verwerthung des Obstes zu schwierig 
und nicht lohnend genug sei. 

Diesen Vorurtheilen haben schon mehrere hierzu berufene Pomo- 
logen in der Provinz, wie z. B. der Königliche Gartenbau - Director 
Haupt zu Brieg, auch durch Aufsätze in der Schlesischen Zeitung zu 
begegnen gesucht und durch Beispiele von ganz ausserordentlichen Fr- 
trägen von Öbstanlagen den Beweis geliefert, dass fast keine Frucht 
so reichen Nutzen liefern kann, als wie der Obstbaum. 

Auch der Vortragende hat schon in früheren Jahren durch An- 
führung der jährlichen Obstpachterträge von den Chaussee - Bäumen, 
welche er gepflanzt und gepflegt hatte, den Nachweis erbracht, dass das 
Anlagekapital der gepflanzten Obstbäume sich im Durchschnitt auf 50 
bis 94 Procent jährlich verzinst hat in den Kreisen Münsterberg und 
Grottkau. 

Wie Ihnen vielleicht bekannt geworden, — sind in mehreren 
Kreisen Schlesiens die Obstrenten seither auch bedeutend gestiegen, 
namentlich im Kreise Breslau, Strehlen, Nimptsch und Striegau. 

Da ich in den mir durch das Vertrauen unserer Heimaths - Provinz 
zur Verwaltung anvertrauten Bezirken meistens nur den Massen - Anbau 
von Obstbäumen betreibe, so ist es mein Bestreben gewesen, auch nur 
dafür geeignete Maassnahmen zu treffen, welche nicht zu grosse Kosten 
für die Pflege der Bäume erfordern und doch schon sehr günstigen Bin- 
fuss haben. 

Wer aber auf hierzu geeigneten kleineren Flächen intensiven Obst- 
bau rationell betreibt, und die Bäume sachgemäss pflanzt und pflest, 
namentlich wenige und bessere Sorten, wie Gravensteiner, Weisser 
Calville, Engl. Gold - Parmaine, Schöner von Booskop und Virginischer 
Rosenapfel, — dürfte bei kaufmännischer Verwerthung reichlichen 
Nutzen davon haben. Obgleich eine sehr grosse Einfuhr besteht, so ist 
doch die Nachfrage nach guten Obst-Sorten alljährlich eine sehr starke 
und der Preis ein hoher; aber es besteht bei uns der Fehler, dass zu 
vielerlei Obstsorten angebaut werden und mit Neuheiten zu viel probirt 
wird, statt sein Augenmerk nur auf gute, haltbare und der Nach- 
frage entsprechende Sorten zu richten; diese werden stets willige Ab- 
nehmer und zufriedenstellende Preise finden. Von besonderem Werth’ 
ist, dass man bei der Auswahl von Sorten auf klimatische und Boden- 
verhältnisse Rücksicht nimmt, nur genügend erstarkte Stämmchen pflanzt, 
wobei der Herbstpflanzung unbedingt vor der Frühjahrs- Pflanzung der 
Vorzug zu geben ist. 

Die erste Bedingung für das gute Gedeihen und den höheren Er- 
trag einer Obstbaum-Anlage ist Folgende: 

Die richtige Auswahl der für den bezüglichen Standort und Boden 
passenden Obstsorte und die sorgfältige Vorbereitung einer angemessen 


12 Jahresbericht der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. 


grossen Pflanzgrube, sowie die zweekmässige Füllung mit humusreichem 
mit geeigneten Nährstoffen vermischtem Boden und eine richtige 
nicht zu tiefe Pflanzung des Baumes, 

Alsdann gehört zur Erzielung einer grösseren Ertragsfähigkeit des 
Baumes seine alljährliche Pflege durch Aufgraben der Baumscheibe, das 
Anstreichen mit Kalk und Jauche - Mischung und das Reinhalten des 
Stammes von Moos und Ungeziefer, sowie der kunstgerechte Schnitt 
der Krone durch Auslichten und Entspitzen der Aestehen, um recht viel 
Fruchtholz zu erzielen und namentlich wenigstens eine einmalige Düngung 
und öftere Anfeuchtung. 

Die meisten unserer Obst-Pflanzungen in Schlesien leiden aber Noth 
an der richtigen Pflege, sowie an der Ernährung und Schaffung von 
Reservestoffen, welche jeder Baum bedarf, um die Kraft zum reichlichen 
Ansatz von Blüthen und zur Erhaltung und Ausbildung von möglichst 
vielen und vollkommenen Frückten zu haben. 

Durch eine regelmässige gute Pflege und Düngung des Obstbaumes 
kann derselbe aber auch ein hohes Alter erreichen uud alljährlich viel 
Früchte liefern. Auch ist ein gut ernährter Baum gegen Frost und 
allerlei Krankheiten mehr gesichert. 

Und hiermit komme ich zur Besprechung des eigentlichen heutigen 
Themas und zwar: 

Die Düngung der Obstbäume und Fruchtsträucher, auch 
der Weinstöcke, und die Beförderung ihrer Ertragsfähig- 
keit besonders durch Anwendung des von mir erfundenen 
und patentirten Locheisens, welches ich zu praktischen Versuchen 
mit zur Stelle gebracht habe. 

I. Dass die Obstbäume aber ebenso dringend einer besonderen 
für die Erzielung vieler und wohlschmeckender, und gut ausgebildeter 
Früchte nothwendigen Düngung bedürfen, ist bereits durch vielfache 
Versuche ausser allem Zweifel gestellt. 

Namentlich durch die Congress-Verhandlungen ides deutschen Pomo- 
logen-Vereins während der allgemeinen grossen Obst- und Gartenbau- 
Ausstellung zu Breslau im Herbst 1893 ist allgemein die grosse Wichtig- 
keit der alljährlichen Düngung der Obstbäume anerkannt und der wunder- 
bare Erfolg durch die selten schönen und grossen Früchte, welche 
hervorragende Obstzüchter ausgestellt hatten, bestätigt worden. 

In gleicher Weise wendet die Deutsche Landwirthschafts - Gesell- 
schaft zu Berlin dieser Frage ein ganz besonderes Interesse zu und 
haben verschiedene Pomologen und Chemiker sich eingehend mit Dün- 
gungsversuchen für Obst- und Weinbau beschäftigt. 

Obstbäume brauchen ähnliche Nährstoffe wie die Feldfrüchte und 
zwar genügen im Allgemeinen Stickstoff, Kalisalz, Phosphorsäure und 
Kalk. 


ii. Abtheilung. Obst- und Gartenbau-Section. 13 


Bei kalkarmem Boden ist aber ausser den vorstehenden Stoffen das 
doppelte Gewicht von Kalk erforderlich. 


II. Diese Düngung der Obstbäume wird jetzt wesentlich erleichtert 
durch Anwendung des von mir erfundenen Locheisens, 

Zur besseren Veranschaulichung über die nothwendige Vertheilung 
der Bohrlöcher lege ich hiermit besondere vom Patent-Amte erforderte 
Zeichnungen vor. 

Die Aufnahme der Dahoztekre geschieht bekanntlich beim Baume 
durch die Faserwurzein, welche sich bis in die Kronentraufe jedes 
Baumes erstrecken, und welche in einer Tiefe von 30 bis 50 cm unter 
der Erdoberfläche sich um den Baumstamm vertheilen. Früher hat man 
mit schneckenförmigen Erdbohrern einzelne Löcher um den Baumstamm 
mit grossem Zeit- und Kraftaufwande hergestellt, um die geeigneten 
Dungstoffe an die Saugwurzeln zu bringen. 

Durch Anwendung des von mir erfundenen Locheisens olher ist das 
Lochstossen für einen mittelgrossen Baum mit Leichtigkeit und für den 
Preis von 2 bis 3 Pfg. pro Baum (mit 10 Löchern) zu erzielen. 


Ueber den Werth meines Locheisens will ich heute lieber das 
Urtheil einiger unparteiischer Sachverständigen vortragen. 


a. Herr Geheimer Regierungs-Rath, Professor Dr. Wilhelm Seelig 
sagt in der Schleswig-Holstein’schen Zeitschrift für Obst- und Gartenbau 
in Kiel vom October v. J. über das Locheisen Folgendes: 


1. Das Sutter’sche Locheisen für Baumdüngung. 


In den Verhandlungen des vorjährigen, zu Breslau abgehaltenen 
Pomologen-Kongresses beschäftige man sich auch sehr eingehend mit der 
so äusserst wichtigen Anwendung der Mineraldünger im Garten, be- 
sonders im Obstbau. 

Dabei wurde hervorgehoben, dass es bei den Obstbäumen, deren 
Wurzeln bekanntlich sehr tief gehen, nothwendig sei, die meist schwer 
löslichen Mineral-Dünger in eine entsprechende Tiefe zu bringen, wo sie 
von den Saugwurzeln aufgenommen werden könnten. 

In dem ganzen etwa dem Umfang der Baumkrone entsprechenden 
Wurzelbereiche sollte man bis zu Y, Meter tiefe Gruben oder Löcher 
machen, in welchen die Dungstoffe eingebracht würden, z 

Herr Seelig sagt ferner: 

Für diesen Zweck wies nun Herr Landes Bauinspector Sutter aus 
Schweidnitz auf ein von ihm construirtes Werkzeug hin, welches bei 
den seiner Aufsicht unterstellten Chaussee-Baumpflanzungen angewendet 
sei und sich hier wohl bewährt habe. 

Es besteht dasselbe in einer etwa 1 Meter langen 4 kantigen Bisen- 
stange, welche am unteren Ende verstählt und zugespitzt, an dem 
oberen mit einem soliden Quergriffe versehen ist. Bisher wandte man 


14 Jahresbericht der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. 


wohl zur Herstellung der für die Baumdüngung dienenden Löcher Erd- 
bohrer von etwa 8 cm Durchmesser an. Das Bohren von Löchern mit 
diesen alten Werkzeugen ging naturgemäss sehr langsam und ist mit 
mancherlei Schwierigkeiten und Nachtheilen verknüpft. Schon ein kleiner 
Stein erweist sich oft als ein nur mit grosser Mühe, oder auch gar- 
nicht zu überwindendes Hinderniss. Ebenso ist dieses mit grösseren 
Baumwurzeln der Fall, welche der alte Bohrer auf seinem Wege antrifft. 
Und es kann nicht ausbleiben, dass bei der Anwendung des Bohrers 
viele Wurzeln abgerissen oder doch stark beschädiet werden. 


Anders bei dem Sutter’schen Locheisen. 


Dieses ist mit Leichtigkeit bis zu einer Tiefe von 50 oder selbst 
60 Centimetern in den Boden einzustossen. 

Bei leichtem Boden genügt die eigene Schwere des Eisens, um das- 
selbe vermittelst eines kräftigen Stosses zu der gewünschten Tiefe ein- 
dringen zu machen. Im schweren Boden kann man durch einige oben 
auf das Eisen gegebene Schläge mit einem Hammer, oder einer Keule 
nachhelfen. Kleine Steine und Wurzeln werden hierbei zur Seite ge- 
drängt. Trifft man auf ein grösseres und nicht zu beseitigendes Hinder- 
niss, so bedeutet es keinen erheblichen Zeitverlust, statt des versuchten 
daneben ein neues Loch zu machen. 

Von Wichtigkeit aber ist, dass bei diesem Verfahren Beschädigungen 
der Baumwurzeln gar nicht, oder nur in unbedeutendem Grade vor- 
kommen, indem die elastischen Wurzeln zur Seite gedrückt werden. 


Hat man das Eisen bis zu der entsprechenden Tiefe eingestossen, 
so arbeitet man vermittelst der als Griff dienenden Querstange nach 2 
sich kreuzenden Richtungen seitwärts und hat auf diese Weise schnell 
ein viereckiges Loch von 8 bis 10 Centimeter oberer Weite hergestellt, 
in welches man schon eine ziemlich grosse Quantität flüssigen Düngers 
einfüllen kann. 

Wendet man den Dünger trocken an, so kommt ‚dieser sofort zu 
einer bedeutenden Bodentiefe. 

Bei dieser Art des Arbeitens wird auch der die Wände des Loches 
bildende Boden nicht, wie es bei der bohrenden Bewegung der Fall ist, 
verdichtet, sondern es entstehen in demselben feine Risse, welche die 
Seitwärtsvertheilung der eingegossenen Flüssigkeit befördern. 

Dieses neue Werkzeng fand in der Versammlung lebhaften Beifall. 

Der Unterzeichnete stellte an den Erfinder desselben das Ersuchen, 
ihm ein Exemplar desselben zugehen zu lassen. Dies erfolgte denn 
auch, nachdem ein Erfindungspatent dafür erwirkt war. 

Beim Gebrauche desselben stellte sich denn auch heraus, dass die 
vom Erfinder hervorgehobenen guten Eigenschaften sich vollständig be- 
stätigten. 


ir 


II. Abtheilung. Obst- und Gartenbau-Section. 15 


In dem allerdings leichten Boden des Unterzeichneten war man im 
Stande, binnen einer Minute 2 bis 3 Löcher zu der erforderlichen Tiefe 
und Weite herzustellen. 

Bei gemächlichem Arbeiten war es immerhin möglich, binnen zehn 
Minuten 25 Löcher unter der Krone eines erwachsenen Apfelbaumes, eine 
völlig genügende Zahl, zu beschaffen. 

Es gehört also ein verhältnissmässig geringer Aufwand von Zeit 
und Arbeit dazu, um eine ganze Obstpflanzung für die Aufnahme künst- 
licher Düngemittel vorzubereiten. 

Und die anf diese Weise hergestellten Löcher erwiesen sich als für 
den beabsichtigten Zweck vollständig genügend. 

Der Unterzeichnete fand sich durch diesen überraschend günstigen 
Erfolg bewogen, das neue Werkzeug in der im Juli d. J. stattgehabten 
General- Versammlung des Garten- und Obstbau-Vereins für die Provinz 
Schleswig-Holstein vorzuzeigen und auf das Wärınste zu empfehlen. 

Ebenso günstig wurde das Locheisen beurtheilt von A. Melz, 
Redacteur des Schleswig-Holstein’schen Monatsblattes, und von Fr. Lucas, 
Direetor des Pomologischen Instituts in Reutlingen. 

Nun komme ich zur Aufzählung der zur Baumdüngung er- 
forderlichen Düngstoffe. 

Nach den bisherigen Erfahrungen der Wissenschaft werden folgende 
Düngstoffe als die zweckmässigsten für Obstbäume empfohlen, 
und richte ich mich hierbei nach den Aufzeichnungen des Provinzial- 
Wanderlehr-Gärtners E. Lesser in Kiel in seinem Buche über die Pflege 
des Obstbaues vom Jahre 1895 — Seite 45, 46 und 47. 

Zur Düngung der Obstbäume sind hiernach im Allgemeinen zu 
empfehlen: 

1. Jauche, 2. Abtrittdünger, 3. Kompost und 4. künst- 
licher Düuger. i 

1. Die Jauche enthält, wenn sie ohne Wasserzusatz ist, in 
100 Theilen nach Prof. Wolff’s Düngerlehre: 1,5 %, Stickstoff, 0,1 %, 
Phosphorsäure und 4,9%, Kali. Je nach der Güte des dem Vieh ge- 
botenen Futters wird sich der Gehalt der einzelnen Stoffe aber erhöhen 
oder erniedrigen. Jedenfalls sind die in der Jauche enthaltenen Stoffe 
leicht löslich und daher schnell wirkend.. Man wendet deshalb die 
Jauche auch besonders da an, wo es sich darum handelt, schnelle 
Wirkung zu erzielen, also bei Obstbäumen, die stark mit Früchten be- 
setzt sind und wo man die an den Bäumen vorhandenen Früchte vor 
dem vorzeitigen Herunterfallen, besonders in sehr trockener Zeit, be- 
wahren will, dann wo man recht grosse vollkommene Früchte ernten 
will und endlich bei solchen Bäumen, deren Holzwachsthum rasch 
befördert werden soll. Da die Jauche vorzugsweise Kali-Stickstoff-Dünger 
ist, so wirkt sie im Allgemeinen mehr auf den Holztrieb, als auf die 


16 Jahresbericht der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. 


Fruchtbarkeit, und weil eine einseitige Düngung nicht rationell 
ist, so muss in diesem Falle der Jauche die fehlende Phosphor- 
säure durch Zugabe von künstlichen Düngmitteln oder Abtritt- 
dünger zugesetzt werden. Mit einer Mischung von 10 Ltr. Jauche, 
verdünnt mit 10 Ltr. Wasser und 1I—1", Klgr. Superphosphat (16 °/,), 
erzielte ich sichere und gute Erfolge in einem Mittelboden. Dessen- 
ungeachtet möchte ich aber doch kein Recept, welches für alle Fälle 
passend ist, hiermit gegeben haben, da die Wirkung von der Boden- 
beschaffenheit ungemein abhängig ist. Die Jauche muss im reinen Zu- 
stande stets zur Hälfte mit Wasser verdünnt werden, wodurch eine 
gleichmässigere Vertheilung der Nährstoffe im Boden stattfindet. 

Diese durch obige Zusätze vorbereitete Jauche wird halb 
mit Wasser verdünnt, wie oben angegeben, zur Düngung in Löchern 
resp. Gräben so angewendet, dass man die Löcher mehrere Male hinter- 
einander damit füllt, da die Nährtheile in die tieferen Bodenschichten 
gebracht werden müssen. 

2. Der Abtrittdünger enthält nach Prof. Wolff inel. Urin 
5,5 %%, Stickstoff, 2,8 '/, Phosphorsäure und 2,0%, Kali. Ohne Urin 
10,0 °/, Stickstoff, 10,9 %/, Phosphorsäure und 2,5 %, Kali. Wir ersehen 
daraus, dass wir im Abtrittdünger einen Dünger haben, der reich an 
Stickstoff ist, fast genügend Phosphorsäure, aber viel zu wenig Kali für 
den Obstbaum enthält. Wir müssen also hier einen Kali-Zusatz geben, 
wozu man Roh-Kainit verwendet. 

Auch der Abtrittdünger wird zur Düngung, am besten wie die Jauche 
zur Hälfte mit Wasser vermischt, verwendet. 

Es empfiehlt sich überhaupt, nach solchen flüssigen Düngungen, die 
am vortheilhaftesten vom Frühjahr bis Anfang Juni gegeben werden, im 
Laufe des Sommers durchdringend zu giessen. Das Wasser gebraucht 
der Baum sowohl zu seinem Lebensunterhalt, als insbesondere zum Lösen 
der Nährstoffe. Es ist dies bei trockener Zeit um so mehr nötig, als 
von einem Sommerregen im Allgemeinen nicht viel Feuchtigkeit zu den 
tiefliegenden Wurzeln dringt. 

Sollen die Bäume nicht einen sehr grossen Theil ihrer Früchte 
fallen lassen, so ist eine grössere Bodenfeuchtigkeit, namentlich in den 
tieferen Schichten unbedingt erforderlich, damit eine möglichst gleich- 
mässige Nahrungs-Aufnahme stattfinden kann. Mi 

3. Der Kompost; schon die Darstellung desselben durch Auf- 
häufen von Abfallstoffen aller Art, denen man mineralische beifügen 
kann, bietet gewissermaassen eine Garantie für den Gehaltreichthum an 
Nährstoffen, so dass wir im Kompost einen Dünger haben, der, wenn 
richtig zusammengesetzt, von grosser langanhaltender Wirkung ist. 

Kompost wird bereitet, indem man auf eine Lage Erde die ver- 
schiedensten organischen Stoffe (Unkraut, gefallenes Vieh, Asche, 


Bü 


Il. Abtheilung. Obst- und Gartenbau-Section. 17 


Lumpen, Russ, Dünger etc.) sowie mineralische Stoffe (Kainit, Thomas- 
phosphatmehl, Kalk etc.) bringt, dann wieder Erde, hierauf wieder orga- 
nische etc, Stoffe. 

Das Ganze wird im Laufe des Jahres einige Male umgestochen, 
wobei man Kalkschutt oder gebrannten Kalk mit dazwischen mengen 
kann, auch werden die Composthaufen vortheilhaft zeitweise mit Jauche 
oder Abtrittdünger übergossen, was wesentlich zur Zersetzung der ein- 
zelnen Stoffe beiträgt. 


Den Kompostdünger bringt man am besten mit dem Boden, in dem 
die Bäume wachsen, vermischt, wie oben angegeben, in die Baumgruben 
und Bohrlöcher. Mit Ausnahme bei Frostwetter, kann diese Düngung zu 
jeder Jahreszeit ausgeführt werden. 


4. In neuerer Zeit haben, wie bei der Landwirthschaft, so auch 
beim Obstbau die künstlichen Dungmittel grössere Beachtung ge- 
funden und nicht mit Unrecht, da diese Dünger wirkungsvoll und 
namentlich bei grösseren Anlagen am bequemsten anzuwenden sind. 
Leider sind die für einen Obstbaum als zu einer vollen Düngung nöthig 
bezeichneten Quantitäten bis jetzt noch sehr schwankend, da bisher 
noch nicht genügend Erfahrungen vorliegen. 


2'/, kg Kainit, 1Y, kg Chilisalpeter muss nach den Versuchen des 
Herrn Lesser ein Baum, der ca. 25 qm Boden mit seiner Krone bedeckt, 
alle 2—3 Jahre erhalten, je nachdem die Bodenverhältnisse sind. 


Mit dem zunehmenden Alter muss auch das Düngerquantum ver- 
mehrt werden. Thomasphosphatmehl und Kainit werden am besten im 
Herbst in nach bereits angegebener Weise gebohrte Löcher gegeben und 
dann diese mit Erde wieder angefüllt. 


Kein anderes Gartengeräth aber ist zur leichten Herstellung der er- 
forderlichen Bohrlöcher so geeignet, wie das Sutter’sche Locheisen, 


Wenn man diesen Dünger ohne Bohrlöcher auf dem äusseren Um- 
kreis unter die Baumkrone ausstreute, so muss man ihn durch tiefes 
Umgraben in möglichste Nähe der Wurzeln bringen. Falls die Bäume 
mit Grasnarbe umgeben sind, muss diese erst abgestochen und dann der 
Dünger aufgestreut werden. Den Chilisalpeter giebt man am besten in 
2 Dosen, je '/, kg, im Frühjahr oben auf, wenn kein Pflanzenwuchs 
unter den Bäumen ist, sonst nach Entfernung der Grasnarbe etc. 


Bei dem Lochstossen mit dem von mir erfundenen Locheisen ist aber 
das Umgraben und das Entfernen des Grases nicht unbedingt nöthig. 


4a. Professor Wagner in Darmstadt, der mehrfach Versuche 
mit künstlichem Dünger bei Obstbäumen angestellt hat, empfiehlt 
für einen einzelnstehenden Baum, dessen Krone etwa eine Bodenfläche 
von 25 qm bedeckt, folgende Düngung: 
189. | 


[SS 


8 > Jahresbericht der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. 


500 gr 'phosphat, oder 
500 gı DORPSISUBEIR hosphat, oder ERBEN... 
1400 gr 16 °/, Superphosphat, ; 
2 oder 100 gr Chlorkalium, 
400 gr Chlorkalium, en a 
500 gr Chilisalpeter, st Ba 


Ist der Holztrieb schwach und will man denselben stärken, so gebe 
man im Mai eine nochmalige Düngung von 250—500 gr Chilisalpeter 
pro 25 qm. 

Für geschlossene Obstbaumbestände; 

200 kg Doppelsuperphosphat oder 230 kg phosphorsaures Kali 
550 kg 16 %, Superphosphat pro oder 
160 kg Chlorkalium Hektar 40 kg Chlorkalium. 


5. In dem Buche von Lucas: „Vollständiges Handbuch der 
Obst-Kultur‘‘ (Verlag von Eugen Ulmer in Stuttgart, Preis geb, 6 Mk.) 
wird zur Düngung für einen mittelgrossen Baum empfohlen: 

250 gr ('), Pfund) phosphorsaures Kali und 250 gr ('/, Pfund) salpeter- 
saures Kali. 

Für einen grösseren und älteren Hochstamm: 
1,5—2,5 kg Superphosphat, 1,5—2,5 kg schwefelsaures Kali, 1—2 kg 

Chilisalpeter. 

Für jüngere Bäume und Zwergobstbäume:; 

0,3—0,7 kg Superphosphat, 0,5—0,7 schwefelsaures Kali, 0,2—0,5 kg 
Chilisalpeter. 


. 
2 


6. Bei all diesen Düngungen müssen die Phosphat- und 
Kalidünger steis im Herbst, dagegen Salpeter im Frühjahr 
angewendet werden. 


Bei Anlage neuer Obstgärten empfiehlt Professor Wagner, jedem. 


cbm Erde 600 er Thomasschlackenmehl beizumischen: 
d. h. bei 100 cm tiefem Rigolen des Bodens auf eine Bodenfläche von 
100 qm = 60 kg, 


= 75 Nie - - - 2 - eine Bodenfläche von 
-.100 qm = 45 kg, 
- 50 : = = - = - eine Bodenfläche von 


100 qm —= 30 kg. 
Jedenfalls empfiehlt es sich, bei Neuanlagen auch gleich ein Quantum 
Kali in Form von Kainit mit einzurigolen und möchte ich da empfehlen: 
bei 100 cm tiefem Rigolen pro 100 qm Bodenfläche 100 kg, 
Zu DZ z = NTSTWENS = on? 
sa 0ibe 24 z Ai neriye z alsge 


7. Oekonomierath Goethe inGeisenheim hat bei einer Neu- 
anlage drei verschiedene Düngerkompositionen in Anwendung gebracht: 
a. die Professor Fleischer’sche: auf einen Baum wurde gegeben 

75 gr Chilisalpeter, 225 gr Kainit und 225 gr Thomasschlacke, 


EN 


II. Abtheilung. Obst- und Gartenbau-Section. 19 


b. Professor Wagner’s älteres Recept: pro Baum 75 gr Chili- 
salpeter, 100 gr Kainit und 100 gr Thomasschlacke, 

e. Professor Wagner’s neueres Recept: pro Baum 66 gr 
Chilisalpeter, 33 gr Kainit, 33 gr Thomasschlacke. 

Am ersichtlichsten war der Erfolg bei dem Recept littr. b, 
sowohl in leichtem, mittelschwerem und schwerem Boden, 

Dieses letzte Recept habe ich auch in der von mir entworfenen 
Düngungs-Anweisung empfohlen: 

8. Professor Holdefleiss in Breslau empfiehlt als Düngung 
für ein Jahr für einen mittelgrossen Baum: 

a. 75 gr Chilisalpeler (Stickstoff), kann auch durch Jauche, Latrine, 
Hornmehl, Fischguano ete. ersetzt werden, 

. 75—100 gr gedämpftes Knochenmehl, 

c. 100 gr Kainit, 

d. !,—1 kg Kalk. 

9. Dr. Martin Ullmann sagte in einem Vortrage, den er am 
5. März 1894 im Gartenbauverein für Hamburg, Altona und Umgegend 
gehalten hat: „Als ein recht geeigneter Kunstdünger für Obstbäume, 
Beerensträucher, Weinreben und Rosen, erscheint ein Mischdünger mit 
4°, Stickstoff, 8 °/, Phosphorsäure, 8 %, Kali. | 

Ich will mit Absicht hierbei die Stickstoffsabe im Verhältniss zur 
Phosphorsäure und Kaligabe als eine geringe berechnet wissen, weil eine 
reichliche Ernährung mit Stickstoff verursacht, dass die Bäume viel Blatt- 
aber wenig Tragknospen ansetzen und im Herbst wohl unreifes Holz, 
aber nur geringwerthige, leicht zum Faulen geneigte Früchte hervor- 
bringen. Für Obstbäume würden hiervon 2—2'), kg pro Baum im 
Herbst und 1—1'/, kg im Frühjahr gegeben, eine ausreichende Düngung 
sein, während man bei Beerensträuchern und Weinreben 5 kg auf 
100 qm rechnet. 

10. Der Gehalt an Nährstoffen der bei der Obstbaumdüngung 
in Betracht kommenden künstlichen Dünger ist folgender: 

a. Thomasschlackenmehl enthält 14—20 °/), im Wasser nicht 
lösliche Phosphorsäure und ca. 50 °/, Kalk. Es muss dies Dung- 
mittel daher immer trocken angewendet werden; die Phosphor- 
säure wird durch die Bodenfeuchtigkeit allmählich gelöst. 

. Superphosphat mit 14—20 °/, im Wasser löslicher Phosphorsäure- 

e. Doppel-Superphosphat mit 36—40 °/, im Wasser löslicher 
Phosphorsäure. 

Beide Phosphorsäure - Dünger sind ihrer leichten Lösbarkeit 
wegen sehr zu empfehlen, es tritt die Wirkung dieser Dünger 
viel schneller ein, als bei dem ersten. 

ad. Kainit enthält 12—13 °/, Kali. 


e. Chlorkalium enthält 50 °/, Kali. 
g* 


30: Jahresbericht der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. 


f. Phosphorsaures Kali enthält 38 °/, wasserlösliche Phosphor- 

säure und 26 %, Kali. 

Salpetersaures Kali enthält 13%), %, Stickstoff und 44 %, Kali- 
h. Chilisalpeter enthält 15%, %, Stickstoff. 

Sie sehen aus den mitgetheilten 10 Düngungsarten, dass uns schon 
eine reichliche Anzahl Düngemittel zur Verfügung stehen, und es wird, 
wenn wir sie nur richtig anwenden, der Erfolg auch nicht ausbleiben. 

Hieraus folgt, dass jeder Obstzüchter durch eine rationelle Düngung 
zu einem grossen Theil die Rentabilität seiner Obstbäume bedeutend zu 
erhöhen vermag. 

Nach diesen Ermittelungen ist es jetzt durchaus nöthig, die Fach- 
kenntnisse für eine rationelle Obstbaum-Pflege mehr zum Gemeingut des 
Volkes zu machen, \ 

Als ein vorzügliches Mittel dazu erachte ich, dass die Obstbaum- 
Kulturen, namentlich die den Gemeinden und Kommunen gehörigen, — 
wie so manches Andere — anch von Seiten der Behörden veranlasst 
und überwacht werden. 


ua 


Dies liesse sich leicht erreichen durch fachgemässe Ausbildung und 
Anstellung von guten einfachen Baumwärtern, und zwar müsste jede 
grössere Ortschaft einen solchen Mann erhalten. 

In allen obstbautreibenden Ländern Europas erblickt man in der 
rationellen Obstbaumpflege eine der ersten Grundbedingungen zur 
Hebung des Obstbaues. 

Wenn auch in vielen Fragen in Betreff des Obstbaues die Meinun- 
gen öfters getheilt sind, so darf jedoch konstatirt werden, dass allerwärts 
die grösste Binstimmigkeit herrscht, bezüglich der Nothwerdiskeit zu 
einer besseren Baumpflege. Ä 

Es handelt sich dabei allgemein nur noch um die Lösung der Frage: 
Auf welchem Wege lässt die Einführung einer rationellen Baumpflege 
sich am besten erzielen? 

Im Hinblick auf die primitive Obstbaumpflege, auch in Schlesien, 
möchte ich der Section daher die Frage vorlegen, ob sie nicht die Aus- 
bildung von Baumwärtern, wie dies Herr Provinzial - Wanderlehrer 
Lesser in seinem grossen Wirkungskreise in Schleswig-Holstein mit 
Erfolg durchgeführt hat, als ihre Aufgabe ansehen wolle? 

Es darf in Gärtnerkreisen die Befürchtung nicht eintreten, dass diese 
Einrichtung dazu angethan sei, den Verdienst der Gärtner zu schmälern. 

Diese Absicht liegt mir fern. Ich bezwecke durchaus nicht, 
Gärtner heranzubilden, sondern Leute, welche im Stande sind, einen 
hochstämmigen Obstbaum richtig zu pflanzen und zu pflegen. 

Dagegen wird, hoffe ich, kein Berufsgärtner, viel weniger ein Obst- 
baumzüchter. in dessen wohlverstandenem Interesse es liegt, wenn die 
Bäume rationell gepflegt werden, etwas einzuwenden haben. 


Mu u nn L ZE te. 1 


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II. Abtheilung. Obst- und Gartenbau-Section. 31 


Ich schliesse hiermit meinen Vortrag über die Düngung der 
Obstbäume mit dem Wunsche, dass durch die heute gegebene An- 
regung auch in unserer Heimath-Provinz Schlesien der Obstbau und die 
rationelle Baumpflege, namentlich durch eine alljährlich wiederholte an- 
semessene Düngung eine für die Landwirthschaft allmählich immer 
lohnender werdende Erwerbs - Quelle werden möge, wie der Gemüse- 
anbau es schon theilweise geworden ist, z. B. in Liegnitz. 

Zwei Exemplare dieses Instruments schenkte Herr Sutter der 
Section und empfing den Dank der Versammlung. 


Privatdocent Dr. F. Rosen berichtet über eine bisher unbekannte 


Rose, die er nachfolgend beschreibt: 


Rosa virginiana Mill, hybrida. „Pauline Cohn“. 


Sprosse schlank, 2—3 m hoch, glatt, drehrund, blaugrün bis 
rothbraun, völlig unbewehrt, selten am Grund kleine, pfriemliche, wage- 
recht abstehende Stacheln tragend. Aeste schlank, bogig, stets stachel- 
und drüsenlos. 

Blätter der mittleren Region mit sieben Blättchen; das unterste 
Paar zurückgeschlagen, sehr klein, rundlich eiförmig, das zweite Paar 
grösser, das dritte sowie das Endblättchen am grössten, eirundlich 
(ce. 4'/), em lang, 3 em breit), nach vorn kaum zugespitzt. Alle Blättchen 
vollständig kahl, matt-bläulichgrün, einfach gesägt, Spitzen schräg vor- 
wärts geneigt. Blattstiel schwach drüsenhaarig, meist rothbraun; Neben- 
blätter lang angewachsen, mit seitlich abstehender bogiger Spitze, am 
Rande dicht drüsig bewimpert. — In der oberen Region, nahe den 
Blüthen, sind die Blätter nur mit 2—1 Joch Seitenblättehen versehen, 
grösser; die Nebenblätter sind hier etwas breiter. 


Blüthen einzeln oder zu 2--3, gross (bis 10 cm Durchmesser), 
anfangs glockenförmig, zuletzt weit schüsselförmig geöffnet, mässig ge- 
füllt. Kelehblätter aus breitem Grunde ganz allmählich ausgezogen, an 
der Spitze ohne blattartige Verbreiterung, an den Seiten ohne oder mit 
kleinen Anhängseln, kurzhaarig mit zerstreuten Stieldrüsen, während der 
Blüthe zurückgeschlagen, später aufrecht. Kronblätter breit, leuchtend 
rosa, mittlere mit leichtem gelben Hauch. Staubblätter zahlreich, wohl- 
ausgebildet. Griffel zahlreich unter einander frei, halb so hoch wie die 
Staubblätter, wollig behaart. Fruchtbecher kreiselförmig, am Grunde 
gerundet, in der Mitte eingeschnürt, nach oben verbreitert, wie der 
Blüthenstiel völlig kahl und bläulich bereift. Früchte werden nicht 
ausgebildet, da die Blüthen stets steril sind. 

Von dieser Rose, welcher ich den Namen der Gattin des Breslauer 
Professors der Botanik Ferdinand Cohn geben möchte, befindet sich ein 
Exemplar unbekannter Herkunft in der pflanzenphysiologischen Abtheilung 


32 Jahresbericht der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. 


des botanischen Gartens zu Breslau. Durch hohen, raschen Wuchs aus- 
gezeichnet, von schlanker Tracht und vollständig winterhart, dürfte sie 
sich als Spalier- und Boskettrose vorzüglich eignen; die riesige Fülle 
der grossen Blüthen, das warme leuchtende Rosa derselben, machen die 
„Pauline Cohn“ zu einer der schönsten Zierden des Gartens. Zudem 
entwickelt sie die reiche Pracht ihrer Blüthen S—14 Tage früher als 
die ungeheure Mehrzahl der übrigen Gartenrosen. 


In der fünften Sitzung, am 19. August, wurde über Anträge 
des vorgenannten Herrn Sutter debattirt, welche auf Hebung der 
schlesischen Obsteultur abzielen. Zu einer Einigung gelangte man nicht 
und wurden die gedachten Anträge weiterer Erwägung vorbehalten. 


In der sechsten Sitzung, vom 23. September, sprach der 
Dr. phil. Reinecke über: 


„Die Nutzpflanzen Samoas und ihre Verwendung“, 


ein Vortrag, der ein besonderes Interesse dadurch erregte, dass Herr 
Dr. Reinecke selbst zwei Jahre auf den Samoa-Inseln gelebt hat. 


Auf unserem Planeten giebt es nicht viele Gebiete, die durch ihre 
Fruchtbarkeit und glücklichen klimatischen Verhältnisse ihren ursprüng. 
lichen Bewohnern so mühelos alle Bedürfnisse befriedigen und alles 
liefern, was sie als Naturvolk für einen sorgenlosen Genuss ihres Lebens 
beanspruchen können, wie es die lieblichen Samoa-Inseln thun. Die 
Natur hat alles aufgeboten, um von einem Menschenschlag, dessen Form- 
vollendung und Veranlagung der Europäer bewundert, die Pflichten der 
Arbeit, den Kampf um die Existenz fernzuhalten. 

Diese Bevorzugung wissen die Samoaner aber auch iv vollem Maasse 
zu schätzen und zu berücksichtigen; denn einerseits liegt ihnen nichts 
ferner, als sich um ihren Lebenszweck und Unterhalt die geringste Sorge 
und Mühe zu machen und ihren Körper durch Arbeit zu belasten; an- 
dererseits aber haben sie auch wohl verstanden, mit lebhaftem Interesse 
für alle ihnen zur Verfügung gestellten Gaben deren Werth und Zweck 
zu ergründen, praktisch anzuwenden und auszunutzen. Ihr Leben, ihre 
Sitten und Gebräuche sind daher auf das Innigste mit der Fauna und 
Flora ihrer Heimath verknüpft. Fast alle Vertreter ihrer Thier- und 
Pflanzenwelt sind ihnen bekannt, für alle haben sie Namen, welche viel- 
fach schon die Charaktereigenschaften derselben ausdrücken. Für formen- 
reiche Pflanzengattungen existiren Wortstämme, diese durch meist sehr 
treffende Rpitheta ergänzt, bezeichnen dann die einzelnen Arten oder 
Varietäten. 

Von der Wurzel bis zur Blüthe und Frucht kennen sie die Eigen- 
thümlichkeiten der Pflanzen und wissen sie zu verwenden und vielfach 
durch geschickte und mannigfache Behandlung nutzbar zu machen. 


II. Abtheilung. Obst- und Gartenbau-Section. 23 


Die wichtigsten dieser Nutzpflanzen will ich mit ihrer Bedeutung 
und Verwendung hier zusammenstellen. 


Nahrungs- und Genussmittel liefernde Gewächse. 
A. Bäume und Stauden. 
Die Cocospalme. Cocos nucifera L. „niu“. !) 


Das weitaus grösste Interesse der Samoaner dreht sich um die 
Cocospalme, die in allen Theilen in ihrem Leben eine hervorragende 
Rolle spielt. 

Ohne irgend welche Ansprüche an Pflege und Aufsicht zu stellen, 
treibt die abgefallene reife Nuss nach wenigen Monaten Spross und 
Wurzeln, und durchdringt das diehteste Gestrüpp von Gras und Unkraut, 
dem Licht zustrebend, mit ihren Blättern, um nach 6—8 Jahren bereits 
als 2—3 m hoher Stamm die ersten Blüthen und Früchte zu treiben, 
ganz gleich, ob der Keimling sich in festen Korallen oder Getseins- 
massen, in lockerem, trockenem Sand oder in üppiger feuchter Erde 
Halt und Nahrung erkämpfen muss, ob seine Jugendjahre die heissen 
Sonnenstrahlen belästigen oder kühler Schatten seine früheste Entwiekelung 
fördert. 

Nur die eine Bedingung stellt die Palme für ihr Gedeihen und ihre 
Leistungen: sie muss Seeluft, salzhaltige Seebrise athmen können. Wo 
ihr diese abgeht, da stockt ihr Wachsthum schon nach vier bis fünf Jahren. 
Daher erklärt sich auch die Schwierigkeit, Cocospalmen längere Zeit in 
unseren Gewächshäusern zu halten. 

Die ersten Früchte der jungen Palme sind werthlos, sie enthalten 
nur geringe Mengen von Fruchtwasser und noch kein Endosperm. Die 
eigentliche Ertragsfähigkeit beginnt im Allgemeinen mit neun Jahren, sie 
steigt bis zum 15.—20. Jahre und hält dann, mit 30—40 Jahren all- 
mählich nachlassend, bis in’s hohe Alter von 60— 80 Jahren aus. 

Die Eingeborenen unterscheiden zahlreiche Varietäten, je nach 
Grösse und Form; Geschmack des Fruchtwassers, Stärke des Endosperms, 
Fasergüte und Geschmack der äusseren Schale. 

Will ein Samoaner Cocosmilch trinken, dann wählt er sich die 
geeignete Palme aus, welche gute „Niu vai“, d. h. Wassernüsse trägt, 
reisst von dem Stamm der Böhmeria, des Pipturus oder auch Hibiscus ete: 
in der Nachbarschaft ein Stück Rinde ab, schlingt es kreuzweise um 
beide Füsse über die Spannen und hüpft, mit den Sohlen den Stamm 
seitlich umfassend, in langen Sätzen hinauf zur Krone, um die zusagenden 
Früchte abzudrehen und herunterzuwerfen. Dann reisst er mit Hilfe 
eines in die Krde gestossenen, oben zugespitzten Pfahles die äussere 
Schale ab und öffnet durch einige leichte Schläge mit dem Messer um 


ı) Die Worte in „ “ sind die samoanischen Namen. 


DA Jahresbericht der Schles. Gesellschaft für vaterl. Culiur. 


das spitze Ende herum deckelförmig das natürliche Trinkgefäss, um 
dessen Inhalt mit Behagen zu leeren. Das innen noch halbweiche 
Endosperm wird dann mit dem Deckelstück aus der völlig gespaltenen 
Schale als wohlschmeckender Leckerbissen herausgekratzt und ebenfalls 
genossen. In abgefallenen, reifen Nüssen beginnen die Entwickelung des 
Embryo und die Keimung bald wesentliche Veränderungen hervorzurufen. 
Das Fruchtwasser, welches mit Beendigung des Endospermbildungs- 
processes bereits seiner chemischen Beimischungen bar ist, wird zu= 
nächst wieder von dem eindringenden Keimblatt, das sich zu einem 
Saugorgan entwickelt, benutzt und bei fortschreitender Vergrösserung 
dieser Einstülpung völlig verdrängt. Das Saugorgan füllt dann den 
inneren Hohlraum aus, legt sich mit seiner leicht gelblichen äusseren 
Zellschicht an das Endosperm an und saugt dasselbe bei stetig fort- 
schreitender Zersetzung des fetthaltigen Nährgewebes in sein locker 
schwammiges Gewebe auf, in welchem die Umsetzung der Fette des 
Endosperms in Zucker fortschreitet. Dieser Zuckergehalt macht das 
Saugorgan zu einem beliebten Leckerbissen. Der Werth des Endo- 
sperms, wie sein Geschmack leiden allerdings fortschreitend hierunter, 
und es bleibt schliesslich, wenn die junge Keimpflanze aus ihren jungen 
Wurzeln erst selbständig ihren Unterhalt der Aussenwelt entnehmen 
kann, nur noch ein schmieriger, gelblich weisser Rückstand übrig. Als 
eigentliches Nahrungsmittel spielt das reife, feste Endosperm jedoch die 
Hauptrolle. Mit einem spitzen Stück Holz fein herausgeschabt dient es 
in der Kochkunst zur Darstellung verschiedener Gerichte, vermischt mit 
junger süsser Cocosmilch oder mit Salzwasser, auch mit anderen Nahrungs- 
mitteln und in Taro oder Bananenblättern gekocht oder leicht geröstet, 
lassen sich recht wohlschmeckende Speisen daraus bereiten. 

Das Endosperm dient ferner als Futter für Schweine, Hunde und 
Hühner, die alle gleich grosse Neigung dafür zeigen. — Den Ein- 
geborenen selbst aber erfüllt es noch ein grosses Lebensbedürfniss, 
indem es, von dem Fruchtwasser befreit, sich verseift und schliesslich ölig 
wird. Das ausgepresste Oel wird alsdann mit den wohlriechenden Blüthen 
der Cananga odorata, der Hoja, Siegesbeckia, den aromatischen Knöllchen 
eines Grases, dem Harz einiger Bäume etc. angesetzt und so parfümirt, 
durch Bastfilter oder mattenartige geflochtene Pressen aus Hibiscusbast 
tiltrirt und bei festlichen Gelegenheiten zum Einölen des Körpers benutzt, 
um ihm Glanz und der Haut Geschmeidigkeit zu verleihen. Auch Be- 
kleidungsstücke, die der Feuchtigkeit trotzen sollen, werden damit im- 
prägnirt, : 

Die auf diese Weise ihres Inhaltes entleerten unverletzten Samen- 
schalen werden längere Zeit hindurch mit Wasser gereinigt und dienen 
dann als Wasserbehälter und Trinkgefässe in den Häusern, indem man das 
K eimloch mit einem Stöpsel aus trockenen Bananenblatttheilen verschliesst. 


I 


II. Abtheilung. Obst- und Gartenbau-Section. 95 


Die obere (der Ansatzstelle gegenüberliegende) Hälfte der Schale dient 
sorgfältig abpolirt als Kavabecher (vergl. p. 36). 

Die äussere Fruchthülle enthält die feste Faser, aus welcher die 
bei uns eingeführten widerstandsfähigen Decken gefertigt werden. Auch 
hierfür giebt es besonders geeignete Varietäten mit grossen Nüssen 
„niu afa“; die Samoaner flechten daraus Bindfaden, mit dem sie ihre 
Häuser. und Canus festigen und binden, Fischleinen herstellen etec. !) 
Das Pericarp einer Varietät ist stark zuckerhaltig und wird von Kindern 
deshalb gern gekaut. Geringer Zuckergehalt seheint bei der Keimung 
in allen Nüssen aufzutreten. 

Die Blätter dienen in ihrer ganzen Länge von 4—6 m als pro- 


- visorisches Dachmaterial; gespalten zur Anfertigung unverwüstlicher 


Körbe und Jalousien an den Hauswänden, ferner als primitive Servir- 
platten, zu je zwei Hälften dicht verflochten, auf ebener Erde ausge- 
breitet. Die Spreiten allein, oder in Streifen getheilt, werden zu 
festen Matten verflochten und ferner getrocknet als Fackeln bei nächt- 
lichen Belustigungen und bei Fischfang benutzt. Die Mittelrippen 
der Fiedern werden zu Haarkämmen, ‚‚sele ulu,‘“ in einer Ebene fest 
aneinander gereiht, mit Cocosfaser verbunden. Ihre Festigkeit trotzt 
erfolgreich dem dichten, verwachsenen Haar der Eingeborenen. 

Das Herz der Krone, ‚,„taale“, d.h. die noch von den jüngsten 
Wedeln dieht umschlossene weiche Knospe ist, wie das von vielen an- 
deren Palmen, als Delikatesse bei den Eingeborenen sehr beliebt, und 
wird auch von den Fremden, wie Spargel in holländischer Sauce oder 
als Salat zubereitet, sehr geschätzt. 

Der Stamm endlich bietet wegen seiner Länge bis 25 m und 
gleichmässigen Festigkeit, sowie Ausdauer und Widerstandsfähigkeit 
gegen Fäulniss ein willkommenes Material zur Ueberbrückung von Flüssen 
und Sümpfen. Sein festes Holz liefert schöne Spazierstücke. Kurz es 
giebt kaum einen Theil an der ganzen Cocospalme, der nicht in irgend 
einer Weise den Bewohnern der Inseln nützlich, wenn nicht fast 
unentbehrlich wäre. Dazu kommt noch, dass eine Palme ohne Unter- 
brechung Blüthen treibt und Früchte entwickelt. 

Seitdem die Cultur und Civilisation sich des palmenbewohnten 
Tropengürtels bemächtist und den Werth der Cocosnuss erkannt und 
schätzen gelernt hat, ist ihre Bedeutung zu einer hervorragenden 
Wichtigkeit und Existenzfrage für Einzelne wie für ausgedehnte Unter- 
nehmungen herangewachsen. Die Eingeborenen achten die Cocospalme 
nun auch als indireetes Mittel zur Erfüllung neuer, ihnen durch die 
Civilisation aufgedrängter Wünsche und Bedürfnisse, und sind mehr denn 


!) Auf anderen Inseln werden Schilder, Panzer, Panzerhemden, Tanz- 
masken etc. etc. aus der äusseren Fruchthülle resp. deren Fasern hergestellt. 


26 | Jahresbericht der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. 


je bestrebt, möglichst hohe Erträge davon zu erzielen. Von Jahr zu 
Jahr gewinnt die Copra, das getrocknete Endosperm, auf dem Welt- 
markt grössere Bedeutung, je mehr sich die Technik in der Verwerthung 
ihres Gehaltes an Oel und der Darstellung feiner Seifen, Oele sowie 
Butter und weniger angefeindeten Genussmittel, Delikatessen und Futter- 
mitteln aus den Rückständen ausbildet. 


Die Cocospalmen resp. ihre Producte haben zur Urbarmachung weiter 
Ländereien an den Küsten der Tropenländer geführt und dort den Pio- 
nieren der Kolonisation bedeutenden Gewinn gebracht. Wo noch vor 
wenigen Jahren hunderte von Hektaren fruchtbaren Landes ungemessen 
für eine Flinte, eine Büchse oder einige Ballen Stoff von den ahnungs- 
losen Eingeborenen an Weisse abgetreten wurden, da zahlt man jetzt 
200—1000 Mark und noch mehr für einen Hektar mit der sicheren 
Aussicht, dass die Erträge desselben die Kapitalsanlage gut verzinsen 
und amortisiren werden. Tausende von Centnern Copra führen die 
Segelschiffe jährlich von den Inseln fort nach französischen, deutschen 
und englischen Häfen. 


Der Brotfruchtbaum. Artocarpus incisa L. „ulu“. 


Derselbe steht in seinem Werthe in gewisser Beziehung höher als 
die Cocospalme; denn er liefert den Eingeborenen eine voluminöse, 
Magen füllende Nahrung, und einer solchen bedürfen dieselben in her- 
vorragendem Masse Nach Art, Form und Geschmack seiner 1—2'/, kg 
schweren Früchte unterscheiden die Samoaner zahlreiche Varietäten. Es 
giebt Früchte mit und ohne Samen, von runder und länglieher Form, von 
trockenem, mehligem und feucht-seifigem Geschmack, Bäume mit tief 
gelappten oder nur gezähnten Blättern in allen Uebergangsstadien. Hohen 
Häuptlingen werden nur ganz bestimmte Varietäten vorgesetzt. 


Der Brotfruchtbaum ist schon etwas anspruchsvoller, als die Palme. 
Allerdings verlangt auch er keine Pflege, aber einen guten tiefgründigen 
Boden und Feuchtigkeit. 

Seine Früchte sind roh ungeniessbar. Sie werden im „Samoa- 
Ofen“ erst in schmackafte Nahrung verwandelt. Dies geschieht der- 
gestalt, dass im Freien oder im „Kochhause‘‘ — einer primitiven Hütte — 
über Holzfeuer heiss gemachte Steine um und über die Fruchtstaude 
gelegt, und diese dann sammt den darin eingebetteten Früchten mit 
Blättern bedeckt werden, um ein rasches Abkühlen zu verhindern. 
Wenn dann die Steine abgekühlt sind, sind auch die Früchte gar und 
von einer gerösteten Aussenschicht umgeben. Warm, mit etwas Salz 
genossen, schmecken sie recht angenehm, besonders an Stelle von Brot 
mit Fleisch zusammen. Die Eingeborenen essen sie auch kalt, nur 
einige Tage aufbewahrt, noch sehr gern. Wiederholte Erwärmung ist 


unbeschadet dem Geschmack zulässig. — Sowohl die Früchte wie die 


n 


II. Abtheilung. Obst- und Gartenbau-Section. zu 


Rinde enthalten ein gerbstoffhaltiges Harz, das, besonders Samoa- 
Kinder und Mädchen mit Vorliebe kauen, dabei schnalzende Laute her- 
vorrufend. 

Wenn diese Passion mit sanitärer Absicht der Zahnpflege in Zu- 
sammenhang steht. oder ihrem Einfluss die Pracht und Ausdauer der 
Kauwerkzeuge der Samoaner zu danken ist, dann könnte das Brotfrucht- 
harz geeignet sein, selbst die best reklamirten Mundwässer und Zahn- 
pasten europäischer Geheimkünstler schnell zu verdrängen. 


Das Holz des Brotfruchtbaumes ist von vorzüglicher Qualität, 
Festigkeit und Ausdauer. Es liefert die Pfosten zu den Häusern der 
Vornehmen und besonders zu den Versammlungs- und Berathungshütten, 
für welche deshalb auch der Name ‚fale ulu‘* d. h. Haus aus Brot- 
fruchtvaum üblich ist. 

Durch die französischen Missionäre ist auch der Artocarpus inte- 
grifolia Forst. „Jack fruit tree“ von Tahiti nach Samoa eingeführt. 
Seine bis 15 kg schweren, an Stamm. und Aesten hängenden Früchte 
erfreuen sich jedoch bei den Samoanern keiner besonderen Beliebtheit. 

Hierin, wie auch in Betreff der meisten anderen von den Fremden 
importirten Früchten und Obstsorten zeigt sich der Samoaner sehr konser- 
vativ und seinen altbewährten eigenen Erzeugnissen treu. 


Die Banane. Musa sapientum L. „fai“. 


Diese ausgezeichnete Fruchtpflanze, welche durch ihre schöne, 
fremdartige Form und Blattgrösse, sowie ihre enorme Ertragfähigkeit 
die Bewunderung Alexanders d. Gr. auf seinem indischen Feldzug !) 
und später das Staunen der ersten Forsehungsreisenden hervorrief, hat 
Humboldt zu einer Berechnung ihres Werthes veranlasst. Dadurch 
kam er zu dem Resultat, dass ein Stück Land, mit Bananen bepflanzt, 
sechs Mal mehr Ertrag liefert, als eine ebenso grosse mit Weizen be- 
baute Ackerfläche. 

Auch für die Samoaner ist die Banane von höchstem Werthe. Sie 
wird von ihnen kultivirt; denn sie ist erheblich anspruchsvoller als der 
Brotfruchtbaum. Ihr sagt besonders ein feuchter Grund und von Bergen 
abgeschlossenes, geschütztes sonniges Gebiet zu, die grössten Bananen- 
pflanzungen findet man deshalb auch in den Bergen oder wenigstens in 
einer gewissen Entfernung von der Küste auf quelligem Terrain. Wie 
unsere Vorfahren und die Kolonisten in Gebieten, wo der Wald mit 
seinen Holzschätzen gegenüber den Nahrungs- und Lebensbedürfnissen 
noch nicht als verwerthbares Kapital, sondern lediglich als ein Kultur- 
hinderniss, ein störender Bodenparasit in Betracht kommt, so bedienen 
sich auch die Eingeborenen Samoas des Feuers als billigster und be- 


!) Plinius Hist. nat. lib. XII. Cap. VI. 


DO 


RB Jahresbericht der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. 


u — 


quemster Kraft, um geeignete Flächen in trockenen Zeiten ihren Zwecken 
nutzbar zu machen und gleichzeitig noch aus der Liebich’schen Aschen- 
theorie unbewusst Vortheil zu ziehen. Sie scheuen aber auch nicht die 
Mühe, mit Axt und Buschmesser solche Plätze frei zu legen, um den 
Ansprüchen der Bananenpflanzen gerecht zu werden. Ist der Boden von 
Beschattung und Kräutern befreit und nöthigenfalls durch künstliche 
Gräben entsprechend bewässert, dann werden junge Bananenschösslinge 
zumeist in Reihen und Entfernungen von 2—3 m gepflanzt. Nach sechs 
bis neun Monaten trägt die Pflanze Früchte in Bündeln von 100 bis 
200 Stück, um danach wieder abzusterben unter Zurücklassung zahl- 
reicher neuer Wurzelschösslinge. 

Die Eingeborenen bevorzugen die unreifen Früchte, im Samoaofen 
gekocht. Das von der Schale befreite Fruchtfleisch schmeckt dann süsslich- 
mehlig. Für einen fremden Gaumen ist der aromatische Geschmack einer 
frischen reifen Frucht von mittelgrosser Varietät entschieden angenehmer. 
Wie unter allen Nutzpflanzen haben sich auch unter den Bananen zahlreiche 
Varietäten durch die Cultur herausgebilde. Von der kleinsten 10 cm 
langen und 3 em dicken Varietät mit intensiv orangegelber Schale und 
röthlich-gelbem Fleisch, giebt es alle denkbaren Uebergangsstadien bis 
zu der 17 cm langen und 5 cm dieken Frucht der Musa paradisiaca L.') 
mit gerade aufgerichtetem mächtigem Fruchtstand. 


Auch auf den Kulturländereien der Weissen fehlen Bananen- 
anpflanzungen nicht; denn einmal war der Export nach Neu-Seeland 
und Australien, wie er noch heute von den Fiji-Inseln und von Neu- 
Caledonien in schwunghafter Weise betrieben wird, sehr einträglich und 
ferner sind Bananen für die melanesischen Arbeiter ein werthvolles 
Nahrungsmittel. Vor Jahren wurde auch der Export getrockneter Ba- 
nanen nach unserem Continent versucht. Aber die hier dann auf alle 
denkbaren Methoden wieder in möglichst natürliche Verfassung um- 
gearbeiteten, mit Zucker und Essenzen versetzten, der Schale beraubten 
Früchte haben wenig Anklang gefunden und im Allgemeinen bei uns 
eine recht falsche Vorstellung von dem natürlichen Geschmack frischer 
Bananen verbreitet. 


In neuerer Zeit wird in Italien, in London und unseren Hafen- 
städten und auch in Berlin zeitweise Gelegenheit geboten, Bananen 


frisch vom Fruchtstand für 20—-30 Pf. das Stück zu erstehen und zu 


kosten. Doch auch diese Proben sind wenig geeignet, den Ruf der Ba- 


!) Der Art-Name rührt her von der orientalischen Legende, welche die 


Banane statt des Feigenbaums als Baum des Guten und Bösen und seine Frucht : 


als Ursache des Sündenfalls darstellt. Die riesigen Blätter dienten danach auch 
Adam und Eva, als sie, sich schuldbewusst fühlend, nach dem Sündenfall die 
Nacktheit ihres Körpers empfanden, dazu dieselbe zu verhüllen. 


ii. Abtheilung. Obst- und Gartenbau-Section. 29 


nanen zu erhöhen. Solche Fruchtstände können nur ganz unreif, wo- 
möglich in halber Grösse abgenommen, die lange Seereise von einigen 
Wochen überstehen, ohne völlig zu faulen und werden dann im Zustand 
kläglicher Nothreife als ‚reife Bananen“ dem Publikum angeboten. 
Dass bei uns aber die jetzt als Zierpflanzen so beliebt gewordene Musa 
blüht und sogar völlig normal entwickelte, wohlschmeekende Früchte 
reift, wie im vorigen Jahre im hiesigen Kgl. Botanischen Garten, ist 
noch eine sehr vereinzelte Erscheinung, 

Die Blätter der Bananen dienen den Eingeborenen in mehr- 
facher Weise. Ihre kolossale Grösse und Spreitenlänge von 1—3 m 
macht sie zu einem äusserst bequemen Deckmaterial für Schutzhütten 
im Freien, 20—30 Blätter genügen, um fünf Personen sicheren Schutz 
gegen Regen und Sonnenstrahlen zu gewähren. Den in den Pflanzungen 
arbeitenden Jünglingen oder Mädchen — denn ihnen fällt diese Feld- 
arbeit zumeist zu — bieten sie willkommenes Material zur Schonung ihres 
gekauften Lendenschurzes aus Kattun etc., indem ein oder zwei längs 
der Mittelrippe gespaltene Blätter um die Hüften gebunden, eine recht 
natürliche sittsame Bekleidung darstellen. Zu diesem Zweck werden 
die Blätter zuweilen besonders brauchbar und zweckmässig präparitt, 
indem sie in ihrer ganzen Läuge langsam über ein Feuer oder heisse 
Steine gezogen werden. Dadurch verlieren sie die Turgescenz und die 
damit verbundene Neigung, sich längs der Seitennerven zu spalten. 
Auf dieselbe Weise geschmeidig gemacht und gefestigt sind sie 
auch als Ersatz für Packpapier bei Buschturen und regnerischem Wetter 
überhaupt äusserst werthvoll und für lange Zeit ein sicherer Schutz 
gegen die stärksten Tropengüsse, die, ohne sie zu erweichen oder zu 
beschweren, an ihnen kraftlos abgleiten. 

Endlich sei noch ihre Verwendung als Cigarettenpapier erwähnt, 
worauf ich später zurückzukommen Gelegenheit haben werde. 


Obstbäume. 
Der Melonenbaum — Mammy apple — Carica Papaya L. „esi“. 


Bei uns offieinell bekannt wegen des in seinem Milchsaft enthaltenen 
Papayacin, ist als Baum mit seinem weichen Holz und bis 10 m hohen 
Stamm im Küstengebiet und auf den Pflanzungen weit verbreitet. Die 
melonenartigen, wie Cocosnüsse von der Krone an dem kahlen Stamme 
herabhängenden Früchte enthalten ein angenehm schmeckendes Frucht- 
fleisch und zahlreiche von verschleimter Pulpa eingehüllte schwärzliche, 
nach Kresse schmeckende und riechende hanfsamenähnliche Samen. 
Letztere werden von den Samoanern in Cocosmilch gekocht als Delicatesse 
genossen. Die Blätter üben auf in sie eingehüllte Früchte und Fleisch- 
stücke eine schnell fermentirende, peptonisirende Wirkung aus. Roh 
und gekocht findet man das Fruchtfleisch häufig auf den Tischen der 
Trader und Missionare. 


30 - Jahresbericht der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. 


Die Apfelsine — Citrus aurantium L. „moli“ 
wissen die Samoaner sowohl ihres durststillenden, wie wohlschmeckenden 
Saftes wegen sehr zu schätzen. Man begegnet Apfelsinenbäumen des- 
halb im Küstengebiet sehr häufig. Diese süd- und westasiatische Frucht 
wird nach unseren Begriffen auf Samoa in sehr verschwenderischer Weise 
genossen: Man schält mit dem Messer die äussere gelbe Schale dünn ab, 
schneidet die Spitze etwa thalergross weg und saugt dann den Saft 
heraus, indem man die Frucht mit den Händen zusammenpresst. Die 
tropischen Früchte sind besonders saftreich, während ihre Zellmembran 
zäher und fester erscheint, als die der Mittelmeer-Apfelsinen. Eine der- 
artig ausgedrückte Apfelsine gleicht einem der ihn abrundenden Luft 
beraubten Gummiball. 
Die Mango — Mangifera indica Z. — „mago“.!) 

Die aromatischen Früchte dieses schönsten nach Samoa importirten 
Schattenbaumes der Küstengebiete schmecken beim Genuss zuerst leicht 
nach Terpentin, d. h. erinnern durch ihr Aroma daran, sind aber äusserst 
saftig und wohlschmeckend und überall gleich beliebt. Sie gelten nach 
der wundervollen indischen Mangostane — Garecinia Mangostana L. — 
deren Genuss trotz vieler Versuche, die Früchte transportfähig und ge- 
niessbar zu erhalten, der Königin von England versagt geblieben ist — 
für die schönste Frucht der Tropen. In anderen Gegenden, R&union etc., 
wird der stärkemehlhaltige Same ebenfalls genossen und zur Stärke- 
gewinnung benutzt. 


Die Vi — vi apple — Spondias duleis Forst. „vi“. 

Keine Frucht vermag die Genusslust der Samoaner, besonders bei 
Kindern, in gleicher Weise zu reizen, wie diese. Schon allein das 
Bewusstsein, eine ‚vi‘ zu essen, verleitet die jungen Eingeborenen — wie 
bei uns die Kinder Aepfel und Birnen — diese Früchte unreif von den 
Bäumen zu schlagen und zu werfen. Ihr Geschmack ist sehr angenehm, 
aber durch die stachelartigen Auswüchse der Steinschale in das Frucht- 
fleisch hinein wird der Genuss etwas beeinträchtigt. Gekocht schmeckt 
das Fruchtfleisch unserem Apfelmus sehr ähnlich und wird auch in 
dieser Zubereitung von den Fremden am meisten geschätzt. Dieser 
Fruchtbaum ist jedenfalls auf den Inseln des Stillen Oceans heimisch. 
Dafür spricht besonders eine ihm nahe verwandte, auf Samoa endemische 
Form. ' 

Die Südsee-Kastanie — chest nut tree — Inocarpus edulis 
Forst. — „ifi". 
Die trockenfleischigen Früchte dieses eigenartigen Baumes mit 


wunderbar gefurchtem Stamm werden geschält oder frisch geröstet und 


!) Der Consonant g wird im Samoanischen wie weiches nasales ng gleich 
dem französischen en ausgesprochen. 


ie 


F 


II. Abtheilung. Obst- und Gartenbau-Section. 31 


die Samenkerne dann gegessen. Der Geschmack erinnert in der That 
an unsere echten Kastanien (Maroni). Sie erfreuen sich im tropischen 
Australien besonderer Beliebtheit. 


Katappa — Terminalia katappa L. — umbrella tree „Talie“. 


Die Früchte dieses schönen Schirmbaumes, mit seinen etagenartigen, 
üppigen Laubdächern werden von der faserig-fleischigen Frucht- und der 
harten Steinschale befreit, und die so herausgelösten Samen roh gegessen. 
Ihr Geschmack ist mandelähnlich. 


Der Pandanus — Pandanus sp. „lau fala“. 
Dessen troekene, wohlriechende, orangeröthliche Früchte auf anderen 
Inselgruppen in Zeiten der Noth gekaut werden, spielen auf Samoa nur 
als duftendes Material, zu Halsketten aufgereiht, eine Rolle, als Nahrungs- 
mittel liefernder Baum ist er wohl auch den Samoanern bekannt, kommt 
er aber nicht in Betracht. Wir werden ihm jedoch später als einem 
sehr geschätzten Nutzbaume begegnen. — 

Als Fruchtbäume erst in späteren Jahren durch die Fremden auf 
Samoa eingeführt, verdienen noch erwähnt zu werden: die allgemein 
beliebten Anona-Arten: A. squamosa L. und A. Cherimolia Mill. aus 
dem tropischen Amerika, die Guave — Psidium Guajava Raddi. aus 
Südamerika, die ostindischen Malay apple — Jambosa malaccensis 
D.C., der virginische Sumach oder Essigbaum — Rhus ihyphinum, 
die Butterfrucht — Persea gratissima Gärtn. aus Brasilien und last 
not least die Citronen — Citrus medica Risso. — halb verwildert, 
besonders schön als diehte Hecken verschnitten, und die Mandarine., 

Auch der Weinstock — Vitis vinifera L. fehlt nieht und um- 
rankt die Häuser mancher Weissen mit mächtigen Reben, deren spär- 
liches Laub jedoch deutlich zeigt, wie wenig wohl ihm in diesem 
allzu gesegneten Klima ist und wie sehr ihm die heimathliche Winter- 
rast fehlt. Die ruhelose Entwiekelung raubt ihm die Kraft und Lust, 
Blüthen und Früchte zu treiben, und nur in sehr wenigen Fällen haben 
künstliche Schlafmittel, wie längeres Eingraben des Stockes ete,, einige 
kümmerliche Früchte zu zeitigen vermocht. 

Einige auf Somoa einheimische wilde Muskatnuss-Arten — 
Myristica sp. — haben keine weitere Beachtung gefunden. 


Das Zuckerrohr — Saccharum officinarum Z. — „tolo“ 


sei hier noch erwähnt. Es ist wahrscheinlich von Fiji nach Samoa 
gelangt, jetzt in feuchten Gegenden, besonders in Bananen- und Taro- 
pflanzungen überall verbreitet. Durch Kauen der inneren Fasern, nach 
Entfernung der äusseren verbasteten Schicht mit den Zähnen, und gleich- 
zeitiges Saugen geniessen die Eingeborenen den süssen Saft mit ausser- 
ordentlichem Eifer und Behagen. Selten fehlen Zuckerrohrstengel als 
Reserve-Leckerbissen in den Hütten, oft benutzen Kinder einen Zucker- 


33: Jahresbericht der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. 


rohrstab als Spazierstock, um ihn später den Gelüsten nach Süssigkeit 
zu opfern. 

Eine grössere, praktische Bedeutung hat das Zuckerrohr seiner 
Blätter wegen, die, reitend über lange Stäbe einseitswandig geflochten, 
für Samoahütten und auch Häuser der Fremden als thatch — „lau‘ — 
wie in den Tropen allgemein, das beste Deckmaterial für die Dächer 
liefern. 


B. Krautige Pflanzen. 


Einheimische Kräuter fehlen unter den Samoanischen Phanerogamen, 
abgesehen von einigen wenigen dicotylen Gattungen und Monocoiyledonen 
fast gänzlich. Die krautigen Nutzpflanzen haben erst mit der Civilisation 
ihren Einzug’ gehalten, und sind auch im Wesentlichen Genussmittel der 
Fremden geblieben. Für die Eingeborenen haben nur wenige Arten 
dieser zumeist europäischen Culturgewächse eine Bedeutung erlangt. 
Dies gilt speciell für einige Vertreter der Solanaceen und Cucurbitaceen. 
Von ersteren erfreuen sich der Chilipfeffer — bird’s eye pepper — 
Capsicum baccatum L. — als verschärfendes Surrogat für die Kava 
und einige Solanum-Arten, zum Theil in der Südsee heimisch, wegen 
der intensivrothen Beeren für frische Halsketten und Tanzgürtel ver- 
wendet, besonderer Beliebtheit. 


Der Kürbis — Cucurbita Pepo L. etc. — und die Wasser- 
melone — Citrullus vulgaris Schrad. — werden weniger als direete 
Nahrungspflanzen beachtet, als wegen ihres materiellen Werthes als 
Handelsartikel für die Fremden. 

In den Gärten der Fremden hingegen findet man viele Gemüsearten, 
die lebhaft an die Heimath erinnern. Tomaten aller Varietäten, 
Gurken, Melonen, die verschiedensten Kürbisformen, Erbsen, 
Bohnen, Salat, Kraut, Oberrüben, Rettig, Radieschen, Mehr- 
rettig, selbst Thymian, Estragon, und was mehr die Sehnsucht nach 
heimathlichen Genüssen hierher verpflanzt und allmählich mit theils vor- 
züglichem Erfolg acclimatisirt hat, beweisen, dass nicht nur der Träger 
der Cultur, sondern auch die Culturpflanze sich in fremde Verhältnisse 
zu schicken vermag, wenn es den Kampf um’s Dasein gilt. 


Einer ganz besonderen Beliebtheit erfreut sich bei den Fremden die 
Grenadilla-Frucht der Passionsblume — Passiflora edulis 
Sims. — aus dem südlichen Amerika und Westindien wegen des aroma- 
tischen, äusserst angenehmen Geschmackes des die Samenkerne bei der 
Reife einhüllenden verschleimten Arillusgewebes. Dieser schlüpfrige, die 
Fruchthöhle knapp zur Hälfte füllende Inhalt wird allgemein von den 
Fremden als eine Delicatesse ersten Ranges betrachtet. 


Die ansässigen Fremden knüpfen an ihren ersten Genuss seitens 
uneingeweihter Besucher gern einen kleinen Scherz. Die ganze Frucht 


I. Abtheilung. Obst- und Gartenbau-Section. 33 


selbst sieht derartig appetitlich melonenähnlich aus, dass der Neuling 
auch eine entsprechende Verwerthung vermuthet und meist nur um eine 


halbe Frucht bittet. Der Gastgeber stellt daraufhin eine Frucht aufrecht 


mit einem leichten Ruck auf seinen Teller und bietet dem Gast die 
obere Hälfte an, aus der durch den Stoss sämmtliche Kerne sammt der 
wohlschmeekenden Schleimhülle herabgefallen sind. Natürlich 
versucht der auf diese Weise Missbrauchte in den meisten Fällen mit dem 
Messer dem Fruchtfleisch zu Leibe zu gehen, bis er sieht, dass sein 
Partner sehr bequem mit dem Theelöffel seine Hälfte verarbeitet und 
dabei das Fruchtfleisch verachtet. 


C. Knollen- und Wurzelgewächse. 


Der Taro — Colocasia antiguorum Schoit. — „talo“ und. „taamu“ 
— Alocasia indica Schott. 


Diese beiden riesigen, blattprächtigen Araceen aus dem tropischen 
Asien gedeihen in feuchtem, tiefgründigem Boden und beanspruchen 
eine gewisse, wenn auch geringe Pflege. Das Terrain wird für sie in 
gleicher Weise vorbereitet, wie für die Banane, und meist findet man 
auch Taro und Bananen im Inneren der Inseln zusammen angebaut. 


Auch diese äusserst stärkemehlreichen Knollen werden aus Steck- 
lingen gezogen. Bis zur Reife der Rhizome vergehen 6—12 Monate, je 
nach Art und Grösse der Varietät. Die Rhizome erreichen vielfach ein 
Gewicht von 1—10 kg, gewinnen jedoch nieht mit der Grösse an 
Qualität. Je höher die Anpflanzungen und je sonniger sie gelegen, je 
gleichmässiger sie von frischem Quellwasser durchzogen werden, desto 
besser ist die Qualität, desto trockenstärkereicher werden die Knollen. 
In frischem Zustand ist der im Taro, wie im taamu enthaltene Milch- 
saft giftig und von scharf brennendem Geschmack; besonders gefürchtet 
ist deshalb Alocasia costata „faga“. Ihre Knollen frisch zu essen, galt 
in früheren Zeiten als schwerste Strafe für ein Vergehen oder besiegte 
Feinde. 

Die Rhizome resp. die Sympodien beider Feldfrüchte werden im 
Samoaofen geröstet und nach Entfernung der braunen, leicht angebrannten_ 
Aussenschicht warm oder kalt gegessen. Dabei hat man Gelegenheit, 
sich über den guten Appetit der Samoaner und die Geräumigkeit ihres 
Magens zu wundern; denn sowohl von Brotfrucht, wie auch hiervon sind 
2—3 kg in erstaunlich kurzer Zeit dem Magen einverleibt. 


Während frische Knollen sich nur wenige Tage halten, bleiben sie 


‚geröstet längere Zeit geniessbar. 


Neue, nicht zu grosse stärkereiche Knollen vermögen Kartoffeln 


‘vollkommen zu ersetzen, zumal die von Amerika, Neu-Seeland oder 


1895. 3 


34 Jahresbericht der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. 


Australien nach Samoa kommenden recht oft viel zu wünschen übrig 
lassen. !) 
Auch die jungen Blätter des Taro, frisch ebenso schauderhaft 
brennend wie die Rhizome, schmecken zerschnitten mit junger Cocos- 
milch in ein Stück Taroblatt gewickelt und mit Bananenspreite umhüllt 
auf heissen Steinen gekocht, oder in der Küche der Fremden wie Spinat 
zubereitet, recht angenehm. Dieses Samoagericht, „palusami‘, gilt als 
eine Delicatesse und fehlt nie auf einem samoanischen Fest-Menu. 
Aehnlich diesen Rhizomen ist der Werth und Geschmack auf Samoa 
einheimischer Yam-(Dioscorea-)Arten — ,„ufi‘“ — mit verschiedenen 
Ergänzungen, je nach der Qualität benannt; dieselben wachsen als 
Schlingpflanzen wild im Busch des Inneren. Die oft kolossalen 
Wurzelknollen dieser Gewächse stecken tief in der Erde und ihre Ge- 
winnung ist deshalb nicht allzuleicht. Die Eingeborenen nehmen deshalb 
zu ihnen auch nur ihre Zuflucht, wenn die sonstigen voluminösen Nah- 
' rungsvorräthe auf ihren Pflanzungen durch lange Festlichkeiten?) oder 
Kriege stark mitgenommen sind. Die Knollen werden gleich dem Taro und 


!) Die Cultur der Kartoffel ist mehrfach auf Samoa versucht worden, hat 
aber nie irgendwelche befriedigenden Resultate ergeben, da der ausgezeichnete 
Boden im Verein mit dem Klima auf Kosten der Reserve-Knollen ein rasches Aus- 
treiben von langen Sprossen und schnelles Absterben dieser üppigen Triebe 
hervorruft. 

2) Die Samoaner führen unter sich eine Art Nomadenleben, indem die Gast- 
freundschaft, in ganz abnorm hohem Maasse entwickelt, häufige Besuche, nicht 
nur Einzelner oder von Familien, sondern ganzer Ortschaften zeitigt. Der Impuls 
zur activen Ausübung eines solchen, einer Auswanderung gleichenden Besuches 
trägt nicht selten einen recht materiellen Charakter; oft entspringt er z. B. einem 
zeitweiligen localen Mangel an Nahrungsmitteln. Tritt ein solcher in einer Ort- 
schaft ein, dann wird eine „Malaga“, d. h. Verwandtenreise, beschlossen. Alle 
Dorfbewohner bis auf alte Männer und Frauen und kleine Kinder schnüren ihr 
Ränzel, d. h. packen einige Geschenke, feine Matten, Stoffe, Kava, Fische oder dergl. 
in Körbe und Siapos (vergl. pag. 39), fangen vorher im Busch der Berge einige 
Schweine und begeben sich wohlgemuth auf die Wanderschaft nach einem befreun- 
deten Dorf, den Aeltesten die Aufsicht über die Jüngsten und die Pflanzungen 
überlassend. Mit Freuden werden die Besucher, oft 100 oder noch mehr, von der 
befreundeten Ortschaft empfangen. Nach Uebergabe der mitgebrachten Geschenke 
treten die so Ueberfallenen als Gastgeber in ihre Rechte, und es beginnt nun eine 
Reihe festlicher Tage, üppigen Schwelgens, ausgelassener Heiterkeit und Be_ 
lustigungen, wobei nicht eher aufgehört wird, als bis die durch eine Malaga 
Geehrten sich auf demselben Standpunkt befinden, der bei ihren Gastfreunden die 
Reiselust wach rief. Damit finden die Freuden ihren Abschluss. Inzwischen aber 
haben sich die Vorräthe im verlassenen Dorfe wieder gemehrt, und die Expedition 


kehrt dahin zurück, nun ihrerseits mit demselben Vergnügen einer Umkehrung des 


Bildes entgegensehend. Auf diese Weise wird gewissermaassen ein ununter- 
brochener Kreislauf des Verkehrs erzeugt, aber auch die Gastfreundschaft in 
hohem Maasse cultivirt. ‘ 


I. Abtheilung Obst- und Gartenbau-Section. 35 


iaamu zubereitet, schmecken ähnlich, nur weniger mehlig, und sind an 
ihrer bläulichen Farbe leicht kenntlich. 

Eine Dracaene —- Cordyline ‚ti‘ wird wegen ihrer süssen, knollig 
verdickten Wurzeln besonders in trockenen Gegenden angepflanzt und 
in guten Zeiten von der Kochkunst der Samoaner zu einem wohl- 
schmeckenden Gericht aus Cocosmilch und Brotfrucht verwendet. In 
schlechten Zeiten dienen die Wurzeln ebenfalls als Nahrungsmittel. 

Die vielfach bunten röthlichen Blätter dieser kleinen Bäumchen 
werden zur Herstellung von luftigen Tanzgürteln, ‚‚titi“, den Lenden- 
schurz ersetzend, benutzt. 

Durch die Missionare ist auch Manihot utilissima Pohl — „ufi 
papalagi“, d. h. fremder Yam — in Samoa eingeführt, hat aber bei 
den Eingeborenen ebenfalls keine besondere Werthschätzung gefunden. 
Diese Thatsache ist bei der grossen Beliebtheit, welcher sich diese 
Knollen sonst überall erfreuen, wohl auffallend, aber durch die Güte der 
eigenen Landesproducte zu erklären. 

Das Samoabrot — „masi“. Zu Zeiten des Ueberflusses, wenn die 
Samoaner Mangel an vegetabilischer Nahrung zu erwarten haben, besonders 
nach Beendigung der Regenzeit, pflegen sie allerhand Früchte: Brot- 
frucht, Bananen, Taro, in Erdgruben, die mit Blättern von Bananen und 
der Carica Papaya ausgelegt sind, einzulegen und dann wieder, mit 
Blättern abgeschlossen, zuzudecken. So überlassen sie den Inhalt dieser 
Speicher der Gährung, zu der die Caricablätter wesentlich fördernd bei- 
tragen. Wenn der Gährungsprocess beendet, das Ganze sich gesetzt und 
abgekühlt hat, dann ist das ‚‚masi“ oder Dauerbrot — der Name wird 
jetzt auch für die sehr beliebten Schiffszwiebacks angewandt — fertig. 
Je nach Bedarf werden die Gruben geöffnet. Der gesohrene Fruchtteig 
wird dann entweder schon frisch gegessen oder zuvor geröstet.. Die 
Masi-Saison macht sich in wenig angenehmer Weise dem Fremden durch 
den penetranten Gährungsgeruch, der auf weite Entfernungen die Luft 
und Häuser erfüllt, fühlbar. Er erinnert halb an den der Melasse eigen- 
thümlichen, halb an den von Lohgerbereien ausgehenden Duft. Euro- 
päischen Nasenschleimhäuten wird es schwer, sich daran zu gewöhnen. 

Bei dieser conservirten Nahrung verschmerzen die Samoaner völlig 
den Mangel sonst gewohnter Früchte, zuma! selbst in Zeiten des Ausfalls 
derselben die See und der Wald ihnen den Tribut an Fischen, Tauben 
und Schweinen nicht vorenthält, sondern noch in reichem Maasse sogar 
für Abwechselung auf dem täglichen Speisezettel sorgt. — 

Nun bleiben noch 2 specifische Genussmittel zu erwähnen: die 
Kava und der Tabak. Die ‚„ava‘“-Staude — Piper methysticum Forst, hoch 
in den Bergen heimisch, aber an der Küste nur sehr selten blühend, 
enthält in ihrer Wurzel das Alkaloid, welches — als Methystiein bei uns 
jetzt bekannt geworden — zur Darstellung des Nationalgetränkes der Süd- 

3*# 


Se Jahresbericht der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. 


a 


see - Insulaner, der ,„Kava‘‘ dient, das sie aus der gekauten, zer- 
klopften oder zerriebenen Wurzel durch Wasser auslaugen und durch 
ein Bastbündel filtrirt aus Cocosnussschalen trinken. 

Die Zubereitung dieses Nationalgetränkes der Südsee - Insulaner 
ist bereits so vielfach beschrieben worden, dass ich hier nur kurz darauf 
hinweisen will: 

Der halboberirdische Wurzelstock einer 3—5jährigen Kava-Staude 
wird zertheilt und in der Sonne getrocknet. Bei guter Qualität müssen 
die Stücke an den Bruchstellen hell-weissgrau aussehen und frei von 
schimmelhaftem Geruch sein. Ein oder mehrere solcher Stücke werden 
dann in der früher allgemein üblichen Weise von Mädchen, Jünglingen 
oder bei ganz’ besonderen Anlässen von Häuptlingen gekaut oder in 
einem schüsselartig vertieften Basaltblock mit einem runden Steinstück 
feingeklopft. In neuster Zeit wird vielfach das Reibeisen als bequemeres 
Mittel zum Zweck benutzt. Die auf eine dieser drei Methoden zer- 
' kleinerte Holzfaser wird alsdann in einer auf 4—12 Füssen stehenden 
aus einem Stück geschnitzten Holzschüssel — Kava-bowle „tanoa‘“ — 
mit Wasser einige Zeit lang durch Kneten mit den Händen vermischt 
und ausgelaugt. Darauf werden in geschickter Weise mittelst eines 
Bastfilters aus Hibiseusrinde die Holztheilchen entfernt. Der flüssige Rück- 
stand in der tanoa behält nach dieser ausgezeichneten Filtration eine 
hellbraune Farbe. In einer schön polirten oberen Schalenhälfte einer 
Cocosnuss wird das Getränk alsdann den Gästen und männlichen Haus- 
bewohnern nach Rang und Würde kredenzt. Die Austheilung wird mit 
Aufrufen des jeweiligen Empfängers, bei officiellen Gelegenheiten stets 
mit Aufruf von Namen und Titeln mit längerer Ansprache an den be- 
treffenden Gast oder Häuptling verbunden. | 

Der erste Genuss der Kava, besonders nach der alten Methode zu- 
bereitet, ist für den Fremden ein zweifelhafter. Das Urtheil lautet 
ziemlich einstimmig wenig schmeichelhaft für das Getränk: „ungefähr 
wie Seifenwasser“! Der angenehme Nachgeschmack verleitet jedoch zu 
neuen Proben, die dann schliesslich zu der Ansicht führen, dass die 
Nachwirkung und vor allem die ausserordentlich durstlöschende Eigen- 
schaft des braunen Gebräus wohl des ersten leichten Widerwillens werth 
sei, zumal sich ersterer sehr bald gänzlich lest. 

An dieser Stelle möchte ich die vielfach durch frühere 
Erzählungen verbreitete Ansicht, dass dies Getränk be- 
rauschend wirkt und dadurch seine Beliebtheit und Bedeu- 
tung zu erklären sei, in Abrede stellen. Bei übermässigem 


Genuss übt die Kava allerdings einen wahrnehmbaren Einfluss auf deu, 


Organismus aus, der sich als abstumpfender Effect auf das Gehirn und 
die Beine, sowie nach frischer ungetrockneter Kava als Kopfschmerz und 
eine allgemeine Erschlaffung geltend macht. Von Kava betrunkene 


MT 


II. Abtheilung. Obst- und Gartenbau-Section. 37 


Samoaner oder Fremde, denn gerade unter Letzteren giebt es ausser- 
ordentliche Liebhaber dieses braunen Genussmittels, habe ich während 
meines 2jährigen Aufenthalts unter dem Volke nie gesehen und ver- 
geblich, darauf vorbereitet, auf ein Eintreten der Symptone beginnender 
Betrunkenheit oder Berauschtheit gewartet. Die normalen Folgeerschei- 
nungen hingegen habe ich deutlich wahrnehmbar nur an mir selbst be- 
obachtet und verfolgt. 

Der Tabak ‚utufaga“ hat auch bei den Samoanern sehr schnell 
Eingang und Beliebtheit gefunden, und ist zu einem ihrer grössten Be- 
dürfnisse und unentbehrlichsten Genüsse geworden. Auf seine Cultur 
auf bestem Boden verwenden sie viel Sorgfalt. Selten fehlen Tabak- 
pflanzen in der Nähe der Häuser und Wohnplätze. Die Eigenartigkeit 
seiner Zubereitung und Art des Rauchens lassen darauf schliessen, 
dass sie entweder sehr originelle Lehrmeister in beiden hatten 
oder früher schon Raucher waren, als die Tabakpflanze nach ihren 
Inseln gelangte. Die gut entwickelten ausgebildeten Blätter werden bei 
gutem Wetter an Leinen aufgehängt in der Sonne oder im Hause unter 
dem Dach angebracht — getrocknet, danach wieder leicht angefeuchtet 
und fest zu mehr oder weniger dicken 20—40 cm langen Stäben auf- 
gerollt. 4, 8 oder viele dieser sich nach den Enden zu verjüngenden Rollen 
werden aisdann mit einem aus Hibiscusbast geflochtenen starken Bind- 
faden, nachdem Pandanusblatthälften um das ganze Gebund in der 
Längsrichtung gehüllt sind, äusserst fest umwickelt und zusammen- 
geschnürt. In diesen Packeten macht der Tabak alsdann die Gährung 
durch und nimmt eine dunkelbraune Farbe an. 

Wenn genügend gelagert, wird er alsdann in Gebrauch genommen, 
enthüllt, wieder getrennt, was oft ziemliche Kraftanstrengung erfordert, 
und stückweise mit dem Messer abgeschnitten, aufgebraucht. Diese 
letzte Nutzanwendung geschieht in der Weise, dass Blattstücke von dem 
Abschnitt abgelöst, in kleinen Dosen auf slimmende Holzspähne für 
einige Secunden zum Trocknen gelegt und dann in schmale etwa 4 cm 
breite und 12 cm lange getrocknete Streifen von Musaspreite oder 
lieber solchen einer Heliconia eingehüllt, sehr ähnlich unseren Ciga- 
reiten, meist auf dem Oberschenkel gedreht werden. Ist diese Arbeit 
— im Hause zumeist von Mädchen oder Frauen — besorgt so raucht die 
Verfertigerin die Cigarette „selui‘ an einem glimmenden Spahn an und ; 
präsentirt sie dann brennend dem Gast oder den anwesenden Häuptlingen. 

Wenn die Samoaner jetzt nach der Erntezeit vor der feuchten 
Jahreszeit der Tabak fertig präparirt haben, tauschen sie ihn gegen 
Handels-Artikel auf den Stationen nnd in Läden der Weissen ein oder 
verkaufen ihn für 1-3 Mark das Packet, um es später wieder mit er- 
heblichem Preis- Aufschlag durch Kopra zurückzuerwerben. Sie geben 
so den Vorrath, allerdings gegen erhebliche Gebühren, in Aufbewahrung, 


Jahresbericht der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. 


os 
[04] 


II. Anderweitige Nutzpflanzen. 
A. Material für Flechtarbeit. 


a. Matten. Abgesehen von den bereits aus Cocoswedeln herge- 
stellten groben Flechtarbeiten, bestehend in Essmatten, Hausvorhängen und 
Körben, werden auch feinere Matten aus schmalen Streifen der Cocos- 
fiedern geflochten. 

Der Pandanus ‚‚laufala“ d. h. Mattenbaum) liefert das eigentliche 
Material für die groben Gebrauchsmatten (,fala“) mit denen des 
Steinfussboden in den Häusern bedeckt wird, um das Sitzen auf dieser 
an sich etwas unangenehmen Unterlage zu ermöglichen. Mehrere 
solcher läuferartiger Matten, je nach Bedarf, neben und übereinander aus- 
gebreitet, eliminiren den Druck der kleineren Steinchen völlig und ge- 
währen eine angenehme Decke. 

Für solche Matten werden die frisch von den Bäumen herabge- 
rissenen oder zerschnittenen Blätter des Pandanus zunächst in der Sonne 
leicht getrocknet, danach wieder durch Anfeuchten geschmeidig gemacht, 
von der Mittelrippe getrennt und in 1—2 cm breite Streifen zerlegt oder 
gefaltet. Diese Streifen werden alsdann kreuzweis, von einer Ecke aus- 
gehend, zu ,—2 m breiten und 4—6 ın langen oder anderweitig ge- 
stalteten Matten fest und dicht verflochten. 

Solche Matten sind von enormer Festigkeit und Ausdauer. 

Feinere Matten werden aus den Blättern von Freycinetia oder 
auch vou Pandanus caricosus Rumph. hergestellt. 

Feine geschmeidige Matten mit breiten Streifen liefert die nach 
mehrtägigem Liegen vorher getrockneter Blätter ganz oder in Streifen 
abgezogene Epidermisschicht des Pandanus. 

Auf dieselbe Weise werden dünnere und schmale, herab bis 2 mm 
breite Streifen von einer Pandanusart „lauie‘“- Deckenblatt und von Frey- 
cinetia- „‚eie“-Blättern für Herstellung der feinen und feinsten Matten 
„ie toga‘“ d. h. „Tongadecken‘ präparirt. Schon allein das Einsammeln, 
Trocknen, Wässern und Spalten des Materials und das Abtrennen der 
Epidermis erfordert eine lange Zeit und viel Mühe und Sorgfalt. Auch 
das Verflechten der feinen, zarten Streifen ist äusserst müksam und kunst- 
voll und schreitet nur sehr langsam vor. Um ein Stück dieser feinen 
Matten von etwa 40 gem. fertig zu stellen, ist sehr viel Material an 
Blättern erforderlich und die Anfertigung einer grossen ie toga nimmt 
in Folge dessen viele Monate, ja Jahre in Anspruch. Ihr Werth ist 
unschätzbar. Nur durch einen glücklichen Zufall gelangt der Fremde in 
den Besitz einer solchen feinen Matte. Käuflich ist eine gute ie toga 
nicht unter 25 Doll., d. s. 100 M., zu erlangen, wohl aber fordern die 
sie besitzenden Häuptlinge 100 Doll. und mehr dafür. 

b. Körbe, Fächer. Aus den Blatt- und auch Epidermis-Streifen 
der Cocospalme, des Pandanus von Freyeinetia und Hibiscusbast ver- 


II. Abtheilung. Obst- und Gartenbau-Section. 39 


stehen die Samoaner in bewunderungswürdiger Mannigfaltigkeit geschmack- 
volle leichte aber feste Körbehen in allen Grössen und ebenso praktische 
wie zierliche Fächer für den eigenen Gebrauch, sowie in neuerer Zeit 
zum Verkauf an Fremde herzustellen. 


B. Bekleidungstoffe. 


Aus der breitgeklopften und durch die Stärke der Knollen von 
Tacca pinnatifid«a Forst — „‚masoa‘‘ aneinandergeklebten Bastschichten 
von Böhmerien und Pipturus gewinnen die Samoaner ihre gewöhn- 
lichen Stoffe ‚‚tapa‘“ oder ‚„siapo“, die vor dem Einzug der Civilisation 
ihre wesentlichsten primitiven Kleidunssstücke lieferten. Diese Bast- 
stoffe, welche sie in Stücken von ungeheurer Grösse anfertigen, werden 
auf geschnitztem Holz ‚„papa“ oder auf mit Cocoszwirn und -Bindfaden 
benähten Unterlagen mit braunrothen Mustern versehen und dann noch 
gelb, roth oder schwarz in verschiedenen Schattirungen mit Holzstäben 
bemalt. Ä 
Diese Stoffe erfüllen noch weitere Bedürfnisse. Sie dienen als 
Moskitonetze und Hüllen für werthvolle Gegenstände etc. 

Aus der Bastfaser des Cypholophus macrocephalus Wedd. 
„faupata“ werden durch mehrfaches Waschen und Bleichen derselben werth- 
volle Ziegenfellen ähnliche feine Decken ‚‚ie sina“ d.h. „weisse Decke‘ 
geflochten, die als Unterlagen und Lendenschurz bei festlichen Gelegen- 
heiten eine grosse Rolle spielen. Diese Decken werden wie die ie toga 
nicht für den Verkauf gefertigt, sind aber durch Zwischenhändler für 
30—80 M., wenn auch schwierig, zu erlangen.) 


Der Hibiscus tiliaceus L. ‚‚fau“ hat für die Eingeborenen der 
paeifischen Inseln als Nutzbaum grossen Werth. Die äussere Bastschicht 
seiner Rinde wird zur Anfertigung von Bindfaden, Leinen, Oelpressen etc. 
benutzt, die inneren hellen Schichten, in Streifen spiralig aufgerollt oder 
gefiochten, dienen als Franzen der Tanzgürtel „tt“. — Aus dem Bast 
besonderer Varietäten werden fellartige braune Lendenschurze ‚‚titi fau“ 
gewonnen, welche Tänzer bei besonderen Gelegenheiten tragen. !) 


C. Nutzhölzer. 


Samoa besitzt unter seinen Waldbäumen viele, welche in verschie- 
dener Beziehung werthvolles Holz liefern. Glücklicherweise erschweren 
die Terrainverhältnisse deren rationelle Ausnutzung seitens der Fremden, 
sonst stände zu befürchten, dass die Axt sehr schnell die stolzesten 


») Alle diese alten typischen, ethnologischen Stücke werden von Tag zu Tag 
seltener, ihr Affectionswerth bei den Eingeborenen sinkt, und sie wissen sehr wohl, 
dass der Tauschwerth der Gegenstände in einem sehr ungünstigen Verhältniss zur 
Zeit und Mühe der Anfertigung steht, und, dass sich der Gewinn durch Kopra 
erheblich schneller und leichter erzielen lässt. 


40 Jahresbericht der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. 


Zierden des Urwaldes vernichtet haben und Lücken in das dichte 
smaragdgrüne Gewand der Inseln reissen würde. 

Sowohl in Bezug auf Festigkeit, Gewicht, Dauerhaftigkeit, wie auf 
Färbung sind alle Abstufungen vorhanden. Vom leichten weissen, jungen 
Hibiseus und der Erythrina indiea Lam. bis zum dunkelbraunen, unspaltbaren 
eisenfesten Holz der Afzelia bijuga A. Gr., Casuarina und einer Ebenacee 
fehlt es kaum an Uebergangsstadien. Dazu kommt der regelmässige kerzen- 
srade Wuchs und die hohe Krone der meisten Stämme. Für alle Be- 
dürfnisse ist Material vorhanden, und die Fremden haben schon mehr 
denn einmal auf ausführbare Mittel gesonnen, um sieh diesen Schatz 
nutzbar zu machen. 

Die an Unvergänglichkeit grenzende Dauerhaftigkeit einiger Holz- 
arten, wie das. der Afzelia bijuga, einer Casuarina und Gareinia sowie 
des Calophyllum, Artocarpus ete. erinnert unwillkürlich an die Mumien- 
särge der alten Aegypter, deren Holz von der Sycomore (Ficus Syco- 
morus L.) Jahrtausende hindurch dem Zahn der Zeit getrotzt hat. — 
Auch die Samoaner pflesten früher den Körper hochstehender Familien- 
mitglieder zu mumifieiren und, in Bananenblätter und Baststoffe gehüllt, 
in ausgehöhlten Baumstämmen oder Kriegscanus aufzubewahren. Durch 
die Missionare ist dieser alte Brauch fast verdrängt, wenn auch noch 
nicht ganz ausgerottet. Nur zweimal bot sich mir Gelegenheit, letzte 
Spuren von ihm zu konstatiren. In beiden Fällen aber zeigte man mir 
keine Mumien, sondern in Decken und Matten eingewickelte Skelette, 
verpackt in genähte Holzkisten aus rohen Brettern des Brötftuckibalfiale 
Die darin aufbewahrten Knochenüberreste stammten nach Aussage der 
Angehörigen von. Häuptlingen, die längere Zeit im Grabe gelegen hatten 
und dort skelettirt waren. 

Eine besonders praktische Bedeutung hat das Holz abgestorbener Aeste 
. und Stämme der Erythrina indieca Lam. bei den Samoanern erlangt. 
Es dient in den Häusern als ausdauernder Zunder, als Feuerspeicher, 
da es die Eigenthümlichkeit besitzt, ohne Flammen aufkommen zu lassen, 
angezündet ganz langsam weiter zu glimmen und zu verkohlen. 

In den Schluchten und Flussthälern stösst man häufig auf dichte Bam- 
busgebüsche (Bambusa vulgaris Schrad.), deren oberarmstarke Triebe 
früher, als noch nicht die Kopra, sondern das bereits ausgepresste Oel 
exportirt wurde, als Sammel- und Transportgefässe für dasselbe von 
den Eingeborenen in sehr einfacher Weise verwendet wurden, indem die 
Querwände der Knoten bis auf die unterste durchstossen wurden. — 
Ausgespaltene Internodialstücke dienen noch heute als Rasirmesser, 
wo sie nicht bereits durch Glasscherben oder moderne Instrumente ver- 
' drängt sind. Die Ränder solcher Bambussplitter sind ausserordentlich _ 
scharf und dem stumpfen Handwerkszeug eines civilisirten Friseurs sicher 
vorzuziehen. — Bei der allgemein üblichen Cireumeision tritt das Bambus- 


II. Abtheilung. Obst- und Gartenbau-Section. 41 


messer noch heute ziemlich unbestritten in seine Rechte. — Aus 
dünneren Bambustrieben stellen die Eingeborenen sehr sinnig Löffel her, 
indem sie ein Stück mit dem Messer herausspalten, sodass das Inter- 
nodium mit seiner Querwand das eine Ende des hohlen Stückes ab- 
schliesst. Nachdem die scharfen Kanten noch mit dem Messer entfernt 
sind, vermag ein solches Stück Bambus bei einigermaassen sachgemässer 
Benutzung sehr wohl einen Löffel zu ersetzen. 

Die Fremden errichten sich mit Vorliebe luftige Bambushäuser, 
deren Wände aus gespaltenen, breitgeklopften, hübsch und dicht ge- 
flochtenem Bambus hergestellt‘) und durch Holzpfosten gefestigt sind. 
Diese mattenartigen Wände gestatten der Brise Zutritt in das Innere, 
jedoch nicht dem Regen. Ein diehtes Dach aus Zuckerrohrblättern hält 
erfolgreich den wärmenden Einfluss der Sonnenstrahlen ab. Besonders 
die in Missionszwecken auf Samoa lebenden Mormonen, leben in solchen 
billig und schnell herstellbaren Häusern. 


D. Farbpflanzen. 

In Bezug auf Farben waren die Samoaner scheinbar von jeher nicht 
besonders anspruchsvoll. Es hängt dies vielleicht damit zusammen, dass 
die Natur selbst ihnen wenig Anregung zur Ausbildung der Farben- 
empfindung in der Farbenpracht der Flora bietet, denn auffallend bunte 
oder intensiv gefärbte Blüthen sind selten. Die weisse, gelbe, gelblich- 
grüne Farbe ist vorherrschend, scharfe Farbencontraste und mehrfarbige 
Blüthen fehlen fast gänzlich. Die kolossale Ueppigkeit der Blattent- 
wickelung findet mit wenigen Ausnahmen auf Kosten der Blüthenpracht 
statt, 

Die hauptsächlichsten Farbentöne, welche die Eingeborenen an- 
wenden, sind gelb bis schwarz; alle Zwischen-Nuancen dieser beiden 
Grundfarben gewinnen sie mit wenigen Ausnahmen durch Mischung der- 
selben Stoffe. | 

Die schwarze Farbe stellen sie sich aus Russ durch Verbrennen 
von Lichtnussöl (Aleurites moluccana ‚‚ama‘‘) her, welchen sie 
auffangen und mit Cocosöl verreiben. Gelben Farbstoff ‚„lega“ bietet 
ihnen das Rhizom der Curcuma longaL. „ago“, deren Farbstoff sie mit 
ockerfarbiger, vulkanischer, fein zerrieberer Erde mischen. Diese beiden 
Grundstoffe alsdann in verschiedenen Verhältnissen gemischt, ergeben die 
häufigsten vorkommenden Schattirungen von gelb, gelbhraun, schwarz- 
braun bis schwarz. Mit diesen Farben drucken und bemalen sie ihre 
„tapa‘“ oder ‚„siapos“. 


!) Derartige Verwendung des Bambus ist aus Asien besonders seit den älte- 
sten Zeiten bekannt und interessant an den Pagoden Indiens, speciell Siams, wo 
Bambusgeflechte nicht nur als Schutz, sondern in verschiedenen Variationen der 
Anfertigung auch als Schmuck der kunst- und geschmackvollen Tempel dienten 


42 Jahresbericht der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. 


Die in anderen Pflanzen, wie Morinda, Cordia, Bixa etc, ent- 
haltenen Farbstoffe spielen keine wesentliche Rolle. 


E. Gift- und Arzneipflanzen. 


Specifisch giftige Pflanzen sind auf Samoa wenig vertreten. Wohl 
enthalten zahlreiche Gewächse Alkaloide und auch schädlich auf den 
Organismus wirkende Substanzen, wie besonders einige Euphorbiaceen, 
darunter Phyllanthus simplex Relz., ferner Barringtonia speciosa Linn., 
Tephrosia piscatoria Pers., die ausgezeichnete Betäubungsmittel für Fische 
liefern und deshalb zu deren Fang benutzt werden, indem die zer- 
klopften Rindentheile, Blätter oder Samen, in Bananenblatt gewickelt, 
dort in das Meer, besonders unter Felsen, gesenkt werden, wo reiche 
Beute zu erwarten steht. 


Wenn die Eingeborenen starke Gifte in vernichtender Absicht auf 
Menschen oder Thiere — mit Vorliebe auf wachsame Hunde — an- 
wenden wollen, so nehmen sie ihre Zuflucht zu solchen Fischen,') die 
an sich giftig sind, oder in ihren Verdauungsorganen starke Gifte bilden. 
Für die Gelehrten in der Heilkunst hingegen bietet die Vegetation 
mannigfache Schätze, und das Studium natürlicher „Geheimmittel‘ hat 
dieselben der geheimnissvollen Sprache des Waldes erfolgreich abge- 
lauscht. Die wenigen Auserwählten unter dem Volke beiderlei Geschlechts 
wissen die ihnen gewährte Bevorzugung und das Vertrauen der Bäume 
und Pflanzen wohl zu schätzen und geheim zu halten. Es ist ausser- 
ordentlich schwierig, viel darüber aus ihnen herauszubekommen. — Sie 
wenden innerlich und äusserlich Heilmittel an. Erstere in Form von 
Getränken durch Auslaugen der betreffenden verfeinerten Rinde, Holz- 
theile oder Blätter in Wasser; letztere als Einreibungen oder Com- 
pressen, als Augenwasser etc. — Die sachgemässe Anwendung und 
Wirksamkeit einiger solcher Medieinen und Einreibungen ist nicht in 
Abrede zu stellen. Die häufigsten Krankheitserscheinungen sind fieber- 
hafter Natur, Hautausschläge oder Augenentzündungen, Organische 
Leiden sind relativ selten. Dahingegen begegnet man häufig Fällen von 
Elephantiasis in wahrhaft ungeheurem Maasse. 


Die am häufigsten und erfolgreichsten angewandte Pflanze von 
antifebriner Wirksamkeit ist Premna Tahitensis Schauer und Olerodendron 
inerme R. B. („aloalo atai“), deren Blätter als Decoct eingenommen werden. 
Gegen Augenentzündungen, eine Blennorrhoe, besonders bei Kindern 
häufig und mit hässlicher Eiterung verbunden, wird ein Decoct von 


!) Vertreter aus der Familie der Sclerodermen (Balistes- und Ostracion-Arten) 
— die riffbewohnenden Dascyllus-, Pomacentron- und Glyphidodon- und besonders 
eine Myliobatisart. 


II. Abtheilung. Obst- und Gartenbau-Section. 43 


Terminalia-Blättern, womit Siapostoff getränkt ist, aufgelegt oder auch 
Oel aus dem Samen des Calophyllum inophyllum L. eingeträufelt. 

Bei Zahnschmerzen, einer allerdings seltenen Erscheinung, werden 
die fein zerriebenen Blätter des Polypodium dilatatum Wall. hinter dem 
Ohre aufgelest. Eine interessante Erscheinung, da sie mit unseren 
vulgären Anschauungen und Methoden sich deckt. 

Als äusserliche Arznei, besonders gegen Ausschläge und Hautwundeny 
spielen einige Flechtenarten, besonders Usnea articulata Hoffm. — ‚limu 
mea‘‘ — gekaut aufgelegt, eine grosse Rolle, und diese mit Gährungs- 
und Fäulnisserregern künstlich infieirten Breie scheinen in der That eine 
reinigende Wirkung auf den Organismus und heilenden Einfluss auszu- 
üben. Asepsis scheint eben nur eine moderne Nothwendigkeit für einen 
durch die Cultur degenerirten Organismus zu sein. Dies fällt in beson- 
derem Maasse bei der sehr ähnlichen Wundbehandlung auf. Dass An- 
wendung von Antisepsis auch bei den Samoanern die Heilung befördert 
und beschleunigt, widerspricht dieser Annahme noch nicht, dass aber 
die Natur dieser Naturkinder nicht nur den natürlichen Infectionskeimen, 
sondern auch den künstlich zugeführten Fermenten und Bacterien zu 
widerstehen vermag, das könnte sie in hohem Grade stützen. 


Das Vertrauen der Samoaner auf ihre Heilkünstler verliert sich stetig 
mehr zu Gunsten des Ansehens der ärztlichen Vertreter der Civilisation. 


III. Die Cultur und Culturpflanzen auf Samoa. 


Der Schwerpunkt erster kaufmännischer und colonisatorischer Inter- 
essen auf allen Südsee-Inseln concentrirte sich auf die Cocospalme; 
ihrem Gedeihen auf ausgedehnten Flächen zu Nutzen möglichst hoher 
Erträge wurden schon in den fünfziger Jahren von den Pionieren im 
Stillen Ocean der einst weltberühmten Hamburger Firma J. C. Godeffroy 
und Sohn die ersten rationellen Pflanzungen auf Samoa angelegt, und 
die Erbin dieses Handelshauses, die „Deutsche Handels- und Plantagen- 
Gesellschaft der Südsee-Inseln zu Hamburg“, setzte die Colonisations- 
bestrebungen in musterhafter Weise fort. 


Mit Hilfe Hunderter von melanesischen Arbeitern, für diese Zwecke 
angeworben, wurden grosse Flächen von Urwald, Busch und Unkraut 
befreit und Baumwolle als Vorarbeiter vorausgeschickt, um dem jungen 
Boden schon Erträge abzugewinnen, bis die zwischen die Baumwoll- 
stauden gepflanzten Cocospalmen diese Aufgabe übernahmen. So sind 
im Laufe der Jahre ca. 3000 ha Land urbar gemacht worden. 


Die Baumwolle lieferte schnell und dauernd die besten Erträge und 
zeichnete sich durch vorzügliche Qualität auf dem Markte aus. Durch 
Maschinen wurde sie von den Samen befreit, in grosse Ballen verpackt 
und so von den Segelschiffen nach Europa gebracht. 


44 Jahresbericht der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. 


Seit mehreren Jahren sind die Pflanzungen der ungünstigen, un- 
sicheren politischen Verhältnisse wegen nicht mehr vergrössert worden, 
Die jüngsten Palmen-Neuculturen stehen kurz vor dem Beginn der 
Erträge, und die Baumwolle ist deshalb aus ihrem Dienst auf Samoa 
entlassen worden, ausgerissen oder abgeschlagen, und die keineswegs 
geringe Arbeit des Jätens der Cocosanlagen beginnt mit ihrer Entfernung. 

Die abgefallenen reifen Cocosnüsse werden von den Arbeitern, den 
„Eseljungen“, in bestimmten Zeitintervallen zusammengesucht, mit dem 
langen Buschmesser angespiesst und in Körbe aus Eisengeflecht geworfen, 
welche je ein Esel auf beiden Seiten des Rückens trägt. Die Cocos- 
palmen stehen, wie alle Culturpflanzen auf den Plantagen, in geraden 
Reinen. Parallele Wege durchkreuzen die Pflanzungen und nach ihnen 
werden die Nüsse durch die Esel getragen, dort in Haufen zusammen- 
geworfen und dann von Ochsenwagen auf die Stationen oder direct zu 
den Copradarren geführt. Dort werden sie mit der Axt aufgespalten. 
Unter einem grossen Schutzdach schneiden Weiber und weniger kräftige 
Männer den Kern heraus. Die frische Copra gelangt dann auf Draht- 
horden in die Trockenkammern der Darre, aus denen sie nach 18 bis 
24 Stunden wohl getrocknet, leicht geröstet, als fertige Handels-Copra 
in die Copra-Schuppen überführt, dort aufgespeichert und s. Z. auf 
Segelschiffe verladen wird. Neben dieser Darren-Copra wird wie von den 
Eingeborenen auch auf den Pflanzungen noch Sonnen-Copra getrocknet. 
Diese Methode tritt jedoch durch die grösseren Schwierigkeiten, welche 
aus der dauernden Beaufsichtigung, der Gefahr des Nasswerdens durch 
plötzliche Regenschauer und durch den mehrtägigen Trockenprocess 
erwachsen, immer mehr zurück gegenüber dem äusserst einfachen, 
schnellen und geregelten, sowie auch billigen Betrieb der künstlichen 
Trocknung, der dadurch wesentlich vereinfacht wird, dass das beste und 
billigste Heizmaterial die Cocosschalen selbst sind. 

Die Samoaner sind bisher noch auf das Sonnen - Trockenverfahren 
angewiesen; doch es steht zu erwarten, dass unter günstigen Aussichten 
die Abnehmer ihrer Produete Darren für Native-Copra errichten werden, 
um dadurch viele Uebelstände und Schäden, die durch ungleichmässiges 
Trocknen, Feuchtwerden und Beimengung von Steinen entstehen, zu 
eliminiren. 

Die Samoaner würden mit der Abgabe einer erheblichen Arbeit 
allerdings auch geringere Bezahlung in den Kauf nehmen müssen. 

Die für trockene Copra bisher an die Eingeborenen bezahlten Preise 
schwanken je nach den Conjuncturen zwischen 3 und 6 Pf. pro Pfund. 
Eine Cocosnuss repräsentirt für sie somit, da sie ca. 1 ubis Pfund 
Copra enthält, einen ungefähren Werth von 1 ct. = 4 Pf. und eine 
Palme, die im Jahre 100 Nüsse trägt, einen Zinswerth von 4 Mark. 


II. Abtheilung. Obst- und Gartenbau-Section. 45 


Im allgemeinen Durchschnitt ist das jedoch etwas zu hoch gegriffen; 
immerhin aber ergiebt die Fortsetzung dieser Rechnung, welche einem 
guten Lande mit volltragenden Palmen entspricht, als Ertrag eines Hektar, 
auf dem wieder hoch gerechnet 180 bis 200 Palmen stehen, die Summe 
von 740 bis 800 Mark. Jedenfalls giebt es unter den Cocosbeständen 
der Samoaner Flächen, für welche dieses Exempel zutreffend ist. 


Die Kaffee-Cultur, welche lange Jahre hindurch sehr gute Erträge 
brachte und durch ihre Producte den Samoa-Kaffee auf dem Markte 
durch ausgezeichnete Qualität sehr beliebt machte‘), hat leider durch den, 
schon vielen Unternehmungen verhängnissvoll gewordenen Kaffeerost: 
Hemileia vastatrix Bet. Br. seit einigen Jahren sehr gelitten, die Kaffee- 
krankheit hat arge Verwüstungen auf der Kaffeepflanzung angerichtet; 
doch scheint die Hoffnung auf einen neuen Aufschwung auf Grund um- 
fangreicher Versuche berechtigt zu sein. 

Auch der Cacao gedeiht in bester Weise; aber 2a ihm stehen 
in den zu einer wahren Landplage gewordenen Ratten’) und fliegenden 
Füchsen (Pieropus Samoönsis) gefährliche Feinde gegenüber, deren Be- 
kämpfung mit allen Mitteln betrieben wird. Den Ratten kommt sehr 
das Bedürfniss der Cacaobäume nach Schatten zu Gunsten; denn am 
Erklettern der Fruchtbäume durch Schutzvorrichtungen verhindert, 
kriechen sie auf die Schattenbäume und lassen sich von diesen auf die 
Cacaobäume herabfallen, um so zu den Früchten zu gelangen, die sie 
völlig ausfressen. 

Ausser diesen Culturpflanzen sind umfangreiche Versuche mit Thee, 
Zimmet, Vanille, Manihot Glaziovii ete., von der Deutschen Gesell- 
schaft angestellt worden, und sie haben fast in allen Fällen das Resultat 
ergeben, dass Samoa ddr meisten Nutzpflanzen heisser und warmer aa 
ausserordentlich zusagt. 

Alle bisherigen Versuche und Erfolge im Anbau von Nutzpflanzen 
auf den Samoa-Inseln, fast ausnahmslos von Deutschen, insonderheit der 
Deutschen Handels- und Plantagen-Gesellsehaft ausgehend, berechtigen 
zu der sicheren Erwartung, dass die Inseln, ganz abgesehen von ihrer 
wichtigen Lage für handelspolitische und strategische Zwecke, unter 
einer einheitlichen und geordneten Verwaltung eine grosse Zukunft haben. 


Y) In unseren Colonieen gilt Samoasaat als beste Qualität für Neuculturen. 

2) Wie die Ratten, so verdankt Samoa der Civilisation auch alle anderen schä- 
digenden Errungenschaften, ganz abgesehen von Infectionskrankheiten ete. Am 
meisten muss dies hinsichtlich der auch dort recht unangenehmen Moskitos, Fliegen 
und ähnlichem Menschen und Thieren lästigen Ungeziefer verwundern. Die Mos- 
kitos sind nach Aussage der ersten Missionare den Samoanern früher unbekannt 
gewesen und erst als Larven im Wasser von Schiffen nach den Inseln gelangt. 
Die Fliegen haben sich erst so recht eingefunden, als der Viehbestand der Deutschen 
Plantagen-Gesellschaft geschaffen war. 


46 | Jahresbericht der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. 


Möge deshalb der mit Sehnsucht von unseren Landsleuten erwartete 
Augenblick nieht mehr fern sein, in dem die deutsche Flagge nicht mehr 
über einem deutschen Consulat und auf zahlreichen Booten der Ein- 
geborenen, sondern über ganz Samoa weht. 


In der siebenten Sitzung vom 29. October hielt der Apotheker 
Dr. Tsehaplowitz aus Königshütte einen Vortrag über: 


Bestrebungen im deutschen Gärtnerstande. 


Die Angehörigen jedes Zweiges dieses Standes streben ganz allgemein 
in verschiedener Weise danach, in eine bessere Lage zu kommen. Der 
Stand will einerseits sowohl die allgemeine als auch die wissenschaftlich- 
technische Bildung besonders der jugendlichen Mitgenossen auf eine höhere 
Stufe bringen, andererseits aber auch allen Genossen in ihrer oft 
sedrückten Lage helfen; er will den Erwerb, also die Productionsfähig- 
keit des Gewerbes erhöhen. Verlangt aber schon der Unterricht materielle 
Opfer, so heischt der andere Theil des Programmes vorläufig noch weit 
mehr materielle Mittel. Während der Staat gärtnerische Institute und 
Lehranstalten verschiedener Art errichtet und möglichst unterstützt, ge- 
schieht zur Hebung der materiellen Noth recht wenig. Es soll hier 
nicht von unserer, aller inländischen Production schädlichen Gesetzgebung, 
welche allen Import begünstigt, allen Export unterdrückt, nicht von 
Handelsvertrag und Goldwährung die Rede sein, sondern ich möchte 
hier vor allen Dingen darauf hinweisen, dass zur Erhöhung der Erwerbs- 
fähigkeit die Technik ganz wesentlich gehoben werden müsste. Unter 
der gärtnerischen Technik verstehe ich die vollständige Behandlung der 
Pflanze von der Aussaat an bis zur Ernte — einschliesslich selbstver- 
ständlich der Boden- oder Erdbehandlung — also z. B. auch das Ver- 
pflanzen, Schneiden, Giessen, Besonnen, Spalieren, Düngen u. s. w., kurz 
Alles, was in jeglicher Art des Betriebes mit der Hand oder mit 
Maschinen-Arbeit vollführt wird. Diese Technik ist aber selbstverständ- 
lich nur dann zu heben, wenn der Praktiker die Cultur-Ansprüche jeder 
Pflanze genau kennen würde; aber bis jetzt ist ja selbst die Wissen- 
schaft noch nicht einmal so weit, dieselben angeben zu können. So 
z. B. ist auf dem Gebiete der Pflanzenernährung noch sehr Vieles un- 
gelöst. Viele Praktiker scheinen zu glauben, dass nichts leichter sei, 
als durch einfache Versuche der Sache näher zu kommen, auch sind von 
einigen Seiten solche Versuche angestellt worden, allein das Ende oder 
ein Ziel ist noch nicht erreicht. 


Es sind besonders folgende Punkte noch zu bearbeiten: 


1. Wir wissen zwar, welche Stoffe, aber nicht wieviel derselben 
von jedem einzelnen eine bestimmte Pflanzenart gebraucht. (Nähr- 
stoffverhältniss.) 


II. Abtheilung. Obst- und Gartenbau-Section. 47 


2. Wir wissen nicht, welchen Antheil der in bestimmten Formen 
vorhandenen oder zugeführten Stoffe eine Pflanze aufzunehmen 
vermag. 

3. In welcher Differenz schwanken Bedürfniss und Aufnahme? 

Es entspann sich eine lebhafte Debatte, welche sich schliesslich für 

Anstellung von Versuchen in dieser Richtung aussprach. 


Zu erwähnen bieibt noch, dass die Section im Berichtsjahre 


1. einen Ehrenpreis von 50 Mark für die in Beuthen stattgehabte 
September-Ausstellung des Gartenbauvereins des oberschlesischen 
Industriebezirks stiftete, 


2. 30 Mark für den Winterunterricht der gärtnerischen Fortbildungs- 
schule des Breslauer Gärtnervereins bewilligte. 


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Schlesische Gesellschaft für vaterländische Gultur. 


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73. II. Abtheilung. 
Jahresbericht. Geschichte u. Staatswissenschaften. 
1895. a. Historische Section. 
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Sitzungen der historischen Section im Jahre 1895. 


Am 17. Januar sprach unter dem Vorsitze des Geh. Regierungs- 
Rathes Prof. Dr. Reimann Herr Prof. Dr. Kaufmann 


Ueber die letzten beiden Bände des Werkes „Die Begründung des 
Deutschen Reiches‘ von H. von Sybel.') 


Während sich unsere heutige Geschichtsforschung immer mehr in 
Einzelfragen und zwar häufig in ganz unfruchtbare vertieft und hierbei 
den Blick über den Zusammenhang der Dinge verliert, ist es, so führte 
‘ Redner aus, mit Freuden zu begrüssen, dass einer unserer ersten Ge- 
schichtsforscher in formvollendeter Weise uns die Zusammenfassung und 
Darstellung eines ungeheuer schwierigen Gebietes aus der neuesten 
Geschichte bietet. Schmerzlich ist es zu bedauern, dass Heinrich von 
Sybel für den 6. und 7. Band die Benutzung der Acten des Auswärtigen 
Amtes entzogen worden ist. Es bleibt dadurch eine ganze Anzahl von 
Fragen ungelöst, und gerade den Gegnern der deutschen Politik wird es 
dadurch erleichtert, grundlose Verdächtigungen zu erheben, wie nament- 
lich, Bismarck habe den Krieg von 1870 absichtlich herbeigeführt, zu 
dem Zwecke habe er die spanische Candidatur aufgebracht. Trotz jenes 
Mangels hat aber Sybel unsere Kenntniss von der Geschichte jener Zeit 
erheblich gefördert. Er zerstört die Legende, dass Bismarck, weil er 
der inneren Schwierigkeiten, des anschwellenden Partieularismus und 
Radicalismus, nicht Herr werden konnte, eine Ableitung durch einen 
Krieg gesucht habe, und weist nach, dass er im Gegentheil im Parla- 
ment viele Erfolge erzielt hat, so dass die Thronrede am Schluss der 
Session sich recht befriedigt von den erzielten Erfolgen erklärte. Vor- 
züglich schildert ferner v. $. die französischen Verhältnisse vor Ausbruch 
des Krieges. Auch über die Haltung Oesterreichs bringt v. 8. neues 
Licht. Redner ging nun im Einzelnen auf die Frage ein, ob Bismarck 


!) Anmerkung. Die von Delbrück in den Preussischen Jahrbüchern, 1895, 
Octoberheft besprochene Literatur konnte in dem Vortrage noch nicht benutzt 
werden. 

1895. 


Er Zu 


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) Jahresbericht der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. 


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den Ausbruch des Krieges herbeigeführt habe, und wies alle derartigen 
Anschuldigungen als unhaltbar zurück, vielmehr sei von Olivier, dem 
Manne mit dem leichten Herzen, und von Gramont der Krieg provoeirt 
worden. Ebenso beleuchtete er die Emser Depesche und ihre Redigirung 
durch Bismarck. Bismarck sah wohl die Nothwendigkeit einer Abrech- 
nung mit Frankreich, aber die Verantwortusg für den Ausbruch des 
Krieges war für ihn etwas Furchtbares.. Hätte er ihn herbeiführen 
wollen, hätte er nicht kleine Fallen, wie die spanische Candidatur zu 
stellen brauchen, sondern reichlich bei der Luxemburger Frage Gelegen- 
heit gehabt, wo er der allgemeinen Entrüstung in Deutschland gegen 
Napoleon die Zügel einfach schiessen zu lassen brauchte, statt sich mit 
ganzer Brust dem Strome entgegenzuwerfen und den Vorwurf der Feig- 
heit auf sich zu nehmen. Zum Abgeordneten Völk sagte er, als dieser 
ihn deswegen befragte: Glauben Sie nicht, dass es mir leicht geworden 
ist, aber ich habe ein Herz, ich habe die Schrecknisse des Krieges 
gesehen. — Die Verdienste des 6. Bandes sind nicht geringer. Sybel’s 
Kunst ist die Beschränkung in der Auswahl, die sichere Beherrschungi 
des Stoffes, die glänzende Charakteristik ohne Unterschied der Partei- 
stellung. 


Am 23. März las unter dem Vorsitze des Prof. Dr. Krebs Herr 
Prof. Dr. Bauch über 


Die Anfänge des Studiums der griechischen Sprache und Literatur 
in Norddeutschland. 


Der Vortrag knüpfte sich an die Geschichte der Universitäten an, 
wegen des grossen Umfanges des Themas konnten aber nur Erfurt und 
Wittenberg in den Kreis der Besprechung gezogen werden. Mit 
Erfurt wurde begonnen, weil hier, zuerst in ganz Deutschland, auch die 
Druckerpresse für das Griechische dienstbar gemacht wurde. Als erster 
Anreger von Druckwerken und erster Lehrer des Griechischen fand 
Nieolaus Marscaleus Thurins und ebenso seine einschläglichen 
Schriften eingehende Berücksichtigung. Desgleichen wurden die Drucke 
Wolfgang Schenck’s, Paul’s von Hachenborg und die aus Mar- 
schalk’s eigener Hausdruckerei, soweit solche bekannt sind, inhaltlich 
und typographisch behandelt. 


In Wittenberg wurde Marschalk ebenfalls der erste Lehrer des 
Griechischen, wie er dort auch 1503 das erste Griechisch druckte. Nach 
ihm lehrten der Sonderling Conradus Thiloninus Philymnus und 
der Augustiner Johann Lang, bis 1518 endlich Melanchthon eintrat, 
der das Griechische über die Rudimente erhob. 


III. Abtheilung.. Historische Section. 5) 


Am 22. April hielt Geh, Rath Prof. Dr. Reimann einen Vortrag 


Ueber die Schwierigkeiten, welche sich dem Präsidenten Washington 1793 
bei Aufrechthaltung des Friedens entgegenstellten. 


In dem Kriege, der damals zwischen England und Frankreich aus- 
gebrochen war, hielt es die Bundesregierung für nothwendig, eine strenge 
Neutralität zu beobachten, und sie erliess deshalb eine Bekanntmachung 
an die Bürger der Vereinigten Staaten. Mit ganz anderen Absichten 
kam nicht lange darauf ein neuer Gesandter, G en&t, vom Conventgeschickt, 
hierher. Gleich in Charleston, wo er landete, wandelte er weggenommene 
englische Fahrzeuge in französische Kaperschiffe um, bemannte sie mit 
Franzosen und Amerikanern und liess sie dann auf Raub in See stechen. 
Indem er dann zu Lande nach Philadelphia reiste, ward er überall be- 
geistert aufgenommen. Zahlreiche demokratische Gesellschaften bildeten 
sich und fassten Beschlüsse zu Gunsten Frankreichs, die oppositionelle 
Presse forderte den Gesandten auf, fest in seinem Bestreben zu bleiben, 
und so glaubte Gen&t, dass das amerikanische Volk hinter ihm stünde; 
er beharrte auf seinen Absichten und hoffte die Mitwirkung der Ver- 
einigten Staaten in dem Kriege gegen England noch zu erlangen. Er 
gerieth dadurch in einen Streit mit der Bundesregierung, die endlich in 
Paris seine Abberufung verlangte. Das geschah denn auch, und er würde 
das Schaffot bestiegen haben, wenn nicht Washington die Hand zu 
seiner Festnahme versagt hätte, Ferner erlitten die Amerikaner schwere 
Verluste auf dem Ocean. Ihre Kauffahrteischiffe wurden von Engländern 
und Franzosen nach dem alten oder dem neuen Seerechte, wie es ihnen 
passte, weggenommen und der neutrale Handel ganz erheblich gestört. 
Auch der Dey von Algier schickte seine beutegierigen Schaaren gegen 
die Amerikaner, elf Fahrzeuge geriethen in ihre Gewalt, und etwa 
100 Bürger der Vereinigten Staaten schmachteten in elender Sklaverei. 
Endlich der Krieg, welchen die Bundesregierung mit den nordwestlichen 
Indianern führte, dauerte weiter fort; zwar schickte der Präsident auf 
ihren Wunsch Bevollmächtiste zu gütlicher Unterhandlung zu ihnen, aber 
die Gesandten wurden nicht vorgelassen, sondern die Indianer beriethen 
lange für sich und fragten endlich, ob der Ohio als Grenze anerkannt 
werden könnte. Die Bevollmächtigten mussten das verneinen. Darauf 
brachen die Indianer die Unterhandlung ab, die eigentlich gar nicht an- 
gefangen hatte. 


So endete das Jahr 1793 recht traurig für die Vereinigten Staaten. 
Inzwischen war der Congress zusammengetreten, und im Hause der Re- 
präsentanten besass diesmal die antiföderalistische oder republikanische 
Partei eine, wenn auch sehr geringe Mehrheit, die darauf ausging, den 
Handelsverkehr mit England zu schmälern und mit Frankreich stark zu 
erweitern. Lange Verhandlungen fanden darüber statt, und die Gemüther 

1* 


Rt Jahresbericht der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. 


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der beiden Parteien erhitzten sich gegen einander. Da gelangte die Nachricht 
von einer empörenden britischen Rücksichtslosigkeit nach dem Sitze der 
Bundesregierung. Bereits am 6. November 1793 hatten die Befehlshaber 
der Kriegs- und Kaperschiffe die Weisung erhalten, alle Fahrzeuge, die 
nach den französischen Colonien eine Ladung führten, oder dort be- 
frachtet worden wären, vor ein britisches Admiralitätsgericht zur Ab- 
urtheilung zu bringen. Erst Ende des Jahres wurde der amerikanische Ge- 
sandte in London davon in Kenntniss gesetzt, und im März 1794 kam 
die Meldung nach Philadelphia. Nun schien es wirklich, als müsste das 
Schwert gezogen werden, und die Frage Krieg oder Friede? bildete das 
Tagesgespräch. Zum Glück gelangten nach einiger Zeit bessere Nach- 
richten an die Bundesregierung. Am 9. Januar hatte der englische 
Minister Grenville dem amerikanischen Gesandten mitgetheilt, die 
Weisungen vom 6. November 1793 seien aufgehoben und durch neue 
vom 8. Januar 1794 ersetzt worden, er hatte ferner den Wunsch aus- 
gesprochen, in freundlichem Einvernehmen mit den Vereinigten Staaten 
zu leben. Diesen Bericht schickte der Präsident am 4. April an den 
Congress. Die Weisungen vom 8. Januar 1794 waren lange nicht so 
schlimm, wie die vom 6. November 1793, denn sie liessen den directen 
Verkehr zwischen den französischen Colonien in Westindien und den 
Vereinigten Staaten frei, und die Worte, mit denen Grenville die Meldung 
begleitet hatte, liessen eine friedliche Verständigung hoffen. Aber das 
Haus der Repräsentanten dachte anders. Es zog eifrig einen Antrag in 
Betracht, welchen der hitzige Antiföderalist Clark am 7. April einbrachte: 
aller Handelsverkehr mit den Erzeugnissen des Bodens und Gewerb- 
fleisses von Grossbritanien und Irland sollte so lange aufhören, bis die 
Engländer die nordwestlichen Forts dem Friedensvertrage gemäss ge- 
räumt und Entschädigung für die völkerrechtswidrig weggenommenen 
amerikanischen Schiffe gezahlt hätten. Aber der Präsident liess sich 
dadurch von seinem Wege nicht abführen. Er beschloss einen beson- 
deren Gesandten nach London zu schieken, um dadurch aller Welt seine 
Friedensliebe zu zeigen, und er wählte für diesen hohen Zweck einen 
der trefflichsten Männer der Union aus, den Präsidenten des Ober- 
bundesgerichts, John Jay. Er zeigte das am 16. April dem Senat an, 
der nun drei Tage berieth, bevor er seine verfassungsmässig erforderliche 
Zustimmung gab. 

Hierauf könnte die Sendung erfolgen. Aber das Haus der Re- 
präsentanten ärgerte sich über den Schachzug des Präsidenten. Es ver- 
handelte weiter über den Antrag Clark’s und nahm ihn an, jedoch mit 
einer jetzt nothwendig gewordenen Aenderung, dass der Abbruch des 
Handels erst mit Beginn des Monats November erfolgen sollte, wenn bis 
dahin keine Einigung über die zwei Punkte zu Stande gekommen wäre, 
Im Senate nahm gerade die Hälfte der Mitglieder den Beschluss des 


II. Abtheilung. Historische Section. 5 


andern Hauses an. Eine Stimme mehr, und er wurde Gesetz. Aller 
Wahrscheinlichkeit nach würde die Sendung Jay’s dadurch erfolglos ge- 
worden sein, Wie aber die Dinge lagen, musste der Vicepräsident den 
Ausschlag geben. Er leitet der Verfassung gemäss die Verhandlungen 
des Senats und stimmt nur mit, wenn diese Körperschaft gleich getheilt 
ist. John Adams aber brachte den Beschluss des andern Hauses zu 
Falle, J. Jay konnte nach London segeln, ohne eine Drohung mitzunehmen, 
und es gelang ihm, einen annehmbaren Vertrag dort abzuschliessen, 
Der Friede blieb erhalten. 


Am 12.December hielt unter dem Vorsitze des Prof. Dr, Krebs, 
Herr Prof. Dr. G. Bauch folgenden Vortrag: 
Der humanistische Dichter George von Logan. 


Ein Beitrag zur Literaturgeschichte des schlesischen 
Humanismus. 


Unter den hochgestellten Männern, die im deutsch-polnisch-ungarischen 
Osten durch ihre Gunst fördernd den Wiedererweckern classischer 
Bildung zur Seite gestanden haben, nimmt einen hervorragenden Platz 
der Bischof Johann V. Thurzo von Breslau ein. ') Wie sein Vorgänger 
auf dem bischöflichen Stuhle Johann IV. Roth, der in der Geschichte 
des deutschen Frühhumanismus eine Rolle spielte, ?) literarisch selbst 
feingebildet, war es ihm bei der den Bildungsbestrebungen seiner Zeit 
zugewendeten Gönnerschaft nicht wie so manchem andern wesentlich um 
die Weihrauchwolken der Schmeichelei zu thun, er empfand an dem 
Umgange und in der Begünstigung von Gelehrten und strebsamen jungen 
Leuten eine wahre und echt fürstliche Freude. °) Durch sein Entgegen- 
kommen erhielt die 1504 von Hieronymus Gürtler von Wildenberg in 
Goldberg gegründete Partieularschule, die bald als Pflanzstätte der 
neueren Bildung ins Leben getreten war, erst ihre dauernde Lebens- 
fähigkeit,*) seine Liberalität ermöglichte dem von armen Eltern 
stammenden hervorragendsten schlesischen humanistischen Dichter und 
hochgeschätzten Geschichtsschreiber der Besitzergreifung Ungarn’s 


!) Die Literatur über Johann Thurzo bei G. Bauch, Caspar Ursinus Velius, der 
Hofhistoriograph Ferdinand’s I. und Erzieher Maximilian’s II., Budapest 1886, 8. 

2) Neue Angaben über Johann IV. Roth findet man in Hermann Schedel’s 
Briefwechsel, Bibliothek des literarischen Vereins in Stuttgart, CXCVI, Tübingen 
1893, und bei M. Hermann, Albrecht von Eyb, Berlin 1893, passim. 

®2) Von der ursprünglichen Grabschrift sind (heut eingemauert in Breslau, 
Martinistrasse 9), gerade nur die Worte erhalten: DOCTRINAE IPSI EXQVISITAE 
ET [DOC]TORVM QVOS MAGNA LIBERALITATE PROSEQVEBATUR VNICO 
PATRONO STANIS: TVRSO OLOMVCEN. EPVS ET IOHAN: TVRSO PLESNAE 
DOMIN: [FRA]JTRES FRATRI CHARISS: EX TES: MOES. P. 

4) G. Bauch, Der Begründer der Goldberger Partieularschule Hieronymus 
Gürtler von Wildenberg, 23. 


De Jahresbericht der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. 


durch das Haus Habsburg Caspar Ursinus Velius aus Schweidnitz die 
literarische Laufbahn ') und seine milde Hand unterstützte auch die 
ersten wissenschaftlichen Studien des jungen unbemittelten Edelmanns 
George von Logau, des zweiten Vertreters der Hochrenaissance in 
Schlesien, und gestattete ihm damit die freie Entfaltung seines nicht ge- 
wöhnlichen Talentes. 


Das Leben Logau’s ist zuletzt von Aschbach in der Geschichte der 
Wiener Universität?) und, nicht bloss nach dem geringen Umfange der 
Biographie, ungenügend behandelt worden. Wir wollen daher hier ver- 
suchen, die recht verworren überlieferten Schicksale dieses Mannes, auf 
neue Forschungen gestützt, aufzuhellen, seine literarische und poetische 
Entwickelung und die sich daran knüpfenden Beziehungen zu verfolgen; 
seine wenig zu Tage liegende Thätigkeit im königlichen Dienste bei 
Ferdinand I. und die Wirksamkeit als katholischer Prälat und Kämpfer 
für den Katholieismus kann unserer Aufgabe gemäss nur gestreift 
werden. 


George von Logau ging aus einer alten, damals in mehrere Zweige 
gespaltenen, heute noch blühenden schlesischen Adelsfamilie hervor, die 
in der zweiten Hälfte des XVI. Jahrhunderts der Breslauer Diöcese in 
Caspar von Logau (1562—1574) einen gelehrten, allerdings nach der 
Auffassung seines Kapitels kirchlich lauen, Fürstbischof?) gab, und der 
auch der geschätzte Epigrammendichter Friedrich von Logau angehört. 
Auf dem väterlichen Gute Schlaupitz im alten Fürstenthume Schweidnitz, 
im heutigen Kreise Reichenbach um die Wende des XV. Jahrhunderts 
als Sohn des 1541 gestorbenen George von Logau ‘) geboren, begann 
er seine akademischen Studien in Krakau; wir vermuthen, dass er im 
Sommerhalbjahr 1514 dort unter dem Namen Georgius Georgij de Swednyez 
in das Album eingetragen worden ist. Im Jahre 1515 schon verdiente 
er sich die poetischen Sporen, °) indem er zu dem von seinem Lehrer 
Valentin Eck aus Lindau verfassten und dem königlich polnischen Ge- 
heimschreiber Jodocus Ludovicus Decius gewidmeten De arte versificandi 
opusculum im Verein mit seinem Commilito und Landsmanne George 
Werner aus Patschkau und anderen Zöglingen Eck’s ein empfehlendes 
Gedicht zusteuerte; Eck gab ihm das Lob „optimae indolis adolescens“. 
Er nennt sich hier Georgius Logus Nisenus, die Namensform Logus hat 
er dann für immer festgehalten, das Nisenus geht vielleicht auf den Ort 
seiner ersten Schulbildung, Neisse, zurück. 


!) G. Bauch, Caspar "Ursinus Velius, a. a. O. 

?) Zweiter Theil, Die Wiener Universität und ihre Humanisten, 330. 
®) J. Jungnitz, Die Grabstätten der Breslauer Bischöfe, 22. 

?2) J. Sinapius, Schlesische Curiositäten, I, 608, 609. 

°) G. Bauch, Rudolphus Agricola Junior, 20. 


III. Abtheilung,. Historische Section. 7 


Schon in Krakau dürfte er von Johann Thurzo unterhalten worden 
sein, da der kinderreiche Vater (er hatte sechs Söhne und sechs Töchter), 
dem Sohne nicht allzuviel zureichen konnte, sicher genoss er des Bischofs 
Unterstützung in Wien, von wo 1516 im März schon sein Freund und 
Mitschützling Caspar Ursinus über ihn an den Bischof berichtete !) und 
um ein nothwendig gewordenes Kleid für ihn bat. „Georgius Logus,‘ 
sagt hierbei Ursinus, ,„‚wird von seinen Lehrern, denen die Begabung des 
Jünglings Bewunderung erregt, sehr geliebt,“ Die Hoffnung des Ursinus, 
dass Logau einmal dem Bischof die Sehnsucht nach Erasmus von Rotter- 
dam ersetzen würde, ist allerdings nicht voll erfüllt worden, Ursinus 
führte den ihm anvertrauten jugendlichen Freund auch in die lebhaft 
angeregte wissenschaftliche Welt der Wiener Hochschule ein. In die 
Matrikel der Universität ist Logus erst im Juni eingeschrieben worden, 
kurz nach ihm, im Juli, erscheint darin sein Freund, der nachmalige un- 
garische Palatin Thomas Nadasdy. 


Schon im März 1516 gab Logus in Wien mit einem gewandten 
empfehlenden Ogdoastichon eine Sammlung älterer und neuerer, meist 
aus Italien herrührender christlichen Dichtungen und die apokryphen 
Briefe des Pilatus und Lentulus über Christus heraus: Contenta in Libro. 
Hieronymi Paduani Jesuida de Christi passione. Bap. Marchi. Palauieini 
de flenda cruce. Lact. Firmiani Christus a eruce hominem alloquens. 
Ceeilii Cipriani de ligno erueis carmen. HElegia in Hierusalem. Raphaelis 
'Zouenzonii in Christi Passionem. Aeneae Syluii de eadem carmen. 
Philippi Beroaldi de passionis dominieae die. Lactantii Firmiani de 
Resurreetione dominica. Decii Ausonii precatio matutina ad Deum 
Jo. Piei Mirandulani ad Deum Elegia deprecatoria. Paeanes beatae Vir- 
sinis ex Franc. Petrarcha. Tipherni deprecatoria ad Virginem. Oratio 
ad beatam uirginem. Bap. Rhegiensis Episcopi ad uirginem oratio. 
Carmina uaria de morte. Epistola Pilati de Jesu Christo ad Claudium, 
Lentuli Epistola de Christo ad Senatum Romanum. Josephi de Christo 
testimonium. Hieronymus Vietor impraessit Viennae Austriae, Expensis 
Leonardi & Lucae Alantsee Anno Christi. 1516. Mense vero Martio. 
4° Die Paeanes beatae Virginis von Petrarca, deren Uebersetzer 
M. Denis nicht kannte und die er daher Logau zuzuschreiben nicht ab- 
geneigt war, sind von Philippus Beroaldus in das Lateinische über- 
tragen; ?) eigene Arbeit Logau’s sind nur die vier Distichen, 


Eine Publication, bei welcher Logus mitwirkte, waren zwei Ge- 
dichte des Schweizers Joachimus Vadianus aus St. Gallen, die Ecloge 


!) Breslau, Stadtbibliothek, Rehdiger’sche Briefsammlung V, 93. Abgedruckt 
in Schlesien’s Vorzeit in Bild und Schrift, 56. Bericht, 210. 

2) Denis, Wien’s Buchdruckergeschichte, 156. Vgl. Orationes et Carmina 
Baroaldi (!). O. ©. u. J. 4°, 


RR Jahresbericht der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. 


Faustus und die Elegia de insignibus familiae Vadianorum. ') Hierzu 
schrieb er Ende 1516 oder Anfang 1517 einige empfehlende Verse an 
den Leser. Vadian hatte seit Kurzem den Lehrstuhl der Rhetorik inne, 
und Logus war sein Schüler. Da Ursinus mit Vadian eng befreundet 
war, wurde auch das Verhältniss zwischen Vadian und Logus ein näheres, 
Und so finden wir auch bei der im März 1517 erschienenen und von 
Vadian besorgten Ausgabe des Liber meteororum von Joannes Jovianus 
Pontanus ?) eine Lobelegie des Logus. Denselben Dienst, poetische Ara- 
besken zu dem Buche eines anderen zu schaffen, leistete er 1517 mit 
Vadian, Janus Hadelius, Philippus Gundelius, Udalrieus Fabri, Matthaeus 
Paulinus und Michael Alcophorus zusammen dem geschäftlichen Ama- 
nuensis des Johannes Cuspinianus Johann Gremper bei seiner Ausgabe 
der Uebersetzung des Georgius Trapezuntius von Gregor’s von Nyssa 
Leben des Moses.°) Von Logus allein poetisch eingeführt, druckte $in- 
grenius in diesem Jahre Claudian’s drei Bücher vom Raube der Proserpina: 
Cl. Claudiani Aegyptii, Poetae insignis, Libri de raptu Proserpinae tres, 
emendatissime impressi, Cum eiusdem Poetae uita in calce apposita. 
Impressum Viennae Pannoniae per Joannem Singrenium, Expensis suis, 
Anno. M. D. XVII. 4°. 

Nachdem sich Ursinus im Herbst 1516 wieder in seinen Dienst bei 
dem Cardinal Matthäus Lang begeben hatte, setzte sich sein Freund 
Rudolf Agricola der Jüngere die von Ursinus Vadian zugedachte Auf- 
gabe, eine Gesammtausgabe der Gedichte des Ursinus zu veranstalten, *) 
und der junge Logau durfte ihm dabei zur Hand gehen und einige 
empfehlende Verse beifügen. Ursinus war mit der Ausführung dieses 
Freundesdienstes nicht ganz einverstanden, er hatte an der Auswahl der 
Gedichte und der Correetheit des Druckes mancherlei auszusetzen und 
hätte gern Einzelnes vorher noch gefeilt, aber er hatte doch die stolze 
Freude, einen grossen Theil seiner Dichtungen in einem Bändchen ver- 
einigt zu sehen. Und er war nicht undankbar. Als er Anfang 1518 
in der Umgebung Johann Thurzo’s in Neisse weilte, erlangte er von dem 
milden Herrn für Logau 30 Dukaten, die sogleich zu Vadian wanderten. °) 
Vadian sollte dem jungen Manne das Geld nach und nach aushändigen 
und über die Verwendung wachen, zuerst aber sollten die Schulden 


1) Denis, 169. Breslau, Stadtbibl. 

?2) Denis, 167. 

®) Denis, 176. Breslau, Univ.-Bibl. 

4) Casparis Vrsini Velii Silesii Epistolarum et Epigrammatum liber lectu dig- 
nissimus, et iam primum in lucem editus. Impressum Viennae Austriae per Joannem 
Singrenium. Expensis verö honesti viri Joannis Meczker. O. J. 4%. Das auf Per- 
gament gedruckte Widmungsexemplar für Johann Thurzo, jetzt auf der Breslauer, 
Stadtbibliothek, hat Ursinus eigenhändig durchcorrigirt. 


°) E.Arbenz, Die Vadianische Briefsammlung der Stadtbibliothek in St, Gallen 
I, 133. 


III. Abtheilung. Historische Section. 9 


Logau’s getilgt oder wenigstens zum grösseren Theile bezahlt werden. 
Er bat Vadian zugleich, es Logau an nichts fehlen zu lassen und ihm 
beizustehen, er werde, so lange er bei dem Bischofe sei, immer etwas 
für jenen herauslocken, damit er sein Leben in Wien angemessen ge- 
stalten könne. 


Die klingende Gabe Thurzo’s war von einem schmeichelhaften Briefe 
des Bischofs an Vadian begleitet. ‘) Er sprach den Wunsch und die 
Hoffnung aus, Vadian, Georgius Tannstetter Collimitius, den Mittelpunkt 
der Sodalitas litteraria Viennensis, und den Italiener Richardus Bartho- 
linus, Ursinus’ Collegen im Dienst bei Lang und Dichter der Austrias, 
die ihm durch die Gespräche mit Ursinus schon gute Bekannte seien, 
persönlich kennen zu lernen, und wünschte seinem Schützling (alumno 
nostro) Logus Glück zu dem an Gelehrsamkeit wie in Lebensführung 
gleich ausgezeichneten Lehrer Vadian und dankte diesem für die Sorgfalt, 
die er dem von ihm nach Wien zum Studium gesendeten Jünglinge für 
seine wissenschaftliche und sittliche Bildung zuwende. Er legte ihm 
Logau nochmals ans Herz und fügte einen Gruss an alle „‚Collimitianer“ 
bei. Vadian und Logau statteten ihren Dank an den freundlichen Gönner 
in der bald darauf erschienenen Ausgabe des Pomponius Mela°?) von 
Vadian ab, Vadian im Commentar, Logau in einem Beigedicht. 


Im Jahre 1519 begab sich Logus zu längeren Studien nach Italien, 
Thurzo und der schlesische Edelmann George von Luxau von Carlsberg, 
seinVetter, königlich böhmischer Geheimschreiber und später Ferdinand’s I. 
Rath und deutscher Prokanzler für Böhmen, gewährten ihm die Mittel 
zur Welschlandsfahrt.°) Bologna war sein erstes Ziel.‘) Hier fand er 
seinen Landsmann George Sauermann aus Breslau’), der 1513/14 das 
Rectorat beider Juristenuniversitäten mit Ehren verwaltet hatte, und 
den Nürnberger Philippus Obermaier, der dasselbe in glänzender Weise 
1519/20 führte, auch Julius von Pflug, den nachmaligen Bischof von 
Naumburg, und mit ihm zur selben Zeit kam Johannes Rosinus, der 
dann als königlicher Rath sein Amtsgenosse wie sein Freund wurde. °) 
Pflug, Rosinus und Logus nennt der berühmte Lazarus Bonamieus in 


D) E. Arbenz I, 132. 

2) Pomponii Melae Hispani de situ orbis libri tres ete. Wien, Joh. Singrenius 
1518. Breslau, Univ.-Bibl. 

3) Hendecasyllabi. Georgio Loxano, affini suo. 

4) Acta nationis germanicae Vniversitatis Bononiensis, Edd. E. Friedlaender und 
C. Malagola, z. J. 1519. 

5) G. Bauch, Ritter Georg Sauermann, Breslau 1885, 10. Dort ist zu corri- 
giren, dass Sauermann 1513 Rector war. Der Streit, den er beilegte, war durch 
zwei Sicilianer veranlasst. Acta z. J. 1513. 

6) Acta 1513, Philippus Obermayr; 1517 Novb. Dns. Julius Pflugk Misnen.; 1521 
D. Joannes Rosinus. Hendec. Philippo Obermario. 


W .: Jahresbericht der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. 


einem Briefe an deren Freunde Marius Savornianus und Benedietus 
Rhambertus zusammen, !) sie waren wohl alle seine Schüler wie der 
Mähre Adrian von Wilhartitz, ?) der als vierter zur Freundeszahl gehört, 
und der Bergamaske Lucius Petreius Zanchus?); diese beiden bezeichnet 
Logus als seine Mitschüler bei Bonamieus. Mit hohem Lobe gedenkt 
Logau noch nach Jahren eines anderen Lehrers, des von Johann Meizler 
und Johann Hess ebenso verehrten Romulus Amasaeus, bei dem er lernte 
und wohnte. *) In diesem Contubernium schloss er Freundschaft mit 
dem Polen Johann Zbonski. Er näherte sich auch anderen Mitgliedern 
der internationalen Studentenschaft Bologna’s, und die freundlichen Be- 
rührungen mit den Ungarn Thomas Nadasdy, Wardai und Calnai wurden 
ihm später noch förderlich.°) Ein Gedicht auf das Landgut seines 
Bologneser Freundes Johannes Felesinus Ceredola °) ist ein Zeichen, 
dass er ebenso mit den Italienern Fühlung suchte, er eignete sich in 
Italien auch die Kenntniss der Landessprache an. Seine Studien er- 
streckten sich bei diesem ersten Aufenthalte jenseits der Alpen, wie 
man nach seinen Lehrern schliessen darf, noch in erster Linie auf die 
classische Literatur, auf die lateinische wie auf die griechische. Als 
seinen Lehrer im Griechischen erkennt man Bonamicus aus den metri- 
schen Uebersetzungen, die er später herausgab,’) und er sagt auch, dass 
er bei diesem die besten lateinischen und griechischen Autoren ge- 
hört habe. °) 

Selbstverständlich hat er hier erst recht gedichtet, ausser Freundschafts- 
gedichten ?) schuf er hier seine ersten erotischen Gedichte, und diese 
haben vor vielen anderen von seinen Dichtungen, die oft Schülerarbeiten, 
Nachahmungen der Alten, bestellte Leistungen, conventionelle Phrasen 
ohne dichterisch-originalen Werth sind, den Vorzug voraus, dass sie 
ursprünglich und von Gefühl eingegeben, also wirklich poetisch sind, 
wenn sie auch der Angesungenen gewiss unverständlich bleiben mussten. 
Mit Zbonski verehrte er dieselbe Schöne, sie hiess vielleicht Lusiella. '°) 


1) Epistolae clarorum virorum selectae de quam plurimis optimae, Venetüs 
1568, 2a u. 3a. 

2) L. Bonamicus an G. Logus, 1.März 1526. Hinter Hendec. 

®) Lucii Pertrei Zanchi Bergomatis, Poemata varia, O. O. u. J., Widmung. S. 
weiter unten. 

*) Pontius Paulinus. Joannis Zbonski Musica. S. weiter unten. ' 

5) Hendec. Ad Thomam a Zalahaza ep. Agriens. epistola. 

6) Hendec. De rure Joannis Felesini Bononiensis, cui Ceredolae nomen. 

”) Am Ende der Hendec. stehen griechische Verse mit der Uebersetzung von 
. Bonamicus, Obermair und Logus. 

2) Widmung von L. Petrei Zanchi Poemata varia. 

°) Ursinus schickte er als Freundschaftszeichen von Bologna einen Horaz. 
Hendec. Ad Vrsinum suum. Caspar Vrsinus Velius Logo suo. 

10) Hendec. Ad Lusiellam. 


III. Abtheilung. Historische Section. 11 


In ansprechenden Versen versetzte er sich in die schlesische Heimath, 
wo seine Jugendliebe Lyeinna, ein Edelfräulein, lebte.) Der Winter 
weckte die Erinnerung an sie, er sehnte sich danach, sie als Jägerin 
wiederzusehen; ihr Bild verliess ihn nieht, wenn er in die Saiten griff, 
glaubte er sie zierlich tanzend vor sich zu erblicken. In einem anderen 
Gedichte?) beklagte er sich und das Schoosshündehen Lyeinna’s, das seine 
Rüden, als er von glücklicher Jagd heimkam und sich ihr nahte, um ihr 
die Beute zu bringen, vor seinen und ihren Augen zerrissen hatten. 

In dem ersten Gedicht an Lycinna spricht er die Absicht aus, im 
kommenden Frühling seine Studien zu beenden und nach der Heimath 
zu eilen, und er hat dies in der Folge wohl wirklich gethan oder viel- 
leicht thun müssen wegen des Todes von Johann Thurzo (1520), denn 
wir vernehmen, °) dass er 1525 seit drei Jahren in Italien sein soll, und 
das erklärt sich ungezwungen, wenn er etwa 1521 über die Alpen 
zurückging, um sie 1522 wieder zu überschreiten. Man erhält so auch 
die Zeit, die es ihm ermöglichte, neue Beziehungen anzuknüpfen und 
sich neue Hilfsquellen zu öffnen. Papst Clemens VII. sagt in einem 
Breve vom 24. November 1525 an den jungen König Ludwig II. von 
Ungarn,*) dass dieser Logau drei Jahre in Italien mit jährlich 200 Gold- 
gulden — was ganz unglaublich erscheint — unterstützt habe, und 
Stephan Brodaries, der Bischof von Syrmien und Kanzler des ungarischen 
Reiches, wird Anfang 1526 von Rom aus Logau’s Freund genannt. °) 
Der Mann, der hier in Ungarn Logau die Wege ebnete, ist wohl kein 
anderer gewesen, als Bischof Stanislaus Thurzo von Olmütz, der dem 
jungen Manne auch sonst seinen verstorbenen Bruder in vollem Umfange 
zu ersetzen suchte; Logau °) dankte auch ihm für Unterstützung in Italien. 

Im Jahre 1524 ist Logau wieder in Bologna nachweisbar, ) aber 
bald ging er weiter nach Rom, wo er, durch Jugend und Talent empfohlen, 
offene Arme und freudige Anerkennung fand. Seit 1520 lebte hier, 
von der römischen Gesellschaft hochgeschätzt, als kaiserlicher Procurator 
George Sauermann,°) und dieser brachte ihn in Berührung mit deutschen 
Landsleuten, aber auch mit der römischen Gelehrten- und geistlichen 
Aristokratie. Ein Mittelpunkt dieser Kreise war trotz seiner deutschen 


!) Hendec. Ad Lycinnam. 

2) Hendec. De catella mortua Lycinnae. 

®) Hendec. Breve Clemens’ VII, 24. Novbr. 1525. 

*) A. a. O.: Is (Logus) nobis narravit se triennium iam in Italiae gymnasiis 
literis operam dedisse, adiutum liberalitate et munificentia Se. T. quod ei annuum 
subsidium ducentorum aureorum constituisses, etc. 

>) A. a. O. Paulus Jovius an Stephan Brodarics, Rom, IV. Id. Januarij 1526, 
und Georg Sauermann a. denselb., Rom, 11. Jan. 1526. 

6) Hendecasyllabi. Stanislao Tursoni episcopo Olomucensi, Inc.: Agnosco. 

?) Acta z. J. 1524. 

®) G. Bauch, Ritter Georg Sauermann, 25. 


19% Jahresbericht der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. 


Herkunft der Luxemburger Johann Goritz, der hier wohllautend in 
Janus Coritius umgetauft worden war.!) Die Akademiker, die Herren von 
der Universität, dominirten, aber auch alles, was von Schöngeistern in 
Rom vorhanden war, hielt bei Coritius Verkehr, ein kleinerer Cirkel, 
Römer und Deutsche, der sich Sodalitas Coritiana hiess, schloss sich 
enger zusammen. dCoritius hatte 1512 in San Agostino der hl. Anna 
einen Altar errichtet, Raphael hatte ihn mit Gemälden geziert und Andrea 
Sansovino hatte dafür ein Meisterwerk, die sitzende Gruppe der hl. Anna 
und Maria, geschaffen. Alljährlich feierte nun Coritius das Fest der hl. 
Anna durch einen Gottesdienst und ein Gastmahl, das er seinen Freunden 
in seiner am Forum Trajan’s gelegenen Vigna gab. Die Geladenen 
statteten ihren Dank mit Versen auf die hl. Anna, Coritius und den 
Bildner ab, die sie überall im Garten anhefteten. Diese Gedichte 
sammelte Coritius sorglich, aber er gab sie gegen die Erwartung der 
Diehter nicht heraus, bis sie ihm Blossius Palladius zu diesem Zwecke 
entwendete und 1524 als „ersten römischen Musenalmanach“ unter dem 
Titel Coryeiana drucken liess. Von Logau, der sich den Coritianern 
anschloss, steht zwar kein Gedicht in der Sammlung, doch haben sich 
Verse erhalten, ?) worin auch er Coritius schilt, dass er wie ein hab- 
gieriger Fabeldrache die poetischen Reichthümer für sich behalte, und 
schon auf den Mercur anspielt, der sie ihm listig entfremden werde; er 
war also ein Mitwisser des Palladius. In der Sodalitas lernte er wohl 
auch Jovius, Bembus und Sadoletus kennen. Paulus Jovius aus Como 
hatte längst sein grosses Geschichtswerk unter der Feder, im Kreise 
des Coritius las er den sachkundigen Freunden die beendeten Abschnitte 
vor, und Logau bat ihn voll Bewunderung, doch endlich damit an die 
Oeffentlichkeit zu treten.) Jovius hat das bekanntlich nicht gethan und 
1527 im Sacco di Roma einen grossen Theil seines Werkes eingebüsst, 
den er dann nicht mehr wiedergeschaffen hat. Von dem Verkehr mit 
Pietro Bembo zeugen Verse Logau’s, die Bembo’s Erzbild von Alfonso 
loben und zutreffend jenen als Ciceronianer preisen.) Ansprechend sind 
Verse an Jacopo Sadoleto, °) die trotzdem, dass sie als Elogium gefasst 
sind, ein echtes, richtiges Bild des Gefeierten als Schriftstellers, Dichters, 
sittenreinen und gütigen Mannes geben. Sauermann vermittelte auch den 
Umgang Logau’s mit dem römischen Dichter und Gelehrten Pietro 


!) G@. Bauch, Caspar Ursinus, 13; L. Geiger, Vierteljahrsschrift für Cultur und 
Literatur der Renaissance I, 145; Gregorovius, Gesch. der Stadt Rom im M.-A. 
VIII, 138, 285, 324, 595. 
2) Hendec. Joanni Coritio. 
3) Hendec. Ad Paulum Jovium Novocomenseni historicum. 
®) Hendec. Zwei Gedichte: In effigiem P. Bembi. 
°) Hendec. Ad Jacobum Sadoletum. 


II. Abtheilung. Historische Section. 13 


Mellini, !) dem Bruder jenes Celso Mellini, der einst den belgischen Ge- 
lehrten und Erzeiceronianer Christoph Longolius, der wegen seiner Lob- 
reden auf Rom und Italien das römische Bürgerrecht erhalten hatte, 
wegen älterer missliebigen Aeusserungen über Rom in Nachahmung der 
Alten auf dem Capitol in Gegenwart Leo’s X. der Majestätsbeleidigung 
angeklagt hatte. ?) 

Durch Sauermann, Bembo und Sadoleto erschloss sich Logau auch 
der Zugang zu andern kirchlichen Würdenträgern. Sauermann war trotz 
seiner Stellung als kaiserlicher Procurator mit dem französisch gesinnten 
Datar und Bischof von Verona Giammatteo Ghiberti, dem Vertrauten des 
Papstes, befreundet. Logus wanderte mit seinem Landsmanne zu Ghiberti 
nach Tivoli, wo dieser den Dichtern ein gastfreies Haus hielt, und er 
bekennt in einem Dankgedichte, wie bereit Ghiberti ihm auch sonst be- 
hilflich gewesen sei.°) Einen Gönner erwarb Logus auch an dem Erz- 
bischofe von Capua Nicolaus von Schomberg.*) Bewundernde Zeilen an 
die Cardinäle Pompeo Colonna, Alessandro Farnese und Cibo °) beweisen, 
dass er auch in so hohe Regionen drang; Farnese durfte er fromme 
Verse vorlesen. Ja, Logus erhielt selbst Zutritt zu Papst Clemens VII., 
auch diesem durfte er seine Kenntnisse und seine Kunst vorführen, und 
der heilige Vater schenkte ihm eigenhändig als Gunstbeweis eine Gemme 
mit dem Bilde des Sokrates.°) Logau hat das, was er Sauermann ver- 
dankte, niemals vergessen, wie denn der schönste Zug seines Wesens 
die aufrichtige Dankbarkeit war; hier besang er den Freund und seine 
Werke in einem Gedichte an den natürlichen Sohn Sauermann’s Julius 
Clemens, ’) später, nach seinem traurigen Ende, errichtete er ihm Denk- 
mäler und Epitaphien in der Heimathsstadt. 


Wegen der kriegerischen Lage in Italien dachte Logau, als der 
Winter 1525 heranrückte, an die Heimkehr, in Gedichten nahm er von 
seinen Förderern und Freunden Ghiberti, Cibo, Schomberg, Jovius, Bem- 
bus und Sadoletus Abschied und liess sich auch von einem und dem andern 
mit Empfehlungen ausstatten.°) Ein von Sadoleto gegengezeichnetes Breve 


!) Hendec. Petro Mellino. 

2) G. Bauch, Ritter G. Sauermann, 21. 

®) Hendec. Tybur ad Matthaeum Gybertum Episcopum Veronensem. Joanni 
Matthaeo Giberto episcopo Veronensi. Ad Joannem Mattheum Gibertum episcopum 
Veronensem. 

*) Hendec. Nicolao a Schonberg Archiepiscopo Campano. 

5) Hendec. Pompeio a Columna Cardinali, Cardinali Fernesio, Cardinali Cibo. 

6) Hendec. Brief Georg Sauermann’s an Steph. Brodaries, Rom, 11. Jan. 1526. 
In Socratis effigiem achati insculptam natiuis coloribus. Aliud in eandem effigiem. 

7) Hendec. Julio Clementi Sauromano Georgii Sauromani filio suavissimo. 

&) Alle diese Briefe hinter den Hendecasyllabi. Sie datiren vom November 
1525 und Januar 1526, 


14 Jahresbericht der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. 


Clemens’ VII. an König Ludwig II. von Ungarn leste diesem seinen ge- 
lehrten und dichterisch hochbegabten Unterthanen, dem er schon seine 
Gunst gewährt hatte, warm ans Herz. P. Jovius empfahl ihn, den die 
Akademiker in Rom und der Papst wegen des Adels seiner Verse in 
Ehren gehalten hätten, der ferneren Unterstützung des Bischofs Stanislaus 
Thurzo, damit er wieder nach Rom zurückkehren und durch Ghiberti ein 
geistliches Amt erreichen könnte. In demselben Sinne schrieb Jovius 
an Brodaries, und auch Sauermann richtete an Brodaries die Bitte, er 
möge doch, soviel in seinen Kräften stehe, dafür sorgen, dass der 
hoffnungsreiche junge Mann nicht den Lauf seiner Studien im letzten 
Stadium abbrechen müsste. 

Logau begab sich zuerst nach Schlesien, das hübsche Gedicht an 
seine Zwillingsschwestern, die Freude der Eltern und Brüder, ') die 
Verse auf einen Brunnen, den er in Schlaupitz reinigen liess, ?) ein Epi- 
sramm auf die neue Burg Karl’s von Münsterberg in Frankenstein °®) und 
eine Hausinschrift für den herzoglichen Leibarzt Johann Kopp *) dürften 
in dieser Zeit entstanden sein. Hr suchte aber auch bald seine 
Empfehlungsbriefe nutzbar zu machen, er ging nach Ungarn, und Brodaries, 
der Erzbischof Ladislaus Szalkai von Gran, der päpstliche Nuntius An- 
tonio Baro dal Borgo sollten ihm, wieder mit Stanislaus Thurzo und 
George von Luxau, für weitere Studien in Italien, in Rom, Unterstützung 
gewähren. °) Die furchtbare Katastrophe von Mohaces (29. August 1526) 
brachte seinen Hoffnungen in Ungarn ein jähes Ende. Die Epitaphien, 
die er für Ludwig II. und seinen Erzieher Bornemissa schrieb, °) galten 
auch seinen eisenen Wünschen. 

Logau hatte gehofft, sobald sich die kriegerischen Wetterwolken in 
Italien verzogen haben würden, wieder dorthin zurückzukehren, ’) und 
sein Lehrer und Freund Lazarus Bonamicus hatte ihm seine Freude 
darüber ausgedrückt, °) aber die Jahre 1526 und 1527, die das ent- 
scheidende Vorgehen des Kaisers gegen den Papst brachten, waren nicht 
dazu angethan, einen Deutschen zu friedlichen Zwecken nach Rom zu 
ziehen, und so blieb Logau in Deutschland, doch nicht, um dort seine 
Studien zu vollenden, er trat als Secretair in die Dienste Ferdinand’s 
von Oesterreich.°) Wenn er auch dem kaiserlichen Gesandten Antonius 


t) Hendec. Ad Sorores. 

2) Hendec. In fonteis, quos in rure paterno purgandos curaui. 

?®) Hendec. In arcem Caroli prineipis Silesii. 

*) Hendec. In aedeis Joannis Coppi medici. 

°) Hendec. Stephano Broderico. 

°) Hendec. Epitaphium Ludouici Pannoniae et Bohemiae Regis. Epitaphium 
Bornamissae. 

?”) Hendec. P. Jovius an Steph. Brodaries, Rom, IV. Id. Jan. 1526. 

®) Hendec. L. Bonamicus an G. Logus, 1. März 1526. 

°) In der Widmung der Hendee, an Ferdinand I. unterschreibt er sich: Aulicus, 


IM. Abtheilung. Historische Section. 15 


Mendoza ') dafür dankt, dass er ihn dem Könige bekannt gemacht und 
diesen für ihn gewonnen habe, so dürfte doch auch hier wieder Stanislaus 
Thurzo, der den heimkehrenden Schützling wieder liebreich aufgenommen 
hatte, ?) die Hand im Spiele gehabt haben. 


Im Gefolge des Königs betrat er im Frühjahr 1527 Breslau. °) 
Ferdinand kam von der Krönung in Prag, um in Breslau die Huldigung 
der Schlesier entgegenzunehmen.*) Logau suchte auch hier wieder An- 
knüpfung. Dem Bischofe Jacob von Salza schickte er Gedichte und 
entschuldigte deren bisweilen laseiven Inhalt damit, dass auch der 
Pontifex Caesar die Verse Catull’s gelesen habe.°) Der Bischof, sandte 
ihm dafür, als er krank lag, reichlich Wild.°) Ein Gedicht, das er von 
Wien aus nach Breslau richtete,’) zählt seine Breslauer Freunde auf: 
Stanislaus Sauer, Salixius, Balthasar von Promnitz, Johann Metzler und 
Vincentius Hortensius. Sauer, Doctor des canonischen Rechtes, war 
nach Frömmigkeit, Gelehrsamkeit und Charakter eine Zierde des Dom- 
kapitels;®) der gelehrte Jurist und Gräeist Dr. Johann Metzler ist eine 
auch aus der Stadtverwaltung rühmlich bekannte ‚Persönlichkeit, °) 1534 
wurde er Rathsältester und Landeshauptmann; Promnitz, der Schüler 
Melanchthon’s, von 1539 ab Bischof von Breslau, war wohl damals schon 
Canonieus zu St. Johann; !°) Vincentius Hortensius oder Gärtner, ein 
Jugendfreund Logau’s, !!) war Notar der bischöflichen Kanzlei und bald 
Kanzler des Bischofs. '?) Weniger bekannt ist unter seinem humanistischen 
Namen Salixius der einflussreiche und thatkräftige Domherr Nicolaus 
Weidener;'?®) da er zugleich humanistischer Poet gewesen ist, wollen 
wir bei ihm etwas verweilen. 

Die sonst überlieferten Angaben über seine Person und seinen 
Bildungsgang erhalten eine erwünschte Ergänzung, aber eine recht wenig 
vortheilhafte Beleuchtung durch ein Document in den Breslauer Stadt- 


t) Hendec. Antonio Mendossae. 

2) Hendec. Stanislao Tursoni ep. Olom. Ine.: Agnosco. 

®) Hendec. Ad Vratislauiam Silesiae metropolim. 

2) Kastner, Archiv I, 53; N. Pol, Jahrbücher II, 48. 

°) Hendec. Ad Jacobum a Salza episcopum Vratislauiensem. Ad eundem. 

6) Hendec. Ad Jacobum episcopum Vratislauiensem. 

7) Hend. Ad amicos. 

®) C. Otto, De Johanne V. Turzone, episcopo Weratislauiensi commentatio, 18; 
G. Bauch, Caspar Ursinus Velius, 10, Schles. Zeitschrift XXX, 153, 160; M. Hanke, 
De Silesiis indigenis eruditis, 211. 

9) Schles. Zeitschrift XVII, 297. 

10) Kastner, Archiv für die Geschichte des Bisthums Breslau I, 38. Im 
_ October 1528 als Canonieus erwähnt. 

11) Hendec. Ad Vincentium Hortensium. 

12) Kastner, Archiv I, 34, 68. 

=» Oltto,.a a OA 


16. Jahresbericht der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. 


büchern, !) seine Enterbung durch seine Mutter. ‘Wir können leider den 
Thatbestand nicht mehr nachprüfen, da über die Persönlichkeit der 
Mutter nichts bekannt ist, der Inhalt bietet jedoch nach mehreren Seiten 
manches Merkenswerthe. Sexta post Jacobi Apostoli 1513 erschien vor 
dem Rathe mit Paul Meisner, ihrem zu dieser Sache gekornen Vor- 
munde, die Wittwe des Kretschmers Nicolaus Weidener, um ihr Testament 
zu bestellen. Sie besass aus ihrer Ehe zwei Kinder, Nicolaus, den Dom- 
herrn, und Frau Dorothea Blödyn. Der Vater hatte jedem Kinde 100 
Goldgulden hinterlassen, und der Sohn hatte dieses Erbtheil vollständig 
aufgebraucht. Die Mutter sagt nun in ihren Bestimmungen: „Zum 
dritten gebe ich in meinem leczten Willen menniglichen (zu) wissen 
und zu erkennen, das ich meinem Sone ubir alle sein vaterlich Gutt ge- 
hulffen habe, biss er zu seinem pristerlichen Stande und Wirden 
khommen ist. Also nemlich habe ich en zur Neissen mit Czerunge und 
aller Notdorfit ezwe Jar ausgehalden, zu Cracau ein Jar, ezu Rohme 
funff Jar, drei Jar in Hungern, zu Leipezk drei Jar. Und habe em alle 
Cleyder, wie ein Thumher haben sal, gekoufft, alles umb mein aigen 
Geldt. Und das ich es vff meinen Gewissen nicht lassen wil, so steht 
er mich thausent Gulden als wol als ein Heller, ehr ich en ezum 
Stande eines Thumhern gebracht habe. Zum vierden ist das mein Beger 
und Wille: Dweil ich meynen Vortrawen zu meinem Sone Hern Niclas 
Weidener, Thumherrn zu Sandt Johannes zu Breslaw, gehabt habe und 
bey em gewest bin siben Viertel Jar und mich umb meine Guttat und 
mutterliche Trew, so ich em mannichfeldig beczaiget habe, voracht hat 
und so ubel gehalden, das ich habe von em mussen weichen und czihen, 
so sal er mit dehme, was er mich steet, biss ich en zu sulcher Herlichkait 
bracht habe, vorgenuget sein“ ete. 

In den Einträgen des Stadtbuches wird Weidener stets nur Magister 
genannt, später war er auch Doctor des canonischen Rechts. In Leipzig 
ist er im Sommer 1505 als Meissner durch ein Versehen statt als Polonus 
intitulirt, schon dort war er Canonicus und studirte er canonisches Recht, 
aber auch Humaniora. Im Winter 1506/7 begab er sich, der Pest aus- 
weichend, für fast fünf Monate nach Erfurt.?) Als Johannes Rhagius 
im Winter 1507/38 nach Leipzig kam, und für seine Vorlesungen sieben 
Briefe des hl. Hieronymus?) mit einer gegen die einseitigen Poeten, 
aber noch schärfer gegen die scholastischen Theologen gerichteten Vor- 
rede herausgab, da trug mit Hieronymus Emser, Ulrich von Hutten, 


!) Breslau, Stadtarchiv, Libri signat. 1513. Zweiter Eintrag Secunda die ad 
vincula Petri 1513. Secunda ante Bartholomei apostoli hat Magister N. Weidener 
das mütterliche Testament „wideruffet und geuncrefftiget“. Ein zweiter Protest 
von ihm: Sexta post Egidij. 

2) Michaelis 1506 Matrikel: Nicolaus Weidener canonicus Frieslariensis (!). 

®) @. Bauch im Archiv für Literaturgeschichte XIII, 7. 


II. Abtheilung. Historische Section. 17 


Vitus Werler aus Sulzfeld, Valerian Seyfried aus Sulzfeld und Sebastian 
von der Heyde (Mirieianus) aus Königsberg auch Nicolaus Weidener ') 
ein empfehlendes Gedicht, worin er Hieronymus über die Historiker und 
Redner stellte und den Erklärer Rhagius lobpries, bei. 


Viel später erinnerte er sich seines Pleetrums wieder, er ergriff es 
zum Kampfe für den Katholieismus. Im Jahre 1529 veröffentlichte der 
heftige Gegner Luther’s Johann Cochläus seinen Septiceps Lutheranus 
gegen die sächsische Visitation, ?) und dieser umfangreichen Schrift sind 
Luther feindliche Verse von Nicolaus Salixius (Weidener), Johannes 
Hasenbergius, Philippus Neander, Johannes Eyander, Balbinus Judex, 
Gregorius Sotosa, Volfgangus Leo, Joachimus Mirieianus, Jacobus Albius 
und Henningus Pyrgallius (und F. R. J. ?) beigegeben. Salixius eröffnet 
den Reigen mit scharfen Distichen auf die sieben Köpfe, in einem 
zweiten Gedichte wirft er Luther seine frechen Angriffe gegen die 
sächsischen Herzöge vor. 


In demselben Jahre hat Philipp Melanchthon (Speier, April 1529) 
seine Vorrede zu Daniel”) an den König Ferdinand I. gerichtet und eine 
die Vorrede paraphrasirende poetische Epistel der Germania an den 
Fürsten angehängt. In der Praefatio fordert er, nachdem er das letzte 
Danielische Reich, das die Heiligen unterdrücken soll, auf die Türken 
gedeutet hat, den König auf, ein Coneil zu veranlassen oder wenigstens, 
wenn die unruhigen Zeiten das nicht zuliessen, einige rechtschaffene 
und gelehrte Männer zu autorisiren, die Dogmen zu prüfen, damit die 
Lehre Christi dem Volke rein geboten und die Eintracht hergestellt 
werde. ,Non suscepi hie,“ fährt er fort, ,„euiusguam defensionem. $i 
quis Evangelii praetextu seditiones excitat, si imperia prineipibus abrogat, 
si in alienas possessiones invadere, si diripere sacerdotum facultates co- 
natur, det sceleris poenas.. Tantum hoc oro, ut in tanta varietate dog- 
matum ratio ineatur, per quam ita restituatur concordia, ut ambiguae 
mentes etiam sanentur.‘“ Wenn dann durch den König die Tumulte be- 
seitigt, die darniederliegenden Wissenschaften aufgerichtet wären, so 
schliesst das Gedicht, würde Ferdinand kräftig und mit Erfolg die Türken 
angreifen können, 


2) Im Druck fälschlich N. Weydeman genannt. Die Ausgabe in Dresden, 
Königl. Bibl. 

2) Septiceps Lutherus, ubique sibi, suis scriptis, contrarius, in Visitationem 
Saxonicam, per D. D. Joa. Cocleum, editus. Lypsiae Impressit Valentinus Schu- 


mann, Anno post Christum natum, M. D. XXIX. X. Maias Calendas. 4°. Breslau 


Stadt-Bibl. 

3) Praefatio ad Regem Ferdinandum in Danielem. Autore Philippo Melanch. 
M, D. XXIX. O. O. 8°, Breslau, Stadt-Bibl. 

189. 2 


2: 


18 Jahresbericht der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. 


Auf die prosaische und die poetische Widmung antwortete Weidener 
mit einem Catholicum carmen ad Philippum Melanehthonem. ') Er warf 
Melanchthon vor, dass er zu spät zur Vernunft komme, als noch das 
Christenvolk einträchtig in der wahren Religion war, da hätte es die 
Muhamedaner nicht zu scheuen brauchen. Luther und Melanchthon 
hätten die Zwietracht geschaffen, die gotteslästerlichen und tempel- 
schänderischen Seceten hervorgerufen und die humanen Studien zu Waffen 
des Kampfes gegen die Religion gemacht. Auch ein Coneil könne nichts 
nützen, es sei nur ein übelangebrachter Scherz der Protestanten, ein 
solches von dem Könige und den Fürsten zu verlangen, da sie das 
eanonische Recht und die alten Dogmen verwürfen, als ob nur in ihnen 
selbst allein alle Weisheit wäre. Ein zweites Gedicht, eine Klage der 
Religion, richtete er an den König. Diese zählt alle Ketzereien der 
Reformatoren und der neuen Secten auf und bittet ihn um seine Hilfe. 
Ein drittes kürzeres Gedicht an Deutschland droht für die Abschüttelung 
der römischen kirchlichen Gesetze mit der türkischen Knechtschaft. 
Der Wiener Propst, Paul von Oberstein, liess die metrisch und in- 
haltlich nicht ungewandten, heftigen Verse mit einer zustimmenden Vor- 
rede an den Verfasser (Augsburg, Idib. Novemb. 1530) drucken. 

Weidener starb in hohem Alter um 1555 als Cantor zu St. Johann.?) 
Er blieb sein ganzes Leben mit Logau ein eifriger Vertheidiger der 
katholischen Kirche. — 

Nach dem Besuche in Breslau ging Logau nach Krakau, vielleicht 
mit Luxau, der fast ein Jahr als königlicher Gesandter dort blieb.°) 
Im Mai 1527 hatte Erasmus von Rotterdam an König Sigismund I. von 
Polen geschrieben, und diesen Brief gab Stanislaus Hosius, dem Vice- 
kanzler Bischof Petrus Tomicki von Krakau gewidmet, heraus.*) Joannes 
Langus Silesius lieferte hierzu ein Epigramm in magnum illum Erasmum 
Roterodamum, und bei dem Bilde des Erasmus am Ende des Druckes 
befinden sich lobende Verse von Stanislaus Hosius, Leonardus Coxus 
Anglus und Georgius Logus. Der Brief erregte übrigens am Hofe Fer- 
dinand’s grossen Anstoss, weil Erasmus darin vom Streite inter Ferdi- 
nandum et Joannem „Ungariae regem‘ gesprochen hatte.’) Bewundernde 


!) Nicolai Weidner Canoniei Wratislauien. Catholicum carmen, ad Philippum 
Melanchthonem. O. O. u. J. 4°. Das Datum unter dem Gedicht M. D. XXXI. soll 
XXIX heissen. Nürnberg, Germ. National-Museum. 

2) Kastner, Archiv I, 279. 

®) C. Ursinus, De bello Pannonico, 58. 

*) Des. Erasmi Roterodami epistola ad Inelytum Sigismundum Regem Po- 
loniae ete. mire elegans, in*qua horum temporum conditionem graphice describit. 
 Cracouiae per Hieronymum Vietorem. Anno domini Millesimo quingentesimo ui- 
gesimo septimo. 4°. Breslau, Univ.-Bibl. 

?) G. Bauch, Caspar Ursinus, 55. Gemeint ist Johann Zapolya, 


III. Abtheilung. Historische Section. 19 


Distichen richtete Logau an die von den Polen keineswegs geliebte 
Königin Bona Maria und ähnliche an ihren Sohn Sigismund August. ') 
Für Justus Ludovicus Decius gab er das Vaterunser und das Glaubens- 
bekenntniss in Hexametern wieder. ?) 


Den Krieg, der ihn aus Italien vertrieben hatte, sollte er bald in 
nächster Nähe sehen. Eins seiner Gedichte über die kommenden 
kriegerischen Unternehmungen Karl’s V. in Italien gegen den „treulosen“ 
Franzosen und Ferdinand’s in Ungarn ?) verspricht hohe Thaten beider 
Brüder. In dem schönen Herbste 1527 machte sich Ferdinand auf, um 
von Ungarn Besitz zu ergreifen. Am 3. November wurde er feierlich 
in Stuhlweissenburg gekrönt. Der Hofhistoriograph Caspar Ursinus hielt 
eine glänzende Festrede von der Kanzel, Logus, der der Feierlichkeit 
ebenfalls beiwohnte, begleitete die Rede im Druck ') mit einem Gedichte, 
das den Eindruck der wohlgesetzten Worte schildert. Er vergass auch 
nicht, aus den Witterungserscheinungen, schweres Unwetter in der 
Nacht und darauf strahlender Morgen am Krönungstage, das Beste für 
Ferdinand’s Regierung, leider erfolglos, zu prophezeien, wie er vorher 
den heiteren Herbst als himmlische Gunst für Ferdinand ausgelegt hatte.°) 


Ferdinand besass zwar nun die Krone, doch das ungarische Reich 
war zum srossen Theile in der Hand des dann auch von den Türken 
unterstützten nationalen Gegenkönigs Johann Zapolya, gegen diesen 
Kronenräuber schleuderte auch Logus seine poetischen Geschosse. °) 
Zapolya, der Verräther seines Vaterlandes, stammt aus Verräthergeschlecht 
und hat selbst König Ludwig bei Mohacs verrätherisch im Stiche ge- 
lassen. Ein diebischer Wolf umschleicht er vom Walde her die Ställe 
und flieht vor dem Löwen Ferdinand feig in das Dunkel des Waldes 
und in seine Höhle zurück. Triumphirend wird die Niederlage Zapolya’s 


!) Hendec. Ad Bonam Mariam Sarmatiae Reginam. Sigismundo Augusto, in- 
elyti Regis Sarmatiae filio et principi Lithouaniae. 

2) Hendec. Preces ad Deum. Christianae relligionis Symbolum. Justo Ludo- 
uico Decio. Auch Ursinus (A. a. O., 49) hat auf Bitten des Decius das Vaterunser 
poetisch behandelt und Erasmus hat für denselben eine prosaische Paraphrase 
geschrieben. Opp. III, col. 1759. 

®) Hendec, De motibus bellieis Imperat. Caes. Caroli et Ferdinandi Pannoniae _ 
et Bohemiae Regis. Ad Carolum Caesarem Augustum. De eodem. Ad Regem 
Ferdinandum. Ad eundem. Ad eundem. 

*) Hendec. In Orationem C. Ursini Velii. Druck der Rede, Wien 1527. Breslau, 
Stadt- und Univ.-Bibl., Wien, Hof-Bibl. 

°) Hendec. Ad Ferdinandum Pannoniae et Bohemiae Regem. Ad eundem in 
Pannoniam cum exercitu profectum. Ad eundem, cum ei diadema imponeretur. 

6) Hendec. In Joannem Zapoliensem, Regnum Pannoniae per vim et scelus 
affeetantem. De Joanne Zapoliensi ad Tockai arcem profligato. In Joannem Za- 
poliensem. In eundem., 

9# 


20. Jahresbericht der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. 


bei Tokai durch Nicolaus von Salm besungen, die Ferdinand freien Weg 
zur Krone bereitet hatte. 

Der Dichter benutzte natürlich die Poesie auch jetzt wieder als 
Werkzeug zur Gunstgewinnung und nebenbei zu anständiger Bettelei. 
Loxanus ging er um ein neues Pferd für sein gefallenes an. ') Stanislaus 
Thurzo hatte ihm für den Feldzug die Rüstung geschenkt, er sollte auch 
mit warmer Winterkleidung aushelfen.?) Alexius Thurzo,°) den jün- 
geren Bruder, der die Familie in Ungarn zu hoher Stellung erhob, so- 
wie Johann, ‘) den jüngsten Bruder, reihte er dem Kataloge seiner 
Gönner ein. Neue Gönner suchte er unter den ungarischen Grossen; 
unter Berufung auf Nadasdy, Wardai, Kalnai, dass er stets ein Freund 
der Ungarn gewesen sei, beklagte er sich bei dem Kanzler Bischof 
Thomas Zalahasi von Erlau,°) dass die Ungarn ihn vernachlässigten, 
und bat ihn, der ihm schon werkthätige Hilfe geleistet hatte, aufs neue 
um Unterstützung auch bei anderen Grossen. Das Lob von Zalahasi’s 
Neffen, des von Georg Werner unterrichteten Martin Kecheti, °) ging 
ebenfalls an des Bischofs Adresse. Den Erzbischof Paul von Gran 
pries er als würdigen Nachfolger des hochgebildeten Diehtermäcens 
Ladislaus Szalkai.”) Dem Schatzmeister Bischof Nicolaus Gerendi von 
Siebenbürgen gratulirte er zu der vom König erlangten Inful.°) Von 
älteren Freunden traten ihm hier entgegen Thomas Nadasdy°) und sein 
alter Lehrer Valentin Eek, den er zugleich mit Georg Werner besang, '') 
weil es ihren Bemühungen zuzuschreiben war, dass die oberungarischen 
Bergstädte treu zu Ferdinand hielten. Auch den Siebenbürger Hadrian 
Wolfhard, eine Wiener Bekanntschaft, begegnete er jetzt wieder. '') 

Ferdinand kehrte 1528 nach Oesterreich zurück, und Logau blieb 
jetzt kurze Zeit in Wien. Als Caspar Ursinus seine Monosticha'?) er- 
scheinen liess, gab Logau ein Lobgedicht auf Ursinus und den Kanzler 
Ferdinand’s Bernhard von Gless, Bischof von Trient, bei, und Johannes 
Rosinus besang das Dichterpaar Ursinus und Logus. In Wien traf zu 


*) Hendec. Georgio Loxano affıini suo. a 

?) Hendee. Ad Stanislaum Tursonem episcopum Olomuc. Ine.: Turso meae. 

?) Hendec. Ad Alexium Tursonem. 

*) Hendec. Joanni Tursoni. 

°) Hendee. Ad Thomam a Zalahaza Episcopum Agriensem Epistola. 

°) Hendec. Martino Kechetino episcopi Agriensis nepoti. 

”) Hendec. Paulo Strigoniensi archiepiscopo. 

®) Hendec. Ad Nicolam Gerendi episcopum Albensem. 

°) Hendec. Ad Thomam Nadasdenum. 

ı°) Hendec. Ad. G. Vernerum et Valentinum Eechium. 

!!) Hendec. Hadriano Volfhardo. 

12) Hoc in libello haec continentur. Monosticha Regum Italiae, Albanorum, . 
Romanorum, et virorum illustrium, tum Caesarum usque ad nostram aetatem. etc. 
Wien, J. Singrenius, 1598, 4°, Breslau, Dom-Bibl, u. Stadt-Bibl,, Wien, Hof-Bibl, 


III. Abtheilung. Historische Section. 91 


dieser Zeit noch ein schlesischer Landsmann Antonius Niger oder Mela 
aus Breslau ein, Logau begrüsste ihn als neue Zierde der Heimath. !) 
Poetische Freundschaft zu gegenseitigem Lobe schloss er mit Johann 
Ludwig Brassicanus, ?) auch der Jurist Victor Gamp °) wurde ihm lieb. 

Der König verlegte im April sein Hoflager nach Mähren, in Znaim 
hielt er einen Landtag, der sich mit der Türkengefahr und den religiösen 
Wirren des Landes beschäftigte. Wenn aus Rücksicht auf die politischen 
Verhältnisse die Lutheraner ungekränkt blieben, so wurde um so schärfer 
gegen die Wiedertäufer und die Zwinglianer eingeschritten. Ursinus, 
Rosirus und Logus, die mit dem Könige gekommen waren, lieferten 
Verse zu den von Johann Faber in Znaim gegen die „Katabaptisten“ 
. gehaltenen und Stanislaus Thurzo gewidmeten Reden zum Lobe Faber’s 
und Thurzo’s.*) Johann Zwolski, einst Schüler des Konrad Celtis in 
Wien und jetzt als Domherr in Olmütz Anhänger der Reformation, ver- 
kehrte mit Ursinus und Logau.5) Im Laufe des Jahres wurde Logau 
nochmals von Ferdinand nach Mähren geschickt.°) Diesen beiden Auf- 
enthalten entsprosste eine Reihe von Gedichten an Stanislaus Thurzo 
und an die mährischen Freunde, an den Arzt Thurzo’s Mathias Auctus 
aus Krakau, ’) nachmals Stadtphysikus in Breslau, an den Prokanzler 
von Böhmen und Propst zu Olmütz Dr. i. u. Wenzel von Wilhartitz 
und an Hadrian von Wilhartitz. ”) 

In Mähren erkrankte Logau schwer. Die erzwungene Musse in der 
Genesung benutzte er dazu, seine Dichtungen zu sammeln und zu feilen, 
in Wien setzte er, immer noch nicht ganz hergestellt, bei Ursinus diese 
Thätigkeit fort,®) und so entstand unter Mitwirkung von Ursinus und 
Rosinus die erste Gesammtausgabe seiner Gedichte: G. Logi Silesii ad 
inelytum Ferdinandum, Pannoniae et Bohemiae Regem inuictissimum 
Hendeecasyllabi, Elegiae, et Epigrammata. Viennae Pannoniae Hieronymus 
Vietor $Silesius exeudebat Mense Maio M. D. XXIX. 4°.) 


!) Hendec. Ad Antonium Melam. Schles. Zeitschrift XVI, 180. 

2) Hendec. Ad Janum Lucium Brassicanum, 

3) Hendec. Ad Victorem Gamp Jureconsultum. 

*) Denis, 267. Hendec. Ad Stanislaum Tursonem ep. Ol. Inc,: Turso pater. 
Ad eundem, Joanni Fabro. 

5) Janus de Zuola an Joh. Hess, Towatschau, 15. Apr. 1528. Bresl. Stadt- 
Bibl. Rhedig. Briefe V, 78. 

6) Widmung der Hendecasyllahi. 

?) Hendec. Mathiae Aucto medico. J. L. Brassicanus, Ad potentiss... Regem 
Ferdinandum e Bo&mis redeuntem, Carmen congratulatorium, ©. O. u. J, #2: 
'D. Mathiae Aucto Medico Thursonis. Dort auch Gedichte auf Ursinus, Antonius 
Mela, G. Werner und G. Logus. 

8) Widmung der Hendecasyllabi an Ferdinand. 

°) Breslau, Stadt-Biblioth., Wien, Hof-Bibl. Das Breslauer Exemplar trägt 
am Ende die eigenhändige Widmung: Matheo Logo Consobrino suo Georg: Logus. 


992. Jahresbericht der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. 


Das Buch ist mit der Entschuldigung der langen Dienstunfähigkeit 
und der Bitte um eine Beihilfe zu einem neuen Aufenthalte in Italien 
dem Könige Ferdinand gewidmet (Wien, 10. Mai 1529). Der Inhalt der 
Dichtungen hat uns bis hierher meist als der Faden unserer Darstellung 
gedient. Das zweite Buch, die Elegien, ist dann wieder noch Bernhard 
von Gless und das dritte, die Epigramme, dem königlichen Rathe Grafen 
Gabriel Salamanca von Ortenburg dedieirt. 

Will man ein Urtheil über die hier vereinigten Leistungen Logau’s 
abgeben, so muss man das grosse formale Geschick unbedingt anerkennen, 
wenn vielleicht auch die Hendecasyllaben ihm zwangloser als die an- 
deren Metra gelangen, aber das Talent war ursprünglich nicht nur ein 
formales, die Liebesgedichte und manches Freundschaftsgedicht schon 
beweisen das, der Missbrauch der Leichtigkeit, sich metrisch auszudrücken, 
und das Urtheil der Zeit, die Rhetorik als Poesie ansah, wenn sie nur 
in ein carmen doctum gefasst war, und endlich die reiche Anerkennung, 
die seine Verse: Logau eintrugen, haben jedoch zum Schaden der Natür- 
lichkeit und Weiterentfaltung bei dem Dichter Eitelkeit und Selbst- 
senügsamkeit hervorgerufen: das Talent ging in die Breite und ver- 
flachte, statt in die Tiefe und in die Höhe auszuwachsen. Grössere 
Aufgaben, wie Franeiseus Faber sie sich stellte, hat Logau sich nicht 
gesetzt. Die Eitelkeit zeigt sich auch darin, dass er die italienischen 
Empfehlungsbriefe den Poesien anhängte. 

Von diesen Gedichten besitzt die Königliche und Universitätsbibliothek 
in Breslau ein Prachtexemplar !) auf Pergament in etwas reichlichem 
Format, wie es scheint, Logau’s eigenes Exemplar. Ein Vorblatt trägt 
auf der ersten Seite in ovaler Fassung auf graublauem Grunde das in 
Wasserfarben gemalte Porträt des Dichters im Brustbilde halblinks ge- 
wendet. Die Arme sind übereinander geschlagen, eine enganliegende 
haubenartige Kopfbedeckung verhüllt Haare und Ohren, eine weite 
schwarze, pelzbesetzte Sammetschaube umschliesst den Körper. Das 
Gesicht erscheint früh gealtert, die grossen, etwas vorstehenden dunklen 
Augen blicken ziemlich blöde, die Nase ist stark 'entwickelt, das Unter- 
gesicht tritt vor und ist von einem schon stark ergrauenden, nicht sehr 
dichten Vollbarte umgeben. Ueber dem Bilde steht: Georgius a Logau 
Protonotarius Apostolieus Canonicus $. Johannis et Praepositus 8. Crueis 
Wratislav. und unten liest man: Talis erat, cum lustra octo et sex 
volveret annos || Rite dei mystes, Aonidumque Logus. 

Wenn auch die Jahreszahl fehlt, so sehen wir ausser nach den 
Titeln schon aus den Lebensjahren, dass das Bild einer späteren Zeit 
als 1529 angehört. Es ist für einen Vergleichenden kaum glaublich, 


!) Geschenk des Canonicus Professor Jos. Ign. Ritter. Steht unter den 
Cimelien. 


III. Abtheilung. Historische Section. 23 


dass zu diesem Bilde das lebenswahre Oelporträt Logau’s von einem 
unbekannten Meister im schlesischen Provinzialmuseum ') die Vorlage 
gewesen sein soll. Hier ist das gesund gebräunte Gesicht nicht so alt, 
die Augen stehen nicht vor, der Bart ist diehter und nur leicht ergraut 
aber die Kleidung und die Haltung sind dieselben und ein Zettel unten 
trägt dasselbe Distichon. Abweichend sind hier nur der grüne Lorbeer- 
kranz um das Haupt und der landschaftliche Hintergrund. 


Die Rückseite des Vorblattes hat: Nummus in honorem Georgii 
Logi eusus, die Abbildung der beiden Seiten einer Medaille, deren Avers 
das nach links blickende bärtige lorbeerbekränzte Profil des Dichters 
bietet mit der Umschrift: G. Logus Silesius Poeta et Eques Germanus. 
Der Revers hat die im Profil nach links schauende Flora, sie hält ein 
Füllhorn vor sich. 


Das nun folgende Titelblatt ist neu gesetzt mit demselben Wortlaut 
und ganz in Gold gedruckt. Das Wappen Ferdinand’s I. darunter ist 
bunt ausgemalt wie das Logau’sche auf der vorletzten Seite. Ebenso 
neu und zwar in der schönen Cursivschrift Vietor’s gesetzt und in Gold- 
druck ausgeführt sind auf der Kehrseite des Titels die empfehlenden 
Verse des Ursinus. Auch die Widmungen an Gless und Ortenburg sind 
golden gedruckt, doch nur die letzte ist wieder neu in Cursive gesetzt, 
Sonst stimmt dieser Druck mit den anderen vollständig überein. 


Im Jahre 1530 ging Logau mit dem Könige zu dem Reichstage 
nach Augsburg. In Linz traf der König mit seiner Schwester, der ver- 
wittweten Königin Maria von Ungarn, zusammen, ihr Vertrauter Nicolaus 
Olah war ein Freund von Logau.?) Olah hatte grosses Gefallen an dem 
heiteren und liebenswürdigen Wesen Logau’s. Von der dienstlichen Ver- 
wendung Logau’s in Augsburg ist uns nichts bekannt, nur von seinem 
Umgange haben wir Nachricht. Als Gesandter des polnischen Königs 
war der Staatsmann und humanistische Dichter Johannes Dantiscus 
(Flachsbinder aus Danzig) anwesend. Ursinus, Cornelius Duplieius 
Scepperus und Logau verkehrten mit ihm freundschaftlich, und der be- 
rühmte Dichter Helius Eobanus Hessus, der für kurze Zeit von Nürnberg 
herüberkam, lernte das Vierblatt schätzen. Logus erwarb das Lob des 
anerkannten Poeten.°) Er erhielt auch Zugang zu Anton und Raimund 
Fugger und wurde mehrfach zu den reichen Festmählern zugezogen, die 
die Brüder vornehmen und gelehrten Männern in ihren wohlgepflegten 


!) Gemälde 213. Aus städtischem Besitz, früher im Maria - Magdalenen- 
Gymnasium. Herr Directorialassistent Dr. Becker machte mir freundlichst das Bild 
‘ für nähere Betrachtung zugänglich. 

2) Ohlah Miklos, Levelezese 48. Olah an Ursinus, Linz, 25. Febr. 1530. 

3) F. Hipler, Beiträge zur Gesch. des Humanismus aus dem Briefwechsel des 
Johannes Dantiscus, 5, 11. 


= a Jahresbericht der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. 


Gärten veranstalteten.‘) Als Logau dann endlich die Möglichkeit wurde, 
seinen Herzenswunsch, eine neue Studienreise nach Italien, zu erfüllen, 
gab ihm Anton Fugger durch seinen Procuristen und Vetter George 
Hermann Empfehlungen an seine Procuratoren in Venedig mit, die ihn 
darauf in Geldsachen äusserst entgegenkommend behandelten.’) Die 
Reise trat er wohl erst 1531, wiederum unterstützt von Stanislaus 
Thurzo und George von Luxau, an;°) sein Ziel war diesmal Padua und 
der Zweck der Abschluss seiner juristischen Studien und die Promotion 
zum Doctor legum.‘) Auf dem Wege erwarb er die Gönnerschaft des 
Abtes Valentin Bierer zu St. Lamprecht in Steiermark. °) 


In Padua hielten sich zu dieser Zeit seine alten Freunde Lazarus 
Bonamieus und Petrus Bembus auf, und er schloss sich diesen wieder 
auf das engste an. Ursinus hatte seinem Freunde Bonamieus Logau auf 
das angelegentlichste in einer poetischen Epistel empfohlen, °) auch 
einem andern suchte er ihn nahe zu bringen, obgleich er selbst erst 
Verbindung mit diesem suchen musste, dem später in Brüssel so einfluss- 
reichen und gehassten Niederländer Viglius van Aytta aus Barrahuys 
bei Zwichem in Friesland, ”) der von Frankreich, Döle, Avignon und 
Bourges, schon als Doctor mit den ihm anvertrauten Zöglingen Heinrich 
und Quirinus Rehlinger, den Schwestersöhnen des Anton Fusger, und 
Johann George Hermann, dem Sohne George Hermann’s, nach Padua ge- 
kommen war, um hier weiter zu studiren und zu lehren. Auf die 
freundlichen Briefe des Ursinus antwortete Viglius in eingehender Weise 
und sagte von Logau, dass er wegen seiner herrlichen Geistesgaben bei 
allen Gelehrten sehr angenehm sei; er hätte aber ehrlich hinzufügen 
müssen: „ausser bei mir‘, denn er war Logau herzlich gram. In Padua 
war das Centrum der italienischen Ciceronianer, Bonamieus und Bembus 
waren ihre Häupter, Erasmus aber war ihr literarischer Gegner, und 
Viglius war ein eifriger Partisan des Erasmus. Daher war Zwichem 
über Logau höchst ungehalten, als dieser, wenn er sich auch nicht 
öffentlich gegen Erasmus aussprach, doch die Italiener so hoch stellte, 
wie das der Erasmianer Viglius nicht zugestehen wollte; für Logau und 


!) Widmung zu Poetae tres egregü. S. weiter unten. 

VNA. 722,0, £ 

®) A.a.O. Ursinus an Olah, Innsbruck, 21. November 1531. Levelezese, 168. 

*) Mit diesem Titel in den Kapitelsacten genannt bei Kastner, Archiv I, 84. 

>) Epistolae scholasticae Joannis Musleri ac suorum discipulorum, 24, Hiernach 
verkehrte Logau in Padua mit Musler. Neues Lausitzisches Magazin, 46. Bd., 209. 

6) Abgedruckt hinter Elegia Joannis Silesij u. hinter Pontius Paulinus. S. 

‘ weiter unten. 


”) Alles, was wir hier von Logus und Zwichem anführen, steht bei C. P.Hoynck 


van Papendrecht, Analecta Belgica I, 1, 1; II, 1, 59, 61, 79, 89, 105, 106, 109, 113, 
118, 120, 128, 138, 144. 


6 


II. Abtheilung. Historische Section. 29 


Viglius spielte dabei auch noch das abweichende Urtheil über die Rolle 
des Erasmus in den religiösen Streitigkeiten mit; Logau fand als strenger 
Katholik wie Johann Eck und andere an Erasmus durchaus nicht alles 
lobenswerth. Viglius, der in der Folge ebenso streng wie Logau denken 
lernte, wagte es nicht, in Padua gegen den &Aoyos offen vorzugehen, 
und schüttete dafür seine Galle in den vertrauten Briefen an Erasmus 
aus; er lässt keinen guten Faden an jenem und verdächtigt übelwollend 
jede seiner Aeusserungen, selbst bei dem eigenen Landsmanne Logau’s, 
bei Anselmus Ephorinus aus Friedeberg in Schlesien, der mit dem Sohne 
des Krakauer Patriziers Severin Boner Johann nach einer Reise durch 
Deutschland, bei der er Melanchthon in Erfurt kennen gelernt‘) und in 
Basel die Freundschaft des Erasmus gewonnen hatte, in Padua zu medi- 
ceinischen Studien vor Anker gegangen war, suchte er ihn herabzusetzen. 
Logau hatte von diesen Manövern hinter seinem Rücken gar keine 
Ahnung, er war sogar der Lobredner Zwichem’s bei Bembus.?) Um 
Logau zu ärgern, zeigte ihm Viglius die Widmung des Erasmus zum 
XXXVIIN. Psalm an Stanislaus Thurzo, durch die Mittheilung hiervon 
machte er jedoch Erasmus, der soviel auf Herrengunst gab, wenn er 
das auch nicht Wort haben wollte, Kopfschmerzen, denn er fürchtete 
der &Aoyog könnte ihm bei diesem Gönner schaden, und Ursinus, an den 
er sich umgehend wendete, um einen etwaigen Streich abzuwehren, 
musste ihn erst über die edle Denkweise Thurzo’s beruhigen. °) Als 
Logau im Herbst 1532 mit Bonamiceus auf die Nachricht von dem vor- 
zeitigen Tode des berühmten Juristen und Gräcisten Gregorius Haloander 
aus Zwickau nach Venedig eilte, um durch die Aufnahme eines Inventars 
zu verhindern, dass die Bibliothek des Verstorbenen zerstreut würde, 
begleitete auch diesen wissenschaftlichen Freundesdienst Viglius mit 
hämischen Bemerkungen. Noch hässlicher aber ist der Klatsch, den er 
als Berieht über eine längere Reise Logau’s im Jahre 1533 auftischt. 
Dieser wird im April schon sehnlichst von vielen, nicht nur von Lands- 
leuten, sondern auch von Bembus, Bonamicus und anderen Gelehrten, 
deren Freundschaft er genossen und in deren Rechnungsbüchern er 
seinen Namen als Souvenir zurückgelassen hat, erwartet. Er schreibt 
bisweilen von kirchlichen Beneficien und einträglichen Stellungen und 
speist damit vorläufig seine Gläubiger ab. Noch im August ist er in_ 


Y) Landeshut, Wallenberg-Fenderlin’sche Bibliothek Ms. 1, 1, 196. Ans. Epho- 
rinus an Ph. Melanchthon, Krakau, 1.Juni 1559. Eobanus Hessus empfahl Epho- 
rinus an Erasmus. Vrgl. die hier folgenden Opp. II, col. 1404, 1457. 

2) Deriderii Erasmi Roterodami Opera omnia, Lugduni Batav. 1703, III, col. 
1452. P. Bembus an Erasmus, Padua, 29. Aug. 1532. 

®) J. F. Burscher, Spicilegia autographorum, X, 14. Ursinus an Erasmus 
Innsbruck, 26. Juni 1532. Trotzdem liess Erasmus Logus durch Franeiscus Rupilius 
grüssen, Freiburg, 8. Sept. 1533. Opera III, col. 1474. 


IE. Jahresbericht der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. 


Rom auf der Pfründenjagd, aber wohl erfolglos, da bei Zwichem die 
Nachricht eingetroffen ist, dass er am Körper und am Beutel schwer 
erkrankt sei, während er in Padua doch „‚ganz seiden“ war. Wir wissen 
nicht, wann Logau wieder in den Dunstkreis Zwichem’s eingetreten ist. 


In Rom wurde er mit dem jungen deutschen Gelehrten Johannes Lu- 
eretius Aesiander ') bekannt und erhielt von ihm eine Abschrift von Gratius 
De venatione, von M. Aurelius Nemesianus Cynegeticon und von Ovid’s 
Fragment De piseihus, die er von einem alten Codex in langobardischer 
Schrift, ?) den Accius Syncerus Sannazarius aus Frankreich nach Italien 
gebracht hatte, genommen und Logau zur Edition überliess. Logau 
begab sich im Januar 1534 nach Venedig und übergab die Autoren mit 
einigen ähnlichen Beigaben Paulus Manutius, dem Sohne des Aldus, zum 
Druck. Sie gelangten sofort unter die Presse und erschienen, dem Anton 
Fugger gewidmet, im Februar: Hoc volumine continentur Poetae tres 
egregij nunc primum in lucem editi, Gratij, qui Augusto Prineipe floruit, 
de uenatione Lib. I. P. Ouidij Nasonis Halieuticön liber acephalus. 
M. Aureliji Olympij Nemesiani Cynegeticön Lib. I. Eiusdem carmen bu- 
eolicum. T. Calphurnij Sieuli Bucolica. Adriani Cardinalis uenatio. 
Venetijs, in aedibus haeredum Aldi Manutij, et Andreae soceri, M.D. 
XXXIIII, Mense Februario. 8°.°) Die ersten drei didaktischen Gedichte 
sind wirklich hier in ihrer Editio princeps. Logau setzte ausser der 
Dedication dem Drucke ein poetisches Vorwort und Gedichte an den 
päpstlichen Gesandten bei Ferdinand I. Petrus Paulus Vergerius und an 
Georgius Loxanus*) als an Jagdfreunde voran. Die ganze Publication 
wurde noch in demselben Jahre am Sitze der Fugger, in Augsburg, 
nachgedruckt. °) 

Im Verlaufe des Jahres 1534 begab sich Logau nach dem Norden, 
nach Wien an den königlichen Hof.°) In dieser Zeit hatte George von 
Luxau eine Augsburgerin Katharina Adler, die später zur Umgebung 
der Philippine Welser gehörte, geheirathet, und Logau versäumte diesen 
Anlass nicht, seinem hilfsbereiten Vetter seine Dankbarkeit zu beweisen; 
indem er einen ganzen Cyklus von (23) Dichtungen an Katharina ver- 
öffentlichte: In laudem Catharinae Aquilae Augustanae, Philippi filiae, 


!) M. Denis vermuthet, dass dies Johannes Albrecht Widmannstalt sei. Wien’s 
Buchdruckergeschichte, 101, 634. 

2) Dieser Codex befindet sich jetzt in Wien. 

3) Breslau, Univ.-Bibl. Zweite Ausgabe Breslau Univ.- und Stadt-Bibl. 

*) Dem Georgius Loxanus widmete Joachimus Camerarius, Leipzig 1556, den 
Hippocomieus. ® | 
5) Dem Titel ist nur zugesetzt: Per uirum egregium Georgium Logum Sile- 
sium. Excusum Augustae Vindelicorum in offieina Henriei Steyner, XX. die mensis 
Juli. Anno M. D. XXXIHl 8°. 

°) Widmung zu den Gedichten an C, Aquila. Datum Wien, 8. Dechr. 1534, 


III. Abtheilung. Historische Section. 97 


Georgii Loxani Silesii eoniugis. O. O.') u. J. 4° Luxau hatte, aus 
Augsburg vor der Pest flüchtend, seine Gemahlin auf der seinem An- 
verwandten dem königlichen Schatzmeister Johann Löbel gehörenden 
und von diesem neu hergestellten Burg Grein am Donaustrudel zurück- 
gelassen. Daran knüpft der Dichter an, er preist die Burg, Löbel, Luxau 
und in überreicher Weise Katharina, auch deren Schwester Mariana 
übergeht er nicht. Ein Verliebter könnte nicht soviel Reize an seiner 
Auserwählten entdecken, als Logau an Katharina zu besingen weiss. 
Das Herrlichste an ihr ist nächst Schönheit und Keuschheit ihr Gesang, 
und so wird Katharina auf Greinburg zum lieblichen Gegenbilde der 
Heine’schen Lorelei und der antiken Sirenen. 

Unter Luxau’s Augen waren die Gedichte entstanden, Luxau sah 
auch bei seinem Vetter die Gedichte eines Italieners, die jener aus Italien 
mitgebracht hatte, sie gefielen ihm und er bot die Mittel zum Druck, 
es war naheliesend, dass sie ihm nun auch gewidmet wurden (Wien, 
10. Decemb. o. J.), es sind: Lucii Petrei Zanchi Bergomatis poemata 
varia. 0.0.°) u.J. 4°. Zanchus gehörte einer Bergamasker Familie °) 
an, die zur Zeit 200 waffenfähige Männer aufbringen konnte, sein Vater 
Paolo Zanchi, ein Anhänger der Venetianer und um seine Vaterstadt 
wohlverdient, war selbst literarisch gebildet und Poet, er unterrichtete 
seine Söhne mit deren Lehrer Jovita Rapieius aus Brixia zusammen und 
brachte Petrus nach Rom in die Familie des Cardinals Augustinus 
Triuleius. Logau hatte Petrus, der sich schon mit 17 Jahren an ein 
grammatisches Werk gewagt hatte und schon damals Dichter war, 1522 
in Bologna bei gemeinsamen Studien unter Bonamicus genauer kennen 
gelernt, er erneuerte bei dem letzten Besuche Italiens die Freundschaft, 
und da er Petrus 1531 in Venedig vergeblich zur Herausgabe seiner 
Dichtungen zu bewegen versucht hatte, verschaffte er sich in Abwesenheit 
des Petrus durch dessen Bruder Julius, *) mit dem er sich ebenfalls be- 


!) Dresden, Königl. Bibl. Druckort ist nicht Wien, sondern Augsburg. 

2?) Breslau, Stadt-Bibl., Wien, Univ.-Bibl. Der Druckort ist hier ebenfalls Augs- 
burg und nicht Wien. 

®) Pauli Zanchi Bergomatis iurisconsulti, Ad illustrissimum Venetiarum senatum 
pro Bergomatibus congratulatio. Iovitae Rapicii Brixiani oratio, in funere eiusdem 
Pauli Zanchi habita. Venetiis, MDLXI; Lilii Greg. Gyraldi Ferrarien. Opp. II, 415; 
Pauli Manutii epistolarum lib. XIV, lib. IV, ep. 28. Basilii Zanchi Berg. verborum 
latinorum ex variis authoribus epitome. Eiusdem verborum, quae in Marii Nizolii 
observationibus in Ciceronem desiderantur Appendix. Rom 1541. Basilii Zanchi 
Berg. epithetorum commentarii. Rom 1541. Basilii Zanchi Berg. etc. in omnes 
S. Seripturae libros Notationes. Köln 1602. 

®*, Oder vielmehr Pamphilus? Mit dem Ordensnamen Johannes Chrysostomus. 
Er schrieb unter anderem: Panegyrieus ad Carolum V. Romanorum Imp. 1538 
O0. O. und Venedig 1560. Von der ersten Ausgabe besitzt die Breslauer Stadt- 
Bibl, einen Pergamentdruck, der zweite Druck Breslau, Stadt-Bibl. u. Univ.-Bibl. 


183) 


Gere Jahresbericht der Schles. Gesellschaft für vaterl. Culiur. 


freundet hatte, die Abschrift, die er nun edirte. Petrus Zanchus trat 
später wie seine Brüder Julius und Pamphilus in den Orden der regu- 
lirten Chorherrn vom Lateran, und unter dem Mönchsnamen Basilius 
sind alle seine Werke erschienen. Die von Logau gedruckten Dichtungen 
findet man in der 1555 von Johann Oporinus in Basel hergestellien Ge- 
sammtausgabe !) im IV., V. und VI. Buche wieder, aber nicht unver- 
ändert. Das Gedicht bei Logau In Leonem X. Pont. Max. Tiberinus ist 
um fünf einleitende Hexameter länger als in der Baseler Ausgabe Lib. IV 
No. 3; die Ecloga Damon, in qua defletur mors Celsi Melini patrieii 
Romani, heisst bei Oporin Lib. V Ecloge 3 Damon, sive Balthasar 
Castalio, sie ist entsprechend umgewandelt; das Gedicht In Franeiseum 
Molsam Mutinensem ist durch Umarbeitung geworden, Lib. VI No. 1, 
zu In Gabrielem Altilium; das von Logau unter dem Namen des Vaters 
Paulus Zanchus abgedruckte Gedicht Elegia de obitu Narni et Hesteriae 
amantum steht, Lib. VI No. 9, unter Basilius’ Werken. Dieser Elegie 
hat wegen Aehnlichkeit des Arguments Logau noch eine Elegie des 
sonst unbekannten Juristen Cornelius von Feltre an einen Selbstmörder 
aus unglücklicher Liebe folgen lassen. Er hatte mit Cornelius in Padua 
verkehrt. Ein poetisches Vor- und Nachwort bittet Zanchi und Cornelius 
um Entschuldigung wegen der Veröffentlichung ihrer Werke. 

Im Jahre 1535 ist Logau wieder in Italien. In Padua traf er noch 
Anselmus Ephorinus und seinen Zögling Johann Boner. Mit diesen unter- 
nahm er eine Reise, die sie über Rom bis nach Neapel führte.) Sie 
besuchten dort das Grab Vergil’s, die Grotte der Sibylle von Cumae, 
den Golf von Bajae, Misenum, den Lueriner See, Puzzuoli und waren 
zugegen, als Kaiser Karl V. im December, von der glücklichen Einnahme 
von Tunis zurückkehrend, hier mit Jubel empfangen wurde. Sie wohnten 
auch dem glänzenden Einzuge Karl’s im April 1536 in Rom bei. An- 
selmus Ephorinus wurde hier von Karl in den Adelstand erhoben. °) 
Logau hat in der Folge mit einem heroischen Epigramm auf die (nicht 
ungetrüble) Zusammenkunft des Kaisers mit Papst Paul III. (Alessandro 
Farnese) einen italienischen, wohl von ihm selbst ‘geschriebenen Brief 
veröffentlicht, der die Pracht des Einzuges, die Inschriften der Triumph- 
bogen u. A. wiedergiebt: Ordine, pompe, apparati, et ceremonie, della 
solenne intrata: di Carlo V. Imp. sempre Aug. nella citta di Roma. 
DO i 


!) Basilij Zanchij Bergomatis poematum libri VIII. Laurentii Gambarae Brixiani 
poematum libri IH. Basileae. 1555. 8°. Breslau, Stadt-Bibl. 
2) Pontius Paulinus, Ad Neapolim. Ad Sepulchrum Virgilii. De Caesare Carolo. 
Joanni Bonero. 

®) Pontius Paulinus und Krakauer Epigramme, In doctoris Anselmi Ephorini 
insignia. i 

*, Nürnberg, German. National-Museum. 


TREE 


II. Abtheilung. Historische Section. 29 


Ueber die kaiserliche Expedition nach Afrika war George von Luxau 
ein Brief von Aloysius Armerius aus dem Lager bei Goletta (XVII. Cal. 
Sept. 1535) zugegangen, auch diesen hat Logau wohl nach seiner Rück- 
kehr in Wien herausgegeben: Aloysii Armeri, de Golleta et Tuneto 
expugnato deque rebus ab inuictissimo Carolo V. Romanorum imperatore 
in Affrica foelieiter gestis epistola. Viennae Pannoniae per Joannem 
Singrenium. O. J. 4°.) 

1537 hielt sich Logau in Breslau auf. Er setzte in diesem Jahre 
seinem ersten Gönner Johann Thurzo ein Epitaph.?) Ein Zeichen seiner 
dankbaren Gesinnung war auch das Epitaph, das er 1538 seinem Freunde 
George Sauermann, geschmückt durch das aus Rom heimgebrachte Porträt, 
in der Kreuzkirche errichtete.°) Auf diesem Freundschaftsdenkmale 
nennt sich Logau mit seinen Titeln: Protonotarius Apostolieus, Im- 
peratoris et Pontifieis Autoritate Comes Palatinus, Canonicus $. Johannis, 
Praepositus 8. Crucis Wratislauiensis, Canonieus Budissinensis. Auf 
einem zweiten Denksteine, den er Sauermann im Dome weihte,*) setzt 
er noch hinzu Consiliarius Regius. Da er sich in seinen gedruckten 
Schriften niemals die Titel seiner Aemter beilegt, kann man nicht an- 
geben, wenn er diese erlangt hat. Nur das sagt er 1540, dass er durch 
Luxau’s Vermittelung Custos und durch den König Propst $. Crueis ge- 
worden sei. Er nennt sich auch niemals poeta laureatus, obgleich er 
dies sicherlich gewesen ist. °) 

Im Jahre 1538 ging er wieder an den Hof des Königs und blieb 
bis tief in das Jahr 1539 dort, °) Die Hofgeschäfte erlaubten ihm, sich 
auch am literarischen Leben zu betheiligen. Er selbst gab Ende 1538 
oder Anfang 1539 wieder eine politische „Zeitung“ heraus, einen Brief, 
den Eleutherius Magnesius Epidaurius aus Venedig (VII. Idus Decemb. 
1538) an George von Luxau über den Schiffbruch, der eine türkische Flotte 
mit Chaireddin Barbarossa an Bord im Adriatischen Meere betroffen 
hatte: De Tureicarum et Barbarossae Triremium naufragio nuper in 
sinu Hadriatico facto. Epistola.. O. O. u. J. 4°.) Das Unglück des 


1) Breslau, Stadt-Bibl. Das Exempl. trägt die eigenhändige Widmung: Huma- 
nissimo d. Nicolao Salixio Canonico Vratislauien. G. Logus d. d. 

2) J. Jungnitz, Die Grabstätten der Breslauer Bischöfe, 18, 19. Hendeec. 
Joannis Tursonis episcopi Vratislauiensis Epitaphium. 

®) M. Hanke, De Silesiis indigenis eruditis, 201. 

Zr. au 0.,.202 

°) Dafür spricht der Kranz auf seinem Porträt und auf der oben beschriebenen 
Medaille, und P. Jovius nennt ihn (Elogia doctor. viror., Basel o. J., 293): sodalem 
meum cum laurea signiferum. Dagegen lässt sich nicht nachweisen, was auch 
von ihm erzählt wird, dass er Erzieher der königlichen Prinzen gewesen sei. 

6) Vrgl. die Briefe bei Joannis Langi Silesii ad Jesum Christum ete. contra 
Turcas elegia. 

”) Neisse, Pfarr-Bibliothek, 


30 Jahresbericht der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. 


Glaubensfeindes verwebte er auch in sein Weihnachts- und Neujahrs- 
gedicht für König Ferdinand. ') 

Als am 5. März 1539 Caspar Ursinus in räthselhafter Weise seinen 
Tod in der Donau gesucht und gefunden hatte, traten seine Schüler und 
Freunde für ihn ein. Die Klagen und beschönigenden Darstellungen des 
Selbstmordes von Johannes Rosinus, Johann Alexander und Johann 
Ludwig Brassicanus, Johann Lange und George von Logau vereinigte der 
königliche Geheimschreiber Adamus Carolus in der Zusammenstellung: 
Elegia Joannis Langi Silesij, de miserabili fato Casparis Vrsini Velij Si- 
lesij, Poetae Oratoris & Historiei Regij. Joannis Rosini Naeniae. 
Georgij Logi Threni. Jo. Alexandri & Joannis Ludouici Brassieanorum 
Epigrammata. Casparis Vrsini Velij Epistola ad Lazarum Bonamicum 
Carmine. Lazari Bonamiei Responsum item Carmine. Viennae Pannoniae 
in aedibus Joannis Singrenij. M. D. XXXIX. 49.2) 


Derselbe Adam Carolus gab 1539 heraus: Joannis Langi Silesii, 
ad Jesum Christum Dei filium, pro Christianis contra Turcas elegia, 
Viennae Pannoniae in aedibus Joannis Singrenij. Anno M. D. XXXIX, 4°.) 
Johannes Rosinus und Logau gaben carmina commendatieia bei, die 
Carolus zum Drucke aufforderten, und Logau, den Lange gebeten hatte, 
der Censor seines Gedichtes zu sein, stellte hinter die lange Elegie noch 
eine eigene Elegie Ad mentem bonam et concordiam pro christianis Prin- 
eipibus G. Logi $Silesii votum. 

Seinem Freunde Johann Lange erfüllte er auch noch einen andern 
Wunsch. In Breslau hatte der tüchtige Reetor zu St. Elisabeth Andreas 
Winkler eine Druckerei eingerichtet, und Lange suchte ihn bei diesem 
Unternehmen zu unterstützen. Bei einem kurzen Besuche in Wien liess 
er sich zu diesem Zwecke von Logau zu Johann Alexander Brassieanus 
führen und erhielt von diesem für Winkler: Doctiss. viri Pomponii 
Laeti Grammatica. Vratislaviae, Ex noua officina typographica Andreae 
Vincleri, iam primum ad utilitatem omnium studiosorum in lucem aedita. 
1539..81.9) 


Im Jahre 1540 ging George von Luxau in königlichen Geschäften 
nach Krakau, und Logau begleitete ihn, nach langen Jahren kam dieser 
wieder hierher. Er erneuerie hier die früheren Bekanntschaften mit 
Johann Zbonski, mit Ephorinus, der ihm in Erkrankung mit ärztlicher 


!) Pont. Paulinus. Ad. Ferdinandum Romanorum et Pannoniae Bohemiaeque 
Regem etc. pro Natali Christi et foelici ineuntis anni auspieio. Dort auch ähnliche 
Verse an die Königin Anna und an die Erzherzöge Maximilian und Ferdinand. 

2) München, Hof- u. Staats-Bibl., Schlettstadt, Rhenana, Wien, Hof-Bibl, 

®) München, Hof- u. Staats-Bibl. 

*) Breslau, Univ.-Bibl. 


III. Abtheilung. Historische Section. 31 


Hilfe beistand,!) mit Johann Boner ”,) und Severin Boner, der Kastellan 
von Bieez und Praefect der polnischen Salinen war, nahm ihn mit nach 
Wieliezka und fuhr mit ihm in die Gruben ein, die Logau, aber nicht 
gleichwerthig mit Celtis besang. °) Unter den Grossen des Reiches ragte 
damals in Krakau der Palatin von Krakau und oberste Marschall von 
Polen Peter Kmyta hervor, er streute auch diesem poetischen Weihrauch 
und schrieb Epitaphe für seine Gemahlin Anna von Gorka, die Tochter 
des Lukas von Gorka.*) Dem Kastellan von Krakau Johann von Tarnow 
schenkte er unter Bezugnahme auf seine platonischen Studien ein Marmor- 
bild des Plato, das er aus Rom mitgebracht hatte.°) Den König Sigis- 
mund August feierte er als Bärenjäger.°) Den grösseren Theil dieser 
Gedichte liess er noch in Krakau drucken: G. Logi Silesii epigrammata 
aliquot Cracouiae lusa. Excussum Cracouiae per Hieronymum Vietorem. 
M. D. XXXX. iij. Febr. 4°.) 


Eine ähnliche Sammlung von Gedichten muss er in Prag veröffentlicht 
haben, denn Thomas Mitis sagt 1563 in der Dedication von Bohuslaus 
Hassenstein’s von Lobkowitz Opusculum de miseria humana°) an den 
königlichen Obersthofmeister Johann von Lobkowitz, an den kaiserlichen 
Kämmerer Ladislaus von Lobkowitz und an den Hauptmann von Gross- 
Glogau Christoph Hassenstein von Lobkowitz: Exeitauit tandem nobis 
Deus Martinum Collinum, Joannem Orpheum cum Vito Traiano fratre, 
Joannemque Schentygarum (quos ideo hie prae aliis non paucis nomino, 
quia praedicantur a doctissimo vate Georgio Logo Silesio) etc, 


Die in Krakau entstandenen Epigramme, auch einige dort ungedruckte, 
gab Logau nochmals in einer George von Luxau gewidmeten Sammlung 
heraus, die 1541 in Breslau erschien: Pontii Paulini viri sanetissimi 
doetissimique tres psalmi primus, secundus & cxxxvi. in uersus mystica 
interpretatione adiecta luculentissime redacti. Hiusdem ad Deum preecatio 
matutina. Precatio ad Deum patrem & christianae religionis Sanctiones 
quod Symbolum Apostolorum uocant. Item Psalmus Ixxxx. in uersus 


\) Epigrammata. Praestantissimi et elegantissimi herois Joannis Zbonski musica. 
Auch bei Pontius Paulinus. 

?) Pont. Paulinus. Joanni Bonero. 

®) Epigr. Ad magnificum d. d. Severinum Bonerum Castellanum Biezensem et 
salinarum regni Poloniae praefectum etc. De Salinis Wieliezensibus. 

*) Pont. Paulinus. Petro Cmytae. Annae a Gorka, Lucae a Gorka filiae, 
eiusdem coniugis epitaphia. 

°) Epigr. Ilustri et Magnifico heroi Joanni comiti a Tarnow, Castellano Craco- 
viensi. In effigiem Platonis. : 

6) Epigr. Inclyto et magnanimo Sigismundo Augusto regi Poloniae inuictissimo, 

”) Königsberg, Univ.-Bibl. 

°) Breslau, Stadt-Bibl, 


32 Jahresbericht der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. 


hexametros redacta. Authore G. Logo Silesio. Item eiusdem Elegiae 
& Epigrammata aliquot. G.Vrsini Velij Silesij ad Lazarum Bonamieum 
Bassianatem epistola.. Lazari ad eundem responsio. Vratislaviae M. D. 
LXI. (So für XLI.). Vratislaviae, apud Andream Vinglerum. Anno Dni 
M. D. XLI.. Mense Febru. 4°. ') 


Mancher alte Bekannte von uns taucht hier wieder auf wie die reli- 
giösen Gedichte an Justus Ludouicus Decius und Verse an Ferdinand I. 
und seine Gemahlin, an Stanislaus Thurzo und Georgius Loxanus. Aus 
früherer Zeit rührt wohl auch der für Anton Fugger in Hexametern 
übersetzte Psalm her, selbst die Bologneser Studienzeit, der erste Auf- 
enthalt in Rom und die Lobgedichte auf Catharina Aquila sind in Wieder- 
holungen vertreten, und ebenso haben die Gedichte von der letzten 
italienischen Reise hier ihren Platz gefunden. Er scheint ausser den 
Wiedergaben alles, was noch nicht die Presse gesehen hatte, rück- 
schauend hier aufgehäuft zu haben, so eine Inschrift für das Haus des 
George Hermann in Schwaz, Verse an den Prinzenerzieher Johann Hasen- 
berg in Leitmeritz, an Herzog George von Liegnitz und Brieg mit einer 
Sanduhr, an den König Ferdinand, die Königin Anna und an die könig- 
lichen Kinder, auf den königlichen Gärten in Prag, an Loxanus, seine 
Gemahlin und den Sohn Ferdinand, an Christoph Gendorf, auf die Hoch- 
zeit des Grafen Nicolaus Salm, der die Stieftochter des Alexius Thurzo 
heimführte, und den Schluss bilden Epitaphe auf Stanislaus Thurzo, 
Jakob von Salza, Aceius Syncerus Sannazarius, Johann von Schwarzberg, 
George Sauermann und den Präfeeten von Gran Hieronymus von Lasko. 
Am Ende sind als Anhang die uns schon bekannten poetischen Episteln 
von Ursinus und Bonamicus gegeben. Die Sammlung, die den Eindruck 
eines poetischen Testamentes macht, bietet wieder Anhalt zu einer Kritik, 
die auch hier wieder zu Gunsten der älteren Schöpfungen ausfällt, bei 
den jüngeren kommt vielmehr die Manier und die conventionelle huma- 
nistische Phrase zum Vorschein. Die Stücke des Pontius Paulinus oder 
Ausonius sind wohl als beabsichtigte Folie zu fassen. Die Epitaphien 
dieser Ausgabe und der von 1529 sind, soweit sie Ungarn betreffen, 
übergegangen in die von Hieronymus Vietor herausgegebenen Trauer- 
gedichte: Pannoniae Luctus. quo prineipum aliquot et insignium vjrorum 
mortes, aliique funesti casus deflentur. Hieronymus Vietor Cracouiae 
excudebat Anno M. D. XLIIII. 8°.) | 


König Ferdinand I. vermäblte am 7. Mai 1543 seine Tochter Elisa- 
beth an den König Sigismund August von Polen. Diesem Ereigniss 


!) Breslau, Stadt-Bibl. 
?) Breslau, Univ.-Bibl., Fürstenstein, Hochbergische Bibliothek. 


Ill. Abtheilung. Historische Section. 33 


[et 


weihte Logau, der hiernach in Krakau war, eine kleine Publication, 
4 Gedichte auf 2 Blättern‘): De Regina Elisabethe (!) Ferdinandi Roma- 
norum Regis Fila. Am Ende steht: Georg. Log. F. Hie. Vie. J. 4°. 
Die Prophezeiung, dass der Ehe eine lange Reihe von Nachkommen 
entspriessen würde, traf nicht ein, denn Elisabeth starb schon am 
15. Juni 1543 in Litthauen. 


Der dem Alter zuwandernde Dichter wollte auch noch mit kirchen- 
politischen Werken, offenbar mit katholisch-irenistischen Schriften, auf 
beide Parteien einwirken, im Jahre 1548 dachte er daran. Bischof 
Balthasar Promnitz von Breslau?) verwandte sich unter Betonung der 
eigenen Approbation als Ordinarius der Diöcese für ihn, Neisse, 29, Mai 
1548, bei Andreas Winkler mit dem Ansuchen: „‚aliquot opuscula 
atque sermones in conuentione seu dieta imperii Augustae habitos‘“ von 
Logau zu drucken, ob das dann geschah, ist unbekannt und sehr zweifel- 
haft. Der Regensburger Reichstag von 1548 war der, der den Pro- 
testanten das Interim zudachte. 


Eine Reise zu Hofe 1551°) brachte die letzten uns erhaltenen Verse 
Logau’s, empfehlende Zeilen zu: Rerum Moscouiticarum Commentarij 
Sigismundi Liberi Baronis in Herberstain, Neypers, & Guettenhag. 
Basileae, ex offiecina Joannis Oporini, Anno Salutis humanae M. D. LI. 
Mense Julio. Fol. 


Am 11. April 1553 starb George von Logau in Breslau. Er hatte 
sich selbst seine Grabschrift in der Kreuzkirche gestiftet.) Die Evan- 
selischen sahen in ihm einen der schlimmsten Feinde ihrer Confession, 
einer von ihnen hat ihm einen hasserfüllten Nekrolog geschrieben.’) — 


In dieser Sitzung wurden ferner die beiden Secretaire wiedergewählt 
und ihnen als dritter der Universitäts-Professor Dr. Kaufmann zu- 
sesellt. 


!) Dresden, Königl. Bibl. 

2) Breslau, Stadtarchiv, Scheinich 375. 

°®) N. Weidener an Hieronymus Rupertus, Breslau, die S. Caeciliae 51. Landes- 
huter Bibl. Ms. 1, 1, 197. 

*®) J. Sinapius, Schles. Curiositäten I, 609. 

°) Vrgl. Grünwald’s Chronik z. J. 1553. Majoratsbibl. zu Dieban. 


189. 3# 


Jahresbericht der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. 


34 


Kurfürst Friedrich I. von Brandenburg - 
Friedrich II. Albrecht Elisabeth 
zes. Erseesuysressrenenm coa) Ludwig II. v. Brieg b) Wenzel I. v. Teschen 
Ursula Johann Rriedriche "Sic mund Sa 
ssiHeinnich,v.s em Zn coSophia v. Polen co Magdalena Hedwig 
Münsterberg Joachim 1. wi Heinr. XI. oNikolaus I, v. Oppeln coJohann v. Lüben 
De Er m am > Kasimir, Margarethe, Georg, „ Gogan ———— 
Karll. oachım |}. 7205 Sophia, Anna, Albrecht,Johann Johann Magdalena FriedrichI. v. Liegnitz 
Su Be Jolannsd.s). emme we 
r Joh.Georg Barbara _ > ee er 
Bedrie 9 Fried.IL Wenzel II. v. Ratibor FriedrichIl. GeorgI, 
a I. Sophia Georgll v.Liegn. v.Teschen 2. — 3) Elisabeth v. Polen 
rand, : 


Valentin cob) Sophia v. Brand. 


m 
Georg 11. Sophia 
coBarbara oJoh.Georg 
v. Brand. v. Brand. 


.. 


v.Liegn. v.Brieg 


Quellen und Literatur: 


Für den folgenden Vortrag, der nur eine kurze Zusammenfassung der Ergebnisse bildet, sind in erster Reihe die Correspon- 
denzen und Acten des Markgrafen Georg von Brandenburg benutzt worden, sodann meine einschlägigen Arbeiten, welche auch über 
die Provenienz der Archivalien Aufschluss geben. Die Einleitung zu meiner Arbeit „Aus der Mappe eines Hohenzollern“ I enthält eine 


übersichtliche Zusammenstellung der Literatur. Endlich verweise ich noch auf die „Schles. Lehns- und Besitzurkunden‘“ ed. Grünhagen 
u. Markgraf, und Grünhagen, Geschichte Schlesiens. 


1il. Abtheilung. Historische Section. 35 


In der allgemeinen Sitzung am 3. December 1894 hielt Herr 
Dr. phil. Louis Neustadt einen Vortrag über: 


Die ältesten Ansprüche der Hohenzollern auf Schlesien. 


Unser Schlesien hat sich unter allen Grenzlanden vielleicht am 
spätesten der Germanisation erschlossen und hat den Kampf um dieselbe 
länger als andere Lande durch Jahrhunderte zu führen gehabt. In diesem 
schweren Ringen, bedrängt von Polen und Czechen, ohne Hilfe vom 
Reiche, einzig und allein auf sich angewiesen, hat es trotz alledem sein 
Deutschthum behauptet und sich als eine feste Grenzmark deutscher 
Cultur erwiesen. Es gab wohl ein Moment in der Geschichte des 
Landes, in dem die schlesischen Fürsten durch eine Anlehnung am Reiche 
einen Rückhalt zu finden hofften gegen den Anprall des Slaventhums 
vom Osten. Das war der folgenschwere Schritt, als sie 1327 und in 
den folgenden Jahren ihre Fürstenthümer dem böhmischen Könige 
Johann zu Lehen gaben. Wohl fanden sie eine Zeit lang unter dem 
Hause Luxemburg Ruhe, Sicherheit und Frieden. Aber die grossen 
Erwartungen, welche eine berechnende Politik an diese Verbindung zu 
knüpfen berechtigt war, erfüllten sich nicht. Die wilden Kämpfe, welche 
Böhmen unter den letzten beiden Luxemburgern erfüllen, der Sieg des 
Czechenthums über das Deutschthum, womit das fünfzehnte Jahrhundert 
abschliesst, mussten auf Schlesien, dessen Schicksal nunmehr ganz an 
das der Krone Böhmen gekettet war, den nachhaltigsten Eindruck 
hinterlassen. Die Czechisirung begann über Oberschlesien auch schon 
nach Niederschlesien hinauszugreifen, und was dem Czechenthum abhold 
war, fiel dem Polenthum in die Arme. Es war eine Zeit, in der 
deutsche Sprache und Sitte Gefahr liefen, aus Schlesien zu weichen, 


Da ist es denn wiederum als eine günstige Fügung zu betrachten, 
dass, während im Südosten schon schlesische Gebietstheile an Polen 
fallen, von Norden und Süden her ein deutsches Fürstengeschlecht festen 
Fuss fasst, dessen Mission es geworden ist, unser Heimathsland dem 
Deutschthum für die Dauer zu erhalten. 


Noch ehe die Hohenzollern zur Herrschaft in den Marken gelangten, 
hatte man dort ein Gefühl für die Wichtigkeit einer engeren Verbindung 
besessen, auf welche die natürliche Lage die beiden Oderlande, Branden- 
burg und Schlesien, verweisen. Schon im 12. Jahrhundert hatten die 
Askanier Verschwägerung gesucht mit den alten schlesischen Herzögen. 
Schon der erste Breslauer Herzog Wladislaw Il!) war mit einer Tochter 
Albrechts des Bären verheirathet, und auch eine Doppelheirath hat beide 


+) 1153. Grotefend, Stammtafeln I, 1. 


36° Jahresbericht der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. 


Fürstengeschlechter verbunden.') Die Hohenzollern fanden also bereits 
Verbindungen vor, deren Pflege ihre Sorge ward. Stammte doch der 
Kaiser, von dem Markgraf Friedrich die Mark als Reichslehen empfing, 
aus dem Hause Luxemburg, an welches sich vor einem Jahrhundert die 
schlesischen Fürsten aufs Engste angeschlossen hatten. Schon der erste 
Hohenzoller suchte diese Fürsten auch mit seinem Hause zu verbinden. 
Kaum dass er in dem neuen Lande sich befestigt hatte, verheirathete er 
1420 seine Tochter Elisabet mit dem Herzog Ludwig II. von Liegnitz- 
Brieg. Sie ist die Stammmutter der beiden schlesischen Fürsten ge- 
worden, die eine Hauptrolle in der Geschichte der berühmten Erb- 
verbrüderung spielen, welche die Piasten mit den Hohenzollern aufs 
Engste verknüpft hat. 


Als Herzog Ludwig Il. von Brieg nach 16jähriger Ehe starb (1436) 
und die brandenburgische Elisabet eine neue Ehe einging, wiederum mit 
einem schlesischen Herzog, Wenzel I. von Teschen, nahm sich Kurfürst 
Friedrich II. von Brandenburg der beiden verwaisten Töchter, Magdalena 
und Hedwig, seiner Nichten, als Vormund an und verheirathete sie nicht 
lange darauf an schlesische Fürsten, Magdalena an den Herzog 
Nikolaus I. von Oppeln, dessen Sohn Johann eben der letzte Herzog 
von Oppeln ward, und dessen Tochter Magdalena II. durch Heirath 
Herzog Johann’s des Jüngern von Ratibor die Mutter des letzten Herzogs 
von Ratibor, Valentin, wurde. Die zweite Tochter der brandenburgischen 
Prinzessin Hedwig ist durch die Ehe mit Johann von Lüben die 
Mutter des Herzogs Friedrich’s I, die Grossmutter Friedrich’s IJ. von 
Liegnitz geworden, des Stifters der Erbverbrüderung mit den Hohenzollern. 


Während so die ersten beiden brandenburgischen Kurfürsten aus 
hohenzollernschem Stamme die Fäden spannen, hat weit bedeutungsvoller 
schon der dritte Kurfürst in die Entwickelung der schlesischen Geschichte 
eingegriffen. Albrecht, vielleicht der fähigste politische Kopf unter den 
ersten Hohenzollern und seinen Zeitgenossen an Voraussicht und Be- 
gabung weit überlegen, hat ja durch seine Erbfolgeordnung, welche die 
Theilbarkeit der Lande nach bestimmten Prineipien regelte, sein Haus 
vor dem jammervollen Schicksal bewahrt, dem so viele deutsche Fürsten- 
häuser, vor allem Sachsen, anheimfielen. Er ist aber auch im Weiteren 
der Schöpfer eines politischen Testamentes geworden, das fast alle die 
grossen Gesichtspunkte aufstellt, welche seine Nachkommen unverrückt 


!) Das. 1, 42 u.48 
Otto der Lange von Brandenburg 
IT Ti ne en; 
Mechthildis Otto 
co» Heinrich IV. co vor 1298 Hedwig, 
(1279) T. Heinr. V. 
H. IV. u H. V. w. Vettern. 


II. Abtheilung. Historische Section. 37 


im Auge behalten und so an der künftigen Grösse ihres Hauses gearbeitet 
haben. Durch ihn kamen auch die ersten schlesischen Gebiete für die 
Dauer an Brandenburg freilich unter allmählicher Loslösung von ihrem 
schlesischen Mutterlande, Er hatte von seinen 11 Töchtern zwei an 
schlesische Herzöge verheirathet, die älteste Ursula wurde die Gattin 
eines Sohnes des Böhmenkönigs Georg Podiebrad, des Herzogs Heinrich 1. 
von Münsterberg (1467). Ihr Sohn Karl I. von Münsterberg ist dann 
später der Schwiegervater des Markgrafen Georg von Brandenburg ge- 
worden, des Begründers der Erbverbrüderung zwischen Hohenzollern 
und Piasten. Durch eine zweite Tochter, Barbara, erwarb Kurfürst 
Albrecht den ersten Anspruch auf ein schlesisches Fürstenthum. Hier 
tritt das Hausinteresse so in den Vordergrund, dass selbst die eheliche 
Verbindung demgegenüber ganz zurücktritt. Denn Barbara hat den ihr 
angetrauten Gatten niemals zu sehen bekommen; 8 Jahre war sie, als 
sie verlobt wurde, 12 Jahre, als ihr Gatte, der letzte Herzog von Glogau, 
Heinrich XI., ins Grab sank (1476). Einige Jahre darauf (1482) fielen 
die Bezirke von Krossen, Züllichau, Sommerfeld und Bobersberg an 
Brandenburg, mit dem sie seitdem vereint blieben. Dieser Erfolg war 
wesentlich dadurch erzielt worden, dass der Kurfürst die 12jährige 
Barbara gleich nach dem Tode ihres Scheingatten noch einmal dem 
Böhmenkönige Wladislaw antrauen liess. (Grünhagen, Gesch. Schles. I, 
328. 340. 345.) Der Verbindung ist die Scheidung einige Jahre darauf 
gefolgt (1500), aber Albrecht zwang dadurch den Gegner Wladislaws, 
König Matthias von Ungarn, zur Anerkennung seiner Anrechte auf die 
Glogauischen Gebiete. 

Andere Heirathsprojeete, die Albrecht noch vorhatte, wie die Ver- 
ehelichung seiner Nichte mit Herzog Johann von Ratibor (1477) und 
seiner jüngsten Tochter Anastasia mit dessen ältestem Sohne Nicolaus 
(1498) sind nicht zu Stande gekommen.!) Erst einem seiner Enkel ist 
es geglückt, diese Heirathspolitik fortzuführen und auf Grund derselben die- 
jenigen Ansprüche zu begründen, welche man gemeinhin als die ältesten 
Anrechte der Hohenzollern auf Schlesien bezeichnet. Markgraf Georg 
von Brandenburg hat das politische Erbe des alten Albrecht angetreten 
und ist mit seiner Politik den Jahrhunderten weit vorausgeeilt, freilich 
auch bei Erfüllung derselben von seinem eigenen Hause im Stich ge- 
lassen worden. Mit seinen weitausschauenden Plänen hat er fast das 
ganze Gebiet der Politik umspannt, dessen Erledigung erst viel späteren 
Zeiten beschieden war; er ist der Träger und Mittelpunkt vor Allem 
der schlesischen Ansprüche geworden, mit denen wir uns hier zu be- 
schäftigen haben. Es empfiehlt sich im Interesse der Klarheit, diese 


!) Minutoli, das kais. Buch p. 349. Berliner k. Hausarchiv B. E. I, 587/88, 
938, 


8 Jahresbericht der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. 


[se] 


Ansprüche historisch zu entwickeln und zur Beurtheilung Georgs einiges 
voranzuschicken. 

Kurfürst Albrecht hatte seinem älteren Sohne Johann die Marken 
übergeben, in dem fränkischen Stammlande folgte ihm der jüngere 
Friedrich, zuerst gemeinsam mit seinem Bruder Sigismund, nach dessen 
Tode 1497 allein regierend. Friedrich erfreute sich eines reichen 
Kindersegens, nieht weniger als 13 Kinder, 8 Söhne, 5 Töchter, wuchsen 
am Ansbacher Hofe heran. Die Kinder alle im eigenen Lande zu ver- 
sorgen, hinderte das Hausgesetz des Vaters, hinderte vor Allem die stete 
Finanznoth, aus welcher der allzeit kriegs- und turnierlustige Fürst 
nicht herauskam, Unsummen verschlangen insbesondere die Kriegszüge, 
auf denen er Kaiser Maximilian begleitete. Freilich gelang es ihm da- 
durch zwei seiner Söhne in kaiserlichen Diensten unterzubringen, den 
ältesten Sohn, Kasimir, als Statthalter in Oesterreich, einen jüngeren, 
Johann, am spanischen Hofe, die andern traten, wie es die Sitte jener 
Zeit bei jüngeren Fürstensöhnen war, in geistliche Dienste. Auch der 
zweite, Georg, war anfangs für eine Pfründe bestimmt worden, da winkte 
dem kriegerischen Sinne des jungen Mannes, der dem Vater schon 
wiederholt in kaiserlichen Feldzügen gefolgt war, eine passendere Stelle. 
Markgraf Friedrich hatte eine polnische Prinzessin zur Frau, eine 
Schwester des Königs Wladislaw von Böhmen und Ungarn. Die Brüder 
seiner Frau schuldeten ihm noch immer die Mitgift. König Wladislaw 
wollte sich erkenntlich zeigen, indem er 1505 einem Neffen Versorgung 
an seinem Hofe versprach. Friedrich schickte den 21jährigen Georg 
nach Ofen. Bald fand sich für den stets freigebigen Wladislaw eine 
gute Gelegenheit sein Wort einzulösen. Wenige Monate vorher war der 
Sohn Königs Matthias gestorben, Johann Corvin, der reichste Gross- 
grundbesitzer Ungarns, mit Hinterlassung einer jungen. Wittwe, der 
Gräfin Beatrice Frangipani. Wladislaw verschaffte seinem Neffen mit 
der Hand dieser Frau zugleich den grössten Latifundienbesitz des 
Reiches (1509 Febr.), allerdings auch den unauslöschlichen Hass der 
mächtigsten Magnatenfamilie, der Zäpolya’s, die selbst durch eine 
Heirath sich in den Besitz der reichen Erbschaft Corvin’s zu setzen ge- 
hofft hatten. Die Gütermassen Georgs waren bald gefährdet durch 
einen förmlichen Raubkrieg der Zäpolyas.. Der Versuch einer Ver- 
söhnung durch den Plan einer Heirath von Georgs Schwester Margarethe 
mit Johann Zäpolya misslang. Georg trug sich deshalb mit dem Ge- 
danken seinen ungarischen Besitz allmählich zu veräussern und sich in 
dem Lande anzusiedeln, auf das ihn schon die Politik seines Grossvaters 
Albrecht gewiesen hatte. 

Hier in Schlesien konnte Georg nicht als Ausländer, nicht als - 
Fremder betrachtet werden. Er brachte bereits die vortrefflichsten 
Verbindungen mit ins Land. Zu den wenigen noch regierenden Fürsten 


III. Abtheilung. Historische Section. 39 


stand er in verwandtschaftlichem Verhältniss. Der Verschwägerung des 
brandenburgischen Hauses mit den Herzögen von Teschen, Liegnitz und 
Oppeln ist bereits gedacht worden, die Herzöge von Münsterberg waren 
seine leiblichen Vettern, Liegnitz und Oppeln, Münsterberg und Teschen 
wieder unter einander verschwägert, der Herzog von Ratibor ein Neffe 
des letzten Herzogs von Oppeln. Das Erbe dieses letzten Piasten von 
Oppeln war auch der Gegenstand seines Interesses. 

Herzog Johann hatte nach dem Tode seines Vaters (1476) das 
Herzogthum Oppeln anfangs gemeinsam mit seinem jüngeren Bruder 
Nikolaus regiert, als das unglückliche Ende desselben ihn 1497 zum 
alleinigen Herrscher machte. Unter den wenigen selbständigen Fürsten, 
die Schlesien damals noch aufzuweisen hatte, machte er eine rühmliche 
Ausnahme. Er war ein milder und toleranter Fürst, der bei seinen 
Unterthanen beliebt war, ordnungsliebend und sparsam. Von der all- 
gemeinen Verschuldung, unter der die schlesischen Fürsten jener Zeit 
und ihre Lande mit ihnen litten, hatte er sich freizuhalten gewusst, 
daher er für sie eine beliebte Anleihestelle wurde, die sie geschickt 
auszunutzen verstanden. Auch der allzeit geldbedürftige König Wladislaw 
hat mehr als eine Anleihe bei ihm aufgenommen. Während bei den 
andern schlesischen Fürsten Land und Leute wie die Waare Besitzer 
wechselten, oder als Pfandobjecte herumgingen, hielt Johann das von 
seinen Vätern ererbte Fürstenthum gewissenhaft beisammen, suchte viel- 
mehr im Laufe der Jahre mit den ersparten Schätzen noch diejenigen 
Landestheile zurückzuerwerben, die unter seinen Vorfahren dem Fürsten- 
thum entfremdet waren, durch benachbarte Gebietstheile seine Lande 
zu vergrössern. So bekommt er als Pfand 1509 Münsterberg, kauft 
1506 Kreuzburg und Pitschen von Friedrich v. Liegnitz, 1521 Oderberg 
von Ratibor. Nun war er der letzte seines Stammes und ohne jede 
Leibeserben. Kein Wunder, dass die in den ärgsten Finanznöthen be- 
findliehen schlesischen Fürsten ihre Augen lüstern auf das sorgsam 
zusammengehaltene Erbe Johann’s richteten, kein Wunder, dass der arme 
König Wladislaw, der nicht einmal seine Kutscher und Stallknechte 
bezahlen konnte, vergnügt schon bei Lebzeiten des Herzogs aus der 
Vergebung seiner Lande Kapital zu schlagen suchte. Aber freilich 
hatte der vorsichtige Fürst schon frühzeitig über die Nachfolge verfügt. _ 
Als er kurz nach dem Tode seines Vaters 1478 seine Schwester 
Magdalena an den Herzog Johann den Jüngeren von Ratibor ver- 
heirathete, hatte er durch gegenseitigen Erbvertrag mit ihm die Nach- 
folge geregelt. Der Schwager war 1493 gestorben, die Schwester ihm 
1501 im Tode gefolgt. Von ihren 3 Söhnen waren die beiden älteren 
1506 kurz hintereinander mit Tode abgegangen. Auch das Herzogthum 
Ratibor ruhte nur auf den zwei Augen Valentins, Der Neffe war das 
gerade Gegenstück zum Oheim. Er war mit einem Buckel zur Welt 


40 Jahresbericht der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. 


gekommen, auch sonst leidend, aber er hielt nicht einmal Haus mit 
seinem gebrechlichen Körper. Bei Spiel und Gelage verbrachte er 
seine Tage, er war ein vollendeter Wüstling und galt weit und breit 
als ein Verächter weiblicher Tugend und Ehre. Man gab nicht viel auf 
das Leben des jungen Mannes, der gegen sich selber wüstete. Man 
rechnete nur noch mit dem Heimfall Oppelns an die Krone. Des 
Königs jüngster Bruder Sigismund war damals der mächtigste Fürst in 
Schlesien. Ihn hatte Wladislaw mit der Landeshauptmannschaft beider 
Schlesien uud der Lausitzen ausgestattet und ihm zwei erlediste Fürsten- 
thümer, Glogau und Troppau übergeben. Jetzt begnadete er ihn auch 
mit der Anwartschaft auf Oppeln. Da starb der König von Polen, und 
Sigismund wurde auf den erledigten Thron seines Bruders berufen. 
Jetzt, am 5. ‘September 1507, versprach König Wladislaw seinem 
Neffen Georg von Brandenburg urkundlich die Nachfolge im Herzogthum 
Oppeln, er hielt es nicht einmal für nöthig, des Ratiborers in der Ur- 
kunde zu gedenken. Aber inzwischen hatte Sigismund, der zur Thron- 
besteigung nöthig Geld brauchte, die Anwartschaft auf Oppeln weiter 
gegeben an seinen Nachfolger in der Landeshauptmannschaft, den Herzog 
Kasimir von Teschen, der wiederum Stücke des Fürstenthums (Ober- 
slogau und Krappitz) an seinen Neffen, den Herzog Bartholomäus von 
Münsterberg, abtrat (30. März 1510). Das war der Anfang eines regel- 
rechten Handels mit dem Erbe von Oppeln, das nunmehr am ungarischen 
Hofe wie eine Waare behandelt wurde, die man in den ewigen Finanz- 
nöthen an den Meistbietenden aber niemals zum letzten Male losschlug. 
Die Situation wurde verwickelter, als der König, der seinen Neffen, den 
Brandenburger, durch die reiche ungarische Heirath für versorgt hielt, 
zweien böhmischen Herren, denen er grosse Summen Geldes schuldete, 
Zdenek Lew von Rozmital und Wenzel Sternberg, ein Privilegium auf 
Oppeln-Ratibor ausstellte. Dies liess sich jedoch der Markgraf Georg 
keineswegs gefallen, zumal die Lage für ihn in Ungarn durch die be- 
drohlichen Raubzüge der ungarischen Magnaten eine je länger je mehr 
unerquickliche wurde. 

Aber auch der Herzog von Oppeln bekam Wind von den hinter 
seinem Rücken abgeschlossenen Verträgen. Da er durchaus nicht ge- 
sonnen war, über sein Eigen von fremder Seite noch bei seinem Leben 
verfügen zu lassen, nahm er die Anwesenheit des Königs in Breslau 
wahr, um sich von ihm das freie Verfügungsrecht über seine Lande 
auszubedingen. Es war der reine Hohn auf des Königs Wort, als 
Wladislaw wenige Wochen darauf dem Herzog von Teschen seine 
. Rechte auf Oppeln bestätigte. Jetzt fing auch Valentin an den Ernst 
der Situation zu begreifen, er liess sich den alten Erbvertrag, den sein 
Vater mit Oppeln abgeschlossen hatte, vom Könige bestätigen. Die 
Unsicherheit, in der Oheim und Neffe sich den neuen Anwärtern gegen- 


III. Abtheilung, Historische Section. 41 


über bedroht fühlten, führte beide nunmehr dem Manne in die Arme, 
der von allen Anwärtern jedenfalls als der einflussreichste erschien, dem 
Markgrafen Georg, dem Neffen des Königs. Er machte ihnen den Vor- 
schlag, ihn als dritten in den alten Erbvertrag aufzunehmen dergestalt, 
dass er unter Anerkennung ihres gegenseitigen Erbvertrages als der 
letzte Erbe beide beerbe. Für den Fall, dass der Neffe den Oheim 
überleben würde, liess sich der kluge Georg auch noch in einem zweiten 
Vertrage von Valentin einen Theil der Erbschaft verschreiben. Der 
König hing unter Beides sein Siegel. Dieses Vertragen der 3 Fürsten 
brachte sofort eine Coalition der anderen Anwärter zu Stande. An 
Sternbergs Stelle trat jetzt der Herzog Friedrich von Liegnitz als Be- 
werber auf, mit ihm Kasimir von Teschen und der böhmische Oberstburggraf 
Zdenek Lew von Rozmital. Sie einigten sich auf zwei Hälften der Beute, 
von denen Kasimir als der älteste Anwärter die eine erhalten, die zweite 
den beiden anderen gemeinsam zufallen sollte; dafür aber. Kasimir noch 
einmal dem Herzog Bartholomäus von Münsterberg seine Ansprüche auf 
Oberglogau und Krappitz sichern musste, nur auf eine kurze Spanne Zeit, 
denn zwei Jahre darauf (1515) verungliückte Bartholomäus in der Donau, 
ohne Leibeserben zu hinterlassen. 

So lagen die Verhältnisse, als König Wladislaw starb. Hatte der 
verstorbene König zu Allem, was die hohen Herren von ihm verlangten, 
in seiner Finanznoth und Willensschwäche bene gesagt in Ungarn und 
in Böhmen dobrze, so wurde der 10Ojährige Ludwig, der jetzt zur Re- 
sierung gelangte, völlig ein Spielball der Parteien. Der Brandenburger, 
der schon 1512 zu seinem militairischen Erzieher vom alten König be- 
stell worden war,. erhielt von ihm auf dem Sterbebette die Vormund- 
schaft über den unmündigen König gemeinsam mit dem Ungarn 
Bornemissa. 

Diese Machtstellung äusserte bald ihre Wirkung. Wenige Wochen 
nach dem Tode des Königs näherten sich die Herzöge von Liegnitz und 
Tesechen dem Brandenburger und schlossen mit ihm vorläufig einen 
Vertrag, wonach sie sich gegenseitig Rath und Hilfe in Sachen der 
Oppeln’schen Herrschaft zusicherten. Nicht wenig mochte zu dieser An- 
näherung das neue Verwandtschaftsverhältniss beigetragen haben, in 
welehes der Liegnitzer Herzog durch Heirath einer polnischen Prinzessin, 
einer Tante Georg’s von Brandenburg, zu diesem das Jahr vorher getreten 
war (1515). Die weiteren Versuche Kasimir’s von Teschen, auf Neben- 
wegen selbstständig zum Ziel zu gelangen durch Aufnahme einflussreicher 
Personen in die Anwartschaaft, wie des polnischen Kanzlers Szydloviecki 
und des böhmischen Hofmeisters Bretislaw zu Swihaw, oder durch Anrufen 
desKaisers seine Stellung zu befestigen, verriethen nur die innere Schwäche 
derselben. Bald bot ihm der junge Valentin von Ratibor Anlass zum 
Einschreiten. Nachdem er bei Spiel, Trunk und Weibern sein Vermögen 


u, Jahresbericht der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. 


um die Ecke gebracht hatte, versuchte er auf unredlichem Wege zu 
Gelde zu gelangen. Ein gewisser Georg Kduolniez und andere desselben 
Gelichters wurden aufgegriffen und bekannten im Gefängniss, Falsch- 
münzereien für Herzog Valentin verübt zu haben. Herzog Kasimir befand 
sich seit 1515 im Besitz eines Privilegs, das ihm die Strafen für Landes- 
beschädiger zusicherte. Aber gerade dies persönliche Interesse an der 
Sache schadete ihm. Der Markgraf verlangte von König Ludwig verbrieft 
den Heimfall Ratibors, falls der Herzog sich von seiner Schuld nicht 
werde frei machen können. Es war der letzte Versuch Kasimir’s, selbst- 
ständige Politik zu treiben, vor dem aufgehenden Gestirn des Branden- 
burgers musste er erbleichen. 

Während Georg am ungarischen Hofe sich eine Stellung erobert 
hatte, war es auch den anderen Brüdern gelungen, ihre Lage zu ver- 
bessern. Eben war der älteste, Kasimir, eine Verbindung mit einer 
bayrischen Prinzessin eingegangen, eine jüngere Schwester, Elisabeth, 
hatte einen Markgrafen von Baden geheirathet. Man trug sich im bran- 
denburgischen Hause mit neuen Heirathsplänen. „Dass Du in guter 
Hoffnung bist, etlich Schwestern zu verheirathen,“ schreibt Georg seinem 
Bruder Kasimir, ‚wär fürwahr sehr nöthig, denn sie nimmer Kinder 
sein und Du Dich nun auch verheirath hast, weisst Du wohl, dass selten 
Einigkeit zwischen solchen Freulein ist... . . Darum hab Fleiss und 
schau, dass man sie verheirath.“ Und an Fleiss wurde nichts gespart. 
Als die Brüder zur Hochzeit Königs Sigismund von Polen im Frühjahr 
des Jahres 1518 in Krakau zusammentrafen, wohin Kasimir im Auftrage 
Kaiser Maximilian’s die Braut, Bona Sforza von Mailand, geleitet hatte, 
wurden neue Fäden gesponnen. Hier fand sich auch Herzog Friedrich 
von Liegnitz ein, der Schwager des Königs von Polen, jetzt Wittwer 
von seiner Jung verstorbenen Gattin. Mit ihm schlossen die Brandenburger 
eine Heirathsberedung. Am 14. November fand die Hochzeit zu Liegnitz 
statt. Sophia, die Schwester des Brandenburgers, heirathete Friedrich; 
sie ist die Mutter der beiden Kinder geworden, Georg’s und Sophia, 
welche später die berühmte Doppelverbindung mit dem kurbrand. Hause 
eingegangen sind. Auch den grimmen Herzog von Teschen schlugen 
die Fesseln der Liebe in Bande. Auch er war Wittwer schon 22 Jahre. 
Aber nicht für den Alten war die brandenburgische Prinzessin 
bestimmt. Anna heirathete am 1. December 1518 seinen Sohn, den 
jungen Herzog Wenzel von Teschen. Ihr Eheglück war ein be- 
grenztes, noch nicht 6 Jahre nach der Hochzeit starb ihr Gatte. Diese 
Doppelverbindung beseitigte den letzten Widerstand von schlesischer 
Seite gegen die brandenburgische Anwartschaft auf Oppeln, sie 
musste Georgs Stellung in Schlesien ungemein befestigen und stärken. . 
Auch dem wenig begehrenswerthen Herzog Valentin von Ratibor 
machte Georg Aussicht auf eine seiner Schwestern und erwirkte 


III. Abtheilung. Historische Section. 43 


dadurch von ihm die Aufnahme seiner ev. Nachkommenschaft in die 
Erbverträge. König Ludwig ertheilt dem neuen Vertrag, wie allen 
vorangehenden, seine Bestätigung mit ungarischem und böhmischem Siegel, 
Die Gunst des einen noch ausstehenden schlesischen Fürsten, des Herzogs 
Karl von Münsterberg erringt sich Georg dadurch, dass er Herzog 
Valentin veranlasst, die zur Oppeln’schen Erbschaft gehörige Pfandschaft 
auf Münsterberg fahren zu lassen, und auch seinerseits darauf verzichtet. 
Aber aus der Heirath Valentin’s wurde nichts. Die ihm zugedachte 
Schwester Georg’s war die älteste, Margarethe. Sie war schon einmal, 
10 Jahre vorher, für eine politische Ehe ausersehen, als Georg in 
Ungarn durch Johann Zäpolya bedrängt ward und eine Besserung des 
Verhältnisses von einer Familienverbindung mit diesem Magnaten erhoffte. 
Der stolze Mann, der nach des Königs Tochter trachtete und schon die 
Hand nach dem ungarischen Throne ausstreckte, hatte der Brandenburgerin 
den Rücken gewandt. Jetzt war Margarethe 36 Jahre alt, aber selbst 
die in allen ihren Hoffnungen getäuschte alte Dame wollte nichts von 
dem wüsten Herzog wissen, über dessen Tugenden ihr die Schwester 
vom Teschener Hofe ganz seltsame Mittheilungen zu machen wusste. 
Sie schrieb ab. Georg hatte nur bitteren Spott dafür: „Wenn sie keinen 
solchen haben will,‘ schrieb er seinem Bruder, ‚‚muss sie früh aufstehen, 
zu Krakau, sagt man, habe man die Wahl.“ Valentin rächte sich, er 
schloss nunmehr die weibliche Nachkommenschaft aus, wie er vorgab, 
um nicht die Herzöge von Liesnitz und Teschen, die Georg’s 
Schwestern zu Frauen hatten, an seinem Erbe theilnehmen zu lassen. 
Sein Hass gegen Kasimir von Teschen, der ihm eben erst nach der 
Ehre getrachtet, loderte auf und auch die Schuld, die Kasimir durch 
Enthauptung des Oheims von Oppeln auf sich geladen, konnte Valentin 
noch immer nicht verwinden. Aber auch ein solcher Schachzug konn 
den Gang, den die Dinge nahmen, nicht mehr aufhalten. 

Georg konnte sich bald darauf dem österreichischen Hause sehr 
nützlich zeigen, als es sich um die Kaiserwahl handelte. Das Haus 
Brandenburg verfügte über 2 Kurstimmen, die märkische und die Mainzer, 
und Georg ging nach Frankfurt als Gesandter des Königs von Böhmen. 
Unzugänglich allen Einflüsterungen und Bestechungen der französischen 
Gesandten und selbst seinem Vetter Joachim gegenüber, hielt er treu 
zur Sache Maximilian’s und seines Enkels. Karl V. hatte seine Wahl 
dem Hause Brandenburg zu verdanken. Das musste auch seine Rück- 
wirkung auf die Brandenburger äussern. Zuerst zeigte es sich am 
spanischen Hofe, an dem ein jüngerer Bruder, Johann, sich aufhielt. Karl 
verlieh ihm die Würde eines Generalstatthalters in Spanien und gab 
ihm zur Frau die Wittwe des Königs Ferdinand d. Kathol,, Germaine 
de Foix. Johann hat wiederholt Gelegenheit gehabt, seinen Einfluss zu 
Gunsten seiner Brüder in Schlesien und Preussen geltend zu machen, 


44 Jahresbericht der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. 


Aber freilich fing diese Machtstellung auch schon an bedrohlich zu 
werden. Da war zuerst der König Sigismund von Polen, der selbst 
seinem Schwestersohne, dem Markgrafen Albrecht, 1511 zum Hoch- 
meistersitze in Preussen verholfen hatte und nun, als derselbe die 
Huldigung dauernd verweigerte, die schlimme Erfahrung machte, welch’ 
unbequemer Nachbar ein Brandenburger sei, zumal er guten Grund zu 
der Annahme hatte, dass Albrecht wirksame Unterstützung von seinen 
Brüdern, insbesondere dem Markgrafen Georg, erhalte. Königs Sigismund 
beklagte sich am ungarischen Hofe, dass von dort aus Soldtruppen nach 
Preussen zogen zum Kriege gegen Polen. Er hatte ein lebendiges In- 
teresse, zu verhindern, dass nun an einer anderen Grenze seines Reiches 
sich wieder ein Hohenzoller festsetze und im Grenzlande zu Macht und 
Ansehen gelange. Er liess es daher nicht an Warnungen in Ofen fehlen 
und suchte auch den alten Herzog von Oppeln gegen Georg einzunehmen. 
Aber hier war jeder Versuch vergeblich. Desto grösseren Erfolg erzielte 
er, als 1520 nach dem Tode des Bischofs Johannes Turzo Georg einen 
Bruder, Johann Albrecht, bei der Candidatur um den Breslauer Bischofs- 
sitz unterstützte und auch den Papst Leo X., in dessen Diensten sich 
zwei seiner Brüder befanden, für seinen Bruder zu gewinnen suchte. 
Der Papst erlag dem Drängen des Domkapitels, das sich ganz unter dem 
Einfluss der böhmischen Stände zeigte. 

Den böhmischen Ständen war das Emporkommen oder das Eindringen, 
wie sie es bezeichneten, des Brandenburgers in ein böhmisches Kronland, 
als welches sie Schlesien fort und fort ansahen, ein Dorn im Auge 
gewesen. Seitdem Schlesien während der Kämpfe unter Wladislaw und 
Matthias von Böhmen an Ungarn verpfändet worden war, hatte der Streit 
über die Zugehörigkeit des Landes zwischen beiden Reichen niemals 
geruht, auch dann nicht, als die Jagellonen durch Personalunion beide 
Reiche verbanden. Verschärft wurde der Streit durch die Eifersucht der 
böhmischen Stände auf die Rechte der Krone und durch die Vermischung 
derselben mit ständischen Ansprüchen. Unter diesen Verhältnissen haben 
die Schlesier den Jagellonen überhaupt nicht formell gehuldigt. Praktische 
Bedeutung erhielt nun diese Frage, wenn ein nichtschlesischer Fürst 
Erwerbungen in Schlesien machte. Insbesondere waren die Böhmen gegen 
jede Uebertragung von Lehen an Reichsfürsten, weil sie durch diese eine 
Entfremdung und Loslösung von der Krone fürchteten. Bei Georg kam 
noch hinzu, dass er als eingesessener ungarischer Magnat auch bereit 
war, den Huldigungseid der ungarischen Krone zu leisten. So bildete 
sich denn auf bLöhmischem Boden der erste nachhaltige Widerstand gegen 
die Ansprüche des Markgrafen, zumal der einflussreichste Mann in Böhmen, 
der Oberstburggraf Zdenek Lew v. Rozmital sich durch die enge Verbin- , 
dung Georg’s mit den Herzögen von Liegnitz und Teschen, seinen ur- 
sprünglichen Mitbewerbern um das Oppeln’sche Erbe, von diesen über- 


II. Abtheilung. Historische Section. 45 


vortheilt wähnte. Er machte auch aus seinem Unwillen kein Hehl. 
Herzog, Johann suchte sich demgegenüber den Schutz des auch in Böhmen 
einflussreichen Herzogs Karl von Münsterberg zu sichern, indem er sich 
dazu bequemte, ihm von der auf dessen Herzogthum lastenden Pfand- 
summe 15000 Fl. zu erlassen. Georg selbst suchte den böhmischen 
Öberstburggrafen in seiner schlesischen Herrschaft Poln.-Wartenberg auf, 
um ihn zu gewinnen, wie es scheint, ohne dauernden Erfolg. Georg 
hielt es jedenfalls für rathsam, von Herzog Johann die Vergünstigung, zu 
erwirken, dass schon beim Leben des Alten ihm und Valentin die 
Erbhuldigung in seinen Landen geleistet und die Landestheilung unter 
ihnen, als den beiden einzigen Erben, schon jetzt vorgenommen werde; 
die Städte Cosel, Gleiwitz und Beuthen sollte Valentin voraus haben, 
desgleichen Johann allen Besitz an Geld und Werthsachen. Der Alte 
gad zu alledem seine Zustimmung. Noch in demselben Jahre erlag 
der junge Herzog von Ratibor den Folgen seiner Lebensweise und auch 
Herzog Johann fing an zu kränkeln. Nun setzte der Oberstburggraf im 
böhmischen Landtage den Beschluss durch, dass der Herzogs von Oppeln 
aufgefordert werde, seinen Unterthanen zu befehlen, nach seinem Tode 
nur dem Könige und der Krone Böhmen, keinem Anderen zu huldigen. 
Den Rath der Stadt Breslau ersucht er, ihn bei seinen Rechten auf 
Oppeln zu unterstützen. Demgegenüber fordert König Ludwig die Städte 
Schlesiens und der Lausitz und den Bischof von Breslau auf, Georg in 
allen seinen Rechten gegen Jedermann zu schützen, erneuert die alten 
Erbverträge zwischen Brandenburg und Oppeln und erklärt alle ent- 
gegenstehenden Verträge auch in Zukunft für ungültig. Die Hauptaction 
aber wird im Frühjahr und Sommer 1522 in der böhmischen Landes- 
hauptstadt geführt, in die sich der König mit seiner jungen Gemahlin 
und mit seinem ganzen Hofstaate zur Krönung begiebt. Hier erscheint 
auch der Markgraf Georg mit seinen Brüdern Kasimir und Albrecht, 
hier erscheinen alle bisherigen Anwärter auf das Oppein’sche Erbe, die 
Herzöge Friedrich von Liegnitz und Kasimir von Teschen, auch der 
Oberstburgsraf Zdenek Lew von Roämital. Zuerst wird dieser von den 
beiden Herzögen mit seinen Ansprüchen abgefunden durch Zusicherung 
der aufihn entfallenden Summe von 13333 Fl. Georg erhält seine alten An- 
rechte nunmehr von dem „geschworenen König vonBöhmen“ bestätigt, dann- 
erklären auch die beiden Herzöge ihren Verzicht auf das Erbe gegen eine 
Entsehädigung von 40000 Fl., zahlbar nach dem Tode des Herzogs von 
Oppeln. Georg ist der unbestrittene alleinige Inhaber aller Anrechte 
auf die Herzogthümer Oppeln und Ratibor. Jetzt tritt er mit diesem 
Erbe an den Herzog Friedrich II. von Liegnitz heran, mit dem ihn in 
den letzten Jahren die engste Freundschaft verbunden, mit dem er die 
intimsten Fragen der brandenburgischen Hauspolitik besprochen, mit dem 
er gemeinsam seinem Bruder Albrecht von Preussen in seinen Nöthen 


46 . Jahresbericht der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. 


geholfen hat. Mit ihm und seinem Hause will er sich aufs Engste ver- 
knüpfen. So schliesst er mit ihm am 2. Juni 1522 zu Prag eine Erb- 
verbrüderung für sich und seine weltlichen Brüder Kasimir und Johann 
— die anderen Brüder waren in geistlichen Diensten — und deren 
Erben. Danach sollen beim Aussterben aller ihrer Nachkommenschaft 
ihre schlesischen Fürstenthümer an Herzog Friedrich von Liegnitz und 
seine männlichen Leibeserben fallen, beim Aussterben Herzogs Friedrich 
und seines Mannesstammes die Herzogthümer Liegnitz-Brieg an die 
Brandenburger kommen, sogar, wenn dieser Fall vor dem Tode des 
Herzogs von Oppeln einträte. Die Töchter sollten mit Geld abgefunden 
werden. In einer besonderen Urkunde versprechen die Brandenburger 
beim Anfall von Oppeln die freie Herausgabe der Gebiete von Kreuz- 
burg und Pitschen. | 

Der Prager Tag hat eine weltgeschichtliche Bedeutung erlangt durch 
diese Erbverbrüderung zwischen Hohenzollern und Piasten. Es ist die 
erste Erbverbrüderung, die sie geschlossen haben, geschlossen und aus- 
_ gegangen von den fränkischen Hohenzollern, und von ihnen auch wiederum 
übertragen auf die spätere, berühmtere, welche die Kurlinie 1537 mit 
denselben Piasten geschlossen hat. Aber die Prager Erbverbrüderung 
ist ihr Ausgangspunkt, ihr Muster und Vorbild geworden. 

Die Herzöge von Liegnitz erhalten Tags darauf, am 3. Juni, von 
Neuem die Bestätigung ihrer alten Privilegien vom Könige. 

Doch die böhmischen Stände ruhen nicht. Noch einmal kommt ein 
Rückschlag. Sie ängstigen den alten Herzog von Oppeln. Sie erfinden 
eine Satzung Kaiser Carls IV., wonach kein Reichsfürst je ein Stück 
von Böhmen erhalten solle. Sie bereiten einen furchtbaren Schlag gegen 
den Markgrafen vor. Er ist als königlicher Commissarius von Prag 
nach Schlesien geschickt worden, um den Schweidnitzer Münzaufstand 
zu unterdrücken. Während er Schweidnitz belagert, rückt ein Heer der 
böhmischen Stände zum Entsatz heran unter Führung seines Todfeindes, 
des Hauptmanns der Fürstenthümer Schweidnitz-Jauer, Caspar Gotsch; 
Georg erhält in aller Form seine Abberufung vom König. Der Hass der 
böhmischen Stände richtete sich gegen die schlesischen Erwerbungen des 
Markgrafen. Schon dachte Georg an Gewalt, er schickte seinen getreuen 
Hauptmann Peter vom Königsfeld mit Geschütz nach Oppeln zum Herzog, 
„Aber“, schrieb er seinem Bruder, „wenns ihm ans Geld geht, geht’s ihm 
an die Seel’, ich muss mit ihm umgehen, wie mit einem weichen Bi“, 
Jedenfalls liess sich Herzog Friedrich vom Oberstbursgrafen seine Privi- 
legien über Oppeln jetzt. aushändigen. Dann verschaffte sich Georg von 
‘ Kaiser Karl einen an den Pfalzgrafen gerichteten Schutzbrief gegen alle 
seine Gegner, Bevor dies Schreiben eintraf, hatte König Ludwig schon 
dem Ansturm der böhmischen Stände weichen und die Erklärung abgeben 
müssen, kein schlesisches Fürstenthum der Krone Böhmen zu entfremden. 


II. Abtheilung. Historische Section. 47 


Das Herzogthum Oppeln war besonders in der Urkunde erwähnt 
worden. 


Die dem Markgrafen sehr wohlgesinnte Königin Maria suchte ihn zu 
entschädigen durch eine Verschreibung von 1000 Fl. jährlich auf die 
Schweidnitzer Münze. 


Aber der König ermannt sich im folgenden Jahre, nimmt selbst die 
Zügel der Regierung in die Hand, die Partei des Oberstburggrafen wird 
gestürzt, Herzog Karl von Münsterberg wird Landeshauptmann des 
Königreichs und Stellvertreter des Königs. Der neue Landtag verleiht 
dem Markgrafen Georg das Erbrecht auf seine Herzogthümer, der Mark- 
graf erhält eine Abschrift des Landtafelbeschlusses in böhmischer Sprache 
‘ und in deutscher Uebersetzung. Nun erlangt er Alles von seinem König. 
Der König bestätigt von Neuem seine alten Rechte und die Verzichts- 
urkunden der anderen Anwärter, verschreibt ihm vorläufig einen Jahres- 
gehalt von 2000 Fl. aus dem königlichen Schatze. Dann ertheilt er ihm 
die Erlaubniss, in Schlesien Lehen oder Eigengüter an sich und sein Haus 
zu bringen. Tags darauf beglaubigt er noch einmal urkundlich, dass die 
böhmischen Stände den Markgrafen Georg als schlesischen Fürsten an- 
erkannt haben. 


Georg hat nicht erst die günstige Entscheidung abgewartet. Der 
Unermüdliche trägt sich schon lange mit dem Gedanken eines directen 
Ankaufs eines schlesischen Fürstenthums. Er hört, dass die Herrschaft 
Jägerndorf käuflich ist und er verhandelt zugleich für seinen Bruder 
Kasimir mit den Besitzern, Georg von Schellenberg und seinen Söhnen. 
Noch bevor der Kauf perfect wird, hat das Königspaar ihm schon 
anderweitig die Möglichkeit verschafft, sich als einen Landsassen und 
schlesischen Fürsten zeichnen zu dürfen. Der alte Herzog Johann wird 
veranlasst, dem Markgrafen Schloss und Stadt Oderberg zu übergeben 
und ihm zu gestatten, den Titel eines Herrn zu Ratibor zu führen. Am 
14. Mai 1523 wird auch der Kaufvertrag über Jägerndorf-Leobschütz 
abgeschlossen. Den Kaufschilling brachte er auf durch Verkauf 
eines Theils seiner ungarischen Güter an den Ban von Croatien. Der 
Kauf wird am 3. Juli durch den König bestätigt, von ihm noch ergänzt 
dureh eine Schenkung der königlichen Herrschaft Freudenthal und der 
Steuereinnahme in der Herrschaft Jägerndorf. Noch einmal macht sich 
der Aerger der unterlegenen Partei Luft. Peter von Rosenberg, Lew 
von RoZmital und ihr Anhang legen auf einer Separatconvention zu 
Sellezanech Verwahrung ein gegen die letzten Beschlüsse des Landtags. Es 
war vor der Hand ein Schlag ins Wasser. Jedenfalls war die Erbitterung 
der gegnerischen Partei eine starke. Der König von Polen liess den 
Markgrafen warnen, auf der Hut zu sein, da ihm seine Feinde nach dem 
Leben trachteten. Er rieth ihm, in Verbindung mit Karl von Münsterberg 


Mn. Jahresbericht der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. 


sich mit den Parteien zu vertragen. Insoweit der Rath den Münster- 
berger anging, befolgte ihn Georg. Seit 1510 Wittwer und ohne Erben, 
hatte er sich seit der Liegnitzer Erbverbrüderung wieder mit dem Ge- 
danken einer neuen Heirath befreundet. Schon im Laufe des Jahres 1523 
war er der Sache näher getreten; die Herzöge von Liegnitz und Oppeln 
richteten seine Aufmerksamkeit auf eine der Töchter Karl’s von Münster- 
berg, die damals erst 15jährige Hedwig. Nachdem er im Frühjahr 1524 
den Besitz von Jägerndorf angetreten und im Herbst die Erweiterung 
der alten Erbverträge auf seinen Bruder Kasimir und dessen Erben vom 
Könige erlangt hatte, folgte er dem Rathe der befreundeten Fürsten und 
begehrte die Tochter des Münsterbergers zum Weibe. Von dem mit 
Glücksgütern nicht gesegneten Herzog wünschte er, wie die Ehepakten 
sagen, weder Geld noch Gut, sondern Lieb’ und Freundschaft. König 
Ludwig verlieh ihm bald nach der Hochzeit das Münzrecht für Schlesien, 

Aber er stand nicht still, sein Sinn war weiter auf Befestigung und 
Vermehrung des’ schlesischen Besitzes gerichtet. Einige Nachbargebiete 
erregten sein Interesse, Gräfenberg, ferner Freistadt an der mährischen 
Grenze wegen seines Weines; er gedachte es gegen seine ungarische 
Besitzung Huniad einzutauschen. Endlich erhielt er auch noch die 
Herrschaft Beuthen vom König auf 2 Leibeserben. Dann wiederum war 
er mit dem Gedanken beschäftigt, die Prager Erbverbrüderung mit 
Liegnitz nun zu erweitern, auf seiner Seite durch Aufnahme der in- 
zwischen erworbenen Herrschaften Jägerndorf, auch der Herzog von 
Liegnitz hatte inzwischen neue Fürstenthümer erworben, Steinau, Raudten 
und Wohlau, ferner Herrnstadt und Rützen. Auch seine neuerworbenen 
Lande suchte er einzurichten, den Bergbau, die Wasserkunst zu be- 
fördern, erliess Verordnungen gegen die Vertheuerung der nothwendigen 
Lebensmittel und suchte von den früheren Besitzern verpfändete Gebiete, 
wie Leobschütz und Bauerwitz, wieder einzulösen. 

Man darf wohl sagen, dass in dem Jahrhundert, welches 
verflossen war, seitdem die Hohenzollern zu einer Macht- 
stellung in Deutschland berufen worden, und auch noch 
Jahrhunderte später das Haus Brandenburg niemals eine so 
achtunggebietende Stellung besessen im Reiche Es ist 
schon darauf hingewiesen worden, welches Gewicht die brandenburgischen 
Stimmen bei der Kaiserwahl des Jahres 1519 in die Waagschale warfen. 
Aber nicht bei der Kurlinie lag gerade die Stärke des Hauses. 
Die traditionelle Politik der Hohenzollern im 16. Jahrhundert führte die 
fränkische Linie. Während zwei Brüder, Kasimir und Johann, am 
österreichischen und spanischen Hofe zu einflussreichen Stellungen em- 
porgestiegen waren, hatte ein dritter eben dem Hause ein neues Terri- 
torium gewonnen. Im Nordosten des Reiches hatte Albrecht der 
Hochmeister sein Ordensland in ein Herzogthum verwandelt durch Hilfe 


III. Abtheilung. Historische Section. 49 


und Mitwirkung eben des Bruders, der als die Seele der gesammten 
Hauspolitik der fränkischen Hohenzollern jener Tage zu betrachten ist. 
Auf dem Ringe zu Krakau hatte Georg Namens seines Hauses die Mit- 
belehnung für Preussen empfangen. Dieser Georg aber erfreute sich jetzt 
mehr denn je der höchsten Gunst des Königspaares; durch innige 
Familienbande mit allen schlesischen Fürsten verknüpft, hatte er in Er- 
weiterung; der alten Erbverträge mit Oppeln, zuletzt durch Erbverbrüderung 
das alte Piastenhaus von Liegnitz dauernd mit seinem Hause verbunden, 
neue Herrschaften errungen. Während von Norden her die Kurlinie ihren 
Einzug in das benachbarte Fürstenthum Glogau gehalten, rückte die 
fränkische Linie jetzt von Süden her in Schlesien ein. Es war gar nicht 
abzusehen, wann das ganze Herzogthum an die Hohenzollern fallen würde. 
Der alte Herzog von Oppeln ging seinem Ende entgegen, Liegnitz und 
Teschen ruhten auf zwei Augen, war noch Münsterberg, dessen Fürsten stets 
bereit waren, wie die anderen kleinen Herren, ihr Land für Geld los- 
zuschlagen. | 

Georg stand auf der Höhe seiner Macht. Da traf ihn zuerst ein 
Schlag, der vom eigenen Hause ausging. Die Kurlinie hatte an der 
Machtentwickelung der fränkischen Hohenzollern keinen besonderen An- 
theil genommen, jetzt war sie mächtig genug, sie in ihr Schicksal 
hineinzuziehen. Auf dem Schlachtfelde von Pavia sank die franzosen- 
freundliche Politik des Kurfürsten Joachim in Trümmer, Mehr denn je 
war die niedergeschlagene Kurlinie zu einer Ohnmacht im Reiche ver- 
urtheilt. Jetzt folgte Schlag auf Schlag. Der einflussreiche Markgraf 
Johann, der den gefangenen König von Frankreich in seiner Residenz 
Valeneia im Auftrage des Kaisers aufgenommen hatte, wurde wenige 
Wochen darauf von einem tödtlichen Fieber hinweggerafft. Das folgende 
Jahr verschlangen die Sümpfe von Mohäcs den zwanzigjährigen König 
von Ungarn, Georg’s Rückhalt und Stütze. In Ungarn gelangte Georg’s 
Todfeind, Johann Zäpolya, zur Regierung. Freilich erwarben sich die beiden 
fränkischen Markgrafen Kasimir und Georg berechtigte Ansprüche auf Dank 
von Oesterreich, als sie gegenüber anderen Throncandidaten, vornehmlich 
dem jetzt den Brandenburgern sehr wohlgesinnten König von Polen, die 
Wahl des Erzherzogs Ferdinand in Böhmen durchsetzten. Aber Dank 
vom Hause Habsburg fanden auch die Hohenzollern nicht. Der Habs- 
burger war doch nicht so gemüthvoll wie der Jagellone, auf so schöne 
Landschaften in Schlesien ohne Weiteres zu verzichten und dabei Gefahr zu 
laufen, dieMacht des brandenburgischen Hauses, das sich in seiner Kurlinie 
eben noch so feindlich gezeigt hatte, zu einer unüberwindlichen Höhe zu 
steigern. Noch bevor Ferdinand Gelegenheit fand, der schlesischen Frage 
näher zu treten, wurde Georg der letzten Stütze beraubt, im Kampfe 
für Ferdinand starb sein ältester Bruder Kasimir in Ungarn. Der Tod des 
Bruders, der die geheimsten Fragen der Hauspolitik mit ihm ausgetauscht, 

189. 4 


3% 


50 Jahresbericht der Schles. Gesellschaft fur vaterl. Cultur. 


der die Verbindung mit der Kurlinie unterhalten und seiner Politik 
einen wirksamen Rückhalt am österreichischen Hofe gegeben hat, war 
am schwersten zu verwinden. Wohl stehen in der Politik Personen und 
Zustände unter dem unmittelbaren Einfluss weltgeschichtlicher Katastrophen. 
Aber schliesslich trägt doch Jeder selbst und in erster Reihe die Schuld 
seines Schicksals. Dass die tragische Schuld des Hohenzollern 
sein Idealismus gewesen, welcher der vom krassesten 
Egoismus getragenen Interessenpolitik des österreichischen 
Haues hat weichen müssen, wird uns die Persönlichkeit 
Georg’s wohl sympathischer gestalten, die Schuld aber auch 
mit historischer Unerbittlichkeit bei ihm selber suchen. 
Es giebt wohl wenig Personen in der Geschichte, bei denen 
historische und poetische Gerechtigkeit so zusammen- 
fallen, wie bei diesem Hohenzollern. 

Während Georg an den Grenzen des Reiches seine Hauspolitik be- 
trieb, hatte sich in Deutschland jene weltgeschichtliche Entwickelung 
vollzogen, die das deutsche Reich in zwei Heerlager getheilt und der 
deutschen Politik seitdem ihre Signatur gegeben hat. Georg hatte daran 
den lebendigsten Antheil genommen. Er war der erste Hohenzoller 
gewesen, der Verbindungen mit Luther angeknüpft hat. Schon 1522 
nimmt er seine Partei offen am böhmischen Hofe und redet ihn in einem 
Briefe an als den „‚Hasser aller Lügen“. Er hat mit Luther den Gedanken 
der Verwandlung des deutschen Ordenslandes in ein weltliches Herzog- 
thum weiter entwickelt und verwirklicht. Als dann die ersten Verfolgungen 
der Evangelischen ihrer Lehre wegen in Ungarn, Böhmen und Schlesien 
ausbrachen, erwies er sich als ein fester Hort der Bedrängten. Seine 
Ueberzeugung, verbunden mit seinem offenen geraden Wesen rissen ihn 
weiter, brachten ihn in die engste Verbindung mit den evangelischen 
Fürsten, mit deren Häusern schon alte Erbeinungen sein Haus verknüpf- 
ten. Er unterzeichnet als einer der ersten die Protestation von Speier, 
er führt die Reformation durch in seinen fränkischen und schlesischen 
Landen, er erscheint auf dem Reichstag zu Augsburg mit dem vollen 
Brustton eines ehrlichen Protestanten. Bekannt ist, wie er vor dem 
erschreekten Kaiser Karl hinkniet, er wolle sich lieber den Kopf abhauen 
lassen, als vom Evangelium weichen; und hier besteht sein Charakter 
die Feuerprobe. Herrlich sind die herzlichen Briefe zu lesen, in denen ihn 
seine junge Frau von Schlesien aus bestärkt, in seinem Glauben nicht 
zu wanken. Die katholischen Stände des Reiches setzen ihm hart zu, 
vornehmlich seine brandenburger Vettern, sie stellen ihm vor, man werde 
ihn auch aus seinen fränkischen Heimathlanden jagen. ‚‚Ich muss es Gott 
befehlen,“ war seine Antwort. 

So trat denn ein, was unvermeidlich war. Georg kannte nur sein 
Recht und seinen Glauben. Aber in den Fragen der grossen Politik 


II. Abtheilung. Historische Section. dl 


geben den Ausschlag ganz andere Momente. Was wollte es nützen, 
dass er in einer ausführlichen Denkschrift, die er mit Beilage seiner Pri- 
vilesien dem Druck übergab, alle Betheiligten noch einmal über seine 
wohlerworbenen Rechte aufklärte. Das wohlverstandene Interesse des 
Hauses Habsburg setzte dem Rechte die Gewalt entgegen und wusste 
sich dabei sehr gut durch die angeblichen Rechte der Krone Böhmen 
zu decken. Schon auf dem Prager Tage von 1528 hatte Ferdinand den 
alten Herzog von Oppeln gezwungen, seinen Erbvertrag mit dem Branden- 
burger zu widerrufen. Nur die grosse Noth, in der er sich Zäpolya 
gegenüber in Ungarn befand, und die Furcht vor einer Verbindung seines 
Gegners mit Ständen des Reiches, veranlassten ihn, dem Hohenzollern 
einen halben Vergleich anzubieten. 

Noch einmal zu Prag, am 17. Juni 1531, musste Georg erscheinen 
Hier wurde der Friede geschlossen. Dem Markgrafen wurde nur als 
rechtmässig zuerkannt eine Summe von 183333 Gulden, die auf die 
Herzogthümer Oppeln-Ratibor verschrieben ward. Bis zur Abzahlung 
derselben sollte Georg die Herzogthümer als Pfandbesitz erhalten, ferner 
Oderberg für 3, Beuthen für 2 männliche Leibeserben; das Recht auf 
Jägerndorf blieb unangetastet. Bald darauf sank der greise Fürst von 
Oppeln ins Grab (1532 März 27). 

Aber die weltbezwingenden Ideen haben sich niemals in der Geschichte 
mit Gewalt unterdrücken lassen. Der Hohenzoller ruhte nicht. Soviel 
sah er ein, dass unter dem Druck der Verhältnisse für ihn und die 
fränkische Linie seines Hauses die beengende österreichische Politik 
keinen Raum mehr freiliess, 

Noch war ja die Erbverbrüderung mit Liegnitz vorhanden, eine Be 
stätigung derselben von Ferdinand war jetzt nicht zu erlangen. So sann 
er denn mit seinem Schwager Friedrich, wie er derselben auf anderem 
Wege Geltung verschaffen könnte. Beiden lag jetzt mehr noch als 
früher daran, ihre Lande an gesinnungsverwandte Fürsten fallen zu sehen. 
Da bot der Tod des Kurfürsten Joachim I. (1535) Anlass zu Anknüpfungen 
mit der Kurlinie. Joachim II. und sein Bruder Hans waren der neuen Lehre 
zugethan. Der Markgraf trieb nunmehr die Verhandlungen unermüdlich. 
Auf einem Familientage zu Frankfurt a./O. (1536) kam man überein, die 
Erbverbrüderung auf die Kurlinie zu übertragen. Das Jahr darauf wurde 
sie abgeschlossen. Eine Doppelhochzeit verband das Kurhaus Branden- 
burg mit den Piasten von Liegnitz,. Ein neuer Gewaltact Ferdinands 
(1546) erklärte auch diesen Vertrag für ungiltig, aber die Kurlinie hat 
ihre Verträge niemals herausgegeben, ihre Giltigkeit niemals bestritten. 
Der Markgraf Georg erlebte die Cassation nicht mehr, er starb am 
27. December 1543. 

Wofür er gekämpft und gerungen, ist nicht ohne Werth geblieben 
für den Aufbau des grossen „preussischen Reiches deutscher Nation“, 


52 | Jahresbericht der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. 


Dafür sorgten schon die Habsburger selber, welche die brandenburgische 
Herrschaft in Jägerndorf wiederum durch Gewalt 1623 beseitigten, 
gerade ein Jahrhundert nach ihrer Begründung, beim Aussterben der 
Piasten in Liegnitz 1675 die Lande einzogen und die späteren Hohen- 
zollern schnöde hintergingen. Dafür sorgten aber auch die kräftigen 
Hohenzollern, welche den Antagonismus gegen Oesterreich vom Markgrafen 
als sein politisches Testament empfingen im Verein mit der hehren Mission, 
Vorort zu sein im Kampfe für die Freiheit der Lehre und des Glaubens. 
Dies Testament haben sie kthn im Auge behalten und auf diesen 
Grundpfeilern des modernen Staates das neue deutsche Reich erstehen 
lassen. 


— 4 


sehlesische Gesellschait für vaterländische Cultur. 


Zeyps ae) 
73. II. Abtheilung. 
Jahresbericht. Geschichte u.Staatswissenschaften. 
1895. b.Staatswissenschaftliehe Section. 
SEEN are 8°) 


Sitzungen der Section für Staats- und Rechtswissenschaft 
im Jahre 1895. 


In der ersten Sitzung, welche am 9. Januar unter dem Vorsitz 
des Professors Dr. Elster in der Alten Börse stattfand, sprach Herr 
Bergrath Gothein, Syndicus der Breslauer Handelskammer, über 


Die Productionsverhältnisse der Edelmetalle. 


Der Vortragende behandelte zuerst unter Polemik gegen den Wiener 
Geologen Süss die Zukunft des Goldes; die starke Zunahme der Gold- 
production in den letzten Jahrzehnten widerspreche der Behauptung, dass 
das Gold sich wegen seiner Seltenheit nicht als Währungsmetall eigne. 
Wenn Süss von einer allmählichen Ersehöpfung der Goldvorräthe spreche, 
so sei das nur bezüglich des Waschgoldes richtig. Da dies meist ober- 
_ flächlich gelagert in alten Flussbetten gefunden werde, sei die Gewinnung 
leicht, mithin der Abbau schnell, doch dürfte eine genauere geologische 
Erforschung der Erde auch noch viele Goldseifen ergeben. Die Wasch- 
gold-Produetion, welche nur noch einige 20 pCt. der gesammten Pro- 
duetion betrage, falle nieht mehr wesentlich ins Gewicht. Das Berggold 
nehme vielmehr die bedeutendste Stelle ein, und sowohl die zahlreichen 
grossen Funde der letzten Jahrzehnte, wie die stelig fortschreitende 
Technik, welche einen immer tieferen Abbau ermögliche, liessen kaum 
die Besorgniss für eine absehbare Erschöpfung der Goldlagerstätten zu. 
Was die Zukunft des $Silbers anlange, so sei — wenn nicht ein 
Steigen des Silberpreises eintrete — wohl der Höhepunkt als erreicht 
anzusehen, da die Gewinnung in den Hauptsilberdistrieten Nordamerikas 
(Nevada, Montana) kostspieliger zu werden beginne. Das Schwanken 
des Silberpreises störe zwar den internationalen Verkehr in weitem Um- 
fange, und die nach Silberländern exportirenden Staaten würden durch 
das Fallen des Silberpreises empfindlich geschädigt, aber dieses Fallen 
habe doch eine Grenze, da das $Silberangebot durch Einstellung zahl- 
reicher Werke abnehme. Andererseits würde auch jede erhebliche 
Steigerung des Silberpreises eine Wiederaufnahme eingestellter Werke 
und damit einen neuen Preisdruck zur Folge haben. — Schliesslich sei 
der Begriff: „ausreichend‘‘ als Währungsmetall ein sehr dehnbarer; die 


1895, ı 


Ryan Jahresbericht der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. 


e 


Frage, ob das Gold ais Währungsmetall der gesammten Erde ausreichen 
werde, sei allerdings für absehbare Zeiten zu verneinen, weshalb man 
eben die Währungsverschiedenheit als eine unvermeidliche Nothwendig- 
keit hinnehmen müsse. Eine Aenderung unserer gegenwärtigen Währungs- 
verhältnisse sei im Uebrigen nieht zu empfehlen. — 


In der zweiten Sitzung am 11. März hielt Herr Rechtsanwalt 
Dr. Neisser einen Vortrag über | 
die Reform der Unfallversicherung. 


Nach kurzer historischer Einleitung und prineipieller Würdigung 
der der Arbeiterversicherungsgeseizgebung zu Grunde liegenden Gedanken, 
ging der Vortragende zunächst auf den im vergangenen Sommer im 
„Reichsanzeiger“ veröffentlichten „Entwurf eines Gesetzes, betreffend 
Abänderung der Unfallversicherungsgesetze“ ein. Die grundsätzlichen 
Neuerungen, die dieser Entwurf bringt, beträfen zunächst die Voraus- 
setzungen der Versicherung. Der Begriff des Betriebsunfalles habe in 
der Praxis zu unzähligen Streitigkeiten und Zweifeln Anlass gegeben. 
Es sei deshalb gerechtfertigt, dass der Entwurf wenigstens in einem 
Punkte Wandel schaffen wolle, indem er die häuslichen und persönlichen 
Dienste, zu denen der Arbeiter neben seiner Beschäftigung im Betriebe 
von seinem Arbeitgeber herangezogen werde, in die Unfallversicherung 
einbezieht. Indessen sei diese Erweiterung nicht ausreichend, wie Redner 
des näheren darlegt. Im Anschluss hieran geht derselbe auf die Frage 
ein, ob es socialpolitisch richtig sei, dass die Versicherungsgesetzgebung 
bei dem engen Begriffe des „Unfalles‘“ im engeren Sinne stehen bleibe, 
ob nieht vielmehr auch solche, die durch sogenannte Betriebskrankheiten 
arbeitsunfähig geworden, Anspruch auf Fürsorge erheben könnten. Redner 
hält es für unerlässlich, dieser grossen Frage ungeachtet der nicht zu 
verkennenden Schwierigkeiten gesetzgeberisch näher zu treten. Bezüg- 
lich des Personenkreises der Versicherten billigt der Vortragende die 
Einbeziehung der Enkel und die Erleichterung der Erlangung von Ascen- 
dentenrente, wogegen er die Einbeziehung der Geschwister für bedenk- 
lich erachtet und die vom Entwurfe vorgeschlagene Verkürzung der 
jugendlichen Verletzten durchaus missbilligt. Völlig ungangbar ist der 
Weg, der zwecks Ausfüllung der Lücke zwischen Abschluss des Heil- 
verfahrens und Ablauf der dreizehnten Woche vom Entwurfe eingeschlagen 
sei. Denn die diesbezügliche Vorschrift des Entwurfes, nach welchem 
die Krankenkassen berechtigt seien, solchen Verletzten, bei denen schon 
vor Ablauf der dreizehnten Woche das Heilverfahren abgeschlossen, 
Erwerbsunfähigkeit aber zurückgeblieben sei, eine der Hälfte des orts- 


üblichen Tagelohnes entsprechende Rente auf Kosten der Berufsgenossen- , 


schaften vorschussweise zu gewähren, muss zu einem fortwährenden 
Kriege zwischen Krankenkassen und Berufsgenossenschaften führen und 


II. Abtheilung. Staatswissenschaftliche Section. 3 


die Arbeiter zur Einlegung von unbegründeten Berufungen geradezu 
provociren. Eine maasslose Vermehrung der Berufungen würde auch die 
weitere Bestimmung des Entwurfs zur Folge haben, nach welcher Rechts- 
mitteln gegen Abänderungsbescheide gemäss $ 65 U.-V.-G. eine auf- 
schiebende Kraft beigelegt werden solle. Ueberhaupt habe der Entwurf 
bei der Umgestaltung des Verfahrens keine glückliche Hand gehabt. 
Weder die Verkümmerung des Reeurses zur Revision, noch die 
Verkleinerung der Schiedsgerichte, noch endlich die Einführung der 
mündlichen eontradietorischen Verhandlung vor den Feststellungsorganen 
der Genossenschaft seien glückliche Griffe. Insbesondere werde die 
letztere nur dem Winkeleonsulententhum Vorschub leisten. Im Ganzen 
. und Grossen, so resumirte der Vortragende sein Urtheil, bedeute der 
Entwurf keinen nennenswerthen legislatorischen Fortschritt, er enthalte 
im Einzelnen manche dankenswerthe Neuerungen, verrathe aber an an- 
deren erheblichen Punkten Unbekanntschaft mit dem Gang und den 
Bedürfnissen der Praxis. — Bezüglich des zweiten der im Sommer ver- 
öffentlichten Entwürfe, des Entwurfes eines Gesetzes, betreffend Er- 
weiterung der Unfallversicherung, welcher durch Einbeziehung aller noch 
nicht versicherten Betriebsklassen die Krönung des Gebäudes der Unfall- 
versicherung darstellen solle, schloss sich der Verfasser dem allgemeinen 
Urtheil, welches eine strengere Prüfung der Bedürfnissfrage, als sie die 
Motive vornehmen, verlangt, im Ganzen an. Die Einbeziehung eines 
grossen Theiles der Handwerker, insbesondere der Bauhandwerker, er- 
achtet auch er für unerlässlich, die Ausdehnung auf das Handelsgewerbe 
für überflüssig und schädlich. An der Hand der Schweizer Unfallstatistik 
erörterte er die Frage der von dem Entwurfe abgelehnten Einbeziehung 
der Dienstboten in die Unfallversicherung, die er für nothwendig er- 
achtet. Die von dem Entwurfe intendirte territoriale Organisation der 
neu der Unfallversicherung hinzutretenden Bevölkerungskreise hält er für 
eine unnütze weitere Complication des Ganzen der Versicherungsgesetz- 
gebung. Er empfiehlt, soweit dies irgend thunlich, Angliederung an 
bestehende oder Schaffung neuer Berufsgenossenschaften, die er für viel 
tauglieher zur Verwaltung der Unfallversicherung erachtet, als bureau- 
kratische, territoriale Gebilde. Damit geht der Vortragende über zu 
einer erschöpfenden Erörterung der Frage, ob und inwieweit das in der 
Litteratur und in der öffentlichen Discussion häufig und mit steigendem 
Eifer ausgesprochene Verlangen nach Centralisation und Vereinfachung 
der gesammten Socialversicherung begründet sei. Während er Verein- 
fachungen innerhalb der einzelnen Zweige für wünschenswerth erachtet, 
perhorreseirt er den Gedanken einer Verschmelzung der Versicherungs- 
zweige selbst. Weder eine Risicogemeinschaft der Krankenkassen mit 
den grösseren Versicherungsverbänden, noch eine Verkuppelung von 
Unfall- und Invaliditätsversicherung erscheine angezeigt. Die letzteren 


I z Jahresbericht der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. 


beiden Versicherungsarten beruhten auf durchaus verschiedenen social- 
politischen Grundgedanken. Eırstere sei collectivistisch, letztere indivi- 
dualistisch konstruirtt. Wolle man beide verschmelzen, so müsste man 
bei der Invaliditätsversicherung mit dem Prineip der Aequivalenz von 
Leistung und Gegenleistung brechen, man müsste ohne Rücksicht auf 
Beitragsleistung und Dauer der Zugehörigkeit Normal-Invalidenrenten 
in der Höhe der Unfallrenten gewähren, wodurch unberechenbare Mehr- 
kosten entstehen müssten, von denen es zweifelhaft sei, ob sie nicht 
nutzbringender für andere socialpolitische Zwecke, wie etwa die Ver- 
sicherung gegen Arbeitslosigkeit, aufgewendet werden könnten. Aber 
auch organisatorische Bedenken schwerster Art ständen der Verschmel- 
zung im Wege. Da man nicht alle Betriebe berufsgenossenschaftlich 
organisiren könne, so bliebe nur der entgegengesetzte Weg, die Berufs- 
genossenschaften überhaupt zu beseitigen. Dieser Weg sei für eine 
verständige Gesetzgebung nicht gangbar, denn die Berufsgenossenschaften 
hätten sich durchaus bewährt. Der Vortragende bekämpft an der Hand 
der Statistik und durch Vergleichung mit den Ergebnissen der öster- 
reichischen Unfallversicherung und der Privatversicherungsinstitute die 
oft widerlegte, aber immer wieder nachgesprochene Legende von der 
kostspieligen berufsgenossenschaftlichen Verwaltung und geht auf die 
Leistungen der Berufsgenossenschaften, insbesondere auf dem Gebiete 
des intensiven Heilverfahrens und der Unfallverhütung, näher ein. Er 
sucht darzulegen, dass solche Leistungen von einer bureaukratischen 
Verwaltung nicht zu erwarten stünden. Nirgends sei die Herrschaft der 
Schablone so wenig an dem Platze, wie auf dem Gebiete der Unfall- 
versicherung. Da überdies die einzigen Kreise, welche wirklich Anlass 
zur Beschwerde über die gegenwärtige Organisation hätten, weil sie ihnen 
schwere persönliche und finanzielle Lasten auferlegt, die .Betriebsunter- 
nehmer sich mit Einmüthigkeit und Entschiedenheit gegen die Beseiti- 
gung der berufsgenossenschaftlichen Selbstverwaltung wehren, so habe 
man gewiss keinen Anlass, uferlosen Centralisationsprojeeten näher zu 
treten. Socialpolitische Aufgaben enthielten auch ‘technische Probleme 
und könnten deshalb zweckentsprechend nur gelöst werden durch An- 
wendung der Maxime, der alle technischen Errungenschaften verdankt 
seien, der Maxime der Arbeitstheilung. Man solle nicht die gesunde 
Entwickelung der einzelnen Aeste der Arbeiterversicherung dadurch stören, 
dass man sie künstlich aufeinanderpfropfe, dass man den einen Ast zwinge, 
sich den abweichenden Entwickelungsbedingungen des anderen anzupassen. 
Dann erst, wenn der Beharrungszustand erreicht, wenn man im Stande 
sein wird, die wirthschaftlichen Folgen der Socialversicherung vollständig 


zu überschauen — dann erst wird es Zeit sein, dem Gedanken der Ein- . 


heitsversicherung näher zu treten. Verfrühte Einheitsgelüste könnten nur 
schädlich wirken. Nur die Einfachheit sei von Werth, aus der das 


- 


III. Abtheilung. Staatswissenschaftliche Section. 5 


Mannigfache wirklich hervorgehe, sehr vom Uebel die andere, die nur 
gelte, wenn man die Thatsachen einfacher zuschneide als sie sind. — 
An den Vortrag knüpfte sich eine anregende Debatte, die besonders die 
Frage der Einbeziehung der Betriebskrankheiten zum Gegenstand hatte. 


In der dritten Sitzung am 4. December unter dem Vorsitz des 
Staatsanwalts Dr. Keil hielt Professor Dr. Elster einen Vortrag über 


die Versicherung gegen Arbeitslosigkeit. 


Der Vortragende ging einleitend auf die mancherlei Maassnahmen 
ein, welche zu einer Verringerung und einer Abnahme der Arbeitslosig- 
keit zu führen geeignet seien, wie z. B, in erster Linie auf den weiteren 
Ausbau der Arbeiterschutzgesetzgebung, auf die innere Kolonisation, 
dann auf die Schaffung von Asylen für Obdachlose u. a. m., wobei es 
sich vielfach jedoch nur um Einrichtungen handele, durch welche das 
äusserlich Unangenehme der Arbeitslosigkeit der Gesellschaft aus den 
Augen gerückt werde. Weiter seien auch zweifellos die Arbeits- 
Vermittelung und der Arbeitsnachweis von grosser Bedeutung; doch, 
wenn auch alle diese Bestrebungen in vortrefflichster Weise glückten, 
und die Arbeitslosigkeit wirklich abnehme, aus der Welt geschafft 
werde sie dadurch nicht; gewisse Ursachen, aus denen sie entstehe, 
blieben weiter wirksam. Frage man nun nach diesen Ursachen, so 
müsse man — abgesehen von den durch Tod des Unternehmers, 
Fabrikbrände etc. hervorgerufenen Arbeitsstörungen — vor allem 
auf die Schwankungen im Arbeitsbedarf bei der Saisonindustrie (Bau- 
gewerbe, Buchdruckergewerbe u. a. m.) hinweisen, welche viel grösser 
seien, als man gemeiniglich annehme. Unsere Kenntniss von dem 
Umfange der Arbeitslosigkeit sei zwar in Folge des Mangels an einer 
zuverlässigen Statistik leider nur gering, Bei der Berufszählung im 
Juni d. J., und auch bei der jüngsten Volkszählung habe man allerdings 
die Arbeitslosen mitgezählt, doch seien dies gewissermaassen nur Moment- 
aufnahmen von dem augenblicklichen Zustande, wie er im Juni und im 
December herrschte; für später seien diese Zählungen möglichenfalls 
von Nutzen, für jetzt aber kämen sie noch nicht in Betracht, da ihre 
Ergebnisse noch nicht bekannt seien. Wiehtiger sei die bez. Statistik_ 
der gewerkschaftlichen Verbände, In Bezug auf die Frage, was 
man bisher zur Versicherung der Arbeitslosen gethan habe, wies 
Redner hin auf die Thätigkeit der Hirsch - Duncker’schen Gewerk- 
vereine und der socialdemokratischen Gewerkschaften. Auch andere 
Verbände ete. hätten neuerdings Versuche angestellt. Besondere Be- 
achtung verdienten die neuesten schweizerischen Maassnahmen (Bern, 
St. Gallen, Basel-Stadt). Mit der freiwilligen Versicherung könne man, 
so suchte der Vortragende des Näheren darzulegen, jedoch Befriedigendes 


6 Jahresbericht der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. 


nicht erreichen. England, wo man besonders den Grundsatz der Selbst- 
hilfe vertrete, habe von seinen acht Millionen Arbeitern nur °/, Millionen 
versicher!! Man dürfe. auch nicht unbeachtet lassen, dass in den 
Gewerkvereinen und Gewerkschaften nicht einmal die eigentliche Fabrik- 
industrie, sondern mehr als das alte Handwerk vertreten sei. Es bliebe 
also als weitere Methode die Zwangsversicherung zu berücksichtigen. 
Doch auch hier stellten sich zwei schwer überwindliche Schwierigkeiten 
in den Weg. Wie wolle man zunächst jedesmal feststellen, ob un- 
verschuldete Arbeitslosigkeit vorliege? Denn nur solche könne doch bei 
der Versicherung in Betracht kommen. Dies sei ausserordentlich schwer. 
Wie solle man sich z. B. bei Arbeitslosigkeit in Folge von Arbeitsein- 
stellung verhalten? Im Falle eines Strikes sei es in sehr vielen Fällen 
unmöglich, festzustellen, wo die Schuld liege. Zahle man dann prineipiell 
die Versicherungsgelder aus, so stelle man sich — vielleicht unberechtigt — 
auf Seiten der Arbeiter, zahle man sie nicht aus, wie z. Z. in dem Ge- 
setzentwurf für Basel-Stadt geplant sei, so nehme man für die Arbeitgeber 
gegen die Arbeitnehmer Stellung. Die zweite Schwierigkeit sei die, dass 
der Zwang zur Annahme nachgewiesener Arbeit sich wohl bei Gewerk- 
vereinen durchführen lasse, schwerlich aber bei grossen umfassenden 
Arbeitsversicherungen, weil diese aus den verschiedensten Kategorien 
von Arbeitern bestehen. Er, Redner, müsse aus diesen Gründen auch 
die eigentliche Zwangsversicherung in grossem Maassstabe für undurch- 
führbar erklären, während er dagegen hinweisen wolle auf ein Project 
von Schanz-Würzburg. Schanz wolle zwar auch einen Zwang, aber nicht 
den Versicherungszwang, sondern den individuellen Sparzwang, 
derart, dass der Arbeitnehmer in der Regel 20 Pf. wöchentlich, der 
Arbeitgeber 10 Pf, zahle. Dieses Sparguthaben, welches einer Sparkasse 
zu überweisen sei, bleibe des Arbeiters Eigenthum, aber gesperrt, bis 
es die Höhe von 100 Mark erreicht habe. Was über 100 Mark gespart 
werde, unterstehe der freien Verfügung des Arbeiters; im Falle von 
Arbeitslosigkeit höre die Sperrung auf, und zwar solle der Arbeiter, 
wenn sein Guthaben unter 70 Mark beträgt, wöchentlich 5 Mark, wenn 
es zwischen 70 und 100 Mark beträgt, wöchentlich 7 Mark, und wenn 
es 100 Mark erreicht hat, wöchentlich 8 Mark entnehmen können. Prof. 
Elster meinte, dass dieses Project viel Verlockendes habe, weil es die 
verschuldete Arbeitslosigkeit (Strike) von der unverschuldeten nicht unter- 
scheide und auch der individuellen Freiheit grösseren Spielraum lasse, 
als die Zwangsversicherung. Doch sei es nicht zureichend, weil im 
Jahre nur etwa 15 Mark gespart würden, die Höchstsumme von 100 Mark 
‚also erst in 6 bis 7 Jahren erreicht würde. Mit dem individuellen 
Sparen könne man demnach allein nicht auskommen; daher sei das 
Hinzutreten von Unterstützungsgeldern aus dazu bereitliegenden Staats- 
fonds zu jener Sparsumme unbedingt erforderlieh. Die ganze Organi- 


II. Abtheilung. Staatswissenschaftliche Section. 7 


sation, die Redner des Näheren darlegt, lasse sich zweckmässig mit 
Hilfe der Post (Postsparkassen) durchführen. An die Ausführungen des 
Redners schloss sich eine lebhafte und längere Discussion an, an der 
sich ausser dem Vortragenden der Generaldireetor Dr. Rüdiger, Director 
Dr. Neefe, Staatsanwalt Dr. Keil, Redacteur Witschewsky, Rechts- 
anwalt Dr. Neisser u. a. m. betheiligten. 


Für die Mitglieder der Section ist ein besonderer staats- und rechts- 
wissenschaftlicher Lesezirkel begründet worden. In Umlauf kamen im 
Jahre 1895 folgende Zeitschriften und Bücher: 


1. Jahrbücher für Nationalökonomie und Statistik. 

2. Jahrbuch für Gesetzgebung, Verwaltung und Volkswirthschaft im 
Deutschen Reiche. 

Zeitschrift für Social- und Wirthschaftsgeschichte. 

Zeitschrift für die gesammte Staatswissenschaft. 

Archiv für sociale Gesetzgebung und Statistik. 

Archiv für öffentliches Recht. 

Zeitschrift für die gesammte Strafrechtswissenschaft. 

Preussische Jahrbücher. 

Bayerische Handelszeitung (Beilage zur Münchener „Allgemeinen 
Zeitung“). 

10. Handwörterbuch der Staatswissenschaften. 1. Ergänzungsband, 


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sehlesische Gesellschaft für vaterländische Gultur. 


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73. 
Jahresbericht. Nekrologe. 
1895. 
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Nekrologe auf die im Jahre 1895 verstorbenen Mitglieder 
der Schlesischen Gesellschaft für vaterl. Cultur. 


rriedrich Oskar Otto Beck, Kaufmann und Königlicher Lotterie- 
Colleeteur zu Breslau, wurde am 23. December 1823 zu Potsdam als 
Sohn des dortigen Kaufmannes Carl Beck und dessen Ehefrau Karo- 
line, geb. Grieben, geboren. Er besuchte die dortige Realschule und 
erledigte auch daselbst seine kaufmännische Lehrzeit. Im Jahre 1848 
kam er nach Breslau und zwar zuerst als Agent, dann aber errichtete 
er unter der Firma Beck u. Ziekursch ein kaufmännisches Geschäft, 
das nach Austritt des Theilhabers seit 1884 unter der Firma Beck u. 
Sohn bis heut fortgeführt wurde. Seine kaufmännische Begabung, sein 
rastloser Fleiss und seine liebenswürdigen persönlichen Eigenschaften, 
verbunden mit dem Glücke, das alle seine Unternehmungen begleitete, 
stellten die Firma bald in die erste Reihe der Breslauer Handelswelt. 
infolgedessen erhielt er 1876 die Königliche Lotterie-Collecte und bei 
Einrichtung der Handelskammer wurde er als Handelsrichter bestellt; 
auch wurde ihm beim Scheiden aus diesem Ehrenamte für seine Ver- 
dienste der Rothe Adlerorden IV. Klasse verliehen. Der Breslauer 
Stadtverordneten-Versammlung gehörte er längere Zeit als Mitglied an, 
auch war er Schatzmeister des Taubstummen-Instituts und Vorstands- 
mitglied des Zoologischen Gartens. Hier in Breslau verheirathete er 
er sich 1854 mit seiner ersten Gemahlin Sophie, geb. Schreiber, und 
als diese, die ihm zwei Kinder geschenkt hatte, 1864 starb, vermählte 
er sich 1866 mit der jüngsten Schwester derselben, Lydia, geb. Schreiber, 
die ihn mit drei Kindern beschenkte. Er starb am 9. Januar 1895 nach 
nur kurzer Krankheit am Gehirnschlage und wurde auf dem Friedhofe 
von St. Maria-Magdalena begraben. Seit 1880 hai der Verstorbene der 
Schlesischen Gesellschaft als wirkliches Mitglied angehört. 


Dr. med. Carl Oito Becker, praktischer Arzt in Liegnitz, wurde 
am 21. August 1854 zu Liegnitz geboren. Er war der Sohn des bereits 
im Jahre 1856 verstorbenen Predigtamts-Candidaten Otto Becker aus 
Nieolstadt und dessen Ehefrau Louise, geb. Lange. Seine Schulbildung 

1895, "a 


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2 Jahresbericht der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. 


erhielt er auf dem städtischen Gymnasium zu Liegnitz, das er mit dem 
Reifezeugniss cum laude verliess, um zuerst in Tübingen, dann in Breslau 
Mediein zu studiren. In Breslau promovirte er als Dr. med. auf Grund 
seiner Dissertation „„Zur Aetiologie des Unterleibs-Typhus.“ Becker war 
ein begeisterter Student und gehörte der Burschenschaft Arminia an. 
Nach gut bestandener Staatsprüfung genügte er seiner Militärpflicht als 
Militärarzt beim Königs-Grenadier-Regimente zu Liegnitz und wurde 
später zum Stabsarzte ernannt. Im Jahre 1880 liess er sich in Liegnitz 
als Arzt nieder, erfreute sich bald einer grossen Praxis und bekleidete 
unter anderen Ehrenämtern auch das eines Stadtverordneten. In erster 
Ehe, der fünf Kinder entstammen, war er mit Käthe Jarmer, in zweiter 
Ehe mit Else Siemon, Tochter des zu Liegnitz verstorbenen Justizraths 
Simon, verheirathet. Er starb am 10. Mai 1895, tief betrauert von 
seiner Wittwe und seinen sieben unmündisen Kindern. Unserer Ge- 
sellschaft hat der Verstorbene seit 1886 als auswärtiges Mitglied 
angehört. 


Johann Andreas Bock, Apotheker und Fabrikbesitzer zu Breslau, 
wurde am 30. November 1806 zu Bielitz in Oesterreich-Schlesien als 
der Sohn des dortigen Tuchfabrikanten Johann Bock und dessen Ehe-, 
frau Anna Eleonore, geb. Krischke, geboren. Von 1812—1819 be- 
suchte er die dortige Stadtschule. Darauf wurde er wegen Kränklichkeit 
von den Eltern zum Pastor Kupferschmied in dem nahegelegenen Dorfe 
Weichsel in Pension gegeben, der auch die weitere Ausbildung leitete. 
Die Frucht des dortigen zweijährigen Aufenthaltes war neben der 
Kräftigung des Körpers eine tief sittliche, ernste, religiöse Lebens- 
auffassung, und unerschütterliches Gottvertrauen, das ihn in allen Lagen 
seines reich bewegten Lebens immer begleitet hat. Schon Ende des 
Jahres 1819 starben ihm beide Eltern. Der verwaiste Knabe wurde 
Östern 1821 von seinem Onkel, dem Kaufmann Friedrich Gottlieb 
Krischke in Breslau, welcher seiner Zeit die Hospital-Apotheke der 
Stadt-Breslau geschenkt hat, als Pflegesohn angenommen. Als der Pflege- 
vater nach einigen Jahren starb, sorgte dessen Wittwe für die weitere 
Ausbildung des jungen Bock. Derselbe trat am 15. April 1822 als Lehr- 
ling in die hiesige Hospital-Apotheke ein und conditionirte daselbst noch 
von Ostern 1827—1328 als Apothekergehilfe. Darauf besuchte er 1328 
bis 1829 das pharmaceutische Institut der Universität Jena. Von 1829 
bis 1831 eonditionirte und studirte er in Berlin, wo er auch das Staats- 
examen als Apotheker erster Klasse mit den besten Zeugnissen bestand. 
Nachdem er kurze Zeit in Bernburg als Gehilfe thätig war, kehrte er, 
im Jahre 1832 nach Breslau zurück, um wieder als Gehilfe in die 
Hospital-Apotheke einzutreten, deren Verwaltung er später leitete, bis 
er im Jahre 1839 die Apotheke auf dem Hintermarkte in Breslau käuflich 


Nekrologe. 3 


erwarb. Infolge schwerer Erkrankung verkaufte er dieselbe im Jahre 
1844. Durch einen Aufenthalt in Karlsbad völlig hergestellt, erwarb er 
im Oktober 1845 eine Apotheke in Berlin, die er jedoch sehon im April 
1846 wieder verkaufte, um nach Eichberg im Kreise Schönau über- 
zusiedeln, wo er als Miteigenthümer der dortigen Papierfabrik thätig 
war. Im September 1852 kehrte er nach Breslau zurück, wo er bis 
zu seinem Tode bleibenden Wohnsitz nahm. Im Jahre 1853 wurde er 
Theilnehmer der Papierfabrik des Herrn Stadtrath von Korn, mit dem 
er sich zu einer offenen Handelsgesellschaft unter der Firma Korn u. 
Bock vereinigte. Aus dieser Verbindung schied er erst 1892, obgleich 
er infolge Krankheit sich schon längere Zeit nicht mehr thätig be- 
- theiligen konnte. Mit regstem Interesse und wärmster Theilnahme wid- 
mete er sich während der in Breslau durchlebten Decennien allen öffent- 
lichen Angelegenheiten. Er bekleidete zahlreiche Ehrenämter, war über 
25 Jahre Mitglied der Stadtverordneten-Versammlung, Mit-Curator der 
städtischen höheren Mädchenschule und der Hospital-Apotheke, ausserdem 
war er als Kirchenrath thätig.. Die vortrefflichsten Eigenschaften ver- 
einigten sich in seiner Person. Tief sittlicher Ernst und grösste Pflicht- 
treue waren bei ihm mit der Fähigkeit eines edlen Lebensgenusses 
und einer Lebensfreudigkeit verbunden, die er sich in jeder Lebenslage 
bis in sein hohes Alter bewahrte. Seine stete Zufriedenheit und sein 
festes Gottvertrauen liessen ihn auch die schweren Schicksalsschläge, 
als ihm seine theuersten und liebsten Angehörigen frühzeitig in den 
Tod vorangingen, mit Ergebenheit und demüthigem Sinne ertragen. 
Er starb gottergeben am 2. März 1595. Der Schlesischen Gesellschaft 
hat der Verstorbene bereits seit 1854 als wirkliches Mitglied angehört. 


Dr. med. Jacob Gottstein, Professor an der Universität Breslau, 
wurde am 7. November 1832 als Sohn des Kürschnermeisters Joel Gott- 
stein zu Lissa i. P. geboren. Mit zwölf Jahren kam er auf das König- 
liche katholische Matthiassymnasium in Breslau, welches er 1853 mit 
dem Zeugniss der Reife verliess. Er studirte darauf an der Breslauer 
Universität Mediein und löste als Student die Preisaufgabe „De Bichatii 
vi historica.“ Nach absolvirtem Staatsexamen liess er sich als praktischer 
Arzt in Breslau nieder, wandte sich aber bald dem speciellen Studium 
der Kehlkopf- und Ohrenkrankheiten zu. Er nahm als Arzt an den Feld- 
zügen von 1866 und 1870 Theil und habilitirte sich 1872 als Privat- 
docent der medieinischen Facultät an der Universität Breslau, doch erst 
1838 erhielt er den Titel eines Universitätsprofessors. Er starb am 
10. Januar 1895 in Breslau. Der Schlesischen Gesellschaft hat der Ver- 
storbene seit 1866 angehört und in den Jahresberichten finden sich 
Referate über folgende von Gottstein in der medicinischen Section ge- 
haltene Vorträge; 


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EN Jahresbericht der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. 


Eine von ihm ausgeführte Exstirpalion von 7 Kehlkopfpolypen. 43, Jahresb. 
(1865) S. 151 u. 152. 

Ein Kranker, der an einem Kehlkopfpolypen leidet. 44. J. (1866) | 
Sals2} | 

Kehlkopfabseesse und ein von ihm behandelter Fall. 44. J. (1866) 
S. 182 u. 183. 

Ein von ihm laryngoskopisch beobachteter Fall von häutiger Bräune. 
45. J. (1867) 8. 181. 

Pathologische Beiträge zur Helmholtz’schen Hypothese von den Ton- 
empfindungen. 46. J. (1868) S. 201—203. 

Eine von ihm ausgeführte Operation eines Kehlkopfpolypen bei einem 
4jährigen Knaben. 46. J. (1868) S. 207. 

Vorlegung eines bei einem Kinde von 1'/, Jahren entfernten Sequesters. 
58. J. (1880) p. 21. 


Gottstein zählte zu den ersen Vertretern seines Faches. Sein Lehr- 
buch der Kehlkopfkrankheiten, das vier Auflagen erlebte und ins 
Französische, Englische und Russische übersetzt wurde, ist allgemein 
als das Beste seiner Art anerkannt worden. Er war Mitarbeiter an der | 
Zeitschrift für Ohrenheilkunde von Moos. Seine Publikationen erschienen 
hauptsächlich in medieinischen Zeitschriften und in einem von Herrn 
Dr. Richard Kayser für diesen Nekrolog zusammengestellten Verzeich- 
nisse werden folgende Arbeiten des Verstorbenen aufgeführt: 


1. Ueber intralaryngale Löslichkeit von Croupmembrane. Medic. Centralzeit. 1867 

9. Klinische und kritische Beiträge zur Ohrenheilkunde. Arch. für Ohrenheilk, | 
1869. 1 

3. Ueber den feineren Bau der Schnecke. Habil.-Schrift 1862. i 

4. Ueber Ozaena und eine einfache Behandlungsmethode. Berl. klin. Wochenschr. | 
1878. ; 

5. Ueber den Werth der Inhalationen. Bresl. ärztl. Zeitschr. 1889. 

6. Beitrag zum Asthma idiosyncraticum. ibid. 1881. 

7. Ueber verschiedene Formen von Rhinitis. Berlin. klin. Wochenschr. 1881. 

8. Ueber den Meniere’schen Lymphomeneomptes. Zeitschr. f. Ohrenh. 1880. 

9. Ueber Gehöraffectionen im Verlauf der acuten Exantheme. Arch. f. Ohrenh. 
1881. 

10. Die temporäre trockne Tamponade der Nase. Berl. klin. Wochenschr. 1882. 

11. Rhinopathologische Streitfragen. Deutsch. med. Wochenschr. 1882. 

12. Neue Röhrenzangen für Operationen im Kehlkopf. Berlin. klin. Wochenschr. 
1883. 

13. Stellung der Laryngologie in Deutschland. Centralbl. f. Laryngol. 1885. 

14. Zur Operation der aden. Vegetationen im Nasenrachenraum. Berlin. klin. 
Wochenschr. 1886. 

5. Zur Lokalbehandlung der Larynxtuberkulose. Bresl. ärzt Zeitschr. 1888. 

6. Zur Diognose und Therapie des Kehlkopfkrebs. Deutsch. med. Wochenschr. . 
1890. 

17. Lehrbuch der Kehlkopfkrankheiten. Wien 1884. II. Aufl. 1888. III. Aufl. 1889. 
IV. Aufl. 1893. 


Nekrologe. 5 


Dr. med. Paul Gühmann wurde am 23. September 1857 zu 
Breslau geboren, besuchte von 1867 ab das hiesige katholische Matthias- 
Gymnasium und von 1869—70 das Realgymnasium zum heiligen Geist; 
1870 kehrte er auf das Matthias-Gymnasium zurück, das er im October 
1877 mit dem Zeugniss der Reife verliess. In demselben Jahre liess er 
sich an der Universität Breslau zum Behufe des medieinischen Studiums 
immatriculiren und gehörte dieser Hochschule ununterbrochen bis zum 
Jahre 1881 an. Im Winter-Semester 1881/82 absolvirte er das medi- 
‚einische Staatsexamen und im August 1834 wurde er zum Doctor medieinae 
promovirt. Schon auf der Universität war bei Gühmann eine besondere 
Vorliebe für das Studium der Augenheilkunde hervorgetreten. Daher 
bewarb er sich nach beendigtem Staatsexamen um eine Assistenten- 
stellung an einer Augenklinik. Er fand dieselbe Ende 1882 an der 
Klinik des Schlesischen Vereins zur Heilung armer Augenkranker zu 
Breslau und bekleidete diese Stellung bis zum Jahre 1886. Im October 
1886 siedelte er nach Frankfurt a/O. über, um sich als Augenarzt nieder- 
zulassen; doch kehrte er von dort 1889 nach Breslau zurück und trat 
hier in seine frühere Stellung als Assistenzarzt an der genannten Klinik 
wieder ein. Leider endete der Tod schon am 18. Mai 1895 das hoff- 
nungsreiche Leben. Unserer Gesellschaft hat der Verstorbene seit 1892 


angehört. 


Theodor Heinrich, Kaufmann in Breslau, wurde hierselbst am 
15. April 1837 als Sohn eines Gasthofbesitzers geboren. Er besuchte 
die Realschule zum heiligen Geist und entschied sich für die kaufmännische 
Laufbahn. Hier in Breslau erlernte er die Handlung und gründete im 
Jahre 1865 ein kaufmännisches Geschäft (Gummiwaaren- und Leder- 
maschinenriemen-Fabrik) unter der Firma Heinrich & Otto, das schnell 
emporblühte und als das erste seiner Art am hiesigen Handelsplatze 
berühmt wurde. Nach dem Tode des Theilhabers wurde er alleiniger 
Inhaber der Firma. 1870 verheirathete er sich mit Fräulein Martha, 
geb. Wulle, mit welcher er 25 Jahre in sehr glücklicher Ehe lebte, aus 
der 7 Kinder hervorgingen. Nachdem er längere Zeit kränklich gewesen 
war, entwickelte sich bei ihm ein Lungen- und Kopfleiden. Ein 
Aufenthalt zu Meran in Tirol brachte ihm die gewünschte Heilung nicht; _ 
er verstarb auf der Rückreise von dort während der Bahnfahrt zu 
Reichenbach im Voigtlande am 3. Juni 1895 und ruht auf dem Magda- 
lenen-Kirchhofe in Breslau. Der Schlesischen Gesellschaft hat der 
Entschlafene seit 1890 als wirkliches Mitglied angehört. 


Dr. med. Otto Janicke, Königlicher Sanitätsrath und dirigiren- 
der Arzt des Augusta-Hospitales zu Breslau, wurde am 8. August 1850 
zu Laurahütte O/S. als Sohn des bereits verstorbenen Hütten - Rendanten 


6 Jahresbericht der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. 


Rudolf Janicke und dessen Ehefrau Louise, geb. Fitzner, geboren. Nach- 
dem er den ersten Unterricht an einer Privatschule daselbst genossen 
hatte, kam er 1859 auf das Gymnasium nach Gleiwitz 0/8., ging jedoch 
1865 auf das Maria-Magdalenen-Gymnasium zu Breslau, wo er 1870 die 
Reifeprüfung bestand. Am 20. Juli trat er als Einjährig Freiwilliger in 
das 1. Posensche Infanterie-Regiment Nr. 13 ein, machte den deutsch- 
französischen Feldzug mit, aus dem er im Herbste 1871 als Vice-Feld- 
webel zurückkehrte. Im October desselben Jahres bezog er die Univer- 
sität Breslau, um Mediein zu studiren, wo er 1874 sein Physicum machte. 
Zur Fortsetzung seiner Studien ging er 1875 nach Würzburg, wurde 
hier 1576 auf Grund seiner Dissertation: „Zur Casuistik des Istenes 
in Folge von Careinom der Pankreas“ zum Dr. med. promovirt und 
bestand hier in demselben Jahre das Staatsexamen. Jetzt kehrte er 
nach Breslau zurück, wurde Assistenzarzt am hiesigen Allerheiligen- 
Hospitale und hatte nach dem Tode des damaligen Leiters im Jahre 1830 
viel Aussicht, als dirigirender Arzt für dasselbe gewählt zu werden, 
was jedoch in Anbetracht seiner Jugend von verschiedenen Seiten bean- 
standet wurde. In seinen militairischen Verhältnissen wurde er am 
29. September 1876 zum Assistenzarzt II. Klasse der Reserve und am 
27. Juli 1880 zum Assistenzarzt I. Klasse der Landwehr ernannt, am 
8. Januar wurde ihm auf seinen Antrag der Abschied bewilligt. Im 
Jahre 1880 errichteten Dr. Janicke und Dr. Kuschbert eine chirur- 
gische und Augenklinik, welche bis zum Jahre 1882 bestand, als Dr. 
Janicke zum dirigirenden Arzte des vom Vaterländischen Frauen- 
Vereine begründeten Augusta-Hospitals gewählt wurde. Das Ansehen, 
welches diese Krankenanstalt in weiten Kreisen geniesst, die ausser- 
ordentlich grosse Frequenz der damit verbundenen Poliklinik, sie sind 
Dr. Janicke’s Verdienst. Mit besonderem Eifer widmete sich dort der 
vielbeschäftigte Mann auch der Ausbildung des Pflegematerials.. Damit 
hat er sich ein allgemeines Verdienst insofern erworben, als die von ihm 
herangebildeten Augusta-Schwestern für die ambulante Krankenpflege in 
unserer Stadt fast unentbehrlich geworden sind. Sein weiteres Werk 
war die Anregung zur Errichtung des Kinderhospitals Bethlehem, deren 
ärztliche Oberleitung er auch beibehielt. Schon die erste bescheidene 
Niederlassung der Kraschnitzer Schwestern in Breslau, der kleinen An- 
stalt, die nur wenige arme Pfleglinge beherbergen konnte, hat Dr. 
Janicke in selbstlosester Weise ärztlich berathen und dieses Institut - 
dabei so trefflich gefördert, dass es sich zu einer Anstalt entwickelt hat, 
die dem Bedürfniss in. vollem Maasse entspricht. Janicke war, so. 
charakterisirt ihn Professor A. Buchwald, einer der edelsten Menschen, 
die ich kennen gelernt. Eine durchweg vornehme, feine Natur, die 
Jeder, der mit ihm in Berührung kam, lieb gewinnen musste. Ein vor- 
trefflicher Freund, ein braver Sohn und guter Bruder, mit Recht der 


Nekrologe. a 


Stolz seiner ganzen Familie. (Er blieb unvermählt, seinem Hausstande 
stand seine Schwester, die verwittwete Frau Dr. David vor.) Ein 
wenig zurückhaltend und doch in jeder Beziehung anziehend. Selten 
hat ein Mann es verstanden, in seiner Wissenschaft durch eigene Kraft, 
durch unermüdlichen Fleiss, durch absolute Zuverlässigkeit und Gewissen- 
haftigkeit sich das Ansehen unter seinen Collegen und das unbedingte 
Vertrauen in so hohem Grade zu erwerben wie Janicke. Bedingungslos 
konnte man sich Janicke, dem bedeutenden Chirurgen mit der sicheren 
Hand, anvertrauen. Alt und Jung, Hoch und Niedrig, Arm und Reich 
hing an dem Manne mit gleicher Liebe und mit gleichem Rechte. Wo 
Janicke wirkte, wehte der Geist der Humanität und der Segen blieb 
nicht aus. Für alle ärztlichen Vereinsinteressen hatte er ein warmes 
Herz; er war Mitglied der Aerztekammer für die Provinz Schlesien, 
Vorstandsmitglied und Ehrenrath des Vereins der Aerzte des Regierungs- 
Bezirks Breslau. Im Jahre 1892 wurde Janicke zum Königlichen 
Sanitätsrath ernannt. — Mitten in seiner Schaffenskraft stehend, wurde 
er am 21. October 1895 durch einen sanften Tod aus seiner reich ge- 
sesneten Thätigkeit abgerufen. Er starb an den Folgen des Typhus, die sein 
Körper, der durch eine im Jahre 1883 durchgemachte schwere Blutver- 
siftung widerstandsloser geworden war, nicht überwand. So betrauert 
ist wohl selten ein Mann worden, als der viel zu früh dahingeschiedene 
Janicke. Ihm wurden viel ehrliche Thränen nachgeweint. Auf seinem 
Sarge, der auf dem Friedhofe von St. Maria-Magdalena beigesetzt wurde, 
vereinigten sich .die Palmenzweige der Wohlhabenderen mit den ver- 
einzelten Rosen der Armen. Seine Freunde und Verehrer sammelten 
ein Kapital von 15000 Mark zur Begründung einer Stiftung, welche 
seinen Namen tragen soll. Unserer Gesellschaft hat der Verstorbene 
seit 1880 als wirkliches Mitglied angehört und in den Jahresberichten 
finden sich Referate über folgende Vorträge, die er in der medicinischen 
Section gehalten hat: 
Ueber Aktinomykose der Menschen mit Kranken-Demonstration. 66. J. 
(1888) p. 241. 
Osteoplastische Resection des Fusses nach Wladimiroff-Mikuliez. 67. J. 
(1889) p. 24. 
Angeborene doppelseitige Patellar-Luxation 1. e. p. 26. 
Demonstration einer intrauterin entstandenen Unterschenkelfractur 1. e. 
p- 29. 
Ueber Mixoedem mit Demonstration eines einschlägigen Falles. 68. J. 
(1890) p. 19. 

In früheren Jahren arbeitete er, soweit ihm dies seine knappe Zeit 
gestattete, als Referent für das Centralblatt für Chirurgie. Ueberhaupt 
ist der persönlich so anregende Chirurg schriftstellerisch wenig thätig 
gewesen. Es finden sich in der Litteratur: 


S Jahresbericht der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. 


Janicke: Zur Casuistik der angeborenen chirurgischen Erkrankungen des 
Menschen. (Breslauer ärztl. Zeitschrift von 1889.) 

Janicke und Neisser: Exitus letalis nach Erysipel-Impfung bei inoperablem 
Mamma-Careinom etc. (Centralbl. für Chirurgie 1884.) 

Buchwald und Janicke: Ueber Darmeysten (Entera Kysteme) als Ursache eines 
completen Darmverschlusses. 


Dr. Eauard Kabierske, am 8. Februar 1819 zu Neisse geboren, 
entstammte einer Lehrerfamilie. Der Vater war über 50 Jahre Rektor 
der katholischen Mädchenschule daselbst, der Grossvater amtirte die 
gleich lange Zeit in Rauske, einem Dorfe bei Striegau. 

Die Elementar- und Gymnasialbildung genoss der Verblichene in 
den Schulen seiner Heimathstadt, welche er 1840 mit dem Zeugniss der 
Reife verliess, um sich gleich seinem älteren Bruder (CarlKabierske, 
Arzt in Oppersdorf bei Neisse) in Breslau dem Studium der Mediein zu 
widmen. Am 20. Januar 1845 promovirte er mit einer Arbeit über die 
künstliche Frühgeburt und liess sich nach absolvirtem Staatsexamen im 
folgenden Jahre ‘als Arzt in Breslau nieder. Hier verblieb er bis 
an sein Lebensende, nachdem es auch ihm vergönnt war, gleich seinem 
Vater und Grossvater, sein 50jähriges Amtsjubiläum zu feiern und in 
gleicher Weise durch die Verleihung des Rothen Adlerordens ausge- 
zeichnet zu werden. Sein tadelloser Charakter, sein ungemein liebens- 
würdiges und humorvolles und doch energisches Wesen, seine unermüd- 
liche Treue und Hingabe an seine Pflichten, sein Wissen und seine Er- 
fahrung, seine feste und ruhige Hand befähigten ihn hervorragend als 
Arzt. Dergestalt gelang es ihm leicht, einen grossen Patientenkreis zu 
gewinnen, der weit in die Provinz hineinreichte, und der voller Ver- 
trauen an ihm hing. Als Arzt huldigte er der homöopathischen Be- 
handlungsweise, für die er in Breslau besonders wirkte, als er im Jahre 
1866 ein städtisches Choleralazareth als Oberarzt übernahm und nach 
homöopathischen Grundsätzen verwaltete. In der Zeitschrift für Homöo- 
pathie (Leipzig) sind manche Aufsätze von ihm niedergelegt und mancher 
seiner Vorträge abgedruckt, die er in der Gesellschaft homöopathischer 
Aerzte Breslaus gehalten hat. Mit ihm schied ein guter Mensch und 
ein trefflicher Arzt. Er starb am 21. Juni 1395. Der Schlesischen 
Gesellschaft hat er seit 13859 als wirkliches Mitglied angehört. 


Dompropst Joh. Bapt. Wilhelm Kayser, Doctor der Theologie 
und Philosophie, wurde am 1. October 1826 zu Geseke in Westfalen 
als Sohn eines Mühlenbesitzers geboren. Nachdem er bis zum voll- 
endeten 14. Lebensjahre “die Volksschule besucht hatte, half er dem 
Vater 2 Jahre in der Mühle und begab sich erst im Herbste 1842 auf 
das Gymnasium zu Paderborn, das er im Herbste 1347 mit dem Reife- 
zeugniss verliess. Um Philosophie und Theologie zu studiren, besuchte 


Nekrologe. ) 


er ein Jahr die Akademie zu Münster, dann 2'/, Jahre die Universität 
Bonn, wo er Ostern 1851 als Dr. phil. promovirte. Nachdem er noch 
'„ Jahr die philosophisch-theologische Lehranstalt besucht hatte, wurde 
er im Herbste 1851 als Alumnus in das bischöfliche Clerical- Seminar 
zu Paderborn aufgenommen, wo er am 4. September 1852 die Priester- 
weihe empfing. Mitte November begab er sich, mit einem Staatsstipen- 
dium ausgerüstet, nach Breslau, um hier seine Studien fortzusetzen, 
Doch veranlasste ihn der Tod des Vaters, im Juli 1854 in die Heimath 
zurückzukehren, um den Nachlass für die Mutter und 10 Geschwister zu 
ordnen. Von October 1854 bis Juli 1829 war er Professor an der 
philosophischen Abtheilung des bischöflichen Seminars zu Paderborn 
Vorsitzender des Diöcesan-Kunstvereins und stellvertretender Vorsitzender 
des Paderborner Dombau-Vereins, auch wurde er 1867 zum Mitgliede 
des Reichstages gewählt. Vou 1869 bis 1878 war er Director des 
Lehrer-Seminars zu Büren und von 1878 bis 1883 wirkte er als Pro- 
vinzial-Schulrath in Danzig. Durch königliche Ernennungs-Urkunde vom 
31. Mai 1882 und die päpstliche Provista vom 14. Novemher 1832 wurde 
ihm die Dompropstei zu Breslau verliehen, wo seine Installation am 
31. März 1883 erfolstee Am 4. August 1386 ernannte ihn die Univer- 
sität Breslau zum ordentlichen Honorar-Professor der theologischen 
Facultät. Im Jahre 1854 wurde Kayser wirkliches Mitglied der Schle- 
sisehen Gesellschaft für vaterländische Cultur, der er seit 1891 als 
Mitglied des Direetoriums angehörte. Auch war er Mitglied der Pro- 
"vinzial-Commission zur Erforschung und zum Schutze der Denkmäler der 
Provinz Schlesien. Dem Vereine für Geschichte und Alterthum Schlesiens 
und dem Vereine für das Museum schlesischer Alterthimer gehörte er 
als eines der eifrigsten Mitglieder und lange Zeit als zweiter Vorsitzender 
an. Er war seit 1833 Mitglied des Verwaltungsraths der Schlesischen 
Blinden-Unterriehts-Anstalt, Mitglied des Vereines katholischer Kaufleute 
Breslaus, Ehrenmitglied des katholischen Studentenvereines Unitas etc. 
In den letzten Jahren war sein Gesundheitszustand nicht mehr befrie- 
digend, deshalb legte er seine Aemter als Rath der Geheimen Fürst- 
bischöflichen Kanzlei und als Consistorialrath nieder, widmete aber auch 
weiterhin seine Fürsorge den ihm als Curator unterstellten geistlichen 
Genossenschaften. Sein am 31. Juli 1895 erfolgtes Hinscheiden erregte 
in den weitesten Kreisen aufrichtiges Bedauern, das in der grossen Be- 
theiligung bei der Bestattungsfeier einen deutlichen Ausdruck fand; seine 
irdische Hülle wurde in die Dombherrengruft der Todtencapelle des 
Domes versenkt. Der Verstorbene hatte wiederholt grössere Reisen 
nach Italien, Frankreich, England, Russland bis in den Kaukasus gemacht. 
Wissenschaft und Kunst, die kirchlichen Hymnen zumal und die Kirchen- 
baukunst, waren seine Lieblingsgegenstände. Von seiner Gelehrsamkeit 
zeugen seine Schriften, davon seien erwähnt: „Die Patroclikirche zu 


0) Jahresbericht der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. 


Soest‘‘ (1863), „Vier wissenschaftliche Vorträge“ (1865), „Vier andere 
Vorträge“ (1866), „Anthologia hymnorum latinorum‘‘ (1865), „Der heilige 
Sturmi‘ (1866), „Ueber den sogenannten Barnabasbrief‘‘ (1866), „‚Schatz- 
kammer des Doms zu Minden‘ (1867), „Physik des Meeres“ (1873), 
‚„Kehrein’s Ueberblick der Geschichte der Erziehung‘‘ (9. Aufl, 1890), 
und besonders die in wissenschaftlichen Kreisen als sehr bedeutende 
Arbeit allgemein anerkannten „Beiträge zur Geschichte und Erklärung 
der älteren Kirchenhymnen“, 2 Bände (2. Aufl. 1881/86). 


Paul von Kulmiz, Dr. phil. und Rittergutsbesitzer auf Conrads- 
waldau bei Saarau, wurde am 8. November 1856 zu Schweidnitz ge- 
boren. Nach Abgang vom Gymnasium zu Schweidnitz widmete er sich 
1Y, Jahr der Technik und bezog darauf im Herbste 1856 die Universität 
Breslau, um durch 7 Semester Philosophie und speciell Chemie zu 
studiren. Darauf promovirte er an der Universität Leipzig auf Grund 
ssiner Dissertation „Ueber das Methstannäthyl und dessen Verbindungen“ 
zum Dr. phil. Im Jahre 1860 übernahm er die Leitung verschiedener 
technischer Anlagen in der von seinem Vater gegründeten Marienhütte 
bei Saarau, die sich von Jahr zu Jahr immer grossartiger entwickelte 
und deren chemische Faprikate heut Weltruf besitzen. Die letzten Jahre 
seines Lebens verlebte er schwerleidend grösstentheils auf seiner Villa 
in Arnsdorf im Riesengebirge, wo ihn am 27. November 1895 der Tod 
von seinen Leiden erlöste. Unserer Gesellschaft hat der Verstorbene 
seit 1864 als auswärtiges Mitglied angehört. 


Ferdinand Lindemann, Bürgermeister von Jauer, Ehrenbürger 
der Städte Pyritz und Jauer, wurde am 25. November 1820 in Alt-Damm 
in Pommern geboren, woselbst sein Vater Friedrich Lindemann als 
Böttehermeister lebte. Seine Mutter Eleonore war eine geb. Mäder. 

Als Knabe besuchte er die Bürgerschule seines Geburtsortes und 
trat bald nach erfolgter Confirmation bei dem Maeistrat in Alt-Damm 
zur Ausbildung im Subalterndienst ein. In Folge seines Fleisses eignete 
er sich sehr schnell geschäftliche Gewandtheit an und zeichnete sich 
durch Pünktlichkeit aus. Deswegen übertrug man ihm vor seinem voll- 
endeten 20. Lebensjahre die Kassengeschäfte des Amtsbezirkes Köstin 
(Regierungs-Bezirk Stettin) und stellte die Verwaltung des gesammten 
Bezirkes seit dem 1. Januar 1842 unter seine selbständige Leitung. Im 
Jahre 1845 wurde er als Domainen-Actuar nach Schwedt berufen, gab 
dieses Amt aber bereits. im Januar 1847 auf, um als Kämmerer und 
' Beigeordneter nach Greifenberg i/Pom. zu gehen. In dieser Stellung fiel 
ihm fast ausschliesslich die Leitung der Verhandlungen zu, die die ' 
Gründung eines Gymnasiums am dortigen Orte bezweckten. Er führte 
sie mit gutem Erfolge durch; im Jahre 1852 erstand in Greifenberg das 


Nekrologe. 11 


Gymnasium. Der hierdurch befestigte Ruf seiner Gewandtheit und Ge- 
schäftskunde veranlasste 6 Jahre später seine Wahl zum Bürgermeister 
der Stadt Pyritz i/Pom., woselbst die städtischen Behörden gleichfalls 
eine höhere Lehranstalt ins Leben zu rufen wünschten. Hier trat er 
sein Amt 1858 an und, Dank seiner Energie, konnte das ersehnte Gym- 
nasium bereits ein Jahr später eröffnet, bald darauf zu seiner Unter- 
bringung ein stattliches Gebäude errichtet werden. Später schuf er in 
Pyritz noch die Gasanstalt. Schon im Sommer 1864 trat von Jauer aus 
der Ruf an ihn heran, hier den Posten als Bürgermeister einzunehmen, 
Er leistete diesem Rufe Folge und verwaltete sein Amt 31 Jahre lang 
zum Segen für die Stadt, deren Entwickelung er nach allen Seiten hin 
förderte. Seiner Wahl hatte wiederum der Wunsch zu Grunde gelegen, 
Jauer ein Gymnasium zu verschaffen. Der ‚alte Gymnasial-Agitator“, 
wie Geh. Rath Wiese ihn bezeiehnend nannte, machte sich, nachdem er 
im August 1864 in genannte Stadt übergesiedelt war, frisch ans Werk 
und Michaelis 1865 konnte die Anstalt ihre ersten Zöglinge aufnehmen, 
1868, inzwischen dureh Secunda und Prima vervollständigt, in das ihr 
inzwischen erbaute Haus einziehen. Alle drei von ihm ins Leben ge- 
rufenen Anstalten gingen später in staatliche Verwaltung über. 

Wie der Vorbildung für höhere Lebensberufe, galt seine unablässige 
Fürsorge auch der Pflege der städtischen und der Volksschulen, die sich 
unter ihm hoben und mehrten. 

Daneben vernachlässigte er andere Interessen keineswegs. Durch 
ihn erhielt Jauer auf seinem Markte und einer grossen Zahl seiner 
Strassen vortreffliches Pflaster, er bewirkte den Bau einer Kaserne und 
sicherte der Stadt dadurch ihre Garnison, er betrieb den Bau eines 
Schlachthauses, gab der Stadt ihre Wasserleitung und unterstützte ge- 
meinnützige Vereine, insbesondere die freiwillige Feuerwehr, aus 
städtischen Mitteln. | 

Auf seine Anregung wurden im Jahre 1866 hier Reserve-Lazarethe 
eingerichtet, in denen Verwundete von den böhmischen Schlachtfeldern 
in beträchtlicher Zahl Aufnahme und Pflege fanden, 1870 der Vater- 
ländische Frauen-Verein begründet, dessen Schriftführer er 12 Jahre lang 
war, und der unter seiner thätigen Mitwirkung seit 1382 eine Waisen- 
anstalt ins Leben rief, für die 1894 ein eigenes Haus erbaut werden 
konnte. 

Wie reiche Anerkennung seinem langjährigen und vielseitigen Wirken 
in Jauer gezollt wurde, zeigte sich bei der Feier seines 50jährigen 
Amtsjubiläums am 31. December 1891. Zu demselben wurde ihm, der 
den Rothen Adler-Orden 4. Kl. bereits besass, der Kronen-Orden 3. Kl. 
mit der Schleife verliehen. 

Den Grundzug seines Wesens bildete ein rastloser Trieb nach Fort- 
bildung und das Streben, seine Kenntnisse zu vervollständigen und zu 


2°. Jahresbericht der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. 


vertiefen. Hierauf verwendete er, durch schnelle Auffassung und scharfen 
Verstand begünstigt, unablässigen Fleiss. Nur so wurde es ihm möglich, 
sich hervorragende Gesetzkunde und seltene Geschäftsgewandtheit anzu- 
eignen; sie nach allen Richtungen hin für Staat, Kirche, Schule, Kreis 
und Stadt zu bethätigen, fand er reiche Gelegenheit. Daneben zeichnete 
ihn Pflichttreue und Gewissenhaftigkeit aus. Sein liebenswürdiges, stets 
gleichmässig freundliches Entgegenkommen gewann ihm Aller Herzen. 
Seine joviale Gemüthsanlage und sein sanguinisches Temperament halfen 
ihm oft über Schwierigkeiten und unausbleibliche Unannehmlichkeiten 
hinweg, 

Er starb am 6. August 1895, eine Wittwe hinterlassend, mit der 
er 43 Jahre in glücklicher Ehe gelebt hatte. Der Schlesischen Gesell- 
schaft hat der Verstorbene seit 1892 angehört. 

Von seinen 2 Söhnen starb der ältere, ein talentvoller junger Mann, 
als Gerichts-Referendar. Sein jüngerer Sohn, Stabsarzt in Berlin, ist 
z. 7. zum Dienst in das Kriegs-Ministerium einberufen. 
| Professor Noss, 


Dr. ‚med. Samuel Meyer, Königlicher Sanitätsrath und Bahn- 
physieus in Breslau, wurde am 24. Juni 1821 zu Gross-Glogau als Sohn 
des Kaufmanns Johann Meyer und dessen Gattin Karoline, geb. Munk, 
geboren. Nach Absolvirung des Gymnasiums seiner Vaterstadt bezog 
er im Jahre 1840 die Universität Berlin, um nach dem Vorbilde seines 
berühmten Oheims Professor Munk, Mitglied der Akademie francaise, 
Philosophie und orientalische Sprachen zu studiren. Nachdem er hier 
fünf Semester der philosophischen Facultät angehört hatte, ging er im 
Jahre 1842 zur medicinischen über, studirte noch ein Jahr in Berlin, 
sing dann nach Breslau, wo er seine medieinischen Studien fortsetzte 
und wo er am 31. October 1846 auf Grund seiner. Dissertation: „De 
morbis e eultura et conditione sociali profectis“ zum Dr. med. promovirt 
wurde. Im Jahre 1847 als Arzt approbirt, bekleidete er in Breslau 
längere Zeit das Amt eines städtischen Armenarztes, dann das eines Bahn- 
arztes an der Freiburger Bahn. Im Jahre 1873 erhielt er von der 
Königlichen Eisenbahn - Direction Breslau seine Bestallung als Bahn- 
physicus. Dieses Amt, dem er fortan seine volle Kraft widmete, ver- 
waltete er in segensreichster Weise bis zum 1. April 1895, wo ihn zu- 
nehmende Kränklichkeit nöthigte, es niederzulegen. Dr. Meyer, der in- 
zwischen zum Königlichen Sanitätsrathe ernannt worden war, verstand 
es, mit grösster Gewissenhaftigkeit und Pflichttreue seines Amtes zu 
'walten, andererseits aber verband er hierbei Wohlwollen und Humanität 
in reichstem Maasse. Er war ein vortrefflicher College, ein aufrichtiger 
Freund, für Viele ein stets bereiter Helfer und Rathgeber, dabei ein 
Dichter von Gottes -Gnaden. Seine zahlreichen Dichtungen, zumeist Ge- 


Nekrologe. 13 


legenheits- und Festgedichte, erfreuten sich in weitesten Kreisen der 
allgemeinsten Anerkennung. So wurde ihm für sein Festgedicht zur 
Begrüssung der Königin Augusta bei deren Einzuge in Breslau am 
11. November 1861 die goldene Medaille für Kunst und Wissenschaft 
verliehen. Sein Festlied „Bismarck als Arzt, Wundarzt und Geburts- 
helfer‘‘, das zu der im September 1874 in Breslau tagenden Versammlung 
der Naturforscher und Aerzte gedichtet wurde, sowie sein Festgedicht 
auf Galilei fanden ungetheiltesten Beifall; letzteres wurde ins Italienische 
übertragen und an die Spitze der Festschrift zur Feier des 300jährigen 
Geburtstages Galilei’s gesetzt. 

Ideale Lebensauffassung, aufgebaut auf dem Fundamente uneigen- 
nütziger Menschenliebe und edler Begeisterung für das wahrhaft Schöne 
und Gute, tiefes Mitempfinden mit dem Leid Anderer, reichen poetischen 
Sinn, gepaart mit köstlichem, herzerquickendem Humor — .das waren 
die Grundzüge seines Wesens, Wegen dieser Eigenschaften genoss der 
kleine, schlichte, anspruchslose Mann eine wohlverdiente Popularität, 
deshalb waren an seinem 70. Geburtstage, den er noch in erfreulicher 
Frische beging, die Glückwünsche seiner Freunde und Verehrer (Meyer 
war unvermählt geblieben) schier zahllos. An diesem Tage widmete 
die „Breslauer Zeitung‘“ dem Jubilar einen ausführlichen Feuilletonartikel, 
in dem auch einige Proben seiner Dichtungen mitgetheilt wurden. In 
den letzten Jahren seines Lebens wurde Dr. Meyer von schweren Leiden 
heimgesucht, von denen ihn ein sanfter Tod am 22. December 1895 er- 
löste. Der Schlesischen Gesellschaft hat der Entschlafene seit 1887 als 
wirkliches Mitglied angehört. 


Dr. Felix Georg Reinhard Peck, Museumsdirector der „Natur- 
forschenden Gesellschaft“ in Görlitz, wurde am 3. Februar 1823 in 
Görlitz geboren, wo sein Vater städtischer Steuer-Einnehmer war. Hier 
besuchte er das Gymnasium bis Prima und trat dann als Lehrling in 
die Struve’sche Apotheke ein. Nachdem er 1848 das Staatsexamen als 
Apotheker in Berlin bestanden hatte, conditionirte er in verschiedenen 
Orten, bis er im Jahre 1855 nach Görlitz zurückkehrte. Hier fand er 
bald reiche Gelegenheit, sein naturwissenschaftliches Wissen praktisch 
zu verwerthen, denn als die Naturwissenschaftliche Gesellschaft im Jahre 
1860 ihr neugebautes Haus bezog, wurde Peck zum Inspector der Samm- 
lungen und zum Verwalter der Bibliothek bestallt. Seinem Fleisse, 
seiner Umsicht, Kenntniss und Thatkraft verdankt es die Gesellschaft, 
dass ihre Sammlungen aus recht bescheidenen Anfängen zu einem wohl- 
geordneten naturhistorischen Museum angewachsen sind, das nach Um- 
fang und Reichhaltigkeit zu den Besten unseres deutschen Vaterlandes 
gezählt werden darf. Das Museum war seine Welt, sein Stolz und seine 
Freude; durch dasselbe hat er sich selbst ein dauerndes Denkmal gesetzt, 


1 Jahresbericht der Schles. Gesellschaft für vater]. Cultur. 


—— 


Auch leitete er bis zum Jahre 1872 das chemische Laboratorium der 
landwirthschaftlichen Versuchsanstalt zu Görlitz, bis 1886 die Verwaltung 
des dortigen Botanischen Gartens und bis 1839 die Pflege der meteoro- 
logischen Station. In Anerkennung dieser Verdienste wurde er 1873 
beim Feste des 50jährigen Bestehens der Naturforschenden Gesellschaft 
von der Universität Breslau zum Dr. phil. hon. causa ernannt, eine Aus- 
zeichnung, die ihn wie keine zweite erfreut hat. Peck war correspon- 
direndes Mitglied der Schlesischen Gesellschaft, vieler wissenschaftlichen 
Vereine des In- und Auslandes und Ehrenmitglied der beiden gelehrten 
Gesellschaften in Görlitz. Peck blieb unvermählt, lebte mit seiner Mutter 
bis zu deren Tode 1871 zusammen, um ihr als dankbarer Sohn alle Opfer 
zu vergelten, die ihr bei dem frühen Tode des Gatten die Erziehung 
von acht Kindern auferlegt hatte. Vorahnend schliesst er seinen Museums- 
bericht über das Jahr 1894 mit den Worten: ,‚Möge ein Stillstand in 
der Erweiterung der Sammlungen, auf deren Besitz die Gesellschaft 
gewiss stolz sein kann, nie eintreten.“ Peck starb am 28. März 1895 
infolge einer Brustfell-Entzündung. 

Er war ein Mann mit einem harmlos-kindlichen Gemüthe, schlicht 
und gerade, theilnehmend und treu, leutselig im Verkehr mit Jedermann, 
emsig, fleissig, von umfassendem Wissen in allen drei Naturreichen, daher 
wie geboren zu der Stellung, die sein Leben völlig ausfüllte, 


Dr. med. Friedrich Cari Theoder Roeder, Geh. Sanitätsrath 
in Deutsch-Lissa, wurde am 23. December 1819 zu Gottow in der Mark 
Brandenburg als der Sohn des Bergfactors Theodor Roeder und dessen 
Ehefrau Johanna, geb. Bliewert, geboren. Seine Schulbildung erhielt er 
in Breslau, wohin der Vater versetzt wurde, auf dem Elisabeth- und später 
auf dem Matthias - Gymnasium, letzteres verliess er im März 1841 mit 
dem Zeugniss der Reife. Darauf studirte er in Breslau, Halle und 
Berlin Mediein. An der Universität Berlin promovirte er am 7. Decem- 
ber 1844 zum Doctor medieinae und von dieser medieinischen Facultät 
wurde ihm bei seinem 50jährigen Doctorjubiläum auch das Doetordiplom 
erneuert. Nachdem er im Jahre 1845 die medieinische Staatsprüfung 
bestanden hatte, genügte er dort seiner Militärpflicht bei den Garde- 
Kürassiren und liess sich darauf 1846 als praktischer Arzt in Deutsch- 
Lissa nieder, wohin seine Eitern verzogen waren. Hier erlangte er 
bald eine ausgedehnte Praxis, der er bis zu seinem Ende oblag. 1859 
verheirathete er sich mit Pauline Pohl, Tochter des Gutsbesitzers Gottlob 
Pohl auf Olleck und Leszez bei Thorn. Im Jahre 1872 wurde er aus- 
wärtiges Mitglied der Schlesischen Gesellschaft. Seit den siebziger 
Jahren war er Vorstandsmitglied des Vereins der Konservativen aller 
Schattirungen des vereinigten Neumarkter und Breslauer Landkreises, 
Ueber 20 Jahre gehörte er zur Hilfskasse für Aerzte Breslaus, deren 


Nekrologe. 15 


Sitzungen er mit grösstem Interesse, trotz des Opfers an Zeit, regel- 
mässig beiwohnte, Anfang der achtziger Jahre wurde er in die neube- 
sründete Breslauer Aerztekammer und als Delegirter der Centralhilfs- 
kasse der Aerzte Deutschlands in Berlin gewählt. Dieser Körperschaft 
gehörte er als Mitbegründer und Aufsichtsrath in hingebenster Weise an 
und versäumte keine der im Mai in Berlin stattfindenden Vorstands- 
sitzungen. In seinem ärztlichen Berufe wirkte er unermüdlich als selbst- 
losester Freund der Menschheit, ausgezeichnet durch stets gleiche Güte 
und Bescheidenheit gegen Jedermann. Daher wurde ihm auch eine Fülle 
von Liebe und Ehrungen aus allen Kreisen zu Theil, wie es sich be- 
sonders bei seinem Doector-Jubiläum am 7. December 1894 zeigte. Bei 
dieser Gelegenheit wurde er auch durch Verleihung des Rothen Adler- 
ordens IV. Klasse ausgezeichnet, Anfang der siebziger Jahre war ihm 
der Charakter als Sanitätsrath und im September 1885 der Charakter als 
Geheimer Sanitätsrath verliehen worden, 

Am 18. März 1895 ereilte ihn mitten in seiner angestrengten Thätig- 
keit ein leichter Schlaganfall, der ihn jedoch nicht in seinem Berufe 
sonderlich hinderte. Er prakticirte unausgesetzt bis zum 10 April, als 
sich ein schweres Herzleiden einstellte, dem er nach hartem Kampfe am 
20. Mai 1895 erlag. 


Moritz Spiegel, Steindruckereibesitzer in Breslau, geboren am 
13. März 1825 in Breslau, war zuerst Schriftsetzer. Als solcher be- 
theiligte er sich während eines mehrjährigen Aufenthalts in Berlin in 
ausgedehntem Maasse an der politischen Bewegung des Jahres 48, was 
ihm auch Ausweisung und Freiheitsstrafe eintrug. Er kam nach Breslau 
zurück, gründete ein lithographisches Institut, und gab eine täglich er- 
scheinende in liberalem Geiste redigirte Zeitung, das „‚Schlesische 
Morgenblatt“. heraus, die er jedoch nach mehrjährigem Bestehen ein- 
gehen liess. Fortan betheiligte er sich nicht mehr activ am politischen 
Leben, sondern widmete sich ganz seinem kaufmännischen Berufe. Er 
gründete ein photographisches Atelier, und als er nach vieljährigem Be- 
stehen auch dieses aufgab, widmete er sich ganz besonders mit Hilfe 
künstlerischer Kräfte der Anfertigung von Adressen und Diplomen und 
verstand es, bald seinem Institute einen Ruf in ganz Deutschland zu ver- 
schaffen. Er erlag einer Lungenentzündung am 21. Juni 1895. 

_ Unserer Gesellschaft hat er seit 1868 als wirkliches Mitglied an- 
gehört; er besuchte fleissig die Allgemeinen Versammlungen und die 
Sitzungen der hygienischen Section und war ein ständiger Begleiter 
unserer Wanderversammlungen. 


Siegmund Steinfeld, Banquier in Liegnitz und Subdireetor bei der 
Filiale der Breslauer Wechslerbank daselbst, wurde am 11. October 1834 


16 re Jahresbericht der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. 


als Sohn des Kaufmanns Salomon Steinfeld und dessen Ehefrau Friederike, 
geb. Schneck, in Ober-Glogau O.-S. geboren. Es besuchte bis zum 
13. Jahre die Elementarschule seiner Vaterstadt und trat Ostern 1848 
in das Gymnasium zu Ratibor ein, das er Ostern 1853 mit dem Matu- 
ritätszeugnisse verliess, um sich dem kaufmännischen Berufe zu widmen, 
Er ging Ostern 1853 nach Berlin und fand dort in der von David Hanse- 
mann geleiteten Direction der Disconto-Gesellschaft als Eleve Aufnahme. 
Hier blieb er auch als Gehilfe, bis er 1858 in das Banquiergeschäft von 
Louis Pollack in Liesnitz als Commis berufen wurde. 1865 erhielt er 
die Prokura für dieses Geschäft, die er bis 1872 führte. In diesem 
Jahre erwarb die Breslauer Wechslerbank die Firma und der Ver- 
storbene leitete diese Filiale bis zum 1. April 1882. Seit dieser Zeit 
lebte er als Privatmann in Liegnitz bis zu seinem Tode am 14. Februar 
1893. Er verheirathete sich im Jahre 1366 mit Bianca, geb. Warten- 
berger, und nach deren Tode im Jahre 1870 mit Gertrud, geb. Levy; 
aus diesen beiden Ehen war er Vater von 8 Kindern. Unserer Gesell- 
schaft hat der Verstorbene seit 1886 als auswärtiges Mitglied angehört. 


Hermann Werner, Apotheker in Breslau, wurde am 4. Januar 
1830 in Trachenberg geboren, wo sein Vater Castellan auf dem Schlosse 
des Fürsten von Hatzfeld war. Den ersten Unterricht empfing er auf der 
Elementarschule seiner Vaterstadt, dann besuchte er das Königliche 
katholische Matthiasgymnasium zu Breslau. Hierorts erlernte er auch die 
Pharmacie bei Apotheker Laube; dann erledigte er seine pharmaceutischen 
Studien auf der Universität Berlin, wo er im Jahre 1855 das Staats- 
examen als Apotheker bestand. Nachdem er noch einige Jahre als 
Gehilfe conditionirt hatte, erwarb er die Apotheke in Rawitsch, die er 
wieder verkaufte, um im Jahre 1863 die altberühmte „Naschmarkt- 
Apotheke“ am Ringe in Breslau käuflich zu übernehmen. Noch in dem- 
selben Jahre wurde er wirkliches Mitglied der Schlesischen Gesellschaft; 
hier hat er sich innig der Botanischen Section angeschlossen, deren 
Sitzungen er regelmässig besuchte. Oft hielt er hier längere Vorträge, 
wiederholt machte er kürzere Mittheilungen über seine Beobachtungen 
und stets betheiligte er sich rege an den Discussionen. Jeden Winter 
vereinigte er die Mitglieder der botanischen Section und Freunde der 
Botanik zu einer botanischen Abendgesellschaft in seinem trauten Heim, 
wo er im Verein. mit seiner liebenswürdigen Gemahlin den Gästen un- 
vergessliche Stunden bereitete. Voll und ganz den Pflichten seines 
Berufes sich hingebend, "brachte er doch den Forschungen und Fort- 
schritten der Wissenschaft das thätigste Interesse entgegen und bei 
seiner hohen geistigen Begabung fand er immer noch Musse, sieh mit 
regem Sinne und feinem Verständnisse in verschiedene Kunstgebiete zu 
vertiefen. Leutselig im Wesen, war er auch der liebenswürdigste, durch 


Nekrologe. 17 


launigen Humor ausgezeichnete Gesellschafter, dabei eine tief religiöse 
Natur und der vortrefflichste Gatte und Vater. 

Von seiner steter Hilfsbereitschaft zeugen die vielen Ehrenämter, 
die er im öffentlichen Leben bekleidete. Lange Jahre war er Vor- 
sitzender des Vorstandes der Bürger-Versorgungsanstalt, Mitglied des Cura- 
toriums der Allerheiligen-Hospitalapotheke, Vorsitzender des Vereins der 
Breslauer Apotheker, Mitglied des- Verwaltungsrathes des Breslauer 
Consumvereins, Vorstandsmitglied des Vincenz-Vereins und Kirchenvor- 
steher der Mauritiusgemeinde. Allen diesen Ehrenämtern stand er mit 
unermüdlieber Pflichttreue und grösster Gewissenhaftigkeit vor. 1893 
verkaufte er seine Apotheke, um sich fortan ausschliesslich seinen Ehren- 
ämtern, zu denen 1895 noch das eines Mitgliedes des Direetoriums der 
Schlesischen Gesellschaft getreten war, in der hingebensten Weise zu 
widmen. Im Spätsommer 1895 begab er sich zum Kurgebrauche nach 
Warmbrunn, wo er Anfang September an einer Blinddarmentzündung 
erkrankte. Nach l4tägigem Krankenlager wurde er auf seinen Wunsch 
nach Breslau zurückgebracht, wo er noch eine Woche schwerkrank 
darniederlag, bis der Tod am 27. September 1895 das Leiden endete. 
Seine sterblichen Ueberreste wurden auf dem alten Mauritiuskirchhofe 
hier dem Schoosse der Erde übergeben. Der Verstorbene war zweimal 
verheirathet. Nach dem Tode der ersten Frau, mit der er in kinderloser 
Ehe lebte, verheirathete er sich 1872 mit Fräulein Agnes Tschirschnitz 
aus Schneidemühl, die er als trauernde Wittwe mit 2 erwachsenen 
Söhnen und einer Tochter zurückliess, 


Allen, welche die Zusammenstellung dieser Nekrologe durch Mit- 
theilung von Lebensnachrichten förderten, inbesondere den Herren: 
Primärarzt und Professor Dr. A. Buchwald, Dr. med. Eugen 
Kabierske, Dr. med. Richard Kayser, Dr. med. Ernst Ma- 
lachowski, Sanitätsrath Dr. E. Stern, sämmtlich in Breslau, Professor 
Noss in Jauer und Sanitätsrath Dr. Süssbach in Liegnitz, sei hiermit 
für ihre Bemühungen herzlicher Dank abgestattet. 

K. 6. Limpricht. 


41 > 


Druck von Grass. Barth & Comp. (W. Friedrich) in Breslau. 


to 


Sa 


T Einzelne schrifien. ES er 
Zwei Reden, gehalten von dem Reg.-Quartiermstr. Müller und Prof, Gesch bei der 
Feier des Stiftungstäges‘der Gesellschaft zur Beförderung der Ba un 
 Schlesiens, am 17. December 1804, 8°, 48 Seiten. * £ 


und an. sämmtliche -Schlesier, von Reetor Reiche, 1809. ERH ‚32 8. BUT. 
Oeffentlicher Actus der 'Schles. Gesellschaft f. vaterl. Cultur, gehalten. am 19. Dechr | 


Feier ihres Stiftungsfestes. 8%. 40 S. Kr 
Joh. George Thom as, Handb. d. Literaturgeschichte Y Schlesien? 1824. 89, 32 8. 
Preissehrift. ; 


Beiträge zur Entomologie, verfasst von den Niteliadern der 'entom. Ben mit 17 pt 29, 
Die schles, Bibliothek der Schles: Gesellschaft v. K. 6. Nowack. 8°. 1835 'oder später erschie 
Denkschrift der Schles. Gesellschaft zu ihrem 50jähr. Bestehen, enthaltend die Geschieh 

...„.Sehles. Gesellschaft und Beiträge zur Natur- und Geschicht skunde Schlesi a 

Mit 10.lithogr. Tafeln. 4%. 2828. 
 Dr.J. A.Hoennicke, Die Mineralquellen. der Provinz Schlesien, 1857. 80, 1668 
Dr. J. 6. Galle> Grundzüge der schles. Klimatologie, 1857.40, 1278. ° 

Dr. J. ‚Kühn, Die zweckmässigste ee des Rindvichs, 1859, 89, 242. 8 ge se 


Dr. Ferd. Römer, Die ost, Fauna der a Diluvialgeschiebe von 1 Sade 
in Schlesien, mit 6 lithogr. u./2 Kupfer- Tafeln. 1861. 40. 208... 
Lieder zum Stiftungsfeste der ertpundlonkschilh, ‚und botanischen Section der Schle 
als Manüseript gedruckt. 1867.- 8°, 92 S: ER z 
Verzeichniss, der in .den Schriften ‚der 'Schles. Beselschaik: ‘von 18041868 i ce en 
Aufsätze in alphab. Ordnung von Letzner. 1868, Wa 
Fortsetzung der in den Sehriften der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur BR = 
enthaltenen Aufsätze, geordnet nach den Verfassern in alphab. Ordn. von Dr, 
General-Sachregister der in den Sehriften der Schles, ‘Gesellschaft -für vaterl. Cult 
bis.1876 incl., gr Aufsätze, geordnet in alphab. Folge. von 4 


: :.2, Periodische Schriften. Eu 

" Verhandlungen der Gesellschaft £. Naturkunde u. Industrie Schlesiens,. 87. Ba; L 

° Bft. 2, 112,8. 1806. *Desgl, Bd> II, 1. Heft. 1807. 2 2% 

 Correspondenzblatt ‚der Schlesischen‘ Gesellschaft für: yaterländisehe Cultur, 4: 
“Jahrg. I, 1810, 36 8. | Jahrg, II, 1812, 96 Ss ‚| Jahrg, V. 
e -I, 811,°do; A v, 1813, Hit. In2jeaeh. ge 
Correspondenz der- Schles..Gesellschaft £. "vaterl. -Oultur. 8°. Bd. I; 362 1 
1820... Desgl. Bd. II (Heft 1), 80 S. mit Abbild,, 1820. 
Bulletin De a LE een: ge Serien: Gesellschaft 1-1, 1823, 
i „de. sie, 182 


an, 180, A th, 2048.11,368, 
„1851, 194 Seiten. St. 
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20282, 1846, 320 Seit.4°. nebst 
en 47 8. meteordl, Beob. | _ 
1847, 404 Seit. 40, nebst] 00. 

A a4 8. erg Beob.||  „ 
= „1848, 248 Seiten, he 
4... 1849, Abth. 1,1808. u ss 
: n,44 Emuel’Beobacht.| 


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Date Due 


APR 15 1936