HARVARD UNIVERSITY.
LIBRARY
OF THE
MUSEUM OF COMPARATIVE ZOÖLOGY.
N
ort \ \S |
Dreiundsiebzigster
| Jahres-Bericht
der
Schlesischen Gesellschaft
- für vaterländische Gultur.
Boath<
den Generalbericht über die Arbeiten und Veränderungen
der Gesellschaft
im Jahre 1895.
Hierzu ein Ergänzungsheft bibliographischen Inhalts.
—— >
“ Breslau.
G. P. Aderholz’ Buchhandlung.
1896.
| Ä "a SMBIDEN stloaihnile N
Inhalt des 73. Jahres- Berichtes. i un
Allgemeiner Bericht
über die Verhältnisse und die Wirksamkeit der Gesellschaft im Jahre 1895, nn
abgestattet vom ersten General-Secretair, Staatsanwalt Dr. jur. Keil... 1
Beni über die, Billa Ol arres s ER n
Beviehiniber das Herbar der Gesellschaft .:........-....censoncsseennenon: 8
Bericht über die Kassenverwaltung für das Jahr 1895 ......:..... zerceeeen 8
Verzeichniss sämmtlicher Mitglieder der Schlesischen Gesellschaft für vater-
ländische Cultur. Etatszeit 1896 und 1897.
Präsidium der Gesellschaft. Secretaire der Seetionen. Beamte .... 9
BinkeimuischenMitelleder nn... cn enden nis ot. ENSPIKE
ANSWERS N een a AN ER MEERE 25
Elmenumiteledeni een, re ie a a 5)
Vorzespondizende Mitelieden ... u... 322 nane ann ne nelne 31
Mitglieder der Section für Obst- und Gartenbau ................... 36
Wanderversammlung zu Schweidnitz am 30. Juni 1895 .........2.222 222... 41
I. Abtheilung: Medicin.
a. Sitzungen der medicinischen Section.
Adler: Demonstration eines Falles von Dystrophia muscularis progressiva .. 77
Alexander: Die Photographie des Blasen-Innern mit Demonstrationen ..... 73
Baumm: Demonstration einer Symphyseotomirten ........-.ersee2ceeeeneee 143
Born: Demonstration der neuen Steger’schen Gehirnmodelle ............... 93
Bornstein: Ueber den Einfluss heisser Bäder auf den Stoffwechsel ........ s0
Brieger: Ueber die operative Behandlung endocranieller Complicationen
ebronischersMittelohr-Biterungens.... 2... u. ..0u0 02 denen nenne 136
Cohn, H.: Demonstration eines Falles von Glaukom .......-.-.-...2 22220. 16
— Antrag zur Wahl einer Commission, betreffend die Verhütung der
BlenlorzHoe1, NEONALOLIINS. Se ee a en een rein et nine- 43
= Bericht und Vorschläge dieser Commission ......-.rerseseernercneen: 52
IV Inhalts -Verzeichniss.
Cohn, H.: Gesuch an den Herrn Oberpräsidenten Fürsten von Hatzfeldt .... =
— Zuschrift an den Magistrat der Haupt- und Residenzstadt Breslau..... 58
— Belehrung über die Gefahr der Augenentzündung der Neugeborenen... 59
Courant: Sactosalpinx hämorrhagica bei erworbener Atresia tubae......... 149
— Demonstration eines neuen Scheidenspiegelhalters..................... 154
Ephraim: Ueber directe Laryngoskopie ..........- MR ax apa ehe] NE 133
Henle. Ueber Desinfection von frischen Wunden... 2... ee 7
— Vorstellung eines Kranken (operirt wegen Chondrom des Kehlkopfes).. 9
Herz: Weber die Behandluns derilyphlitiden.. 2... 2.24. zu .2rer ee 146
Hürthle: Ueber die Verbesserung der Methode zur mechanischen Registrirung
derHerztöne, und ihrefrrgebnisse 2.2... 22 0.002002 Be 81
— Ueber Haemosterin, einen neuen Bestandtheil des Blutes .............. 83
Jatlassohn:, Weber) Stomatitis aphthosa nr. m 89
— Ueber die Behandlung der Gonorrhoe mit Silber-Casein (Arganin) ..... 92
Kader: Vorstellung eines 6jährigen Knabens, bei welchem der Verschluss
des oberen Urachusendes ausgeblieben ist.......................0.0. 9
Keilmann: Erfahrungen über die Verhütung der Blennorrhoea neonatorum . 10
— Discussion über. diesen‘ Vortrag. 2... Le 17
— Weber künstliche Ernährung... Su. Sue. 2 116
Kolaczek: Ueber ein Magenvertikel, das eine Neubildung vorgetäuscht hat.. 71
Küstner: Adnexexstirpation und Pean-Segond’s Castration uterine .......... 10
— Vorstellung eines 3jährigen Kindes mit ausgedehnter Bauch-Blasenspalte 67
Landmann: Demonstration eines Falles von Conjunctivaltubereulose ....... 46
= ßreher, KremdkörperiindemOrbitan. Jon 77
Mann: Ueber die cerebrale Hemiplegie ................... BIRNEN 78
Neisser: Ueber Versuche zur Verhütung der gonorrhoischen Urethral-Infection 62
— Vorstellung eines Kranken mit Lupus serpiginosus und Carcinom im
Gesichn 2 EAN BER RENEEAREEN LEE EN BAR RN ir Bde 89
Oppler: Der Mageninhalt beim Carcinoma ventriculi....... RL RER RR 1
— Ueber chronische Diarrhoe in Folge mangelnder Magensaftsecretion ... 138
Reinbach: Vorstellung eines Falles von Struma, der durch Thymusfütterung
geheilt wurde. 32.1. en 2 NE HUeUlsle nn Eu a pe Le 2 88
Röhmann: Ueber Caseinsilber — Arganin......... „...enccccceenn RE THRD 92
Rosenfeld: Zur Diagnose und Therapie der Uratdiathese ........ EN RaEE 33
— Die Grundgesetze der Acetonurie und ihre Behandlung ... ........... 98
— Zur Behandlung der harnsauren Diathese .......................... 109
Spitzer: Die Oxydationskraft todterGewebe -.:.....2 2. Au 46
° Steinschneider: Zur Biologie der 'Gonoeoceen..: .2. ne VE Se 50
Stern: Ueber eigenartige periodische Aenderungen der Athmung .........-- 35.
— Klinisch - bacterologische Beiträge zur Pathologie und Therapie des
Abdominaltyphus 1.1.22... an lm u) 4 Man EI ge 88
Inhalts- Verzeichniss. V
Seite
Stolper: Vorstellung einer Frau mit allgemeiner Careinomatose............. 68
Thiemich: Ueber künstliche Ernährung magendarmkranker Säuglinge ...-.. 123
Viertel: Demonstration eines Falles von intermittirender Hydronephrose .... 40
— Demonstration des Nitze’schen Harnleiterkathetercystoskopes.........- 75
— Demonstration eines intravesical operirten Blasentumors .............- 155
b. Sitzungen der hygienischen Section.
Ficker: Ueber bacteriologische Luftuntersuchungen............-.e.r.....0: 7
Eine HebertBettimulehi nA ER RLN A EEREN na re n 6
— Untersuchungen des Grundwassers im Bereiche der Stadt Breslau ..... 6
Gottschlich: Einige neuere meteorologische Apparate..............-. aan 7
Holdefleiss: Erfahrungen der letzten 15 Jahre über die Verwerthung der
SishechenAhlallstoffe. 2 ach een lache nie welhundaete Bes la uk 1
Neisser, M.: Die Organisation von bacteriologischen Diphtherie-Diagnosen in
Bra Ai EREINe NEE EEE HEBEN CHEN ee 7
HI. Abtheilung: Naturwissenschaften.
a. Sitzungen der naturwissenschaftlichen Section.
Althans: Mineralogische Mittheilungen :. ..:.. ....-.-:..ssemmeenaeshenaes 2
Fischer: Demonstration eines Gascalorimeters .... ......22-22ccceeneenen- 1
Kreeh: Weber die Geologie des Glatzer Gebirges .............:...Nenueae. B)
— Ueber die alpinen Erdbeben-Linien und ihre muthmaassliche Beziehung
Auedenuschlesisehen Erdbeben. . 2.2... ....2.0.22oceenesen mens: 5
Galle: Allgemeine Uebersicht der meteorologischen Beobachtungen auf der
Kgl. Universitäts-Sternwarte zu Breslau im Jahre 189................ 109
— Einige Zusätze, Nachträge und Berichtigungen zu „Grundzüge der
Sehlesisechen. Klimatologieet. CH IN ENINENLR 114
Gallinek: Ueber den weissen Jura bei Inowrazlaw ...............s2.2.222.- 101
Grützner u. Höhnel: Zur Kenntniss der Metaplumbate der Erdalkalien ... 93
Gürich: Ueber Facieswechsel im Palaeozoieum........::..2erc2eccsescenn. 3
— Vorlegung des Schlesien enthaltenen Blattes der vom Geologischen Comite
heraussesebenen Rarte/ von Europas... N. ne. 3
Herz: Ueber Salvadorit, einen neuen Kupfer-Eisen-Vitriol .................. 107
Kerles: Weber ein Eisloch in ‚Schlesien... nV... TEEN. 97
Leonhard: Ueber die Kreideformation in Oberschlesien ......-............ 6
Leonhard u. Volz: Das mittelschlesische Erdbeben vom 11. Juni 1895 .... 9
Meyer, O. E.: Hertz’sche und Tesla’sche Versuche mit Hilfe der Elektrisir-
wasehine,ohnelindueLoB" KH DANER N. MRARTII IN. Be nenn 1
— Demonstration einer stereoskopischen Erscheinung -.......:--+-- +... 4
Maler Weber Achat und Hyalit.....-....-.....22.2..2. hestkkessanhanit use: 4
— Ueber die Umwandelung klastischer Gesteine in Schiefer ....-....».-- 108
VI Inhalts - Verzeichniss.
Seite
Mützel: Ueber hochgespannte Wechselströme hoher Frequenz (Teslaströme) 77
Boleck: Ueber /Caleiumcarbid und Aeetylen.n =. sr. Peer 3
Scholz, M.: Ueberführung aliphatischer Oxime in Pyridinderivate......... 8
Scupin: Ueber die Histologie von fossilen Ganoidschuppen................. 100
Volz: Beiträge zur Kenntniss der St. Cassianer Korallen................... 7
— Zur Entstehung der Dolomitkogel in Süd-Tirol......................- 92
= Die Systematik der.AtossilenWKoralleneee u 101
b. Sitzungen der zoologisch-botanischen Section.
Born: Ueber die Resultate der mikroskopischen Untersuchung künstlich
vereinigter.-Amphibienlarven.. 2... 2 1010 SIR SEE 1
Chun: Zur Biologie der pelagischen Süsswasserfauna .......-......-...- EIS
Cohn, F.: Ueber die botanische Forschungsreise des Dr. F. Reinecke auf den
Samoainselm .....Iu.-ercncuunseenlenednunnunsnenunensuntenenenere: 1
Eitner: Nachträge zur Flechtenflora Schlesiens.........-..-......eserr0n: 9
Endres: Ueber Anstich- und Schnürversuche an Eiern von Triton taeniatus 27
Fiek u. Schube: Ergebnisse der Durchforschung der schlesischen Phanero-
camentloragim Jahre nlSgn Ser ee RR odlecın oc 83
Reinecke: Weber!Samoae u N a Un 66
Rosen: Ueber die Nucleolen und Attractionssphären in den Pflanzenzellen.. 26
— Mittheilungen über einige neue Methoden und Ergebnisse der Nahrungs-
mittel-Mikroskopie:........n. 2a 18 NINE) Are ee Se 34
Schröder: Ueber die von Professor Dr. Schröter in Kleinasien gesammelten
Algen. Nas m er al IR sale. er 2
— Die Algenflora. der Hochgebirgsregion des Riesengebirges ... .......- 35
c. Sitzungen der Section für Obst- und Gartenbau.
Reinecke: Die Nutzpflanzen Samoas und ihre Verwendung...............- 29
Richter: Baumanpflanzungen in den Strassen............ NL. ade
Rosen: Rosa virginiana Mill. hybrida „Pauline Cohn“ ................. -n- 21
Scholz, Mortimer: Ueber Verholzungen der Blüthenstengel einiger kraut-
arligen Gulturptlanzen, ...2. Jr Zur. was stage er ee PIE ee
Sutter: Ueber die Düngung der Obstbäume und Fruchtsträucher, sowie über
das von ihm construirte und patentirte Locheisen.........-......:: AR 9)
Tschaplowitz: Bestrebungen im deutschen Gärtnerstande ..........-..:-- 46
III. Abtheilung: Geschichte und Staatswissenschaften.
a. Sitzungen der historischen Section.
Bauch: Die Anfänge des Studiums der griechischen Sprache und Literatur
in: Norddeutsehland ........2...- 1.0.0 \ a ER. DE ER ER EEE Eu 2
— Der humanistische Dichter George von Logau ......:..-..222.» NAulaeR 5
Inhalts -Verzeichniss. vi
Seit
Kaufmann: Ueber die letzten beiden Bände des Werkes „Die Begründung ;
Besplentschenfkreiches;/ von H. v.ıSybel un leeen nnenn... 1
Neustadt: Die ältesten Ansprüche der Hohenzollern auf Schlesien ......... 35
Reimann: Ueber die Schwierigkeiten, welche sich dem Präsidenten Washington
1793 bei Aufrechthaltung des Friedens entgegenstellten................ 3
b. Sitzungen der Section für Staats- und Rechtswissenschaft.
Elster: Die Versicherung gegen Arbeitslesiekeitug 2... sen. en. 5
Gothein: Die Productionsverhältnisse der Edelmetalle..................... 1
esezinkelsiur die, Mitslieder der Section „> u... une cuaa..coonennononnne 7)
Nekrologe auf die im Jahre 1895 verstorbenen Mitglieder.
Beck, Otto, Kaufmann und Lotterie-Collecteur in Breslau ................. 1
Becker, Carl Otto, Dr. med., praktischer Arzt in Liegnitz.................- 1
Bock, Andreas, Apotheker und Fabrikbesitzer in Breslau .... ............- 9
Gottstein, Jacob, Dr. med. und Professor in Breslau .... .... ». 2.2.2.2. 3
Gühmann, Paul, Dr. ımed., praktischer Arzt in Breslau ............ -....-- 5
EiermereihsnBheodor, Kaufmann in Breslauer... vos engere 5
Janicke, Otto, Dr. med., Sanitätsrath in Breslau.......................... %)
Kabierske, Eduard, Dr. med., praktischer Arzt in Breslau .. ...... »..-.. 8
Kayser, Wilhelm, Dr. theol. und phil., Dompropst in Breslau .............. 8
v. Kulmiz, Paul, Dr. phil., Rittergutsbesitzer auf Conradswaldau ........... 10
Lindemann, Ferdinand, Bürgermeister von Jauer..............cescce22... 10
Meyer, Samuel, Dr. med., Sanitätsrath in Breslau...............ceecscen.. 12
Peck, Reinhold, Dr. phil., Museumsdirector in Görlitz...........--......0.. 13
Roeder, Theodor, Dr. med., Geh. Sanitätsrath in Deutsch-Lissa.... ...... 14
Spiegel, Moritz, Steindruckereibesitzer in Breslau ...........-..-..-cr200. 15
Sheinteld, Siegmund, Banquier in Liegnitz .............»-...-zurccnen o- 15
ANezmer, Hermann, Apotheker in Breslau. ........ »...-.2..smsencneo...- 16
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Schlesische Gesellschaft für vaterländische Gultur.
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73,
Jahresbericht. Allgemeiner Bericht.
1895.
@e seRye Bro)
Allgemeiner Bericht über die Verhältnisse und die
Wirksamkeit der Gesellschaft im Jahre 1895,
abgestattet
in der ordentlichen General-Versammlung am 9. December 1895
vom
Staatsanwalt Dr. jur. Keil.
z. Z. erstem General-Secretair,
Die Schlesische Gesellschaft für vaterländische Cultur hat auch in
dem zweiten Jahre der nunmehr abgelaufenen Etatsperiode von 1893
bis 1895 unter der bewährten Leitung ihres hochverehrten Präses,
Geheimen Medicinalrathes Professor Dr, Heidenhain, fortgewirkt in
gemeinnütziger Thätigkeit für die heimathliche Provinz und auf dem
Gebiete der Wissenschaft überhaupt.
Die ordentliche General- Versammlung hat im vergangenen Jahre
am 3. December unter dem Vorsitze des derzeitigen Präses stattgefunden,
der bei der Eröffnung der Versammlung durch Beläge nachwies, dass
die vorgeschriebene Bekanntmachung in der Schlesischen und in der
Breslauer Zeitung zweimal ordnungsmässig erfolgt sei. Hierauf erstatteten
der erste General-Secretair, Staatsanwalt Herr Dr. jur. Keil, den Ver-
waltungsbericht und der Schatzmeister, Herr Fabrikbesitzer Max Wis-
kott, den Kassenbericht.
Es folgte die Berathung über den Antrag Holz:
„Ueber die Einsetzung eines Ausschusses zur Berathung über den
Bau eines Gesellschaftshauses.“ Der Antrag wurde angenommen, und
die für diesen Zweck gewählte Commission besteht aus den Herren:
Kaufmann und Fabrikbesitzer Max Wiskott,
Geheimer Commerzienrath Leopold Schöller,
Oberbürgermeister G. Bender,
Universitäts-Professor Dr. med. Hermann Cohn,
Bankier Albert Holz,
Commissionsrath Benno Milch und
Geheimer Medieinalrath, Professor Dr. Albert Neisser.
1835, | 1
Jahresbericht der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur.
Im Laufe des vergangenen Jahres hatte die Gesellschaft viele
schmerzliche Verluste zu beklagen, sie verlor
an Directorial-Mitgliedern
die beiden Herren:
1
2.
Dompropst Professor Dr. Kayser und
Apotheker Hermann Werner;
an wirklichen einheimischen Mitgliedern
die Herren:
Ile
ee
Bock, J. A., Fabrikbesitzer und Apotheker,
Gottstein, Dr. med., Universitäts-Professor,
Gühmann, P., Dr. med.,
Heinrich, Th., Kaufmann,
Janicke, Otto, Dr. med., Sanitätsrath,
. Kabierske, Dr. med.,
. Spiegel, Steindruckerei-Besitzer;
an wirklichen auswärtigen Mitgliedern
die Herren:
1%
Becker, C., Dr. med., praktischer Arzt in Liegnitz,
2. v. Kulmiz, Paul, Dr. phil., Rittergutsbesitzer auf Conrads-
>
waldau bei Saarau,
. Lindemann, Geheimer Regierungsrath, Bürgermeister in Jauer,
. Röder, Dr. med., Geheimer Sanitätsrath in Deutsch-Lissa,
Steinfeld, Siegmund, Banquier in Liegnitz;
an Ehrenmitgliedern
die Herren:
1.
2.
3.
Knoblauch, Dr., Geheimer Regierungsrath und Professor,
Präsident der Kaiserlich Carolinisch-Leopoldinischen Deutschen
Akademie der Naturforscher in Halle a. $.,
Love£n, Dr. phil., Professor der Zoologie in Stockholm,
Willkomm, Dr. phil., Professor, Direetor des botanischen
Gartens in Prag;
an correspondirenden Mitgliedern
die Herren:
le
Danielssen, Dr. med., Chefarzt am Langegaards-Hospital in
Bergen (Norwegen),
Peck, Dr. phil., Conservator des naturhistorischen Museums
in Görlitz, |
Schneider, Dr. med., Stabsarzt der Niederländischen Armee
a. D., Surabaya (Java), |
. Senoner, Dr. phil., Bibliothekar der k. k. geologischen
Reichsanstalt in Wien,
Allgemeiner Bericht. 3
Dagegen sind im Jahre 1895 aufgenommen worden
A. als wirkliche einheimische Mitglieder
die Herren:
1%
oa
Alexander, Karl, Dr. med., praktischer Arzt,
2. Alexander, Dr. med., Regierungs- und Medicinalrath,
3.
4. Barth, Adolf, Dr. med,., Universitäts-Professor und Director
Baenitz, Karl, Dr. phil., Privatgelehrter,
der Klinik für Ohren- und Kehlkopfkrankheiten,
. Baumm, Paul, Dr. med., Direetor der Provinzial-Hebammen-
Lehranstalt,
. Berliner, Martin, Dr. med., praktischer Arzt,
. Bobrecker, G., Dr. med., praktischer Arzt,
. Bodmann, Hermann, Pianist und Director,
. Bönninghaus, Dr. med., praktischer Arzt,
. Brehm, F., Dr. phil., Privatdocent,
. Brössling, C., Stadtrath,
. Courant, Georg, Dr. med., praktischer Arzt,
. Czerny, A., Dr. med., Professor, Direetor der Universitäts-
Kinder-Klinik,
. Dittrich, Rudolph, Oberlehrer und Professor,
. Eekardt, Paul, Dr. med., Speeialarzt für Ohren- und
Nasenkrankheiten,
. Eitner, Eugen, Kaufmann,
. Engel, Hermann, Dr. med., praktischer Arzt,
. Grünberg, J., Dr. med., praktischer Arzt,
. Grüttner, Richard, Kaufmann,
. Gürich, G., Dr. phil., Privatdocent, Oberlehrer an der ev.
Realschule I,
. Guhrauer, Leopold, Dr. med., praktischer Arzt,
. Härtel, Georg, Bandagist,
. Hamburger, Ernst, Dr. med., praktischer Arzt,
. Heckel, Hans, Dr. med., praktischer Arzt,
. Heffter, Emil, Director,
. Herz, Hans, Dr. med., praktischer Arzt,
. Heydweiller, Adolf, Dr. phil, Universitäts-Professor,
. Hoelscher, J., Königl. Garten-Inspector,
. Joachim, A., Dr. med., praktischer Arzt,
. Ittmann, Ludwig, Dr. med., praktischer Arzt,
31.
32.
33,
34.
35,
Kaufmann, Eduard, Dr. med., Universitäts-Professor,
Kaufmann, Georg, Dr. phil., Universitäts-Professor,
Kümmel, Werner, Dr. med., Privatdocent,
Kuhn, Leo, Dr. med.,
Lasch, Otto, Dr. med., Specialarzt für Hautkrankheiten,
1%
Jahresbericht der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur.
. Lindenberg, G., Landgerichts-Director,
. Lipmann, Ernst, Dr. jur.
. Loebinger, Edwin, Dr. med., praktischer Arzt,
. Löser, Nathan, Dr. med., Kreisphysikus a. D.,
. Miehle, Fedor, Apotheker,
. Muther, R., Dr. phil., Universitäts-Professor,
42.
. Noack, Ludwig, Landesrath,
. Graf Fernando von Oriola, Premier-Lieutenant a. D.
. Pavel, C., Rechtsanwalt,
. Petrich, E., Landgerichtsrath,
. Pietrusky, W., Dr. med,, praktischer Arzt,
. Rohde, E., Dr. phil., Universitäts-Professor,
. von Richthofen, Major z. D., Stabsoffizier beim General-
Neisser, Gustav, Dr. jur., Rechtsanwalt,
Commando des VI. Armeecorps.
. von Rümpker, Kurt, Dr. phil., Universitäts-Professor,
. Sachs, Albert, Dr. med., praktischer Arzt,
. Sachs, Heinrich, Dr. med., praktischer Art,
. Schiffer, Georg, Dr. med., praktischer Arzt,
. Scholtz, Mortimer, Apotheker,
. Scholtz, M., Dr. phil., Privatdocent,
. Seupin, Hans, Dr. phil.,
. Seidelmann, Oskar, Dr. med., praktischer Arzt,
. Seyda, A., Dr. phil., vereideter Chemiker,
. Spitz, Max, Dr. med., praktischer Arzt,
. Spitzer, Wilhelm, Dr. med., praktischer Arzt,
. Titze, A., Dr. med., Privatdocent, |
. Traugott, Richard, Dr. med., praktischer Arzt,
. Veith, Franz, Dr. med., praktischer Arzt,
. Vollbreeht, Hans, Dr. med., Stabsarzt und Bataillonsarzt
im 51. Regiment,
.‚ Wichura, Dr. med., Stabsarzt im 11. Regiment,
. Woy, R., Dr. phil., vereideter Chemiker;
B. als wirkliche auswärtige Mitglieder
die Herren:
NO Op w
. Aderhold, Dr. phil. in Prockau.
. Biermer, Magnus, Dr. jur., Professor an der Akademie in
Münster i. Westf.,
. Kauffmann, Franz, Fabrikbesitzer in Tannhausen,
. Kauffmann, Wilhelm, Fabrikbesitzer in Wüste- Giersdorf, .
. Kauffmann, Georg, Dr. phil. in Wüste-Giersdorf,
. Kurella, H., Dr. med., praktischer Arzt in Brieg,
. Liehtwitz, Dr. med,, Kreis-Physikus in Ohlau,
Allgemeiner Bericht. 5
8. Rapp, Georg, Fabrikdireetor in Mochbern,
9. Sachs, E., Stadtrath a. D. in Berlin.
C. Zu Ehrenmitgliedern
wurden ernannt die Herren:
1. Althans, Geheimer Oberbergrath in Berlin, am 21. Juni 1895,
2. Reimann, Dr. phil, Geheimer Regierungsrath, Professor,
Real-Gymnasial-Director a. D., am 13. Juni 1895,
3. von Trautschold, Dr phil, Professor, Wirklicher russischer
Staatsrath, Excellenz, Karlsruhe i. B., am 12. Januar 1895.
D. Zum correspondirenden Mitgliede
wurde ernannt Herr
Gaupp, E., Dr. med., Universitäts-Professor in Freiburg in
Baden, am 1. März 1895.
Die Gesellschaft zählt mithin
396 wirkliche einheimische Mitglieder,
158 wirkliche auswärtige Mitglieder,
29 Ehrenmitglieder und
125 correspondirende Mitglieder.
Die Section für Obst- und Gartenbau besteht für sich aus 142 Mit-
gliedern.
Im Laufe des Jahres 1895 haben drei Präsidial-Sitzungen
stattgefunden:
1. Am 12, Januar 1895 handelte es sich um Cooptation von Mit-
gliedern des Directoriums. Es wurden in das Direcetorium ge-
wählt die Herren:
Geheimer Sanitätsrath Dr. Grempler,
Stadtrath und Director H. Milch und
Apotheker Hermann Werner;
ferner als Stellvertreter der Schlesischen Gesellschaft in die
Commission des hiesigen Museums die Herren:
Geheimer Sanitätsrath Dr. Grempler und
Kaufmann und Fabrikbesitzer Max Wiskott.
2. Am 15. März 1895 wurden die Berichte der Commission für
Schaffung eines Vereinshauses erstattet.
3. Am 14. October 1895 wurden verschiedene Vereine, von denen
seit Jahren keine Gegensendungen erfolgten, aus dem Schriften-
tausche der Gesellschaft ausgeschlossen. Der Bildung eines
Central-Comites für Beobachtung von schlesischen Erdbeben
wurde zugestimmt.
6 Jahresbericht der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur.
Allgemeine Sitzungen haben im Jahre 1895 stattgefunden;
1. Am 14. Januar sprach Herr Professor Dr. Pax über die pflanzen-
geographische Gliederung Europas.
. Am 11. Februar hielt im Auditorium des physiologischen Instituts
Herr Professor Dr. Frech einen Vortrag mit Demonstrationen:
Ueber die neueren Ansichten, betreffend den geologischen Auf-
bau der Gebirge.
3. Am 11. November sprach Herr Professor Dr. Caro: Ueber
Kaiser Alexander I. von Russland und die Polen,
4. Am 9. December hat Herr Professor Dr. Hirt einen Vortrag
„Ueber die sogenannte Nervosität und verwandte Zustände“
gehalten.
[89]
Die Allgemeine Wanderversammlung hat am 30. Juni in
Schweidnitz stattgefunden und war mit einem Ausfluge nach Kreisau
verbunden.
Die Feier des diesjährigen Stiftungsfestes hat am 14. December in
den Räumen der Vereinigten Loge stattgefunden.
Mit dem 72. Jahresberichte wurde als Ergänzungsheft ausgegeben:
Professor Dr. phil. J. Partsch, Litteratur der Landes- und Völker-
kunde der Provinz Schlesien. Heft II.
Ueber die Thätigkeit der einzelnen Sectionen haben die Herren
Seceretaire Nachstehendes berichtet:
Die medieinische Section
hielt im Jahre 1895 21 Sitzungen.
Zu Secretairen wurden für die Etatsperiode 1896/97 die Herren
Geh. Medicinalrath Professor Dr. Ponfick, Geh. Medicinalrath Professor
Dr. Mikuliecz, Geh. Medieinalrath Professor Dr. Born, Geh. Medicinal-
rath Professor Dr. Neisser, Professor Primärarzt Dr. Buchwald und
Dr. med. $. Asch sen. gewählt. &%
Die Section für öffentliche Gesundheitspflege
hielt im Jahre 1895 1 Sitzung.
Zu Secretairen für die Etatsperiode 1896/97 wurden wieder die
Herren Geh. Medicinalrath Professor Dr. Flügge, Sanitätsrath Professor
Dr. Jacobi und Professor Dr. Herm. Cohn gewählt.
Die näturwissenschaftliche Section
hielt im Jahre 1895 8 Sitzungen,
Zu Secretairen für die Btatsperiode 1896/97 wurden die Herren
Geh. Regierungsrath Professor Dr, Th, Poleek und Professor Dr.
Hintze wiedergewählt,
Allgemeiner Bericht. 7
Die botanische Section
hielt im Jahre 1895 8 Sitzungen,
Zu Secretairen für die Etatsperiode 1896/97 wurden die Herren
Geh. Regierungsrath Professor Dr. Ferdinand Cohn und Professor
Dr. Chun gewählt.
Die historische Section
hielt im Jahre 1895 4 Sitzungen.
Zu Secretairen wurden für die Etatsperiode 1896/97 die Herren
Direetor Professor Dr. Reimann, Professor Dr. Krebs und Professor
Dr. phil. Kaufmann gewählt.
Die Section für Staats- und Rechtswissenschaft
hielt im Jahre 1895 3 Sitzungen.
Zu Secretairen für die Etatsperiode 1896/97 Be die Herren
Professor Dr. Elster, Staatsanwalt Dr. jur. Keil, Geh. Commerzienrath
Leopold Schöller Ad Reichsbank-Director ee gewählt.
Die Section für Obst- und Gartenbau
hielt im Jahre 1895 8 Sitzungen.
Zum Seecretair für die Etatsperiode 1396/97 wurde Herr Geheimer
Justizrath Biernacki, zu dessen Stellvertreter Herr Garten- Inspector
J. Hölscher und in den Verwaltungsvorstand die Herren Buchhändler
Max Müller, Obergärtner Schütze und Apotheker Mortimer
Scholtz gewählt.
Bericht über die Bibliothek.
Die im Laufe des Jahres 1893 der Schlesischen Gesellschaft zu-
gegangene Litteratur setzt sich, wie in früheren Jahren, zusammen: aus
den Gegensendungen der Akademien, Gesellschaften ete., mit denen die
Schlesische Gesellschaft in Schriftenaustausch steht, ferner aus Ge-
schenken von Behörden und Privatpersonen und aus den von der Buch-
handlung Trewendt & Granier hier abgelieferten Schriften des bo-
tanischen Lesezirkels.
Diese Zugänge zur Bibliothek wurden nach laufenden Nummern
gebucht und gemäss dem Vertrage vom 15. Juli 1886 den Vertretern
der Königlichen und Universitätsbibliothek an vier Terminen zur Ver-
_ waltung übergeben, nämlich:
1. am 17. April 1895 Nr. 4399—4579,
2. am 11. Juli 1895 Nr. 4580—4734,
3. am 17, October 1895 Nr. 4735—4919 und
4. am 16. Januar 1896 Nr. 4920—5090,
s Jahresbericht der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur.
An allen vier Terminen fungirte als Vertreter der Königlichen und
Universitätsbibliothek Herr Ober-Bibliothekar G. d. Boor.
Im Laufe des Jahres sind dem Schriftentausch unserer Gesellschaft
neu zugetreten:
1. California Academy of Sciences. San Francisco Cal.,
2. Norske Folkemuseum in Christiania (Norwegen),
3. Akademischer Verein Deutscher Historiker in Wien,
4, Entomologiska Föreningen in Stockholm.
G. Limpricht.
Bericht über das Herbar der Gesellschaft.
Im Laufe des Jahres 1895 wurde der Rest der Gräser und ein
Theil der Cyperaceen aufgeklebt und theilweise hinsichtlich der Be-
stimmung revidirt.
Von Benützern der Sammlungen sind noch Herr Dr. Weberbauer
und Herr Drd. Fedde zu nennen.
Breslau, im Januar 1896.
Th. Schube.
Bericht über die Kassenverwaltung für das Jahr 1895.
Am Schlusse des Jahres 1894 war ein Bestand von 51 200 Mark an
Bifeeten und; 2.1... amt ee 714,37 Mark
in baar, mithin ein Vermögen von 51 914,37 Mark
vorhanden. Hierzu traten an Einnahmen im Laufe des
Jahres, 1895. . , Wodka ni uam. 13 111,90 Mark,
| 13 826,27 Mark,
während verausgabt wurden . . . „ 2.2.2..2...13640,41 =
verbleiben 185,86 Mark,
welche als baarer Kassenbestand in das Jahr 1896 übernommen werden.
Von den in dem Depositorio des Rathhauses lagernden 51 200 Mark
wurden 300 Mark Prämien- Anleihe gekündigt, dagegen 300 Mark
preussische Consols, ausserdem aus den Ueberschüssen des laufenden
Jahres 1000 Mark 4procentige schlesische Boden-Oredit-Pfandbriefe an-
geschafft.
Das Vermögen der Gesellschaft beträgt somit 52 385,86 Mark und
hat sich gegen voriges Jahr um 471,49 Mark vermehrt.
Breslau, den 24. März 1896,
Max Wiskott.
Kassen-Abschluss für das Jahr 1895.
Allgemeine Kasse.
Einnahme,
An Bestand aus dem Jahre 1894. .
An Zinsen von Werthpapieren:
pro I. Semester .
un
” ”
An gekündigten Werthpapieren
An Convertirungsprämie auf 2000 A Schlesische Pfandbriefe .
An Zinsen vom Baarbestand bei der Städtischen Bank.
An Beiträgen einheimischer Mitglieder:
pro I. Semester von 357 Mitgliedern & 5 M.
” ” ») >} 7 9) a 4', M
ee N
yR} ») » » 7 vb) a 4"), M
An Beiträgen auswärtiger Mitglieder:
pro anno von 154 Mitglieder & 6 M..
An Jahres-Beitrag des Provinzial-Ausschusses.
55 des Magistrats zu Breslau .
An Miethe pro 1895 des Vereins für Geschichte und Alterthum.
Aussergewöhnliche Einnahmen:
2 verkaufte Ergänzungshefte: Partsch, Litteratur der Länder- u. Volkskunde
2 verkaufte Liederbücher der Schles. Gesellschaft.
Neu erworbene Werthpapiere:
4 °, Preuss. consol. Staatsanleihe .. .. .. 300 M
4 %, Schlesische Bodeneredit-Pfandbriefe . . . 3700 ,„
dagegen sind gekündigt und zurückgezahlt:
3% °, Preuss. Prämienanleihe. . . ..... 300 M
3‘, ' Oberschles. Eisenbahn-Prioritäten . . . 2700
EB)
4000 M
3000 M
Werth-
papiere
2)
51200
1000
92200
Baaı
M u
7114 | 37
9771| —
990 | 50
3090 | 75
67|ı —
A| (6
1785| —
a
1775| —
3 I 5)
994 | —
3000 | —
00, m
100 | —
Ja
ler >
19820 027
Allgemeine Kasse.
Ausgabe.
Für Miethe an den Verein christl. Kaufleute inel. Wassergeld. .
„ Gehalt an den Castellan..
„ Honorare und Remunerationen
„ Pension an Frau Reisler
„ Heizung.
» Beleuchtung . DE
„ Prämie an SER etkChe Feuenversichernng
„ Schreib-Bedürfnisse .
„ Zeitungs-Inserate .
„ Druckkosten . .
„ Anschaffung von Büchern und Tousnalen 5
» Buchbinder-Arbeiten .
„» Porto-Auslagen .
„ Kleine Ausgaben .
„ Beitrag zu den Meuckkosten, von nMeskei, Molluckentange vandehlesten
an Kern’s Verlag, II. Rate
„ Zinsen an Castellan Kreusel für seine kirterleste een
‚„ Beitrag für die Vorarbeiten zum Bau eines Vereinshauses an den
Breslauer Gewerbe-Verein
„ gekaufte nom. 300 Mark 4 %, Preisen. Console i :
„ gekaufte nom. 3700 Mark 4%, Schles. Bodencredit- Pfandbriefe Ser. IV
Kassenbestand am 31. December 189 .
Effeeten-Bestand am 31. December 1895:
3'/, % Oberschl. Eisenb.-Prior. Litt. E. 2700 .M | gekündigt und
3‘), %, Preuss. Prämien-Anleihe . . 300 .# ) zurückgezahlt.
4%, „ eonsol. Staats-Anleihe. 3
a
. an Aanıkerenien Pfandbriefe
3% 2b) ”)
Schlesische Bankverein- Anteil
3'/, °) Posener Pfandbriefe.
4°, Schlesische Bodeneredit- Pfandbriefs Ber, Iv
Neu erworben:
4 °), Preuss. consol. Anleihe . .. . i
4 °/, Schlesische Bodencredit- dbnete Litt. ıv ;
Max Wiskott, z. Z. Schatzmeister der Gesellschaft.
Werth- | B
papiere BE
er. Ber er.
|
— 1800,
1200
jan De
22 150 | —
mn 163 | 99
Pr 194 | 66
E* 26| —
en 971%
> 170 | 80
= a
5 in
RS 205 | 59
Eu 304 | 32
Anh 442 | 60
er 150. —
#3 10) =
> 0) —
ee 317 | 10
Eee
2 185 | 86
22000
15900
2000
2000
300
4000
2000
300
3700 |
5220013826 |, 27
Geprüft und richtig befunden: Albert Holz, z. Z. Revisor der Gesellschaft.
Voranschlag der Einnahmen und Ausgaben der Allgemeinen Kasse für die Jahre 1896 und 1897.
1896 1897
en
Einnahmen. Mark, Mark. Ausgraben. Mark.
I Zinsen vons\Verihpapieren 2... 1940 1940 a1, Miethersess 2 EI AE RER 1860
la Vieroitungenen Sa. ee 300
I. | Beiträge:
N Si ueae II. | Gehalt dem Castellan und Pension .................... 1350
WVl# Neuwjahreseschenkeg m. .....2... 0 a 9
in BLUE WE ee u nn VerilsRürs Heizung ss... ee 280
III. | Beitrag des Provinzial-Ausschusses jährlich ....... ..... 3000 3000 UT Beleuchtunesren. „ee 230
VII. | Unterhaltung der Mobilien, Neu-Anschaffungen .......... 50
DAR anne Deiinp zuce PPlapiettalen nn ee nee see nr 2 NINE ORlenerSVfensicherunas Gebühr re 26
V. | Miethe vom Verein für Geschichte und Alterthum Schlesiens 100 100 IS OBuggSchreibbeganiesen. ‚ur. Seren ee 50
Re Zeitungs Anzeigenesen . . 2. ee as 180
N NE N ea ae rar 2 ” Xu Druokkosten al. een 2500
IT Buchbinderarbeitenwen . rn me 150
ROT Boris ae en a nee a ee Meta 250
DEINZS | Kleines Ausgaben... 2.00 Rs RE: 250
DU. Rün verschiedenesSechonen. . 2.2... 2 mes 300
SV. Bibliothek g..y. sr . La A 500
XV Il Unyorhergesehene Ausgaben 2 2... 2.2... 2... 300
Summa der Einnahmen | 9890 | 9890 Summa der Ausgaben | 8585
Breslau, den 9. December 1895.
Das Präsidium der Schlesischen Gesellschaft für vaterländische Cultur.
R. Heidenhain, G. Bender, Keil, Ponfick, Max Wiskott,
Präses. Vice-Präses. General-Secr. zweiter Gen.-Secr. Schatzmeister.
Kassen- Abschluss der Section für Obst- und Gartenbau für das Jahr 1895.
Effecten
Einnahmen. ı
An Vortrag aus Rechnung 1894 27600
„ Mitglieder-Beiträgen:
107 Beiträge für 1895 ==
„ Garten-Erzeugnissen:
Verkaufte Baumschul-Artikel . 5519 #4 80%
5 Blumen, Obst und Gemüse Sal AO —
„ Subventionen:
Subvention vom Schles. Provinzial-Ausschusse für 1895. —ı
„ Zinsen:
31, %, vom 1./10. 1894 bis 30.9. 1895 von
1800 MH Preuss. Consols EM — %
4 %/, vom 1./10. 1894 bis 30./9. 1895 von 3000 M
Schlesische Bodencredit-Pfandbriefe Ser. IV. 120 „ — ,
3%, %, v. 1./10. 1894 bis 30./11. 1895 von 3000 .M
Oberschl. Eisenb.-Prioritäts-Obligat. Litt. E. 122 ,„ 50 „
4%, für 1895 von 8000 4 Schlesische Boden-
eredit-Pfandbriefe. 320m, =,
4 %, für 1895 von 3800 M Prenestsehe Consols la
31 % für 1895 von 5000 MM Preussische
Central-Pfandbriefe Kür, — 5
3, %, für1895 I.Sem.v. 3000 M Schl. Pfandbriefe Domes
3%, für 1895 II.Sem. v. 30004 ,, ” 45 5, —
3%, % für 1895 von 3000 Schlesische
Bodeneredit-Pfandbriefe . : DIESE,
Zinsen auf Rechnungsbuch der Schles Dandach.
Bank für 1895 . 50, 75 ”
» Verschiedenem:
Valuta für gekündigte Oberschl. Eisenb.-Prior. Lit. E. 3000 M
Convertirungsprämie von 3, %/, auf 3 %, für 3000 M
Scehlesische Pfandbriefe . NUDE a
„ Lesezirkel:
20 Beiträge für 1895 a3 M. _
„ #ffeeten:
Für neu angeschaffte Schlesische Bodeneredit-Pfandbriefe Ser. III | 6000
33600
Baar
M
1891
476
1153
14686
N
69
25
90
Ausgaben.
Für den Garten:
Görtnergehalt, Heizung und Beleuchtung 1704 M 56
Arbeitslöhne . 2448 „ 21
Dungstoffe . MO 0
Wildlinge und Kdelreiner a 20220
Baulichkeiten, Utensilien etc. 416 „ 74
Porti, Steuern etc.. 228. 90
„ den Lesezirkel:
Colportage . 120 M —
Buchbinderarbeit 2908
Journale . 92, —
» Insgemein:
Gekaufte 6000 #% Schlesische 3 '/, /, Bodencredit-
Pfandbriefe 8. III inel. St. und Zinsen . 6153 M 45
Aufbewahrungsgebühr für Effeeten . Tome ll
Gratis-Sämereien-V ertheilung : Id 20
Druckkosten-Antheil am Tahresbericht Re
Prämien, Beiträge, Inserate, Porti ete. . lose 4
„ Eiffeeten:
Gekündigte Oberschles. Prioritäts-Obligationen Litt. E. .
Cassa-Bestand im Vortrage.
Effecten-Bestand im Vortrage:
31, %, Preussische Consols e 1800 M —
4 °/, Sehlesische Bodeneredit-Pfandbriefe. 11000 „ —
4 %, Preussische Consols. ; 3800 „ —
3", %, Landschaftliche Central- en. 5000 „ —
3 °%, Sehlesische Pfandbriefe . 3000 „ —
3", ° Schles. Bodeneredit-Pfandbriefe 6000 „ —
Max Müller,
z. 7. Kassenvorsteher.
Effeeten
M
30600
33600
Baar
NM N
5269 67
241 | 68
6722| 23
| 8
14686 | 90
Verzeiehniss
sämmtlicher
Mitglieder der Schlesischen Gesellschaft
für vaterländische Cultur.
Bor die Htatreı von 1e96 und Is
Die römischen Ziffern hinter den Namen bezeichnen die Sectionen (I. die medi-
einische, II. die hygienische, III. die naturwissenschaftliche, IV. die zoologisch-
botanische, V. die historische, VI. die Section für Staats- und Rechtswissenschaft,
VI. die entomologische, VII. die archäologische, IX. die Section für Obst- und
Gartenbau, denen die betreffenden Herren beigetreten sind. Die Sitzungen der
einzelnen Sectionen werden jedesmal durch die Zeitungen bekannt gemacht;
übrigens haben nach $ 5 der Statuten alle Mitglieder der Gesellschaft das Recht,
an denselben theilzunehmen.
Präsidium der Gesellschaft.
A. Vollziehender Ausschuss.
Herr Geheimer Medicinalrath, Professor, Dr. Heidenhain, Präses.
— Oberbürgermeister G. Bender, Vice-Präses.
— Staatsanwalt Dr. jur. Keil, General-Secretair.
— Geheimer Medieinalrath, Professor, Dr. Ponfick, zweiter General-
Secretair.
— Kaufmann und Fabrikbesitzer Max Wiskott, Schatzmeister.
B. Direetoren.
Herr Cohn, Ferdinand, Dr., Geheimer Regierungsrath und Professor.
— Förster, Dr., Geheimer Medieinalrath und Professor.
— Grempler, Dr., Geheimer Sanitätsrath.
— Grünhagen, Dr., Geheimer Archivrath und Professor.
— Körner, Th., Dr. med,
— Ladenburg, Dr. Geheimer Regierungsrath und Professor.
— Milch, H., Stadtrath, Director.
i0 Jahresbericht der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur.
Herr Müller, J., Apothekenbesitzer.
— Polleck, Dr., Geheimer Regierungsrath und Professor,
— Schöller, Leopold, Geh. Commerzienrath.
C. Secretaire der Sectionen.
Herr Asch, $., sen. Dr. med., Secretair der medic. Section.
-—— Biernacki, Geh. Justizrath, Secretair der Section für Obst- und
Gartenbau.
— Born, Dr., Professor und Prosector, Secretair der medic. Section.
— Buchwald, Dr., Professor, Primärarzt, Secretair der medieinischen
Section.
— Chun, Dr., Professor, Secretair der zoologisch-botanischen Section.
— Cohn, Ferd., Dr., Geheimer Regierungsrath, Professor, Seeretair
der zoologisch-botanischen Section.
-- Cohn, Hermann, Dr., Professor, Secretair der hygien. Section.
— Elster, Dr., Professor, Secretair der Section für Staats- und
Rechtswissenschaft.
— Flügge, Dr., Geheimer Medieinalrath, Professor, Secretair der
hygienischen Section.
— Hintze, Dr., Professor, Seceretair der naturwissenschaftlichen Section.
— Jacobi, Dr., Sanitätsrath, Königlicher Polizei-Stadt-Physikus von
Breslau, Seeretair der hygienischen Section.
— Kaufmann, Dr. phil., Universitäts - Professor, Secretair der
historischen Section.
— Keil, Dr. jur., Staatsanwalt, er der Section für Staats- und
eeleenschaft.
— Krebs, Dr., Professor, Secretair der historischen Section.
— Mannowsky, Reichsbank-Direetor, Secretair der Section für
Staats- und Rechtswissenschaft.
— Mikulicz, Dr, Geheimer Medieinalrath und Professor, Secretair
der medien Section.
— Neisser, Dr. med., Professor, Geheimer Medieinalrath,
der nediorndehen Section.
Secretair
— Poleck, Dr., Geh. Regierungsrath und Professor, Seeretair der
natur irensohättänen Section.
— Ponfick, Dr., Geh. Medieinalrath und Professor, Beenkiuie der
medicinischen Section.
— Reimann, Dr., Geh. Regierungsrath, Professor, Ehren-Mitglied,
Secretair Br historischen Section.
— Schöller, Leopold, Geh, Commerzienrath, Beeseien der Section
für Ban und Rechtswissenschaft.
D. Als Rechnungs-Revisor:
Herr Holz, Albert, Banquier.
Mitglieder-Verzeichniss. 11
E. Für die Bibliothek und die Museen.
Herr Galle, Dr., Geheimer Regierungsrath, Professor.
— Limpricht, Oberlehrer an der evang. Realschule II, Custos der
Bibliothek.
— Bchube, Dr., Oberlehrer am Realgymnasium am Zwinger, Custos
der Herbarien und der naturwissenschaftlichen Sammlungen.
Beamte: Kreusel, Castellan, Blücherplatz 16 (alte Börse).
Die Bibliothek ist jeden Mittwoch von 3—5 Uhr, das Herbarium
jeden Donnerstag von 3—5 Uhr Nachmittags geöffnet.
Namen und Wohnungen der einheimischen Mitglieder.
1. Herr Abel, J., Dr. phil., Privatdocent, Ill. 1892, Universität,
2.
15.
16.
chem. Institut.
Adler, A., Dr. med., I. II. III. IV. 1892, Neue Schweid-
nitzerstr. 13.
Agath, Georg, Kaufmann, II. IX. 1891, Höfchenerweg,
Asath’sche Villa.
Ahrens, F,, Dr. phil., Univers.-Professor, III. 1892, Kron-
prinzenstr. 52.
Alexander, Dr. med., Privatdocent, I. II. 1885, Bahnhof-
strasse 7.
Alexander, H., Dr. phil., III. 1892, Königsplatz 8 (Berlin).
Alexander, Dr., Reg.- u. Medieinalrath, I. II. III. IV. 1895,
Augustastr. 66.
Alexander, Carl, Dr. med., I. II. III. 1895, Ring 28.
Anderssohn, A,, sen., Kaufmann, III. 1888, Anderssohn-
strasse 9.
Asch, $., sen., Dr. med., I. II. 1857, Klosterstr. 1.
Asch, Robert, Dr. med., Primärarzt, 1. II. 1890, Nikolaistadt-
graben 18. z
Auerbach, L., Dr. med., Univers.-Professor, I. II. IIL. IV.
1856, Agnesstr, 2.
Auras, R., Kaufmann, II. III. IV. 1892, Zimmerstr. 5/7.
Baenitz, C,, Dr. phil., Privatgelehrter, I. II. III. IV. 1895,
Fürstenstr. 22.
Barth, A., Dr. med., Univers.-Prof., Director der Klinik für
Ohren-u. Kehlkopfkrankheiten, I. II. III.IV. V. 1895, Paulstr. 33.
Baum, H., Redaeteur und Rittergutsbesitzer, II. VI. 1889,
Charlottenstr. 18.
Jahresbericht der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur.
17. Herr Baumm, P., Dr. med., Director der Provinzial-Hebammen-
18.
19:
20.
21.
22.
23.
24,
25.
26.
27.
28.
AB)
30.
31.
32.
33.
34.
39.
36.
37,
38.
39.
40.
4].
42.
43.
44,
45.
46,
Lehranstalt, I. II. IX. 1895, Kronprinzenstr, 23/25.
Bauch, G., Dr. phil., Professor, Oberlehrer, V. 1883, Ohlau-
ufer 32a.
Beck, Arthur, Kaufmann, VI. 1893, Neue Taschenstr. 31.
Becker, Directorial-Assistent, VIII. 1886, Berlinerstr. 56a.
Bender, Oberbürgermeister, II. V. VI. VII. 1891, Museums-
strasse 7.
Berliner, M., Dr. med., I. II. 1896, Friedrich-Wilhelmsstr. 72.
Bielschowsky, Emil, Dr. med., I. II. 1889, Neue Schweid-
nitzerstr. 4.
Biernacki, Geh. Justizrath, IV. IX. 1892, Monhauptstr. 18.
Blankenheim, H., Apotheker, II. III. 1893, Monhauptstr. 1a,
Bluhm, W., Apotheker, II. III. IV. 1875, Tauentzienstr. 32b.
Bobertag, Dr. phil., Professor, Oberlehrer, V. 1872, Lehm-
damm 60.
Bobrecker, G., Dr. med., I. II. 1896, Matthiasplatz 15.
Bodmann ‚Herm,, Pianist und Director, IV. 1895, Königsstr. 5.
Böhme, Dr. med., Generalarzt 1. Kl. des VI. Armee-Corps,
I. II. IV. V, 1893, Kaiser Wilhelmstr. 106.
Boenninghaus, G., Dr. med., I. HI. 1895, Moltkestr. 15.
Böttner, F., Dr. phil, Gymnasial-Oberlehrer, V. 1893,
Breitestr. 19.
Born, Dr. med., Professor und Prosector, I. IV. 1875,
Zimmerstr. 5/7.
Bornemann, Geh. Ober-Regierungsrath, V. VI. 1889, Ber-
linerstr. 77. t
Braem, F., Dr. phil., Privatdocent, IV. 1895, Matthiasplatz 16.
Brieger, Oscar, Dr. med., Primärarzt, I. II. 1892, Königspl. 2.
Bröer, Max, Dr. med., Sanitätsrath, I. II. III. VIII. 1874,
Carlsplatz 3. Ri
Brössling, C., Stadtrath, VI, 1896, Ohlauer Stadtgraben 6.
Bruck, Julius, Dr. med., Univers.-Professor, I. II. III. 1871,
Schweidnitzerstr. 27.
Bruck, Leonh., Banquier, VI. 1880, Carlsstr. 7.
Büchler, Oskar, Dr. med., III. 1885, Carlsstr. 45.
Buchwald, Dr. med., Professor, Primärarzt, I. II. IV. 1878,
Neudorfstr. 5.
Burchardt, Dr. med., Sanitätsrath, I. Il. 1873, Forcken-
beckstr. 11.
Burgfeld, Louis, Rentier, III. V. 1892, Tauentzienplatz 8.
Callomon, P., Dr. med., I. II. 1893, Paulstr, 19.
Caro, Georg, Dr. jur., Kaufmann, VI. 1877, Berlin.
Mitglieder-Verzeichniss. 13
47. Herr Caro, Siegmund, Dr. med., Sanitätsrath, I. II. 1868, Garten-
strasse 0.
Caro, Jacob, Dr. phil., Univers.-Professor, V. 1886, Kaiser
Wilhelmstr. 97.
Chotzen, M., Dr. med., I. II. 1888, Tauentzienplatz 1b.
Chun, C., Dr., Universitäts- Professor, Direetor des zoolo-
gischen Museums, III. IV. 1891, Heiligegeiststr. 13.
Cohn, Ferdinand, Dr. phil. et med., Geh. Regierungsrath,
Professor, Director des pflanzenphysiologischen Instituts,
II. II. IV. IX. 1852, Tauentzienstr. 3a.
Cohn, Hermann, Dr. med. et phil., Universitäts- Professor,
I. II. III. 1864, Schweidnitzerstadigraben 25.
Courant, Georg, Dr. med., I. II. II. V. 1895, Tauentzienpl. 8.
Cramer, Ernst, Dr. med., I. U. II. 1892, Zimmerstr. 11.
Cramer, F., Regierungs- und Baurath, U. IH. V. 1893,
Palmstr. 23.
Creutzberger, $., Dr. med., I. II. V. 1892, Höfchenstr. 12.
Croce, Richard, Dr. med., I. II. 1894, Paulstr. 12.
Czerny, A., Dr. med., Professor, Director der Universitäts-
Klinik für Kinderkrankheiten, I. II. 1895, Gr. Feldstr. 16.
Dittrich, Fürstbischöfl. Ober-Consistorialrath, V. VI. 1863,
Domplatz 2.
Dittrich, C., Dr. med., Sanitätsrath, I. II. 1893, Alexander-
strasse 12.
Dittrich, Rudolph, Professor, Oberlehrer, IV. 1896, Paulstr. 15.
v. Dömming, Alfred, Regierungsrath, VI. 1893, Gr. Feld-
strasse 10b.
Diresidnier, "M., Dr. mied., 1. II. 11.1893, Scheitnigerstr. 9.
Drobnig, M., Dr. phil., Apothekenbesitzer, I. II. III. IV.
1894, Ring 44.
Dyhrenfurth, Dr. med., I. II. 1879, Moltkestr. 10.
Eckardt, Paul, Dr. med., I. II. IV. 1895, Alexanderstr. 2.
Eckhardt, Wilhelm, Stadtrath, IV. VI. IX. 1879, Albrechts-
strasse 37. &
Ehrlich, Eugen, Kaufmann, II. III. IV. IX. 1879, Schweid-
nitzerstadtgraben 16.
Ehrlich, J., Kaufmann, II. III. IV. V. VI. 1889, Sadowa-
strasse 37.
Eicke, Dr. med,, Sanitätsrath, Besitzer einer Irren- Anstalt,
I. U. 1881, in Pöpelwitz.
Eidam, Eduard, Dr. phil, Universitäts- Professor, Director,
If. IV. VII. 1875, Matthiasplatz 6.
Eitner, Eugen, Kaufmann, III. IV. 1895, Vorwerksstr. 8.
14
Jahresbericht der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur.
73.
82.
83.
84.
85.
56.
37.
88.
89.
90.
Hl.
92.
93.
94,
95.
96.
97.
Herr
Elias, Dr. med., Geh. Sanitätsrath, I. II. 1875, Kaiser
Wilhelmstr. 18.
Elster, Dr. phil., Universitäts - Professor, V. VI. 1888,
Vietoriastr. 14.
Engel, Herm., Dr. med., I, II. 1894, Klosterstr. 7.
Ephraim, A., Dr. med., I. II. 1895, Tauentzienstr. 26.
Freiherr von Falkenhausen, Rittmeister a. D., VL. 1877,
Wallisfurth bei Glatz.
Fendler, Justizrath, Rechtsanwalt und Notar, VI. 1881,
Palmstr. 27.
Fiedler, Dr. phil., Direetor der Königl. Ober- Realschule,
II. III. 1859, Lehmdamm 3.
Fischer, B., Dr. phil., Director, I. III. 1892, Paulstr, 38.
Flügge, Dr. med., Geh. Medieinalrath, Professor, Director
des hygienischen Instituts, I. II. 1887, Ohlauerstadtgraben 16.
Förster, Dr. med., Geh. Medieinalrath, Professor, Director
der ophthalmiatrischen Klinik, I. I. III. 1855, Ohlauerstadt-
graben 17/18.
Foitzick, M., Geh. Ober-Bergrath, IH. IV. V. 1890, Moritz-
strasse 13.
Fränkel, Ernst, Dr. med., Univers.-Professor, 1. II. 1571,
Tauentzienstr. 67.
Fränkel, Gustav, Dr. med., Sanitätsrath, I. II. 1874, Neue
Schweidnitzerstr. 16.
Frank, H., Rentier, III, IV. V. IX. 1890, Kaiser Wilhelmstr. 93.
v. Frankenberg-Proschlitz, Geh. Reg.- und Curatorial-Rath,
SINE SRVENVE1893, Menessir 8.
Frech, F., Dr. phil., Brenn, a, des palunntolosrschen
Instituts, II. IV. 1893, Neudorfstr, ja
Freund, 2@ 2. Draamed ara N 1889, Schweidnitzer-
stadtgraben 27. =
Freund, Geh. Justizratb, Rechtsanwalt und Notar, Stadt-
verordnetenvorsteher, V. VI. 1865, Schweidnitzerstadtgr. 20.
Freund, J., Dr. jur., Amtsgerichtsrath, VI. 1894, Kaiser
Wilhelms? 68.
Freund, P., Dr., prakt. Zahnarzt, I. II. III. IV. 1894, Neue
Schwitänikreiehr. 12.
Fridrichow.iez, Apotheker, III. IV. 1888, Scheitnigerstr. 44.
Friedenthal, A., Kaufmann, VI. 1837, Salvatorplatz 8.
Friedlieb, Dr. theol., Univers.-Professor, V. 1847, Schmiede-
brücke 35.
Friese, F,, Stadt-Bau-Inspector, I. II. III. 1894, Goethestr. 12.
Fritsch, Apothekenbesitzer, II. III. 1887, Blücherplatz 3,
Mitglieder-Verzeichniss. 15
98. Herr Galle, Dr. phil, Geh. Reg.-Rath und Professor, Direetor
I
100.
101.
102,
103.
104.
105.
106.
107.
108.
102
1),
Ual-
12
113.
114.
115.
116.
INT;
118.
RI.
120.
121.
122.
123.
124,
125,
126.
der Universitäts-Sternwarte, Ill. 1852, Universität.
Geisler, C., Dr. phil., III. VI. 1894, Augustastr. 14a.
_Gellner, Dr. med., Kreiswundarzt, I. I. III. IV. 1892,
Claassenstr. 3.
Ginsberg, S., Dr. ıned., I. II. 1895, Kaiser Wilhelmstr. 3.
Goldschmidt, Michael, Kaufmann, VI. IX. 1870, Freiburger-
strasse 24.
Goldstein, A., Dr. med., I. II. III. 1889, Claassenstr. 19.
Goldstein, A., Kaufmann, V. VI. 1889, Kaiser Wilhelm-
strasse 66.
Goldstein, J., Kaufmann, V. VI. 1889, Kaiser Wilhelm-
strasse 66.
Grempler, Dr. med., Geh. Sanitätsrath, I. 1854, Gartenstr. 46.
Groche, M., prakt. Stenograph, V. VI. 1892, Klosterstr. 6.
Groenouw, A., Dr. med., Privatdocent, I. II. III. IV. 1893,
Carlsstr. 1.
Grosspietsch, J., Commissionsrath und Hoflieferant, V. VI.
1887, Schweidnitzerstadtgr. 22.
Grünberg, J., Dr. med., I. II. 1896, Enderstr. 21.
Grünhagen, Dr. phil., Geh. Archivrath und Professor,
V. VI. 1851, Neue Taschenstr. 17.
Grünhagen, Wilh., Rentier, II. III. IV. 1881, Moritzstr. 7.
Grüttner, Oskar, Kaufmann, V. VI. IX. 1883. Ring 41.
Grüttner, Curt, Regierungsrath, III. V. VI. 1890, Kaiser
Wilhelmstr. 70.
Grüttner. Richard, Kaufmann, II. 1896, Blumenstr. 6.
Grützner, General-Landsch.-Syndikus, V. VI. 1892, Taschen-
strasse 18.
Grund, Max, Kaufmann, VI. 1880, Kaiser Wilhelmstr. 22.
Gürich, G., Dr. phil., Oberlehrer und Privatdocent, IH. IV.
1895, Matthiasplatz 10.
Guhrauer, Leopold, Dr. med., I. II. 1895, Zimmerstr. 23.
Haber, Siegfried, Kaufmann, 11. V. VI. IX.1887, Neuegasse 13a. _
Härtel, H., Fabrikant chirurg. Instrumente, I. II. 1873,
Weidenstr. 33.
Härtel, G., Bandagist, I. II. 1896, Thiergartenstr. 63.
Hainauer, Julius, Commissions-Rath, Buchhändler, II. V. 1871,
Schweidnitzerstr. 52.
Hamburger, E., Dr, med., I. II. 1895, Junkernstr. 7.
Hancke, Dr. jur., Geriehts- Assessor, VI. 1890, Tauentzien-
platz 11.
Hannes, Dr. med., I, I. 1873, Albrechtsstr. 30.
Jahresbericht der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur.
Hartmann, A., Mathematiker, III. IV. 1892, Salzstr. 17.
von Haugwitz, Rüdiger, Regierungsrath, III. IV. 1892,
Matthiasplatz 14. !
Hecke, Oscar, Dr. med., I. 1880, Blumenstr. 4.,
Hecke, H., Justizrath, Rechtsanwalt und Notar, V. VI. 1893,
Zwingerstr. 5.
Heckel, Hans, Dr. med., I. II. V. 1895, Gartenstr. 40.
Heffter, Emil, Director, III. V. 1895, Kronprinzenstr. 44,
Heidenhain, Dr. med., Geh. Medieinalrath, Professor, Director
des physiologischen Instituts, I. II. II. IV. VI. 1859,
Ohlauerstadtgraben 16.
Heilborn, Max, Dr. med., I. I. 1876, Junkernstr. 12.
Heilbrunn, $., Dr. med., I. II. 1892, Gräbschneirstr. 3,
Heimann, Dr. med., I. II. 1877, Telegraphenstr. 7.
Heimann, Geh. Commerzienrath und Banquier, VI. 1885,
Ring 33.
Heller, Dr. med., I. III. 1853, Taschenstr. 7.
Hensel, Paul, Stadtgerichtsrath a. D.,, HI. V. VI. 1877,
Garvestr. 16.
Herrmann, E. Dr. med. I. I. III. IV. 1994, Friedrich-
Wilhelmsstr. 76.
Hieirz,, E., Dr’Smed., 11.21.111.21896)2Gartenstr2 Ge
Heydweiller, A., Dr. phil., Universitäts- Professor, II. III.
IV. V. 1895, Salowastr. 50.
Hiller, Dr. med., Stabsarzt a. D., Privatdocent, I. II. 1883,
Friedrich-Wilhelmsstr. 71.
Hintze, Dr. phil., Professor, Direetor des mineral. Museums,
II. III. IV. 1887, Neue Matthiasstr. 8. |
Hirt, Ludwig, Dr. med., Universitäts-Professor, I. II. 1871,
Museumsplatz 3. ; ;
Hoelscher, J., Königl. Garten-Inspector, IV. IX. 1896,
Sternstr. 23.
Holdefleiss, Dr. phil., Professor, Director des landwirth-
schaftlichen Instituts, II. III. IV. 1879, Rosenthalerstr. 1b.
Holz, Albert, Banquier, V. VI. 1887, Gartenstr. 20.
Honigmann, Dr. jur., Rechtsanwalt, VI. 1887, Carlsstr. 28,
Hübner, Gen.-Landsch.-Syndikus a. D., Geh. Regierungsrath,
V. VI. 1854, Gartenstr. 109.
Hübner, A., Stadtrath u. Kaufmann, V. 1856, Albrechtsstr. 51.
Hürthle, Dr. med., Universitäts-Professor, I. II, IH. IV. 1893,
Palmstr. 3.
Hulwa, Franz, Dr. phil., vereid. Chemiker, II. II. IX, 1871,
Tauentzienstr. 68,
Mitglieder-Verzeichniss. 17
154. Herr Jacobi, J., Dr. med., Professor, Sanitätsrath, Polizei-Stadt-
155.
156.
157.
158.
159.
160.
161.
"62.
163.
164.
165.
166.
167.
168.
169.
170.
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172.
173.
174.
175.
176,
Kür.
178.
E49.
180.
181.
182.
183.
184.
Physikus, I. II. 1874, Moltkestr. 18.
Jänicke, Arthur, Dr. med., I. II. 1880, Gartenstr. 75.
Jadassohn, Dr. med., Primärarzt, I, I. Ill. 1892, Königs-
platz 7.
Jllner, R., Dr. med., I. II. 1894, Friedrich-Wilhelmsstr. 2a.
Joachim, A., Dr. med., I. II. 1876, Alexanderstr. 21.
Jonas, V., Dr. phil., Zahnarzt, I. II. III. IV. 1893, Neue
Taschenstr. 1a.
Jttmann, Ludwig, Dr. med., I. II. 1895, Schmiedebrücke 54.
Jünger, A., Buchhändler, 11l. IV. VI. 1884, Breitestr. 1.
Juliusburger, Eduard, Dr. med., I. I. 1874, Neue Schweid-
nitzerstr. 17.
Junger, Ernst, Gärtnereibesitzer, IV. 1872, Lehmdamm 34.
Jungmann, Dr. med., I. II. 1894, Tauentzienstr. 6a.
Just, Emil, Apotheker, III. IV. 1893, Matthiasplatz 2.
Kamm, M., Dr. med., I. II. III. 1890, Matthiasplatz 1.
Kast, Dr. med., Professor, Direetor der medicinischen Klinik
und Poliklinik, I. II. III. 1892, Neue Taschenstr. 32.
Kaufmann, E., Dr. med., Universitäts-Professor, I. II. 1895,
Forckenbeckstr. 10.
Kaufmann, Georg, Dr. phil., Universitäts-Professor, V. 1895,
Rosenthalerstr. 1b.
Kauffmann, $., Kaufmann und Fabrikbesitzer, VI. 1887,
Tauentzienplatz 3a.
Kayser, Dr. med,, I. I. VI. 1884, Tauentzienstr. 1.
Keil, Dr. jur., Staatsanwalt, V. VI. 1887, Augustastr. 5i.
Keil, Fr., Geh. Baurath, VI. 1892, Kaiser Wilhelmstr. 81.
Kemna, Julius, Fabrikbes., VI. 1880, Kaiser Wilhelmstr. 64.
Kempner, Dr. med., Sanitätsrath, I. II. 1373, Tauentzienpl. 15.
Kiesewalter, Dr. med., Oberstabsarzt und Regimentsarzt,
I. II. III. 1892, Grosse Feldstr. Ile.
Kirchner, Dr. med., Generalarzt a. D., I. II. 1892, Kaiser
Wilhelmstr. 118.
Kirsch, Oberst z. D., III. 1885, Moritzstr. 25.
Kleinwächter, W., Dr. med., I. I. III. 1893, 'Tauentzien-
strasse 738.
Kleudgen, Dr. med., Heilanstaltsbesitzer, I. II. 1881,
Tauentzienplatz 11.
Kny, Dr. phil., Prof., Direetor, 1V.1869, in Wilmersdorfbei Berlin.
Kobligk, Staatsanwalt, V. VI. 1892, Sadowastr. 40.
Kobrak, Georg, Dr, med,, I. I. 1892, Königsplatz 3b.
Köbner, Hugo, Dr. med,, I. II. 1880, Schweidnitzerstr. 9.
2
18
Jahresbericht der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur.
185. Herr Köhler, General-Lieutenant a. D., Excellenz, V. 1874,
204.
205.
Gartenstr. 104.
Körber, W., Dr. phil., Gymnasial-Oberlehrer, V. 1883,
Palmstr. 10.
Körner, Theodor, Dr. med., I. II. 1875, Claassenstr. 7.
Körner, Paul, Fabrikbesitzer, II. 1885, Kaiser Wilhelmstr. 42.
Kohn, Richard, Dr. med., I. II. 1884, Telegraphenstr. 9.
Kohn, $., Dr. med., I. II. III. 1893, Tauentzienstr. 2.
Kolaczek, Dr. med., Universitäts-Professor, I. II. 1875,
Kaiser Wilhelmstr. 58.
Kolbenach, F., Staatsanwalt, VI. 1888, Nikolaistadter. 25.
Kopisch, Stadtrath u. Kaufmann, III. IV. IX. 1889, Ernststr. 4.
von Korn, H., Stadtältester und Verlagsbuchhändler, IV. IX.
1853, Schweidnitzerstr. 47/48.
Krause, Robert, Dr. med., I. Il. 1890, Ring 26.
Krause, Max, Dr. med., I. II. 1894, Bohrauerstr. 12.
Krebs, Dr. phil., Professor, Oberlehrer, V. 1873, Charlotten-
strasse 3.
Krienes, Hans, Dr. med., Stabsarzt, I. II. III. 1893, Goethe-
strasse 11.
Kümmel, W., Dr. med., Privatdocent, I. IV. 1895, Ohlauer-
stadtgraben 18.
Küntzel, Dr. med., Oberstabsarzt und Regimentsarzt, 1. II.
III. 1892, Charlottenstr. 16.
Küstner, Dr. med., Medieinalrath und Professor, Director
der Geburtshilflichen Klinik, I. I. Ill. 1893, Maxstr. 5.
Kuhr, Leo, Dr. med., I. II. 1895, Sonnenstr.' 28.
Kutzleb, Dr. phil., Professor, General-Seeretair des Land-
wirthschaftlichen Centralvereins, III. IV. VI. IX. 1888,
Mattbiasplatz 6.
Kuznitzky, Dr. med,, I. I. Ill. VI. 1892, Neue Taschen-
strasse 6.
Ladenburg, Dr. phil, Geheimer Regierungsrath, Professor,
Director des chem. Instituts, I. III. VI. 1889, Kaiser
Wilhelmstr. 108.
Lange, Dr. med., Geh. Sanitätsrath, I. 1853, Ursulinerstr, 5/6.
Landmann, Dr. med., I. II. 1890, Tauentzienstr. 10,
Landsberg, P., Dr. med., I. II. 1892, Gneisenauplatz 6.
Lasch, Otto, Dr. med., I. II. 1895, Ohlauerstr. 45.
Lasinski, Dr. med., J. II. 1874, Neue Taschenstr. 23.
Lasker, M., Dr. med., I. II. 1892, Ernststr. 1.
Leonhard, R., Dr. phil, III. IV. 1893, Schweidnitzer-
stadtgraben 14.
Mitglieder-Verzeichniss. - 19
213. Herr Lesser, Adolf, Dr. med., Prof., Stadt-Physikus, I. II. 1886,
214.
215.
3/16.
217.
218.
232.
234,
236.
237.
238.
Kaiser Wilhelmstr. 80.
Limpricht, G., Realschul-Oberlehrer, IV. 1877, Palmstr. 29.
Lindenberg, G., Landgerichts-Director, V. VI. 1896, Kron-
prinzenstrasse 69.
Lipmann, Ernst, Dr. jur., V. VI. 1895, Tauentzienstr. 3a.
von Lippa, Lazer, Regier.-Assessor, II. VI. 1893, Charlotten-
strasse 14.
Loebinger, Edwin, Dr. med., I. II. III. IV. 1895, Neue
Taschenstr. 13,
Loeschmann, E., Dr. phil., III. IV. 1894, Schuhbrücke 38/39.
Loeser, Dr. med., Kreis-Physikus a.D., I. II. III. IV. 1895,
Gartenstr. 58.
Loewenhardt, Felix, Dr. med., I. I. III. 1892, Carlsstr. 1.
Lühe, W., Amtsgerichtsrath, V. VI. 1884, Bahnhofstr. 17.
Magnus, Hugo, Dr. med., Univers.-Professor, I. II. 1882,
Gartenstr. 96.
Malachowski, E., Dr. med., I. II. 1889, Blumenstr. 6.
Mannowsky, Reichsb.-Director, II. III. VI. 1891, Wallstr. 11.
Markgraf, Dr. phil., Professor, Direetor d. Stadt-Bibliothek,
V. 1865, Rossmarkt 7/9.
Martins, O., Dr. med., I. II. 1894, Alexanderstr. 56.
Martini, Dr. med. et phil., Sanitätsrath, II. III. 1871,
Taschenstr. 25.
Martius, Georg, Stadtrath, V. VI. 1887, Vorwerksstr. 29.
Maschke, Dr. phil., Medieinal-Assessor, II. III. IV. 1855,
Tauentzienstr. 12.
Graf von Matuschka, Königl. Forstmeister a. D., VIL IX.
1872, An der Kreuzkirche 4.
Meilly, Dr. med., Oberstabsarzt I. Kl, Garnisonarzt von
Breslau, I. II. III. 1892, Forckenbeckstr. 4.
Meitzen, W., Geh. Bergrath a. D., III. IV. V. 1892, Neue
Taschenstrasse 5.
Merkel, E., Realgymnasiallehrer, IH. IV. 1884, Thiergarten-
strasse 43.
Methner, Alf., Dr. med., dirigirender Arzt, I. I. III. 189j,
Klosterstr. 12.
Meyer, ©. E.,Dr. phil., Geheimer Regierungsrath, Professor u.
Director des physikalischen Cabinets, III. 1878, Schuhbr, 38/39,
Mez, Carl, Dr. phil., Privatdocent, IV. 1890, Monhauptstr. le.
Mikuliez, Dr. med., Geheimer Medicinalrath und Professor,
Direetor der chirurgischen Klinik, I. I. III. 1890, Villa Sachs,
Auenstr. 32.
DES
a
20
Jahresbericht der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur.
239. Herr Milch, Ludwig, Dr. phil., Privatdocent, III. IV. 1892, Kaiser
240.
241.
Wilhelmstr. 58.
Mileh, Benno, Commissionsrath und Director der Breslauer
Baubank, III. IV. VI. IX. 1893, Holteistr. 44.
Milch, H., Stadtrath, Director, II. VI. IX. 1893, Tauentzien-
platz 12.
Miehle, F., Apotheker, II. III. 1896, Ring 59.
Molinari, Leo, Geh. Commerzienrath, italienischer Consul,
VI. 1883, Kaiser Wilhelmstr. 113.
Morgenstern, E., Verlagsbuchhändler, II. V. VI. 1861,
Garvestr. 18.
Müller, Max, Verlagsbuchhändler, IV. IX. 1869, Teichstr. 8.
Müller, Julius, Apotheker, I. II. IH. 1873, Kaiser Wil-
helmstrasse 17. |
Mugdan, Joachim, Kaufmann, III. IV. V. VI, 1877, Ring 49.
Muther, R., Dr. phil., Univers.-Professor, III. VIII. 1895,
Neue Gasse 13.
Neefe, Dr. phil., Direetor des städt. stat. Amts, II. V. VI.
1887, Klosterstr. 69.
Neisser, Albert, Dr. med., Geh. Medicinalrath und Professor,
Direetor der Univers.-Klinik für Hautkrankheiten, I. I. IV.
1832, Museumsstr. 11.
Neisser, Gust., Dr., Rechtsanwalt, VI. 1895, Taschenstr. 23.
Nesemann, Dr. med., Bez.-Physikus, I. II. III. 1891, Kaiser
Wilhelmstr. 54.
Neumann, O., Major z. D,, II. VI. 1894, Kaiser Wilhelmstr. 93.
Neumeister, Dr. med., I. II. 1873, Klosterstr. 8.
Neustadt, L., Dr. phil., U. V. VI. 1837, Sonnenstr. 17.
Niche, Edmund, Apotheker, III. IV. 1885, Kaiser Wilhelm-
strasse 87.
Nitsche, J., Dr. med., Sanitätsrath, I. U. III. 1893, Kaiser
Wilhelmstr. 40.
Nitschke, Th., Kaufmann, III, 1889, Moritzstr. 24.
Noack, Ludwig, Landesrath, VI. 1896, Museumsplatz 9.
Opitz, Otto, Kaufmann und Fabrikbesitzer, II. III. 1888.
Ohlauerstadtgraben 20.
Oppler, B.,-Dr. med., I. II. 1894, Museumsplatz 10.
Graf Fernando von Oriola, Prem.-Lieut. aD, II. VI.
1896, Goethestr. 16. i
Pannes, Dr. phil., Apotheker, II. III. 1874, Kaiser Wilhelm-
strasse 44. '
Partsch, Carl, Dr. med., Univers.-Professor, I. II. 1880,
Tauentzienstr. 11.
Mitglieder-Verzeichniss. 21
265. Herr Partsch, J., Dr. phil., Univers.-Professor, Il. V. 1893,
266.
267.
268.
269.
270.
271.
272.
273.
274.
Sternstr. 22.
Pavel, C., Rechtsanwalt, V. VI. 1896, Kupferschmiedestr. 17.
Pax, Ferd., Dr. phil., Professor, Direetor des botanischen
Gartens, III. IV. IX. 1892, An der Kreuzkirche 35,
Peiper, R., Dr. phil., Prof., Oberlehrer, V. 1867, Paulstr. 20.
Petrich, E., Landgerichtsrath, V. VI. 1896, Kaiser Wilhelm-
strasse 39.
Pfannenstiel, Dr. med., Prof., I. II. 1891, Tauentzienstr. 84b.
Pietrusky, W., Dr. med., I. II. 1896, Gneisenauplatz 4.
Pinno, H., Berghauptmann, II. III. V. 1892, Neue Taschenstr. 2,
Pohl, J., Dr. med., Badearzt, I. II. III. 1893, Goethestr, 18.
Poleck, Dr. phil., Geh. Reg.-Rath und Professor, Director des
pharmaceutischen Instituts, II. III. 1868, Schuhbrücke 38/39.
Ponfick, Dr. med., Geh. Medieinalrath, Professor, Director
des pathologischen Instituts, I. II. 1878, Nowastr. 3.
Poppe, Oscar, Rechtsanwalt und Notar, II. VI. 1887,
Junkernstr. 1/2.
Prausnitz, G,, Dr. phil., III. 1892, Tauentzienplatz 6.
Pringsheim, Max, Kaufmann, III. VI. 1888, Gartenstr. 65.
Pringsheim, Fedor, Stadtrath, VI. 1892, Schweidnitzer-
stadtgraben 10.
von Prittwitz und Gaffron, Reg.-Ref. a. D. V. VI. 1873,
Teichstr. 5.
Promnitz, F., Dr. phil., Fabrikbesitzer, II. IV. IX. 1892,
Tauentzienstr. 66.
Graf von Pückler-Burghauss, Königl. Wirkl. Geheimer
Rath, Excellenz, Ober-Mundschenk, General-Landschafts-
Direetor und Königl. Kammerherr, V. VI. IX. 1875, General-
Landschaft.
Graf von der Recke-Volmerstein, General-Landschafts-
Repräsentant und Königl. Kammerberr, V. VI. 1863, Kleinburg.
Reich, Carl, Dr. med., I. II. 1875, Neue Graupenstr. 14.
Reichelt, Const., Dr. med., Sanitätsrath, I. II. III. 1880,
Matthiasplatz 17,
Reinbach, Dr. med, I. II. 1874, Freiburgerstr. 24.
Reitzenstein, Herm., Amtsriehter, VI. 1891, Berlinerpl. 22.
Ribbek, General-Director, VI. 1893, Nikolaistadtgraben 12,
von Richthofen, Major beim General-Commando des VI.
Armeecorps, II. III. IV. V. 1895, Kronprinzenstr. 44.
Richter, Emil, Dr. med., Med.-Rath, Professor, I. Il. 1872,
Kaiser Wilhelmstr. 115,
Richter, Dr. med., Sanitätsrath, I. IL. 1889, Gräbschnerstr., 5,
22
292. Herr
293.
—
Jahresbericht der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur.
Richter, Bruno, Kunsthändler, III. IV. V. IX. 1886, Schloss-
Ohle 1/3. :
Richter, H., städtischer Garten-Inspector, IV. IX. 1887,
Breitestr. 25.
Riegner, Oscar, Dr. med., Sanitätsrath und Primärarzt, I. II.
III. 1874, am Allerheiligen-Hospital.
Riemann, Paul, Kaufmann u. Handelsrichter, VI. IX. 1380,
Kaiser Wilhelmstr. 37.
Riesenfeld, B., Dr. med., 1. 1874, Ohlauerstadtgr. 28.
Riesenfeld, E., Dr. med., I. II. 1887, Tauentzienstr. 1.
Röhmann, Dr. med., Univers.-Professor, I. II. III. 1888,
Ohlauufer 19.
Rohde, E., Dr. phil., Univers.-Professor, III. IV. 1895,
Goethestr. 6.
Rosemann, Dr. med., I. II. 1877, Lessingstr. 15.
Rosen, F., Dr. phil., Privatdocent, III. IV. IX. 1891, Kleine
Domstr. 7.
Rosenbach, Dr. med., Univers.-Professor, I. II. III. 1878,
Königsplatz 6.
Rosenfeld, Georg, Dr. med., I. II. 1886, Schweidnitzer-
stadtgraben 26.
Rosenstein, M., Dr. med., I. II. 1893, Gartenstr. 64.
Rosenthal, J., Dr. med., Badearzt, I. II. 1892, Augustastr. 42.
Rüdiger, General-Direcetor, V. VI. 1893, Bahnhofstr. 23.
Rügner, Dr. med., Sanitätsrath, I. II, 1870, Tauentzien-
strasse 79.
von Rümker, Kurt, Dr. phil., Univers.-Prof., II. IV. VI. IX.
1895, Kaiser Wilhelmstr. 68.
Sachs, Albert, Dr. med., I. II. 1895, Ohlauerstr. 43.
Sachs, Emil, Kaufmann und Rittergutsbesitzer, IV. V. 1888,
Gartenstr. 19. Eier
Sachs, H., Apotheker, II. III. 1892, Ohlauerstr. 3.
Sachs, Heinrich, Dr. med., I. II. 1896, Tauentzienplatz 9.
Sackur, Paul, Dr, med., I. II. 1894, Neue Taschenstr. 25.
Sandberg, Ernst, Dr. med., I. II. 1876, Junkernstr. 11.
Schäfer, Friedrich, Dr. med., I. II. 1881, Tauentzienpl. 10.
Schiewek, Dr. phil., Prof, Oberlehrer, V. 1875, Sieben-
hufenerstrasse 4.
Schiff, Dr. phil., Oberlehrer, III. IV. 1888, Palmstr. 38.
Schiffer, Georg, Dr. med., I. II. 1895, Klosterstr. 5.
Schlesinger, Ad., Dr. med., I. II. 1881, Ring 57.
Schlesinger, Julius, Rentier, V. VI. 1887, Kaiser Wilhelm-
strasse 77,
Mitglieder-Verzeichniss. 23
821. Herr Schmeidler, Dr, med., Sanitätsrath, I. II. 1870, Schweidnitzer-
822.
323.
324.
325.
326.
327.
stadtgraben 21b,
Schmiedel, Dr. med,, Sanitätsrath, Bez.-Physikus, I. II. 1882,
Bahnhofstr. 17.
Schöller, Leopold, Geh. Commerzienrath, II. VI. 1874,
Königsplatz 5a.
Schollmeyer, Ober-Bergrath, III. 1890, Forekenbeckstr. 9.
Scholtz, Mortimer, Apotheker, III. IV. IX. 1895, Paulstr. 36.
Scholtz, M., Dr. phil., Privatdocent, III. 1895, Gartenstr. 30.
Schönborn, Dr. phil., Professor, Oberlehrer, V. VI, 1875,
Paulstr. 9.
Sehottländer, Julius, Banquier u. Rittergutsbesitzer, VI. 1874,
Tauentzienplatz 2.
Schottländer, P., Dr. phil,, IV. 1892, Tauentzienplatz 2.
Schube, Theodor, Dr. phil., Oberlehrer, III. IV. 1836, Teich-
strasse 29.
Schulte, Dr. med., Oberstabsarzt I. Kl. u. Reg.-Arzt, I. II.
III, 1892, Wallstr. 25.
Schulze, Dr. phil., Direetor, II. III, IV. 1886, Matthiaspl. 14.
Schütze, J., Obergärtner, IV. IX. 1892, Tauentzienstr. 86/88.
Schwahn, Dr. med., Sanitätsrath u. Kreis-Physikus, 1. II, III,
1883, Seminargasse 13.
Schweitzer, Hugo, Kaufmann, II. III. 1889, Höfchenstr. 12.
Schweitzer, $., Partieulier, V. VI. 1889, Gartenstr. 62.
Scupin, H., Dr. phil., III. IV. 1896, Sadowastr. 42.
Seidelmann, O., Dr. med., I. 1895, Tauentzienstr. 63a.
Seidel, Hermann, Fabrikbesitzer und Kaufmann, III. IV. IX.
1872, Ring 27.
Senftleben, Dr. med., Sanitätsrath, I. II. III. 1876, Kaiser
Wilhelmstr. 13.
Seyda, A., Dr. phil., vereid. Chemiker, II. III. 1895, Palm-
strasse 14.
Simm, Felix, Dr. med., I. II. 1876, Freiburgerstr. 42.
Simon, Hermann, Dr. med., I. II. 1885, Gartenstr. 47/48.
Skene, Carl, Kaufmann u. Fabrikbesitzer, VI. 1880, Schweid-
nitzerstadtgraben 18.
Skutsch, Dr.med., Sanitätsrath, I. II. 1880, Tauentzienstr. 26b.
Sombart, Dr. phil., Univers.-Professor, V. VI. 1890, Kaiser
Wilhelmstr. 101.
Spitz, Baruch, Dr. med., I. II. 1890, Neue Schweidnitzerstr. 1.
Spitz, Max, Dr. med,, I. II. III. 1895, Gartenstr. 10.
Spitzer, Wilhelm, Dr. med., Badearzt, I. 1895, Moritzstr. 37.
Steinitz, $S., Dr. med,, I. II. 1877, Ernststr. 7.
24
Jahresbericht der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur.
351. Herr Steinschneider, Dr. med., Badearzt, I. II. 1890, Moritzstr. 15.
352.
353.
354.
399.
356.
397.
398.
359.
360.
361.
362.
363.
364.
369.
368.
Stenzel, Dr..phil., Prof., III. IV. 1858, Ohlauerstadtgr. 26.
Stern, Emil, Dr. med., Sanitätsrath, Stadtkreis-Wundarzt,
I. II. 1873, Tauentzienplatz 3.
Stern‘, R., Dr. med., Privatdocent, I. II. IH. 1893, Bahnhof-
strasse 2.
Steuer, Philipp, Dr. med., Sanitätsrath u. Stadtrath, I. I.
1873, Gartenstr. 62.
Suermondt, William, Bergwerksbesitzer, III. VIII. 1892,
Kaiser Wilhelmstr. 97.
Tietze, A., Dr. med., Privatdocent, I. 1875, Ohlauufer 7.
Töplitz, Th., Dr. med., I. I. 1875, Teichstr. 2.
Traugott, Richard, Dr. med., I. U. 1875, Schweidnitzerstr. 28.
Trewendt, Ernst, Verlagsbuchhändler, I. V. VI. 1880,
Salvatorplatz 8.
Tscehackert, Dr. phil, Geh. Regierungs- und Provinzial-
Schulrath, Professor, V. 1883, Garvestr. 13.
Ulrich, Dr. med., Medieinal-Assessor, I. II. III. 1873, Bahn-
hofstrasse 23.
Unruh, F., Dr. med., I. II. 1874, Sadowastr. 40.
Veith, Franz, Dr. med., I. II. 1875, Heiligegeiststr. 14a.
Viertel, Dr. med., Sanitätsrath, I. II. 1875, Neue Schweid-
nitzerstr. 12.
Vollbrecht, Hans, Dr. med., Stabs- u. Bataillonsarzt, 1. II,
III. V. 1895, Augustastr. 69.
Volkmann, W., Dr. phil., Oberlehrer, V. 1883, Goethestr. 11.
Volz, Dr., Prof., Dir. des Kgl. Friedrichs-Gymnasiums, II.
Ill. V. 1893, Weinstr. 40/46. |
Volz, W,, Dr. phil., Assist. am 'paläontolog,. Institut, IIL. IV.
1895, Weinstr. 40/46.
Wagner, E,, Dr, phil, Mathematiker, IH. VI. 1892, Augusta-
strasse 40.
von Wallenberg-Pachaly, Gotth., Banquier und Consul
von Schweden und Norwegen, VI. IX. 1887, Kaiser Wil-
helmstr. 112.
Walter, Stadtrath u. Rittergutsbesitzer auf Eisenberg, III. 1855,
Blumenstr. 5.
Weberbauer, A., Dr. phil., Privatdocent, III. IV. IX. 1894,
Gneisenauplatz 2.
Weidemann, F., Kaufmann, IV. IX. 1895, Kaiser Wilhelm-
strasse 45.
Weile, Max, Dr. med., I. II. 1894, Gellhornstr. 2.
Weinhold, Friedr., Dr. med., I. I. III. 1892, Ring 8.
Mitglieder-Verzeichniss. 25
377. Herr Weiske, Dr. phil., Professor, Director des thierchemischen
378.
379.
380.
381.
382.
383.
384.
385.
386,
387.
388.
389.
390.
Il.
392.
396.
©
Instituts, III. 1881, Monhauptstr. 1b.
Weissstein, A., Dr. phil., Apothekenbesitzer, I, II. III. 1878.
Hintermarkt 4.
Wernicke, ©., Dr. med., Medicinalrath, Professor, Director
der psychiatrischen Klinik und Poliklinik, I. II. III. 1885,
Klosterstr. 10.
Werther, M., Dr. med., I. II. 1892, Tauentzienplatz 11.
Wichura, Dr. med., Stabsarzt im 11. Regiment, I, 1895,
Paradiesstr. 30.
Wiener, Max, Dr. med., Universitäts-Professor, I. II. 1879,
Tauentzienstr. 65.
Winckler, V., Dr. med., I. II. 1874, Gartenstr. 77.
Wiskott, Theod., Commerzienrath, VI. IX, 1873, Ohlauufer 6.
Wiskott, Max, Fabrikbesitzer und Kaufmann, III. V, VI.
1872, Kaiser Wilhelmstr. 69.
Wocke, Dr. med., IV. VII. 1847, Klosterstr. 10.
Wolff, Paul, Kaufmann, III. IX. 1870, Klosterstr. 12.
Wolff, Dr. med,, Geh. Regierungs- und Med.-Rath, I. II. 1865,
Flurstr. 3.
Wolff, Hugo, Fabrikbesitzer, II. IX. 1891, Tauentzienstr, 74a.
Wolff, A., Dr. med., I. II. 1893, Neue Taschenstr. 3.
Wolffberg, Dr. med., I. II. III. 1887, Freiburgerstr. 9.
Wollner, Dr. med., Geheimer Sanitätsrath, I. I. 1876,
Tauentzienplatz 1.
Woy, R., Dr. phil., vereideter Chemiker, Il. III. 1895.
Vorwerksstr. 17.
Graf York von Wartenburg, Paul, Majoratsbesitzer, VI.
1866, Kl.-Oels.
Zahn, A., Partieulier, III. 1890, Brüderstr, 3f.
Zopf, Professor, Oberlehrer, III. 1877, Verläng. Sternstrasse.
B. Wirkliche auswärtige Mitglieder.
Adelt, Dr. med., Sanitätsrath und Kreis-Physikus in Bunzlau. _
1893.
Aderhold, Rud., Dr. phil. in Proskau. 1896.
Adler, $., Dr., Sanitätsrath und Kreis-Physikus in Brieg.
1890.
Alter, Dr., Sanitätsrath, Director der Provinzial- Irrenanstalt
in Leubus. 1886.
Altmann, L., Kaufmann in Katiowitz. 1889.
Apfeld, Fabrikbesitzer in Neisse. 1888.
vom Berge-Herrndorf, Major a. D. in Neisse. 1888,
26
Jahresbericht der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur.
8. Herr Biermer, M., Dr., Professor in Münster i. W. 1895.
$h
10.
13.
12.
13.
14.
15.
16.
1%
18.
19;
20.
21%
22.
23.
24.
25.
26.
Block, Salo, Kaufmann in Kattowitz. 1889.
Bock, Louis, Kaufmann in Kattowitz. 1889.
Brand, I., Hauptmann in Berlin im Kriegsministerium. 18883.
Creydt, Th., Rittergutsbesitzer und Lieutenant der Reserve
in Jauer. 1892.
Dieck, Dr. phil., Oberlehrer und Hauptmann a. D. in Gold-
berg i. Schl. 1875.
Donders, Maschinen-Inspector in Kattowitz. 1889.
Dorn, Dr. med., Sanitätsrath, Stabsarzt z. D. in Jauer. 1892.
Dyhrenfurth, Walter, Rittergutsbesitzer in Jacobsdorf bei
Kostenblut. 1889.
Dyhrenfurth, Felix, Dr. in Schockwitz bei Kattern, 1889.
Epstein, Rechtsanwalt in Kattowitz. 1889.
Färber, Dr. med.,, Geh. Sanitätsrath und Kreis-Physikus in
Kattowitz. 1889.
Fernbach, L., Zeitungsbesitzer in Bunzlau. 1893.
Fiebig, Dr., Professor in Patschkau. 1837.
Fränkel, $., Dr. med., Rittergutsbesitzer in Neukirch bei
Breslau. 1881.
von Frankenberg-Ludwigsdorf, General-Major z. D.
auf Nieder-Schüttlau. 1870.
Freund, Dr. med., Sanitätsrath in Gleiwitz. 1889.
Fröhlich, Dr. med,, prakt. Arzt in Bismarckhütte. 1892,
Gallinck, E., Rittergutsbesitzer in Krysanowitz. 1893.
Gläser, Dr. med., prakt. Arzt in Danzig. 1893.
Glaser, Dr. med., prakt. Arzt in Kattowitz. 1889.
Glaser, M., Mühlenbesitzer in Kattowitz. 1889.
Gewerbe-Verein für Gleiwitz und Umgegend in Gleiwitz. 1872,
. Herr Grossmann, Dr, phil., Archivrath und Archivar des Königl.
Haus-Archivs in Berlin. 1870.
Grotefend, Dr. phil., Archivrath in Schwerin i. M. 1872.
Grundey, M., Königl. Landmesser in Kattowitz. 1894.
Guercke, Stadtrath und Buchhändler in Jauer. 1892.
Günter, A., Dr. med. in Jauer. 1892.
Haake, H., Fabrikbesitzer in Brieg. 1890.
Harttung, Helmuth, Apotheker und Stadtrath in Jauer. 1886
Haupt, C. E., Königl. Gartenbau-Direetor in Brieg. 1890.
Heimann, Max, Dr., Rittergutsbesitzer auf Wiegschütz bei
Cosel OS. 1865.
Heintz, A., Dr., Director in Saarau. 1893.
von Hellmann, Dr. jur., Stadtrath und Rittergutsbesitzer auf
Schloss Dalkau bei Qaritz. 1854.
Mitglieder-Verzeichniss, 27
42. Herr Hennet, Dr. med., Ober-Stabsarzt in Görlitz. 1869.
43.
44,
Herold II., Joh., Rechtsanwalt in Schweidnitz. 1894.
Hermann, Ober-Reg.-Rath u. Eisenbahn-Director in Halle a./S.
1886.
Herrnstadt, Dr. med, in Reichenbach i. Schl. 1892.
Hirche, Apotheker in Landeck. 1881.
Freiherr von Huene, Major a. D. auf Mahlendorf bei Grüben.
1865.
Jäkel, Otto, Dr. phil. in Berlin N. 1887.
Kahlbaum, Dr. med., Direetor der Heilanstalt in Görlitz.
1882.
Karau, 6., Dr. phil. in Inowrazlaw. 1892.
Kauffmann, G., Dr. phil. in Wüstegiersdorf. 1895.
Kauffmann, F,, Fabrikbesitzer in Tanhausen, 1895.
Kauffmann, W., Fabrikbesitzer in Wüstegiersdorf. 1895.
Kepp, Direetor der Zuckerfabrik in Alt-Jauer. 1892.
Knappe, O., Banquier in Jauer. 1892.
Knauer, A., Pfarrer in Pilchowitz. 1881.
Knautke, K., Gutsbesitzer in Schlaupitz, Kreis Reichenbach
i. Schl. 1894,
Koffmane, Gustav, Lic. theol., Pastor in Kunitz. 1881.
Kossmann, Landgerichtsrath in Liegnitz. 1886.
Kramsta, Richard, Rentier in Dresden.
von Kramsta, Georg, Rittergutsbesitzer in Frankenthal. 1880.
Kreuschner, Rudolf, Steuerrath in Frankfurt a. M. 1886.
Krieg, Otto, Fabrikdireetor in Eichberg bei Schildau. 1874.
Kühn, Julius, Dr. phil, Geh. Regierungsrath und Professor in
Halle a. S. 1858,
Kühn, Rechtsanwalt in Jauer. 1892.
Kuntze, A., Apotheker in Hundsfeld. 1894,
Kurella, H., Dr. med., prakt. Arzt in Brieg. 1895.
Kuznitzky, Ernst, Kaufmann in Kattowitz. 1889.
Landsberger, A., Bankier in Kattowitz. 1889.
Langenhan, A., Director in Liesnitz. 1881.
Langner, Dr. med. in Gnadenfrei i. $S. 1891.
Lehmann, Dr., Professor, Director in Kiel. 1884,
Lichtwitz, Dr. med., Kreis-Physikus in Ohlau. 1896.
Limpricht, Dr. pbil. Kartograph in Berlin. 1890.
Lissner, Dr. med., pract. Arzt in Koberwitz. 1894.
Loebinger, Dr. med., Sanitätsrath in Kattowitz. 1889.
Loewy, Dr. med. in Bunzlau. 1893.
Mager, B,, Stadtrath und Kaufmann in Jauer. 1892.
Maiwald, P., dipl. Chemiker in Schwientochlowitz OS. 1894.
96.
101.
102.
103.
104.
105.
106.
107.
: 108.
109,
110.
11j.
Jahresbericht der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur.
Mannigel, Dr. med., Ober-Stabsarzt I. Kl. u. Regimentsarzt
in Glogau. 1888.
Mattheus, Stadtrath, Bankier in Liegnitz, 1886.
Menzel, Bergmeister und Hütten-Direetor in Samuelglück.
1839.
Metke, A., Hütten-Inspector in Baildonhütte bei Kattowitz. 1889.
Michael, Richard, Dr.. phil. in Berlin. 1893.
Müller, General-Major a. D. in Bunzlau. 1893,
Münscher, Dr., Proreetor und Professor in Jauer. 1892.
Neisser, Dr., Sanitätsrath in Berlin W., Matthäikirehstr. 13.
1886.
Neisser, Clemens, Dr. med., Oberarzt a. D. in Leubus. 1889.
Nentwig, Erster Staatsanwalt in Beuthen 08. 1887.
Neutschel, Oskar, Chemiker in Zabrze. 1889,
Noss, Dr. phil., Professor in Jauer. 1892.
Nothmann, Julius, Kaufmann in Kattowitz. 1889.
Nothmann, Max, Kaufmann in Kattowitz. 1889.
Oelsner, Ludwig, Dr. phil., Professor in Frankfurt a. M.
1853.
Oertel, Ottomar, Oberbürgermeister in Liegnitz. 1886.
Ollendorff, Moritz, Kaufmann in Berlin SW., Königgrätzer-
strasse 28. 1889.
Peltasohn, Justizrath, Rechtsanwalt und Notar in Liegnitz.
1886.
Pfeiffer, Dr. phil., Apotheker in Steinau a/O. 1879.
. Philomathische Gesellschaft in Glatz. 1856.
100.
Philomathie in Reichenbach in Schl.
Herr
Presting, A., Apotheker in Domslau. 1893.
Pritsch, Justizrath u. Landschafts-Syndikus in Jauer, 1892.
Se. Durchlaucht der Herzog Victor von Ratibor, Fürst von
Herr
Corvey, Prinz von Hohenlohe-Waldenburg-Schillingsfürst in
Rauden. 1892.
Rapp, Georg, Fabrikdirecetor in Mochbern. 1895.
Reinkober, Dr. med., Königl. Kreis-Physikus in Trebnitz.
1887,
Richters, Dr. phil., Director der chemischen Fabrik in
Saarau. 1874.
Richters, Th., Fabrikdireetor in Woischwitz. 1893.
Rieger, Dr. med. in Brieg. 1892.
Röhricht, W., Justizrath, Rechtsanwalt in Liegnitz. 1886.
Röpell, M., Ober-Regierungsrath und Eisenbahn-Präsident in
Kattowitz. 1888.
Rose, H. Realgymnasial-Professor in Neisse, 1888.
Mitglieder-Verzeichniss. 29
112. Herr Rüdenburg, B., Markscheider in Kattowitz. 1889.
113.
114.
115.
“E16.
Sachs, E., Stadtrath a. D. in Berlin. 1889.
von Salisch, Rittergutsbezitzer auf Postel bei Militsch. 1892.
Schadow, B., Rittergutspächter in Niederhof bei Breslau.
1894.
Freiherr von Schleinitz, Ober-Forstmeister in Liegnitz.
1892.
Schmidt, Dr. med. in Jauer. 1892.
Schmula. Landgerichtsrath a. D. in Oppeln. 1893.
Schneider, Dr., Sanitätsrath in Mogwitz. 18883.
Schöffer, Kaufmann in Liegnitz. 1886.
Scholtz, Kreisthierarzt in Reichenbach in Schl. 1891.
Scholtz Il., W., Lehrer in Jauer. 1892.
Schubert, Richard, Dr. med., prakt. Arzt in Saarau. 1894.
Schüller, P., Dr. med. in Domslau. 1893.
Schumann, Carl, Dr. phil, Custos am Königl. botanischen
Museum in Berlin. 1875.
Schwarz, Fr., Dr., Professor in Eberswalde. 1883.
Schwarz, C., Kaufmann in Liegnitz. 1886.
Seiffert, Dr. med., prakt. Arzt in Brieg. 1895.
Silberstein, Siegfried, Kaufmann in Kattowitz. 1889.
Serlo, W., Berg-Assessor in Charlottenburg. 1893.
Soczachewski, A., Mühlenbesitzer in Liegnitz, 1894.
Sperr, jun., Apotheker in Brieg. 1890.
Stahr, Dr., Sanitätsrath und Rittergutsbesitzer auf Wilxen
bei Obernigk. 1881.
Stoll, G., Königl. Oekonomierath in Proskau. 1866.
Graf von Stosch, Georg, Kreisrichter a. D. auf Hartau bei
Langheinersdorf. 1871.
Strahl, Hauptmann und Lehrer an der Kriegsschule in Anelam
(Pommern). 1888.
Süssbach, Dr. med., Sanitätsrath in Liegnitz. 1886.
von Tempsky, Hermann, Rittergutsbesitzer auf Baara bei
Schmolz. 1872.
Tippel, O., Chefredaeteur in Schweidnitz. 1894. 5
Tornier, Dr. med. in Obernigk. 1892.
Treu, Professor, Director in Potsdam. 1884.
Treumann, Julian, Dr. phil. in Hannover. 1889.
Troska, Albrecht, Dr. jur., Gerichts-Assessor a. D. in Leob-
schütz. 1882.
Unverricht, H., Dr. med., Professor, Director in Magdeburg.
1881,
Völkel, Betriebsführer u. Obersteiger in Schloss Neurode. 1360.
30
_ Jahresbericht der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur.
146. Herr Vogel, Hütten-Inspecetor in Rosdzin OS. 1889.
147.
148.
149.
150.
151.
> w
14.
15,
Voltz, Dr., Seceretair des Berg- und Hüttenmännischen Ver-
eins in Kattowitz. 1889.
Vüllers, A., Güter- und Bergwerks-Director in Paderborn.
1886.
Wache, A., Regierungsrath in Elberfeld. 1889.
Waeber, R., Seminar-Director in Brieg. 1886. |
Websky, Egmond, Dr., Geh. Commercienrath in Wüste-
waltersdorf. 1882.
Weltzel, Augustin, Dr., Geistlicher Rath und Pfarrer in
Tworkau bei Kreuzenort. 1860.
Wilde, Dr., Stabsarzt in Peterswaldau. 1891.
Wohltmann, Dr. phil., Professor in Poppelsdorf. 1892.
Wolf, Amtsgerichtsrath in Bunzlau. 1893.
Zahn, Oberlehrer an der Landwirthschafts-Schule in Brieg.
1890.
Ziolecki, Königl. Baurath in Bunzlau. 1893.
Zwanziger, Eberhard, Fabrikbesitzer in Peterswaldau. 1891.
€. Ehren-Mitglieder.
Beyrich, Dr. phil., Professor, Geh. Bergrath, Direetor der
geologischen Landesanstalt in Berlin.
Bunsen, Dr. phil., Professor, Grossherzogl. Wirkl. Geheim-
rath, Excellenz in Heidelberg.
Dudik, Dr., mährischer Landeshistoriograph in Brünn.
Freund, W. A., Dr. med., Professor in Strassburg i. E.
Fritsch, Dr. med., Professor, Geh. Medicinalrath, Direetor der
geburtshilflichen Klinik in Bonn.
Geinitz, Dr. phil., Geh. Hofrath, Director des u Mine-
ralien-Cabinets in Dresden.
Grützner, Dr. med., Professor in Tübingen.
von Hauer, Franz, Dr., K. K. Hofrath und Intendant des
K. K. naturhistorischen Hof-Museums in Wien.
Heine, Dr., Director der Ritter- Akademie und Domherr in
Brändenbirk a. H.
Hooker, Sir, J. D., Dr. in Bagshot bei ion
Le Tolit Aug., Dr., Diveetor der Soeiete nationale des sciences
naturelles in Cherbourg.
Lister, Sir, Dr., Professor in London.
Menz ei Adolf, Professor, Mitglied des Sehdtes. der Königl.
Alndenie der Künste in Berlin.
von Miaskowski, Dr,, Geh. Hofrath, Professor in Leipzig.
Müller, Carl, Dr. phil. in Halle a. 8.
Mitglieder-Verzeichniss. 31
16. Herr Baron von Müller, Ferdinand, Dr., Gouvernements-Botaniker,
26.
a
. Herr
Direetor der naturhistorischen Erforschungs- Commission für
Australien in Melbourne.
Freiherr von Nordenflycht, Königl. Ober-Präsident der
Provinz Schlesien a. D.
Pringsheim, Dr. phil., Professor, Geh. Regierungsrath in
Berlin.
Baron von Richthofen, Ferdinand, Dr., Professor in Berlin.
Schönwälder, Dr. phil., Professor in Görlitz.
Schwarz, Reichsgerichts-Rath in Leipzig.
v. Staff, genannt v. Reitzenstein, Kgl. General-Lieutenant
a. D., Excellenz, auf Conradsreuth bei Hof in Bayern.
von Trautschold, Dr., Professor, Wirklich russischer,
Staatsrath, Excellenz, in Karlsruhe Baden,
von Uechtritz-Steinkirch, Königl. Kammergerichts-Rath
in Berlin.
Virchow, Dr., Geh. Medieinalrath und Professor in Berlin.
Waldeyer, Dr. med., Geh. Medicinalrath, Professor, Director
der Anatomie in Berlin,
Wattenbach, Dr. phil., Geh. Regierungsrath und Professor
in Berlin.
Willkomm, Dr., Professor, Direetor des botanischen Gartens
in Prag.
Witte, Landgerichts-Präsident in Düsseldorf.
D. Correspondirende Mitglieder.
Abesgs, Dr., Geh. Sanitätsrath, Direetor des Kgl. Hebammen-
Lehrinstituts in Danzig.
Amo y Mora, Don Marianna del, Dr., Professor in Granada.
Ardissone, Francesco, Professor der Botanik an der land-
wirthschaftlichen Akademie und Director des botanischen
Gartens an der Brera in Mailand,
Arzruni, A., Dr. phil., Professor in Aachen.
Ascherson, P., Dr. phil., Professor der Botanik in Berlin.
Agsustin, Wirklicher Geh. Ober-Finanzrath in Karlsruhe.
Freiherr v. Babo, A. W., Director der k. k. oenologischen
und pomologischen Lehranstalt in Klosterneuburg bei Wien.
Bachmann, Dr., Privatdocent in Prag.
Bail, Dr., Professor am Realgymnasium und Direetor der natur-
forschenden Gesellschaft in Danzig.
Bleisch, Dr. med., Kreis-Physikus u. Sanitätsrath in Strehlen.
Blümner, Dr. phil, Professor in Zürich.
Böttiger, Dr. phil., Professor und Hofrath in Erlangen.
Bosshard, Adolf, Präses des Schweizerischen Obst- und
Broca, Dr., Chirurgien des Höpitaux, Professeur aggrege in
Buhse, F., Dr. med., Secretair des naturhistorischen Vereins
Öelakovsky, Ladislav, Dr., Professor der Botanik in Prag.
Claus, Dr., Professor der Zoologie in Wien, Director der
Conwentz, Dr., Professor, Direetor des Westpreussischen
von Döller, Major, Vice-Präses des Karpathen- Vereins in
Dohrn, Anton, Professor, Dr., Direetor der zoologischen Station
Eitner, Robert, Redaeteur der Monatshefte für Musikgeschichte
Freiherr v. Ettingshausen, Const., Dr., Professor in Graz.
Eulenberg, Dr., Geh. Ober-Medicinalrath und vortragender
Rath im Ministerium für geistliche, Unterrichts- und Medi-
Faye, F. C., Dr. med., Professor, Direetor der geburtshilfl.
Klinik, Leibarzt Sr. Majestät des Königs: von Schweden und
Norwegen, Präsident der Societ€E de Medieine in Christiania,
Fiek, E., Apotheker in Cunersdorf bei Hirschberg i. Schl.
Freiherr von Fireks, Königl. Hauptmann a. D., Geheimer
Fischer von Waldheim, Dr., Professor der Botanik und
Freiherr von Friesen, Präses des Landes-Obstbau-Vereins
für das Königreich Sachsen auf Rötha bei Leipzig.
Fritze, R., Gutsbesitzer auf Rydultau bei Czernitz OS,
Gaupp, Dr. med., Professor und Prosector in Freiburg i. B.
32 Jahresbericht der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur.
13. Herr Borzi, A., Dr., Professor der Botanik in Messina.
14. —
Weinbau-Vereins in Pfäffikon bei Zürich.
15. — Briosi, Dr., Professor der Botanik in Pavia.
IH —
Paris,
17. — Bürkli-Ziegler, Stadt-Ingenieur in Zürich.
18. —
in Riga.
19. —
20
zoologischen Station in Triest.
21. —
Provinzial-Museums in Danzig.
22. — Daubre&e, Dr., Mitglied des Instituts in Paris.
23. — Debey, Dr. med. in Aachen.
24, —
Kesmark (Ungarn).
25. —
in Neapel.
26. — Dzierzon, Pfarrer in Karlsmarkt bei Stoberau.
27. —
in Berlin.
28. — d’Elvert, k. k. Finanzrath in Brünn.
29. —
30. —
einal-Angelegenheiten in Berlin. |
3l. — Favre, Alphonse, Dr., Professor in Genf.
82. —
Do
34. —
Regierungsrath in Berlin.
35. —
Director des botanischen Gartens in Warschau.
36. — Fristedt, Dr,, Professor in Upsala.
31. —
38. —
39. —
40. — Gerhardt, Oberlehrer in Liegnitz,
Mitglieder-Verzeichniss. 33
41. Herr Freiherr von Gildenfeld, Präses des Vereins für Garten-
bau für die Herzosthümer Schleswig-Holstein in Kiel.
42. — Görlich, Pfarrer in Liebenthal.
43. — Günther, Siegmund, Dr., Professor, Custos am naturwissen-
schaftliehen Museum, South-Kensington, London.
44. — Guhrauer, Dr. phil., Gymnasial-Direetor in Wittenberg.
45. — Hagen, Dr. phil., Professor in Königsberg.
46. — Hagen, Dr., Professor in Berlin.
47. — Hartig, Robert, Dr., Ober-Forstrath, Professor in München.
48. — Haszlinsky, Dr., Professor in Eperies (Ungarn).
49. — Hellwig, Lehrer in Grünberg in Schl.
50. — Helm, Otto, Stadtrath und Medieinal-Assessor in Danzig.
5l. — Hering, E., Dr. med., Professor in Prag.
52. — Hernando y Espinosa, Don Benito, Dr., Professor in Granada.
53. — Herzog, Dr. phil., Medicinal-Assessor, Apotheker in Braun-
schweig.
54, — Holmgren, Fritbjof, Dr., Professor der Physiologie in Upsala,
55. — Hoyer, Dr., Wirklicher Staatsrath, Professor, Excellenz in
Warschau.
56, — Jühlke, Hofgarten-Director der Königl. preussischen Gärten
in Potsdam.
57. — Kanitz, Dr., Professor, Director des botanischen Gartens in
Klausenburg.
58. — Kenngott, Dr. phil., Professor in Zürich.
59. — Kerner, von Marilaun, Anton, Dr., Professor, Direetor des
botanischen Gartens in Wien.
60. — Kirchner, Dr. phil., Professor in Hohenheim.
61. — Kleefeld, Dr. med., Sanitäfsrath in Görlitz.
62. — Klein, Dr. theol., Pfarrer in Gläsendorf bei Schreibendorf.
63... — Knothe, Dr., Professor am Kadettenhause in Dresden.
64. — Koch, R., Dr. med., Geh: Regierungsrath, Director des Instituts
für Infectionskrankheiten in Berlin.
65. — Köbner, Dr. med., Professor in Berlin,
66. — Kraatz, G., Dr. phil. in Berlin. 2
67. — Kraus, J. B., k. k. Münz- und Bergwesens-Hofbuchhaltungs-
Official in Wien.
68. — Krone, Hermann, Privatdocent der Photographie am Königl.
sächsischen Polytechnikum in Dresden.
69. — Kühne, Dr. med., Geh. Hofrath, Professor in Heidelberg.
70. — Leimbach, Dr., Professor, Director des Real-Gymnasiums
in Arnstadt i. Thür.
71. — Lichtheim, Dr. med., Professor in Königsberg.
72. — Lindner, Dr. phil., Professor in Halle,
100,
101.
102.
103.
104,
105.
106.
—
Jahresbericht der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur.
. Herr Litten, Dr. med., Professor in Berlin.
Lutter, R., Dr., Professor, Director der Sternwarte in
Düsseldorf.
Meyer, Alexander, Dr. jur. in Berlin.
Müller-Strübing in London.
Nawrocki, Dr., Professor in Warschau.
Neubert, Wilb., Dr. phil. in Stuttgart.
Neugebauer, Dr. med., Professor in Warschau.
Neuland, Königl. preuss. Oberst a. D. in Berlin.
Neumann, Dr. med., Kreis-Physikus in Berlin.
Niederlein, Gustav, Inspeetor in Buenos-Aires, Argentinien.
Nothnagel, Dr., Hofrath, Professor in Wien.
Orth, A., Dr. phil., Professor in Berlin.
Penzig, Dr. phil., Professor und Direetor des botanischen
Gartens und des Instituts Henburg in Genua.
Petzold, Dr. med., Wirklicher Staatsrath und Professor,
Excellenz in Dorpat.
Pinzger, Dr., Gymnasial-Direetor in Saalfeld.
Pistor, Dr., Regierungs- und Medicinalrath in Frankfurt a. O.
Rayer, Dr. med., Membre de I’Institut et de l’Academie de
Me&deeine, President de la Societe de biologie in Paris,
Saeccardo, P. A., Professor der Botanik in Padua.
von Sachs, J., Dr., Geh. Hofrath, Professor, Director des
botanischen Instituts in Würzburg.
Sadebeck, R., Dr., Professor in Hamburg,
Sandberger, Fridolin, Dr., Professor in Würzburg.
Saussure, Henri, Dr., Professor in Genf.
Schöbel, Pfarrer in Ottmuth bei Gogolin.
Schomburg, R., Professor, Director des botanischen Gartens
in Adelaide (West-Australien).
Schultz, Alwin, Dr, phil., Professor in Prag.
Schwendener, Dr. phil., Professor in Berlin.
Sonderegger, Dr., Sanitätsrath in St. Gallen.
Sorauer, Dr. phil., Professor in Proskau.
Stache, Dr., k. k. Bergrath und Reichsgeologe in Wien.
Stevenson, J. J., Professor an der Universität New-York.
Strähler, Fürstlicher Oberförster a. D., Jauer,
Stur, k. k. Ober-Bergrath und Director der k. k, geologischen
Reichsanstalt in Wien.
von Tichatscheff, Kaiserlich russischer Kammerkerr in
Paris.
Temple, Rudolf, Bureau-Chef der General-Assecuranz in
Budapest.
Mitglieder-Verzeichniss. 35
107. Herr Tietze, Dr. phil., Reichsgeologe in Wien.
108.
102.
110,
LIT.
112.
113.
114.
lan
116,
IeIer.
118.
161,9.
120.
121.
122.
123.
Tschackert, Dr., Professor in Halle.
Verneuil, Chirurgien des Höpitaux, Professeur agrege in
Paris,
Wartmann, Dr., Director in St. Gallen.
Weeber, k. k. Landes-Forstinspector und Forsttaxator in
Brünn.
Wegehaupt, Gymnasial-Oberlehrer in Gladbach.
Weigert, Carl, Dr. med., Professor in Frankfurt a. M.
Weniger, Dr., Gymnasial-Direetor in Weimar.
Wetschky, Apotheker in Gnadenfeld OS.
Wilekens, Dr. med., Professor an der Hochschule für Boden-
cultur zu Wien.
von Wilmowsky, Geh. Justizrath in Berlin.
Wiesner, Dr., Professor und Director des pflanzenphysio-
logischen Instituts der Universität in Wien.
Wittiber, Dr., Professor, Secretair der Philomathie in Glatz.
Wittmack, Dr., Geh. Regierungsrath, Professor, Custos des
landwirthschaftlichen Museums in Berlin.
Wittrock, Dr., Director des Reichsmuseums in Stockholm.
Wood, Dr., Professor, Präsident der Philosophical Society
in Philadelphia.
Freiherr von Zigno, Achilles, Podesta von Padua.
BEL
Verzeichniss
der
Mitglieder der Section für Obst- und Gartenbau.
Seeretair: Herr Geh. Justizrath O. Biernacki.
Stellvertreter: Herr P. Hoelscher, königl. Garten-Inspeector.
Verwaltungsvorstand: Herren Apotheker Mortimer Scholtz, Verlags-
buchhändler Max Müller, Kunstgärtner J. Schütze.
A. Einheimische.
1. Herr Agath, G., Kaufmann und Mitinhaber der Firma A. Friebe,
aa rom
Hummerei 18.
Beuchel, Jos., Obergärtner, Schweidnitzerstr. 37.
Biernacki, O., Geh. Justizrath, Monhauptstr. 18.
Blottner, Königl. Kanzlei-Rath a. D., Neue Junkernstr. 4b.
Brieger, Kunst- und Handelsgärtner, N. Tauentzienstr. 33/34.
Cohn, F,, Dr. phil. et med., Geh. Regierungsrath, Professor,
Director des pflanzenphysiologischen Instituts, Tauentzien-
strasse 3a,
Eckhardt, W., Kaufmann und Stadtrath, Albrechtsstr. 37.
Ehrlich, Eugen, Kaufmann und Fabrikant, Schweidnitzer-
stadtgraben 16. i
Erbe, Joh., Friedhofsverwalter, Oswitzer Chaussee.
Frank, H., Rentier, Kaiser Wilnelmstr. 93.
Franke, L., Kunst- und Handelsgärtner, Neue Graupenstr. 10.
Friedländer, $., Hofbäckermeister, Ohlauerstr. 39.
Goldschmidt, M. L., Fabrikbesitzer, Freiburgerstr. 24.
Grüttner, O., Kaufmann, Ring 41. |
Guillemain, F., Kunst- und Handelsgärtner, Michaelisstr. 5.
Haber, Siegfr., Kaufmann, Neuegasse 13a.
Hanke, G., Eisenbahn-Betriebs-Secretair, Neue Junkerstr. 4a.
Heinrich, Th., Kaufmann, Alexanderstr. 22.
Heinze, E., Kunstgärtner, Parkstr. 37a.
Hoelscher, P,, Garten-Inspector im botanischen Garten.
Hulwa, F., Dr. phil,, vereideter Chemiker, Tauentzienstr. 68.
Jeschke, Carl, Landschaftsrath a. D., Klosterstr. 31.
Mitglieder-Verzeichniss. 37
23. Herr Junger, H., Kunst- und Handelsgärtner, Lehmdamm 34.
24.
25.
26.
Zul.
28.
29.
30,
31.
32.
38.
34.
35.
36.
37,
88.
39.
40.
41.
42,
43.
44,
45.
46.
47.
48.
49,
50.
91.
52.
.53.
54.
95.
56.
97
—
Kärger, C. H. L., Kaufmann, Nikolaistadtgraben 24,
Kiekheben, Verwalter des städt. Schulgartens in Scheitnig.
Kopisch, Stadtrath und Kaufmann, Ernststr. 7.
von Korn, H., Stadtrath und Verlags-Buchhändler, Schweid-
nitzerstrasse 47.
von Korn, P., Rittergutsbesitzer, Tauentzienstr. 85.
Kraft, Arndt, Obergärtner im zoolog. Garten.
Kutzleb, Dr. phil., General-Seceretair des Landwirthschaftlichen
Centralvereins, Matthiasplatz 6.
Lange, Rud., Partieulier, Victoriastr. 12,
Marx, H., Canonieus, Domstr. 5.
Graf Matuschka, Königl. Forstmeister a. D., An der Kreuz-
kirche 4. Be
Menzel, A., Garten-Ingenieur, Gartenstr. 61.
Milch, B., Commissionsrath und Director, Holteistr. 44,
Milch, H., Stadtrath, Tauentzienplatz 12.
Möslinger, O., Partieulier, Tauentzienstr. 37.
Mrosowsky, (C., Kunstgärtner, Friebe’scher Eiskeller,
Höfchenerweg.
Müller, Max, Verlagsbuchhändler, Teichstr. 8.
Mündel, Erd., Rittergutsbesitzer, Kronprinzenstr. 38.
Nagel, C., Handelsgärtnereibesitzer, Lohestr., Nagelhaus.
Neddermann, C., Kaufmann u, Fabrikant, Am Rathhause 15.
Pax, Dr.. Professor, Director des botanischen Gartens, An der
Kreuzkirche 3.
Pförtner v. d. Hölle, R., Generallandschafts- Repräsentant,
Rittmeister a. D., Augustastr 49.
‚Promnitz, F., Dr. phil., Fabrikbesitzer, Tauentzienstr. 66.
Graf von Pückler, Wirklicher Geheimer Rath, Excellenz,
General-Landschafts- Director, Königlicher Kammerherr und
Ober-Mundschenk.
Ranft, A., Handelsgärtnereibesitzer, Bohrauerstrasse.
Richter, H., städtischer Garten-Inspector, Breitestr. 25.
Richter, Bruno, Kunsthändler, Schloss-Ohle 1/3.
Riemann, Paul, Kaufmann, Kupferschmiedestr. 8.
Rosen, Dr. phil., Privatdocent, Kleine Domstr. 7.
Sachs, E., Stadtrath a. D., Tauentzienstr. 74.
Schmeisser, Garten-Ingenieur, Schillerstr. 14.
Schmidt, A., Kaufmann, Klosterstr. 74,
Scholtz, M., Apotheker, Paulstr. 36.
Sehütze, J., Obergärtner, Tauentzienstr. 86/88.
Seidel, H., Kaufmann, Thiergartenstr. 29.
Pe oo
I. —
10. —
Jahresbericht der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur.
' Seidel, H., Landschaftsgärtner, Friedrich-Carlstr. 36.
Senzky, W., Kunst- und Handelsgärtner, Maxstr. 32a.
Stoll, G., Oekonomierath, Monhauptstr. 6
Szmula, Ziegeleibesitzer in Grüneiche.
Techell, B., Kaufmann, Tauentzienstr. 78.
v. Wallenberg-Pachaly, G., Banquier, Consul von Schweden
und Norwegen, Kaiser Wilhelmstr. 112,
Weidemann, Franz, Kaufmann, Kaiser Wilhelmstr. 45.
Winkler, F., Raths-Maurermeister, Bismarckstr. 20.
Wiskott, Th., Commerzienrath, Ohlauufer 6.
Wolff, P., Kaufmann, Klosterstr. 86.
Wolff, Hugo, Director, Forekenbeckstr. 8.
Zwiceklitz, V., Fabrikdireetor, Gräbschnerstr. 3.
B. Auswärtige.
Aderhold, Dr. phil. in Proskau O8,
Behnsch, R., Baumschulenbesitzer in Dürrgoy bei Breslau.
Bretzel, Obergärtner in Hartlieb bei Breslau.
Bürgel, Fürstlicher Garten-Direetor in Schloss Wittgenstein
bei Bacau in Rumänien.
Freiherr von Czettritz-Neuhaus, Landesältester, Land-
schafts-Direetor auf Kolbnitz bei Jauer.
Eichler, ©., Königl. Garten-Inspector, Stadtrath a. D. in
Grünberg i. Schl. |
Fischer, Obergärtner in Glogau.
Fitzner, W. Fabrikbesitzer in Laurahütte OS.
Galle, C., Kunst- und Handelsgärtner in Trebnitz,
ee " Lehrer und Cantor in Bahnhof Kohlfurt.
11. Gartenbau- ee in Ratibor.
12. Herr
13. —
14. —
15. —
Ve,
18. —
19. —
Gireoud, H., Garten-Direcetor in EN
Goy, 8. E., Kaufmann in Pitschen.
Graf von Harrach, E., auf Klein-Kriehen bei Lüben.
Haupt, C. E., Königl. Gartenbau-Direetor in Brieg.
Heimann, M., Dr., Rittergutsbesitzer in Wiegschütz bei
Cosel OS.
Reichsgraf zu Herberstein, $., Freiherr v. Neuberg und
Guttenhaag, k. k. Kämmerer u. s. w. zu Gratz, auf Grafen-
ort bei Habelschwerdt.
Hiller, F. H., Lehrer in Brieg,
Graf von Hochberg, B., auf Rohnstock.
20. Se. Durchlaucht Hugo Fürst zu Hohenlohe-Oehringen, Herzog
von Ujest auf Slawentzitz,
Mitglieder-Verzeichniss. 39
21. Herr Kambach, Rechnungsrath in Görlitz.
22.
23.
24.
25
27.
28.
2
30.
31.
32,
33.
34.
3.
36.
51.
92.
Kittel jun., Obergärtner in Eckersdorf,
Klings, P., Hoflieferant in Berlin, Unter den Linden 19,
Klose, F., Baumschulenbesitzer in Spalitz bei Oels.
. Fräulein v. Kramsta, M,, Mittergutsbesitzerin auf Muhrau bei Striegau.
26. Herr Kühnau, W., Kunstgärtner in Damsdorf bei Kuhnern.
Lauterbach, Dr., Rittergutsbesitzer in Stabelwitz bei Deutsch-
Lissa.
Leschick, F., Fabrikbesitzer in Schoppinitz.
von Lieres und Wilkau, Rittergutsbesitzer auf Pasterwitz
bei Wangern.
von Lieres und Wilkau, Rittergutsbesitzer auf Gnichwitz
bei Canth.
Löw, G., Apotheker in Stroppen bei Gellendorf.
Malke, Paul, Obergärtner in Leuthen bei Deutsch-Lissa.
Methner, P,, Kaufmann und Fabrikbesitzer in Landeshut in
Schlesien.
Müller, O., Superintendent in Michelau bei Böhmischdorf.
Nitschke, Rittergutsbesitzer in Girlachsdorf bei Nimptsch,
von St. Paul, Corvetten-Capitain z. D., Hofmarschall in
Fischbach in Schl.
Peicker, W., Hofsärtner in Rauden OS.
Plosel, .J., Obergärtner in Falkenberg OS.
Graf von Praschma auf Schloss Falkenberg OS.
von Prittwitz und Gaffron auf Moisdorf bei Jauer.
Radler, Landesältester und Kreisdeputirter in Polnisch-Jägel
bei Strehlen.
Graf v. d. Recke-Volmerstein, Rittmeister, Landesältester
und Generallandschafts-Repräsentant auf Kraschnitz.
Gräfin Reichenbach, geb. Gräfin Bethusy-Huc, zu Festenberg.
Reil, Rittergutspächter in Chorulla bei Gogolin,
v. Reinersdorf-Paczensky, Rittmeister a. D., Majoratsherr
‚auf Ober-Stradam bei Stradam.
Rother, Garten-Director in Striesewitz bei Lissa (Posen).
Sachs, P., Rittergutsbesitzer in Wiltschau bei Rothsürben,
von Salisch, Rittergutsbesitzer auf Postel bei Militsch.
Graf Schack von Wittenau, A., gen. Graf von Dankel-
mann, in Beuthen a. OÖ,
Graf von Schlabrendorf und Seppau, Erb-Ober-Land-
baumeister, Majoratsherr auf Seppau bei Quaritz.
Schnabel, R., Baumschulenbesitzer in Ohlgut bei Münsterberg,
Stahr, Rittergutsbesitzer, prakt. Arzt, Dr. med, in Wilxen bei
Obernigk,
40 Jahresbericht der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur.
53. Herr Stefke, A., Apotheker in Lissa bei Breslau.
54, — Stephan, J., Vorsteher der Provinzial-Gärtner-Lehranstalt in
Koschmin, Posen.
55. — Stern, Baumschulenbesitzer in Dürrgoy bei Breslau.
56. — Stittner, H., Kunstgärtner in Cammerau bei Schweidnitz.
57. — Streubel, W., Kunst- und Handels-Gärtner in Hassitz bei
Glatz.
58. — Sutter, A., Landes-Bauinspeetor, Hauptmann a. D., Schweidnitz.
59. — Teicher, P., Kunst- und Handelsgärtner (in Firma G. Teicher)
in Striegau.
60. — von Tempski, H., Rittergutsbesitzer auf Baara bei Schmolz.
61. — Töpffer, C., Kaufmann in Maltsch a. O.
62. — Tripke-Ellsnig, Rittergutsbesitzer in Rzegnowo bei Gnesen.
63. — Tschaplowitz, Dr. phil. in Proskau.
64. Löbliche Verwaltung des von Lestwitz’schen Fräulein-Stiftes in
j Tschirnau bei Reisen.
65. Herr Wagner, Dr. med. in Stadt Königshütte..
66. — von Weallenberg - Pachaly, C., Rittergutsbesitzer auf
Schmolz.
67. — Walther, Stadtrath a. D. und Rittergutsbesitzer auf Eisenberg
bei Strehlen.
68. — Websky, E., Dr. phil., Geh. Commercienrath in Wüstewalters-
dorf.
69. — Weikert, Pastor in Gross-Wandriss bei Mertschütz.
70. — Weinhold, E., Kunst- und Handelsgärtner in Hirschberg.
71. — Freiherr v, Welczek, B., Kaiserl. Legations-Secretair a. D.,
Majoratsherr auf Laband OS.
72. — Werner, F., Bergverwalter in Myslowitz.
73. — von Zawadzky, F., Landesältester auf Jürtsch bei Canth.
Sections-Versammlung in der Regel am zweiten Montage jeden Monats
Abends um 7 Uhr.
Die‘ resp. Mitglieder dieser Section ersucht der Secretair dringend, ihm
etwaige Veränderungen ihres Wohnortes anzuzeigen.
Wanderversammlung
der
Schlesischen Gesellschaft für vaterländische Cultur
zu Schweidnitz
Sonntag, den 30. Juni 1895.
Während die Vaterländische Gesellschaft in den letzten Jahren ihre
sommerlichen Wanderfahrten nach entfernteren Orten, wie Bunzlau und
Hirschberg, unternommen hatte, war für den 30. Juni dieses Jahres eine
näher gelegene Stadt als Ziel des Ausfluges erkoren worden, Schweidnitz,
die durch ihren ‚‚Schöps‘ altberühmte, in das fruchtreiche grüne Hügel-
selände zwischen Zobten und Eulengebirge so anmuthig gebettete ehe-
malige Residenz piastischer Herzöge und frühere starke Festung des
grossen Königs, welche nun, ihres Mauerkranzes entkleidet, in ge-
deihlichster Entwickelung aufblüht als eine Zierde des Schlesierlandes.
Es war eine recht stattliche Schaar von Mitgliedern der Gesellschaft
und Gästen — zusammen wohl gegen 80 — die sich am Sonntag früh
gegen 9 Uhr auf dem Freiburger Bahnhofe zur gemeinsamen Reise ver-
einigte und bei der Ankunft auf dem Schweidnitzer Bahnhofe um 10°/, Uhr
von dem schon Tags zuvor dort eingetroffenen Präses, Geheimen
Medieinalrath Professor Dr. Heidenhain, und dem Ortscomite, dem die
Herren Erster Bürgermeister Thiele, Bürgermeister Philipp, Stadt-
verordnetenvorsteher Barchewitz, Gymnasialdireetor Dr. Monse,
Öberstlieutenant z. D. Otto, Prof. Dr. Rost, die Stadträthe Wahren-
holz, Juncker und Franeisei sowie die Rechtsanwälte-Kassel und
Herold II. angehörten, mit herzlicher Begrüssung empfangen wurde.
Zunächst begab man sich über den mit hübschen Anlagen geschmückten
Wilhelmplatz nach der nahen Braucommune, um in deren grossem,
schattigem Garten bei den Klängen der gerade dort concertirenden tüch-
tigen Stadtcapelle das zweite Frühstück einzunehmen. Bei der sengen-
den Gluth mundete das kühle, nach böhmischer Art ausgezeichnet ge-
braute Bier vortrefflich. Der kurze Weg nach dem Hause der Loge
„Zur wahren Eintracht“, in dessen mit Büsten und Bildern geziertem Saale
die wissenschaftliche Sitzung gegen 11'/, Uhr begann, gab den Bres-
43 Jahresbericht der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur.
lauer Gästen, zu denen sich noch Vereinsgenossen aus Jauer und Liesnitz
gesellt hatten, Gelegenheit, einen Theil der an Stelle der abgetragenen
Festungswerke erstandenen neuen, breit angelegten und mit geschmack-
vollen Gebäuden besetzten Sirassenzüge kennen zu lernen. In dem
geräumigen Logensaale hatte sich schon eine beträchtliche Zahl von
einheimischen Zuhörern, darunter auch mehrere Damen, eingefunden, so
dass die Redner eine recht ansehnliche Corona vor sich hatten. Nach-
dem der Präses der Gesellschaft, Geh. Rath Heidenhain, die Sitzung
eröffnet hatte, hiess Erster Bürgermeister Thiele die Mitglieder dieser
so hochgeschätzten wissenschaftlichen Vereinigung namens der Stadt und
des Comites in warmen Worten willkommen in den Mauern von
Schweidnitz. Der Vorsitzende dankte ebenso herzlich und bemerkte
dabei, man werde sich vielleicht darüber wundern, dass die Gesellschaft
bei der Bestimmung ihrer Versammlungsorte bisher stets an Schweidnitz
vorbeigegangen sei, während sie doch viel weiter entfernte Städte schon
besucht habe. Der Grund dafür sei die Befürchtung des Präsidiums
gewesen, Schweidnitz werde, da es den Breslauern schon so bekannt
und vertraut sei, nicht.mehr genügende Anziehungskraft ausüben; diese
Annahme aber habe sich als durchaus irrig erwiesen, denn als in diesem
Jahre als Ziel des Ausfluges neben Glogau und Oppeln auch Schweidnitz
genannt worden sei, habe dieser Vorschlag allseitigen Beifall gefunden,
und die grosse Zahl der heute Erschienenen beweise, dass man die
richtige Wahl getroffen habe. Eine wissenschaftliche Gabe den Mit-
gliedern darzubringen, wie es sonst wohl meist geschehen, war der
Präses leider diesmal nicht in der Lage, denn Prof. Dr. Josef Partsch,
der die Zusammenstellung der auf die Landes- und Volkskunde
von Schlesien bezüglichen literarischen Erscheinungen übernommen
hat, ist durch andauernde Krankheit verhindert gewesen, den schon bis
zur vorjährigen Versammlung in Hirschberg ershienenen ersten beiden
Heften nunmehr das dritte folgen zu lassen. Auch der 72. Jahresbericht
für 1894 hat die Presse noch nicht verlassen, |
Geh. Rath Heidenhain übertrug nunmehr den Vorsitz an den
Ersten Bürgermeister Thiele und berief die Herren Geh, Reg.-Rath
Professor Dr. Cohn und Geh. Bergrath Althans aus Breslau sowie
Gymnasialdireetor Dr. Monse und Oberstlieutenant Otto aus Schweidnitz
zu Beisitzern im Tagespräsidium. Von den angemeldeten sieben Vor-
trägen hielt den ersten Oberlehrer Dr. Worthmann aus Schweidnitz,
der in kurzen knappen Zügen, dabei aber klar und anschaulich, die in
‘ vier Abschnitte zerfallende Geschichte der Stadt Schweidnitz
schilderte; zum Schlusse wies er darauf hin, dass dem in der neueren ,
Zeit so kräftig emporgediehenen Gemeinwesen nur eines noch fehle,
ein Denkmal, das eine sichtbare Erinnerung bilde an die weltbewegenden
Thaten der jüngsten Vergangenheit, und gab der zuversichtlichen Hoff-
Wanderversammlung. 43
nung Ausdruck, dass unser Jahrhundert nicht zu Ende gehen werde,
ohne dass des Ehrenbürgers von Schweidnitz, des grossen Schlachten-
denkers Moltke, hehre Gestalt sinnenden Auges vom Postamente nieder-
blicke, den kommenden Geschlechtern eine Mahnung an die grosse Zeit
der Entstehung von Kaiser und Reich.
Als zweiter Redner sprach Professor Dr. Frech über Erdbeben,
wobei er besonders Ursache, Ausdehnung und Wirkung des Erdstosses,
der am 11. Juni d. J. das Sudetengebiet betroffen hat, eingehend erörterte.
Geh. Medieinalrath Professor Dr. Ponfick behandelte sodann die trei-
benden und hemmenden Kräfte des Wachsthums in unserem Orga-
nismus, und Professor Dr. Ahrens führte einige neue Beleuchtungs-
arten vor, vornehmlich das Acetylengas und die Spiritusglühlichtlampe.
In dem fünften Vortrage erörterte Geh. Medicinalrath Professor Dr.
Mikuliez die Bedeutung der Schilddrüse für den gesunden und
kranken Menschen, die Kropfbildung und den Cretinismus, die beide
in einer anormalen Function bezw. dem Fehlen jenes Organes ihren
Ursprung haben. Dann erklärte Professor Dr. Born an vergrösserten
genauen Abbildungen die von ihm erzielten, höchst sonderbaren Ver-
wachsungen von Thieren und zwar von Larven des Wasser- und des
Grasfrosches. Schliesslich sprach Professor Dr. Hermann Cohn über
Verhütung der Blindheit mit besonderer Berücksichtigung der so
überaus gefährlichen, aber leicht zu verhindernden Augenentzündung
Neugeborener.
Sämmtliche Vorträge, von denen die meisten durch Demonstrationen,
Präparate, Bilder und Karten erläutert wurden, waren ausserordentlich
interessant und ernteten lebhaften Beifall.
Nachdem der Vorsitzende namens der Anwesenden allen Rednern
den wohlverdienten Dank abgestattet und sodann die Sitzung geschlossen
hatte, kehrte man zur Braucommune zurück, in deren schönem, luftigem,
mit Laubgewinden und dem Stadtwappen geschmücktem Saale das
Mittagmahl eingenommen werden sollte. Es waren dazu vier lange
Tafeln hergerichtet worden, die am oberen Saalende quer gestellte
Präsidialtafel und drei Längstafeln; neben jedem Gedeck lag die Tisch-
karte, auf deren erster Seite das in Farben sauber ausgeführte Stadt-
wappen prangte, welches im ersten und vierten Felde eine goldene
Krone in Schwarz, im zweiten einen rothen Greifen in Silber und im
dritten, als redendes Zeichen, ein schwarzes Schwein auf silbernem
Grunde zeigt. Die Speisenfolge wies sieben Gänge auf, die sämmtlich
' sehmackhaft zubereitet waren und in gefälliger Anrichtung dargeboten
wurden. Da der Präses in weiser Vorsicht die Reihe der Trinksprüche
ziemlich spät eröffnete, konnte deren Zahl nicht, wie es sonst leider
so oft geschieht, ins Unendliche wachsen. Geh. Rath Heidenhain
widmete sein Glas dem Kaiser und Könige in einem formvollendeten,
44 Jahresbericht der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur.
geistvollen Toast. Als er am Morgen durch das Rasseln der Trommeln
auf der Schweidnitzer Hauptwache erweckt worden sei, habe dieser
kriegerische Klang seine Gedanken auf den grossen Preussenkönig ge-
lenkt, der Schlesien seinem Staate einverleibt und dadurch vielleicht
vor schwerem Unheil bewahrt habe. Auf einer Pfingstwanderung über
den Kamm des Riesengebirges sei ihm ein merkwürdiger Gegensatz
aufgefallen. Auf der preussischen Seite habe das prächtige Thal mit
seinen schmucken Städten und Dörfern in hellem Sonnenschein klar da-
gelegen, drüben auf der österreichischen aber sei die Tiefe mit dichtem,
finsterem Gewölk erfüllt gewesen, welches das Böhmerland den Blicken
völlig entrückt habe. Und ein ähnlicher Contrast zeige sich in der
Lage der Deutschen, die da unten wohnen. Hier in Preussen schirme
die starke Hand des königlichen Friedensfürsten deutsche Sitte und
deutsche Art, hier winke der deutschen Bevölkerung in gedeihlicher
Entwickelung eine lichte Zukunft; dort in Böhmen laste auf dem
Deutschen ein düsteres Geschiek, dort sei er in seinem wirthschaftlichen
und geistigen Fortschritt gehemmt, ja kaum noch geduldet. Vor einem
solchen Schicksal habe Friedrichs des Grossen That unser Schlesien
gerettet und seine Nachfolger haben das Werk, das er begonnen, fort-
gesetzt in treuer Fürsorge für das Wohl unserer Heimath, nicht am
wenigsten unser regierender Herr, dem das erste Glas geweiht sein
solle. Mit Begeisterung stimmten alle Theilnehmer an dem Festmahle
in den Hochruf ein. Im Anschlusse daran wurde das erste der von
unbekannter Hand gespendeten prächtigen Tafellieder, „An den Zobten“
betitelt, gesungen, wobei ein Tischgenosse die Begleitung auf dem Clavier
vorzüglich ausführte. Der zweite Toast, von Geh. Rath Cohn in
bekannter humorvoller Art ausgebracht, galt der Stadt Schweidnitz, die
von alten Zeiten her stets mit Breslau in engster Beziehung gestanden,
deren streitbare Bürgerschaft manchen blutigen Strauss gegen die Land-
beschädiger gemeinsam mit den Mannen Breslaus ausgefochten und dann
nach errungenem Siege mit diesen in Schöpsbier Brüderschaft getrunken
habe. Die Vaterländische Gesellschaft sei noch durch ganz besondere
Beziehungen mit Schweidnitz verknüpft, denn hier habe eine ältere
Schwester von ihr bestanden, die Oekonomisch-patriotische Societät, die
in Jauer noch heute fortlebt. Erster Bürgermeister Thiele dankte
und trank seinerseits auf die Schlesische Gesellschaft für vaterländische
Cultur. Staatsanwalt Dr. Keil aus Breslau gedachte in seiner dem
Ortsausschusse, der so trefflieh für die gute Aufnahme der Gäste gesorgt
- hatte, gewidmeten Tischrede des grössten Sohnes von Schweidnitz, des
Schöpfers unseres Landrechtes, Svarez, und Oberstlieutenant Otto for-
derte, an den Schluss des Vortrages von Dr. Worthmann anknüpfend,
die Anwesenden auf, für das geplante Moltkedenkmal ein Scherflein
beizutragen; die sofort vorgenommene Sammlung ergab die ganz erkleck-
liche Summe von einigen achtzig Mark.
Wanderversammlung. 45
Schon während des Essens, das etwa eine Stunde länger dauerte,
als im Programm vorgesehen war, hatte draussen der Donner eines
heftigen Gewitters gegrollt, und als man die von ihren Eigenthümern
mit liebenswürdiger Bereitwilligkeit zur Verfügung gestellten Landauer
bestieg, um nach Creisau hinauszufahren, fielen schwere Tropfen aus
dem tief herabhängenden, dunkelgrauen Gewölk. Doch liess man sich
dadurch den Genuss der herrlichen Fahrt in der erheblich abgekühlten
Luft nicht verkümmern, und prächtig war der Blick auf die dunkel-
blauen Bergzüge, den Zobten mit den Költschenbergen zur linken und
die langgestreckte Eulenkette zur rechten Hand, die sich hinter dem
sanft gewellten Vorlande anscheinend fast greifbar nahe erhoben. Auf
der Rampe des äusserlich sehr einfachen Schlosses Creisau, die von zwei
französischen Geschützen flankirt wird, empfingen Graf und Gräfin
Moltke sowie Major Freiherr von Schuckmann von den Leib-
kürassiren die Gäste und geleiteten sie in die inneren Räume, wo die
zahllosen, theils auf Postamenten aufgestellten und an den Wänden
hängenden, theils in Schränken geborgenen Ehrengaben — Reiter-
standbilder, Porträts, Adressen, Ehrenbürgerbriefe u. s. w. — welche
dem verewigten Marschall von seinen dankbaren Königen und Kaisern,
von deutschen Fürsten und Waffengefährten, von Städten und einzelnen
Personen verehrungsvoll dargebracht worden sind, besichtigt und be-
wundert wurden. Von den Zimmern, die der Feldmarschall bewohnt
hat, sind einige, wie das Rauchzimmer, nicht mehr in dem alten Zu-
stande; das schlichte Schlafgemach aber ist noch vollkommen so einge-
richtet wie zu Lebzeiten Moltke’s. Da steht neben dem Bett auf dem
Nachttische noch die Perrücke, die er zu tragen pflegte; in den Ecken
neben dem breiten Fenster hängen die mit Widmungsinschriften be-
druckten Bänder und Schleifen zahlreicher Kränze. In die Wand des
Treppenhauses ist jene kostbare Erztafel eingelassen, welche die
deutschen Städte dem grossen Strategen bei seinem 90. Geburtsfeste
zum Geschenk gemacht haben. Der Freund alter, stilgerechter Möbel findet
in der Einrichtung des Schlosses vieles Schöne, besonders aus der
Rococozeit; eine grosse Vase aus Meissener Porzellan ist ein wahres
Prachtstück von feinster Ausführung. Doch nicht so lange, wie man es-
wünschte, konnte man in dem an vaterländischen Erinnerungen so
reichen Schlosse verweilen, denn draussen harrten die Wagen zur Fahrt
durch den weit gedehnten Park. Mit diesem hat sich Moltke selbst ein
Denkmal gesetzt, hier hat sein mit einem innig empfindenden Feingefühl
für die Reize der Natur begabter Geist schöpferisch gewaltet. Die
meisten der Bäume sind nach seiner Anordnung und unter seiner Auf-
sicht gepflanzt, die vielverschlungenen, auf- und niederführenden Pfade
nach seinem Plane angelegt. Ein Theil des Parkes liegt auf dem
rechten hohen Ufer der Peile; hier bieten sich entzückende Fernsichten
46 Jahresbericht der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur.
hinüber zur hohen Eule mit ihrem Thurme, und hier oben erhebt sich
auch auf einem freien, von Fichten umrauschten Platze ein kleiner
Ziegelrohbau im Rundbogenstil, die stille Gruft, in der zu Füssen von
Thorwaldsen’s Christus neben dem Marschall, an dessen Sarge vorn die
Kränze des Kaiserpaares und des Generalstabes liegen, seine Gattin und
seine Schwester, Frau von Burt, die letzte Ruhestätte gefunden haben.
Schauer heiliger Andacht erfüllen den Besucher dieses geweihten Ortes,
um den der Geist des Verklärten noch zu schweben scheint.
Von dem Parke aus erfolgte die Weiterfahrt nach Take dene
wo man bei einem Glase Bier noch beisammenblieb, bis der 9 Uhr-
Zug die Gäste .nach Königszelt zurückführte, von wo die Breslauer
Herren theils mit dem Sonderzuge, theils mit dem Hirschberger Schnell-
zuge die Heimreise antraten.
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schlesische Gesellschaft für vaterländische Cultur.
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73. I. Abtheilung.
Jahresbericht. Mediein.
1895. a. Medieinische Section.
&c NZ 240
Sitzungen der medicinischen Section im Jahre 1895.
1. Sitzung vom 4. Januar 1895.
Vorsitzender: Herr Geh. Rath Ponfick. Schriftführer: Herr Dr. Tietze.
Tagesordnung:
Herr Professor Hirt: Bericht über die Sachverständigen-Gutachten
in dem Münchener Schwurgerichts-Processe Czynski.
Der Vortrag wird an anderer Stelle veröffentlicht werden.
2. Sitzung vom 11. Januar 1895.
Vorsitzender: Herr Geh. Rath Mikulicz. Schriftführer: Herr Dr. Kaufmann.
Vor der Tagesordnung.
Der Herr Vorsitzende bittet die Anwesenden, zur Ehrung des Ge-
dächtnisses des gestern verstorbenen Herrn Professor Gottstein sich
von den Sitzen zu erheben. Dies geschieht.
Tagesordnung:
1) Herr Dr. Oppler:
Der Mageninhalt beim Carcinoma ventrieuli. ')
Ich möchte hier einige Thatsachen berichten, welche mir bei der
Untersuchung zahlreicher Mageninhalte von careinomatösen Mägen — wozu
ich in meinem früheren Wirkungskreise sehr reiche Gelegenheit hatte —
aufgefallen sind. An und für sich genommen würden diese Dinge viel-
leicht wenig bedeuten, aber zusammengehalten mit anderen Erscheinungen
sind sie doch recht wichtig. Und da ich Werth darauf lege, sie Ihnen,
m. H., in diesem Rahmen vorzuführen, so möchte ich mir erlauben,
gleichzeitig den jetzigen Stand der Ansichten über den Mageninhalt beim
Careinoma ventrieuli kurz zu skizziren.
Je weiter wir nämlich, m. H., in der Kenntniss des Mageninhaltes
fortschreiten, um so mehr erkennen wir, wie eigenartig besonders der
des Careinoma ventriculi sich verhält. Wir können daher aus seiner
!) Der Vortrag ist in extenso in der Deutschen medieinischen Wochenschrift
erschienen.
1895, ı
2) Jahresbericht der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur.
Untersuchung allein. mitunter die Diagnose stellen. Das ist natürlich
enorm wichtig, da in diesem Stadium, wenn noch kein Tumor vorhan-
den resp. palpabel ist, die Operation natürlich weit bessere Chancen
bietet.
Schon seit langem hat man übrigens diesem Mageninhalt grosse
Aufmerksamkeit geschenkt und glaubte bereits in dem Fehlen der freien
Salzsäure ein speeifisches Zeichen für das Carecinom zu besitzen. Aber
einmal trifft das nicht immer zu und zweitens findet es sich auch bei
manchen anderen Affeetionen, so dass es hier wohl nur als das Zeichen
der Kachexie resp. der concomitirenden Gastritis anzusehen ist. Eben-
sowenig war in ‘dieser Hinsicht mit dem Befunde von organischen
Säuren oder verändertem Blute etwas anzufangen. .
Ein weit wichtigeres Zeichen, m. H., ist die von Boas beschriebene
häufig vorkommende Milchsäurebildung beim Magencareinom, welche
allerdings nur unter gewissen Cautelen constatirt als beweisend an-
sesehen werden kann. Sie findet sich bei anderen Magenaffecetionen gar
nicht, oder nur excessiv selten (Fälle von Rosenheim, Thayer,
Strauss), so dass sie ein wichtiges diagnostisches Zeichen ist. Hammer-
schlag, Schüle, Ewald, Strauss und auch ich auf Grund zahlreicher
Untersuchungen konnten die Thatsache bestätigen.
Das Fehlen der Milchsäurebildung beweist übrigens nichts gegen
Careinom. Nothwendig ist für ihr Auftreten erstens eine gewisse
motorische Insufficienz und zweitens die Abwesenheit freier Salzsäure.
Daher sind es zumeist Pyloruscareinome und weit vorgeschrittene Cur-
vaturen- oder Fundus - Careinome (nach Infiltration der Museularis),
welche die höchsten Grade der Milchsäureproduction zeigen, in manch’
anderen Fällen fehlt sie bis zum Exitus letalis. Ich hatte Gelegenheit
2 Pyloruscareinome zu: beobachten, welche wohl riesenhafte Stagnation,
aber anfangs auch noch freie Salzsäure zeigten; in dem Augenblicke erst,
als diese verschwand, setzte mit einem Male die Milchsäurebildung ein.
Gestatten sie mir auch, m. H., darauf hinzuweisen, dass die bei
gutartigen Pylorusstenosen nicht selten angetroffene Schwefelwasserstoff-
bildung, bei carcinomatösen nie beobachtet ist, dass diese dagegen
wiederum nach Strauss grosse Neigung zu Gasgährungen erkennen
lassen.
Die Fermente zeigen kein charakteristisches Verhalten, Wie wir
beim Magencareinom vollständige Integrität, Verminderung und Erlöschen
der Labproduction finden, je nach dem Grade der allgemeinen Schleim-
hauterkrankung, so sehen wir ein ähnliches Verhalten auch beim Pepsin.
Die Angabe von Hammerschlag, dass frühzeitiger Pepsinmangel ein
diagnostisches Kriterium für das Carcinoma ventriculi sei, kann ich auf
Grund eigener Untersuchungen nicht bestätigen.
I. Abtheilung. Medicinische Section. 3
Die diagnostische Verwerthbarkeit mikroskopischer Befunde gipfelte
bisher in dem allerdings nicht gar so seltenen Auftreten von Krebszell-
nestern, Eiter und Geschwulstpartikelchen. Ich habe, m. H., in dieser Be-
ziehung meine Aufmerksamkeit besonders den Mikroorganismen geschenkt.
Selten wird man diese in irgend einem Mageninhalte je ganz vermissen,
ebenso selten aber wird man finden, dass sie vor allen anderen Ele-
menten das Gesichtsfeld beherrschen. Wenn ich von Hefe und sarcina
ventrieuli absehe, so kommt das nach meinen Erfahrungen nur beim
Magenkrebs vor, besonders in jenen Fällen, die auch reichlich Milch-
säure aufweisen. Und zwar sind es hier vornehmlich in langen Fäden
auftretende Stäbchen, vermuthlich ein bestimmter Saprophyt, den ich
_ übrigens bisher nieht zu züchten vermochte. In salzsäurehaltigen Magen-
inhalten bei gutartiger Ectasie habe ich sie nie finden können; in beiden
Arten von Fällen aber stets reichlich Hefe.
Im Gegensatze zum Verhalten dieser Bacterien steht das der Sareine.
Ich habe an anderer Stelle, m. H., bereits darauf hingewiesen, dass sie
sich bei vielen Magenerkrankungen zufällig, bei der Ectasia ventriculi
fast regelmässig und beim Careinom trotz der entgegengesetzten Angaben
der Lehrbücher selten oder nie findet. Ich kann diese frühere Mittheilung
auch heute noch vollkommen aufrecht erhalten, nur dass mir einige
seither beobachtete Fälle, die ich als Uebergangsfälle bezeichnen möchte,
wie ich glaube den Schlüssel zu diesen divergirenden Angaben gegeben
haben. In beiden Fällen (Pyloruscareinomen) war bei hoch entwickelter
Stagnation der Ingesta noch freie Salzsäure und Sareine vorhanden;
beide verschwanden im weiteren Verlaufe und machten die eine der
Milchsäure, die andere den oben beschriebenen Stäbchen Platz. Meine
Erklärung dieser Beobachtung ist folgende: Die Stagnation verursacht
das Wachsthum der Sareine, die freie Salzsäure fördert es und ver-
hindert das Aufkommen der Bacterien; mit dem Fortschreiten des Pro-
cesses versiegt die Salzsäure, Milchsäure tritt auf und schafft nun für
die Bacterienvegetation die günstigsten Bedingungen, so dass die Sareine
. verdrängt wird. Sieht man nur das eine Stadium dieses fortschreitenden
Processes, so kann man freilich leicht zu falschen Schlüssen kommen.
Den einen dieser Fälle möchte ich Ihnen, m. H., wegen des grossen
Interesses, das sie bieten, in ganz flüchtigen Umrissen schildern.
Es handelt sich um einen 47jährigen Droschkenkutscher, der Ende
Juni v. J. in meine Beobachtung trat. Er fühlte sich seit etwa
1'/, Jahren krank mit Erscheinungen von Seiten des Magens, seit einem
Vierteljahr war eine erhebliche Verschlimmerung eingetreten. Damals
klagte er über häufiges saures Aufstossen, Sodbrennen, Uebelkeiten nach
jedem Essen, Magendrücken und Magenschmerzen; Erbrechen (Speisen
mitunter vom Tage vorher) trat täglich auf, Blut war nie darin. Appetit
war gut, Stuhlgang sehr angehalten. Der Patient fühlte sich sehr matt
1#
4 Jahresbericht der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur.
und schwach. Die Untersuchung des sehr abgemagerten doch nicht
gerade kachektischen Patienten ergab lautes Succeussionsgeräusch, einen
stark durch Gas geblähten Magen, der bis fast zur Symphyse reichte und
etwas descendirt war, sowie einen etwa wallnussgrossen, beweglichen
Tumor in der Pylorusgegend. Im nüchternen Magen fanden sich reich-
liche kaffeesatzähnliche Massen, die freie Salzsäure und Sareina ventr.
(weder Milchsäure noch Bacterien) enthielten. In Folge täglicher Aus-
spülungen besserten sich fast alle Symptome, während der allgemeine
Verfall rapide fortschritt. Die Diagnose wurde auch mittels Durch-
leuehtung controlirt. Im Laufe der nächsten Wochen verschwanden
nun allmählich Salzsäure und Sareine und die im nüchternen Magen
stets reichlich vorhandenen Speisereste enthiellen nunmehr regelmässig
Milchsäure in grosser Menge und jene oben beschriebenen Baeterien.
Der Patient entschloss sich schliesslich zur Operation. Es wurde ein
fast völlig obturirendes Pyloruscareinom gefunden und durch Resection
entfernt. Der Patient befindet sich jetzt vollkommen wohl, hat bisher
50 Pfd. zugenommen; der Mageninhalt verhält sich nach jeder Richtung
hin ganz normal.
Fassen wir nun, m. H., die Eigenschaften des Mageninhaltes beim
Careinoma ventriculi nochmals kurz zusammen:
1. Bei intacter motorischer Function (Careinome des Magenkörpers)
fehlt oft die freie Salzsäure, in seltenen Fällen findet sich Milch-
säurebildung, nie Sarcine, mitunter Eiter, Geschwulstpartikel,
Bacterienketten.
2. Bei stark gestörter motorischer Function:
a. Wenn freie Salzsäure noch vorhanden ist (beginnende Pylorus-
carcinome), finden wir auch Sareine, mitunter Krebszellnester ete.,
Neigung zu Gasgährung, nie Milchsäure und Bacterienfäden;
b. wenn freie Salzsäure nicht mehr vorhanden ist (vorgeschrittene
Careinome jeder Art, insbesondere Pyloruscareinome), treten
Milchsäure und Baeterienrasen auf, mitunter Geschwulstipartikel
u. s. w., Neigung zu Gasgährung, nie Sareine.
Wenn Sie mich nun fragen, m. H., ob wir bei Anwendung aller
dieser Untersuchungsmethoden — ‚angenommen wir können mit ihrer
Hilfe die Diagnose eine Zeit lang früher stellen — die Mageneareinome
so früh zur Operation zu bringen vermögen, dass die Mehrzahl der Fälle
gute Chancen bietet, so wird sich darauf nicht mit einem einfachen Ja
oder Nein antworten lassen. Gestatten Sie mir, dass ich die maass-
gebenden Gesichtspunkte kurz erörtere,
Zwei Operationen kommen für das Careinoma ventriculi im Wesent-
lichen in Betracht: die Magenresection und die Gastroenterostomie. Die
erstere schafft nieht nur für den Chymus wieder freie Bahn, sondern
sucht auch den Tumor vollständig zu entfernen, damit den Krankheits-
I. Abtheilung. Medicinische Section. 5
process zu beendigen und vermag selbst geschehene Veränderungen, wie
die der Secretion, wieder zu repariren. Die Resection wirkt also causal,
sie stellt das ideale Verfahren dar, und wir müssen versuchen, ihr
möglichst zahlreiche Fälle zuzuführen. Anders die Gastroenterostomie.
Durch eine Fistel zwischen Magen und Jejunum wird der careino-
matös verengte Pylorus umgangen, also lediglich die mechanische Störung
beseitigt. Die Operation ist also nur bestimmt, palliativ zu wirken und
hat ausser den gemeinsamen Contraindicationen, wie vorgeschrittene
Kachexie etc., noch die der ungestörten Motilität.
Beginnen wir unsere Betrachtung mit den Carcinomen der Curva-
turen, der Magenwände und des Fundus, wobei ich vorweg bemerken
möchte, dass besonders die ersteren weit häufiger sind, als im Allgemeinen
seglaubt wird, und meiner Ansicht nach, wie auch aus manchen neueren
Statistiken hervorgeht, den Pyloruscareinomen an Häufigkeit mindestens
sleichkommen. Diese Careinome nun beginnen schleichend, die Be-
schwerden steigern sich nur langsam, und wenn der Patient den Arzt
aufsucht, besteht das Leiden meist über Jahr und Tag. Auch dann ent-
zieht sich der Tumor oft noch der Palpation. Einmal nämlich liegt er
meist, wofern der Magen nicht descendirt ist, unter den Rippen, ferner
wachsen diese Tumoren sehr langsam und gehören schliesslich über-
wiegend den sogenannten infiltrirenden Formen an, die der palpirenden
Hand wohl das undeutliche Gefühl der Resistenz, doch selten das des
umschriebenen Tumors gewähren. Ich glaube behaupten zu können,
dass es zu jeder Operation zu spät ist, wenn ein solches Careinom erst
palpabel ist. Gerade in diesen Fällen also müssen wir versuchen, die
Diagnose vorher zu stellen, aber selbst dann ist es oft schon zu spät,
weil die Kranken eben zu spät den Arzt aufsuchen. Mehrere derartige
Fälle sind mir in Erinnerung. Die Diagnose war auf Grund des
Maseninhaltbefundes gestellt; nach Eröffnung der Bauchhöhle zeigte
sich das Careinom so ausgedehnt, dass an eine Operation nicht zu
denken war. Immerhin gelingt es glücklicherweise in einer Reihe von
Fällen früh genug zu diagnostieiren und rechtzeitig zu operiren, auf den
Tumor darf man allerdings nicht warten wollen,
Auch für die Gastroenterostomie liegen diese Fälle nicht günstig.
So lange die Motilität gut ist, liegt keine Indication dazu vor; in den
späteren Stadien pflegt sich allerdings motorische Insufficienz einzustellen,
schafft dann aber schon vermöge ihrer Genese die ungünstigsten Ope-
rationsbedingungen. Sie wird ja hier nicht verursacht durch eine Ver-
lesung des Pylorus, die den Magen dann consecutiv vergrössert, sondern
durch eine Durchsetzung der Museularis mit Tumormassen. Hier kann
der Magen, obgleich er nie von Speisen leer wird, ganz klein sein, weil
die starren Wände der Dehnung einen übergrossen Widerstand bieten,
und er liest dann häufig genug völlig unter dem Rippenbogen, durch Ad-
6 Jahresbericht der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur.
häsionen fixirt, dem Messer ganz unerreichbar. Aber selbst wenn der
Magen descendirt ist in Folge der beschwerenden Wirkung des Neo-
plasmas, wird oft kaum der Raum vorhanden sein zur Anlegung der
Magen-Dünndarmfistel. Diese Fälle passen dann höchstens für die neuer-
dings empfohlene Jejunostomie.
Ganz anders, m. H., und weit freundlicher ist das Bild glücklicher-
weise beim Pyloruscarecinom. Die Kranken werden durch die Beschwerden
der gestörten Motilität, insbesondere durch das Erbrechen, so früh zum
Arzte getrieben, dass häufig der kleine stenosirende Tumor noch nicht
palpabel ist, hier muss dann das ganze Rüstzeug unserer Untersuchungs-
methoden in Anwendung kommen. Gelingt es dann die Diagnose zu
stellen, so hat man Monate gewonnen und findet meist für die Resection
ausserordentlich günstige Verhältnisse vor. Ich habe einerseits mehrfach
Gelegenheit gehabt, derartige Fälle mit vorzüglichem Erfolge operiren
zu lassen, andererseits auch zu beobachten, dass bei Patienten, welche
die Operation verweigerten, vom Augenblicke der Diagnosenstellung bis
zum Auftreten des Tumors mehrere (bis 4) Monate vergingen. Die
kleinen Tumoren beschränken sich meist genau auf den Pylorus und
sind mit Leichtigkeit zu entfernen. Der Erfolg ist geradezu ein zauber-
hafter. Die im Vordergrunde stehenden Beschwerden der gestörten
Motilität verschwinden mit einem Schlage und selbst die Secretions-
thätigkeit kann wieder zur Norm zurückkehren, wie ein Fall von Rosen-
heim und der von mir eben mitgetheilte beweisen.
Aber auch für die Gastroenterostomie sind die Chancen hier weit
besser. Die Kranken sind wegen der enormen Stenosenbeschwerden
meist unschwer zur Operation zu bewegen, der Magen ist sehr gross
(freilich mitunter auch papierdünn) und es steht zur Anlegung der Fistel
gewöhnlich eine ausgedehnte, neoplasmafreie Fläche zur Verfügung.
Die Verhältnisse liegen eben mitunter, auch wenn man glaubt, die
Diagnose noch so früh gestellt zu haben, durch Adhäsionen, Metastasen
u.5.w. so ungünstig, dass man sich mit der Palliativoperation begnügen
muss, die übrigens in diesen Fällen den Kranken den Haupttheil ihrer
Beschwerden nimmt. Ja es scheint sogar durch Ausschaltung des Pylorus
die Wachsthumsenergie der nicht mehr stetig gereizten Neubildung
eine geringere, der Verlauf ein milderer, langsamerer zu werden. Und
obwohl sich natürlich die secretorische Function in diesen Fällen nie
wieder bessert, werden meist ganz erhebliche temporäre Gewichts-
zunahmen und eine namhafte Verlängerung des Lebens erzielt.
So sehen wir denn, m. H., dass wir zwar heute in der Diagnostik
des Magenkrebses ein gut Stück weiter sind, als noch vor wenig
Jahren, dass aber eine weitere Ausbildung und Verfeinerung unserer
Methoden dringend nothwendig erscheint, wenn wir nicht annehmen
I. Abtheilung. Medicinische Section.
I
wollen, dass es überhaupt schon zu spät ist, wenn der Patient die ersten
Beschwerden empfindet.
Discussion:
Herr Geh. Rath Mikuliez: Fühlbarer Tumor und Stenose des
Pylorus bilden die Hauptsymptome für die Chirurgen. Für die Früh-
formen (mit Salzsäure und Sarcine) sind die Untersuchungen der inneren
Kliniker wichtig. Der Chirurg bekommt meist erst die Spätformen.
Herr Dr. Werther hat auch in Spätfällen noch freie Salzsäure ge-
funden. Er hält dafür, dass Milchsäurebildung anhebt, sobald der Krebs
verjaucht.
Herr Dr. Buchwald glaubt, dass man eine Diagnose auf Grund
der Angaben des Vortragenden nicht absolut sicher stellen kann,
Herr Dr.Kader: Unverricht fand, dass dieVerdauungs-Leucocytose
bei Magencareinom nie vorhanden ist. Dies Symptom sei ebenso wichtig,
wie alle anderen.
Herr Dr. Oppler: Milchsäure tritt nicht nur bei ulcerirten Car-
einomen auf, sondern auch bei ganz kleinen, nicht ulcerirten.
Herr Dr. Rosenfeld: Das Gesetz: „Mangel der Salzsäure und
Vorhandensein der Milchsäure sichert die Diagnose‘ hat Ausnahmen.
Sarcine kommt in kaffeesatzähnlichem Mageninhalt bei Careinom doch
zuweilen vor. Charakteristisch ist das Symptom nicht,
2) Herr Dr. Henle:
Ueber Desinfection von frischen Wunden.!)
Nachdem in der Chirurgie die Antiseptik von der Aseptik da gänzlich
verdrängt ist, wo es sich um Wunden handelt, welche als nicht in-
fieirt angesehen werden können, ist man neuerdings noch einen Schritt
weiter gegangen und hat auch die antiseptische Behandlung der infieirten
Wunden als aussichtslos fallen lassen wollen. Anlass hierzu gaben
Versuche, welehe von Renault und Bouley, von Collin, Niessen
und schliesslich am eingehendsten von Schimmelbusch ausgeführt
wurden und deren Resultat in Kürze folgendes ist: wenn man eine
frische Wunde an einem Thier mit einem für dieses sehr virulenten
Mikroorganismus infieirt und darauf noch so schnell mit den energischsten
Mitteln desinfieirt oder sterilisirt (verschorft), so geht das Thier nichts-
destoweniger an Allgemeininfeetion zu Grunde. Diese kommt durch
eine sehr schnelle Aufnahme der DBacterien, resp. körperlichen
\) Das Thema wird von dem Verfasser an anderer Stelle demnächst aus-
führlicher besprochen werden.
. Jahresbericht der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur.
Elemente überhaupt von frischen Wunden aus zu Stande, welche
sich auf verschiedene Weise experimentell beweisen lässt. Einmal
gelingt der eulturelle Nachweis von Baecterien, die auf frische Wunden
gebracht sind, schon 5—10 Minuten nach erfolgter Infeetion (Schimmel-
busch), dann auch lassen sieh Zinnober oder 'Tusche-Körnchen schon
5 Minuten nach dem Auftupfen einer Aufschwemmung derselben auf
frische Wunden in deren Umgebung (Henle) und nach 12 Stunden
in der Milz (Schimmelbusch) bei geeignetem Verfahren nachweisen.
Durch diese Thatsachen würde bewiesen, dass jede Desinfection
von Wunden nutzlos und demnach zu verwerfen sei, wenn wir uns
nicht sagen müssten, dass zwischen Milzbrand und ähnlichen Infecetionen
einerseits und den nach Art der Wundinfeetionen verlaufenden Processen
andererseits der grosse Unterschied vorhanden wäre, dass bei jenen als
Allgemeinerkrankungen jeder in den Kreislauf gelangende Baeillus
den Tod herbeiführen kann, während bei diesen nur die in der
Wunde verbleibenden Mikroorganismen schädlich sind, die in
den Kreislauf gelangenden durch die natürlichen Schutzvorriehtungen
des Thierkörpers an sich zu Grunde gehen. Der Grund dieses Unter-
schiedes beruht auf der verschieden reichlichen Production von Angriffs-
stoffen, welche, was den Milzbrand anlangt, bei dem einzelnen Mikro-
organismus genügen, die Schutzstoffe des Körpers so weit zu neutralisiren,
dass Vermehrung der Bacillen erfolgen kann, während es des Zu-
sammenwirkens einer grösseren Zahl von Bacterien der Wundinfections-
krankheiten bedarf, wenn die Angriffsstoffe in genügender Menge
produeirt werden sollen. Diese letztere Art von Bacterien muss also
entweder in grossen Mengen vereint vorgehen, oder sie müssen im Körper
einen locus minoris resistentiae finden, wo auch wenige eingedrungene
Mikroorganismen sich zunächst festsetzen und so weit vermehren können,
dass nun secundär auch ein gesunder Körper den Angriffen erliegt. Die
Bacterien der Wundinfectionskrankheiten finden einen derartigen locus
minoris resistentiae in der Wunde und es lässt sich auch mikroskopisch
nachweisen, dass noch 6—8 Stunden nach Infection einer frischen Schnitt-
wunde an einem Kaninchenohr mit Sreptococcen diese auf die nächste
Nachbarschaft der Wunde beschränkt sind. Demonstration von Präparaten.
Zu den Desinfectionsversuchen dienten ebenfalls Kaninchenohren
und Sreptocoeccen und zwar wurden sowohl ganz hochvirulente aus
Reineulturen oder aus der Milz an Sreptococcen-Septicämie verendeter
Kaninchen, als auch menschlicher Eiter mit für Kaninchen weniger
virulenten Sreptoeoccen benutzt. Als Desinfection diente meist 1 : 1000
Sublimat, doch wurden Controlversuche auch mit Carbol ete. angestellt.
Im Allgemeinen war das Resultat immer dasselbe: bei Desinfection
der Wunden bis 6 Stunden nach der Infeetion bleibt das betreffende
Abtheilung. Medieinische Section. I
Ohr frei von Erysipel; bei später erfolgter Desinfection (bis 8 Stunden
und darüber) tritt die Erkrankung später ein und verläuft milder als
am nicht desinfieirten Controlohr.
Auch für Milzbrand lässt sich etwas Aehnliches durch folgenden
Versuch nachweisen. Infieirt man 2 frische Wunden an zwei ver-
schiedenen Kaninchenohren mit sporenfreiem Milzbrand, desinfieirt das
eine Ohr mit 1 : 1000 Sublimat bald nach der Infeetion und amputirt
beide Ohren zu einer Zeit, wo noch nicht der ganze Organismus mit
Milzbrandbaeillen überschwemmt ist, zwecks mikroskopischer Unter-
suchung, so sind in der desinfieirten Wunde keine Baeillen nach-
zuweisen, während in der nicht desinfieirten dieselben in den Lymph-
bahnen massenhaft vorhanden sind. (Demonstration.)
Derartige Versuche sprechen dafür, dass die Desinfection einer
Wunde, wenn sie rechtzeitig erfolgt, sehr wohl zum Ziele führen kann
und es ist daher vorläufig den infieirten oder verdächtigen Wunden
gegenüber das antiseptische Verfahren auch in Zukunft beizubehalten.
Diseussion.
Herr Geh. Rath Mikulicz: Die Versuche von Henle sind werth-
voll, weil durch Schimmelbusch’s Versuche, die Henle mit anderen
entgegengesetzten Resultaten wiederholt hat, ein Nihilismus in der Wund-
behandlung einzureissen drohte.
3) Herr Dr. Kader stellt einen sechsjährigen Knaben vor, bei
welchem der Verschluss des oberen Urachusendes ausgeblieben ist,
Die Harnblase mündet nach aussen durch den Nabel. Der Nabel
liegt an normaler Stelle, ist ca. 1 Mark-Stück gross, radiär gefaltet,
zeigt in der Mitte eine trichterförmige Vertiefung. Diese Vertiefung
entspricht der Mündung des Urachus, ist für eine 0,6—0,7 em dicke
Sonde bequem durchgängig,
Die äusseren Geschlechtstheile sind bis auf linksseitige Hydrocele
normal entwickelt.
Die Urethra ist für einen 0,5—0,4'/, cm dieken Katheter bequem
durchgängig.
Der Knabe ist im Stande, den Harn sowohl per vias naturales
wie per Nabelmündung zu entleeren, zieht den letzteren Weg vor,
Die Harnblase ist sehr gross, fasst ca. 350 cem Harn.
4) Herr Dr. Henle stellt einen Patienten vor, welchem wegen Chon-
drom (Bechondrom) des Kehlkopfes (2 symmetrische Tumoren auf der
Platte des Ringknorpels) die Laryngofissur und Exstirpation des Tumors
gemacht wurde. Der Tumor theilweise verknöchert. Auffallend das
symmetrische Auftreten; dieses macht den Fall zum Unicum,
10 | Jahresbericht der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur.
3. Sitzung vom 25. Januar 1895.
Vorsitzender: Herr Prof. Neisser.
Tagesordnung:
1) Herr Prof. Küstner:
Adnexexstirpation und Pe&an-Segond’s Castration uterine.
Der Vortrag ist in der Deutsch. med. Wochenschr. (1895, No. 12 u. 15)
veröffentlicht.
2) Herr Dr. Keilmann:
Erfahrungen. über die Verhütung des Blennorrhoea neonatorum.
Die sonorrhoische Conjunctivitis der Neugeborenen ist immer noch
nicht ausgerottet und immer noch stehen sich maassgebende Ansichten
gegenüber in Beantwortung der Frage, wie die genannte Erkrankung am
zweckmässigsten verhütet werden könne. Als vor ca. einem Jahre auf
einem Klinischen Abende dieser Gesellschaft ein Kind mit Blennorrhoe
der Augen demonstrirt wurde, das nicht nach Crede&’s Vorschrift behandelt
worden war, wurde von autoritativer Seite darauf hingewiesen, dass in
der That die Bl. nicht verschwinden würde, wenn nicht die Crede&’sche
Anwendung des argentum nitricum obligatorisch gemacht würde; in ihr
liege die einzige wirksame Maassregel. Dass jenes Kind erst am
siebenten Tage erkrankt war, wurde in der betreffenden Discussion
völlig vernachlässigt. Einerseits diese letztere 'Thatsache, anderseits der
Umstand, dass andere Verfahren eben so gute, ja noch bessere Resultate
erzielt haben, ohne die Nachtheile des Crede&’schen Verfahrens zu be-
sitzen, veranlasst mich, die seit jenem Abende an der Küstner’schen
Klinik gemachten Erfahrungen dieser Versammlung mitzutheilen.
Die Beurtheilung der Erfahrungen bezw. die Nutzanwendung der-
selben kann niemals zu einem werthvollen Resultat führen, wenn
nicht die Primärinfeetion von der Secundärinfeetion in der Betrachtung
streng geschieden wird, Beide sind ganz besonders zu betrachten und
gegen beide ist gesondert Prophylaxe zu treiben. Unter Primärinfection
verstehe ich die auf dem Kreissbett, unter Secundärinfection die während
des Wochenbettes erfolgende; gegen beide Schutzmaassregeln zu erproben
und zu üben gehört zu den Aufgaben des Geburtshelfers. Die Gefahr
der Infeetion des Kindes in diesen Zeiten ist unvergleichlich grösser, als
im späteren Leben, und muss daher streng geregelte Maassnahmen be-
. dingen. :
Diejenigen Maassregeln, die zur allgemeinen Einführung empfohlen
werden können, werden jedoch nicht allein nach dem Erfolge bestimmt '
werden müssen, sondern auch nach der allgemeinen Durchführbarkeit
in der Praxis.
I. Abtheilung. Medicinische Section. 11
Was nun die Primärinfeetion auf dem Kreissbett betrifft, so muss
man sich zunächst über den Zeitpunkt der Infection klar sein, will man
rechtzeitig Prophylaxe üben. Da ist es denn wohl kaum zweifelhaft,
dass unter sonst normalen Verhältnissen Infeetionen erst nach der Geburt
zu Stande kommen.
Bei jeder normalen Geburt bleibt das Auge des Kindes geschlossen
bis zum vollendeten Austritt des Rumpfes und erst wenn das Kind an-
fängt zu schreien, kommt die Musculatur des Gesichts in Action. Beim
Durchtritt des Kopfes durch die Scheide werden die oberen Augenlider
über den Bulbus gezogen und bei der normalen Schädellage wird so ein
sicherer Verschluss des Auges geschaffen. Zwar sind Fälle mitgetheilt,
in denen schon unmittelbar nach der Geburt eine ausgebildete Blennorrhoe
diagnostieirt werden konnte; in allen diesen Fällen lagen jedoch abnorme
Verhältnisse vor, die die Möglichkeit der Infeetion insbesondere durch
die Finger der Untersuchenden boten. Dass die Gonococcen durch das
Fruchtwasser hindurch den Conjunctivalsack infieiren könnten, erscheint
nicht glaubhaft.
Abnorm verlaufende Geburten aber verlangen besondere Beurtheilung
sowie besondere Indicationsstellung für therapeutische und prophylaktische
Maassnahmen. Für die grosse Masse der normalen oder annähernd
normalen Geburten steht jedoch fest, dass das Auge erst nach der Geburt,
infieirt werden kann. Der Unterschied der Infectionsmöglichkeit auf dem
Kreissbett und der während des Wochenbettes liegt also nur darin, dass
der Infeetionsstoff im ersteren Falle am Auge und dessen Umgebung
haftet und beim Oeffnen des Auges spontan eintritt, während in späterer
Zeit die Gonococcen erst durch Vermittelung von Personen oder Gegen-
ständen auf das Auge oder in dasselbe übertragen werden müssen.
Vom Standpunkte dieser Beurtheilung der Verhältnisse erscheint es
ausserordentlich einfach, die Primärinfeetion zu verhüten, wenn es gelingt,
den Infectionsstoff von den Augenlidern und deren Umgebung fortzu-
schaffen, ehe das Auge geöffnet wird. Damit wäre nicht nur alles er-
reicht, sondern darin läge allein ein prophylaktisches Verfahren.
Das Crede’sche Verfahren nun kann von diesem Gesichtspunkte aus
nicht darauf Anspruch machen, als ein prophylaktisches bezeichnet zu
werden, weil es weder ein gesundes Auge zur Voraussetzung hat, noch
die Erkrankung verhütet, vielmehr die Infection als bereits gegeben an-
sieht und nur die Entwickelung der Krankheit zu hemmen anstrebt; es
sollen doch mit der Argentumlösung die in den Conjunctivalsack einge-
drungenen Gonococcen zugleich mit der Epithelschicht vernichtet werden.
Halb jedoch ist die Maassregel, wenn nicht gleichzeitig das Auge und
dessen Umgebung mechanisch von den haftenden Keimen gereinigt wird,
denn in jedem Augenblicke kann dann die direete Infecetion noch statt-
finden. Immun wird aber die Conjunetiva durch die Aetzung nicht —
107 | Jahresbericht der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur.
im Gegentheil, sie wird gerade noch empfänglicher dadurch, dass sich
nach der Aetzung ein traumatischer Katarrh entwickelt. Die glänzenden
Resultate, die Cred& mit seiner Behandlung der Augen erreicht hat,
sind eben gerade darauf zurückzuführen, dass er auf sorgfältige Reinigung
der Augen vor der Einträufelung des Mittels grosses Gewicht gelegt,
während seine Anhänger das Wesentliche in der Instillation des Arg.
nitr. sehen und offenbar — das geht aus den Publicationen hervor —
die Reinigung des Auges als mehr nebensächliche Maassregel gar nicht
oder nur unvollkommen berücksichtigen. So ist es auch erklärlich, dass
so gute Resultate, wie sie Cred& erzielt hat, im Allgemeinen nicht er-
reicht worden sind. Während Cred& bei mehr als 2000 Kindern
3 Blennorrhoen gesehen, d. h. 0,1°/, der Fälle, haben nach ihm beispiels-
weise Felsenreich— Wien eine Erkrankungsziffer von 1,9%), Beumer
und Peiper— Greifswald 1,3%,, Bröse—Berlin 1,5%, festgestellt. Das
Gesammtresultat der von 16 Autoren an 14500 Kindern gemachten Be-
obachtungen findet seinen Ausdruck in 116 Primärerkrankungen, d. h.
0,79%, (ef. Küstner’s Berichte und Arbeiten Wiesbaden 1894 p. 292).
Diese Zahl zeigt, dass selbst in Anstalten unter sachverständiger Leitung
und Beobachtung die Blennorrhoe nicht aus der Welt geschafft worden
ist. Um wie viel weniger also können die Cred&’schen Maassnahmen
in der allgemeinen Praxis richtig verstanden und erfolgreich angewendet
werden.
Bei den stetig sich steigernden Anforderungen an die Prophylaxe
genügt die Cred&’sche also nicht mehr, gewährt vor Allem nicht die
wünschenswerthe absolute Sicherheit. Dazu kommt, dass der
Cred&’schen Prophylaxe Schäden anhaften, die in keiner Weise unter-
schätzt werden dürfen: die Schwierigkeit der Durchführung für Ungeübte
z. B. Hebammen, die fast stetig als Folge der Argentum -Instillation
auftretende Conjunctivitis, die sogar klinisch zur Verwechselung mit
echter Blennorrhoe führen kann (cfr. Ahlfeld, Lehrbuch der Geburts-
hilfe 1895) u. s. w. Diese Umstände allein motiviren das Suchen nach
neuen, besseren Methoden, die vor Allem der Aufgabe der Prophylaxe,
ein gesundes Auge gesund zu erhalten, mehr genügen.
Von verschiedenen Seiten sind Versuche gemacht worden, so von
Kaltenbach, der reines Wasser zur Reinigung der Augen empfahl
und diese Empfehlung mit Resultaten seiner Versuche stützte, die in
0°/, (830 Kinder). beredten Ausdruck finden. Von 7216 nach seiner
Methode in verschiedenen Kliniken behandelten Kindern erkrankten 37,
d.h. 0,51°%,. Insgesammt also waren die Resultate besser als die der
Cred&’schen Behandlung. Jedoch konnte auch Kaltenbach sich
offenbar nicht freimachen von der Annahme, dass — wenigstens in einer
grossen Anzahl der Fälle — Gonococcen i. p. in den Conjunctivalsack ein-
dringen; weshalb er es für nothwendig hielt, dass neben der mechani-
1. Abtheilung. Medicinische Section. 13
schen Reinigung der Lider und ihrer Umgebung eine Auswaschung des
Conjunectivalsackes, wenn auch nur mit Wasser, erfolgen müsse, Diese
Annahme kann aber nur richtig sein, wenn man den Gonococcen der
Umgebung Zeit lässt, in den Conjunetivalsack einzudringen. Macht man
es dagegen möglich, die Lider und ihre Umgebung, bevor das Auge ge-
öffnet wird, gut zu reinigen, so ist damit die Möglichkeit, dass
Gonococcen überhaupt in den Conjunctivalsack kommen, beseitigt. So-
mit läge hierin eine vollkommen genügende Prophylaxe. Diese äussere
Reinigung der Augen ist nun in der That möglich und bietet den Vor-
theil, dass 1) die Aufmerksamkeit auf die rechtzeitige Reinigung con-
centrirt bleibt, 2) ein Hineinwischen von Infectionsstoffen in das Auge
ausgeschlossen ist. Nur eine Bedingung muss dabei erfüllt werden,
dass nämlich das Auge gereinigt wird, bevor es geöffnet wird. Es hat
also die Reinigung zu erfolgen unmittelbar nach dem Austreten des
Kopfes vor Geburt des Rumpfes, welche Zeit meist ausreicht. Wenn,
wie es bei Mehrgebärenden vorkommt, Kopf und Rumpf in einer Wehe
ausgestossen werden, so können die Augen trotzdem noch vor dem
Oeffnen gereinigt werden. Es gehört zu den Vorbereitungen
für den Empfang des Kindes, dass neben der Zurichtung,
etwa der Nabelbändehen, auch ein Schälchen mit Wasser oder einer
sonstigen für geeignet gehaltenen Flüssigkeit nebst einigen Waite-
bäuschen zurechtgestellt werde. Die Hand, die den Dammschutz besorgt,
wischt, nachdem das Gesicht über den Damm geschnitten ist, sofort
mehrfach die Augenlider und ihre Umgebung ab, bis die Vernix caseosa
und mit ihr die Gonococcen entfernt sind. In der Küstner’schen
Klinik zu Dorpat ist zum Abwischen der Augen eine Zeit lang Sublimat
in einer Lösung von 1:5000 benutzt worden. Dann ist dauernd eine
1/, :1000 Lösung von Jodtrichlorid in Gebrauch genommen worden. Ich
bemerke hierzu, dass nicht etwa Sublimatlösung instillirt worden ist,
wie von Winckel in seinem Lehrbuch berichtet (ef. Erdberg, Diss.
Dorpat 1892). In der Dorpater Klinik wurde, was nach übereinstimmen-
der Annahme der Autoren in Rücksicht auf die Blennorrhoe von
Wichtigkeit ist, die Scheide der Kreissenden sorgfältig desinfieirt. So
ergab sich, dass bei dieser Behandlung von 450 lebenden Kindern 2 an
Blennorrhoe erkrankten gleich 0,4°,. Das gleiche Verfahren ist
nun seit dem 1. April 1894 in der hiesigen Klinik eingeführt worden
und obgleich aus anderen Gründen jegliche Desinfection der Scheide
unterlassen worden ist, ist von den seit jener Zeit lebend geborenen
500 Kindern, die der prophylaktischen Reinigung ihrer Augen unterzogen
werden konnten, kein einziges erkrankt. Zwei Primärinfeetionen, die
vorgekommen sind, fallen unserer Prophylaxe nicht zur Last. Das eine
Kind kam drei Tage nach der Geburt erst in die Anstalt und zeigte
bereits Schwellung der Conjunctiven; das zweite Kind wurde un-
14 | Jahresbericht der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur.
mittelbar nach Eintritt der Mutter ins Haus geboren, ehe sie auf das
Kreissbett gebracht -werden konnte. Prophylaktische Maassnahmen
konnten hier erst relativ spät vorgenommen werden. Alle Kinder also,
deren Augen auf die oben dargelegte Weise behandelt worden sind,
sind bis zum siebenten Tage gesund geblieben. Dieses Resultat ist von
besonderer Bedeutung, weil die Gonorrhoe hier ausserordentlich ver-
breitet ist und ich glaube, dass ein Procentsatz von 15—20 nicht zu
hoch gegriffen ist. Alle Fälle von Gonorrhoe der Mütter zu constatiren,
hat bekanntlich seine Schwierigkeiten; ich habe im Scheidensecret von
14 Schwangeren bezw. Wöchnerinnen Gonococcen constatirt. In diesen
14 Fällen blieben die Kinder gesund; besondere Maassregeln wurden bei
diesen nicht angewendet. Wenn man sich dessen erinnert, dass
Leopold und Wessel bei 13 Schwangeren 17 Mal gonococcenfreies
Secret, einmal gonococcenhaltiges gefunden haben, und von den Kindern
dieser Schwangeren 17 gesund blieben, das eine aber erkrankte, so
muss die Maassregel, die oben genannte Kinder vor Erkrankung schützte,
doch wirksam gewesen sein. Und so ist denn auch das Gesammt-
resultat besser, als das mit dem Cred&’schen Verfahren erzielte. Es
steht also dem nichts im Wege, dass man Kindern, die einer Infeetions-
gefahr überhaupt nicht ausgesetzt sind — und das sind mindestens 75 %,
— nicht ohne jegliche Indieation einen traumatischen Conjunctivalkatarrh
beibringt. Die Durchführung dieser ausserordentlich einfachen Reinigung
der Augen ist leicht und kann auch von Hebammen mühelos und erfols-
reich ausgeführt werden. Sowohl die Schülerinnen in Dorpat haben es
leicht erlernt, wie auch an der hiesigen Anstalt die Reinigung der
Augen nicht von mir, sondern von der Hebamme ausgeführt wird. Das
Alles bezieht sich auf die Primärinfeetion, die nach übereinstimmender
Ansicht der Geburtshelfer und Ophthalmologen spätestens bis zum fünften
Tage Folgeerscheinungen macht. Alle nach dem fünften Tage auf-
tretenden Erkrankungen sind als Spät- bezw. Secundärinfeetionen aufzu-
fassen. Diese zu verhüten ist in Anstalten schwieriger, als in der
Privatpraxis. Absolute Sauberkeit ist das einzige Mittel gegen diese
Uebertragung des Infeetionsstoffes,; während des Wochenbettes liegt die
Gefahr besonders darin, dass reichliches Secret, in welchem sich —
wie zweifellos nachgewiesen ist — die vorher vielleicht spärlich vor-
handenen Gonocoecen lebhaft vermehren, sich nicht nur an den Ge-
schlechtstheilen, den Vor- und Unterlagen, sondern leicht auch sonst an
der Wäsche, besonders aber an den Händen findet. Wenn die anerzogene
Sauberkeit der Mutter :und des Personals nicht ausreicht, so ist die
_ Gefahr sehr gross; dass man die tägliche Besorgung der Kinder vor der
der Mütter vornehmen lässt, in keinem Falle aber die Kinder unmittelbar
nach Reinigung der Mütter anfassen lässt, ist zwar eine Schutzmaassregel,
deren Durchführung jedoch nicht einmal unter Controle seitens der Mutter,
I. Abtheilung. Medieinische Section. 15
geschweige denn ohne dieselbe vom Pflegepersonal — wie es eben
meist ist — zu erwarten ist. Allein zuverlässig in dieser Hinsicht wäre
die Isolirung des Kindes von der Mutter in Hinsicht des Raumes und
des Personals. Das ist aber ganz unmöglich in Fällen, in denen die
Mutter ihr Kind stillt, in allen anderen Fällen ist es schwer. So habe
ich denn zwei Epidemien zu beklagen, deren eine 4 Kinder betraf,
während die andere auf 2 Kinder beschränkt blieb. Die 4 Kinder er-
krankten zwischen dem 9. und 13. Juli 1894, und der Ausgangspunkt
der Erkrankung war das eine der oben erwähnten, prophylaktisch gar
nicht behandelten Kinder, in dessen nächster Nachbarschaft sich jene
Kinder befanden. Ein fünftes Kind bekam in derselben Zeit und in
demselben Saal eine Conjunctivitis, die ich deshalb nicht für gonorrhoisch
halte, weil alle Erscheinungen wieder in wenigen Tagen geschwunden
waren. Gonococcen habe ich in diesem Falle nicht gefunden, was ich
jedoch bei nur einmaliger Untersuchung auch von zwei der anderen
Fälle constatiren muss, ohne dass deshalb das klinische Bild Zweifel
aufkommen lässt. Keins dieser Kinder erkrankte vor dem siebenten
Tage, zum Theil erst am neunten und zehnten Tage etc. Ein Fall
entzog sich der Beobachtung, die anderen habe ich bis zur völligen
Heilung behandelt und zeigte kein Fall Complicationen. Die zweite
Gruppe wird von zwei henachbarten Kindern gebildet, die im September
am siebenten und neunten Lebenstage gleichzeitig erkrankten. Bei der
Mutter des einen ist nachträglich Gonorrhoe nachgewiesen worden. Hier-
bei sei einer Thatsache gedacht, die in prophylaktischer Hinsicht nicht
ohne Bedeutung ist. Die erste Epidemie betraf durchweg Kinder, die zu
einer Gruppe von 118 täglich gebadeten Kindern gehörten. Unter
den nächsten 400 nicht mehr gebadeten Kindern sind nur jene beiden
Spätinfectionen vorgekommen, über deren Zustandekommen mir nichts
Näheres bekannt ist, da ich zu jener Zeit nicht anwesend war. Die
Infeetion des Auges im Bade, sei es durch das von der Körperoberfläche
aus infieirte Wasser, sei es durch die anderweitig inficirte Wanne, ist
ausserordentlich leicht möglich. Ich habe in einer Veröffentlichung,
welche die Bedeutung des Bades und seine Unterlassung für die Diätetik
der ersten Lebenswoche beleuchtet, bereits darauf hingewiesen und halte
die Unterlassung des täglichen Bades für eine wichtige prophylaktische Maass-
regel gegen die Secundärinfection. Lassen wir das Bad auch aus
anderen noch wichtigeren Gründen fort, so ist es in Strassburg nur aus
Rücksicht auf die Blennorrhoe abgeschafft.
Ist es bekannt, dass nun die Secundärinfection bei Ausübung der
Crede&’schen Prophylaxe nicht nur nieht eingeschränkt wird, sondern,
wie Krukenberg beispielsweise berichtet, zweifellos begünstigt wird,
so darf auch von diesem Gesichtspunkte aus das Cred&’sche Verfahren
verworfen werden. Die glänzenden Resultate, die die Cred €’sche Prophy-
16 Jahresbericht der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur.
laxe erreicht hat, indem der Procentsatz von 25, ja sogar 50 auf
0,79 herabgesetzt ist; ist durch unser Verfahren noch übertroffen, was
sich in einem Procentsatz von etwa 0,2 aussprieht. Die leichte Durch-
führbarkeit unseres Verfahrens giebt ausserdem die Gewähr dafür, dass
der Schutz, den die Neugeborenen in der Anstalt geniessen, ihnen auch
ausserhalb der Anstalten zu Theil werden kann, sobald die Lehranstalten
dies Verfahren annehmen.
Die Discussion wird auf die nächste Sitzung vertagt.
4. Sitzung vom 1. Februar 1895.
Vorsitzender: Herr Prof. Born. Schriftführer: Herr Dr. Gaupp.
Herr Prof. Hermann Cohn bat, vor der Debatte über Blennorrhoea
neonatorum einen Fall von Glaukom vorstellen zu dürfen, der 14 Jahre
lang mit Eserin behandelt wurde.,
In der December-Sitzung des Vereins der Aerzte des Reg.-Bez.
Breslau fand eine Debatte über Atropin und Eserin stait. Bei dieser
wurde von geschätzter Seite bemerkt, dass das Eserin oft iritische
Reizung bei Glaukom verursache. Dieser Ansicht pflichtete ich bei, be-
merkte jedoch, dass in vielen Fällen das Eserin, ganz wie es Laqueur
angegeben, unschätzbare Dienste leiste. So behandle ich einen Herrn,
der seit 14 Jahren fast alle Abende Regenbogenringe ums Licht sieht,
die sofort nach einem Tropfen Eserin verschwinden. Es wurde damals
mehr oder weniger verblümt bezweifelt, dass es sich um ein Glaukom
handle.
Heut erlaube ich mir den Kranken der Gesellschaft vorzustellen,
der eben jetzt einen Prodromal-Anfall von Glaukom hat, da er heut
der Vorstellung wegen kein Eserin eingegossen. Jeder Zweifel, dass es
sich um Glaukom handelt, wird nun beseitigt sein. Patient, 46 Jahre
alt, stammt aus einer Glaukomfamilie; sein Vater wurde an Glaukom
operirt. Ich kenne ihn seit 18 Jahren, wo er noch frei von Prodromen
war. Im November 1881 begannen die Regenbogen und Nebel; sie
verschwanden prompt auf Eserin; damals konnte der Anfall auch durch
',stündiges Lesen coupirt werden. Die subjeetiven Erscheinungen
sind seitdem fast allabendlich seit 14 Jahren aufgetreten und
durch Eserin beseitist worden. Als er wegen eines intercurrenten
Blasenleidens im Januar 1894 das Eserin einige Tage aussetzte, trat ein
acut entzündlicher Anfall auf, der schon zur Irideetomie Veranlassung
geben sollte, der aber doch dem Eserin völlig wich. Ebenso wieder-
‚holte sich die acute Entzündung im Februar 1894 und wurde wieder
durch Eserin beseitigt. Heut hat jedes Auge H4'5 und 8 — 1. Das ,
Gesichtsfeld ist ganz normal geblieben, Excavation nicht zu sehen.
Von Iritis oder hinteren Synechien trotz täglichem 14 Jahre lang fort-
gesetztem Eseringebrauch keine Spur,
I. Abtheilung. Medicinische Section. 1.7
Ich habe eine Reihe anderer Fälle 3—5 Jahre nur mit Eserin hin-
gehalten. Diese werden in einem besonderen Aufsatze in der Berl.
klin. Wochenschrift veröffentlicht werden.
Tagesordnung:
Diseussion über den Vortrag des Herrn Dr. Keilmann:
„Ueber die Prophylaxe der Blennorhoea neonatorum“.
Herr Prof. Hermann Cohn: Gelegenheits-Ursache zu seinem Vor-
trage gaben, wie Herr Dr. Keilmann andeutete, einige Bemerkungen, die
ich vor 1'/,, Jahren an einem klinischen Abend machte, als ein mit
‚Mund- und Augen-Gonorrhoe erkranktes Kind aus der Frauenklinik
vorgestellt wurde. Da ich fragte, ob das Kind nicht prophylaktisch mit
Argentum behandelt worden sei, wurde mir damals entgegnet: Das
Kind habe allerdings keinen Höllenstein erhalten; allein die Ursache sei
eine Spätinfeetion gewesen, die die schmutzige Mutter verursacht
habe. Gegen meinen Einwand, dass das Argentum ja sicher, andere
Mittel aber unsicher seien, wurde mir erwidert, die Einspritzungen
von Sublimat (1 : 7000) leisteten denselben Schutz.
Ich konnte damals, da der Schluss der Sitzung bevorstand, nicht
in eine längere Discussion eingehen. Um so mehr danke ich Herrn
Collegen Keilmann dafür, dass er durch seinen jetzigen Vortrag zu
einer hoffentlich recht nutzbringenden Debatte im grossen Style über
die vielen Fragen von allgemeiner Tragweite, die sich an das Thema
knüpfen, Veranlassung gegeben.
I. Ich beginne mit der Mutter aller Therapie, mit der Statistik
der Blennorrhoen. Seit 30 Jahren habe ich dieses Kapitel in Vor-
trägen und Schriften behandelt, besonders ausführlich in den 3 Ausgaben
der Bulenburgischen Eneyklopädie und in meinem Lehrbuch der Hygiene
des Auges,
Durehschnitilich zeigten 15°/,, meiner Augenkranken Blennorrhoe
der Neugeborenen. Dieselbe Zahl hat Valenta als Durchschnitt aus
allen Augenanstalten gefunden. Seit Jahrzehnten beobachtete ich, dass
die Krankheit viel häufiger in der Armenpraxis, als in der Privat-
praxis sei, in ersterer 20%, ,, in letzterer 5 %,.-
Unter etwa 50 000 Augenkranken, die ich von 1866—1891 gesehen,
waren in den 5 Lustren 17, 19, 16, 12 und 10°/,, Blennorrhoen in der
Armenpraxis und 9, 6, 5, 4, 3°%,, in der Privatpraxis. In den letzten
Jahren nimmt die Zahl wieder zu, so betrug sie 1893: 11%,,, resp. 6°%o-
Sehr gut scheint mir die Enqu&te, welche College Neisser be-
Sonnen; ich habe ihm auch sofort nicht blos die Zahlen für 1893,
sondern auch die Namen der blennorrhoeischen Kinder aus der Armen-
praxis und wenigstens die Anfangsbuchstaben der Kinder aus der
1895, 9 N
18 Jahresbericht der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur.
Privatpraxis gesendet, damit die vielen Fälle, die zu 3—4 Aerzten
gehen, nicht als verschiedene in der General-Uebersicht aufgeführt werden,
Merkwürdig ist, dass Silex in seiner neuesten Mittheilung genau
dieselben Zahlen für Berlin, wie ich in meiner Anstalt gefunden.
1878, also vor Crede’s Methode, kamen nämlich in Schweigger’s
Augenklinik 12%,,, 1889—1894:. 10—12°/,,, wobei ein Material von
60 000 Augenkranken zu Grunde gelegt wurde.
Eine Abnahme der Blennorrhoeen war also weder in
Berlin noch bei mir zu finden, natürlich, weil die Cred&’sche Pro-
phylaxe bei den Privatentbindungen, von denen die blennorrhoe-
ischen Kinder. in die Augenklinik kamen, nicht geübt worden war.
Dem gegenüber kann nicht oft genug betont werden, dass nach der
Zusammenstellung von Prof. Haab in Zürich in den Entbindungs-
anstalten: \
vor Cred& unter 42 000 Geburten 9%,
nach Cred& unter 10000 Geburten nur 1°),
an Blennorrhoe erkrankten.
Diese Zahlen sprechen mehr, wie lange Aufsätze.
II. Ich wende mich nun zur Verhütung der secundären Infection.
Die meisten Fälle kommen am 3. oder 5. Tage zur Behandlung,
und wenn sie später kommen, so erzählen die Angehörigen, dass die
Eiterung mehr oder minder stark am 3.—5. Tage begonnen habe. Nur
sehr selten wird ein Fall in die Augenklinik gebracht, der nachweislich erst
später begonnen. Spätinfeetionen gehören daher gewiss zu den
Seltenheiten.
Wir müssen hier unterscheiden zwischen den Spätinfeetionen, die in
einer Gebäranstalt von einem blennorrhoeischen Kinde auf andere
gesund geborene Kinder endemisch übertragen wurden, und solehen,
die von der kranken Mutter auf ihr Kind übergingen,
Wir haben gehört, dass in der Frauenklinik 6 gesunde Kinder
durch 2 blennorrhoeische Kinder angesteckt wurden.
In früheren Zeiten waren solche Epidemien in Gebäranstalten
noch viel häufiger. Aus der grossen Tabelle von Hausmann eitire ich
nur, dass im Jahre B%
1817—70 in der Berliner Charite 7—21 %,,
1827—77 in Breslau 7—18 %,
1826—75 in Dresden 2—25 %,
1828—79 in Stuttgart nn
Kinder erkrankten.
Es erblindeten in der Gebäranstalt zu Christiania 6—12 °/,, in der
Findelanstalt zu Prag in den Jahren 1806—39: 6%, der Kinder an
Blennorrhoe,
I. Abtheilung. Medicinische Section. 19
Professor Fuchs in Wien zeigte in seinem ausgezeichneten Buche
„Ueber die Verhütung der Blindheit“, dass in den Gebäranstalten der
Berliner Charite 2°%,, in München 2%,, in Dresden 4°/,, in Stuttgart
4%, in der Wiener und Prager Findelanstalt sogar 21 resp. 45°, Kinder
Schädigungen der Augen durch Blennorrhoe erfuhren.
Längst hat man gewusst, dass diese furchtbaren Ziffern nur durch
Uebertragung von Kind zu Kind hervorgerufen wurden, und dass nur die
strengste Sauberkeit und die Trennung der Kranken von
den Gesunden solche Epidemien verhüten.
Früher konnte man allerdings den Gonococcen-Eiter nicht von
unschuldigen Secreten unterscheiden; trotzdem war ja klinisch die
_ Diagnose der Augenblennorrhoe stets so leicht, dass sie auch ohne
Mikroskop gestellt werden konnte.
Heut untersucht man das Secret der Wöchnerinnen sorgsam, und
wir haben von Herrn Collegen Keilmann gehört, dass er bei vierzehn
Wöchnerinnen gonococcenhaltigen Eiter gefunden. Natürlich ist in
solchen zweifellosen Fällen ja doppelte Vorsicht nöthig, zumal be-
kanntlich Bumm nachgewiesen, dass gerade im Wochenbett die Gono-
eoecen sich ausserordentlich vermehren. Solche Fälle müssten natürlich
ganz besonders streng isolirt werden.
Zur Prophylaxe von nalen haben die Hygieniker längst folgende
5 Punkte vorgeschlagen:
1) muss eine gonorrhoische Mutter auf die Gefahr besonders auf-
merksam gemacht werden;
2) muss sie sofort separirt werden sammt ihrem Kinde, wenn
Augen-Blennorrhoe sich zeigt;
3) müssen die wenigen Wöchnerinnen, die in der Droschke oder im
Vorsaal entbunden werden, über deren Scheidensecret man
also vorher keine Auskunft haben konnte, und bei denen die
Augen des Kindes keiner Desinfecetion unterzogen werden konnten,
aus Vorsicht in ein besonderes Zimmer gelegt und mit
Argentum eingetropft werden;
4) müssen nur solche Wärterinnen zugelassen werden, welche auf
Reinlichkeit dressirt sind; Hilfswärterinnen, welchen die Gefahren
der Blennorrhoe nicht bekannt sind, dürfen nicht thätig sein;
5) müssen Taschentücher, Handtücher, Wannen, Waschbecken,
Leinenstücke und alle sonstigen Utensilien in so grosser
Menge vorhanden sein, dass nichts von einem Kinde auf das
andere übertragen werden kann.
Also die Prophylaxe der Spätinfection besteht, wie bekannt, in
srösster Sauberkeit und Isolirung der Kranken. Lefort hat gezeigt,
dass im Pariser Findelhause die früher dort sehr häufigen Hausepidemien
aufhörten, als jedes Kind, das Eiterung zeigte, sofort isolirt wurde.
9%
20 Jahresbericht der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur.
Ganz ähnlich ist es mit den Spätinfeetionen in der Privatpraxis.
Hier ist natürlich nur das eine Kind, oder wenn es Zwillinge sind, die
beiden Kinder der Wöchnerin in Gefahr. Hier muss ebenso vernünftige
Belehrung der Mutter und der Wärterin stattfinden, damit nicht die
Augen des Kindes mit schmutzigen Fingern oder mit Utensilien, die bei
der kranken Mutter gebraucht wurden, berührt werden.
Es werden ja auch die Tripperkranken stets gewarnt, mit dem
Handtuch oder mit den Fingern ins Auge zu kommen. Daher ist jetzt auch
der Augentripper der Erwachsenen sehr selten geworden; sowohl
Hirschberg als ich haben nur 1 %,, unter den Augenkranken. In den
letzten Jahren habe ich gar keinen Fall mehr gesehen. Aber auch hier
ist die Umgebung zu warnen. Vor einigen Jahren behandelte ich die
50 jährige Frau eines Rechtsanwalts, welche ihrem Sohne, einem Studenten,
der an Tripper und Bubonen litt, Umschläge aufgelegt hatte. Etwas
Eiter muss in ihr Auge gekommen sein; es waren massenhaft Gono-
coecen nachzuweisen, das rechte Auge der Dame ging bis auf Licht-
schein verloren, das andere wurde nur durch einen mit eiserner Conse-
quenz 18 Tage lang getragenen Schutzverband gerettet.
III. Ich komme jetzt zur Prophylaxe der primären Infeetion
zunächst in Anstalten.
Herr Dr. Keilmann sagt: „Ein Tropfen Silberlösung ist gar keine
Prophylaxe, sondern eine Therapie.‘ Im strengen Sinne des Wortes
hat er Recht. Es ist eine Therapie; denn es zerstört dieser Tropfen
die Gonococcen, die bereits ins Auge gekommen sind. Aber zugleich
verhütet er doch dadurch auch, dass eine weitere Züchtung derselben
im Auge stattfindet. Wir wollen kein Spiel mit Worten treiben. Sonst
müssten wir sagen: Die Prophylaxe beginnt gar nicht beim Kinde und
gar nicht bei der Mutter; denn auch bei ihr behandeln wir ja schon die
Gonocoeccen therapeutisch; die wahre Prophylaxe soll schon beim Vater
beginnen. Der Vater, der einen Tripper hat, soll keinen Bei-
schlaf ausüben; dann wird weder Frau noch Kind Gonorrhoe be-
kommen. Hierin können die Hausärzte gar nicht energisch genug sein;
sie müssen den infieirten Männern den Coitus untersagen und Personen
mit schwerem Nachtripper vor dem Heirathen warnen.
Aber ist nun einmal die Mutter mit Tripper infieirt, so muss die
Prophylaxe bei. der Mutter beginnen. Ich gestatte mir nicht im Min-
desten ein Urtheil über die Maassnahmen, welche die Frauenärzte in
dieser Beziehung bevorzugen. Als ich das Kapitel Blennorrhoe für mein
Lehrbuch schrieb, habe ich verschiedene, sehr hervorragende Frauenärzte
angefragt über die präventive Desinfeetion der Scheide der
Schwangeren, und ich habe ganz verschiedene Auskünfte erhalten.
Die Einen wollten durchaus die Vagina mit Carbol ete, reinigen, Andere
I. Abtheilung. Medieinische Section. 91
warnten davor. Von Herrn Collegen Keilmann hörten wir, dass sogar
mit einer Bürste und Seife die Scheide ausgebürstet worden; doch
schien er selbst nicht zu den Anhängern der Methode zu gehören.
Ueber diese Punkte mögen sich also die Frauenärzte bei der Dis-
eussion aussprechen,
Aber über die prophylaktischen Augeneinträufelungen erlaube ich
mir mitzusprechen. Vor Cred& existirten nur zwei Methoden: 1) die
einfache Reinigung der Augen und 2) die Reinigung mit des-
infieirenden Flüssigkeiten,
Da sich die Gonococcen auf der Haut der Lider und an den
Wimpern befinden können, so werden sie beim Oeffnen ins Auge ge-
rathen. Das Hebammenlehrbuch von 1892 betont daher mit Recht das
sorssame Abwischen der Lider. Da heisst es wörtlich in $ 324:
„Die Hebamme wird einsehen, wie ausserordentlich wichtig es- ist, dass
sie dem Kinde, sobald der Kopf geboren ist, diesen verderblichen
Schleim mit reinem Wasser von den Augen abwäscht. Von
der Sorgfalt, welche sie hierbei anwendet, wird oft die Gesundheit
der Augen des Kindes abhängig sein.“ Ferner sagt das Hebammen-
lehrbuch im $ 218: „Vor Allem wasche sie dem Kinde sofort
nach Hervortritt des Kopfes, bevor es noch die Augen ge-
öffnet hat, die Augenlider mit reinem Wasser gründlich von
dem anhaftenden Schleime der mütterlichen Geburtswege.“
Sehr verständis wird aber hinzugefügt, dass, wenn die Mutter eines an-
steckenden Schleimflusses verdächtig ist, nach der Reinigung noch ein
Tropfen 2procentiger Höllensteinlösung in jedes Auge gegossen werden soll.
Die erste Aufgabe wird also gewissdie sein — und darin stimmeich Herrn
Collesen Keilmann vollkommen bei —, durch mechanische Reinigung
die Gonoeoccen zu entfernen. Aber gerade beim Abwaschen der Lider
mit Schwämmen oder Läppchen sind oft erst recht die Coccen in die
Bindehaut hineingewischt worden. Auch das Badewasser ist schon
früher als Träger beschuldigt worden, besonders von Schirmer, welcher
meint, dass dies eine Menge Vaginalschleim von der Haut des Kindes
entfernt und die Coccen ins Auge bringt. Er rieth daher, den Kopf
nach der Geburt nicht zu baden, sondern zunächst mit einem
trockenen Tuche abzuwischen und erst am nächsten Tage das Ge-
sicht in einer Waschschüssel zu waschen. Bei Befolgung dieser Methode
hat er unter 50 Geburten keinen Fall von Blennorrhoe gehabt. Das
ist also eigentlich dieselbe Methode und derselbe Erfolg, den uns Herr
Dr. Keilmann vorgetragen.
Das Abwischen ist freilich etwas Anderes, als das Auswaschen
der Augen mit destillirtem Wasser, welches auch manche Geburts-
helfer rühmten. Abegg hatte damit 5°%,, Kaltenbach sogar 0%,
Cohn in Schröder’s Klinik 2°), Blennorrhoe. In neuester Zeit sprieht
$ Jahresbericht der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur.
En
153)
sich auch Silex für Ausspülen mit einem kräftigen Wasserstrahl
aus; der Schleim soll von den noch geschlossenen Lidern mit Watte,
die in abgekochtem Wasser angefeuchtet ist, abgewischt und darauf ge-
achtet werden, dass kein Badewasser beim Baden ins Auge spritzt.
Er stützt sich auf Piringer’s Versuche, nach welchen der Trippereiter
bei 100facher Verdünnung unschädlich wird.
Diese Art der Reinigung mag in Anstalten mit ausgezeichnet ge-
schultem und sauberem Personal nützlich sein; für alle Fälle reicht sie
nicht aus. Ich habe ein Kind behandelt, dessen Augen vom Arzte mit
Wasser gehörig ausgewaschen worden, und das doch die schlimmste
Blennorrhoe zeigte.
Betreffs der Reinigung mit desinficirenden Flüssigkeiten verweise
ich auf folgende zum Theil aus Fuchs entnommene Tabelle. Es hatte
Olshausen bei Carbol (1%). . . 2. 8%, Blenn.
=) bei) Carbol(2INye Ic. u. Aldo Dune
Späthbei Carbolä(lWj) ner un. 2.00. uraalAnınE-
Kon kenbierszibei Garbola (2 )a a. 22 2
Sichröder.bei Sublimat 7 u. 2. nd „Aalen =
2 bei Zineum sulfo-carbol . . . DR
A\v
Erdbergbei Sublimat (1:7000) . . . 04% a)
Dann wurde die Salieylsäure von Bischoff, das Chlorwasser
von Schmidt-Rimpler, das Thymol von Schirmer, die Borsäure
von Wecker und das übermangansaure Kali von Valenta em-
pfohlen. Cred& hatte Anfangs auch Borsäure genommen, war aber
damit nicht zufrieden und griff zur Silberlösung.
3) Eingiessungen von Höllenstein. v. Gräfe hatte 1854
betont, dass es kein besseres Mittel zum Heilen der Blennorrhoe gäbe,
als Argentum. Aber auf den glücklichen Gedanken, prophylaktisch
den Höllenstein zu geben, ist er leider nicht gekommen. Dies verdankt
man Cred&, der 1882 seine Methode veröffentlichte und sich dadurch
unsterblich machte.
Seine Vorschrift muss aber auch ganz genau befolgt werden. Er
sagt: „Die Kinder werden nach der Abnabelung zunächst von der Haut-
schmiere und dem an ihnen haftenden Blute, Schleime u. s. w. in der
bekannten Weise befreit, dann in das Bad gebracht und dabei die
Augen mittels eines reinen Läppcehens oder besser mittels reiner
Watte, nicht mit dem Badewasser, sondern mit anderem reinen
gewöhnlichen Wasser äusserlich gereinigt, namentlich von den Lidern
!) Irrthümlicherweise hatte ich in der Tabelle nicht 0,4°/,, sondern 4°], an-
geschrieben, da ich diese Zahl aus dem Vortrage des Herrn Dr. Keilmann ge-
hört und notirt hatte; doch ergiebt sich aus der Dissertation des Herrn Erdberg,
die ich damals nicht zur Hand hatte, dass die Zahl 0,4°/, nur beträgt.
I. Abtheilung. Medieinische Section. 93
alle anhaftende Hautschmiere beseitigt. Dann wird auf dem Wickel-
tische vor dem Ankleiden des Kindes jedes Auge mittels zweier
Finger ein wenig geöffnet, ein einziges am Glasstäbehen hängendes
Tröpfehen einer 2procentigen Lösung von Höllenstein der Hornhaut bis
zur Berührung gebracht und mitten auf sie fallen gelassen. Jede weitere
Berücksichtigung der Augen unterbleibt. Namentlich darf in den nächsten
24—36 Stunden, falls eine leichte Röthung oder Schwellung
der Lider mit Schleimabsonderung erfolgen sollte, die Ein-
träufelung nicht wiederholt werden.‘
Bei dieser Methode hatte Cred& in 3 Jahren bei 1160 Geburten
nur 1 Fall von Blennorrhoe, also nicht 1 %,,, „und bei diesem einen
Falle war im Drange der Geschäfte die Einspritzung ver-
sessen worden“, also in Wirklichkeit 0°), ,-
Späth, der früher 190 °/,,, dann bei Carbol 14 %,, Blennorrhoe
sah, hatte mit Cred& nur 7 %,,- |
Felsenreich statt 43 %/,, nur 10 %o-
Bayer statt 123 °/,, sogar 0 %,-
Krukenberg statt 130 %,, nur 1 %o-
Fuhrmann 0°%,,, und die Zusammenstellung von Professor
Haab in Zürich ergab statt der früheren 89%,, nur noch 10% ,-
Eine kleine Differenz bestand nur zwischen Königstein und
Fürst; letzterer wünschte die Eintropfung sogleich nach der Geburt,
ersterer wie Cred& nach dem Bade. Das scheint mir eben wieder ein
Vorzug der Cred&’schen Methode, dass man sich Anfangs gar nicht um
die Augen des Kindes zu kümmern braucht und seine ganze Aufmerk-
samkeit der Beendigung der Geburt zuwenden kann.
Nun ist es eigentlich ganz unbegreiflich, warum ein so einfaches
und gutes Mittel von vielen Geburtshelfern noch immer nicht obli-
gatorisch eingeführt wird.
Wenn man es nicht anwendet, muss man sich doch wie bei jedem
Mittel fragen:
1) Hat es in einer Reihe von Fällen die Krankheit nicht verhütet?
2) Hat es den Augen in anderer Art Schaden gebracht?
1) Hatesineiner Reihe von Fällen die Blennorrhoe nicht
verhütet? Bei Cred& sind 1000 Fälle ohne Blennorrhoe. Wenn ander-
wärts wieder einige Fälle notirt werden, so ist offenbar die Ursache
die, dass nicht genau nach Cred&’s Vorschrift eingetropft worden ist,
Und selbst wenn diese Fälle nach der Angabe von Herrn Dr. Keilmann,
falls ich recht verstanden habe, 7 pro Mille ergaben, so ist das doch
reeht wenig; kamen doch nach seinen Mittheilungen bei Sublimat nach
Erdberg 4 pro Mille, bei Wasserreinigung nach Kaltenbach 5 pro
Mille vor. Bei guter Procedur, wie sie der Meister Cred& machte, trat
gar keine Blennorrhoe auf,
4 Jahresbericht der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur.
2) Hat der Tropfen Höllenstein den Augen in anderer
Art Schaden gebracht? Diese Besorgniss schreckt leider viele Ge-
burtshelfer von Cred&’s Methode ab. Sie sahen am nächsten Tage
das Auge, welches den $ilbertropfen erhalten, geröthet, einen Binde-
hautkatarrh. Das ist zweifellos richtig. Ich habe diese katarrha-
lische Reizung auch gesehen und zwar in einem Falle, wo ich das zweite
Auge, als das erste an Blennorrhoe erkrankt war, täglich prophylaktisch
mit einem Tropfen 2procentiger Argentumlösung 8 Tage lang behandelte,
entsprechend den Angaben von Fränkel in Chemnitz. |
Röthe, etwas Lichtscheu, Thränen, auch ein wenig Schwellung trat
ein, aber keine Spur von Hornhauterkrankung. Zwei Tage
nach dem Aussetzen des Mittels war die Bindehaut wieder blass und
jede abnorme Erscheinung verschwunden. Fränkelhatsechs Wochen
lang täglich einen Tropfen eingespritzt und ohne Verband dadurch das
andere Auge der Kinder geschützt und niemals eine üble Folge gesehen.
Wo sind denn nun die Fälle, in denen ein Auge wirklich ge-
sehädigt worden ist?? Zeigen Sie sie mir doch! In der Literatur
finde ich nichts, und sicher würden doch solche Fälle von den Gegnern
Cred&’s mit Vorliebe geschildert worden sein. Ich habe niemals ein
Ause zu sehen bekommen, das durch Cred&’s Prophylaxe Schaden er-
litten. Dasselbe versicherte mich der verstorbene College Dr. Fuhr-
mann, der in der hiesigen Hebammen-Lehranstalt täglich die Methode
anwendete,
Dass der künstliche Katarrh der Bindehaut den Gonococcen ihre
verderbliche Arbeit erleichtert, ist durch nichts bewiesen. Kommt
ein Gonococcus auf eine gesunde Conjunctiva, so ruft er die Blennorrhoe
ebenso sicher hervor, wie auf einer katarrhalischen. Es darf eben kein
Gonococeus auf die Schleimhaut gebracht werden, und aus der Luft
fällt ja keiner darauf.
Nun sagt man auch: der Tropfen a schmerzt. Ja, gewiss
schmerzt er; aber das Impfen schmerzt auch und ruft sogar mitunter
Fieber hervor; trotzdem ist es obligatorisch eingeführt.
Jene leichten vorübergehenden Reizungen der Bindehaut veranlassten
aber Schröder und Kaltenbach, wieder zu Wasser oder zu Subli-
mat zurückzukehren; allein die oben angegebene Tabelle zeigt, dass
doch wieder Fälle von Blennorrhoe dabei auftraten, ebenso bei Zineum
sulfo-carbolieum.
Nun hören wir von Herrn Dr. Keilmann, dass blosses Abreiben
mit Jodtrichlorid die Krankheit in 500 Fällen verhütet habe. Ich
bezweifle die Richtigkeit nicht im Entferntesten. Gute mechanische
Reinigung ist gewiss viel werth, und Cred& und andere Geburts-
helfer, auch das Hebammenlehrbuch, betonten schon lange diese
sorgsame Reinigung der Lider gleich nach der Geburt des Kopfes;
I. Abtheilung. Medicinische Section. 95
aber sie muss doch viel schwieriger exact auszuführen sein, als das
Eingiessen eines Tropfens Höllenstein; sonst wäre wohl nicht Cred&
auf seine Methode gekommen. In Entbindungs-Anstalten mit gut ge-
sehulten Wörterinnen mag das ausschliessliche äussere Reinigen zum
Ziele führen. Vielleicht kommt man nach Silex auch mit Ausspritzung
der Augen mit einem tüchtigen Wasserstrahl zum Ziel.
Ich glaube nicht, dass sie sich für die Privatpraxis eignet. Warum
sollen wir also die ganz sichere und unschädliche Cred&’sche
Methode aufgeben? Professor Fuchs empfiehlt auch das Cred&’ sche
Verfahren als das sicherste, glaubt aber, von den Hebammen ausser-
dem die sofortige Reinigung der Lider mit einer desinfieirenden
Flüssigkeit verlangen zu sollen, da beide Methoden zusammen eine
noch grössere Garantie dafür geben, dass die Infection vermieden wird.
IV. Verhütung der Primär-Infection in der Privatpraxis.
Was hat man hier gegen die Cred&’sche Methode vorgebracht?
1) Die Reizung, deren Gefahrlosigkeit ich nachgewiesen habe, und
2) die Ungeschicklichkeit der Hebammen.
Nun bemerkt Cred& sehr richtig, dass nach alten Verordnungen in
die Hebammenschulen nur Frauen angenommen werden dürfen,
„welche schmale, geschmeidige und geschickte Hände mit
feiner Haut und schlanken, gelenkigen, nicht zu kurzen Fingern haben,
frei von Warzen, Schwielen und Verunstaltungen.“ Leider, fügt Crede&
mit feinem Sarkasmus hinzu, besteht eine derartige Verordnung für
Aerzte nicht, und sein Urtheil falle nach 30jähriger Thätigkeit mehr
zu Gunsten der Hebammen als der Aerzte in dieser Hinsicht aus.
Der kleine Handgriff, einen Tropfen ohne Rohheit ins Auge zu
bringen, kann mit Leichtigkeit eingeübt werden; es werden ja viel
schwierigere Handgriffe den Hebammen gelehrt. Man lasse jede
Hebamme im Examen unbarmherzig durchfallen, wenn sie diesen kleinen
Dienst nicht ordentlich leisten kann. Der Glasstab ist besser als die
Pipette, da mit jenem keine Verletzung denkbar ist. Steffan sagt mit
Recht: „Ein Hebammenstand, dem dieses Verfahren nicht anvertraut
werden könnte, hat überhaupt keine Existenzberechtigung.“
Aehnlich äussert sich Prof. Haab. Dr. Fuhrmann liess in der
zweiten Hälfte des Hebammencursus die Schülerinnen selbst die Methode
ausüben und hat nie einen Schaden dabei gesehen.
Am meisten zu beklagen ist das Gutachten der preussischen
wissensehaftlichen Deputation für das Medicinalwesen vom
Jahre 1887 (Referent Schröder), welches sagt: „Das Verfahren von
Cred& ist sehr gut, hat jedoch den Nachtheil, dass die Bindehaut sehr
leicht gereizt wird. Wird den Hebammen diese Prophylaxe überlassen,
so können sie leicht, allzu sorglos, den Ausbruch der Blennorrhoe
96 Jahresbericht der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur.
übersehen. Es wird abgerathen, den Hebammen in der Privatpraxis
das Verfahren zu überlassen.‘*
Ich frage immer wieder: Wo sind denn die Fälle von Reizung der
Bindehaut, die Schaden gebracht haber? Wie kann ein Ausbruch von
Blennorrhoe übersehen werden, da sie ja notorisch nach Höllenstein
nicht ausbricht. Und wenn wirklich schlecht eingegossen worden, wie
kann denn die Hebamme die Schwellung und Eiterung übersehen? Jeder
Laie sieht doch, wenn Eiter aus einem Auge fliesst. Ich wiederhole
immer wieder: dieses überaus schwache Gutachten der obersten
wissenschaftliehen medieinischen Behörde hat die Blindheit vieler
Kinder in Preussen verschuldet und wird sie weiter ver-
sehulden.
Die Methode muss meines Erachtens wie Zwangsimpfung ein-
geführt, aber wie bei dieser muss auch das Volk durch Vorträge
und populäre Schriften über die Nützlichkeit der Methode aufgeklärt
werden.
Und nun komme ich zu dem Einwurfe, den man oft hört. Viele
Väter und Mütter, die sich rein von jeder Gonorrhoe wissen, werden
das Verfahren nicht gestatten.
Hier kann eben nur Belehrung helfen. Man muss möglichst ver-
breiten, dass auch Kehlkopfkatarrhe, die ganz unschuldiger Natur
sind, genau so wie syphilitische mit Argentum behandelt werden. Ganz
ebenso werden auch gewöhnliche Bindehautkatarrhe gerade wie die
Blennorrhoeen mit Argentum geheilt. |
Die Belehrung ist immer das Wichtigste. Sie sollte eigentlich
schon in der Schule beginnen. Sie werden mir nicht zutrauen, dass
ich wünsche, dass in der höheren Töchterschule über den Tripper ge-
sprochen werden soll. Aber warum soll nicht in den höheren Volks-
schulklassen in der. Anthropologie mitgetheilt werden, dass es eine sehr
gefährliche Krankheit der Augen giebt, die in den ersten Lebenstagen
ausbricht, die durch einen Tropfen Höllenstein sicher verhütet werden
kann, und bei der, falls sie ausgebrochen, die schleunigste ärztliche
Hilfe nöthig ist.
In Havre wird schon seit Jahren allen Personen, die ein Kind an-
melden, auf der Mairie eine Belehrung von Briere mitgegeben.
Fienzal hat sogar vorgeschlagen, schon bei der Eheschliessung den
Eltern ein Avis aux parents betreffs der Blennorrhoe einzuhändigen.
Wenn einzelne Geburtshelfer etwas laxer in der Prophylaxe vor-
‚gehen, als die Augenärzte, so liegt dies daran, dass sie die schreck-
lichen Ausgänge vieler Fälle gar nicht sehen. Am neunten Tage
verlässt das Kind die Entbindungsanstalt, da eitert das Auge wohl, aber
die Cornea ist noch nicht durchbrochen; erst später platzt sie, und die
Augenärzte und die Blindenanstalten sehen das traurige Ende.
I. Abtheilung. Medicinische Section. 27
Und nun komme ich zum Wichtigsten:
V. Meldepflicht.
Von vielen Autoren wird sie gewünscht, damit kein Fall vernach-
lässigt und keine Epidemie möglich werde. In Sachsen ist sie durch
Cred&’s Bemühungen seit 1835 eingeführt. Aber auch in Schlesien
ist sie längst vorgeschrieben. Im Breslauer Amtsblatte vom 7. November
1884 ist eine Polizei-Verordnung für die Provinz Schlesien erschienen,
die am 20. October 1884 vom Oberpräsidenten Herrn von Seydewitz
erlassen wurde. Da heisst es im $ 4: „dass jeder Fall von eitriger
Augenentzündung der Neugeborenen ohne Verzug dem zuständigen
Physikus schriftlich oder mündlich anzuzeigen ist.‘
Was geschieht nun, wenn die Hebamme in der Privatpraxis den
Fall dem Physikus anzeigt? Er kann, da kein öffentliches Interesse
vorliegt, wie mir von zuständiger Seite mitgetheilt wurde, nicht persönlich
zu dem Kinde gehen; er kann nur moralisch auf die meldende
Hebamme einwirken und ihr ans Herz legen, bald einen Arzt zu rufen.
Da die Hebamme nicht Portofreiheit hat, wird sie nicht gern an den
Kassenarzt oder Armenarzt schreiben.
Früher geschah es sehr oft, aber auch jetzt noch in einzelnen
Fällen, dass die Hebammen aber gerade die Zuziehung eines
Arztes verhindern und ihren Kamillenthee selbst gegen den Willen
der Mutter so lange anwenden, bis unheilbare Schäden im Auge ent-
standen sind. Erst im vorigen Jahre notirte ich einen Fall, in dem die
Hebamme 3 Wochen lang gegen Zuziehung eines Arztes opponirte, und
einen anderen Fall, in dem die Hebamme 14 Tage lang Milch ins Auge
siessen liess. Wir Aerzte können allerdings solche Hebammen anzeigen ;
aber welcher anständige Mensch giebt sich gern zum Denuneiren her?
Und die Geldstrafe steht dann auch nicht im Verhältnisse zu der Misse-
that, die die Hebamme begangen.
Interessant dürfte es übrigens sein, zu erfahren, dass, wie das
Univers. - Curatorium im April 1884 berichtet, seitens der Hebammen-
lehranstalten die Hebammen auf die hierselbst gemachten diesbezüglichen
günstigen Erfahrungen aufmerksam gemacht und zur Anwendung des
Cred&’schen Mittels angehalten werden sollten, — was auch ge-
schehen ist.
Wenn ich nun auch mit fast allen Augenärzten davon überzeugt
bin, dass die obligatorische Einführung der Cred&’schen Methode das
Beste ist, so hüte ich mich doch, der geehrten medieinischen Section
eine dahin lautende Resolution zu unterbreiten. In gelehrten Gesell-
schaften erreicht man damit nichts. Nur durch beständige Betonung
und durch Empfehlung seitens der Lehrer der Geburtshilfe können wir
etwas erreichen,
38 Jahresbericht der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur.
Aber ich beantrage, eine Commission zu wählen, welche
die Vorschläge auszuarbeiten hat, durch welche wir sonst
noch die Blennorrhoe verhüten können. Dahin gehört u. a.
die Betonung der schnellsten Meldepflicht und eine Belehrung, die auf
den Standesämtern vertheilt werden soll.
Die Blennorrhoe ist ein durch richtige Hygiene vollkommen aus der
Welt zu schaffendes Leiden. Es giebt in der ganzen Mediein keine
andere Krankheit, die so absolut sicher zu vermeiden ist. Wer sich an
der Prophylaxe betheiligt, thut ein humanes Werk; denn durch sie
können jährlich 30 000 Menschen weniger erblinden und über 100 000
ihre volle Sehschärfe erhalten, wahrlich ein Werk, eines Tropfens
Höllensteins werth!
Herr Prof. Neisser: Meine Herren! Die ausführlichen Bemer-
kungen, die soeben Herr College Cohn vorgetragen hat, haben den
Standpunkt, den ich in der Discussion einnehmen wollte, eigentlich etwas
verschoben. Während ich herkam in der Absicht, der möglichst allge-
meinen und obligatorischen Einführung des Cred&’schen Verfahrens das
Wort zu reden und davor warnen wollte, am Cred&’schen Verfahren
die unbestreitbar guten Resultate desselben durch Verbesserungsvor-
schläge, selbst wenn dieselben auch gut studirt und erprobt wären, in
Zweifel zu ziehen, bin ich heute in der Lage, einerseits den, wie ich
glaube, übertriebenen Lobeserhebungen des Cred&’'schen Verfahrens
seitens des Herrn Collegen Cohn entgegenzutreten, andererseits seine
Angriffe auf die Keilmann’sche Methode abzuweisen.
Herr College Cohn stellt es so dar, als wenn das Cred&’sche
Verfahren wirklich unfehlbar und überall und ausnahmslos wirksam sei.
Ist denn das der Fall? Hat er nicht selbst eine ganze Anzahl Statistiken
vorgetragen, in denen zwar gegen die Zeit vor der Anwendung des
Cred&’schen Verfahrens die glänzendsten Resultate zu verzeichnen sind,
die aber doch nicht den Grad der Vollkommenheit aufweisen, den
College Cohn ihnen vindieirt! Es sind da zwar sehr wenig Fälle von
Blennorrhoeen verzeichnet, aber sie sind doch da und man kann daher
nicht sagen, dass diese Methode unangreifbar ist, noch dazu, wenn es
sich in der Discussion um eine andere Methode handelt, die auf 500 Fälle
nicht einen einzigen Fehlfall ergeben hat. Weniger wie 0 °/, Blennorrhoeen
kann man doch schliesslich nicht erzielen. Diese 0°/, der Küstner’schen
Methode muss Herr College Cohn also noch anfügen der Liste der-
‚jenigen nicht nach Cred& vorgehenden Autoren, welche er als ungünstig
bezeichnet hat; dadurch aber verschiebt sich doch das Gesammtresultat
dieser nicht nach Öred& behandelten Neugeborenen ganz erheblich,
Es ist übrigens ganz begreiflich, dass diese Autoren, welche nicht
wie Crede&, eine stark desinficirende 2°/, Argentum nitricum-Lösung zur
I. Abtheilung. Medieinische Section. 39
Instillation verwandten, sondern irgend eine andere Flüssigkeit und gar
Aqua destillata, so schlechte Resultate erzielten. Denn bei dieser
Methode wird gerade das Gegentheil von dem erreicht, was gewünscht
wird; die Gonococcen werden geradezu in das Auge hineingewaschen
und zwar mit Flüssigkeiten, welche sie nicht tödten. Es ist das ein
Analogon zu der alten Tripperbehandlungsmethode, bei der man Lösungen,
die auf das Tripvergift nicht den - geringsten Einfluss hatten, injieirte
und dadurch natürlich eher eine Verschleppung des Trippers auf der
Harnröhrenschleimhaut, statt eine Vernichtung desselben erzielte. Daher
denn auch die früher ganz vernünftige Lehre, die ja die herrschende
war, man solle bei frischem Tripper nicht injieiren, weil man sonst un-
nöthig dieKrankheit in der Harnröhre eventuell bis in die Blase verschleppe.
Ganz denselben Fehler aber macht man, wenn man nicht
senügend desinfieirende Lösungen zum Auswaschen der
Augen anwendet. Man wischt die vor der Augenöffnung nur an der
Aussenfläche der Lider und an den Lidrändern haftenden Gonococcen in
die Conjunctiva und wird auf diese Weise wahrscheinlich mehr
Blennorrhoeen erzielen, als wenn man das Auge ganz in Ruhe ge-
lassen hätte.
Gegen das Cred&’sche Verfahren wird von vielen Seiten eingewandt,
ohne dass ich mir darüber ein Urtheil erlauben kann, die 2°/, Argentum-
lösung sei schädlich für das Auge. Gar sehr schädlich kann sie gewiss
nicht sein, denn es ist nirgends eine wirkliche bleibende Störung an der
Conjunctiva oder gar an der Hornhaut beobachtet worden. Der durch
die Einträufelung entstehende Katarrh hat an sich gewiss keine ernste
Bedeutung; es ist jedoch sehr wahrscheinlich, dass ein durch die
Argentumlösung gereiztes Auge für spätere, sogenannte Secundär-
Infeetionen zugänglicher ist, als ein gesundes. Ich kann, wie gesagt,
über diese Frage nicht mitsprechen, jedoch hat es mich frappirt, dass
noch heut vor der Sitzung einer unserer vortreftlichsten Augenärzte mir
sagte, er würde sich wohl hüten, seinen Kindern eine 2%, Argentum-
lösung ins Auge zu träufeln,
Alle diese Einwände sind wohl aber nicht die Hauptargumente der-
jenigen, welche das Cred&’sche Verfahren zu verbessern suchen. So-
weit ich es übersehe, behaupten sie nur, seine Anwendung sei so
schwer, dass nur geschickte und zuverlässige Personen — und sind das
alle unsere Hebammen? — es so ausführen könnten, dass es einerseits
sicher seine Zwecke erfülle, andererseits nicht schade. Diesen Ein-
wänden gegenüber möchte ich allerdings glauben, dass das in der
Küstner’schen Klinik geübte Verfahren der Reinigung des äusseren
Auges viel einfacher und leichter erlernbar sei, als die geschickte
Einträufelung von 1 oder 2 Tropfen der Argentumlösung ins Auge.
Aber auch das ist eine Frage, über die wir hier schwer discutiren
30 | Jahresbericht der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur.
können. Nur Hebammenlehrer und Kliniker, die mit einem grossen
Wartepersonal reichliche Erfahrungen gemacht haben, werden darüber
ein Urtheil abgeben können, welche Methode die leichter erlernbare sei.
Dass die Küstner’sche Methode der einfachen Reinigung ausreicht
und bei guter Handhabung ebenso viel leistet, als das Cred&’sche
Verfahren, das, meine Herren, seheint mir sicher bewiesen; denn bessere
Resultate als keinen Erkrankungsfall auf 500 Fälle kann man nicht er-
warten.
Ich bin aber auch gar nicht erstaunt über diese guten Resultate. Leider
hat aber Herr College Keilmann diesen Punkt, der mir einer der
wichtigsten zu sein scheint, nur so nebenbei erwähnt. In der That ist
der Ueberzug des Auges mit Vernix caseosa, das Anhaften
der Gonocoecen an dieser abwischbaren Schicht, der
springende Punkt seiner Behandlungsmethode, vorausgesetzt dass
das Entfernen .dieser Schicht vor sich geht, ehe das Kind
die Augen Öffnet.
Da komme ich allerdings auf einen Punkt, der einer weiteren
Diseussion bedarf. College Küstner wünscht, dass in der Wehenpause
nach der Austreibung des Kopfes sofort mit der einen freibleibenden
Hand das Auge abgewischt und gereinigt werde. Soviel ich weiss, hat
sein Amtsvorgänger, Herr College Fritsch, gelehrt, dass sofort die
weitere Austreibung des Kindes durch Einlegen des Fingers unter die
Achsel zu unterstützen sei. Dann aber würde ja diese Zeit, welche für
die Reinigung des Auges gerade die wichtigste ist, verloren gehen. Ist
das Auge aber erst einmal geöffnet, dann muss auch ich sagen, halte ich
die Chancen, dass durch das einfache äussere Abwischen die Gonococcen
entfernt und, was noch schwieriger ist, nicht durch einfach mechanische
Manipulationen ins Auge hineingebracht werden, für viel ungünstiger bei
der Keilmann’schen Methode. Dann würde auch ich dafür plaidiren,
mit einer sicher desinfieirenden, wenn auch vielleicht etwas reizenden,
aber sonst unschädlichen Lösung, der 2 °/, Argentumlösung, zu desinfieiren.
Ob man das Prophylaxe oder schon Therapie nennt, ist wohl dabei
sanz gleichgültig, das ist ein Streit um Worte, der wenig von Be-
lang ist.
Man könnte aber die Frage aufwerfen: „Ist es denn durchaus noth-
wendig, eine so stark ceoncentrirte Argentumlösung anzuwenden, wenn
man solche Reizerscheinungen fürchtet? Ist es in der That richtig, dass
erst eine 2%, Concentration des Argentum nitricum, dieses besten aller
Desinfeetionsmittel gegen’den Gonococeus, genügt, um wirklich momentan
die Gonococeen zu tödten? Das ist sicherlich nicht der Fall. Man kann viel
schwächere Lösungen in Anwendung ziehen, nur müssen diese etwas länger
mit der Conjunctivaloberfläche in Berührung gelassen werden. Versuche
mit Gonococcen-Öulturen haben das bewiesen, Ob diese etwas längere
I. Abtheilung. Medicinische Section. 3]
Bespüluug — bis 30 Secunden etwa — technisch ausführbar ist, weiss
ich nicht.
Fasse ich also all’ das bisher Ausgeführte zusammen, so glaube ich
mich dahin schlüssig machen zu können, dass das Ored&’sche Verfahren,
so bahnbrechend es auch gewirkt hat und so wunderbar auch seine
Resultate einer der schlimmsten Erkrankungen gegenüber gewesen sind,
doch nicht als das alleinseligmachende Verfahren eo ipso hingestellt
werden kann, da wir sehen, dass auch auf eine noch viel harmlosere
und unschädlichere Weise dasselbe Ziel erreicht werden kann.
Ich höre eben den Einwurf: „Die von Keilmann vorgetragenen
Resultate sind doch nur dadurch so glänzende, dass er selbst mit speciell
darauf gerichteter Aufmerksamkeit diese Versuche geleitet hat. In der
Praxis, namentlich den Hebammen überlassen, wird sich die Sache
sewiss ganz anders stellen.“ Meine Herren, ganz derselbe Vorwurf
trifft das Cred&’sche Verfahren und entschuldigt die mit ihm und trotz-
dem beobachteten Misserfolgee Man kann eben mit dem Ored&’schen,
wie mit dem Küstner’schen Verfahren 0°, erreichen, nur muss das
eine wie das andere gut angewendet werden und wir alle sind davon
überzeugt, dass die Misserfolge nicht dem Verfahren als solchem, sondern
nur seiner schlechten Anwendung zuzuschreiben sind.
Deshalb eben meine ich, geht der Streit gar nicht um die Vor-
züglichkeit des Verfahrens als solchen, sondern nur darum, welches
leichter anzuwenden, leichter zu erlernen und sicherer
durchzuführen ist,
Leider hat nun Herr College Keilmann diese Frage der Prophylaxe
der Blennorrhoe verquickt mit einer zweiten, allerdings nicht minder
wichtigen Frage der Secundärinfection, d. h. zufälliger Tripper-
Conjunectivalinfeetion neugeborener Kinder, so sehr wir es ihm anderer-
seits hoch anrechnen, dass er ohne Rücksicht auf seine eigene, gewiss
peinliche Empfindung, diese in der Klinik gemachten Erfahrungen mit-
getheilt hat. Leider kommen ja überall in grösseren Anstalten mit ihrem
häufig sehr unzuverlässigem Wartepersonal solche Zufälle vor; es giebt
kein Hospital der Welt, in dem nicht von Zeit zu Zeit durch Unvor-
sichtigkeit und Nachlässigkeit trotz aller Aufsicht und trotz des besten
Willens der Leiter desselben Unglücksfälle, Verwechselungen und der:
gleichen vorkommen. So traurig solche Zufälle sind, so sind sie doch
oft genug erst der Ausgangspunkt weiterer Studien und die Grundlage
für die geeignete Prophylaxe zur Verhütung ähnlicher Zufälle gewesen.
In den von Keilmann mitgetheilten Fällen von Secundärinfeetion
_ bei Neugeborenen liegt die Sache so, dass sie mir ein werthvoller
Beitrag zu sein scheinen zu der Frage, wie überhaupt Kinder auf zu-
fällige Weise mit Gonoeoccen infieirt werden. Die Frage der Vulvo-
vaginitis der kleinen Mädchen ist in den letzten Jahren häufig diseutirt
° Jahresbericht der Schles. Geseilschaft für vaterl. Cultur.
©
b
worden; meiner Ansicht nach ist sie gar nicht anders zu deuten, als
dass in fast allen es’ weniger die Hände, die Handtücher ete. gewesen
sind, welche die Gonococcen verschleppt haben, als das Badewasser;
und so ist es wohl hier der Fall.
Ich möchte dabei anfügen, dass ich glaube, dass die Schleimhaut der
Kinder im Ganzen viel empfänglicher für Gonococceninfectionen ist, als
die Schleimhaut der Erwachsenen. Ich glaube, dasselbe Verhältniss, wie
es besteht zwischen der Vagina der Erwachsenen, die fast nie (ausser
in fast ganz seltenen Fällen zugleich mit der Defloration) mit Gonococcen
infieirt wird, und der Vagina der Kinder, welche ungemein leicht
infieirt werden kann, dieses selbe Verhältniss ist auch vorhanden
für die Conjunetiva der Erwachsenen gegenüber der Conjunetiva der
Neugeborenen. Dass die Conjunctiva der Erwachsenen empfänglich
ist, darüber ist ja kein Zweifel. Ich glaube nur, bei den
Millionen von Gonorrhoefällen, die auch bei ganz unsauberen und auf
sich wenig achtenden Menschen an den Genitalien vorkommen, müsste
die Zahl der Gonorrhoeen der Conjunctiva viel grösser sein und viel
häufiger durch zufällige Berührungen mit unsauberen Händen und
Gegenständen entstehen, wenn nieht eine gewisse Unempfänglichkeit der
Conjunctiva bei den Erwachsenen bestände.
Ich möchte dabei einschalten, dass ich auch das Verfahren des Herrn
Collegen Keilmann, Gonococcen bei den Gravidisim Vaginaisecret
zu suchen, für nicht besonders geeignet halten kann. Gewiss wird man
hin und wieder bei Existenz einer Cervicalgonorrhoe im Vaginalschleim
Gonococcen finden, aber doch natürlich bei der Unmasse von dort
hausenden anderen Bacterien viel schwieriger, als wenn man das Secret
dem Cervix selbst oder der Urethra entnimmt,
Wie dem aber auch sei, dem Wunsche, dass nach Möglichkeit für eine
Verallgemeinerung des prophylaktischen Verfahrens, mag es nun das
Cred&@’sche oder das heute von Keilmann vertretene sein, gesorgt
werde, dem schliesse ich mich vollkommen an und ich kann nicht recht
verstehen, warum der anerkannten, nicht aus der Welt zu schaffenden
Thatsache gegenüber, dass durch Einführung des Cred&’schen Verfahrens
vielleicht die häufigste Ursache der Erblindung aus der Welt geschafft
werden kann, Behörden und gewisse ärztliche Körperschaften sich ab-
lehnend verhalten; selbst wenn wir zugeben wollen, dass das Cred&’sche
Verfahren an sich vielleicht noch nicht das allerbeste und durch ein
anderes vielleicht ebenso sicheres und noch unbedenklicheres zu er-
‚setzen sei. —
Herr Prof. Küstner betont den Ausführungen des Herrn Cohn
gegenüber, dass es sich bei ihm ebensowenig wie bei den übrigen
Gynäkologen Deutschlands, welche die Cred&@’sche Prophylaxe nicht an-
I. Abtheilung. Mediecinische Section. 33
wenden, nicht um ein ‚noch nicht‘‘, sondern um ein „nicht mehr‘ handelt.
Diejenigen, welche die Cred&’sche Methode nicht mehr anwenden,
thun es mit deshalb, weil sie die dieser Methode folgende Conjunctival-
reaction für nicht gleichgültig halten, nicht gleichgültig besonders mit
Rücksicht auf die Secundärinfeetion. Naturgemäss ist aus mehreren
Gründen die Secundärinfection in den Kliniken mehr zu fürchten, als die
primäre. Ein Conjunetivalkatarrh, welcher die constante Folge der
Argentumeinträufelung darstellt, macht die Conjunctiva für die secundäre
Gonococceninfeetion in höherem Maasse empfänglich, als es die nicht
gereizte Conjunctiva ist. Auf 5 von den 22 grossen geburtshilflichen
Kliniken Deutschlands wird das Cred&’sche Verfahren nicht mehr geübt
— auf Olshausen’s, Hegar’s, Ahlfeld’s, Loehlein’s und der von
Redner geleiteten. Einige von den Vertretern der Cred&’schen
Prophylaxe lassen dieselbe nur in der Klinik, nicht in der Poliklinik
anwenden, oder daselbst nur facultativ, so Pernice und Schatz.
Einige benutzen schwächere Argentumlösungen, so Schultze (1'), %,)
und Gusserow (1°,). Fehling ist von der Kaltenbach’schen zur
Cred&’schen Prophylaxe zurückgekehrt. Für äusserst bedenklich hält
es K., den Hebammen die Argentumlösung in die Hand zu geben, und
beruft sich zur Begründung dieses abfälligen Urtheils auf seine lang-
jährige Erfahrung als Hebammenlehrer. Er befindet sich in voller Ueber-
einstimmung mit Ahlfeld, welcher meint, dass nicht 25°, der
Hebammen den Tropfen in die Lidspalte hineinbrächten,
Endlich weist K. noch einmal darauf hin, dass, so gut die Erfolge
mit der Ored&’schen Prophylaxe laut den verschiedenen Statistiken
seien, die an seiner Klinik erzielten von Dr. Keilmann berichteten nie
übertroffen, meist bei weitem nicht erreicht seien. Natürlich müsse auch
eine so einfache Manipulation, wie das Abwischen des noch ge-
schlossenen Auges, gut und mit einem gewissen Verständniss gemacht
werden und so wird auch auf diesem Gebiete die Individualität der
Hebamme oder des Assistenzarztes in den Resultaten einen Ausdruck
finden,
Prof. H. Cohn erwiderte Herrn Prof. Neisser etwa Folgendes:
Ein Verdiet habe ich gar nicht ausgesprochen, sondern nur gezeigt, dass
der Meister Cred& selbst 0°, Blennorrhoe bei seiner Methode hatte.
Wer genau nach seinen Angaben gearbeitet, hatte auch keine Er-
krankung zu verzeichnen. Wäre die äussere Reinigung der Augenlider
nach der Geburt des Kopfes — die ja längst empfohlen war und die
im Hebammenlehrbuch genau so vorgeschrieben ist, wie sie Herr
College Keilmann vorgetragen, — wäre diese Methode ausreichend
erschienen, so hätte sich eben Cred& nicht von ihr abgewendet und
den Tropfen Silberlösung für nöthig erachtet.
1895. 3»
34 Jahresbericht der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur.
Indessen sehr gern schreibe ich auf Wunsch des Herrn Neisser
unter die Tabelle: „Mit destillirtem Wasser hatten Abegg 3°),
Kaltenbach 0°%,, E. Cohn bei Schröder 2°/,‘ auch noch hinzu:
„Keilmann 0°%,“, obgleich die Methode des Letzteren doch eine andere
ist. Jene Autoren spritzten die Augen mit Wasser aus, Dr. Keil-
mann wischt sie von aussen ab.
Wenn einer unserer vortrefflichsten Augenärzte Herrn Collegen
Neisser gesagt hat, er würde seinen Kindern eine 2%, Argentumlösung
nicht ins Auge träufeln, so wäre es recht wünschenswerth, wenn der-
selbe die schlimmen Erfahrungen, die er gemacht, bald veröffentlichen
möchte.
Wenn betont worden ist, dass viele Hebammen zu ungeschickt seien,
um den Tropfen Silberlösung in Ruhe auf dem Wickeltische dem Kinde
einzuflössen, so kann man kaum annehmen, dass diese Hebammen in der
Eile nach der Geburt des Kopfes die Augen gründlich von aussen mit
der einen ihnen frei bleibenden Hand abwischen werden. Indessen, das
muss die Zukunft lehren.
Betreffs der geringeren Empfänglichkeit der Bindehaut der Er-
wachsenen gegen Gonococcen kann ich leider Herrn Collegen Neisser,
dessen besondere Verdienste um die Gonococcenlehre ich ja immer
öffentlich anerkannt habe, nicht beistimmen. Nach den Erfahrungen
aller Augenärzte schreitet der Process bei Erwachsenen leider viel
rapider fort, als bei Kindern. Wie oft hat schon die kleinste Menge
hervorspritzenden Eiters die ganz gesunde, nicht katarrhalische Binde-
haut von Aerzten und Wärterinnen so inficirt, dass trotz bester Be-
handlung das Auge nach 2—3 Tagen verloren war!
Wenn jetzt der Augentripper bei Erwachsenen viel seltener ge-
worden, als früher, so liegt meines Erachtens die Ursache weniger in
der geriugeren Empfänglichkeit der Conjunetiva der Erwachsenen, als
darin, dass jeder Tripperkranke — besonders beim Militair, wo früher
viel mehr Fälle vorkamen — vom Arzte auf die furchtbare Ge-
fahr aufmerksam gemacht wird, der das Auge bei Infectionen aus-
gesetzt ist.
Und wenn auch manche Tripperkranke sich geniren, bald zum
Arzte zu gehen, so werden sie doch durch ihre Freunde und durch
die populären — sonst gewiss nicht zu empfehlenden Broschüren, die viel
vom Publikum gekauft werden, auf die Vorsichtsmaassregeln betreffs der
Augen hingewiesen.
Herrn Med.-Rath Küstner erwidere ich Folgendes: Dass verschiedene
Geburtshelfer die Methode von Cred& „noch nicht‘ üben, habe ich gar
nicht gesagt, sondern nur bedauert, dass einzelne sie „nicht mehr“ an-
wenden. Diese überschätzen eben den kleinen Katarrh der Binde-
haut, welcher der Einträufelung folgt. Herr Prof. Küstner meint, dass
I. Abtheilung. Medicinische Section. 35
ein soleher Katarrh die Schleimhaut für die secundäre Gonococcen-
Infeetion empfänglicher macht, als die nichtkatarrhalische; dafür fehlt
aber der Beweis. Da die gesunde Conjunctiva für die kleinsten
Spuren von Gonococcen-Biter im höchsten Maasse empfänglich
ist und sofort stets mit einer wüthenden, gefahrvollen Entzündung
reagirt, so kann doch die katarrhalische Bindehaut nicht noch empfäng:
licher sein.
Man darf den Fall meines Erachtens nicht mit einer katarrhalischen
Affection der Kehlkopf- oder Bronchialschleimhaut vergleichen, auf
welcher gewiss auffallende Mikroben leichter haften und sich entwickeln,
als auf einer nichtkatarrhalischen. Denn die Gonococcen fallen ja nicht
aus der Luft auf die Bindehaut; sondern sie werden bei Secundär-
Infeetionen in Folge von Unsauberkeit hineingewischt und ver-
nichten dann das gesunde Auge eben so schnell als das katarrhalische.
Würde wirklich der Argentum-Katarrh die Bindehaut für Gonococcen
empfänglicher machen, so müssten ja bei den Versuchen von Fränkel
und von mir die Gonococcen, die in Nachbarauge wimmelten, in dem
prophylaktisch mit Argentum behandelten, also künstlich kätarrhalisch
gemachten Auge viel eher Blennorrhoe hervorgerufen haben. Dies war
aber nicht der Fall.
Wenn die von Herrn Küstner genannten 5 Gynäkologen die
Crede&’sche Methode nicht mehr anwenden, so wollen wir einmal erst
ihre Statistik abwarten. Ob die Geburtshelfer, welche zuschwächeren
Argentumlösungen übergegangen, eben so gute Resultate ergeben werden,
scheint mir zweifelhaft. Denn Cred& giebt ausdrücklich an, dass nach
seinen Versuchen schwächere Lösungen nicht geschützt haben, dass der
Tropfen durchaus 2°/, enthalten müsse. Man würde also nur das gute
Cred&’sche Verfahren in Misscredit bringen, wenn man zu schwächeren
Lösungen zurückginge und es trotzdem Cred&’sches Verfahren nennen
wollte.
Die Angst mancher Gynäkologen vor dem Ored&’schen Tropfen
scheint mir ganz unbegründet. Zeigen Sie mir, ich wiederhole es
immer wieder, einen einzigen Fall, wo das Auge geschädigt worden.
Wenn wirklich alle Hebammen so ungeschickt wären, wie hier behauptet
worden, so wäre ja längst ein Fall von Verletzung mitgetheilt worden;
ich finde aber nichts darüber in der Literatur. Dr. Fuhrmann erzählte
mir, dass alle Hebammen in der hiesigen Lehranstalt diesen kleinen
Dienst sehr gut leisten konnten.
Ich glaube, dass die Secundärinfectionen bei Epidemien in Anstalten
nicht durch Argentum-Katarrhe der Bindehaut, sondern durch Unsauber-
keit der Wärterinnen und durch Mangel an Isolirungen der Erkrankten
hervorgerufen werden,
3#
)
36 Jahresbericht der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur.
Herr Prof. Neisser: Herrn Collegen Cohn muss ich mit Bezug
auf die Deutung der‘von ihm und Fränkel gemachten Versuche, durch
tägliehe Einträufelung von Argentumlösung ins gesunde Auge bei er-
kranktem zweiten Auge das gesunde zu schützen, erwidern, dass diese
Versuche nichts beweisen gegen unsere Annahme, dass die prophylaktische
Argentumeinträufelung, resp. der dadurch erzeugte Katarrh das Auge
empfänglicher macht für spätere Gonococceninvasion. Er vergass, dass
in seinen Versuchen eben täglich, wenn ich so sagen darf, die Pro-
phylaxe wiederholt worden ist, während wir von der Annahme ausgehen,
dass nur einmal bei der Geburt Argentum eingeträufelt und dadurch
eine Conjunetivitis erzeugt wird, welche nachher nicht weiterer pro-
phylaktischer Behandlung unterworfen wird.
Herr Dr. Keilmann: Dass die Blennorrhoe der Augen mit den
verderblichen Folgen heutzutage noch ebenso häufig ist, wie früher, ist
in keiner Weise wunderbar; bis in den wissenschaftlichen Instituten
längst erprobte Verfahren auch dem grossen Publikum Nutzen bringen,
muss nach vielfachen Erfahrungen eine viel längere Zeit, als ein Jahr-
zehnt vergehen. Man denke nur an die Wochenbetterkrankungen, die
doch nunmehr in den Kliniken zu den grossen Seltenheiten gehören und
in der Privatpraxis nahezu unvermindert sind. Wie man die Blennorrhoe
zu verhüten hat, ist nun noch nicht einmal in den Kliniken eine abge-
schlossene Frage. Herr Professor Cohn ist sicher im Irrthum, wenn er
anzunehmen scheint, dass es an der nun 10 Jahre alten, aber durchaus
nicht allgemein anerkannten Cred&’schen Prophylaxe nichts mehr zu
bessern giebt. Zunächst kann ich es mir nicht versagen, auch meiner-
seits auf die Zahlen hinzuweisen, trotzdem Herr Professor Neisser
dieses schon mit Nachdruck gethan. Ich habe die auf Grund der Be-
obachtungen von fast 15 000 Kindern von Erdberg festgestellte Er-
krankungsziffer von 0,8 °/, bereits angeführt; Herr Professor Cohn ver-
zichtet auf diese günstigere Zahl und stützt sich auf die von Haab aus-
gerechnete Procentziffer von 1,0 und nennt dabei das Cred&’sche Verfahren
ein absolut sicheres, das nur eben eingeführt zu werden braucht, um
die Blennorrhoe aus der Welt zu schaffen. Wenn vorher 25 %, oder gar
50 °/, der Kinder erkrankten, so ist es allerdings ein kolossaler Erfolg
der Cred&’schen Prophylaxe, dass nach ihrer Einführung nur noch 1 %,
Erkrankungen vorkommen. Wenn aber andererseits von je 100 Kindern
eins erkrankt, so ist doch die Krankheit noch lange nicht aus der Welt
geschafft. Mit dem Kaltenbach’schen Verfahren und dem in der
Küstner’schen Klinik geübten sind nun noch bessere Resultate
erzielt worden. — Dieses zu widerlegen wäre die einzige Aufgabe einer
erfolgreichen Opposition. Die Primärinfeetion zu verhindern und Maass-
regeln zu ihrer Verhütung zu erproben, ist. allein der Geburtshelfer in
I. Abtheilung. Medicinische Section. 37
der Lage; die Secundärinfecetion unterliegt seiner Beurtheilung nur für
die Zeit des Wochenbettes und ist insofern von Wichtigkeit, als in
dieser Zeit sich leichter Infectionen ereignen können, als sonst. Die
Entscheidung der Frage, ob eine Infeetion bei der Geburt oder in
späteren Tagen des Wochenbettes eingetreten ist, muss desgleichen dem
Geburtshelfer vorbehalten bleiben, weil die tägliche Beobachtung seiner-
seits bei Weitem sicherere Anhaltspunkte für Feststellung des Beginns
der Erkrankung bietet, als die Anamnese, die in ophthalmologischen
Kliniken oder Polikliniken aufgenommen wird. Alle Erkrankungen in
der ersten Lebenswoche der Geburt und deren Leitung zur Last zu
legen ist bequem, führt jedoch nicht zu einer correcten Beurtheilung der
ätiologischen Verhältnisse. Diese Scheidung aber ist streng einzuhalten
und nach unseren Erfahrungen an nun fast 1000 Kindern tritt die
Secundärinfeetion in den Vordergrund des Interesses; diese darf in
keiner Weise mit der Primärinfection zusammengeworfen werden, weil
die Prophylaxe in ganz verschiedener Weise geübt werden muss; die
Anamnese giebt aber dazu keine Berechtigung, wenn exacte ärztliche
Beobachtung derselben gegenübersteht.
Die Infection auf dem Kreissbett zu verhindern ist, wie ich aus-
seführt habe, in vollkommener Weise möglich und die beiden Be-
dingungen, die Herr Proiessor Neisser mit Recht für diese Möglichkeit
in Anspruch nimmt, sind erfüllt. Die Bedeutung der Vernix für die
mechanische Entfernung der Gonococcen habe ich hervorgehoben und
Zeit genug zum Abwischen der Augen ist vorhanden. Das sofortige
Ausziehen des Rumpfes nach Geburt des Kopfes ist als Kunstfehler zu
bezeichnen und ist auch von Fritsch!) nicht gelehrt worden. Fritsch
gestattet das Ausziehen des Rumpfes nur, wenn bestimmte Anzeigen
vorhanden sind, verbietet es für die normale Geburt und auf die kommt
es an. Im Uebrigen öffnet das Kind meist auch nach Geburt des Rumpfes
die Augen nicht sofort.
Auf alle in der Discussion berührten Punkte einzugehen, muss ich
unterlassen, insbesondere da manche von ihnen nicht eigentlich zur
Sache gehören. Es bleibt mir nur übrig, einige Bemerkungen über die
Nachtheile des Cred&’schen Verfahrens zu machen.
Wenn ich vorher noch ein Wort von dem demselben nachgerühmten
Vortheil, dass die ganze Procedur erst „auf dem Wickeltisch“ vorgenommen
werden kann, sagen darf, so kann ich diesen Vortheil einfach nicht ein-
sehen. Die „Beendigung der Geburt‘ erfordert — das ist sicher — in
den ersten Minuten nach Austritt des Kindes die allergeringste Auf-
merksamkeit, während Y, oder !/, Stunde später die Mutter leicht der
) Cfr. Fritsch. Klinik der geb. Op., III. Aufl. pag..37 u. 38.
38 Jahresbericht der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur.
ausgiebigsten, ganz in Anspruch nehmenden Hilfe bedürftig sein kann. Die
Nachgeburtszeit ist für die Mutter die gefährlichste; ihre Vorgänge be-
ginnen aber frühestens einige Minuten nach Geburt des Kindes. Man
nutze, wozu auch immer, diese Minuten aus, nachher findet man leicht
keine Zeit. Die Behandlung der Augen erfordert im Uebrigen nur
Secunden, höchstens eine Minute. Die Nachtheile der Einträufelung sehe
ich in der stets eintretenden Reaction, die sich als oft nicht unbeträcht-
liche Schwellung, eitrige Secretion, kurz als ausgesprochener Conjunctival-
katarrh darstellt. Nieht aber fürchte ich diesen Katarrh direet und an
sich, sondern als Vermittler der Infeetion, Und hierbei erscheint mir
noch wesentlicher, als die Präparation des Nährbodens für die Gonocoecen-
entwickelung durch den traumatischen Katarrh, die Bedeutung dieses
Katarrhs als Veranlassung zur Gonococceninvasion.
Wenn die Gonocoeeen nieht bei der Geburt in das Auge gelangen —
und das kann verhindert werden —, so werden sie wohl in den aller-
meisten Fällen von Fingern hineingetragen, zumeist und am häufigsten
von der Mutter.
Welche Veranlassung hat nun aber die Mutter oder sonst Jemand,
das Auge des Kindes zu betasten, wenn es gesund ist? Sicher keine!
Und das geschieht auch nicht. Wenn aber das Auge „entzündet“ ist,
sich sogar Eiter daran findet, dann wird es besehen und befühlt, der
Hebamme gezeigt, der Grossmutter u. s. w. Von diesen untersucht
wiederum Jedes das Auge — die Grossmutter ‚‚macht selbst‘ Umschläge
mit warmer Brustmilch, die Hebamme erklärt mit sachverständigem
Gesicht, es sei nichts Besonderes und verordnet Kamillenihee, nachdem
sie die Augen „sorgfältig untersucht‘ hat. Sie hat kurz vorher die
Mutter gereinigt und sich die Finger wohl infieirt, sehr ausnahmsweise
aber desinfieirt. Und wenn in den nächsten Tagen die Entzündung nicht
gebessert erscheint, vielleicht sogar verschlimmert, so wird die gefahr-
volle Behandlung erst recht fortgesetzt. Alle Bedenken der Angehörigen
werden von der Hebamme zerstreut, die Consultation des Arztes wird für
unnütz erklärt, denn sie weiss es ja ganz genau, dass es immer so ist;
ja, dass das Auge entzündet ist, beweist ja gerade, dass sie ihre Pflicht
gethan, der bösen Krankheit durch Argentum vorgebeugt hat. In der
That kann man von der Hebamme auch nicht verlangen, dass sie der-
artige Erscheinungen von der specifischen Erkrankung unterscheidet;
erklärt doch Bumm!) für Katarrh, was Kroner als Blennorrhoe ohne
Gonococcen beschreibt und schliesst eine andere Aetiologie als die pro-
phylaktische Einträufelüng von Argentumlösung aus. Auch Ahlfeld
hat gelegentlich einen Argentumkatarrh für beginnende Blennorrhoe ge-
‘) Der Mikroorganismus der gonorrhoischen Schleimhaut - Erkrankungen
„Gonococeus - Neisser“, Wiesbaden 1837,
I. Abtheilung. Medicinische Section. 39
halten und umgekehrt. Dass das durchaus möglich ist und, abgesehen
von dem positiven Gonococcenbefunde (Hebamme!), die Zweifel erst
durch den klinischen Verlauf gelöst werden, weiss ich aus eigener Be-
obachtung. Dass nach Hinträufelung des Mittels das Auftreten einer
blennorrhoischen Erkrankung ausgeschlossen sei, kann ich kurz als
unrichtig bezeichnen. Die auseinandergesetzte ätiologische Bedeutung
der Argentum-Instillation wird auch von Bumm hervorgehoben und der-
selbe Autor weist darauf hin, dass Hirschberg mit Recht eine gleich
bedeutsame Rolle zufälligen Reizzuständen der Augen Erwachsener zu-
schreibt, denen gerade ein leichter Katarrh Veranlassung wird, im Schlaf
oder wachend die eigenen Augen mit den Fingern zu berühren und etwa
an diesen haftendes gonorrhoisches Secret an die Conjunctiva zu bringen,
Ein gesundes Auge löst derartig gefährliche Reflexbewegungen nicht aus.
Wie lange in den Härden einer Hebamme die Lösung 2procentig bleibt
und wie zuverlässig und geschickt die Instillation ausgeführt wird
sind Fragen, deren Beantwortung sicher nicht zu Gunsten der Zuver-
lässigkeit der Cred&’schen Methode in der allgemeinen Praxis
ausfallen kann.
Die von uns geübte Methode kann von jedem Menschen ausgeübt
werden, denn sie stellt keine Anforderungen besonderer Technik, sondern
stellt nur eine Bethätigung der allgemeinen Sauberkeit dar, die heut-
zutage an der Spitze jeder geburtshilflichen Lehre steht und zu jeder
seburtshilflichen Manipulation gehört, Dass in solcher zielbewussten
Sauberkeit allein das Heil liegt, muss aber nachdrücklich betont werden,
damit nicht bei Anwendung der einen Maassregel auf die Zuverlässigkeit
der anderen gerechnet wird und aus der doppelten eine halbe
Maassregel wird.
Herr Bezirksphysikus Dr. Nesemann: Herr Professor Cohn hat
auch der Polizei-Verordnung für die Provinz Schlesien Erwähnung ge-
than, nach welcher die Hebammen verpflichtet sind, jeden Fall eiteriger
Ausenentzündung bei Neugeborenen dem Physikus anzuzeigen. Er hatte
daran die Erwägung geknüpft, ob der Physikus nach erfolgter Meldung
überhaupt wirksame sanitätspolizeiliche Maassregeln treffen könne,
Wie wir nun soeben gehört haben, kann es vorkommen, dass in
einer wohlgeleiteten Anstalt eine Uebertragung der Krankheit auf Andere
stattfindet. Um so näher liegt die Gefahr, dass ausserhalb der Anstalten
durch die Hebammen, welche von einem neugeborenen Kinde zum andern
gehen, die Krankheit verschleppt wird. Die Maassregeln würden sich
also ebenso wie beim Wochenbettfieber hauptsächlich gegen etwaige
Weiterverbreitung durch die Hebammen zu richten haben. Im Uebrigen
bin ich noch nicht in die Lage gekommen, sanitätspolizeiliche Maass-
regeln in dieser Beziehung zu erproben, denn mir ist bisher noch nie
40 Jahresbericht der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur.
ein Fall von eiteriger Augenentzündung der Neugeborenen angezeigt
worden. :
In Betreff der Prophylaxe der Blennorrhoea neonatorum halte ich
es allerdings wohl für möglich, dass die Hebammen das Einträufeln der
Höllenstein-Lösung lernen, aber nach anderen Erfahrungen für sehr wahr-
scheinlich, dass sie zum grösseren Theile die Methode in der Praxis
verlernen oder nicht mehr üben. Je einfacher eine prophylaktische
Methode ist und je mehr dieselbe sich als Reinlichkeits-Maassregel dar-
stellt, desto mehr wird sie sich bei dem Gros der Hebammen einbürgern
und desto mehr ist von ihrer Wirksamkeit zu erwarten.
Herr Dr. Wolffberg: Meine Herren! Was ich zu sagen habe,
bezieht sich nicht unmittelbar auf den zur Discussion stehenden Gegen-
stand, sondern auf die durch den Gonococeus hervorgerufene Augen-
eiterung der Erwachsenen. Es handelt sich um ein meiner Ansicht nach
hoehwichtiges therapeutisches Hilfsmittel. Bei der höchst ungünstigen
Prognose, welche die genannte Krankheit gewährt, glaube ich mit meinen
Erfahrungen, wenn sie bis jetzt auch nur auf drei Fälle sich erstrecken,
nicht zurückhalten zu dürfen, da diese drei Fälle einen überraschend
günstigen Verlauf nahmen, und zwar ist es die Anwendung des Formal-
dehyd, welcher ich diese Erfolge zuschreibe. Herr Professor Ferdinand
Cohn lenkte im vergangenen Jahre durch einen längeren Vortrag in
dieser Gesellschaft die Aufmerksamkeit auf dies äusserst kräftig wirkende
Antisepticum. Die Anwendung des Mittels geschah in einer Lösung von
1:500 zweimal täglich in der Sprechstunde, während die ganze übrige
Zeit Wattebäusche, die in einer Lösung von 1:1000 getränkt und auf
Eis gekühlt waren, aufgelegt wurden. Je früher das Mittel zur An-
wendung gelangt, um so sicherer scheint die Wirkung. Bei der Blenn.
neonat. habe ich nur dann Erfolge gesehen, wenn während der ersten
drei Tage der Erkrankung das Formaldehyd bereits angewandt werden
konnte. In späteren Stadien schiekte ich es der Eintröpfelung von
argent. nitr. (2 °/,) voraus, Die Beobachtungen sind, wie gesagt, noch
nicht abgeschlossen, doch hielt ich es für meine Pflicht, in Anbetracht
der Gefährlichkeit der genannten Krankheit und der Unzulänglichkeit
der bisherigen Therapie Ihnen diese vorläufige Mittheilung zu machen.
5. Sitzung vom 22. Februar 1895.
Vorsitzender: Herr Privatdocent Dr. Buchwald. Schriftführer: Herr Dr. Drewitz.
Tagesordnung:
1) Herr Dr. Viertel:
Demonstration eines Falles von intermittirender Hydronephrose.
Nach einigen einleitenden Bemerkungen, welche den bisherigen Ar-
beiten über die fragliche Materie sowohl in ätiologischer, als auch in
I. Abtheilung. Medieinische Section. 41
operativ-therapeutischer Hinsicht gelten, wird der jetzt 21jährige Kranke
vorgestellt. Ueber seinen allgemeinen Gesundheitszustand ist nichts Be-
sonderes zu erwähnen. Seit dem 6. Lebensjahre bemerkte er von Zeit
zu Zeit, in etwa vierwöchentlichen Zwischenpausen, zunächst das schnelle
Auftreten einer mannsfaustgrossen, prallen Geschwulst in der Unter-
bauchgegend etwas links von der Mittellinie, dem am nächsten Tage
heftige, kolikartige Leibschmerzen folgten, die, von copiösem Erbrechen
begleitet, sich zu fast unerträglicher Höhe steigerten, um nach 24—36
Stunden wieder nachzulassen. Zugleich fiel alsdann unter sehr reichlicher
Urinentleerung die Geschwulst ab.
Vor 6 Jahren sah ich Patienten in einem solchen Anfall; P, war
stark collabirt, der Puls klein und elend; starkes Erbrechen von schleimig-
wässrigen grünlichen faden Massen. Zwischen Symphyse und Nabel etwas
links von der Mittellinie fühlte man im Leibe eine schon bei leiser Be-
tastung äusserst schmerzhafte pralle, etwa mannsfaustgrosse Geschwulst.
Die ganze Anamnese leitete auf bestehende intermittirende Hydronephrose
hin; da der Zustand des Kranken dies recht wünschenswerth erscheinen
liess, suchte ich den Anfall durch eine unter antiseptischen Cautelen aus-
geführte Punetion und Entleerung der Geschwulst zu beendigen, was auch
gelang. Die entleerte Flüssigkeit war deutlich sauer, hellstrohgelb,
1005 spez. Gewicht, harnstoffhaltig, während aus der Blase gleichzeitig
mittelst Katheters ein 1017 spez. Gewicht zeigender rothgelber Urin ge-
wonnen wurde,
Da Patient durch das andauernde Bestehen dieser sich immer
wiederholenden Ataquen völlig an jeder anhaltenden Thätigkeit gehindert
wurde, ersuchte er mich Ende 1894, ihn auf operativem Wege zu heilen.
Ich schlug ihm vor, die Operation beim Eintritt eines Anfalls vorzunehmen.
Die Auslösung eines solchen war grade in Kürze zu erwarten. Percussion
und Palpation des Abdomens zeigten nichts Abnormes. Bei der eysto-
skopischen Untersuchung fand sich auf der linken Seite ein übrigens normal
aussehender schlitzförmiger Ureter. Er zeigte in seinem dem Cystoskope
zugänglichen Theile lebhafte Peristaltik, doch „ging er leer“, d. h. er
entleerte absolut nichts. (Demonstration der Photographie dieser Ureter-
öffnung.) Der Ureter der gesunden rechten Seite zeigte dieselbe
Physiognomie, doch arbeitete er viel langsamer und zeigte weder in der
Grösse seiner Oeffnung noch in der Menge des herauswirbelnden Secretes
irgend welche Symptome, welche auf eine compensatorische Hypertrophie
der rechten Niere hätten hinweisen können.
Da ich im Herbst 1894 noch kein für die Sondirung der Ureteren
beim Manne geeignetes Cystoskop besass, war damit die endoskopische
Untersuchung beendet. (Vom Chirurgencongress 1895 brachte ich Nitze’s
Instrument mit und untersuchte den Patienten; ich konnte den Ureter
leicht entriren, aber nach 2 em tiefem Eindringen in den Ureter ward
Fr
42 Jahresbericht der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur.
das Instrument aufgehalten und fand festen Widerstand, ohne dass man
jedoch das Gefühl eines vorliegenden Concrementes gehabt hatte.)
Schon am Tage nach der ersten Untersuchung etablirte sich unter
beginnenden Schmerzen der Tumor und schritt ich daher zur Operation,
Die ziemlich pralle, glatte Geschwulst reichte von Nabelhöhe abwärts
bis 6 cm oberhalb der Symphyse, überragte die Mittellinie nach rechts
um zwei querfingerbreit und reichte nach links bis in die Mamillarlinie.
Das Colon descendens lag seitlich nach aussen. Versuche, den Tumor
nach hinten und oben an den ursprünglichen Sitz der linken Niere zu
bringen, wurden bei verschiedener Haltung und Lage des Patienten unter-
nommen, misslangenaber, weshalb ich unter Schleich’scher Local-Anästhesie
mittelst 6 cm langen Schnittes in der Linea alba das Abdomen eröffnete
und das Peritoneum parietale an die Haut säumte. Nachdem ich durch
Ablastung und Differenzirung der — abwechselnd gefüllten und wieder
entleerten — Blase und der Urachusgegend mich vor Ueberraschungen
von dieser Seite gesichert, suchte ich nochmals den Tumor: nach hinten
oben zu schieben um so vielleicht die Knickung des Ureters auszugleichen.
Man hätte die Niere dann in dieser günstigen Lage von einem extraperi-
tonealen Lendenschnitt her in üblicher Weise fixiren können. Der Tumor
aber sass ganz fest vor der Lendenwirbelsäule und so zog ich seinen
unteren Pol in die Bauchwunde, fixirte ihn durch sorgfältige, eng bei
einandersitzende Nähte, wie es bei Anlegung einer Darmfistel mit der
Darmwand gemacht wird, und incidirte nun. Es entleerte sich eine
grosse Menge klarer, neutral reagirender farb- und geruchloser Flüssig-
keit von 1005 spec. Gew., die keinen Harnstoff enthielt.
Der durch die Ineisionswunde in den Sack geführte Finger gerieth
in eine durch vorspringende Septa mit vielen Buchten ausgestattete
Höhlung. Zwischen letztem Lenden- und 1. Kreuzbeinwirbel erreichte
man mit der äussersten Fingerkuppe eine spornartige Falte.
Nach dem Befunde musste man annehmen, dass sich die intermittirende
Hydronephrose hier auf dem Boden einer angebornen Dystopie der
linken Niere (mit entsprechend kürzerem Ureter?) entwickelt hatte.
Da der Sporn weder von einem Bauch-, noch Lenden- oder Flanken-
schnitt in ausreichender Weise wäre zugänglich gewesen, blieb nur für
eine radicale Heilung die Exstirpation des Sackes zur Erwägung zu
ziehen; wie dies von Israel in einem ähnlichen Falle ausgeführt worden.
Nachdem das Secret des Cystensackes — durch Heberdrain entleert —
dauernd aufgefangen werden konnte, wurde zunächst durch einige Tage
Menge und Qualität des Secretes beider Nieren gesondert beobachtet.
Es war dies deshalb durchzuführen, weil der Ureter der Cystenniere,
unwegsam blieb. (Injeetion feingepulverter Kohle in den Cystensack,
Sondirung des Ureters unter Leitung des Auges von der Blase aus.)
Es zeigte sich nunmehr, dass die Mengen der beiderseits entleerten
I. Abtheilung. Mediceinische Section. 43
Flüssigkeit sich untereinander gleich waren, je 500—600 cbem in 24
Stunden.
Wohl aber war in qualitativer Hinsicht eine gewisse Compensation
zu bemerken; schon in der Differenz des specifischen Gewichtes: rechts
1025—1030 ziemlich constant, links 1005—1010; ausserdem fehlte links
der Harnstoff. — Die Herren Buchwald und Stern haben freundlichst
wiederholt Harnuntersuchungen vorgenommen. Es stand nun zu befürchten,
dass die rechte Niere nach Exstirpation der linken der Bewältigung einer
die bisherige um das Doppelte übersteigenden Flüssigkeitsmenge nicht
gewachsen war und der Ausgang sich leicht zu einem für den Kranken
verhängnissvollen gestalten konnte.
Bei einem Versuche, den Harn durch Verabreichung von Methylen-
blau per os anzufärben, zeigte sich, dass die Niere links das Methylen-
blau als Leukobase ausschied d. h. der Harn blieb farblos und erst durch
längeres Stehen an der Luft wurde er blaugrün, während die rechte Niere
tiefblaugrünen Urin absonderte.
Da durch die Unwegsamkeit des linken Ureters eine retrograde Er-
weiterung desselben von der Blase aus, etwa wie bei einer tiefsitzenden
Oesophagusstrietur von einer Magenfistel aus, ausgeschlossen, Patient
auch mit seinem jetzigen Zustande — er trägt einen Reeipienten und
hat nie wieder einen Anfall gehabt — sehr zufrieden ist, ist Weiteres
zunächst abzuwarten,
Sollte ich wieder vor die gleiche Lage gestellt werden, so würde
ich — natürlich aseptischen Inhalt der Oyste vorausgesetzt — von einer
Laparotomie aus eine breite Anastomose zwischen dem untern Pole der
Geschwulst und dem Scheitel der Blase anlegen und so den Ureter
dauernd ausschalten. Ich möchte diese Operation, die meines Wissens
noch von Niemandem vorgeschlagen ist, Nephrocystanastomose nennen,
Nachschrift: Anfang Juni stellte sich Patient wieder vor. Er ist
Landwirth geworden und frei von allen Beschwerden,
2) Antrag des Herrn Professor H. Cohn:
In der vorigen Sitzung habe ich am Schlusse meiner Bemerkungen
über die Verhütung der Blennorrhoe einen Antrag gestellt. Derselbe
lautete: „Die medieinische Seetion wolle eine Commission wählen, welche
Vorschläge für die Verhütung der Blennorrhoe ausarbeiten möge,“
Ich halte es für nothwendig, dass etwas für die Verhütung
der Krankheit geschieht; denn ich habe nachgewiesen, dass die
Blennorrhoeen in Breslau nicht abgenommen, sondern eher etwas zuge-
nommen haben. Und doch stehen wir der Entstehung dieses Leidens
nicht machtlos gegenüber, wie z. B. bei Influenza oder Diphtherie, son-
dern wir können sie durch verständige Prophylaxe völlig aus der Welt
schaffen,
44 Jahresbericht der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur.
Ich halte es für erspriesslich, eine Commission mit der genannten
Aufgabe zu betrauen, da ihre Vorschläge von besserer praktischer
Wirksamkeit sein können, als die eines einzelnen Arztes.
Meiner unmaässgeblichen Ansicht nach wären besonders drei Punkte
der Commission ans Herz zu legen:
1) Die Betonung der vorzüglichen Anordnungen des
Hebammen-Lehrbuches. Da heisst es nämlich wörtlich in $ 324:
„Die Hebamme wird also einsehen, wie ausserordentlich wichtig es ist,
dass sie dem Kinde, sobald der Kopf geboren ist, diesen verderb-
lichen Schleim sofort mit reinem Wasser von den Augen abwäscht.
Von der Sorgfalt, welche sie hierbei anwendet, wird oft die Gesund-
heit des Kindes abhängig sein.“
Ferner sagt $ 218: ,„‚Die Augen der Neugeborenen sind bei allen
Schwangeren, welche an ansteckendem Schleimfluss leiden,
sehr gefährdet. Um einer Erkrankung derselben vorzubeugen, dringe die
Hebamme auf die Zuziehung eines Arztes schon während der Ent-
bindung. Bis der Arzt zur Stelle, suche die Hebamme die Scheide der
Kreissenden von dem ansteckenden Schleime durch Ausspülen und
Abtupfen möglichst gründlich zu reinigen, und vor Allem wasche sie
dem Kinde sofort nach Hervortritt des Kopfes, bevor es noch
die Augen geöffnet hat, die Augenlider mit reinem Wasser
gründlich von dem anhaftenden Schleime der mütterlichen Geburtswege
ab. Sofort nach dieser Reinigung aber träufle sie dem Kinde einen
Tropfen 2procentige Höllensteinlösung in jedes Auge.“
Also die mechanische Reinigung, wie sie Herr Dr. Keilmann jetzt
empfiehlt, und die Cred&’sche Methode empfiehlt bereits das Heb-
ammen - Lehrbuch, letztere allerdings nur bei verdächtigen Müttern.
Würden beide Methoden gemeinsam, wie schon Fuchs vor 10 Jahren
in seiner Preisschrift vorschlug, stets angewendet werden, so wäre
Blenn. neon. unmöglich.
2) Die energische Betonung der Meldepflicht. Sie existirt
in Breslau seit 28. October 1884. In der damals erschienenen, im
Amtsblatt vom 7. November 1384 abgedruckten Polizei- Verordnung für
die Provinz Schlesien ‚Ueber die Erfüllung der den Hebammen in
sanitätspolizeilichem Interesse auferlegten Verpflichtungen‘ heisst es in
$ 4: „Jeder Fall von eitriger Augenentzündung der Neugeborenen ist
ohne Verzug dem zuständigen Physikus schriftlich oder mündlich
anzuzeigen.‘
Diese Meldepflicht scheint aber nicht immer erfüllt zu werden, Die
Commission wird auf die grosse Wichtigkeit der Meldepflicht aufmerksam
zu machen haben, damit in Anstalten durch rechtzeitiges Ein-
greifen des Physikus eine schleunige Isolirung der Erkrankten oder
I. Abtheilung. Medicinische Section. 45
bei Platzmangel eine Evacuation der Kranken veranlasst und so
der Ausbruch einer Epidemie vermieden werde.
Ferner wird von der Commission zu erörtern sein, was seitens der
Physiker geschehen kann, wenn Fälle von Blennorrhoe bei Privatentbin-
dungen gemeldet werden, damit schleunige Herbeischaffung ärztlicher
Hilfe gesichert werde.
3) Die Abfassung einer kurzen Belehrung. In Havre wird
eine Belehrung über die Blennorrhoe jeder Person mitgegeben, welche
die Geburt eines Kindes auf der Mairie anmeldet. Aehnliches soll auch
hier geschehen. Da ist gewiss noch manches Auge zu retten, da ja die
Krankheit fast immer erst am 3. Tage ausbricht.
Die Belehrung müsste auf die Gefahr des Leidens und auf die
Maassnahmen aufmerksam machen, welche bis zur schnellen Zuziehung
eines Arztes nöthig sind.
Sollte die geehrte medieinische Section mit mir der Ansicht sein,
dass durch die angedeuteten Vorschläge auch nur einige Kinder ihr
Augenlicht intaet erhalten könnten, so ersuche ich, meinen Antrag anzu-
nehmen und eine Commission von 5, 7 oder 9 Collegen zu wählen.
Am besten wäre es wohl, Frauenärzte, Augenärzte, Kinder-
ärzte und Physiker in die Commission zu wählen.
Discussion:
Herr Prof. Mikuliez möchte die Vorschläge des Herrn Prof. Cohn
in 2 Theile zerlegen: 1) in administrative, die den Behörden gegeben
werden sollen, 2) in wissenschaftliche; letztere will der Redner aber
ausgeschlossen wissen.
Herr Prof. Küstner meinte, dass die Vorschläge des Herrn Prof.
Cohn verfrüht seien, weil die vorbereitenden Arbeiten noch nicht ab-
geschlossen sind.
Professor H. Cohn bemerkte, dass auch er gegen wissenschaft-
liehe Resolutionen einer Commission sei und nur wünsche, dass dieselbe
administrative Vorschläge mache. Verfrüht scheine ihm die Wahl einer
Commission aber nicht, da über „Meldepflicht“ und „Belehrung“ sich
die Collegen schnell einigen werden, so dass eine Vorbeugung praktisch
bald ins Werk gesetzt werden könne, Diese hindere ja Niemand,
weitere wissenschaftliche Beobachtungen zu machen. e
Sollte aber die geehrte Gesellschaft keine Commission wählen
wollen, so würde er als Privatarzt eine Belehrung drucken und den
Melde-Aemtern übergeben lassen. Gewiss wäre es aber nützlicher, wenn
eine solche Belehrung von der medieinischen Section und nicht von einem
Privatmanne ausginge.
Der Antrag Cohn wird mit dem beschränkenden Amendement
Mikulicz angenommen. Es wird eine Commission von 5 Mitgliedern
gewählt (Küstner, Cohn, Jacobi, Neisser, Czerny).
46 Jahresbericht der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur.
3) Herr Dr. Landmann:
Demonstration eines Falles von Conjunctivaltuberculose.
14 jähr. sonst gesunder Junge ohne erbliche Belastung. Papillomartige
Wucherung auf der Schleimhaut des oberen Lides in der Nähe der
temp. Commissur. Praeauriculardrüsen. Verimpfung eines excidirten
Schleimhautstückchens in die vordere Kammer eines Kaninchens ergiebt
typische Iristubereulose.
Die bald nach der Vorstellung ausgeführte operative Beseitigung der
nicht geschwürigen und auch nicht verkäsenden Wucherung ergab eine
glatte Narbe, bis jetzt — Mai 95 — kein Recidiv.
4) Herr Geh. Rat Ponfick: Demonstration des Zwerges mit dem
Vogelkopf Dobos Janos.
Herr Prof. Cohn theilt die Augenuntersuchung dieses Zwerges mit.
6. Sitzung vom 8. März 1895.
Vorsitzender: Herr Geh. Rath Mikulicz. Schriftführer: Herr Dr. Tietze.
Vor der Tagesordnung:
Herr Geh. Rath Mikulicz theilt der Gesellschaft den am Morgen
erfolgten Tod des Dr. Bruno Mester mit und widmet dem Verstorbenen
einen kurzen Nachruf. Die Versammlung erhebt sich von den Sitzen.
De
1) Herr Dr. Spitzer:
Die Oxydationskraft todter Gewebe.
Die Frage, auf welchem Wege der lebende Organismus es fertig
bringt, sonst so schwer zerstörbare Verbindungen wie die Eiweisskörper
und die Kohlehydrate mit Leichtigkeit zu oxydiren, unter Bedingungen,
die ausserhalb des Organismus niemals zur Zerstörung dieser Stoffe
führen, hat das lebhafteste Interesse der Physiologen von dem Augen-
blick an hervorgerufen, wo es galt an Stelle einer allmächtigen Natur-
kraft unserm Verständniss näher liegende physikal.-chemische Gesetze
den Erscheinungen des Lebens zu Grunde zu legen.
Die Untersuchung der Mechanik der intravitalen Oxydationen erfährt
eine Förderung durch die eigenthümliche Thatsache, dass auch todte Ge-
webe, nicht nur dann, wenn sie eben dem Körperinnern frisch ent-
nommen sind, sondern auch nach Alkoholfällung in getrocknetem Zustande
im Stande sind, Oxydationen sonst schwer zerstörbarer Verbindungen herbei-
zuführen.
Schmiedeberg und Jaquet hatten bereits gefunden, dass Salieyl-
aldehyd und Benzylalkohol durch Digestion mit todten Geweben in die
bezüglichen Säuren übergeführt wurden (Oxydation). Lepine hatte die
I. Abtheilung. Medicinische Section, 47
Claude Bernard bereits bekannte Thatsache, wonach dem Blut zugesetzter
Traubenzucker aus demselben verschwindet, wieder aufgenommen, die
Untersuchungen von Kraus und die des Vortragenden hatten gezeigt,
dass die Glycolyse ein Oxydationsvorgang ist. (Bildung von CO,, Ab-
sorption von Sauerstoff, Unmöglichkeit des Eintritts der Glycolyse bei
Luftabschluss.)
Des ferneren hatten Untersuchungen des Vortragenden gezeigt, dass
die Oxydation des Traubenzuckers keiner speeifischen Eigenschaft des
Blutes zuzuschreiben ist, sondern wie die Oxydation der erwähnten
Aldehyde und Alkohole aufeinersämmtlichenZellen, sämmtlichen
todten Geweben innewohnenden Fähigkeit beruht.
Werden die erwähnten Oxydationsvorgänge unter gemeinsamem
Gesichtspunkte betrachtet, so fällt als wesentlichstes Moment auf, dass
schon kleine Mengen der Gewebe, wenn auch im Laufe längerer Zeit —
grosse oxydative Leistungen vollbringen, dass diese Fähigkeit der Gewebe
ein Ende nur erreicht beim Fehlen zu oxydirender Substanz oder beim
Abschluss des Luftsauerstoffs, dass diese Kraft selbst unendlich lange
erhalten bleibt (wenn die Gewebe nach Alkoholfüllung in trockenem Zu-
stande aufbewahrt werden), nur durch Kochen, starke Säuren und Alkalien
vernichtet werden kann. Die Thatsache, dass geringste Mengen todter
Gewebe grosse Quantitäten oxydabler Substanzen zerstören können,
ohne im mindesten an ihrer Kraft Einbusse zu erleiden, somit ein
dauerndes Kraftreservoir darstellen, bedarf einer Erklärung.
Dieselbe wird dadurch am besten gegeben, wenn wir zunächst bedenken,
dass auch in der anorganischen Welt uns ähnliche Vorgänge bekannt
sind, wie die eben geschilderten. Die „katalytischen“ Oxydationen, wie
sie z. B. durch Palladium, Platin, etliche Metalloxyde, Vanadium,
Kupferchlorid ete. in Anwesenheit des molecularen Luftsauerstoffs vor
sich gehen, zeigen auch die Eigenthümlichkeit, dass die geringsten
Mengen der erwähnten Metalle unendlich lange Zeit hindurch grosse
oxydative Leistungen zu vollbringen im Stande sind.
Lassen wir z. B. Wasserstoff auf Platinmohr bei Zutritt atmosph,
Luft einwirken (Döbbereiner’sches Feuerzeug), so entsteht H,O, so lange
als Wasserstoff entwickelt wird und Luft zutritt; die Fähigkeit des
Platinmohrs erleidet keine Beschränkung, selbst nicht durch unendlich”
lange Thätigkeit. Wir erklären diesen Vorgang dadurch, dass wir an-
nehmen, dass das Platin in diesem Falle das Sauerstoffmolecul „spaltet‘*,
in seine Atome zerlegt und dieselben an das Wasserstoffmoleceul gehen
lässt. Das Platin hat das „passive‘‘ Sauerstoffmolecul zu einer chemischen
Action befähigt, es „activirt“. Den Process bezeichnen wir als ‚Acti-
virung‘“ oder „Sauerstoffübertragung‘‘ und erklären ihn des näheren —
wenigstens ist dies zunächst die einfachste Annahme — durch abwechselnde
Oxydation und Reduction des Platins, wie folgende Gleichungen zeigen:
48 Jahresbericht der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur.
1. H,u-. Bis 0,0007 H,0
11. PtO - H, — Pt ! 3,0
In derselben Weise erfolgt z. B. die bekannte Zerlegung „Katalyse‘“
des Wasserstoffsuperoxyds in Wasser —- Sauerstoff durch die erwähnten
Metalle
I. PR {+ H,0, = PtO + H,O
II. PO + H,0, — Pt + H,0 + 0,.
Bei dem ersten Vorgange wirkt das Platin als „Sauerstofferreger‘‘,
das Wasserstoffmoleeul als „Sauerstoffnehmer“, der Luftsauerstoff dient
als „„Sauerstoffspender“.
Bei der Zerlesung des H,O, ist dasselbe zugleich O Spender und
Nehmer (mit 2 verschiedenen Moleculen). Das Platin selbst bleibt am
Ende des Vorgangs unverändert und wird von neuem wirksam. In der-
selben Weise könnte nun auch die Fähigkeit todter Gewebe oxydirend zu
wirken dadurch erklärt werden, dass dieselben als „Sauerstofferreger“
den Luftsauerstoff „activiren“ und auf schwer oxydablen Verbindungen,
Traubenzucker, Alcohole ete. übertragen,
Diese Fähigkeit, das O-Molecul resp. O-haltige Verbindungen zu spalten
haben nun todte Gewebe in der That. Schon Schönbein hatte constatirt,
dass sämmtliche Zellen und deren Bestandtheile im Stande sind H,O, zu
zerlegen, und dies viel stärker und rascher, als es Platin z.B. vermag —
welchen Vorgang wir eben durch O-Uebertragung erklärten. A. Schmidt
hatte gezeigt, dass im Blute nur die zelligen Elemente H,O, zu katalysiren
vermögen, dass das Blutplasma unwirksam ist und durch vergleichende
Untersuchungen des Vortragenden wurde erwiesen, dass im Blute z. B.
die Oxydationskraft (Fähigkeit Dextrose zu zerstören) absolut parallel
geht mit der Katalyse des H,O,, insofern als das Serum beides nicht
vermag, dagegen wohl ein Clna-Extract der Blutzellen nach beiden Rich-
tungen wirksam ist ete. ete. Auch bei den Geweben zeist sich dieser
Parallelismus; so intensiver eine Zellart H,O, zerlegte, desto stärker
wirkte sie oxydirend (auf Traubenzucker z. B.).
War durch diese Thatsachen schon erwiesen, dass die Gewebe die
Kraft hatten O-haltige Verbindungen wie das H,O, zu zerlegen, so be-
durfte es jedoch noch des Nachweises, dass auch die wesentlich schwerere
Spaltung des O-Moleculs, wie sie zur Oxydation des Traubenzuckers, der
Alkohol ete., ja nöthig ist, durch die Gewebe möglich ist.
Das liess sich ebenfalls beweisen u. z. durch einige auf dem Wege
der Oxydation eintretende organische Farbstoffsynthesen, die durch todte
Gewebe sich erzielen liessen.
Von der Thatsache ausgehend, dass gewisse organische Farbstoffe
z. B. Indamine, Indophenole etc. aus farblosen Vorstufen dann entstehen,
wenn letztere (in Lösung) mit Luft intensiv geschüttelt werden, wobei
I. Abtheilung. Medieinische Section. 49
diese Vorstufen sich mit dem Luftsauerstoff selbst oxydiren, wurden
Zellextraete oder Gewebsbrei aus beliebigen zellreichen Organen (Drüsen,
Leber, Thymus ete.) mit wässrigen, farblosen Lösungen solcher Vorstufen
z. B. Mischungen von & Naphtol und Paraphenylendiamin, & Naphtol und
Dimethyparaphenylendiamin, Toluylendiamin resp. Dimethylanilin einerseits
und Paraphenylendiamin andererseits ete. ete. zusammengebracht und
hierbei beobachtet, dass die (Oxydation) Farbstoffbildung ausserordentlich
beschleunigt wurde. Wurden z. B. mit Organbrei Buchstaben geschrieben
auf Filtrirpapier, das mit diesen Lösungen getränkt war, so waren diese
Buchstaben binnen wenigen Minuten intensiv blau, resp. violett oder grün etc.
(je nach der Wahl der Vorstufe) geworden, während das übrige
Papier viele (24) Stunden farblos, resp. nur sehr schwach gefärbt blieb.
Diese Beschleunigung der Farbstoffbildung findet nur darin ihre Erklärung,
dass der Luftsauerstoff durch die Gewebeextracte an die „Vorstufen“
geleitet, resp. befähigt wird (in atomistischem Zustande) zu einer Ver-
bindung mit jenen zusammenzutreten, „‚activirt‘“ wird.
Neben dieser oxydationserregenden Kraft haben jedoch diese Gewebe
auch die Fähigkeit zu redueiren, z. B. die gebildeten farbigen Verbindungen
in farblose Leucoverbindungen zurückzuverwandeln. Dieser letztere Vor-
gang tritt ein, wenn wir die sonst gut oxydirenden Gewebe bei Luft-
abschluss auf die erwähnten farbigen Substrate einwirken lassen, oder
dann und — dies auch bei Luftzutritt — wenn die oxydirende Kraft
der Gewebe bis zum Verschwinden abgenommen hat z. B. bei längerem
Liegen des Gewebsbreies bei Zimmertemperatur (ohne dass hierzu
Fäulniss einzutreten brauchte),
Genau so wie wir die in Anwesenheit todter Gewebe vor sich
gehenden Oxydationen auf O-Uebertragung durch jene zurückführen, so
werden auch die intravitalen Oxydationsprocesse eine gleiche Erklärung
finden. Hiermit soll nicht andererseits behauptet werden, dass sämmtliche
Oxydationen im lebenden Organismus auf diesem Wege zu stande kommen
müssten; für einzelne wird die gegebene Erklärung sicher zutreffen.
Unsere Vorstellung, welche die von Traube vertretenen Anschauungen
wieder aufnimmt und für dieselben aus den Vorgängen in todten Geweben
grundlegende Beweise gegeben hat, schliesst die anderen von Pflüger,
Schmiedeberg etc. aufgestellten Theorien über die Oxydationen im lebenden
Organismus nicht völlig aus.
Diseussion:
Herr Prof. Röhmann weist auf den Widerspruch zwischen den
Spitzer’schen Experimenten und der Theorie von Hoppe—Seyler hin.
Herr Prof. Neisser: Wie verhalten sich die Versuche zu der Arbeit
von Ehrlich über das Sauerstoffbedürfniss des Organismus.
Herr Dr. Spitzer: Die Versuche von Ehrlich sind zum Theil
ähnlich, doch sind keinesfalls die vom Vortragenden gezogenen Schlüsse
133, A %
50 Jahresbericht der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur.
daraus entwickelt; Ehrlich’s Versuche erstrecken sich nur auf eine
Gruppe der Oxydationsvorgänge im Organismus, die Oxydation reduei-
render (autoxydabler) Substanzen; die erwähnten Versuche behandeln
jedoch die Oxydation schwer oxydirbarer Verbindungen.
2) Herr Dr. Steinschneider:
Zur Biologie der Gonococcen.
Meine in Verbindung mit Dr. Schäffer in diesem Winter vorge-
nommenen Versuche hatten folgende Ergebnisse:
Das von uns bei der Cultur der Gonococcen seit längerer Zeit an-
gewendete Ausstreichen der gonorrhoischen Secrete mit der Platinöse
auf in Petri’schen Schalen vorbereiteten Serum Agar-Platten hat sich
sehr gut bewährt. Noch mehr aber bewährte sich und kann daher em-
pfohlen werden das Aufpinseln mit sterilem Pinsel, wodurch man leichter
isolirte, daher besser zu differeneirende und zum Abimpfen geeignete
Colonien erzielen kann.
Das von Finger, Ghon und Schlagenhaufer empfohlene Harn
Agar hat bei wiederholten Versuchen keine befriedigenden Resultate er-
geben. Unsere Annahme, dass vielleicht der von Finger mit über-
tragene Eiter als Nährboden gedient haben könne, findet eine Bestätigung
durch Folgendes: Wenn wir steril aufgefangenen Eiter mit Gonococcen
vermengten und damit Impfungen auf Agar anstellten, so konnten wir zu-
weilen, allerdings nicht in allen Versuchsfällen, Wachsthum erzielen.
Versuche darüber, wie lange Gonococcen, die in Wasser oder Urin
aufgeschwemmt wurden, lebens- und entwiekelungsfähig blieben, ergeben
zwar bei verschiedenen Versuchen nicht gleichmässige Resultate, liessen
jedoch so viel erkennen, dass in beiden Flüssigkeiten Gonococcen unter
Umständen mehrere Stunden entwickelungsfähig bleiben.
Aus Versuchen in Bezug auf die Widerstandskraft der Gonococcen
gegen höhere oder niedrigere Temperaturen ging hervor, dass die Gono-
coccen bei einer Temperatur von 40° ©. schon binnen 12 Stunden
ihre Entwickelungsfähigkeit verloren, dieselben aber bis zu 48 Stunden
in Zimmertemperatur (18° C.) beibehielten.
Versuche mit concentrirteren Lösungen von Argentum nitricum liessen
erkennen, dass die Gonococcen in einer lprocentigen Lösung bis zu
25 Seeunden lang ihre Lebenskraft erhalten konnten, dieselben jedoch
in einer zweiprozentigen Lösung von Argentum nitricum schon nach
5 Secunden verloren.
Eine in das subeutane Bindegewebe eines ganz gesunden Menschen
vorgenommene Einspritzung einer vollen Spritze einer sehr reichlichen
Aufschwemmung von Gonococcen - Reinceultur in mit Wasser ver-
dünntem Serum hatte nicht die allergeringste Reaction zur Folge. Da
wir schon vor zwei Jahren einen ähnlichen Versuch mit dem gleichen
I. Abtkeilung. Medicinische Section. 51
Ergebnisse gemacht hatten, so glauben wir zu dem Schlusse berechtigt
zu sein, dass unter normalen Verhältnissen Gonococcen im subeutanen
Bindegewebe keine Eiterung verursachen können. Analoge Versuche
an Kaninchen und Meerschweinchen gaben, wie erwartet werden konnte,
ganz analoge Resultate.
Discussion.
Herr Dr. Jadassohn: Ist Herrn Dr. Steinschneider aufgefallen,
dass Gonococcen auf Löffler’schem Serum-Agar schlechter wachsen?
Herr Dr. Steinschneider: Ja. — Demonstration.
Herr Dr. Jadassohn: Es müssen auch bei dem Wachsthum der
Gonococcen Differenzen in der Zubereitung des Agar eine Rolle spielen.
Herr Geh. Rath Ponfiek fragt den Vortragenden, ob er Injectionen von
Gonccoccen in seröse Säcke gemacht hat. \
Herr Dr. Steinschneider: Ja, es sind bei Meerschweinchen
Aufschwemmungen in das Peritoneum injieirt worden. Eine eitrige
Peritonitis trat nicht ein.
3) Herr Geh. Rath Ponfick: Demonstration eines Affenmädchens.
Sitzung der Commission am 2. März 1895
° zur Discussion der Anträge des Herrn Prof. H. Cohn.
Anwesend die Herren Küstner, Cohn, Neisser, Czerny,
Jacobi.
Die Commission beschliesst:
1. Eine Enquete über die Häufigkeit der Blennorrhoea neonatorum
in Breslau vorzunehmen,
Die Herren Cohn und Jacobi werden ein bezügliches Cir-
eular an die hiesigen Augenärzte versenden.
(Tag der Infection anzugeben.)
2. Bei den Geburtsanmeldungen solle den Meldenden eine Belehrung
über die Verhütung der Blennorrhoe übergeben werden.
Die Fassung wird beschlossen, nachdem der von Prof. Cohn
gearbeitete Entwurf, der sich theilweise an die Belehrung, welche
in der Stadt Havre vertheilt wird, anlehnt, bei den Mitgliedern
eireulirt hat,
3. Es soll durch Zuschrift an den Oberpräsidenten, resp. auch an
den Polizei-Präsidenten zu Breslau eine bezügliche Einwirkung
auf die Hebammen angeregt werden,
4. Es soll eine grössere Enquete über das Vorkommen der
Blennorrhoe in Deutschland und Oesterreich-Ungarn durch Um-
frage bei den Direetoren der Gebäranstalten und insbesondere
auch der geburtshilfliehen Kliniken vorgenommen werden.
Herr Küstner übernimmt die Fassung und Versendung der
Zuschrift,
As
592 Jahresbericht der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur.
5. Herr Cohn übernimmt es, Umfrage bei den Augenärzten Deutsch-
lands bezüglich der vorliegenden Frage zu halten.
7. Sitzung vom 15. März 1895.
Vorsitzender: Herr Prof. Neisser. Schriftführer: Herr Dr. Schäffer.
1) Herr Prof. H. Cohn:
Bericht und Vorschläge der Commission zur Verhütung der Blennorrhoea
neonatorum.
M. H.! In der Sitzung der medieinischen Section am 1. Februar
erlaubte ich mir den Antrag zu stellen, dass eine Commission ge-
wählt werden. möge, welche praktische Vorschläge für die Verhütung
der Blennorrhoea neonatorum ausarbeiten solle.
Die Diseussion über diesen Antrag wurde für die Sitzung am
22. Februar verschoben. In dieser begründete ich den Antrag und gab
einige Gesichtspunkte an, welche der Commission für ihre Arbeiten
unterbreitet werden könnten.
Herr Geh. Rath Mikulicz erklärte sich für Wahl einer solchen
Commission, jedoch mit der Einschränkung, dass dieselbe mit theore-
tischen und offenen therapeutischen Fragen sich nicht beschäftigen,
sondern nur administrative Vorschläge machen solle, die auf allgemein
anerkannten hygienischen Grundsätzen basiren. Damit stimmte auch die
geehrte Section überein, und unter dieser Einschränkung wurde eine
Commission gewählt, bestehend aus den Herren Professoren Czerny,
Jacobi, Küstner, Neisser und mir.
Ich wurde beauftragt, die Commission einzuberufen und bat die
Herren für den 2. März zu einer Sitzung.
Ich spreche es mit Freude aus: So wenig harmonigeh die Dis-
cussion am 1. Februar in der Seetion gewesen, so harmonisch verlief
diese Commissionssitzung am 2. März.
Ich erlaubte mir, Herrn Collegen Jacobi zum Vorsitzenden der
Commission vorzuschlagen; derselbe wurde auch sogleich gewählt.
Dann unterbreitete ich die Vorschläge, die ich schon in den
Februar-Sitzungen der med. Section hier angedeutet, der Commission,
welche sich sehr schnell über die prineipiellen Punkte einiste und meine
Anträge annahm.
Die Commission beschloss also zweierlei: 1) eine Eingabe an den
Herrn Oberpräsidenten. und 2) die Vertheilung einer Helehzung auf
den Standesämtern.
In der Eingabe an den Herın Oberpräsidenten sollte gebeten werden,
den Hebammen die $$ 218 und 324 des preuss. Hebammenlehrbuchs,
sowie die in Vergessenheit gerathene Meldepflicht wieder einschärfen
zu lassen,
I. Abtheilung. Medicinische Section. 58
Auch der Entwurf einer Belehrung über die Gefahren der
Blennorrhoe, den ich in theilweiser Anlehnung an die in Havre zur
Vertheilung kommende Belehrung ausgearbeitet, fand in der Commission
Anklang. Es wurde aber beschlossen, denselben erst bei allen Mit-
gliedern eirceuliren zu lassen, damit Jeder Aenderungs- und Verbesserungs-
Vorschläge machen könne,
Als darauf der Entwurf an den Vorsitzenden, Herrn Collegen Jacobi,
zurückkam, fanden sich nur wenige, ziemlich unwesentliche redactionelle
Aenderungen, die von Herrn Jacobi und mir, denen die endgültige
Redaetion überlassen worden, natürlich angenommen wurden. Nur von
Herrn Prof. Czerny wurden die von mir vorgeschlagenen „Vorschriften
für die Behandlung der Blennorrhoe vor dem Eintreffen des Arztes‘
als ihm „undurchführbar erscheinend‘“ bezeichnet, Ueber diesen Punkt
wird also dann debattirt werden müssen.
Auf den Antrag des Herrn Collegen Neisser wurde beschlossen,
dass am Schlusse der Belehrung die Adressen und Sprechstunden aller
Augenärzte genannt werden sollen, welche unentgeltlich blennorrhoische
Kinder behandeln.
Die Commission beschloss endlich, die „Belehrung‘‘ an den Magistrat
zu senden mit der Bitte, sie in den Standesämtern bei der Meldung von
Geburten vertheilen zu lassen.
Ich werde dann so frei sein, Ihnen den Entwurf der Zuschrift an
den Magistrat vorzulesen, welchen wir bitten, die Belehrung, die in
12000 Exemplaren gedruckt werden soll (so viele Geburten werden
jährlich in Breslau angemeldet) auf den Standesämtern vertheilen zu
lassen, ferner die Belehrung selbst, von der eine Anzahl Correcturabzüge
werden vertheilt werden, und endlich den Entwurf unserer Eingabe an
den Herrn Oberpräsidenten. —
Obgleich die Commission sich mit diesen administrativen Dingen
eigentlich hätte begnügen müssen, da sie ja eine gebundene Marschroute
hatte, so glaubte sie doch, von Ihnen, meine Herren, Indemnität zu
erhalten, wenn sie in allgemein wissenschaftlichem Interesse
noch etwas über ihre striete Aufgabe hinausging.
Sie beschloss also zunächst, eine Umfrage über die Häufigkeit
der Blenn. neon. im Jahre 1894 unter den hiesigen Aerzten
zu veranstalten.
Ich wandte mich daher schriftlich zunächst an alle Augenärzte
und dann durch gedruckte Zuschrift an alle Aerzte Breslaus und er-
suchte sie, mir mitzutheilen, wie viel Fälle aus Breslau, wie viel von
_ auswärts, und wie viel Spätinfeetionen von ihnen beobachtet wurden,
M. H.! Mehr habe ich zunächst nicht gefragt. In den 31 Jahren,
in denen ich oeculistische Statistik treibe, habe ich nämlich einsehen
lernen, dass das alte Sprichwort „Wer viel fragt, bekommt viel Be-
54 | Jahresbericht der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur.
scheid“ in der Statistik unrichtig ist. Nur wer wenig fragt, bekommt
gern und schnell Bescheid. Und so kann ich denn das erfreuliche
Resultat mittheilen, dass wir nun zum ersten Male wissen, wie viel
Fälle von Blennorrhoe überhaupt in Breslau in einem Jahre behandelt
wurden.
Ich erkenne es mit grösstem Danke an, dass sämmtliche Augen-
ärzte der Stadt meine Fragen bald beantwortet haben, manche der
Herren sogar mit sehr schätzenswerthen Details.
16 Augenärzte hatten im Jahre 1894 im Ganzen 282 Fälle in
Behandlung, davon 25 auswärtige, also 257 Kinder aus Breslau.
Eine ähnliche Zusammenstellung aus anderen Städten (ausser
München, wo Meldepflicht existirt) giebt es nicht.
Es behandelten Prof. Förster 53, Prof. Magnus 37, Dr. Land-
mann 37, Dr. Lasinsky 35, Dr. Wolffberg 27, Dr. Wallentin 20,
Dr. Beyer 16, Prof. Cohn 15, Dr. Landsberg 12, Dr. König 11,
Dr. Günsburg 5, Dr. Ritter 5, Dr. Jungmann 4, Dr. Burchardt3,
Dr. Ehrenfried 1, Dr. Groenouw 1 Fall.
Da nicht von allen Special-Collegen bisher die Zahl der überhaupt
von ihnen im Jahre 1894 behandelten Augenkranken angegeben worden,
so lässt eich ein durchschnittliches Promille-Verhältniss nicht berechnen.
In der Klinik von Herrn Prof. Förster waren es 12 °/,,, in meiner
Anstalt auch 12 °%/,,, in der von Herrn Prof. Magnus 8 °/,,, von Herrn
Dr. Wolffberg 6 %,, und in der von Herrn Dr. Landmann (schlesische
Anstalt) 5 %,,. Vor 30 Jahren hatte ich 17 °%,,, in den Jahren 1885
bis 1890210 %,9, jet M2%o-
Dass die Krankheit wesentlich in den ärmeren Klassen vorkommt,
haben die Augenärzte aller Städte schon lange beobachtet. Bei mir
nahm in der Privatpraxis die Zahl in 30 Jahren von 9 bis 3 %,, ab.
Ein sehr gesuchter hiesiger College sah im vorigen Jahre in der Privat-
praxis keinen Fall.
Ueber die Spätinfeetionen kann ich zunächst auch noch keine
Durchsehnittsziffer geben. Fast alle Collegen betonten nur, dass sie
sehr selten seien, indem die meisten Fälle am 3. bis 5. Tage auf-
traten. Es ist auch oft schwer, hier Sicheres zu erfahren. Die Per-
sonen, welche die Kinder in die Polikliniken bringen, wissen oft selbst
nicht anzugeben, ob das Kind, das sie am 7. oder 9. Tage oder später
zum Ärzte tragen, schon am 3. oder 4. Tage oder erst später Ent-
zündung bekommen habe. Ueber diese Punkte dürften erst sorgsam
vorbereitete Notizen in:den Krankenbüchern im nächsten Jahre Klarheit
bringen. Unter den 15 Fällen, die ich im Jahre 1894 gesehen, waren
8 bestimmt in den ersten 5 Tagen entstanden.
Ausser den schriftlichen Nachfragen bei 16 Augenärzten ver-
sendete ich noch 351 gedruckte Circulare an alle praktischen
I. Abtheilung. Medieinische Section. 55
Aerzte Breslaus, welche im Adressbuch verzeichnet sind. Von diesen
Anfragen kamen 9 als unbestellbar zurück; bleiben also 342 Anfragen.
Nur 77 Collegen antworteten mir; 265 Aerzte, d. h. 77 °/), antworteten
nicht. Ich vermuthe, dass dieselben keine Blennorrhoe behandelt haben
und darum nicht antworteten.
Von den 77 Herren, welche antworteten, theilten 55 mit, dass sie
keinen Fall im Jahre 1894 gesehen; 19 Herren berichteten aber über
41 Fälle, die sie behandelt; diese betrafen mit Ausnahme eines Falles
nur Breslauer Kinder.
9 Aerzte sahen je 1 Fall, 3 Aerzte 2 Fälle, 4 Aerzte 3, 2 Aerzte 4
und 1 Arzt 6 Fälle.
Von diesen 41 Fällen sind 3, welche von den Collegen in Augen-
kliniken geschickt wurden, jedenfalls abzuziehen, da sie ja dort schon gezählt
sind. Es kommen also zu den 282 von Augenärzten behandelten noch 38
von praktischen Aerzten behandelte Blennorrhoeen.
Es wurden mithin im Jahre 1894 im Ganzen in Breslau 320 Fälle
behandelt, davon 294 aus der Stadt selbst.
Freilich ist vielleicht auch diese Zahl nicht absolut richtig, da ja
mancher schwere Fall von einem Arzte zum andern wandert, also
mehrfach figuriren kann.
Aber selbst wenn wir diese Fehlerquellen nicht vernachlässigen und
sogar 44 Fälle abziehen, dürfen wir mit Sicherheit behaupten, dass von
den 12 000 Kindern, die im Jahre 1894 in Breslau geboren wurden,
mindestens 250, d. h. circa 2°), an Blennorrhoe gelitten haben.
Gewiss ist diese Zahl überraschend und erschreckend,
Keiner von uns Augenärzten hat geglaubt, dass eine Krankheit, die bei
richtiger Prophylaxe gar nicht mehr vorkommen dürfte, in 520 Fällen
hier in einem Jahre behandelt worden, und wir empfinden gewiss nun
Alle die Verpflichtung, durch geeignete hygienische Vorschläge
diese Zahl im nächsten Jahre, wenn wir sie auch noch nicht auf Null
bringen können, so doch wesentlich zu verringern.
Gern hätte ich Ihnen auch die Zahl der Zöglinge unserer schle-
sischen Blindenanstalt mitgetheilt, welche durch Blennorrhoe ihr
Ausenlicht verloren haben; allein der Anstaltsarzt Herr Dr. Beyer war
wegen Ueberbürdung leider noch nicht in der Lage, eine neue Zu-
sammenstellung zu machen. Ich kann also nur erwähnen, dass Herr
Prof. Magnus im Jahre 1884, also vor 11 Jahren, unter 87 doppel-
seitig Blinden der Breslauer Anstalt 24 Blennorrhoeen —= 27°, als
Ursache gefunden.
| In Zürich jedoch ist nach Horner’s Mittheilungen seit 1865 kein
Fall von Biennorrhoe-Erblindung mehr in die Blindenanstalt gekommen,
Es rührt dies seiner Ansicht nach von der dort eingeführten sofortigen
Zuziehung der Aerzte her. — —
56 | Jahresbericht der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur.
Was das Geschäftliche betrifft, so sind Zuschriften an die Be-
hörden schon früher von einzelnen Sectionen beschlossen und abgesendet
worden; sie trugen einfach die Unterschrift „Die hygienische‘ oder ‚‚Die
medieinische‘“ oder „Die pädagogische Section der Schlesischen Gesell-
schaft‘. Vielleicht scheint auch Ihnen die Unterschrift „Die medieinische
Seetion‘ genügend. Vielleicht wünschen Sie, dass die Mitglieder der
Commission, welche ja die ganzen Arbeiten gemacht hat, ihren Namen
unterschreiben. Vielleicht wünschen Sie, dass alle Seceretaire der med.
Section oder nur der Präsident der Gesellschaft, Herr Geh. Rath Heiden-
hain unterzeichnet. Bestimmen Sie das nur.
Jedenfalls müssen wir dem Präsidium unserer Gesellschaft unsere
Vorschläge noch unterbreiten, da dieses ja die Druckkosten der
„Belehrung“ zahlen muss,
12 000 Exemplare auf Zeitungspapier, wie die Correcturbogen, ge-
druckt, würden bei Grass, Barth & Co. nur 48 Mk., auf Conceptpapier
58 Mk. und auf Carton 90 Mk. kosten. Carton wurde auch in Havre
gewählt und wäre wegen der Dauerhaftigkeit vorzuziehen. —
Obgleich es eigentlich, wie mir Herr Geh. Rath Förster schrieb,
selbstverständlich ist, dass die Anstalten, welche im Adressbuch den
Augenkranken Gratisbehandlung bieten, auch am Schlusse der Belehrung
erwähnt werden, so habe ich doch geglaubt, aus Höflichkeit erst alle
Augenärzte anfragen zu sollen, ob sie gestatten, dass ihre Namen,
Wohnungen und Sprechstunden am Ende der Belehrung genannt werden.
Es haben auch alle Augenärzte, die keine Gratis-Sprechstun den im
Adressbuch angeben, sich bereit erklärt, Kinder mit Blennorrhoe gratis
zu behandeln mit Ausnahme eines Collegen, der ausdrücklich wünschte,
nicht genannt zu werden, da er nur Privatpraxis treiben wolle. —
Die Commission hat sich aber nicht begnügt mit einer für den
Augenblick abgeschlossenen Umfrage bei den Collegen in Breslau, sie
hat auch beschlossen, eine grosse wissenschaftliche Enqu&te über
das Vorkommen von Blennorrhoe in allen Gebäranstalten und geburts-
hilflichen Kliniken und in allen Augenheilanstalten und Augen-
kliniken Deutschlands und Oesterreichs im Jahre 1895 zu ver-
anstalten, und sie hat mit der Anfertigung und Versendung der Frage-
bogen Herrn Med.-Rath Küstner und mich beauftragt.
Ueber die Ergebnisse dieser Enquete werden wir später berichten.
Für heut würde die Commission Ihnen grossen Dank wissen, wenn
Sie, meine Herren, unsere Entwürfe, die sogleich vorgelesen und vertheilt
. werden werden, annehmen würden. |
Wir hoffen, dass dann viel Zeitverlust, Kummer und Gefahr ver-
hütet, dass die Zahl von 320 Fällen von Blennorrhoe in Breslau im
nächsten Jahre nicht mehr erreicht werden wird, und dass viele andere
ärztliche Gesellschaften unserem Beispiele folgen werden.
I. Abtheilung. Medicinische Section. 57
M. H.! Unterstützen Sie die Commission in ihrem Bestreben durch
Annahme unserer Vorschläge!
Die Schriftstücke lauten folgendermaassen:
1. Zuschrift an den Herrn Oberpräsidenten,
2. Zuschrift an den Maeistrat.
3. Die Belehrung.
% Breslau, den 14, März 1895.
Sr. Durchlaucht dem Herrn Oberpräsidenten Fürsten v. Hatzfeldt.
Hier.
Ew. Durchlaucht
erlaubt sich die medieinische Section der Schlesischen Gesellschaft
folgendes ergebene Gesuch zu unterbreiten.
Durch eine Umfrage bei allen Aerzten Breslaus ist seitens einer
von der unterzeichneten Section gewählten Commission, bestehend aus
den Professoren H. Cohn, Czerny, Jacobi, Küstner und Neisser,
ermittelt worden, dass im Jahre 1894 hier in Breslau 320 Fälle von
Augeneiterung der Neugeborenen zur Behandlung gekommen sind.
Diese Krankheit ist bekanntlich eine der häufigsten Ursachen der
Erblindung, und die gefundene Ausbreitung derselben ist um so er-
sehreckender, als es gerade in unserer Provinz an trefflichen Ver-
ordnungen nicht fehlt, bei deren strenger Befolgung die gefähr-
liehe Krankheit ganz oder fast ganz verschwinden würde.
So giebt das preussische Hebammen-Lehrbuch sehr gute Regeln,
durch welche die Hebammen der Augenentzündung der Neugeborenen
vorbeugen können.
Im $ 324 heisst es dort: ‚Die Hebamme wird hiernach einsehen,
wie ausserordentlich wichtig es ist, dass sie dem Kinde, sobald der
Kopf geboren ist, diesen verderblichen Schleim sofort mit reinem
Wasser von den Augen abwäscht. Von der Sorgfalt, welche sie
hierbei anwendet, wird oft die Gesundheit der Augen des Kindes ab-
hängig sein.“
Und der $ 218 sagt: „Die Augen der Neugeborenen sind bei allen
Schwangeren, welche an ansteckendem Schleimfluss leiden, sehr
gefährdet. Um einer Erkrankung derselben vorzubeugen, dringe die
Hebamme auf die Zuziehung eines Arztes schon während der Ent-
bindung. Bis der Arzt zur Stelle, suche die Hebamme die Scheide der
Kreissenden von dem ansteckenden Schleime durch Ausspülen und Ab-
tupfen möglichst gründlich zu reinigen, und vor Allem wasche sie dem
Kinde sofort nach Hervortritt des Kopfes, bevor es noch die
Augen geöffnet hat, die Augenlider mit reinem Wasser gründlich
von dem anhaftenden Schleime der mütterlichen Geburtswege ab. Sofort
58 Jahresbericht der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur.
nach dieser Reinigung aber träufle sie dem Kinde einen Tropfen
2procentiger Höllensteinlösung in jedes Auge.“
Würden diese guten Regeln stets befolgt werden, so
müsste die Krankheit verschwinden.
Ferner existirt eine vortreffliche Polizei-Verordnung für Schlesien
vom 20. October 1884 (publieirt im Amtsblatt am 7. November 1884,
Seite 367), betreffend die Erfüllung der den Hebammen im sanitäts-
polizeilichen Interesse auferlegten Verpflichtungen.
In dieser Verordnung lautet $ 4: „Jeder Fall von eitriger
Entzündung des Auges der Neugeborenen ist ohne Verzug (bei
Strafe bis zu, 30 Mark) dem zuständigen Physikus schriftlich oder
mündlich anzuzeigen.“
Diese Meldepflicht scheint aber ganz in Vergessenheit
gerathben.
Die unterzeichnete Section ist überzeugt, dass durch neuerliche
Einschärfung der genannten Maassregeln und der Meldepflicht viele
Augen gerettet werden können, und ersucht Ew. Durchlaucht, die ent-
sprechenden Anweisungen gefälligst bald erlassen zu wollen.
Gleichzeitig gestattet sich die Section, Ew. Durchlaucht ein Exem-
plar der „Belehrung über die Gefahren der Augenentzündung
der Neugeborenen‘ vorzulegen, welche auf Vorschlag der von der
Section gewählten Commission an die Standesämter in Breslau zur
Vertheilung gesendet werden soll, damit sie jeder Person, welche eine
Geburt anmeldet, übergeben wird.
Wir stellen ergebenst ankeim, ob Ew. Durchlaucht geeignet fände,
dieselbe Belehrung auch an alle Hebammen in der Provinz Schlesien ver-
theilen zu lassen.
Ew. Durchlaucht
ergebenst
Die medieinische Section.
2. An den geehrten Magistrat der Haupt- und Residenzstadt Breslau.
Den Magistrat erlaubt sich die unterzeichnete medieinische Section
unter Beifügung eines Probe-Exemplars ergebenst anzufragen, ob derselbe
geneigt wäre, die beifolgende „Belehrung über die Gefahren der
Augeneiterung der Neugeborenen“ auf den hiesigen Standes-
ämiern bei den Meldungen von Geburten zur Vertheilung bringen zu
lassen.
Wir bemerken hierbei, dass nach unseren Ermittelungen 320 Fälle
dieser höchst gefährlichen Erkrankung im Jahre 1895 in Breslau in
ärztliche Behandlung gekommen sind.
Falls der Magistrat bereit ist, die Belehrung, welche auf Antrag
einer aus den Herren Prof. H. Cohn, Czerny, Jacobi, Küstner und
I. Abtheilung. Medicinische Section. 59
Neisser bestehenden Commission angenommen wurde, und von der die
unterzeichnete Section sich einen bedeutenden sanitären Nutzen ver-
spricht, vertheilen zu lassen, werden wir demnächst 12000 Exemplare
der Belehrung überreichen.
Hochachtungsvoll
Die medicinische Section.
3. Belehrung über die Gefahr der Augenentzündung der
Neugeborenen,
I.
Der zehnte Theil aller Blinden hat sein Augenlicht durch die
Augenentzündung der Neugeborenen verloren, und Hunderttausende
haben durch dieselbe eine Verringerung ihres Sehvermögens erfahren.
Und doch kann diese gefährliche Krankheit durch Maassregeln der
Hebamme vor und bei der Geburt fast immer vermieden werden.
Ist die Krankheit aber ausgebrochen, so ist es stets Schuld der
Eltern, Ammen, Pflegerinnen oder Hebammen, wenn ein Auge des
Kindes Schaden nimmt.
Denn schleunigste ärztliche Hilfe und zwar sofort beim
ersten Beginn des Leidens kann das Auge mit Sicherheit retten.
Man versäume also die kostbare Zeit nicht mit Abwarten oder mit
Anwendung von Hausmitteln, man folge nicht sogenanntem guten Rathe
von Laien, sondern rufe sogleich den Arzt, da es sich hier um jede
halbe Stunde handelt.
II.
Die gefährliche Krankheit beginnt selten am 2., meist am 3. oder
4. Tage nach der Geburt, kann aber auch später auftreten. Sie zeigt
sich anfangs als eine leichte Schwellung und Röthung der Ränder der
Augenlider, welche nach dem Schlafe besonders in den Augenwinkeln
ein wenig mit Schleim verklebt sind. Bald tritt dann beim Oeffnen der
Augenlider eine weissliche oder gelbliche schleimige Flüssigkeit aus.
Am 3. oder 4. Tage schwellen die Augenlider meist dick an; das Kind
öffnet das Auge nicht mehr von selbst; nur mit Gewalt können die
Lider auseinander gezogen werden, und ein dicker, rahmartiger gelber
Eiter quillt oder spritzt hervor.
Wer ein solches Auge öffnet, nehme sich sehr in Acht,
dass ihm nicht selbst etwas von dem Eiter in sein Auge
spritzt, da er sonst unfehlbar von der verderblichen Krankheit be-
fallen würde.
II.
Wenn nicht sehr schnell sachverständige Hilfe kommt, greift die
Eiterung von den Augenlidern auf den Augapfel des Kindes über und
zerstört in wenigen Tagen die Hornhaut des Auges; dann ist totale
60 Jahresbericht der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur.
Erblindung oder bleibende Sehschwäche die sichere Folge,
Wenn einmal die Hornhaut selbst erkrankt ist, gelingt es selbst dem
erfahrensten Arzte nicht mehr, das Auge vollkommen zu heilen. Daher
sende man bei der geringsten Röthe, Schwellung oder Schleimabsonderung
des Auges sofort zum Arzte.
IV.
Wer ein Kind mit eitriger Augenentzündung pflegt, muss sich auf
das Sorgsamste die Hände mit Seife abwaschen, so oft er die Augen
des Kindes berührt hat.
V.
Hat die Mutter vor der Entbindung einen eitrigen Ausfluss aus dem
Schoosse gehabt, so muss sie besonders darauf achten, dass weder ihre
Finger, noch etwas von den zur Reinigung des Schoosses während des
Wochenbetts benutzten Leinenstücken an die Augen des Kindes komme,
da auf diese Weise die Krankheit noch später übertragen werden kann.
\AR
Wenn ein Zwillinsskind an Augenentzündung erkrankt, ist das
andere sofort vollkommen von ihm zu trennen und darf auch nicht in
demselben Bade gebadet werden.
v1.
War nach einer früheren Entbindung bei einem Neugeborenen
schon die Augenentzündung vorgekommen, so muss vor der nächsten
Entbindung die Hebamme ganz besonders darauf aufmerksam gemacht
werden.
VII.
Was muss geschehen, bis der Arzt erscheint?
1) Man öffne die Augen des Kindes alle 10 Minuten und wische
mittels Watte, welche in Wasser getaucht und auenD ist, den
Eiter sorgsam aus dem Auge heraus.
2) Man mache sofort kalte Umschläge auf folgende Weise: Ein
mehrfach zusammengelegtes Stück reiner Leinwand wird auf Eis oder
in sehr kaltem Wasser gekühlt, gut ausgewunden und trocken und
kalt auf das kranke Auge gelegt. Ist dieser Umschlag warm geworden,
so schadet er; daher müssen die Umschläge alle 2 Minuten gewechselt
und so lange fortgesetzt werden, bis der Arzt kommt.
3) Man streiche etwas Vaseline aussen auf die Augenlider, damit
sie nicht durch den Eiter zusammenkleben.
4) Wenn nur ein Auge erkrankt ist, hüte man sich, mit demselben
Fleckchen oder mit den Fingern das andere gesunde Auge zu berühren,
da man sonst die Krankheit auch auf dieses übertragen
würde.
I. Abtheilung. Medieinische Section. 61
5) Da die Augenentzündung der Neugeborenen überaus ansteckend
ist, so dürfen Wasser, Leinenstücke und alle Gegenstände, die zum
Waschen des Auges gebraucht wurden, niemals für die Reinigung der
Hände oder des Gesichts anderer Personen benutzt werden. Die
kleinste Spur des Eiters verursacht die schnelle und meist unheilbare
Zerstörung des Auges Erwachsener. Die Watte und alle zur Reinigung
des Auges benutzten Leinenstücke sind bald zu verbrennen.
Niemals versäume man den Arzt sofort zu rufen.
Aus der Discussion ist Folgendes hervorzuheben:
Herr Dr. Steinschneider fragt, ob alle sog. gonorrhoischen
Conjunctivalkrankheiten wirklich gonorrhoisch waren.
Herr Prof. Neisser glaubt nach den Kroner’schen Untersuchungen,
dass dies nicht der Fall ist und bittet, diesbezügliche Bemerkungen
zu machen.
Herr Prof. Cohn glaubt bei aller Achtung vor dem mikroskopischen
Befunde, dass das klinische Bild für jeden Augenarzt so charakteristisch
ist, dass es allein schon die Diagnose sichert.
Herr Prof. Neisser bestreitet dies für den Beginn des einzelnen
Falles.
Herr Dr. Wolffberg glaubt, dass der Gonococcen-Befund nicht
constant sei.
Herr Prof, Neisser bittet, das Secret stets zur Untersuchung an ihn
zu senden.
Herr Dr. Jacobi meint, die Belehrung solle nicht nur auf dem
Standesamt, sondern auch durch die Hebammen vertheilt werden und
fragt, wer die Kosten (Druck u. s. w.) bestreitet.
Herr Prof. Cohn glaubt, das Präsidium der Schlesischen Gesellschaft
werde gewiss die Kosten tragen.
Zu Nummer 4 der Belehrung bemerkt
Herr Prof. Czerny, dass kalte Umschläge auf das Auge von den
Neugeborenen nicht gelitten werden; er wünscht daher, dass dieser
Passus gestrichen werde.
Herr Prof, Cohn hält seinen Rathschlag aufrecht, da nach seinen
30jährigen Erfahrungen die kalten Compressen, welche die Züchtung
der Gonocoecen bestimmt verhindern, von den Kindern viele Stunden
lang wohl gelitten werden. Hier steht Beobachtung gegen Beobachtung.
Herr Dr. Steinschneider glaubt, dass die Mutter mit eitrigem
Ausfluss schon allein den Arzt holt.
Herr Prof. Neisser hält die Vorschriften für zu lang.
Es wird beschlossen: Die Commission soll die Vorschriften kürzer
fassen.
62 Jahresbericht der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur.
Herr Dr. Asch jun.: Die Namen der Augenärzte sollen am Ende
der Belehrung nicht genannt werden.
Herr Dr. Jungmann befürwortet dies auch.
Herr Prof. Neisser bittet hierüber abzustimmen.
Beschluss: Die Namen sollen gestrichen werden.
Herr Prof. Neisser empfiehlt in einer Hebammenzeitung das
Wichtigste der Belehrung hervorzuheben.
Es wird beschlossen, die Belehrung nochmals von der Commission
revidiren und kürzen zu lassen. — —
Dies geschah im Laufe der nächsten 8 Tage. Die Belehrung ist,
um Wiederholungen zu vermeiden, oben in der revidirten und ab-
gekürzten Abfassung abgedruckt.
Es wurden im April die Eingaben an den Oberpräsidenten und an
den Magistrat abgesendet, so wie die Belehrung in der oben abgedruckten
Form auf Kosten der Schlesischen Gesellschaft in 12000 Exemplaren
gedruckt und dem Magistrat überreicht, welcher sie seit Mai d. J. in
den Standesämtern vertheilen lässt.
2) Herr Prof. Neisser:
Ueber Versuche zur Verhütung der gonorrhoischen Urethral-
Infection.
Meine Herren! Gestatten Sie mir, dass ich im Anschluss an die
neulich gehörten Vorträge und Discussionen über die prophylaktischen
Maassnahmen gegenüber der Blennorrhoea neonatorum und den Werth
des Cred&’schen Verfahrens oder anderer, an seine Stelle zu setzenden
Reinigungsmethoden (Küstner) mit einigen Worten hinweise auf Ver-
suche, welche in ähnlicher Weise eine Verhütung der gonor-
rhoischen Urethralinfection bezwecken.
Es ist hier nicht der Ort auf die ungeheure Wichtigkeit der
gonorrhoischen Erkrankungen hinzuweisen. Bei . den verschiedensten
Gelegenheiten ist gerade an dieser Stelle gegen die alte Anschauung,
dass die Gonorrhoe ein einfaches, nieht sehr ernst zu nehmendes Leiden
sei, angekämpft worden und ich brauche Sie nur an die Ausführungen
meiner gynäkologischen Collegen über die gonorrhoischen Erkrankungen
der Frauen zu ‘erinnern, um die Thatsache von der Bedeutung der
Gonorrhoe ins rechte Licht zu setzen. Nehmen wir als zweites Moment
die ungeheure Verbreitung dieser Krankheit hinzu, die wohl ohne
Uebertreibung als die häufigste Erkrankung des menschlichen Ge-
schlechtes hinzustellen ist, so ist es berechtigt, allen Versuchen, die,
eine Verhinderung der ja wesentlich im ausserehelichen Geschlechts-
verkehr zu Stande kommenden Infection ins Auge fassen, mit dem
grössten Interesse zu folgen,
I. Abtheilung. Medieinische Section. 63
Ich will hier nicht von der Anwendung der Condome sprechen,
die zweifellos ein sehr geeignetes und brauchbares Schutzmittel gegen
die Infeetion darstellen; auch will ich nur kurz darauf hinweisen, dass
die gegen Ulcus molle- und Syphilisinfeetion zweifellos nützliche Ein-
fettung desmembrum virile vor der Cohabitation als prophylaktische
Maassregel gegen die gonorrhoische Infection wohl kaum in Betracht zu
ziehen ist. Bei Ulcus molle und bei Lues kann die Infectionsgefahr
schon dadurch vermieden werden, dass durch die Einfettung manche
oberflächliche Verletzungen und Excoriationen, die doch eine Vor-
bedingung für das Zustandekommen dieser Infectionen darstellen, ver-
hindert werden; ein fettiger Ueberzug kann auch das Eindringen des
Virus der genannten Krankheiten selbst in schon bestehende kleine
Wunden und Excoriationen zum mindesten erschweren.
Bei der Gonorrhoe aber liegt ja die Sache ganz anders. Hier
könnte die Einfettung höchstens eine Infection jener extra- und para-
urethral gelegenen Drüsengänge verhindern, die allerdings eine höchst
unangenehme und oft schwer zu beseitigende Localisation des gonor-
rhoischen Processes darstellen. Sitzen solche durch die Infection von
präputialen Gängen entstehende Knoten im Präputium, dann sind sie
meist durch Exeision leicht zu entfernen; handelt es sich aber wirklich
um paraurethrale Gänge, die neben dem orificium urethrae am
frenulum in die Tiefe gehen, so ist die Zerstörung des gonorrhoischen
Processes in diesen bisweilen recht tiefen oder gekrümmten und ver-
schlungenen Gängen sehr schwer, wenn man auch schliesslich meist mit
elektrolytischer Vernichtung derselben oder Injection mittels Pravaz’scher
Spritze zum Ziel kommt,
Unsere Frage betrifft aber doch hauptsächlich die Infeetion der
Urethra selbst und diese kommt ja bekanntermaassen zu Stande
ohne jede Läsion. Denn das gesunde Epithel ist vollkommen im Stande,
den Gonococcen Wachsthum und Vordringen nach der Fläche und Tiefe
zu gestatten.
Im Allgemeinen werden wir uns wohl vorstellen müssen, dass die
Gonococecen bei der Cohabitation in die vordersten Theile etwa 6 bis
& mm oberhalb des orificiums eindringen, indem durch die stossenden
Bewegungen des erigirten Penis ein Klaffen des orifieiums zu Stande
kommt. Sobald aber die Erection nachlässt, sind diese Theile der
Orifieium-Schleimhaut wiederum vollkommen verdeckt und zufällig hier
deponirte Gonococcen liegen, gleichsam eingesogen, innerhalb der
Urethra.
Es ist daher begreiflich, dass selbst die sorgfältigste Reinigung der
Glansoberfläche eine Infection nicht mehr verhütet; wir hören ja oft
genug von unseren Patienten, dass sie eine Gonorrhoe acquirirt haben,
64 Jahresbericht der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur.
obgleich sie sich in der sorgsamsten Weise, mit oder ohne Des-
infieientien, nach dem Coitus, gereinigt und gewaschen haben.
Diese Infectionsgefahr wird um so grösser bei Menschen mit langem
Präputium, besonders wenn sie sich nicht ordentlich säubern. Ich halte
es für sehr leicht möglich, wenn auch noch nicht für bewiesen,
dass bei solchen Menschen Gonococcen im Präputialsack sich lebens-
kräftig und virulent tagelang erhalten können und erst später, vielleicht
erst viele Tage nach dem Coitus eine Infection zu Stande bringen. So
wenigstens erkläre ich mir eine Anzahl von Beobachtungen, in denen
nicht die gewöhnliche 3tägige Incubationszeit zwischen Infectionstermin
und dem Auftreten deutlicher purulenter Erscheinungen vorhanden war,
sondern die Gonorrhoe erst 8 oder 12 Tage nach dem infieirenden Coitus
auftrat. |
Nun versuchen sehr viele vorsichtige Menschen durch möglichst
baldiges Uriniren nach der Cohabitation die Infection zu ver-
meiden, aber wie wir wissen, ohne Erfolg. Auch das scheint mir be-
greiflich, weil der Urinstrahl, an sich ohne desinfieirende Wirkung, nicht
im Stande ist, mechanisch die an der Schleimhautoberfläche haftenden
Gonocoecen zu entfernen. Bei der Erection wird aus den Urethral-
drüsen ein zäher, fadenziehender Schleim produeirt, der sicherlich dazu
beiträgt, die Gonococcen besser an der Schleimhaut haften zu lassen.
Möglicherweise sind es auch Spuren von Sperma, dessen Einfluss auf
das Gonococeenwachsthum bisher nicht untersucht wurde.
Die saure Reaction des die Urethra bespülenden Urins spielt dabei
gar keine Rolle, denn:
1) wissen wir, dass Gonococcen sehr gut auf einem etwas ange-
säuertem Nährboden wachsen, und |
2) hat College Jadassohn, wie ich mit seiner Erlaubniss mittheilen
darf, festgestellt, dass unmittelbar nach der Entleerung sauren
Urins im Lumen der Harnröhre alkalische Reaction vorhanden ist.
Es müssen also andere Wege eingeschlagen werden, um die in der
Urethralöffnung sitzenden Gonococcen zu vernichten. Einen solchen
Weg hat schon früher Haussmann zu betreten versucht, indem er
empfahl, eine 2proc. Argentum nitricum-Lösung mittelst einer Tripper-
spritze zu injieiren. Dieses Verfahren ist sicherlich radical, denn wir
wissen, wie ich nachher noch auseinanderzusetzen habe, dass eine so
eoncentrirte Argentum nitricum-Lösung in der That im Stande ist,
Gonococcen momentan zu tödten. Dieses Verfahren ist aber nicht un-
schädlich genug, um nach jeder Cohabitation nur auf die Möglichkeit
hin, dass eine Gonococceninfection stattgefunden habe, angewandt werden
zu können. Die Reizerscheinungen nach einer solchen Argentuminjeetion
sind in der That so arg, dass diese Methode als unbrauchbar bezeichnet
werden muss.
I. Abtheilung. Medicinische Section. 65
Es galt daher ein anderes Verfahren zu ersinnen und ich glaube,
dass die Methode, welche Herr Kreisphysicus Dr. Blokusewski
(in Daun, Regierungsbezirk Trier) angegeben hat, deren Kenntniss ich
seiner privaten Mittheilung verdanke und über die er selbst an anderer
telle berichten wird, verdient, von vornherein in möglichst weiten Kreisen
bekannt zu werden.
Auch er wendet eine 2proc. Argentum nitricum-Lösung an,
aber nicht zur Injection, sondern nur zur Einträufelung von 1 bis
2 Tropfen in die durch Fingerdruck etwas klaffend gemachte
Urethra.
Einen dritten Tropfen lässt er über das Frenulum hinfliessen, um
die an der Aussenfläche sitzengebliebenen Gonococcen, die unter Um-
ständen eine Infeetion jener schon oben erwähnten paraurethralen Gänge
verursachen könnten, zu beseitigen.
Den Hauptwerth musste er ganz mit Recht, da es sich um eine
in die weitesten Kreise einzuführende Methode handelt, auf die Hand-
lichkeit des Instruments legen, welches zur Instillation dienen soll, und
ich lege Ihnen hier einige der mir gütigst zugesandten Büchschen
vor, welche, wie ich glaube, dieser Anforderung vollkommen ent-
sprechen.
Diese kleinen Metallhülsen, die jeder bequem in der Tasche tragen
kann, enthalten ein kleines Tropfglas, das ohne Druck Flüssigkeit nicht
austreten lässt. Druck auf die obere kleine Kautschukplatte lässt
Tropfen für Tropfen herausfallen. Die allseitig schliessende Metall-
hülse verhütet eine Zersetzung der im Innern befindlichen Argentum-
lösung.
Es musste sich nun fragen, ob diese Lösung nicht zu stark für die
normale Harnröhrenschleimhaut wäre, respective ob man sie etwa durch
eine schwächere ersetzen könnte. Schon College Blokusewski hat in
seiner Mittheilung, deren Manuscript er mir zugänglich gemacht hat,
mitgetheilt, dass er an mehr als 50 gesunden Menschen festgestellt hat,
dass diese Einträufelungen von Jedermann ohne die geringsten Be-
schwerden vertragen werden und dass irgendwelche Reizwirkungen
dadurch nicht entstehen.
Ferner gab er an, dass, soweit sich das überhaupt an praktischen
Versuchen feststellen liess, eine schwächere Lösung nicht so sichere
Resultate ergab, als die von ihm definitiv gewählte 2proc. Argentum-
lösung.
Wir haben uns durch Desinfeetionsversuche überzeugt, dass in der
That die 2proe. Argentum nitrieum-Lösung für diese Zweeke kaum durch
eine schwächere ersetzt werden kann. Die Herren Collegen Schäffer
und Steinschneider haben in dem Laboratorium meiner Klinik dies-
bezügliche Versuche gemacht.
1895. 5
66 Jahresbericht der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur.
Mit einem Platinspatel wurde der Rasen einer reichlich gewachsenen
Gonoeoeceneultur mehrfach ganz oberflächlich betupft, sodass nur ganz
dünne, eben sichtbare Schichten der Cultur am Spatel haften blieben.
Dieser Platinspatel wurde dann verschieden lange in die desinfieirenden
Lösungen hineingetaucht, in sterilem Wasser abgespült und nun auf
Serum-Agar abgewischt. Das Abspülen in sterilem Wasser bewirkte,
wie nachträgliche Versuche ergeben haben, nicht etwa eine mechanische
Beseitigung der anhaftenden Gonococcen, denn wenn das Eintauchen in
die desinfiecirenden Lösungen unterblieb, wuchsen regelmässig in
schönster Weise Gonococcenculturen.
Das Resultat war, dass das Verweilen des Platinspatels erst nach
25 Secunden Einwirkung einer lproc. Argentum nitrieum-Lösung das
Wachsthum der Gonococcen vollkommen aufhob.
Nach 20 Secunden wuchsen immer noch, wenn auch spärlich, einzelne
Colonien, bei 10 Secunden noch ziemlich reichlich.
Wurde aber eine 2proc. Lösung von Argentum nitricum verwandt,
so war auch schon bei einer Einwirkung von 5 Seeunden regelmässig
jede Spur von Gonococeenwachsthum aufgehoben.
Halten wir mit diesen Reagenzglasversuchen zusammen die Er-
fahrungen, die auch beim Cred@’schen Verfahren gemacht worden sind,
so ergiebt sich in der That, dass für die in Rede stehenden Zwecke der
momentanen Abtödtung von Gonococcen eine schwächere als 2proe.
Argentum nitricum-Lösung nicht brauchbar erscheint.
So einfach dieses ganze Blokusewski’sche Verfahren erscheint,
so wichtig ist es, dass es nach Möglichkeit bekannt wird. Ich weiss
sehr wohl, dass derartige, von uns Aerzten ausgehende Bestrebungen von
Anderen, welche der Ansicht sind, dass die Furcht vor Infeetion bei-
tragen könne, die Häufigkeit des Geschlechtsverkehrs junger Menschen
zu verhindern, auf das Strengste verurtheilt werden. So sehr ich aber
auf der einen Seite wünschen möchte, dass die von jener Seite z. B.
den Sittlichkeitsvereinen ausgehenden Bestrebungen von Erfolg gekrönt
wären, so glaube ich doch andererseits: Wir haben der Thatsache
gegenüber, dass die venerischen Krankheiten und speciell die Gonorrhoe
eine ungeheure Verbreitung haben und von Tag zu Tag weiter finden,
die Pflicht, alle diejenigen Mittel, welche diese Verbreitung verhindern
können, nach Möglichkeit auszunützen. Auch wer die wesentlichste
Prophylaxe gegen venerische Krankheiten in moralischer Beeinflussung
sieht, muss bedenken, dass die Gonorrhoe nicht eine einfache, in kurzer
Zeit vorübergehende lästige oder schmerzhafte Erkrankung ist, sondern
dass sie in unzähligen Fällen auch für ganz Unschuldige der Ausgangs-
punkt schweren, jahrelangen Siechthums ist.
Sie werden mich nun fragen, meine Herren, wie weit denn diese
von Herrn Collegen Blokusewski vorgeschlagene Methode auch praktisch
I. Abtheilung. Medieinische Section. 67
erprobt ist. Darauf muss ich leider die Antwort schuldig bleiben.
Herr College Blokusewski glaubt zwar selbst, nach den Erfahrungen in
seinem Clientenkreise mit Sicherheit an die Wirksamkeit der empfohlenen
Methode. Auch ich habe versucht, eine Statistik nach dieser Richtung
hin anzubahnen, aber ich brauche nicht auseinander zu setzen, auf
welche Schwierigkeiten man hier stösst, wenn man brauchbare und ver-
gleichbare Zahlenreihen aufstellen will. Trotz dieses Mangels glaube
ich dieses, theoretisch im höchsten Maasse brauchbar er-
scheinende Verfahren empfehlen zu können, zumal es nach jeder
Richtung hin als unschädlich erwiesen ist.
Herr Dr. Silbermann: Uebertragung der Gonorrhoe von Müttern
auf Kinder lässt sieh durch Sublimattampons vermeiden.
Herr Prof. Neisser erwähnt, dass Einfettung aus dem gleichen
Grunde empfohlen wurde,
8. Sitzung vom 29. März 1895.
Vorsitzender: Herr Geheimrath Ponfick. Schriftführer: Herr Dr. Eekardt.
Herr Prof. Küstner demonstrirt vor der Tagesordnung ein dreitägiges
Kind mit ausgedehnter Bauch-Blasenspalte. In die Blaseninversion hinein
mündet oberhalb der Ureterenmündungen ein widernatürlicher After, in
welchen hinein zu einem rüsselartigen Fortsatz ein Stück Darm invaginirt
ist. Dieser Darm entleert noch jetzt mekoniumartige Masse. Der Nabel-
schnurstumpf ist noch nicht vertrocknet und noch nicht sequestrirt;
derselbe ist sehr breit und umhüllt eine, wenn auch in diesem Falle
nicht sehr umfängliche Nabelschnurhernie.
Die Symphyse klafft, wie sehr deutlich durch die Weichgebilde
hindurehzutasten, bedeutend. Von den äusseren Geschlechtstheilen fehlt
eigentlich jede Andeutung, ebenso fehlt das Orificium ani völlig. Da-
gegen ist an den Hautgebilden der Perineal-Analpartie eine sehr deutliche
Rhaphe und eine eigenthümliche Hautfältelung zu beobachten, welche an
ein verkümmertes Scrotum erinnert, ohne dass in demselben etwa die
Geschlechtsdrüsen zu tasten wären,
Das Kind trinkt gut an einer Amme, hat, wie die Wägungen er-
geben, noch nicht an Körpergewicht abgenommen. Die in der Achsel-
höhle vorgenommenen Temperaturmessungen sind unzuverlässig.
Maasse: Gewicht des Kindes 2100 gr, Länge 46 cm. Durchmesser
‚der Blasenectopie 5'/), cm, Länge der Darminvagination 6 cm.
Herr Sanitätsrath Riegner erwähnt die Vorgeschichte der dem-
nächst ebenfalls vor der Tagesordnung von Herrn Dr. Stolper demon-
strirten pathologisch-anatomischen Präparate.
’ =
68 Jahresbericht der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur.
Herr Dr. P. Stolper demonstrirt vor der Tagesordnung:
1) Organe einer Frau mit allgemeiner Carcinomatose, be-
merkenswerth durch die Localisation und die Multiplieität der Meta-
stasen. Der 46jährigen Frau ist vor 1'/, Jahren von Herrn Sanitätsrath
Riegner die rechte Mamma wegen Krebs amputirt und die Achsel-
höhle von krebsigen Drüsen ausgeräumt worden; mikroskopisch er-
wies sich der Tumor damals als ein Carcinoma simplex. Bereits nach
einem halben Jahre musste ein Recidiv in der Gegend der amputirten
Brust von etwa Handtellergrösse exstirpirt werden. Vor jetzt einem
Vierteljahr, also ein volles Jahr nach der Mammaamputation, wurde die
Patientin von neuem ins Hospital gebracht, diesmal wegen fractura colli
femoris sinistri. Nach 6 Wochen langer Extension erschien dieser
Bruch ziemlich consolidirt; die Patientin machte einige Tage sogar Geh-
versuche. Bald musste sie sich aber wieder zu Bett legen wegen ge-
lenkrheumatischer Beschwerden. Unter hydropischen Erscheinungen ging
sie allmählich ad exitum. :
Bei der Obduction fand ich ausser Hautmetastasen an der rechten
Brustseite, einen Krebsknoten in der linken Mamma und diese zahl-
reichen Knoten mit typischer, nabelförmiger Delle in der Leber.
Grösseres Interesse aber beanspruchen die Metastasen in den Knochen
und diejenigen im Darmkanal.
Die Fractur des linken Schenkelhalses ist, wie das Präparat er-
kennen lässt, erfolgt, weil das femur durch zahlreiche Krebsmetastasen
erweicht ist. Diese Knochenmetastasen sind ja an sich nichts Seltenes,
aber in dieser Menge und Mannigfaltigkeit der Form und des Sitzes wohl
beachtenswerth. Das Hüftgelenk selbst ist intakt, der Knorpel nirgends
ergriffen, obwohl sich bis dicht an denselben heran die Krebswuche-
rungen in dem Balkenwerk des Halses diffus verbreiten. Dadurch ist
der ganze Knochen in der Circumferenz der Trochanteren ausserordent-
lich aufgetrieben, sodass eine mächtige Callusbildung vorgetäuscht wird.
Die Fractur ist eigentlich eine vielfache, eine solche des Schaftes, eine
solche des Schenkelhalses und endlich eine Ablösung beider Trochanteren,
alle also im oberen Drittel des femur, das besonders stark krebsig ent-
artet ist. Indessen sind beginnende Ansiedlungen auch in den übrigen
Theilen wahrzunehmen; diese Krebsmassen sitzen theils in der Mark-
höhle als breite weisse Füllung oder als erbsengrosse der Corticalis an-
haftende Knötchen, theils subperiostal. Hier bilden sie derbweiche Vor-
buckelungen an der Oberfläche des Knochens. Es liessen sich natürlich
nicht alle Theile des Skeletts auf Metastasen durchforschen, aber die
man einer Untersuchung unterzog, die enthielten auch solche: so das
Sternum, mehrere Rippen beider Seiten, der linke Calcaneus; der erste
Lendenwirbel erwies sich völlig erweicht und bereits leicht comprimirt,
I. Abtheilung. Medieinische Section. 69
die nach oben und unten benachbarten Wirbelkörper enthielten kleinere
Heerde.
Bemerkenswerth erscheinen mir ferner die Krebsmetastasen im
Darmkanal, welche zum Theil erst die mikroskopische Untersuchung mit
Sicherheit von tuberculösen Geschwüren unterscheiden lies. Im
Magen fand ich solche nicht, wohl aber bald hinter dem Pylorus im
Duodenum und die meisten im Ileum. Die Wucherungen sitzen sub-
mucös, in der Regel ist die Schleimhaut darüber erhalten.
Ueber anderen aber ist die Schleimhaut durchaus zerfallen und diese
täuschen in der That Geschwüre tuberculöser Natur vor. Form und
Localisation der Metastasen scheint mir aber auch beachtenswerth gegen-
über der Frage von der Implantation von Krebspartikeln in die Schleim-
haut des Darmes, wie sie Klebs beschrieben hat. Beobachtungen, die
wie diese eine solche Möglichkeit ausschliessen, und doch durch ihr
Aussehen an eine solche denken lassen, gemahnen zur Vorsicht gegen-
über einer solehen Hypothese.
2) Eine eingekeilte Schenkelhalsfractur als Pendant zu der
Fraetur des krebsigen Schenkelhalses. Es ist eine 73 Jahr alte Frau,
die sich durch einfaches Hinfallen auf die Seite vor 8 Wochen diesen
Bruch zuzog. Die Bruchlinie verläufi zum grössten Theil ausserhalb
der Gelenkkapsel und das obere Fragment ist dergestalt in das untere
eingetrieben, dass die Corticalis des oberen Halstheiles in der Spongiosa
zwischen beiden Trochanteren fast unbeweglich festsitzt. Das Präparat
ist recht geeignet zu veranschaulichen, wie man bei derartiger Ein-
keilung mit expectativer Behandlung zweifellos am besten thut. Die
sreise Patientin ist, wie das ja leider bei aller Vorsicht so oft der
Fall, obwohl man sie aus Besorgniss vor einer hypostatischen Pneumonie
sehon nach 14 Tagen aufstehen liess, doch einer solchen erlegen,
3) Einen Fall von aktinomykotischer Coxitis. Das Becken
stammt von einem vor 4 Tagen erst verstorbenen 7 Jahre alten
Mädchen. Dasselbe ist vor etwa Jahresfrist schon einmal wegen links-
seitiger Coxitis behandelt worden. Vor drei Wochen kam es von neuem
in’s Hospital, diesmal in sehr desolatem Zustande. Es war angeblich
in Folge chronischer Durchfälle ausserordentlich abgemagert. Es lag
nahe, diese sowie die bestehende Coxitis als tuberculös anzusehen. In
der That fand sich eine zunächst durchaus an frische Tuberceulose des
Hüftgelenks erinnernde: Gelenkserkrankung; ausserdem aber eine die
ganze Innenfläche des Beckens betreffende sinuöse Vereiterung, die an
der Stelle, wo der gewöhnliche Decubitus zu sitzen pflegt, über dem
Kreuzbein durch eine handtellergrosse Hautnekrose sich nach Aussen
öffnete. Um das Kreuz- und Steissbein her ist das Gewebe schmierig-
eitrig an der Aussen- und an der Innenseite, Von der Beckeninnen-
70 Jahresbericht der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur.
fläche her ist die Propagation offenbar auf die linke Hüftgelenkpfanne
hin erfolgt; dafür spricht der geringe Grad der Zerstörung, welche in
einem nur engen Durchbruch der dünnen Pfannenwand und in einer
Auflockerung und nur mässigen Zerstörung des Knorpels bestand. Das
Wenige von Eiter, welches sich im Hüftgelenk vorfand, hatte auf den
ersten Blick nicht das charakteristische Aussehen von Aktinomyceseiter,
wie ich ihn später zu demonstriren mir erlauben werde. Aber von
Tubereulose fand sich im ganzen Organismus keine Spur. Dagegen
liess die chronische Induration des rechten Lungenmittellappens
an Aktinomykose denken, und für diese Pathogenese sprach auch die
weitbuchtige Abscedirung im Beckenbindegewebe. Herrn Geheimrath
Ponfick gelang es in der That Aktinomycesdrüsen in der indurirten
Lunge und mir auch in dem Gelenkeiter Pilze nachzuweisen. Der
Befund in der Lunge lässt zunächst diese als den Primärsitz der weit-
gehenden Aktinomykose annehmen, wiewohl die vorwiegende Zer-
störung im Becken nach der allgemeinen Erfahrung mehr auf die
voraufgehende Erkrankung des Intestinaltractus hinweist. Das Colon be-
fand sich zwar in seiner ganzen Ausdehnung im Zustande eines schweren
chronischen Katarrhs, aber von einer specifisch-aktinomykotischen Er-
krankung der Darmwand oder Residuen abgeheilter specifischer Ent-
zündung kann nicht die Rede sein. Seit Illich (Beitrag zur Klinik der
Aktinomykose. Wien 1892) bei einem aktinomykotischen perityphlitischen
Abscess eine inkrustirte Getreidespelze im ulcerirten Processus vermi-
formis gefunden hat, und Körte, von Bergmann und Israel (Freie
Vereinigung der Chirurgen Berlins. 12. XI. 94) in allerneuester Zeit
diesen Theil des Darmtraktus primär erkrankt sahen, musste ihm eine
besondere Aufmerksamkeit geschenkt werden, Derselbe erwies sich
indess als durchaus unverdächtig. Trotzdem lässt sich nicht ganz aus-
schliessen, dass von der Lunge ausgehustete und verschluckte Pilzmassen
den Darm passirt haben.
4) Aktinomyceseiter, herstammend von einer an Lungenaktinomykose
sich anschliessenden Pericarditis actinomyeotica.
Herr Geheimrath Ponfick macht auf die grosse Seltenheit des
Falles 3 aufmerksam. Dies wird von Herrn Geheimrath Mikulicz be-
stätigt.
Herr Geheimrath Mikuliez berichtet ebenfalls noch vor der Tages-
ordnung über Versuche ‘mit Schilddrüsenfütterung bei Struma u. s. w.
Weiterhin über Versuche mit Thymus-Fütterung, welche bisher den
gleichen Erfolg hatten und viel besser von den Patienten vertragen’
wurden.
I. Abtheilung. Medicinische Section. 71
Tagesordnung.
Herr Kolaezek:
Ueber ein Magendivertikel, das eine Neubildung
vorgetäuscht hat.
K. demonstrirte zunächst ein Präparat, das einDivertikel der vorderen
Magenwand darstellt, welches unter dem Bilde einer Neubildung sich
entwickelt hat, und durch Resection der vorderen Magenwand gewonnen
worden ist. Es besteht aus einem elliptischen, 10 cm langen und bis
4 cm breitem Stück Magenwand, in dessen Mitte sich eine dem Um-
fange der Zeigefingerspitze entsprechend weite Mündung des wallnuss-
srossen Divertikels findet. Die Schleimhaut des Magens geht unter
Faltenbildung in den Sack über, kleidet aber die Innenfläche desselben,
wie ein Durchschnitt lehrt, nicht aus, sondern endet über dem Halse des
Divertikels scharfrandig. Der Rest der Innenfläche ist geschwürig und
nur an der der Mündung gegenüber gelegenen Stelle na:big glatt. Der
Boden des Geschwürs und die Wandung des Divertikels bilden eine bis
1 em dieke Schicht hyperplastischer Muskularis, die nur seitlich rings-
um von narbig verzogener Serosa, der Kuppe des Diverlikels ent-
‘sprechend jedoch mit Muskelresten der Bauchwand, des Zwerchfells
und mit Spuren von Pankreasgewebe bedeckt ist. — Bei der Deutung
dieses Befundes erschien die Annahme am meisten begründet, dass ur-
sprünglich ein einfaches, katarrhalisches, von dem typischen Ulecus
rotundum durchaus verschiedenes Geschwür an der vorderen Wand des
Magens bestanden, dieses eine Verwachsung derselben mit der Bauch-
wandung und so nach Analogie der Bildung eines Tractions-Divertikels
am ÖOesophagus die Entstehung eines Magendivertikels herbeige-
führt hat.
Das Präparat entstammte einem 45 Jahre alten Landmädchen, das
seit etwa 6 Jahren an krampfartigen Magenschmerzen gelitten hat.
Selten nur kam es zu Erbrechen, und einmal fanden sich Blutspuren
dabei. In der letzten Zeit steigerten sich die gastralgischen Schmerzen
und traten besonders nach dem Essen ein, so dass Patientin schliesslich
der Speisen sich nach Möglichkeit enthielt und erheblich abmagerte.
Die verschiedentlich in Anspruch genommene ärztliche Hilfe blieb
erfolglos.
Patientin, eine mittelkräftige, blasse, fettarme Person, machte auf
eine von ihr schon seit drei Jahren beobachtete, am linken Rippenbogen
in der Mammilarlinie sitzende Geschwulst als die muthmaassliche Ursache
ihrer Krankheit aufmerksam. Diese Geschwulst hatte Hühnereigrösse,
war hart, mit dem Rippenbogen verwachsen, von verschieblicher
normaler Haut bedeckt und druckempfindlich. Die Füllung des Magens
mit Wasser zeigte, dass die untere Grenze desselben bis zur trans-
72 | Jahresbericht der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur.
versalen Nabellinie reichte, während die Geschwulst in einer tympa-
nitischen Zone verblieb. Dies bewies, dass sie, wenn überhaupt dem
Magen, dessen cardialem Abschnitt angehören musste.
Die kolikartige Gastralgie nach der Nahrungsaufnahme sprach dafür,
dass durch den Tumor eine Fixation des Magens an die Bauchwand
unterhalten wurde.
Der Sitz innerhalb der cardialen Hälfte des Magens, die lange Be-
obachtungszeit der acereten und nicht merklich vergrösserten Geschwulst,
die gastralgischen Erscheinungen und schliesslich das Vorhandensein von
Salzsäure im Mageninhalte sprachen gegen die carcinöse Natur des
Tumors. Es wurde deshalb die Diagnose auf eine gutartige Geschwulst,
die primär von der vorderen Magenwand ausgegangen oder, was weniger
wahrscheinlich war, secundär von der vorderen Bauchwand auf dieselbe
übergegriffen hatte, also auf ein Fibrom, Leiomyom oder ein Sarkom
gestellt und, da so die Prognose nicht ungünstig erschien, die operative
Entfernung derselben beschlossen.
Am 10. October 1894 wurde nach Auswaschung des Magens, unter
Anwendung der Aethernarkose, zur Operation geschritten. Die Geschwulst
wurde durch einen von der Mittellinie beginnenden, dem Rippenbogen
mit der Concavität zugewandten 12 cm langen Bogenschnitt umschnitten,
der aus Haut und Muskulatur bestehenden Lappen nach oben geschlagen,
die blossgelegte, von einzelnen Muskelbündeln bedeckte Geschwulst vom
Rippenbogen und dem angrenzenden Zwerchfell getrennt, worauf sie
etwas nach der Bauchhöhle hin versank. Jetzt erst wurde in ihrer Um-
gebung das Bauchfell eingeschnitten und der mit der Geschwulst innig
und breit zusammenhängende Magen zum Theil hervorgezogen. Eis stellte
sich nunmehr deutlich heraus, dass der Tumor im Bereiche der oberen
Hälfte der vorderen Magenwand an und in der kleinen Curvatur näher
der Cardia als dem Pylorus aufsass. Er wurde elliptisch umschnitten,
wobei der in die Magenhöhle eingeführte Finger irgend eine Prominenz
oder Ulceration an der Schleimhautfläche nicht entdecken konnte. Die
Umschneidung der Geschwulst ging schrittweise vor sich, indem dem
Schnitt sofort eine Vereinigung der Wundränder des Magens folgte, um
dem Herausfliessen von Magenschleim vorzubeugen, was um so rathsamer
erschien, als der Magen nicht vor die Bauchwunde gezogen werden
konnte. Die Schnitte mussten über die kleine Curvatur hinaus bis auf
die Rückwand des Magens verlängert werden, da der Tumor so weit
reichte und zum Theil auch mit dem Pankreas verlöthet war. Der
kleinen Curvatur entsprechend musste wegen Incongruenz der Wund-
ränder die Naht in der Form eines Triviums ausgeführt werden. Haupt-
sächlich zur Sicherung dieses wurde die Nahtlinie mit einer Lage
Jodoformgaze bedeckt, welche nach Versenkung des Magens und drei-
facher Etagennaht der Bauchdeckenwunde an einer Stelle derselben
I. Abtheilung. Medicinische Section. 73
herausgeleitet wurde. Nach der Operation kein Shock, kein Erbrechen,
reactionsloser Wundverlauf. Vom zweiten Tage ab Ernährung per
Klysma durch sechs Tage. Darauf flüssige Kost noch eine Woche lang.
Darauf Uebergang zu halbfester und fester Nahrung. Am neunten Tage
Entfernung der Gaze. Patientin verliess nach drei Wochen das Bett,
war frei von Beschwerden und erholte sich sichtlich.
K. stellte zum Schluss die Kranke vor, die nunmehr noch ein halbes
Jahr post operationem in gutem Ernährungszustande sich fand und frei
von allen Beschwerden sich erklärte.
Herr Dr. Silbermann betheiligt sich an der dem Vortrage folgen-
den Discussion.
Im Uebrigen wird dieselbe vertagt.
2) Herr Dr. Carl Alexander:
Die Photographie des Blasen-Innern
mit Demonstration von Bildern mit dem Skioptikon.
Das Gebiet der Kystophotographie, dessen Entwickelung wir dem
Talent Nitze’s verdanken, und an dessen Ausbau der Vortragende
selbst früher als Assistent Nitze’s mitgewirkt, ist schon auf dem Bres-
lauer Gynäkologen-Congress von ihm berührt worden; zugleich wurde
damals das neue Photographir-Kystoskop Nitze’s demonstrirt, welches es
ermöglicht, am lebenden Menschen ohne Narkose Bilder des Blasen-
Innern photographisch zu fixiren. Dieses Instrument ist optisch und
elektrotechnisch ebenso gebaut wie das ursprüngliche Kystoskop, trägt
aber an seinem äusseren Ende eine Metallscheibe, die als Camera dient
und welche zur Aufnahme einer lichtempfindlichen Platte dient; diese
Platte ist gross genug, um mehrere Bilder festzuhalten, wobei eine
revolverartige Vorrichtung dafür sorgt, dass jedesmal ein anderer Theil
der runden Platte vor die Oeffnung des kystoskopischen Rohres tritt.
Zur Einstellung des Bildes dient ein, am Schafte des Kystoskopes
seitlich angebrachter Kolben mit zwei Prismen, die so zu einander ge-
stellt sind, dass beim Hereinschieben des Kolbens die Lichtstrahlen
zweimal rechtwinklig gebrochen werden und ins Auge des Beobachters
fallen, während sie beim Herausziehen des Kolbens ungehindert die
photographische Platte treffen und dort ein etwa 3 mm kleines Bildehen
erzeugen, das nachher in der üblichen Weise entwickelt und fixirt und
später vergrössert wird. — Mit diesem Instrument sind bei Nitze eine
grosse Reihe von Bildern aufgenommen worden, die bei seinem reichen
Material geeignet sind, eine Uebersicht über das ganze Gebiet der
Blase im normalen und pathologischen Zustand zu geben, und dieses
ist der Hauptzweck dieses Vortrages, der im Wesentlichen nur eine
Erläuterung zu den Blasenbildern giebt, die mittels des Skioptikons —
74 Jahresbericht der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur.
wie es Nitze selbst schon in Berlin, Wien und Rom gemacht hat —
sich sehr schön vorführen lassen. — Die Bilder zeigen:
1) Normale Blase: mit der Falte des Orife. intern.; Gefässe
der Seitenwand; eine Luftblase im Vertex der Blase; die Harnleiter-
mündungen in ihrem verschiedenen Aussehen, bald als Spalt, bald als
Grübchen ete.; Gefässe in der Nähe der Harnleitermündung u. A.
2) Die Blase bei Prostatahypertrophie: Veränderung des
Orifie. intern, bald geringer, bald stärker ausgeprägt mit den Ein-
lagerungen in das Gewebe; die Wülste, die in verschiedener Gestalt
und Ausdehnung hineinragen; die mannigfachen Formen von Balkenblasen
(Vessie & colonnes) bis zur Divertikelbildung u. A.
3) Phosphatsteine, wobei die rauhe Oberfläche deutlich erscheint,
darunter ein schalenförmiges Fragment, das nach Stein-Extraction durch
Sectio alta in einer tiefen Grube des Blasenbodens liegen ge-
blieben war. |
4) Harnsaure Steine: in einigen Fällen hinter dem Prostata-
Wulst im Recessus sichtbar; bei verschiedener Stellung des Prisma’s des
Instrumentes erscheinen sie — wie alle Gebilde — verschieden gross,
was in Bezug auf ihre Grösse leicht zu Täuschungen Veranlassung
giebt.
5) Geschwülste, sowohl gutartige als maligne, sowohl von
Männern als auch von Frauen; in einigen Bildern sieht man gut das
Vordringen der Wucherung gegen die normale Schleimhaut.
6) Varia: ein Seidenfaden, der nach einer synäkologischen
Operation (Vaginae fixatio Uteri) in der Blase sich fand, desgleichen ein
anderer mit Conerementbildung, eine Haarnadel, wie sie in der Blase
eines jungen Mädchens ruht, wobei der Schlagschatten der beiden
Branchen sogar sichtbar ist, u. A. m. Das Schlussbild zeigte frische
miliare Tuberkelknötchen in herpesähnlicher Anordnung in der Blase eines
43jährigen Mannes. N:
Fast alle gezeigten Bilder finden sich in dem von Nitze heraus-
gegebenen kystophotographischen Atlas wieder, für den sie ursprünglich
angefertigt wurden, um weniger Geübten ein Lehrmittel und einen
Anhaltepunkt für die Beurtheilung kystoskopischer Bilder in die Hand
zu geben.
9. Sitzung vom 3. Mai 1895.
Vorsitzender: Herr Prof. Born. Schriftführer: Herr Dr. Endres.
Die Versammlung ermächtigt den Vorsitzenden, den Verkauf des
Schriftehens ‚‚Belehrung über die Gefahren der Augenentzündung der’
Neugeborenen‘ der Buchdruckerei von Grass & Barth zu einem mässigen
Preise zu gestatten. Gesuche um Ueberlassung des Schriftchens sind
I. Abtheilung. Medicinische Section. 75
eingegangen vom Regierungs-Präsidium in Liegnitz, von der Polizei-Ver-
waltung zu Pillau, von der Fabrik chirurgischer Artikel, Gutbier, Berlin,
Tagesordnung:
1) Herr Dr. Viertel:
Demonstration des Nitze’schen Harnleiterkathetercystoskopes.
Meine Herren! Am 4. December 1891 hatte ich die Ehre, Ihnen
an dieser Stelle als erster das Nitze’sche Cystoskop zu demonstriren.
Diese bahnbrechende Erfindung ermöglicht es ja bekanntlich, das Blasen-
innere des Lebenden dem Auge des Arztes zugänglich zu machen. Ist
die Steinsonde der „verlängerte Finger“, so könnte man das Cystoskop
das „verlängerte Auge‘‘ nennen. Man kann aber damit nicht nur das
Blaseninnere sehen, sondern auch die Qualität des aus den Ureter-
öffnungen spritzenden Harnes taxiren, ob derselbe klar, eitrig oder blutig.
Am 9. Juli 1893 konnte ich ferner Ihnen berichten über gelungene
Katheterisirungen des Harnleiters beim Weibe unter Leitung des Auges
ohne vorangegangene Erweiterung der Harnröhre mittelst des Nitze-
Leiter’schen, von v. Brenner modifieirten Cystoskopes; durch dieses
Verfahren kann man den Harn jeder Niere gesondert auffangen; jedoch
kleben ihm zwei Mängel an: der Katheter trifft zunächst den Ureter in
einem stumpfen Winkel zum Verlaufe; sodann liegt das beste Licht der
Lampe bei kurzem Trigonum auf der Ureteröffnung zu einer Zeit, wo
das Fenster noch in der Urethra ist.
Heute bin ich in der glücklichen Lage, Ihnen das Nitze’sche In-
strument zum Katheterismus der Harnleiter beim Manne vorzulegen. Es
besteht aus zwei Theilen. Zunächst aus einem kleinkalibrigen Cystoskop
von entsprechender Länge, das als solches bei Strieturenkranken und
Kindern sehr zweckmässig verwendet werden kann. Ich habe mit solchem
„Kindereystoskop“ schon bei 5jähr. Knaben erfolgreich und leicht die
Ableuchtung der Blase vornehmen können.
Sodann aus einer katheterartigen Hülse, in der das Cystoskop ver-
schieblich ist. Diese Hülse hat auf der convexen Seite eine Oeffnung,
aus der das viscerale Ende des Cystoskopes (Lampe und Fenster) beliebig
hervorgeschoben werden kann, sobald das Instrument in der Blase ist,
während bei der Einführung es in der Hülse geborgen bleibt. Diese
katheterartige Hülse hat einen kurzen Schnabel und ausser dem grösseren
Kanal für das Cystoekop noch einen zweiten Kanal, in dem ein dünner,
langer Katheter gleitet, welcher beim Vorschieben aus diesem auf der
Kuppe des Hülsenschnabels mündenden Führungs-Kanale tritt.
Ist die Lampe so angefügt, dass das ganze Cystoskop einen graden
Schaft darstellt, so kann letzteres, wenn der Blaseninhalt trüb geworden,
aus der liegenbleibenden Hülse entfernt und nun durch dieselbe die Blase
ausgewaschen und von neuem mit klarem Wasser gefüllt werden.
Jahresbericht der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cuitur.
|
fer}
Hat man das Instrument — das Cystoskop in der Hülse geborgen —
eingeführt, so schiebt man letzteres vor, sucht sich die entsprechende
Harnleitermündung und bringt nun den Hülsenschnabel ins Gesichtsfeld,
sowie an die Harnleitermündung, worauf der vorgeschobene Katheter, da
ihm durch das Instrument die entsprechende Krümmung gegeben, leicht
in den Harnleiter gleitet. Man schiebt nun den Katheter immer weiter
vor und kann ihn isolirt liegen lassen, da sich über ihm das Instrument
leicht entfernen lässt. — Einen Mandrin für die Katheter hat man aus
den oben angeführten Gründen nicht nöthig. — Jeder, der esim Gebrauche
des Cystoskopes soweit gebracht hat, dass er die Ureterostien leicht
finden kann, kann auch bald mit dem Instrumente arbeiten.
Ich gebe Ihnen hier zwei Reagenzgläser herum; das eine zeigt den
trüben, alkalischen, eitrigen Harn einer pyonephrot. Niere, das zweite
den klaren, sauren Harn von der andern gesunden (?) Niere desselben
Kranken. Leider hat derselbe auch hier schon Cylinder im Harn. Sie
sehen an diesem Beispiel, wie exact die Methode ist.
Es strömt nicht aller Harn, den die betreffende Niere producirt,
zum Katheter hinaus, ein Theil erreicht neben dem letzteren die Blase,
wie bisweilen bei einem Verweilkatheter in der Blase den Harn auch
neben demselben aus der Harnröhre fliesst.
Wir sind also jetzt auch beim Manne in der Lage, den Harn jeder
Niere gesondert aufzufangen und uns von der Durchgängigkeit des Harn-
leiters, resp. dem Sitz eines Hindernisses zu überzeugen.
Neben dem diagnostischen Effect ist auch der therapeutische nicht
gering anzuschlagen; man kann mit Hilfe des Verfahrens bei Pyelitis
Waschungen des Nierenbeckens vornehmen, wobei man den Katheter
entweder liegen lässt — Albarran hat dies bis zu 10 Tagen gethan —
oder aber den Katheterismus öfter wiederholt. Auch für die Therapie der
Hydronephrosen (s. hierüber auch meinen Vorschlag in dem Vortrag:
Demonstration einer intermittirenden Hydronephrose) sind neue Gesichts-
punkte gewonnen und bei Nierensteinkoliken kann eine Cocaininjection
in den betreffenden Ureter von grossem Nutzen sein. ($. hierüber und
über das ganze Thema: Nitze: Ueber cystoskop. Diagnostik chirurg.
Nierenerkrankungen mit besonderer Berücksichtigung des Harnleiter-
katheterismus. Berl. kl. Wochenschr. 1895 Nr. 15.)
So ist in der That das Cystoskop das Bindeglied zwischen äusserer
Harnröhrenöffnung und Nierenbecken geworden und es dürfte bei dem
jetzigen Stande der Dinge keine Nierenexstirpation mehr beschlossen
werden, bevor nicht durch diese sichere Methode der „Befähigungsnach-
weis“ der andern Niere, die Functionen der zu exstirpirenden mit über-
nehmen zu können, erbracht ist.
Ausser dem Nitze’schen Instrument demonstrirt der Vortragende
noch den leuchtenden Wundhebel nach Trendelenburg. Dieser
I. Abtheilung. Medicinische Section. AN
Wundhebel besteht in einem drehrunden Griff von entsprechender Länge,
der 6 em vor seinem Ende rechtwinklig abbiegt, um in einer elektrischen
Glühlampe zu endigen. Hinter dieser Lampe lässt sich ein löffelförmig
ausgehöhlter Ansatz (3 verschied. Grössen) an dem Stiel aufschieben.
Führt man nun das Instrument in die nach Sectio alta geöffnete Blase,
so dient der löffelförmige Ansatz als platter Wundhaken und zugleich
als Reflector für das Lämpchen. Man hat nun den Blasenboden oder
die Seitenwände hell beleuchtet, ohne dass der Assistent an der Wunde
seine beiden Hände — wie bisher — hierzu braucht. Vortragender hat
den Apparat, der sich leicht desinficiren lässt, bereits bei zwei Tumor-
exstirpationen am Blasenboden erprobt.
Zur Diseussion: Herr Dr. Alexander: Die Anwendung des
Cystoskops bei Urethralstrikturen.
10. Sitzung vom 10. Mai 13895.
Vorsitzender: Herr Dr. Buchwald. Schriftführer: Herr Dr. Drewitz.
Vor der Tagesordnung:
Herr Dr. Landmann:
„Ueber Fremdkörper in der Orbita.‘“ (2 Fälle.)
Herr Dr. Adler stellt einen Fall von Dystrophia museularis
progressiva (juvenile Form Erls) vor.
Der ihm von Herrn Collesen Rieger (Brieg) freundlichst über-
wiesene 29jährige Kranke bemerkte zuerst vor 7 Jahren eine Schwäche
in den Oberarmen, welche nach Verlauf von etwa 2 Jahren auf den
Rumpf übergriff und vor 1'/, Jahren auch die Beine befiel.
Hand- und Unterarmmuskulatur sind sehr gut entwickelt und ausser-
ordentlich kräftig, die Oberarme dagegen stark abgemagert. Die Mm.
supinatores fehlen ganz, der M. biceps stellt beiderseits nur einen dünnen
Strang dar, während der M. triceps kräftig entwickelt ist und gut
funetionirt. Der Deltamuskel ist auf beiden Seiten im Gegensatz zu den
Beugern am Oberarm nur leicht atrophisch. Die sternocostale Portion
des Pert. maj. ist ganz geschwunden, ebenso die untere des ÜCucullaris
auf beiden Seiten. z
Die Schulterblätter stehen flügelartig vom Thorase ab infolge
Atrophie des Mm. serrati aubici. Von den Mm. rhomboides ist nur das
linke Minor erhalten, während der Infraspinatus hypertrophisch erscheint.
Latissimus dorsi fehlt links, ist rechts stark atrophisch. Die Lenden-
'wirbelsäule ist lordotisch nach vorn gekrümmt, der Glutacus max.
beiderseits stark abgemagert. An beiden Oberschenkeln erscheint der
M. quadriceps gut entwickelt, doch seine Kraft vermindert. Der
Patellarreflex fehlt links, ist rechts abgeschwächt.
73 Jahresbericht der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur.
Nirgends sind fibrilläre Muskelzuckungen zu bemerken. Die elek-
trische Erregbarkeit ist überall erhalten, nur sind die Zuekungen in den
atrophischen Muskel je nach ihrer Volumensverminderung mehr weniger
abgeschwächt.
Heredität oder Familiarität nicht vorhanden. Der Beginn der
Muskelatrophie an den ÖOberarmen, das Verschontbleiben der kleinen
Handmuskeln, der Streckmuskeln an den Vorderarmen und des M. del-
toides, sowie das relativ frühzeitige Ergriffensein der Beinmuskulatur,
fernerhin das Fehlen von fibrillären Zuckungen und Entartungsreaction
spricht gegen progressive Muskelatrophie auf spinaler Basis.
Vielmehr entspricht die Entwickelung (Beginn in den Oberarm-
muskeln, Fortschreiten nach Rumpf und Extremitäten) und die Er-
scheinungsweise (Freibleiben der Mm. sternocleidomastoides, supra- und
infraspinat., der Vorderarmmuskeln mit Ausnahme der Supinat. long.
und der kleinen Handmuskeln, sowie die Hypertrophie einzelner Muskeln
(Mm. infraspinat.) und das Fehlen fibrillärer Zuckungen und der Ent-
artungsreaktion in atrophischen Muskeln) dem Bilde der juvenilen
Form der Dystrophia muscularis progressiva, welche ja auch
öfters, wie hier der Fall, die Individuen einzeln ergreift, wenn sie auch
meist hereditär und familiär auftritt.
Tagesordnung:
1) Herr Dr. Mann:
„Ueber die cerebrale Hemiplegie‘!)
mit Demonstrationen.
Vor einigen Jahren machte W ernicke auf ein sehr interessantes, bei
allen alten Hemiplegieen zu beobachtendes Verhalten aufmerksam. Er
wies nach, dass am Bein des Hemiplegischen, nachdem nach einer ge-
wissen Zeit ein grosser Theil der Muskeln seine Functionsfähiskeil,
wiedererlangt hat, als ganz constantes Residuum eine dauernde Lähmung
ganz bestimmter Muskelgruppen zurückbleibt. Diese „Praedilections-
muskeln‘“‘ sind die Beuger des Unterschenkels und die Dorsalflexoren
des Fusses.
Vortragender hat dieses Gesetz durchweg bestätigt gefunden und
hat versucht, ein analoges Gesetz auch für den hemiplegischen Arm
aufzustellen. Hier liegen nun die Dinge viel complicirter, indem der
dauernd zurückbleibende Defeect in den einzelnen Fällen sehr ver-
schieden ist.
Am schwersten geschädigt und selbst in gut restituirten Fällen noch
deutlich paretisch ist stets die den feineren Verrichtungen dienende
Opposition des Daumens.
!) Der Vortrag erscheint ausführlich in der Volkmann’schen „Sammlung
klinischer Vorträge“.
I. Abtheilung. Medieinische Section. 79
Daneben ist ebenfalls constant in hohem Grade paretisch die
Supination der Hand. Diese Bewegung wird aber selten isolirt ausge-
führt, vielmehr stellt sie gewöhnlich nur einen Theil der Aussenrollung
der gesammten Oberextremität dar. Zu dieser Bewegung werden ausser
den Supinatoren noch der infraspinatus (zur Auswärtsdrehung des Ober-
armes) und ausserdem der untere Cucullaristheil nebst dem Rhomboidens
gebraucht.
Letztere verstärken die Drehung, indem sie den ganzen Schulter-
sürtel der Wirbelsäule annähern.
Dieser ganze Muskelcomplex ist nun in vielen Fällen von Hemiplegie
in toto gelähmt, wobei sich der Ausfall der letztgenannten Muskein
(Cueullaris, rhomboidens) durch das Entstehen einer tiefen Rinne zwischen
Scapula und Wirbelsäule am deutlichsten bei der Adduction der Schulter-
blätter zu erkennen giebt.
Dagegen ist der entgegengesetzte analoge Mechanismus, welcher der
Einwärtsdrehung dient (Pronatoren, Subscapularis, pectoralis und Serratus,
welche letzteren die Drehung durch Entfernung der Scapula von der
Wirbelsäule unterstützen) ganz gewöhnlich intact resp. wenig schwer
geschädigt.
Diese Beobachtung führte den Vortragenden auf das späterhin noch
weiter begründete Gesetz, dass die Hemiplegie nicht einzelne Muskeln
lähmt, sondern ganze Muskelmechanismen, d. h. solche Muskel-
gruppen, welche einer gemeinschaftlichen Function dienen, also eine
funetionelle Einheit darstellen, Es giebt nun bestimmte solche Mecha-
nismen, welche die Hemiplegie mit Vorliebe lähmt und andere, welche
sie ganz gewöhnlich verschont lässt.
Für dieses Gesetz giebt uns ferner die nähere Betrachtung der
hemiplegischen Hand einen guten Belag. Es bleibt nämlich der von
Duchenne entdeckte Mechanismus, welcher beim Handschluss in
Action tritt und welcher aus Fingerbeugern und Handgelenkstreckern be-
steht, sehr häufig intact, so dass die Patienten sehr kräftig einen groben
Gegenstand festhalten können.
Dass der Mechanismus wiederum im Ganzen erhalten ist, ergiebt
sich daraus, dass die hemiplegische Hand beim Zugreifen stets die nor-
male extendirte Stellung einnimmt und nicht etwa volarwärts um-
klappt, wie es der Fall sein müsste, wenn nur der eine Theil des
Mechanismus, die Fingerbeuger, erhalten und die synergischen Handgelenk-
streeker gelähmt wären.
Der entgegengesetzte Mechanismus, welcher dem Oeffnen der
Hand dient (Fingerstrecker und Handgelenksbeuger) ist ganz gewöhnlich
schwer gelähmt, so dass die Hand, die einen Gegenstand mit grosser
Kraft festhält, fast garnicht geöffnet werden kann.
so Jahresbericht der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur.
Analoge Beobachtungen konnte Vortragender ferner auch an den
übrigen Bewegungen der oberen Extremität machen. Besonders bei der
Beugung im Ellenbogen lässt sich leicht zeigen, dass die drei dieser
Bewegung dienenden Muskeln (Brachialis internus, Biceps, Supinator longus)
von der Hemiplegie stets gleichmässig befallen werden; niemals aber
einer von diesen isolirt gelähmt ist.
Vortragender will nun den Wernicke’schen Typus der hemiple-
gischen Beinlähmung ebenso aufgefasst wissen, wie das soeben be-
schriebene Verhalten der Armlähmung.
Am Bein treten nämlich nicht nur beim Gehen, sondern auch bei
vielen anderen Bewegungen zwei Muskelmechanismen in Action: einer,
welcher das Bein verkürzt und dem Rumpfe annähert (Beuger des Ober-
und Unterschenkels, Dorsalflexoren des Fusses) und ein zweiter, welcher
das Bein verlängert und vom Rumpfe entfernt (Strecker des Ober- und
Unterschenkels, Plantarflexoren des Fusses). Beim Gange wirkt der
erste in dem Moment, in welchem das Bein vorwärtsschwingt, der zweite
in dem Moment, in welchem es auf dem Boden ruht. Der erste Mecha-
nismus ist bei der Hemiplegie ganz gewöhnlich schwer gelähmt, der
zweite gut erhalten.
Referat über den am 10. Mai 1895 gehaltenen Vortrag von Herrn
Dr. Bornstein (Breslau-Landeck):
„Ueber den Einfluss heisser Bäder auf den Stofiwechsel.‘“
Bornstein hat, um den Einfluss heisser Bäder auf den Stoff-
wechsel zu erforschen, wiederholt an sich selbst Versuche gemacht.
Ueber die ersten Versuche hat er bereits auf der XV]. Versamm-
lung der Balneologischen Gesellschaft in Berlin am 11. März d. J.
berichtet. (S. deutsche Medieinalzeitung, 1895, No. 45 vom 6. Juni.)
Die Resultate waren folgende: heisse Bäder von 44° 44,5° C.
18—20 Minuten lang genommen bewirken eine Herabminde-
rung der Nausscheidung im Harn und Koth, hervorgerufen
durch die bedeutende Secretion von Schweiss, welchen B,,
soweit es ging, sammelte und stark N-haltig fand. Die Differenz
betrug in zwei Versuchsreihen zu je 3 in 3 Tagen genommenen Bädern
0,38 resp. 0,47 gr N. durchschnittlich pro die. Das subjective Befinden
war in keiner Weise alterirt.
Um in einer längeren Nachperiode zu sehen, wie sich die Naus-
scheidung nach den Badetagen verhält, hat Bornstein eine neue Ver-
suchsreihe angestellt. —
Nachdem durch eine gemischte, quantitativ und qualitativ täglich
‘gleich bleibende Kost, bei der der Magendarmtraetus ausgezeichnet
funetionirte, — 270 gr Zwieback, 375 gr mageres Roastbeef (Roh-
gewicht), 125 gr Butter, 45 gr Zucker, 2 Tassen Kaffee, 1 Glas Thee,
I. Abtheilung. Medicinische Section. si
150 gr Aepfel und ca. 800 gr Wasser — bereits einige Tage
N.-gleiehgewicht hergestellt war, badete B. in zwei aufeinanderfolgenden
Tagen — am 14. und 15. der Versuchsreihe — bei 44,5° C. 20 Mi-
nuten lang. Körpertemperatur steigt auf 38,7° C.; Puls 120, voll und
kräftig, 15 tiefe Respirationen; also Athmung zu Puls = 1:38, sonst
1:4. Nach 3 Minuten starker. Schweissausbruch, der noch circa eine
Stunde nach dem Bade fortdauert; subjeetives Befinden ausgezeichnet.
®/), Stunden nach dem Bade Puls und Temperatur wieder normal, —
Im Harn und Koth in der Vorbadezeit durchschnittlich pro die 16,4 gr N.;
an den Badetagen 15,97 also — 0,43 N.; die Resultate der ersten
Versuchsreihe vollkommen bestätigt.
Eine geringe Menge N. ist unter der Einwirkung der Wärme
retinirt worden: denn am folgenden Tage übersteigt die Ausscheidung
die in der .Vorbadezeit um ca. 0,2 gr N., um an den späteren 4 Tagen
unter den Durchschnitt zu sinken, um 0,3 gr N. ungefähr. Höchst-
wahrscheinlich ist durch den Schweiss mehr N. ausgeschieden
worden, als die Differenz beträgt; der Körper holt sieh diesen
Verlust, nachdem die geringe Menge des retinirten N. wieder abgegeben
ist, langsam wieder. Oder sollte ein Fleischansatz stattgefunden haben?
Das Gewicht, das an den Badetagen um 500 resp. 250 gr abge-
nommen hatte, blieb dann wieder auf der früheren Höhe constant. .
Die obige Frage müssen erneute Versuche entscheiden. —
Jedenfalls steht fest: Heisse Bäder in der oben beschrie-
benen Weise angewendet, schädigen den Organismus weder
subjeetiv.noch objectiv. Es findet ein erhöhter Stoffwechsel
statt, bedingt durch die vermehrte Schweissseeretion, nicht
wie man in letzter Zeit annahm, durch grössere Naus-
scheidung durch die Nieren. (Formanek, Topp etc.)
Vortragender hat die nöthigen chemischen Untersuchungen im Labora-
torium des Breslauer physiologischen Instituts vorgenommen und erfreute
sich dabei der dankenswerthen Unterstützung des Herrn Prof.Dr.Röhmann.
Discussion.
Herr Prof. Röhmann bemerkt, dass bei den heissen Bädern die
Stickstoffausscheidung im Harn nicht vermehrt, sondern vermindert war.
11, Sitzung vom 17. Mai 1895.
Vorsitzender: Herr Geheimrath Mikulicz.
Tagesordnung:
Herr Prof. K. Hürthle:
1) Ueber die Verbesserungen der Methode zur mechanischen Registrirung
der Herztöne und ihre Ergebnisse,
H. zeigt die Verbesserungen der Methode zur mechanischen
Registrirung der Herztöne, welche seit zwei Jahren theils von anderer
1895. 6
5, Jahresbericht der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur.
Seite, theils von ihm selbst angegeben worden sind. Die ursprüngliche
Methode H.’s (siehe Deutsche med. Wochenschrift 1893 No. 4) litt nämlich an
dem Nachtheil, dass zur Registrirung der Töne ein Froschmuskelpräparat
benützt war, welches mit Hilfe eines Mikrophons durch jeden Ton
gereizt wurde und seine Zuckung registrirtee Da der Muskel aber für
die Darstellung rascher elektrischer Schwankungen keine geeignete
Registrirvorrichiung darstellt, musste er durch ein anderes Hilfsmittel
ersetzt werden. Einthoven und Geluk in Leyden benützten als solches
ein Capillarelektrometer, H. einen Elektromagneten. Beim Capillar-
elektrometer ändert ein in einer Glaskapillare befindlicher Quecksilber-
faden unter dem Einfluss von elektrischen Schwankungen seine
Capillaritätsconstante und damit seine Lage in der Capillare. Das
Instrument ist äusserst empfindlich, doch sind die Bewegungen des
Quecksilberfadens so klein, dass sie nur mikroskopisch wahrgenommen
und mit optischer Vergrösserung photographisch registrirt werden
können; (es folgte die Demonstration der Schwankungen des Capillar-
elektrometers unter der Einwirkung der Herztöne mit Hilfe des
Projectionsapparates).
Um die Verwendung der Photographie bei der Registrirung der
Herztöne zu umgehen, hat H. den Froschmuskel durch einen
Elektromagneten ersetzt, welcher die vom Mikrophon veranlassten
Stromschwankungen registrirt. Einem starken Blektromagneten steht
nämlich eine mit straff gespannter Gummimembran überzogene Luft-
kapsel gegenüber, auf deren Membran eine Scheibe aus Eisenblech ge-
klebt ist; diese Scheibe wird den durch den Elektromagneten gehenden
Stromschwankungen entsprechend mehr oder weniger angezogen und
veranlasst dadurch Druckschwankungen im Luftraum der Trommel,
welche mit Hilfe eines Schlauches auf eine Marey’sche Registrirtrommel
übertragen werden können. Mit Hilfe eines zweiten Systems von
Lufttrommeln lassen sieh dann leicht Cardiogramm und Herztöne gleich-
zeitig auf dem Kymographion registriren.
Die Verwendung des Elektromagneten zur Rose der Töne
machte aber die Anwendung stärkerer Ströme nöthig, als sie beim ur-
sprünglichen Mikrophon benützt wurden. H. construirte daher ein
anderes Mikrophon, welches die Form einer Stimmgabel hat, der die
Herztöne durch den Stiel zugeleitet werden. Dieses Mikrophon wird
auf einen Resonanzapparat aufgesetzt, bestehend aus einer grösseren
Zahl von Scheiben aus dünnem Fiechtenholz von verschiedenem Durch-
messer.‘) (Es folgte die Registrirung der Herztöne mit dieser Versuchs-
anordnung, die zuerst dem ganzen Auditorium hörbar gemacht
wurden.)
!) Die ausführliche Beschreibung der Versuchsanordnung findet sich in Pflüger’s
Archiv. Bd. 60. S. 263.
1. Abtheilung. Medicinische Section. 83
Zu den Versuchsergebnissen übergehend bemerkt der Vortragende
zunächst, dass diejenigen von Einthoven und Geluk im Wesentlichen
mit den seinigen übereinstimmen. Die Frage, ob durch eine der beiden
Methoden auch die Form der Töne richtig dargestellt wird, wird für
das Capillarelektrometer unentschieden gelassen, für den Elektromagneten
vorläufig in Abrede gestellt.
Bezüglich der Lage der Töne innerhalb der Herzrevolution werden
zunächst die mit der ursprünglichen Versuchsanordnung gefundenen Er-
gebnisse bestätigt; der erste Ton beginnt mit der Kammersystole, am
typischen Cardiogramm in dem Knick des aufsteigenden Schenkels, der
zweite ganz kurze Zeit (0,02 Sec.) nach dem Anfang der Kammer-
diastole.
In manchen Versuchen erhielt H. vom zweiten Intercostalraum aus
eine weitere Tonmarke unmittelbar vor dem ersten Ton, welche E. und
G. regelmässig beim Aufsetzen des Stethoskops auf die Herzspitze er-
hielten. Die Annahme von E. und G., dass diese Marke den Be-
sinn des ersten, durch die Kammersystole veranlassten Tones darstelle,
der früher an der Herzspitze als im zweiten Intercostalraum auftreten
soll, widerlegt H. und sieht die Ursache jener Marke in einem Ton
der Vorhöfe, der schon durch andere Versuche wahrscheinlich gemacht
ist und unter günstigen Bedingungen registrirt werden kann. Die Er-
scheinung, dass dieser „Vorton‘ am besten an der Herzspitze wahr-
senommen wird, lässt sich durch die Annahme erklären, dass er am
besten durch den Herzmuskel, in welchem er entsteht, fortgeleitet wird
und dieser an der Herzspitze die Brustwand unmittelbar berührt. Diese
Annahme erklärt auch die ähnliche Erscheinung, dass das in den meisten
Fällen von Mitralstenose auftretende praesystolische Geräusch, welches
für diesen Klappenfehler als typisch betrachtet wird, am deutlichsten,
in manchen Fällen sogar ausschliesslich an der Herzspitze gehört
wird.
Da unser Ohr empfindlicher ist, als das beste Mikrophon, ist der
Vortragende überzeugt, dass man bei der Auscultation des Herzens den
Vorton hört, denselben aber vom Kammerton nicht unterscheiden kann,
weil dieser unmittelbar auf den Vorton folst.
2) Ueber Hämosterin, einen neuen Bestandtheil des Blutes.
Im Anschluss an seine Untersuchungen über den Secretions-
vorgang in der Schilddrüse versuchte der Vortragende, den specifischen
Stoff der Schilddrüse in die Hand zu bekommen oder wenigstens seine
Wirkung genauer kennen zu lernen und liess zu diesem Zweck in einer
Versuchsreihe Schilddrüsenextraet auf Blutserum im Brutofen einwirken;
nach 24—48 Stunden war regelmässig ein weisser Niederschlag im
6*
Ss4 Jahresbericht der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur.
Serum zu bemerken,. der ausblieb, wenn dieses vorher 3 Stunden lang
auf 56° erwärmt worden war. Aus diesem Niederschlag liess sich nun
ein krystallinischer Körper darstellen, bestehend aus weissen, seide-
glänzenden Nadeln, die bei 40° C. schmolzen.
Controllversuche zeigten aber bald, dass 1) der genannte Nieder-
schlag nicht durch eine specifische Wirkung des Schilddrüsenextractes
veranlasst war, denn Extraete anderer Organe (Milz, Leber) bewirkten
einen ähnlichen Niederschlag, und dass 2) der krystallinische Körper
sich aus normalem Blutserum, sowie aus ganz frischem Blut darstellen
lässt; er ist also Bestandtheil des normalen Blutes und findet
sich in demselben in einer Menge von etwa !/, %. Die Beschreibung
der Darstellungsmethode des neuen Körpers wird später erfolgen, da
diese noch nicht fertig gestellt ist und H. die weitere Untersuchung
sich vorbehält,
Die Krystalle ‚haben folgende Eigenschaften: Die Nadeln werden
bis 5 mm lang und sind optisch einaxig; sie sind sehr leicht löslich in
Aether und Chloroform, weniger in heissem Alkohol, sehr wenig in
kaltem. Verschiedene Präparate schmelzen zwischen 37 und 42° C.;
‚alle zeigen beim Erkalten bläuliche Fluorescenz. Lösungen der Krystalle
drehen die Ebene des polarisirten Lichtes nach links.
Von Analysen liegen bis jetzt folgende vor:
a) verschiedene Präparate aus Hundeserum (Schmelzpunkt 40
bis 40,5 °).
0. %H.
82,99 11,96
83,08... 1d,Ta
82,54 11,62
b) aus Schweinsserum (Schmelzpunkt 42 °).
82,39 11,98
Diese Analysen weichen zwar etwas mehr von einander ab, als bei
einem chemisch reinen Körper zulässig ist, immerhin stimmen sie soweit
überein, dass man daraus auf einen einheitlichen Körper schliessen darf;
diesem würde, wenn man das Mittel aus den genannten Zahlen nimmt,
die Formel C,, H,, O zukommen. Bei dieser Formel muss man zu-
nächst an einen festen Alkohol C,, H,,;, OH denken, ähnlich dem
Cholesterin C,, H,,. OH. Nach neueren Untersuchungen (Mauthner
und Suida) kommt diesem Körper die allgemeine Formel C, H, n.4 OH
zu; versucht man diese auf die neue Substanz anzuwenden, so würde
ein Körper mit 20 Kohlenstoffatomen im Molekül die Formel haben
C,, H,, OH, also 2 Atome H weniger, als in der Analyse bisher ge-
funden wurde. Diese Abweichung ist gleichfalls keine erhebliche und
ein weiterer Umstand spricht sehr für die Verwandtschaft des neuen
Körpers mit dem Cholesterin; er zeigt nämlich alle für das Cholesterin
I. Abtheilung. Medicinische Section. 35
als charakteristisch geltenden Reactionen mit kleiner Modification, wess-
halb ihn H. Hämosterin genannt hat. Die Versuche, das Hämosterin
zu benzoyliren, waren bisher erfolglos.
Aus Pferdeserum konnte H. in den letzten Wochen drei ver-
schiedene Körper, Nadeln und kleine Plättchen darstellen, die nach der
ersten Analyse einen C.-gehalt von 80, 82 bezw. 84 °%, haben und
deren Schmelzpunkt zwischen 37 und 46 ° C. liest; die Beziehung dieser
Körper zum Hämosterin muss erst durch weitere Untersuchungen auf-
geklärt werden. Den Herren Prof. Röhmann und Prof. Ahrens
dankt H. für ihre Rathschläge bei den vorliegenden Untersuchungen.
12. Sitzung vom 14. Juni 1895.
Vorsitzender: Herr Prof. Neisser. Schriftführer: Herr Dr. Schäffer.
Vor der Tagesordnung demonstrirt Herr Dr. Methner: 1) einen
Fall von Fraeiura processus acromialis scapulae, 2) einen Fall von
Fraktur der Tibia mit Luxation der Fibula. Gleichzeitig besteht Pero-
neus-Lähmung.
Tagesordnung:
Herr Dr. R. Stern:
1) Ueber eigenartige periodische Aenderungen der Athmung.
Die heutigen Mittheilungen des Vortragenden knüpfen an zwei
Krankheitsfälle an, die er vor 2 resp. 1'/, Jahren in dieser Section
demonstrirt hat, und über die er weitere Mittheilungen in der vor-
jährigen Wiener Naturforscher-Versammlung gemacht hat. Es handelt
sich dabei um einen eigenartigen nervösen Symptomencomplex, der sich
kurz dahin charakterisiren lässt, dass periodisch — in den bisher be-
obachteten Fällen für eine nach Sekunden zählende Dauer — eine
Herabsetzung sämmtlicher Funktionen der Grosshirnrinde eintritt: Ab-
nahme der Sensibilität auf allen Sinnesgebieten, eine Parese mit gleich-
zeitiger Ataxie der willkürlichen Muskulatur, endlich eine Abnahme
der intellektuellen Leistungsfähigkeit („Schwankungen“ der Gross-
hirnrindenfuncetionen). In beiden früher beschriebenen Fällen
handelte es sich um die Folgen von Kopfverletzungen, welche ausser-
dem noch zu andern nervösen Symptomen — bei dem einen Patienten
Rinden-Epilepsie, bei dem andern eigenthümliche an Myoklonie erinnernae
Zuckungen symmetrischer Muskeln, besonders der oberen Extremitäten
— geführt hatten. Seit Januar d. J. beobachtet Vortragender eiuen
dritten Fall dieser Art, der ihn vom Herrn Collegen Stranz überwiesen
wurde. Auch hier traten jene „Schwankungen“ infolge einer schweren
_Contusion, die u. a. auch den Kopf getroffen hatte, auf. Da Vortragen-
der somit drei Fälle dieser eigenartigen nervösen Störungen in weniger
als zwei Jahren auffinden konnte, so kann es sich hierbei nicht um
einen extrem seltenen Symptomen-Complex handeln,
sh Jahresbericht der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur.
Seit dem Spätherbst v. J. beobachtet nun Vortragender eigenthüm-
liche periodische Aenderungen der Athmung, die in bestimmten zeit-
lichen Beziehungen zu den Schwankungen stehen. Zunächst fiel ihm bei
dem ersten dieser Patienten (Bachetzky) auf, dass derselbe zeitweise
abnorm tief Athem holte. Es liess sich leicht feststellen, dass dies jedes
Mal nach Ablauf einer Schwankung geschah. Früher kann diese Er-
scheinung jedenfalls nicht so deutlich gewesen sein, sonst hätte sie dem
Vortragenden auffallen müssen; auch gab der Patient, der die Erschei-
nung gleichfalls bemerkt hatte, mit Bestimmtheit an, dass dieselbe erst
seit einigen Wochen aufgetreten sei. In den nächsten Wochen änderte
sich der Athmungstypus insofern, als meist während der Schwankungen
völliger Athmungsstillstand eintrat, so dass also Cheyne-Stokes’sches
Athmen resultirte, bei dem nur die Uebergänge von der Athmungspause
zur Athmung und vice versa nicht so allmählich vor sich gingen, wie in
den ganz ‚typischen‘ Fällen (Demonstration von Athmungs-Curven).
Letzterer Umstand hindert jedoch nieht — wie Vortragender an anderer
Stelle näher erörtern wird — die beobachteten periodischen Athmungs-
störungen zum Cheyne-Stokes’schen Typus hinzuzurechnen, so dass der
letztere als ein specieller Fall der Schwankungen aufge-
fasst werden kann — eine Anschauung, die um so mehr berechtigt
erscheint, als beim Cheyne-Stokes’schen Athmen schon wiederholt neben
den ÄAenderungen der Athmung auch periodische Aenderungen einzelner
Grosshirnfunctionen, zuweilen sogar periodischer Nachlass des Bewusst-
seins, beobachtet sind.
Bei dem zweiten Patienten (Richter), den der Vortragende, da
derselbe auswärts lebt, nur von Zeit zu Zeit untersuchen konnte, liess
sich zunächst in den folgenden Monaten keine deutliche periodische
Aenderung der Athmung constatiren: Es wurden zwar abwechselnd
grosse und kleine Athemzüge beobachtet, jedoch kein regelmässiger
Wechsel zwischen beiden. Seit April d. J. lässt sich jedoch ein solcher
constatiren, und zwar in der Weise, dass nach 1 bis 3 flacheren
Athemzügen ein bedeutend tieferer erfolgt. (Demonstration von
Athmungseurven.) Es ergab sich, dass die tiefen Athemzüge am
Ende der Schwankungen erfolgen. Sehr bemerkenswerth ist, dass
auch während des Schlafes (nach subeutaner Injection von
Morphin) der Athmungstypus bestehen blieb, nur dass dann die
zwischen den grossen Athemzügen erfolgenden kleineren häufig ganz
wegfielen, was indess auch gelegentlich an anderen Tagen beobachtet
wurde, Diese Uebergänge zeigen die Verwandtschaft der hier
beobachteten periodischen Athmungsänderungen mit dem
Cheyne-Stokes’schen Phänomen, welch letzteres man sich ja auf
eine einfachste Form redueirt denken kann, bei der abnorm tiefe Athem-
züge und Athmungspausen regelmässig mit einander abwechseln.
I. Abtheilung. Medieinische Section. 87
Bei dem dritten Fall (Weidlich), den der Vortragende heute de-
monstrirt, waren periodische Aenderungen der Athmung vom Anfang der
Beobachtung an sehr deutlich. Sie äusserten sich hier wiederum in ab-
norm tiefen Athemzügen, die von Zeit zu Zeit, und zwar, wie sich
leicht erkennen liess, gleichzeitig mit den Schwankungen erfolg-
ten, während die dazwischen liegenden Athmungsexeursionen von normaler
Tiefe waren. Entsprechend den etwas längeren Zwischenräumen, die
bei diesem Patienten zwischen den einzelnen Schwankungen lagen, er-
folgten die tiefen Athemzüge meist nach acht bis zehn gewöhnlichen
Athemzügen. Nach den tiefen Athemzügen erfolgt häufig eine kleine,
wenige Sekunden dauernde Athmungspause. (Demonstration der Athmung
des Patienten, sowie der früher aufgenommenen Curven; Demonstration
der „Schwankungen“ auf motorischem, sensiblem und intellektuellem
Gebiet.)
Auch bei diesem Patienten erfuhr der Athmungstypus im Morphin-
schlafe keine wesentliche Aenderung.
Vortragender schlägt vor, eine Athmung, bei der abwechselnd ein
tiefer und ein flacherer Athemzug auf einander folgen, in Analogie mit
dem ähnlichen, bereits bekannten Phänomen beim Pulse, als respiratio
alternans, ferner diejenigen Athmungstypen, bei denen immer der
3., 4. u. s. w. Athemzug abnorm tief sind, als respiratio tertiana,
quartana u. s. w. zu bezeichnen.
Diseussion:
Herr Dr. Adler frägt, ob an den Pupillen dieser Patienten Ver-
änderungen nachweisbar waren.
Herr Dr. Stern verneint dies.
Herr Prof. Hürthle fräst, ob die Betheiligung der Athmung nicht
dafür spräche, dass periodische Aenderungen der Erregbarkeit des in
der Medulla oblongata gelegenen Athmungscentrums vor sich gingen.
Herr Dr. Stern hat die Bezeichnung ‚periodische Schwankungen
der Grosshirnrinden-Functionen‘ gewählt, um eine kurze Beschreibung
des thatsächlich Beobachteten zu geben. Sicher muss die Grosshirn-
rinde an den Schwankungen wesentlich betheiligt sein: das zeigt die
intermittirende Schädigung der Sprache, des Gedächtnisses und der
übrigen psychischen Thätigkeit. Auch die periodischen Störungen der
Motilität, Sensibilität und Reflexe werden durch eine derartige Annahme
erklärt. Die Beobachtungen über periodische Aerderungen der Athmung
nöthigen nach der Ansicht des Vortragenden nicht zu der Annahme,
dass sich subeorticale Centren an den Schwankungen betheiligen. Ab-
norm tiefe Athmung wird häufig bei Zuständen beobachtet, die mit einer
Beeinträchtigung der Grosshirnrinden - Funetionen einhergehen. (Tiefes
Aufathmen nach Anfällen von petit mal, „grosse Athmung“ bei manchen
88. 1 Jahresbericht der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur.
Coma-Arten.) Man kann sich vorstellen, dass während der, bezw. un-
mittelbar nach den Schwankungen ein vorübergehendes Nachlassen der
hemmenden Thätigkeit stattfindet, welche das Grosshirn allem Anscheine
nach auf die tiefer gelegenen respiratorischen Centren ausübt. Im
Uebrigen möchte Vortragender durchaus nicht die Möglichkeit in’Abrede
stellen, dass sich auch subeorticale Centren an den Erregbarkeits-
schwankungen betheiligten; nur hat er in dem bisher Beobachteten
keinen zwingenden Grund zu dieser Annahme finden können,
2) Klinisch-bacteriologische Beiträge zur Pathologie und Therapie des
Abdominaltyphus.
Vortragender beschränkt sich wegen Zeitmangels auf die Be-
sprechung zweier unter seiner Leitung angestellten einschlägigen Unter-
suchungen: Der Arbeit von Thiemich über bacteriologische
Blutuntersuchungen beim Abdominaltyphus und derjenigen von
Max Müller: Ueber die Einwirkung von Fiebertemperaturen
auf die Wachsthumsgeschwindigkeit und Virulenz des
Typhusbacillus; beide Untersuchungen werden an anderer Stelle aus-
führlich veröffentlicht.
Discussion:
Herr Prof. Röhmann, Herr Dr. Methner, Herr Prof. Neisser
und der Vortragende.
13. Sitzung vom 21. Juni 1895.
Vorsitzender: Herr Geh. Rath Ponfick. Schriftführer: Herr Dr. Storch.
Vor der Tagesordnung.
1) Herr Dr. Reinbach:
Vorstellung eines Falles von Struma, der durch Thymusfütterung
geheilt wurde. i
Es handelt sich um ein 14jähriges Mädchen, welches seit 3 Jahren
an Kropf leidet; die Geschwulst hatte allmählich an Grösse zugenommen
und schliesslich zu schweren dyspnoetischen Erscheinungen geführt. Eine
mehrere Jahre hindurch durchgeführte Jodtherapie (Jodsalbe, Jodkali,
Jodinjectionen) bewirkte keine Besserung. Am 25. Februar 1895 wurde
mit der Thymusfütterung begonnen und zwar dreimal wöchentlich 15 gr
frischer Hammelthymus verabreicht: Schon nach 14 Tagen konnte ob-
jeetiv eine Abnahme des Halsumfangs um 2 cm constatirt werden; die
Athemnoth war fast ganz verschwunden; in weiteren 14 Tagen nahm
der Halsumfang noch um 1 cm ab und es trat ein vollständiges Aus-.
bleiben jeglicher Beschwerden ein. Die Patientin hat das Mittel stets
anstandslos vertragen. Zur Zeit besteht keine Vergrösserung der Schild-
I. Abtheilung. Medieinische Section. 39
drüse mehr. Ein Recidiv ist trotz zweimonatlicher Unterbrechung der
'Cur bisher nicht eingetreten,
Die Thymusfütterung wird in jüngster Zeit dadurch wesentlich er-
leichtert, dass Thymustabletten, deren jede !/, gr. frischer Substanz ent-
spricht, in den Handel gebracht sind und zwar von der Firma: Burroughs,
Welleome u. Co. in London.
2) Herr Prof. Neisser stellt einen ausgedehnten Lupus serpi-
ginosus des Gesichtes, Halses und der oberen Thoraxhälfte vor, der
zu gleicher Zeit ein fast 2 Handteller grosses, flaches, aber stark
wucherndes Carcinom der linken Gesichtshälfte aufweist.
Patient war schon vor 1 Jahr auf der dermatologischen Klinik;
‚damals war das Carcinom höchstens thalergross und hat seitdem in
rapider Wucherung die gegenwärtigen Dimensionen angenommen.
Der Fall wird noch ausführlich veröffentlicht werden,
3) Herr Dr. Jadassohn:
Ueber „Stomatitis aphthosa“ (‚„fibrinosa“, „pyogenes‘' und „impetiginosa‘').
Der Vortragende stellt einen Fall von „aphthöser‘‘ Entzündung der
Mundschleimhaut bei einem 1 Jahr und 2 Monate alten Kinde vor,
welcher klinisch nichts Besonderes darbietet: eine grosse Anzahl runder
und unregelmässiger, über Lippen, Zunge und Gaumen ausgesprengter,
theils im Niveau der Schleimhaut liegender, theils dasselbe ein wenig
überragender Plaques von weissgelblicher Farbe mit intensiv geröthetem
Saume; die Beläge lassen sich in toto entfernen, dann bleibt eine
blutende Fläche zurück. Leichte Temperaturerhöhung; geringe Störung
des Allgemeinbefindens.
Bei der mikroskopischen Untersuchung der Beläge fanden sich
reichlich nach Gram färbbare Coccen; die eulturelle Untersuchung einer
Anzahl von Stellen (theils aus den in sterilem Wasser abgespülten Be-
lägen, theils von dem blutenden Grund), ergab auf zahlreichen Platten
Reineulturen von Staphylococeus pyogenes aureus und nur von diesem
in sehr vielen Einzelherden.
Die Ueberimpfung auf den Arm des Kindes mit oberflächlichem
Stich führte zur Production einer abortiv verlaufenden oberflächlichen
Pustel, aus der dieselben Mikroorganismen in Reincultur gewonnen
wurden. Einreibung des Belages einer Plaque mittelst eines rauhen
sterilen Tuches auf das Bein erzeugte eine ganze Anzahl oberflächlicher,
ebenfalls den Staphylococcus aureus enthaltender Pusteln.
Zu diesem Untersuchungsergebniss macht Jadassohn folgende Be-
merkungen:
Der Begriff der Aphthen ist ein noch immer wenig scharf um-
grenzter. Von vielen Autoren ist der Versuch gemacht worden, ihn aus-
San Jahresbericht der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur.
zumerzen; so will ihn speciell E. Fränkel') durch den histologisch be-
gründeten Stomatitis fibrinosa (disseminata oder maculosa) ersetzen. Die
Aetiologie der Erkrankung ist noch wenig erforscht. Von allgemeineren
Momenten abgesehen hat der Befund von Staphylococcen, den E. Fränkel
erhoben und mit grosser Vorsicht für die aetiologische Auffassung ver-
werthet hat, in Deutschland wenig Beachtung gefunden; ja Henoch?)
lehnt seine Bedeutung geradezu ab, während Rosenberg?) sie für
wahrscheinlich secundär hält. In Frankreich sind Fränkels Befunde
scheinbar ganz unbekannt geblieben; dort hat man aber (speciell seit 1837)
eine eigene Art von Stomatitis abgegrenzt, welche im Zusammenhang
mit sogenannten impetiginösen Hauterkrankungen stehen soll und welche
auch Zitt (Archiv für Kinderheilk. 1837) bei Impetigo contagiosa ge-
funden hat. Das klinische Bild dieser Stomatitis stimmt mit dem der
„aphthösen“ mehr oder weniger vollständig überein. Unter „Impetigo“
verstehen wir in Deutschland — von der sehr seltenen „Impetigo her-
petiformis“ abgesehen — zwei Formen: die Impetigo contagiosa, nach
der Ansicht J.’s eine Krankheit sui generis, und die „‚Impetigo simplex“, _
die früher nur als eine Theilerscheinung des Eezems aufgefasst worden,
jetzt aber als eine Infeetion der Oberhaut mit pyogenen Mikroorganismen
erwiesen ist, die bei Eezemen, bei Scabies ete. aber auch isolirt vor-
kommt und die oberflächlichste Form der „Pyodermieen‘ darstellt.*)
Sie kann, wie Bockhardt gezeigt hat, neben Furunkeln durch Ver-
reibung von Staphylococcen erzeugt werden (daher „Impetigo Bockhardt‘*
nach Unna; die anderen Impetigoformen Unna’s haben Beachtung noch
nicht gefunden. Bei den französischen Autoren ist die Differenz
zwischen Impetigo contagiosa und simplex auf diesem Gebiete nicht
immer festgehalten worden. Jedenfalls aber haben sie auf das Zu-
sammenvorkommen von impetiginösen Hautefflorescenzen, besonders im
Gesicht, und Stomatitis in einzelnen Plaques hingewiesen und haben
(Sevestre et Gastou, Poulain, Gentilhe) in den letzteren die-
selben Staphylococcen aufgefunden wie in den ersteren; sie haben daraus
1) Virchow’s Archiv 1888, Bd. 113, Heft 3.
2) Vorlesungen über Kinderkrankheiten. VI. Aufl, 1892 p. 461.
®) Die Krankheiten der Mundhöhle etc. -Berlin 1893.
*) Ich nenne hier, da sie in Deutschland nicht beachtet zu sein scheinen,
folgende Arbeiten: Comby, France medicale 1887; Soc. clin. Paris 1887; Revue
des maladie de l’enfance 1888; Duprey, De l’impetigo et certaines de ses locali-
sations. These, Paris 1891; Sevestre etGastou, Sur une variete de stomatite diph-
theroide a staphylococces (stomatite impetigineuse); Soc. med. des höp. de Paris
28. VI. 1891; Annal. de Dermat. 1891 p. 868; Poulain, Contribution a l’etude des
stomatites dans l’enfance et en particulier de la stomatite diphtheroide impetigineuse.
These, Paris 1892; Gentilhe, De la stomatite impetigineuse. These, Bordeaux 1894.
Auch Bergeron (Dict. encycl., Art. stomatitis) beschreibt das Uebergreifen der Im-
petigo auf die Mundschleimhaut.
l. Abtheilung. Medicinische Section. 91
das Recht abgeleitet, beide Affeetionen aetiologisch zu identifieiren,
die des Mundes „Stomatitis impetiginosa“ zu nennen und von den
Aphthen in einer allerdings nur sehr künstlichen Weise abzugrenzen.
Der Vortragende hat schon wiederholt das Zusammenvorkommen
von impetiginösen Pusteln auf der Haut (speciell auch der Hände bei
Kindern) und von aphthösen Efflorescenzen auf der Schleimhaut des Mundes
beobachtet. Er hat in einem früheren Falle von einer Plaque im Munde
bei Freisein der Haut eine typische Impetigo-Pustel auf der Haut er-
zeugen können. Auch in dem vorgestellten Fall, der als Stomatitis
aphthosa diagnostieirt werden musste, da die Haut nicht erkrankt war,
ist das gelungen. Damit ist also bewiesen, dass man mit Produeten
der einen Krankheit „„Aphthen‘“ die andere „‚Impetigo“ in einzelnen Fällen
erzeugen kann. Zugleich ist das Auftreten von Staphylococcen in Rein-
eultur bei einer Mundaffeetion von zweifelloser Bedeutung. Dass sich
diese Mikroorganismen wie überall, so auch in der Mundhöhle oft und
reichlich finden, ist eine zweifellose Thatsache. [ef. Miller, die Mikro-
organismen der Mundhöhle. II. Aufl.] Wenn sie aber in einem Krankheits-
producte der Mundhöhle ohne andere Beimischung auftreten, wird ihre
pathogene Bedeutung für diese Affection sehr viel wahrscheinlicher.
Dazu kommt das klinische und das pathologisch-anatomische Bild dieser
Form von Stomatitis. Die scharfabgesetzten runden, ohne Narbenbildung
abheilenden Herde mit entzündlicher Reaction der Umgebung sind den
Herden auf der Haut sehr analog — nur dass wie bei den meisten
Schleimhautlocalisationen vesiculöser Hautaffeetionen die Blasenbildung
fehlt resp. nicht zur Beobachtung kommt; die Multiplieität der Efflores-
cenzen, die leichte Fieberbewegung sprechen für die infectiöse Natur
der Krankheit. Die histologischen Befunde Fränkels hat der Vor-
tragende an einem von einer älteren Patientin durch Exeision gewon-
nenen Präparate im Ganzen bestätigen können. Das Epithel der Um-
gebung, in dem sich zahlreiche Mitosen finden, wird an dem Herde selbst
durch ein Exsudat ersetzt, in dem sich bald mehr scholliges, bald mehr
fädiges, durch die Weigert’sche Methode gut darstellbares Fibrin
neben rothen Blutkörperchen und Epithelresten findet; an einzelnen Stel-
len ist eine fibrinöse Umrandung der Epithelzellen deutlich zu erkennen.
Das Bindegewebe der Schleimhaut ist in weiterem Umkreis von Rund-
zellen infiitrirt, welche auch das Epithel durchwandern; in den obersten
Schichten dieses Rundzelleninfiltrats findet sich ebenfalls stellenweise
noch fädiges Fibrin. Staphylococcen sind nur in dem Belag, nicht aber
in dem Gewebe selbst nachzuweisen.
Auch bei der Impetigo vulgaris (‚„‚staphylogenes“), der einfachen
superficiellen Pyodermie finden sich in der Umgebung der Bläschen
zahlreiche Mitosen; die Cutis ist in wechselndem Grade infiltrirt (nach
Unna auffallend wenig). Die Mikroorganismen dringen auch hier nicht
09. Jahresbericht der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur.
in das Gewebe der Cutis selbst ein (hierin kann J. Unna’s Angaben
bestätigen). Die wesentlichste Differenz zwischen beiden Processen be-
steht demnach in der fehlenden Bläschenbildung und in dem reichlichen
Fibringehalt der Schleimhautplaques. Das Fibrin fehlt bei der Ober-
hautpustel nicht ganz. J. hat es im Gegensatz zu Unna auch in
der Pustel selbst spärlich auftreten sehen. Aber seine Quantität ist an
der Schleimhaut eine ausserordentlich viel grössere. Hierin besteht eine
auffallende Analogie zum Pemphigus, der ebenfalls im Munde dicke,
fifrinöse Plaques bildet. Ueber den Grund für diese Differenzen
zwischen Haut und Schleimhaut lassen sich nur Hypothesen aufstellen.
J. ist weit davon entfernt, nunmehr alle aphthösen Processe als
Staphylococceninfectionen aufzufassen; aber die angeführten Momente
und Beobachtungen machen es ausserordentlich wahrscheinlich, dass das
Bild der Stomatitis aphthosa durch Staphylococcen zu Stande kommen
kann. Ihr Zusammenhang mit der Impetigo der Haut in manchen Fällen
ist nicht mehr zu leugnen. Weitere Untersuchungen werden lehren
müssen, in welchem Umfange die Staphylococcen, deren Wirkungskreis
sich ja noch immer erweitert, auch hier ätiologisch wirksam sind.
Viele andere als ätiologisch wichtig aufgeführte Momente haben gewiss
hier ebenso wie bei der Impetigo der Haut eine prädisponirende Be-
deutung (acute Exantheme, Darniederliegen der Ernährung etec.).
Bei reichlicheren bacteriologischen Untersuchungen wird sich dann
die „„pyogene Stomatitis“ auch klinisch von anderen in ihrem Wesen
noch ganz unbekannten Formen der ,„Aphthen‘ abgrenzen lassen.') Vorder-
hand sind die z. B. von Gentilhe angezogenen Momente (geringere
Grösse und Zahl, isolirtere Anordnung besonders auf Zunge und Gaumen,
Fehlen der Praedileetion für die Lippen, endlich das Freisein der Haut
bei den Aphthen) differentialdiagnostisch nieht ausreichend.
Tagesordnung:
1) Herr Prof. Röhmann: „Ueber Caseinsilber—Arganin.‘
. Der Vortrag wird an anderer Stelle veröffentlicht werden.
2) Herr Dr. Jadassohn: „Ueber die Behandlung der Gonorrhoe mit
Silber-Casein (Arganin).
Der Vortrag wird im Archiv für Dermatologie und Syphilis
veröffentlicht werden.
!) Auf die Fälle von Maul- und Klauenseuche, die häufiger bei Menschen‘
vorgekommen sind — in Breslau sind solche noch nicht zur Beobachtung gekom-
men — konnte hier nicht eingegangen werden.
I. Abtheilung. Medicinische Section. 95
14. Sitzung vom 5. Juli 1895.
Vorsitzender: Herr Prof. Born. Schriftführer: Herr Dr. Endres.
Tagesordnung,
1) Herr Prof. Born demonstrirt die neuen Steger’schen Gehirn-
modelle. Die Originale der vom Bildhauer Steger in Leipzig zu be-
ziehenden Abgüsse wurden nach der Plattenmodellirmethode hergestellt,
d. h. ein zweckmässig gehärtetes Gehirn wurde in eine Serie von gleich-
mässig 1 mm dieken Schnitten zerlegt. Aus diesen Schnitten wurden
die interessirenden Theile in zweifacher Flächenvergrösserung auf 2 mm
dicke Wachsplatten gezeichnet, ausgeschnitten und aufeinander geklebt.
So wurden eine Anzahl instructiver Stücke gewonnen: die graue Sub-
stanz der Grosshirnrinde einmal durch einen Horizontalschnitt halbirt,
dann der grössere innere und der grössere äussere Abschnitt derselben.
Die Ansicht des Rindengraues von innen wirkt jedenfalls überraschend.
In diese Stücke lässt sich der gesondert modellirte Gehirnstamm ganz
oder in Theilen einsetzen. An dem Gehirnstamm ist auf der linken
Seite die innere Kapsel herausgeschnitten, so dass man den Raum, den
dieselbe zwischen den grossen Ganglien einnahm, übersieht. Auf der
rechten Seite sind innere Kapsel und Stabkranzfaserung mit modellirt.
Die Modelle sind als werthvolle Unterrichtsmittel zu betrachten,
2) Herr Dr. Rosenfeld:
Zur Diagnose und Theraphie der Uratdiathese.
Die Untersuchungen des Vortragenden beziehen sich nicht auf beide
Richtungen dieser Krankheit, sondern nur auf die Uratdiathese des uro-
poetischen Systems, insbesondere auf Bildung und Verhütung der harn-
sauren Steine. Die Bedingungen, unter denen sich Steine bilden können,
sind & priori identisch mit denen, unter welchen Harnsäure als Sedi-
ment ausfällt, denn von im Urin gelöster Harnsäure wird nicht an-
genommen, dass sie primär, so lange sie gelöst ist, steinbildend wirken
könne. Nur eine Thatsache ist bekannt, die als eine Art Gegensatz ge-
deutet werden könnte. Emil Pfeiffer hat darauf aufmerksam ge-
macht, dass der normale Urin, nachdem er klar filtrirt ist, noch einmal
durch einen Filter filtrirt, auf welehem eine kleine Menge Harnsäure
liegt, an diese Harnsäure noch selbst solehe abgiebt, so dass nach dem
Filtriren der Harnsäurebestand auf dem Filter an Gewicht zugenommen
hat. Hier liegt zwar der Fall vor, wo gelöste Harnsäure zur Stein-
bildung verwendet werden kann, aber nur secundär, durch Anziehungs-
kraft eines schon gebildeten Steines. Doch für die primäre Bildung der
Steine besteht in der That nach wie vor die Anschauung, dass ihre
Bedingungen identisch sind mit denen für das Ausfallen der Harnsäure.
94 Jahresbericht der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur.
Da nun die Harnsäure nur in grossen Mengen Wassers löslich ist und
durch Säuren leicht gefällt wird, so ist von vornherein anzunehmen,
dass die Harnsäure nur dann zur Ausfällung nicht gelangen wird, wenn
genügende Mengen Harnwasser vorhanden sind, die Acidität des Urins
nicht zu hoch ist und die Menge der zu lösenden Harnsäure nicht die
Norm von ca. 0,8 g pro die übersteigt. So könnte man hoffen, aus
der quantitativen Bestimmung dieser drei Punkte diagnostieiren zu
können, ob im vorliegenden Falle der Patient in der Gefahr ist, Steine
zu bilden. Aber die Verhältnisse liegen nicht so einfach. Denn während
ein harnsäurereicher Harn trotz subnormaler Wassermenge seine Harn-
säure nicht ausfallen lässt, ist das Gegentheil an einem Harn zu sehen,
der nicht aussergewöhnlich viel Harnsäure enthält und doch stark getrübt
erscheint. So lange überhaupt nicht erkannt ist, in welcher Form die
Harnsäure in dem doch immerhin sauren Harn gelöst ist, muss eine der-
artige Analyse zu, irrthümlichen Schlüssen Veranlassung geben. Auch
die Pfeiffer’sche Harnsäurefiltermethode kann die Frage nicht be-
antworten: Wie viel Harnsäure verlässt den Organismus in ungelöstem
Zustande? Nur in dem Falle, wenn der Harn nicht sedimentirt und
nichts an das Harnsäurefilter abgiebt, kann ungelöste Harnsäure aus-
geschlossen werden. Sonst aber kann der Harn grössere Mengen Harn-
säure an das Pfeiffer’sche Filter abgeben und doch Harnsäure nur
in gelöstem, d. h. zur primären Steinbildung ungeeignetem Zustande
enthalten.
Um festzustellen, wieviel Harnsäure den Körper ungelöst verlässt,
empfiehit der Vortragende folgende Methode. Der Patient muss seinen
Urin auf ein schnell filtrirendes Faltenfilter entleeren, auf welchem dann
ohne Weiteres diejenige Harnsäure gesammelt wird, die im Körper
ungelöst vorhanden war. Es bedarf dabei für jede Urinentleerung eines
neuen Filters; denn die auf dem Filter zurückbieibende Harnsäure der
ersten Entleerung würde dem folgenden Urin wie im Harnsäurefilter
Harnsäure entziehen. Unmittelbar nach dem Durchfiltriren wird jedes
Filter mit 10 cem Wasser gewaschen, um möglichst viel vom restirenden
Harn wegzubringen; die Filtra werden in einem Becherglas mit sehr
verdünnter Kalilauge gesammelt und zum Brei durchgerührt. Nach
stundenlangem Stehen wird der Filterbrei durch eine Kolirpresse ab-
gepresst, mit Wasser gewaschen und aufgerührt und so noch mehrfach
abgepresst, Das Harnsäure-Kalilaugenfiltrat wird mit Salzsäure über-
säuert, zum engen Volumen eingedampft und auf gewogenem Filter die
ausgeschiedene Harnsäure gesammelt, dann mit Wasser, Alkohol, ab-
‘solutem Alkohol und Aether gewaschen, getrocknet und gewogen.
Wichtig ist ein möglichst gleiehmässiges Verfahren bei dieser Methode, '
welche bei normalen Menschen einen Harnsäurerückstand von 40—50 mg
ergiebt. Diese 40—50 mg Harnsäure entstammen offenbar den in den
1. Abtheilung. Medicinische Section. 95
Filtern zurückbleibenden Harnresten. In gleicher Weise wird die Menge
Harnsäure gesammelt, welche aus dem durchfiltrirten Urin noch bis zum
Schluss des Untersuchungstages sedimentirt hat. Die erste Harnsäure-
quote wird als primäre, ungelöste Harnsäure mit primärer Fällung be-
zeichnet, die zweite unter secundärer Fällung geführt. Die dauernd
gelöst gebliebene Harnsäure wird nach der Methode von Salkowski
als Silberverbindung gefällt und als solche bezeichnet.
Mit dieser Methode wurde die Wirkung einiger Medicamente und Diät-
formen auf einige Uratdiathese-Kranken studirt. Der Vortragende führt
einige frühere Untersuchungen über die Einwirkung von Alkalien an, von
denen eine aus dem Jahre 87 ergab, dass ein Patient ohne Medicament
3,4 & Harnsäure entleerte, während 15 g doppelkohlensaures Natrium die
Harnsäure-Ausscheidung auf 0,6 g herabsinken liess. Doch legt der Vor-
tragende diesem Resultate keine Bedeutung bei, weil die Diät nicht in
beiden Untersuchungen dieselbe gewesen ist. Dagegen hat ein Patient
im Jahre 93 bei derselben gemischten Kost ohne Alkali 921 und 875 mg
Harnsäure pro die ausgeschieden, während bei derselben gemischten
Kost mit 18 5 Na 950, 849 mg entleert wurden, so dass also ohne
Alkali durchschnittlich 898 mg, mit Alkali 899 mg ausgeschieden wurden.
Patient D. entleerte bei gemischter Kost 1263 mg Harnsäure, davon
771 in primärer Fällung, 386 in secundärer Fällung und 106 als Silber-
verbindung im Durchschnitt aus zwei Beobachtungen; bei derselben
Diät mit Hinzufügung einer Flasche Oberbrunnen und 10 g Na, im
Durchschnitt aus zwei Beobachtungen 1212 mg gesammte Harnsäure,
von welcher 932 mg die primäre und secundäre Fällung ausmachten,
402 mg die $Silberverbindung in einem Falle darstellten. Aus diesen
Zahlen ergiebt sich bei den untersuchten Fällen kein wesentlicher Ein-
fluss der Alkalien.
Von weiteren Medicamenten wurde Harnstoff und kohlen-
saures Ammonium untersucht. Da Untersuchungen von G. Rüdel
gezeigt hatten, dass der Harnstoff im Stande ist, Harnsäure zu lösen, wo-
bei die Harnsäure mit dem Harnstoff die Verbindung in harnsauren
Harnstoff eingeht, versuchte der Vortragende, die Lösungsfähigkeit des
Harnstoffes für die Harnsäure im Urin festzustellen. Rüdel hatte
bereits einen Versuch in diesem Sinne unternommen, indem er von einem
Urin den einen Theil ohne Weiteres mit Salzsäure versetzte, den anderen
Theil aber erst, nachdem er ihm 2 pCt. Harnstoff zugesetzt hatte.
Während im ersten Urin reichlich Harnsäure durch die Salzsäure gefällt
war, zeigte sich in dem mit Harnstoff versetzten Harn keine Fällung
von Harnsäure. Dagegen fand der Vortragende, dass, wenn man einem
Harn, der an sich nicht geeignet scheint, Harnsäure zu lösen, Harn-
säure zusetzt und ausserdem 2 pCt. Harnstoff zufügt, dann keine Harn-
säure - Auflösung statt hat. Nichtsdestoweniger wurde auf Grund der
a0 Jahresbericht der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur.
Rüdel’schen Beobachtungen Harnstoff bei seiner gänzlichen Unschäd-
lichkeit gegeben und zwar in Mengen von 9--20 g pro die. Da das
kohlensaure Ammoniak im Organismus in Harnstoff übergeht, wurde
auch dieses in vorsichtigen Dosen gegeben. Es war dem Vortragenden
aus Versuchen an Diabetikern bekannt, dass in der Dosis von 2 g das
kohlensaure Ammoniak ohne Beschwerden, ausgenommen: schlechten Ge-
schmack, genommen werden ‘konnte, in höheren Dosen dagegen Leib
schmerzen und Diarrhoe befürchten lässt, und so wurde es nur bis zur
Höhe von 2 g pro ‘die gegeben. Die Resultate, die sich in den folgen-
den kleinen Tabellen finden, zeigen, dass der Harnstoff bei dem einen
Patienten einen’ ausserordentlich hohen Einfluss auf die Bildung von
Harnsäure :gehabt hat, indem statt der gewöhnlichen Menge von
1263 mg Harnsäure bei der gleichen, gemischten. Kost nur etwa 649
bis 654 mg ausgeschieden wurden. — Die Lösungsverhältnisse der
Harnsäure besserten sich bezüglich der primär gelösten Harnsäure
derart, dass inur 56 resp. 72 und 137 mg primär ungelöst waren,
während früher 771 mg der primären Fällung angehörten.
x 3 ® en FR Silb 4
DENE al Anke Gesammt- Primäre $ecundäre ilber
harnsäure Fällung Fällung verbindung
| Gemischte Kost .... 1263 Da 386 106
+
. Desgl. —9 U-+ 15
" Ammoniak..... 651 12 417 112
+ ’
Desgl. + 20 U.... 649 56 393 200
Gemischte Kost .... . 669 130 239 300
Die: | |
Desgl. + 10grU.. 664 45 Pen 575
Aehnliche Wirkungen zeigte die Zufügung von kohlensaurem Am-
moniak. 2 g kohlensaures Ammoniak führten zur Ausscheidung von
nur 812 mg, Harnsäure, 'von der 248 mg primär ungelöst waren.
Denselben Einfluss auf ‘die Lösungsfähigkeit ‘der Harnsäure hatte
der Harnstoff in’einem anderen Falle (M.), während bei einem dritten
Falle Gleiches nicht zu beachten war.
Da somit der Harnstoff, in Substanz gegeben, einen günstigen Ein-
fluss auf Harnsäurebildung und Harnsäurelösung ausgeübt hatte, wurde
noch die Einwirkung der von v. Mehring empfohlenen Fleischdiät ge-
prüft. Da Fleischdiät grössere Mengen von Harnstoff aber auch von
Harnsäure in den Harn übergehen lässt, so war die Frage, welcher von
beiden Effecten der Fleischnahrung der vorwiegende sein würde. Denn,
wie durch Ranke, Haig, Camerer und andere erwiesen ist, steigert
Fleischkost die Menge der gesammten Harnsäure. So schied auch in
I. Abtheilung. Medicinische Section. 97
Untersuchungen des Vortragenden S auf gemischte Kost 485 mg aus,
auf Fleischkost von 800 g 583 mg; dagegen verhielten sich zwei Harn-
säurekranke entgegengesetzt.
Primäre Secundäre Silber-
Gesammt
Fällung Fällung verbindung
Gemischte Kost .... 637 53 a7 367
“ tPleisehdiät......... 346 — — —
Gemischte Kost . .. 1263 70. 386 105
3 nn. EA 2 1044 160 453 451
Der Vortragende erklärt diese Befunde im Hinblick auf Hor-
baeczewski’s Untersuchungen, der die Harnsäure von dem Nuclein
der weissen Blutkörperchen ableitet, und nimmt mit Horbaczewski
bei denjenigen Kranken, bei welchen Fleischkost die Harnsäuremenge
erhöht, das Auftreten einer Verdauungs-Leukocythose an, während diese
bei anderen Patienten fehlt.
Im Speciellen wurde noch die Einwirkung einzelner Elemente der
Diät untersucht. Den Einfluss der Essigsäure, die in reichlichem
Gurkensalat genossen wurde, fand der Vortragende, wie aus den folgen-
den Zahlen hervorgeht, nicht auffallend.
+
Fleischdiät+10gr U—-1gr Ammon. 714 180 430 104.
dto. + 2 x Gurkensalat ....... 707 212 401 194.
Der Einfluss des Bieres resp. des vermehrten Biergenusses war ein
erheblich deutlicherer.
+
Gemischte Kost + U........ 654 12 417 162.
dto. + 750 Bier ............ 1082 230 417 435.
Von grosser Bedeutung ist es, den Einfluss des Kochsalzes als
eines so häufigen und unerlässlichen Nahrungsbestandtheiles festzustellen.
Durch die Untersuchungen von Mendelssohn war gezeigt worden,
dass Lysidinlösungen der Harnsäure durch Kochsalz gefällt wurden,
derart, dass kleine Mengen von Kochsalz zur Ausfällung der schon ge-
lösten Harnsäure genügten. Und so untersuchte der Vortragende die
Einwirkung des Salzes auf die gelöste Harnsäure im Harn und auf die
Menge der primär ungelösten Harnsäure. Wurde klar filtrirtem Harn
Kochsalz in grösserer Menge zugeführt, so trat keine Ausfällung der
Harnsäure ein. Ebenso fanden sich bei verschiedenen Patienten nicht
bei steigenden Kochsalzmengen im Harn, die durch die Nahrung hinein
gelangt waren, steigende Mengen von ungelöster Harnsäure, wie die
folgenden Zahlen ergeben. Auch die Einführung von besonders viel
Kochsalz führte nicht zu einer auffallend hohen primären Fällung.
1895, 7
98 : Jahresbericht der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur.
Na Cl im Harn. Primäre Fällung.
Pat. D 10,1 130
EL 1609
= DD 212
0 all, 160
une 4harg 171
Pat. A7,,.4,9 115
ee N 53
Der Vortragende empfiehlt auf Grund dieser Untersuchungen, die
ein sehr verschiedenes Verhalten der einzelnen Individuen gegenüber
Diät- und Arzneivorschriften ergeben, die Prüfung der einzelnen Diät-
factoren auf jeden Patienten insbesondere. Als Medicament würde sich
zur besseren Lösung der Harnsäure der zeitweise Gebrauch von Harn-
stoff sehr empfehlen.!)
Zur Discussion sprachen die Herren Dr. Alexander und Dr.
Pfannenstiel.
15. Sitzung vom 11. October 1895.
Vorsitzender: Herr Prof. Dr. Born. Schriftführer: Herr Dr. Endres.
Tagesordnung:
1) Herr Prof. Born stellt den Antrag (im Namen der Secretaire),
für Mittheilungen vor der Tagesordnung ein bestimmtes Zeitmaass
(5 Minuten) festzusetzen.
Der Antrag wird mit Stimmenmehrheit als für die Zukunft gültig
angenommen.
2) Herr Dr. Rosenfeld:
a. Die Grundgesetze der Acetonurie und ihre Behandlung.
In der fast 40jährigen Geschichte der Acetonurie bedeutet die
Biermersche Entdeckung, dass der Diabetiker auf die Einführung der
Fleischkost mit Diaceturie reagire, einen Wendepunkt.
Diese Thatsache, die zunächst einigen Widerspruch erfuhr, ist jetzt
wohl allseitig anerkannt und an sich durchaus richtig, doch bedarf sie
einer gewissen Vervollkommnung, denn wenn auch der Diabetiker auf
Einführung der Fleischdiät immer Ausscheidung von Acetessigsäure zeigt,
!) Eine Einwirkung zeigte auch das Glycerin, das in Rücksicht auf die Em-
pfehlung von Dr. Hermann-Karlsbad (Prager med. Wochenschr. 1892 No. 47/48)
. als Steinabtreibungsmittel mehrfach gewählt worden war. Bei Patient M. erzeugten
einmal 50 gr Glycerin eine mächtige Erhöhung der primären Fällung auf 720 mgr
und der Gesammtmenge auf 1379 mgr, während sonst 130 mgr primäre Fällung '
und 669 mgr Gesammtmenge beobachtet war. So vermittelte das Glycerin den
Eindruck, als ob es retinirte Harnsäure auszuführen geeignet wäre.
I. Abtheilung. Medicinische Section. 95
so ist erstens dabei immer zugleich auch Acetonurie vorhanden, zweitens
ist diese Acetonurie des öfteren die weitaus grossartigere Erscheinung
als die Diaceturie. So ändert sich der Satz Biermer’s dahin, dass
der Diabetiker, der nur mit Fleisch ernährt wird, Diaceturie und Aceton-
urie aufwiese.
Es gelang mir, dieses Experiment am Zuckerkranken auf den
Gesunden zu übertragen: auch der gesunde Mensch reagirt wie der
Diabetiker auf die Einführung der Fleischkost mit Acetonurie, seltener
und in geringerem Maasse mit Diaceturie.
Den typischen Verlauf der in Gemeinschaft mit Dr. Ephraim, Dr.
Kobrak, Dr. Friedländer, Dr. Honigmann auch in mehreren
Selbstversuchen in den Jahren 1885—86 vielfach wiederholten und
variirten Versuche kurz zu recapituliren, genügt es das Hauptexperiment
anzuführen und anzunehmen, dass z. B. am 1. eines Monats früh die
Versuchsperson lediglich von Fleischkost zu leben beginne, Sie wird
alsdann am 2. Abends, spätestens am 3. früh eine mächtige Acetonurie
aufweisen. Geniesst alsdann die Versuchsperson am 3. Morgens eine
starke Kohlehydrat-Mahlzeit, so ist nach individuell verschieden langer
Zeit, jedenfalls aber schon Mittags oder Nachmittags die Acetonurie wie
mit einem Zauberschlage verschwunden.
Von dieser Thatsache aus konnte man sofort daran gehen, der Frage
nach der Muttersubstanz des Acetons näher zu treten.
Dass aus der Trias der Nahrungs- und Körperstoffe — Kohlehydrate,
Eiweiss, Fett — die Kohlehydrate trotz ihrer nahen chemischen Ver-
wandtschaft nicht die Acetonurie hervorriefen, konnte durch zwei Momente
erwiesen werden. Erstens bestand in währender Eiweisskost die Acetonurie,
zu der Zeit also, wo von einem Kohlehydratstoffwechsel im beschränk-
testen Sinne nur die Rede sein konnte, und zweitens wirkte die Einfuhr
von Kohlehydraten sofort Acetonurie aufhebend.
Somit blieben als Muttersubstanzen des Acetons nur die Fette oder
das Eiweiss übrig. Von welcher der beiden Substanzen das Aceton ein
Abkömmling wäre, mussten Versuche lehren, deren Plan war, die
Acetonurie zunächst bei dem geringsten Zerfall der fraglichen Substanz
und dann bei höherem und höchstem Zerfall festzustellen.
So musste man — nach Feststellung der Höhe physiologischer
Acetonausscheidung bei gemischter Kost — vom Hungerzustand als der
Zeit geringsten Eiweissstoffwechsels ausgehend, durch alle Stufen des
Stickstoffumsatzes hindurch die Grösse der Acetonurie feststellen.
Im Folgenden ist eine Auswahl von Versuchen aufgeführt, die theils
aus den Jahren 1885—86, theils 1894—95 herstammen.
Es empfiehlt sich zunächst, die Resultate nach einander aufzuführen,
um die Schlussfolgerungen dann ununterbrochen darstellen zu können.
7#
100° Jahresbericht der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur.
A. Die physiologische Acetonurie,
1. Die Acetonurie bei gemischter Kost.
Bei der gewöhnlichen gemischten Kost werden stets geringe Mengen
von Aceton ausgeschieden, welche nicht bei allen untersuchten gesunden
Personen pro die gleich waren.
Versuchsperson R. Urinmenge 850 ebem, 3,0 mg Aceton,
- R. - 500 A >
= Schl. - 900, Fam -
z Sch. - aD 020,0, -
- 0. = 800 = 0 = =
- Ö. - 17330002 a -
: 0. er 1 190000, ae
- 0. - en rue -
= O. ne 712 -
z Ö. z 1 28075, 16.17 - -
= 0. - 1.0200 8721089 7 -
- 0. - Ir -
So ergiebt sich eine Ausscheidung von 3,2—20 mg pro die bei
gemischter Kost.
Dass die höheren Werthe von 10—20 mg nicht einem ganz physio-
logischen Zustande entsprechen, beweist die Körpergewichtsabnahme der
Versuchsperson.
Auf Tag und Nacht vertheilt sich die Menge des Acetons ziemlich
gleichmässig.
Versuchsperson R. 360 cbem Tagesurin enthalten 2,1 mg Aceton,
285 - Naehturin = 1.9722 e
2. Die Acetonurie im Hunger.
Versuchsperson Schl. nimmt seit 10. Februar 1895 Abends 7, Uhr
bis 12. Februar Vormittags 8 Uhr nur 100 cbem Kaffee und 400 cbem
Wasser. r
Urinmenge vom 11./12. Februar 740 ebem, enthält 26,2 mg
Aceton und 9,22 g N.
Versuchsperson R. hungert vom 2. Februar Abends bis 4. Februar
Morgens.
Urinmenge vom 3./4. Februar 845 ebem, enthält 32,9 mg Aceton
und 6,4 g N.
Versuchsperson 0. .hungert vom 10. August 1895 Abends bis
13. August Morgens. Die Zufuhr besteht in 10 g Kaffee, 4 g Fleisch-
extraet, 800 g Wasser. i
Urinmenge vom 11/.12. August 750 cbem, enthält 90,9 mg
Aceton und 13,7 gs N,
I. Abtheilung. Medicinische Section. 101
Urinmenge vom 12./13. August 740 ebem, enthält 310 mg
Aceton und 12,9 g N.
Im Hungerzustand steigt die Acetonausscheidung mächtig an und zwar
bei Versuchsperson Schl. auf das 6‘), fache,
bei Versuchsperson R. auf das 8'/,fache,
bei Versuchsperson O, auf das Sfache am ersten Tage,
auf das 26'/,fache am zweiten Tage.
3. Die Acetönurie bei Zufuhr mässiger Eiweissmengen,
Versuchsperson Sch, geniesst 700 g Fleisch.
Urinmenge 1235 cbem, enthält 84 mg Aceton.
Versuchsperson Schl. geniesst 750 g Fleisch und 100 g gekochten
Schinken.
Urinmenge 1850 ebem, enthält 37,7 mg Aceton und 22,3 & N.
Versuchsperson R. nimmt 600 g Fleisch ein.
Urinmenge 850 ebem, enthält 37,6 mg Aceton und 18,7 gN.
Versuchsperson R. nirnmt 960 & Fleisch zu sich.
Urinmenge 1188 ebem, enthält 103,5 mg Aceton und 20,96 & N.
Bei diesen Versuchspersonen ist durch die Zufuhr obiger Eiweiss-
mengen die Acetonurie gestiegen
bei Sch. auf das 4'/,fache,
bei Schl. auf das 9%/,fache,
bei R. auf das 9'/,fache
und auf das 26fache.
4. Die Acetonurie bei Zufuhr grosser Eiweissmengen.
Versuchsperson Friedländer führt sich 341 Eiweiss in Fleisch
und Eiern ein. |
Keine Erhöhung der Acetonausscheidung. N. im Harn 42,4
und 28,9 g.
Selbstversuch des Verfassers: am 16. und 17. August 1886 geniesst
Verf. 1150 g Fleisch und 5 Eier.
Urinmenge 1970 ebem, enthält eine geringe Steigerung der
Acetonurie und 50,1 g N.
Urinmenge (2. Tag) 2144 cbem, enthält keine grössere Aceton-
menge als vorher und 37,5 s N.
Urinmenge (3. Tag) 2234 ebem, enthält Aceton wie vorher
und 37,6 g N.
Versuchsperson R. nahm 1450 g Fleisch zu sich.
Urinmenge 1378 cbem, enthielt 20 mg Aceton und 26,3 & N.
Das Resultat der Zufuhr grosser Eiweissmengen ist also keine
erhebliche Vermehrung der Acetonurie,
Bei Versuchsperson R. stieg die Acetonurie auf das Öfache.
102 | Jahresbericht der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur.
5. Die Acetonurie bei Zufuhr von Kohlehydraten.
Die Versuche von Ephraim, Honigmann und Friedländer
haben gezeigt, dass Kohlehydrateinfuhr bestehende Acetonurie, die durch
Eiweisskost hervorgerufen war, in wenigen Stunden zum Schwinden bringt.
Ein Versuch von Friedländer zeigt, dass Ernährung nur mit
200 g Zucker und 190 g Butter keine Erhöhung der Acetonurie bewirkt.
Versuchsperson R. nimmt im Laufe des 13. Februar 1895 nur 145 g
Rohrzucker ein,
Urinmenge 950 ebem, enthält 12,4 mg Aceton und 9,6 g N.
Der Einfluss der Kohlehydrate offenbart sich auch auf eingeführtes
Aceton. Während die Versuchsperson R. (Versuch *) bei Einfuhr von 5000 mg
Aceton 52,9 mg Aceton ausschied, wurden von ebenderselben Menge
— 5000 mg — nur 30 mg ausgeschieden, als zu dieser Dosis noch
170 g Rohrzucker genossen wurden.
Die Kohlehydrate wirken also Acetonurie hindernd und zwar zum
Theil durch Zerstörung des Acetons.
6. Die Acetonurie und die Einfuhr von Fett.
Versuchsperson R. geniesst am 25. Februar 1895 92 g Butter, 4 g
Fleischextract, 10 g Fleisch, ca. 10 cbem Cognac und Wasser.
Urinmenge 560 cbem, enthält 63 mg Aceton und 9,3 g N.
Deutliche Fe,C], Reaction.
Versuchsperson B. geniesst am 2. März 1895 3 Tassen Kaffee,
1 Thee mit 2 Tabletten Saccharin, 110 g Butter mit Salz, 200 g Fleisch-
brühe, 1 Glas Cognac.
Urinmenge von 1115 cbem enthält 69,2 mg Aceton.
Versuchsperson R. geniesst 1450 g Fleisch, 60 & Butter und 15 g
Cognae.
Urinmenge 1070 cbem, enthält 12 mg Aceton und 29,0 & N-
Versuchsperson 0. geniesst 800 g Fleisch und 150 g Butter.
Urinmenge 2185 cbem, enthält 19,6 mg Aceton und 24,9 g N.
Urinmenge 1400 cbem, enthält 95,9 mg Aceton und 22,0 s N.
Die Acetonurie ist also bei Fettzufuhr von wechselnder Stärke.
Welche Umstände diese Unterschiede bedingen, kann erst später be-
sprochen werden.
| Schlussfolgerungen.
Acetonurie und Kohlehydrateinfuhr.
Wenn es in den Experimenten mit Ephraim, Honigmann,
Kobrak, Friedländer und dem Verfasser gelungen war, auf Ein-
leitung der Fleischdiät eine hochgradige Acetonurie zu etabliren, so
sahen wir auf eine einzige oder auf wiederholte Kohlehydratmahlzeit im.
Zeitraum von im günstigsten Falle einer halben Stunde die Acetonurie
schwinden. So zerstörten, wiein einer grossen Zahl von Beobachtungen
I. Abtheilung. Medicinische Section. 103
festgestellt wurde, Kohlehydrate eine schon bestehende Ace-
tonurie, Ebenso konnten Kohlehydrate erwirken, dass die Acetonurie,
die sonst — durch Hunger — zu Stande kam, hintangehalten wurde,
Denn die Versuchsperson R. schied bei Hunger 32,9 mg Aceton aus,
während sie durch 145 g Rohrzucker bei sonstigem Nahrungsmangel nur
12 g Aceton producirte.
Die Frage, ob schon gebildetes Aceton durch Kohlehydrate
zerstört wird, oder ob die Bildung des Acetons durch die Kohle-
hydrate verhindert wird, ist soweit durch den Versuch R. (Versuch *)
beantwortet, dass in ihm eingeführtes Aceton besser oxydirt wird, als
dies ohne Kohlehydrate geschieht. Denn während sonst 52,9 mg von
5000 mg Aceton ausgeschieden wurden, erschienen bei Einfuhr von
170 g Rohrzucker von 5000 mg Aceton nur 30 mg im Harn.
Die zweite Seite der Frage, ob die Bildung von Aceton durch
Kohlehydrateinfuhr verhindert ist, ist noch zu lösen.
Soviel ist aber sicher, dass der Kohlehydratstoffwechsel das
Auftreten von Aceton im Harn verhindert.
Acetonurie und Eiweisszerfall,
Ueberall, wo wir Eiweiss im Körper zerfallen sehen, tritt
Acetonurie auf, wenn der Kohlehydratstoffwechsel dabe
ausgeschaltet ist, der ja die Aufgabe erfüllt, Acetonurie zu ver-
hüten. Sei es, dass im Hunger Eiweiss zerfällt, sei es, dass reine
Fleischnahrung den Eiweisszerfall erhöht, immer folgt dieser Zersetzung
Acetonurie. Ja, wenn man die Acetonurie bei derselben Versuchsperson
verfolgt, so sieht man parallel mit der Erhöhung des Eiweisszerfalls die
ausgeschiedenen Acetonmengen steigen.
Versuchsperson R. scheidet im Hunger bei einem Eiweisszerfall der
zur Ausscheidung von 6,4 g N 32,9 mg Aceton aus.
Dieselbe scheidet bei Ernährung mit 600 g Fleisch 18,7 g N und
37,6 mg Aceton aus.
Bei 960 g Fleisch finden sich bei 20,96 g N 103,5 mg Aceton.
Hier sehen wir eine progressive Acetonurie Hand in Hand gehen
mit ansteigendem Eiweissstoffwechsel; ebenso bei Versuchsperson Schl.-
bei Hunger 9,2 g N_und 26,0 mg Aceton,
bei 950 g Fleisch 22,3 g N und 37,7 mg Aceton.
Wenn diese Thatsachen sich auch förmlieh von selbst in die An-
schauung hineinzupassen scheinen, in eine Anschauung, die vom Biweiss-
zerfall die Acetonurie ableitet, und in der Acetonurie eine Funetion des
Eiweisszerfalls, so müssen wir doch erst ein Verständniss für die schein-
bar paradoxe Thatsache gewinnen, dass noch weiter gesteigerter Eiweiss-
zerfall die Acetonurie wieder beschränkt.
04 Jahresbericht der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur.
So sehen wir, dass die Versuchsperson R. auf die Einfuhr von
1450 g Fleisch 26,5 g N. und nur 20 mg Aceton ausscheidet!
Aber diese Thatsache braucht nicht von der Anschauung der
Acetonurie als einer Function des Eiweisszerfalles abzuschrecken: sahen
wir doch, dass Acetonurie auch bei Eiweisszerfall nicht eintrat, wenn
zugleich Kohlehydrate zur Oxydation gelangten, und wenn wir nun uns
vor Augen führen, dass eben jene grossen Mengen des eingeführten
Eiweisses vertretend für Kohlehydrate auftreten, so gewinnen wir einen
einheitlichen Gesichtspunkt für die Betrachtung, die uns nun die Acetonurie
als eine Funetion eines mässigen Eiweisszerfalles erscheinen lässt.
Dass es sich hier nicht darum handelt, dass bei den Acetonurie
erzeugenden Mengen von zerfallendem Eiweiss Organeiweiss das zersetzte
Eiweiss ist, wie zuerst von Honigmann in Gemeinschaft mit mir,
später von v. Noorden angenommen ist, ergiebt sich aus den Aceton-
zahlen bei Versuchsperson R.: dort wurden im Hunger nur 32 mg, bei
Einfuhr von 960 g Fleisch aber 104 mg Aceton ausgeschieden: und es
kann doch keinem Zweifel unterliegen, dass im Hunger mehr Organ-
eiweiss zerfällt, als bei Ernährung mit 960 & Fleisch, Auch in den
folgenden Betrachtungen werden wir die Acetonurie, wenn wir sie unter
dem Gesichtspunkte einer Function bestimmter — mässiger — Eiweiss-
mengen betrachten, überall mit den beobachteten Thatsachen in Einklang
bringen können.
Acetonurie und Fett.
Bei flüchtigem Ueberblick scheinen die Resultate sich nicht recht unter
eine Regel bringen zu lassen. Betrachtet man zunächst die Steigerung
durch Fettzufütterung wie sie in den Versuchen an R. bei Hunger und O.
bei 800 g Fleisch auftritt, so könnte die Vermuthung entstehen, als
ob der Fettstoffwechsel ‘in gerade gegensätzlicher Wirkung gegen die
Kohlehydrate eine Steigerung der Acetonurie erziele: aber tauscht man
die Versuchspersonen und beobachtet O. bei Hunger und Fett und R. bei
1450 g Fleisch und Fett, so offenbart sich just das Gegentheil des
vorherigen Ergebnisses: in beiden Fällen hat Fett anscheinend anti-
acetonurisch gewirkt. Nimmt Alles man in Allem, so ergiebt sich
schliesslich, dass das Fett nur in soweit eine Wirkung auf die
Acetonurie hat, als es deren Causalfactor, den Eiweiss-
zerfall, beeinflusst. Nunmehr lässt sich die Vielgestaltigkeit seiner
Wirkung verstehen: denn vielgestaltig ist auch der Einfluss des Fettes
auf den Eiweissumsatz, Dass das Fett sparend auf ihn wirken kann, ist
eine Thatsache, die, am Hunde beobachtet, sich am Menschen in ziemlich
geringem Umfange bestätigen lässt: aber auch die gegentheilige Wirkung
des Fettes, die Erhöhung des Eiweisszerfalls, die schon Voit am Hunde
gesehen hat, findet sich auch gelegentlich beim Menschen; und wenn man
I. Abtheilung. Medicinische Section. 105
nun von diesem Gesichtspunkte aus die zu prüfenden Thatsachen über-
sieht, so wird es möglich, die Acetonurie als Function mässigen Eiweiss-
zerfalls zu erkennen,
Die Versuchsperson R. hatte bei Hunger eine Acetonurie von 32 mg
Aceton; dabei eine N-Ausscheidung von 6,4 g. Als nun ohne weitere Er-
nährung 92 g Butter genossen wurden, hob sich der Eiweisszerfall auf
9,5 8 N und dem entsprechend steigt auch die Acetonausscheidung auf
63 mg an.
Von dieser Versuchsperson hatten wir nun fernerhin gesehen,
dass sie bei einem Eiweiss-Umsatz gleich ca. 21&N die relativ höchste
Acetonmenge ausschied, 104 mg; dass aber eine weitere Steigerung des
Hiweisszerfalls — bei 1450 g Fleischzufuhr — auf ca. 26 s N nur
noch 20 mg Aceton im Harn auftreten liess. Nahm nun die. Versuchs-
person zu 1450 g Fleisch noch Fett, so konnte man nicht voraussehen,
ob dieses Fett den N-Umsatz noch steigern oder vermindern würde.
Beides war möglich. Für beide Möglichkeiten liess sich aber die Höhe
der Acetonurie voraussehen: Nahm der N-Umsatz ab, etwa auf 215N,
so musste eine Verstärkung der Acetonurie die Folge sein; erhöhte sich
dagegen noch der Hiweisszerfall, so musste Verminderung des ausge-
schiedenen Acetons die Folge sein: Da nun die Versuchsperson R. auf
1450 g Fleisch und 60 g Butter eine Steigerung der N-Ausscheidung
auf 29 g zeigte, so musste eine sanz minimale Acetonurie erwartet
werden und in Wahrheit wurden nur 12 mg Aceton ausgeschieden.
In derselben Weise lassen sich die Versuchsergebnisse an O. er-
klären:
O. scheidet an zwei Hungertagen aus
13,7 g N und 90,9 mg Aceton,
12,9 & N und 310 mg Aceton.
Als ©. nun sich an zwei Tagen 190 g Butter ohne jede andere Nahrung
einführt, so scheidet er aus
13,1 8 N und 82,3 mg Aceton,
11,9 & N und 236 mg Aceton.
Die Ernährung mit 190 g Butter hat hier in Andeutung eine Er-
sparung von Eiweiss erzielt und die Verminderung des Eiweisszerfalles
drückt sich deutlich in einer Verminderung der Acetonurie aus: statt
400 mg werden nur 318 mg in den zwei Tagen ausgeschieden,
An der Versuchsperson O. ist noch ein weiteres Experiment über
die Wirkung des Fettes gemacht worden,
OÖ. nahm zwei Tage lang 800 5 Fleisch allein zu sich und es zeigte
sich, dass bei O. schon diese Dosis ausreichte, um eine Acetonurie nicht
mehr zu Stande kommen zu lassen, wie ja schon oben festgestellt war,
)
106 Jahresbericht der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur.
dass sehr grosse Mengen Eiweiss die Acetonurie verhindern. O. schied
bei 800 g Fleisch aus
19,4 & N und 16,1 mg Aceton,
28,6 g N und 12,1 mg Aceton.
Als OÖ. nun zu diesen 800 g Fleisch 150 g Butter genoss'), waren jene
oben erwähnten zwei Möglichkeiten zu erwarten: steigerte das Fett den
Eiweisszerfall, so musste Acetonurie ausbleiben, verminderte es aber den
N-Umsatz, so konnte bei genügender Verminderung der N-Menge höhere
Acetonurie erwartet werden. Nun schied O. 24,9 und 22 g N aus. Dem-
entsprechend sind am ersten Tage nur 19,6 mg Aceton producirt worden
— denn am ersten Tage trat keine Sparwirkung des Fettes auf — da-
gegen am 2. Tage, wo statt 28,6 g N des Vorversuches nur 22 g N zu
constatiren waren, fanden sich 95,9 mg Aceton im Harn.
So wirkt also Fett in der Weise auf die Acetonurie ein, wie es
den Eiweisszerfall verringert oder erhöht und hierin ist sowohl der
Mechanismus als auch der Grad seiner Einwirkung ausgesprochen.
Die Betrachtung der physiologischen Acetonurie führt also zu dem
Hauptsatze: Die Acetonurie ist eine Function des Zerfalles
mittlerer Eiweissmengen.
Ausserdem ergabsich, dass Kohlehydratstoffwechsel, wie
Erhöhung des Eiweisszerfalles über ein mittleres Maass die
Acetonurie herabsetzen und dass Fett, je nachdem es sparend
oder steigernd auf den Eiweisszerfall wirkt, Einfluss auf die
Acetonurie hat.
B. Die Acetonurie bei Diabetes.
Bei Diabetes findet sich Acetonurie unter zwei wesentlich verschie-
denen Bedingungen, nämlich bei Einleitung der Fleischdiät und bei ge-
mischter Diät. Dass Diabetiker bei Einführung der Fleischkost
Acetonurie zeigen, ist an sich verständlich: warum sollte denn der Diabetiker
sich darin anders verhalten, wie der normale Mensch, aber ihn unter-
scheiden doch immerhin einige Nebenzüge vom gesunden Menschen,
Denn der Diabetiker beantwortet das Einsetzen der reinen Fleischkost
mit schneller und stärker entwickelter Acetonurie: während beim nor-
malen Menschen 48 Stunden vergehen können, bis die ausgeschiedene
Acetonmenge so hoch ist, dass sie durch Nitroprussiduatrium nachge-
wiesen werden kann, findet sich beim [Diabetiker”) schon als Resultat
einer einzigen Fleischmahlzeit Acetonurie. Zu zweit beobachtet man
als Effect des erhöhten Eiweisszerfalles durch Fleischkost bei Diabetikern
!) Natürlich liegen zwischen den verglichenen Perioden Tage mit gemisch-
ter Kost,
2) Nicht allerleichtesten Grades.
I. Abtheilung. Medieinische Section. 107
nicht nur Aceton, sondern auch Acetessigsäure im Harn, die bei nor-
malen Personen nur in geringem Maasse aufzutreten — und zwar be-
sonders bei Fettnahrung —- pflegt.
Wesentlich anders als diese im Rahmen des physiologischen noch
bleibende Acetonurie bei Eiweisskost, ist die Acetonausscheidungbei
semischter Diät aufzufassen. Wenn ein Diabetiker bei reichlicher Kohle-
hydratzufuhr auch Aceton in höheren Mengen producirt, so ist dies ein
pathologischer und ihm eigenartiger Zustand. Wie diese Acetonurie zu
erklären und prognostisch aufzufassen sei, kann nach den vorhergehenden
Betrachtungen nicht zweifelhaft sein: da der Satz festgestellt ist, Aceton-
urie entsteht bei mässigem Eiweisszerfall, wenn der Stoffwechsel der
Kohlehydrate fehlt, so heisst das im vorliegenden Falle, dass der Stoff-
wechsel der Kohlehydrate fehlt, obwohl Kohlehydrate eingeführt werden,
und dass darum Acetonurie auftritt. Dieser Diabetiker ist also trotz Er-
nährung mit Kohlehydraten analog dem normalen Menschen, welcher
auf Eiweisskost gesetzt ist: denn jene Kohlehydraternährung ist nur eine
scheinbare; werden ja doch die eingeführten Kohlehydrate nicht oxy-
dirt, sondern unverbraucht im Harn ausgeschieden.
Ob dabei Organeiweiss zerfällt, ist ganz belanglos: nur der Ausfall
der Kohlehydratoxydation ist's, der Acetonurie hervorruft. Wenn man
durch gleichzeitige Fetldarreichung noch so sehr an Organeiweiss spart,
so bleibt die Acetonurie doch bestehen. Nur der Erhöhung der Eiweiss-
menge vermag die Fähigkeit zugesprochen werden, die Acetonurie herab-
zusetzen.
Hiermit ist das Interesse an der Acetonurie keineswegs erschöpft,
denn es sind mehrere Thatsachen, die die Acetonurie mit einem der
interessantesten Probleme des Diabetes, mit dem Coma diahetieum
verbinden; erstens die Thatsache, dass kaum ein Comafall ohne Aceton-
urie vorkommt, zweitens der oftmals wiederkehrende Bericht, dass
nach Einführung der Fleischdiät wie einerseits Acetonurie, so anderer-
seits Coma gefolst sei. Dass dabei Aceton die Ursache des Coma sei,
ist deswegen möglich, weil die Ausscheidung von maximal 7 oder 10 g
Aceton im Harn und Athemluft enormen Mengen von im Körper krei-
senden Aceton entsprechen könnte,!) aber es ist deswegen wenig wahr-"
scheinlich, weil sehr grosse Mengen von Aceton im Organismus nicht
gefunden worden sind.
Auch entspricht eine Acetonurie beliebiger Höhe durchaus nicht der
Anwesenheit von Aceton im Blute, sondern vielmehr giebt es zwei Gründe
dafür, dass eine Vorstufe des Acetons im Blute kreise, wenn Aceton im
ı) Denn von eingegebenen 5 g Aceton erscheinen nur 50 mg, also 1°, im
Harn wieder.
108 Jahresbericht der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur.
Harn auftritt. Denn erstens ist der Acetonurische imStande, Aceton
zu oxydiren. Als ich der Versuchsperson Sch., von welcher ich wusste,
dass sie auf 700 g Fleisch mit einer Ausscheidung von 80 mg Aceton
antworte, 3 g Aceton bei derselben Diät von 700 g Fleisch eingab, so schied
sie 90 mg Aceton aus, so dass also klar ist, dass nicht dem Aceton, welches
ja die acetonurischen Individuen zu oxydiren im Stande sind, die Ace-
tonurie zufällt, sondern irgend einer Vorstufe. Dem entspricht, gemäss
der zweiten Thatsache, dass nämlich auf die Einführung von Acetessig-
säure reiche Mengen von Aceton ausgeschieden werden, die Vorstellung,
dass im Blute kreisende Mengen von Acetessigsäure, also die sogenannte
Diacethaemie die Vorbedingung für die Acetonurie sei. Die Ausscheidung
von Acetessigsäure im Harn, die als ein stärkerer Grad der Acetonurie
aufzufassen ist, würde zeigen, dass die Acetessigsäure nicht mehr, auch
nicht zu Aceton oxydirt werden kann, sondern dass sie als solche aus-
geschieden wird.. Dass die Acetessigsäure selber von einer höheren
Vorstufe abzuleiten ist und zwar der B-Oxybuttersäure, machen Versuche
von Ninkowski wahrscheinlich. Dass nun die Oxybuttersäure als solche
nicht immer als Folge der Eiweisskost erscheint, beruht wohl darauf
unter anderen Ursachen, dass die Störung der Oxydationsfähigkeit, die
das Erscheinen der Oxybuttersäure hervorruft, eine ausserordentlich
schwere sein muss, eine so schwere, dass sie glücklieherweise sich nur
selten findet.
Diesen Betrachtungen gemäss werden Maassregeln, die sich gegen
die Acetonurie richten, zugleich die Diacethaemie oder deren Vorstufen
treffen.)
Solche Maassnahmen werden von den physiologischen Gesetzen der
Acetonurie abzuleiten sein. Wir werden bemüht sein, den Organismus
unter diejenigen Bedingungen zu setzen, von denen wir wissen, dass sie
die allergeringste Acetonausscheidung hervorrufen. Nun kennen wir
drei Bedingungen, unter denen die verhältnissmässig geringsten Mengen
Aceton produeirt werden: Kohlehydraternährung, excessive Zufuhr von
Eiweiss und Hunger. Wir werden zunächst danach streben, möglichst
viel Kohlehydrate einzuführen und zur Oxydation zu bringen. — Leider
aber ist der Organismus eines schwerkranken Diabetikers nicht in der
Lage viel Kohlehydrate zu zersetzen.
1) Die Bedeutung der Diaceturie ergiebt sich aus obigen Betrachtungen. Sie
beweist eine noch geringere Fähigkeit des Organismus die Vorstufe der Acetessig-
säure zu oxydiren, so dass"schon bei der Oxydationsstufe der Acetessigsäure Halt
gemacht wird; dabei ist sie in ihrem Auftreten abhängig sowohl vom Individuum
als den Ernährungsverhältnissen, nicht aber von der Höhe der Acetonurie. Denn.
die eine Versuchsperson zeigt Acetessig-Ausscheidung, wo sie die andere nicht
zeigt und bei den Versuchen mit Fettzufuhr tritt sie leichter auf als bei anderen
Versuchen, die mit höherer Acetonurie einhergehen.
I. Abtheilung. Medieinische Section. 109
Würden wir nun an die zweite Möglichkeit gehen: Ernährung mit
ausserordentlich grossen Mengen Fleisch, so müssen wir uns darauf ge-
fasst machen, den Organismus zu zwingen, soviel Eiweiss zu zersetzen
als einer Ausscheidung von etwa 30 bis 35gN entspricht, das heisst,
wir müssen einen Umsatz von etwa 2 Pfund Fleisch erzielen. — Bei
dem Widerwillen schwer kranker Diabetiker gegen Fleisch ist das aber
eine bedenkliche Sache, zumal in jenen Fällen, wo selbst Kohlehydrat-
zufuhr nichts mehr erreicht. Denn gar zu leicht könnte der Versuch, ca.
1200 Gramm Fleisch einzunehmen, schon vor Beendigung abgebrochen
werden und es wäre dann lediglich eine Steigerung des Eiweissumsatzes
erzielt worden. Dass das grosse Bedenken hat, sehen wir an dem
Diabetiker M., der bei einer Ausscheidung von 20,5 g N, das heisst bei
einem er von ca. 600 g Fleisch 4,9 g Aceton, und bei 24 s N,
also bei 750 g Fleisch-Umsatz 6,35 g Aceton orudbeirt
In diesen schweren Fällen also, wo man durch Versagen der Kohle-
hydratmethode veranlasst wäre, zu dieser Ernährungsform zu greifen,
könnte es leicht passiren, dass man, weil der Kranke maximale Dosen
von Fleisch zu bewältigen ausser Stande ist, gerade die Acetonurie ins
Ungemessene steigert und damit die Gefahr des Comas noch urgirt. —
So bleibt als ultimum refugium der Hungerzustand resp. eine Ernährung
mit einem Mindestmaass von Eiweiss aus einer möglichst reichen Kohle
hydrathzufuhr übrig. Man erreicht dann mit einem minimalen Eiweiss-
umsatz und durch Einführung von Levulose, Glycerin,!) Rohzucker u. s. w.
eine verhältnissmässig geringe Acetonurie. So konnte ich durch einen
einzelnen derartigen Hungertag die Acetonausscheidung eines Diabetikers
von 7'/), g auf 2 g herunterdrücken und ihn dann durch allmähliche
Fleischzulage immerhin auf etwas geringerer Acetonmenge erhalten, so
dass bis heute noch ein Coma nicht ausgebrochen ist.
Die Kohlehydratzufuhr betreffend, will ich hervorheben, dass es mir
schon zweimal gelang, beginnendes Coma durch foreirte Kohlehydrat-
einfuhr zum Weichen zu bringen.
b . Zur Behandlung der harnsauren Diathese.
Bei dem Mangel an systematischen Arbeiten über Beziehungen von
Harnsäureausscheidung und Diät, ebenso über die Beeinflussung derselben
Substanz durch Medicamente, wenigstens an solchen Arbeiten, die mit
!) Hirschfeld hat das Glycerin besonders empfohlen, ich kann nach meinen
Erfahrungen ihm kaum eine wesentlich grössere Wirkung als einem anderen
Kohlehydrat zusprechen.
110 Jahresbericht der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur.
zuverlässigen Methoden ausgeführt sind, ist es ein Bedürfniss, die
Untersuchungen über Harnsäureausscheidung in Beziehung auf Diät und
Medicamente zu vervollständigen.
Solche Untersuchungen können von verschiedenen Zuständen der zu
untersuchenden Person — denn nur die Versuche am Menschen können
für diese Frage zunächst in Betracht kommen — ausgehen: so zunächst
von einem Zustande des Stoffwechsels, wo Einnahme und Ausgabe ohne
Veränderung sich durch Tage hinaus gleich bleiben. Wenn man aber
den Einfluss eines Ernährungsmittels in diesem Status untersuchen will,
z. B. von 200 g Rohrzucker, so wird die einfache Hinzufügung von
200 5 Zucker zu der bisherigen Diät nicht der einzige Factor, der im
Versuch verändert wird, bleiben: denn durch die Zuckerzufuhr wird der
Eiweissumsatz verkleinert und so muss eine eventuelle Harnsäurebeein-
flussung entweder der Zuckerzufuhr oder der Eiweisssparung zuge-
schrieben werden. So müsste erst festgesetzt werden, welchen Einfluss
Veränderungen im Eiweissumsatz auf die Harnsäure haben. Will man
nun zum Beispiel den Eiweissumsatz in seiner Einwirkung auf die
Harnsäure untersuchen, so könnte man, zweckmässig darauf verzichtend,
vom Stoffwechselgleichgewicht auszugehen, vom Hungerzustand, als dem
Momente des geringsten Eiweissumsatzes aus, zu mittlerer und maxi-
maler Fleischernährung übergehen und dabei die Harnsäureausscheidung
untersuchen. Die so gewonnenen Zahlen könnten dann als Grundlage
für allerlei Ernährungszusätze dienen.
In diesem Plane untersuchte ich gemeinsam mit Herrn Cand. med.
Orgler den Einfluss des Eiweisszerfalls vom niedrigsten bis zum
höchsten Grade auf die Harnsäureausscheidung bei Herrn Orgler, zudem
noch in dem Einfluss von Rohzucker und Fett.
Die Harnsäure wurde nach der Salkowski’schen Methode be-
stimmt (Silberverbindung), nachdem die ungelöst ausgeschiedene Harn-
säure beim Entleeren des Urins auf ein Faltenfilter abgefangen war
(primäre Fällung) und nachdem diejenige Harnsäure, welche noch spon-
tan bis zum Ende des Aufsammelns ausgefallen war, als secundäre
Fällung abfiltrirt war. Aus der Summe dieser drei Zahlen ergiebt sich
die Gesammt-Harnsäure, während die primäre Fällung vor Allem über die
Lösungsverhältnisse der Harnsäure im Körper orientirt. Wir gingen
natürlich vom Hungerzustande aus, als demjenigen Verhältniss, in welchem
der Eiweissumsatz das geringste Maass erreicht.
1. Abtheilung. Medieinische Section. 1
OL We anf ; Ge- N. N.
SCH Bnrunestom | Harz Iphtegsnun Aber an di im
1 Hunger 750 107 119 281 587 15,5 | 0,75
2 desgl. 740 119 12 242 374 12,3 0,75
Mittel 113 | 106 | 261 | 480 | 133
3 | 600 g Fleisch | 2015 | 209 | 192 | 604 | 1005 | 21,9 | 1,51
4 desgl. 1600 | 146 | 160 | aı6 | 722 | 23,0 |1,:1
5 desgl. 1240 109 145 322 576 23,0% 151
6 desgl. 1800 | s6 | 380 | 468 | 934 | 26,7 |1,51
Mittel 138 219 452 809 | 29,5
7 800 g Fleisch | 1430 199 75 490 764 19,4 | 0,86
8 desgl. 1350 1053 281 391 776 28,6 | 0,86
9 desgl. 1300 | ı23 | 327 | 286 : 756 | 30,7 |o,s6
Mittel 142 | 227 | 389 | 758 | 262
10 | 1650 g Fleisch | 2030 212 256 741 | 1299 40,66
11 desgl. 2690 293 947 1555 | 2793 58,0
Mittel 282 616 | 1147 | 2047 | 49,35
Es ergab sich nun an den beiden Hungertagen im Durchschnitt eine
Gesammt-Harnsäuremenge von 480 mer, als zur Ernährung mit 600 gr
Fleisch übergegangen wurde, erhöhte sich die Menge auf 809 mgr im
Mittel von 3 Tagen, und bei 800 5 ebenfalls in dreitägiger Mittelzahl
auf 758 mg bei 1650 g Fleisch auf 2046 mg.!) Es erhöhte sich
also systematisch bei rapiden Sprüngen des Eiweissumsatzes die Harn-
säuremenge.
Dass sie nicht in genauester Correlation zu der Höhe des Eiweiss-
umsatzes steht und bei 600 g Fleisch ein wenig höher ist als bei 800 g,
führt zu der Krkenntniss, dass kleine Schwankungen der Fleisch-
mengen ohne grosse Bedeutung sein können,
Im grossen Ganzen aber kann man nur sagen, dass grosse Sprünge
des Biweissumsatzes von Bedeutung sind und wenn wir in den folgenden
Versuchen mit Zusatz von Fett eine unbedeutende sparende Einwirkung
auf den N - Stoffwechsel sehen, so werden wir dieser geringfügigen Ver-
änderung von vornherein keine grosse Bedeutung beilegen, zumal nur
eine Verminderung der Harnsäureziffer damit erklärt wäre.
Y) Die Zahl 2046 mg muss auf eine geringere Zahl herabgerechnet werden,
nämlich auf 1230 mg, da sie aus der Zeit (s. u.) stammt, wo Herr Orgler durch
die später zu erwähnende Kalbsmilchernährung eine verstärkte Harnsäureaus-
scheidung dauernd erworben hatte,
11% | Jahresbericht der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur.
Ver- vahmınoafarn | Harn- |Primäre|Secund.| Silber- Sr I u
such Erashrmssform menge |Fällung |Fällung | verbind. a Harn Koth
12°| 190 Butter: 30 31 145 216 392 | 13,1] 1,52
3 desgl. 490 | 452 166 80 698 | 11,9] 1,52
Mittel 241 155 148 545 |12,5
‚|600 g es $ :
14 0 nen 1560 | 165 436 402 | 1003 | 21,2) 2,93 ')
15 desgl. 1570 | 167 252 366 785 | 22,6
Mittel 166 | 341 384 894 | 21,9
800 el
16 1508 Butter 2185 73 146 983 | 1202 | 24.9) 2,25
Wr desgl. 1400 | 157 85 451 | 694 | 22,0] 2,25
18 desg]. 1370 | 321 El 934 998 | 27,8| 2,25
Mittel 184 125 656 965 | 25,5
800 g Fleisch
„3 250 ,„Rohrzuck.
1720 7330 536 911) | 1817235 1876
20 desgl. 1610 | 320 , 308 | 987 | 1615 |22,8| 1,26
21 de 1530 | 106 | 144 | 783 | 1333 |26,2| 1,26
Mittel 368 | 329 | 894 | 1591 | 2,58
Wir sehen aber gerade das Gegentheil eintreten: die Harnsäuremenge,
die beim Hunger 480 mg betrug, erhebt sich in den zwei Tagen, wo ohne
andere Ernährung 190 g Butter genossen wurden, auf 545 mg, die
Zulage von 150 g Butter zu 600 g Fleisch treibt die Harnsäure von
809 mg auf 894 mg; während bei 800 g Fleisch und 150 g Fett
wir eine Erhöhung von 758 mg auf 965 mg finden.
Dabei ist der Stickstoffumsatz kaum verändert zu nennen. Wir
sehen also, dass hier die Zulage von Fett im geraden Gegensatz zu den
Versuchen von Horbaczewski und Kanera und in Bestätigung der
alten Koch-Meissner’schen Versuche eine beträchtliche Erhöhung der
Harnsäureausscheidung ergeben hat. Eine analoge Wirkung sehen wir,
als in drei Tagen 800 g Fleisch und 250 g Rohrzucker genossen
wurden. Auch hier sehen wir nur eine geringe Sparwirkung auf den
Eiweissumsatz einwirken und eine gewaltige Erhöhung der Harnsäure-
ausfuhr. Doch ist dieser Versuch nicht voll als parallel den andern
anzusehen, denn er ist zu einer Zeit angestellt, als die Versuchsperson
in Nachwirkung weiter unten zu beschreibender Versuche eine Urat-
diathese erworben hatte,
‘) Nur an diesem Tage konnte Durchfalls wegen Koth gesammelt werden.
I. Abtheilung. Medicinische Section. 113
Nunmehr lag es in unserer Absicht, noch die Einwirkung einzelner
Medicamente auf pathologische Harnsäureausscheidungen zu studiren. —
Dureh die Arbeiten von Horbaczewski wissen wir, dass die Ein-
führung von Nucleinsäure zu einer Vermehrung der Harnsäureausscheidung
führt. Der Einführung von Nucleinsäure hat Weintraud die bequeme
Form gegeben, sie durch Ernährung mit nucleinsäurereichen Geweben,
mit Kalbsmilch zu ersetzen.
In der That schied Herr Orgler, dessen Verhalten bei 500 g
Fleisch, 250 g Semmel, 22 g Rohrzucker und 40 9 Butter die
folgende Tabelle darstellt, auf Zuführung von 500 g Kalbsmilch, 450 g
Semmel und 50 & Fett die ungeheure Menge von 2456 mg Harnsäure
pro Tag aus.
Yen Brnahrungstom | Harz, [prinelsecund. Siber. (mm. | im | im
22 | Gemischte Kost | 1330 66 | .168.|, 349,1 584 |.12,2 1,52
23 desgl. 1150 | 156 | 245 | 621 | 1023 | 13,8 [1,82
24 desgl. 770 22 7210| 0780 W1045\615,7.1,182
25 desgl. 1070| 4.278, 1,2921: 3184 15.8197 18,34 | 1,08
36 desgl. 1320 30 257 5300| 588 1992 1.08
27 desgl. 1280 7a 19, 496 rora, | 23,9% 1.08
28 desgl. 1040 | 204 | 293 | 530 | 1027 | 20,4 | 1,08
29 desgl. 950 | 176 | 252 | 140! 568 | 21,8 |1,08
Mittel 126 | 221 | 433 | 780 | 181
30 |500 gKalbsmilch| 1755 | 371 | 326 | 2456 | 3153 | 19,4
31 desgl. 1640 | 176 | 789 | 1316 | 2181 | 19,3
32 desg]. 1700 | 216 | sı6 | 901 | 2033 | 19,99
Mittel 354 | 644 | 1557 | 2456 | 19,6
Nachtag: |
33 | Gemischte Kost | 1950 197 | 428 | 1004 | 1629 | 20,2
Nun interessirte es uns zu sehen, welchen Einfluss auf diese künst-
liche Uratdiathese die Verabreichung von Harnstoff — in der Menge
von 20 g pro die — haben würde, da mich frühere Untersuchungen
‘an Uratdiathetikern vermuthen liessen, dass auch hier die Harnsäure-
bildung vermindert werden würde und die Lösungsverhältnisse der
Harnsäure verbessert werden würden.
189. 8
"15 Ve Jahresbericht der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur.
Ver- | Frshruns n i Harn- |Primäre) Secund.| Silber- | Gesammt- | N. im
such ZUSnDnn Son menge |Fällung |Fällung verbind.|Harnsäure| Harn
34 500 g Kalbsmilch | 1420 | 244 72 596 913 23,1
+ 20 g Harnstoff
35 desgl. 1780 | 127 737 | 1145 2010 27,0
36 desgl. 1535 | 234 | 1224 895 2353 27,5
Mittel 202 678 | 878 | 1758 | 25,9
Nachtag:
37 | Gemischte Kost | 1280 | 152 | 698 | 504 | 1355 20,7
In der That zeigte es sich, dass die Harnsäureausscheidung von
2456 mg auf 1758 mg herabging, Die Lösungsverhältnisse waren
insoweit günstigere, als statt 254 mg der primären Fällung ohne Harn-
stoff unter der Einwirkung des Harnstofis 202 mg nur erschienen.
Dass es sich nicht etwa dabei um eine Retention von Harnsäure handelt,
ergiebt sich, wenn man den Nachtag bei gemischter Kost betrachtet
und mit dem Nachtage nach der ersten Kalbsmilch-Periode vergleicht.
Wäre eine Retention von Harnsäure eingetreten, so hätten wir hier
eine höhere Harnsäureziffer zu erwarten, als nach der ersten Kalbs-
milch-Periorde. Wir finden aber auch hier nur eine geringere Aus-
scheidung als am Nachtage der ersten Periode.
Es lag uns nahe, das von Nicolaier jüngst empfohlene Harnsäure-
lösungsmittel, das Urotropin, in gleicher Weise wie den Harnstoff zu
probiren. Es wurden zur Kalbsmilchdiät 1'/,, 2 und am dritten Tage
3 g gegeben. Der Effect war ein ähnlicher als beim Harnstoff, doch
sank weder die Ziffer der Gesammtmenge, noch die der primären Fällung
so tief als dies der Harnstoff erreichte.)
Während beim Harnstoff 1758 mg insgesammt und 202 mg un-
gelöst erschienen, fanden sich nach Urotropin 1836 resp. 214 mg.
!) Harnsäurelösend scheint Urotropin auch nicht immer zu wirken: wenigstens
fanden sich, als ich einem Urotropinharn 180 mg Harnsäure zusetzte, nach einigen
Stunden 260 mg als Sediment. — Hierbei möchte ich kurz erwähnen, dass ich die
von Mendelsohn beschriebene Hemmung der Harnsäurelösung mittelst Lysidin,
welche durch Kochsalz bewirkt werden soll, nicht bestätigen kann: denn
sowohl bleiben Harnsäure-Lysidinlösungen (schwacher Concentration) durch Koch-
salzzusatz unverändert, als es möglich ist, durch Lysidin im Harn (geringe) Mengen
von Harnsäure zur Lösung zu bringen.
I. Abtheilung. Medicinische Section. 115
Ver- 5 Harn- |Primäre| Secund.| Silber- Ge- | N.
such Du Tuezforu menge Fällung | Fällung |verbind. sammt- un
| Harns. Harn
338 | 500 g Kalbsmilch | 1775 176 310 | 1108 1594 19,2
+1, g Urotropin
39 | 500 g Kalbsmilch | 1510 257 499 | 1890 2647 18,8
— 2 g Urotropin
40 | 500 g Kalbsmilch | 1390 | 211 321 757 1269 20,3
—+ 3 g Urotropin
Mittel 214 | 377 | 1245 | 1836 | 19,4
Es sei übrigens noch hervorgehoben, dass das Urotropin bei drei
Personen störende Nebenwirkungen hatte. Herr Orgler bekam nach
dem dritten Tage starken Durchfall; Patient D. Leibschmerz, - Durchfall
und Blasenkrampf auf eine tägliche Dosis von 1', g; ebenso A. nach
1, g Erbrechen und Brennen in der Urethra.
Eine interessante Thatsache ist die, dass als eine Nachwirkung der
ganzen Kalbsmilch-Periode eine enorme Veränderung in der Harnsäure-
Production bei Herrn Orgler aufgetreten ist und sich über 12 Tage
feststellen liess,
In patidnäthonn | Barz, Ieeineelsunnna ame (eben) 1,
Vor der Kalbsmilch-Periode.
Gemischte Kost 126 | 221 433 430 ELel
(Durchschnitt)
800 g Fleisch 142 | 227 | 389 158 | 26,2
(Durchschnitt) |
Nach der Kalbsmilch-Periode.
41 Gemischte Kost | 1625 | 251 309 |] 909 1469 18,43
42 desgl. 1510 | 249 | 632 | 754 1635 | 22,4
43 800 g Fleisch 1980 | 175 | 142 | 926 1243 | 23,28
Während er früher auf 300 g Fleisch 758 mg Harnsäure entleerte,
schied er 12 Tage nach den neun Kalbsmilchtagen 1243 mg aus, und
auch bei gemischter Kost zeigte er die grossen Harnsäurewerthe von
1635, 1469 mg.
Die Resultate unserer Versuche sind also:
1. Erhöhung des Eiweissumsatzes erzeugt eine beträchtliche Stei-
gerung der Harnsäureausscheidung, welche bei grossen Differenzen
im Eiweissumsatz sehr deutlich ist.
2. Zulage von 150—190 g Butter bei verschiedenen Eiweissumsatz-
stufen erhöht die Harnsäureausscheidung erheblich.
8#
116 Jahresbericht der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur.
3. Rohrzuckerzulage erhöht ebenfalls die Harnsäureausscheidung.
Die durch Kalbsmilch hervorgerufene Steigerung der Harnsäure-
menge wird durch Harnstoffdarreichung so beeinflusst, dass so-
wohl eine geringere Bildung von Harnsäure als auch eine bessere
Lösung der Harnsäure erzielt wird.
5. Unter gleichen Verhältnissen wirkt auch Urotropin bildungsver-
mindernd und lösungverbessernd auf die Harnsäure ein, doch
nicht so stark wie der Harnstoff, auch treten Nebenwirkungen
auf Darm und Blase und Magendarmtractus auf.
6. Nach der Kalbsmilch-Periode fand sich eine lange Nachzeit er-
höhter Harnsäureausscheidung.
Auch diese Resultate sind vorläufig als nur individuell gültig auf-
zufassen.
16. Sitzung vom 25. October 1895.
Vorsitzender: Herr Prof. Dr. Buchwald. Schriftführer: Herr Dr. Drewitz.
Vor der Tagesordnung. Der Vorsitzende widmet dem jüngst ver-
storbenen Sanitätsrath Dr. O. Janicke einen Nachruf.
Tagesordnung:
Herr Dr. Keilmann:
Ueber künstliche Ernährung gesunder Säuglinge.
Geleitet von der Erfahrung, dass die künstliche Ernährung der Säug-
linge trotz der Fortschritte, die namentlich auf dem Gebiete der Sterili-
sation zu verzeichnen sind, immer noch wenig befriedigt, haben wir
es für angebracht gehalten, in unserer Klinik das uns zur Verfügung
stehende Kindermaterial zu Beiträgen für die Entscheidung der Frage
nach der zweckmässigsten künstlichen Ernährung auszunutzen. Das
Material einer geburtshilflichen Station ist dazu besonders geeignet, weil
es sich aus gesunden Kindern zusammensetzt und diese nicht nur den
normalen Typus repräsentiren, sondern sich an ihnen die Frage nach
der zweckmässigsten Ernährung mit der Frage nach der besten Pro-
phylaxe gegen die Erkrankung des Magendarmkanals deckt. Es darf
noch weiter behauptet werden, dass die erste Lebenswoche für die Er-
nährung des Kindes ganz besonders wichtig ist, weil in dieser Zeit sich
am leichtesten Störungen geltend machen, welche spätere Erfolge in
Frage stellen können. Dass das Kind in der ersten Zeit empfindlicher
gegen gewisse Schädlichkeiten ist, die der Nahrung anhaften, und dass
es auf solche prompter reagirt, als in späterer Lebenszeit, ist eine wich-
tige Thatsache, die in erster Reihe den Geburtshelfer interessiren muss.
Um unseren Erfahrungen über die künstliche Ernährung zunächst eine
Basis zu geben, sind seit ca. anderthalb Jahren sorgfältige Aufzeichnungen
über das Befinden der Kinder gemacht worden, wobei zunächst die be-
I. Abtheilung. Medicinische Section. 117
kannte Mischung eines Theils Kuhmilch mit drei Theilen Wasser und Zu-
satz von Milchzucker verwendet wurde; zur Sterilisation wurde der
Soxhletapparat benutzt. Als die Beobachtungsreihe genügend gross war,
wurde die von Friedr. Krüger vorgeschlagene Mischung von Milch und
Wasser in gleichen Theilen versucht. Die Erfolge in beiden Versuchs-
reihen weichen von den auch sonst mit künstlicher Ernährung gemachten
Erfahrungen nicht ab und sind im Durchschnitt, verglichen mit den Re-
sultaten der Brustmilchernährung, als durchaus unbefriedigende zu be-
zeichnen. Wie schon in der Arbeit über die Diätetik der ersten Lebens-
woche mitgetheilt, fehlten den Kindern beider Gruppen am neunten
Tage noch 6 und 7 Procent des Anfangsgewichts, während unsere Brust-
kinder das Anfangsgewicht zu dieser Zeit fast erreicht hatten.
Aber so wichtig das Körpergewicht für die Beurtheilung des Ge-
deihens auch sei, das einzige Kriterium darf es nicht sein für Bestimmung
des Werths eines Nährmittels; es muss festgestellt werden, durch Ver-
mittelung welcher Erscheinungen das geringe oder ausgiebige Wachs-
thum zu Stande kommt; insbesondere scheinen mir zwei Möglichkeiten
vorzuliegen: einerseits ist es die directe Insuffiecienz des Nährmittels, das
entweder den nöthigen Nährstoff gar nicht oder in unausnutzbarer Form
bietet, andererseits kann das betreffende Nährmittel sehr wohl an sich
auch gute Ernährung des Säuglings ermöglichen, hindert jedoch dieselbe
dadurch, dass es den bis dahin gesunden Darm krank macht und nun
für das kranke Kind nicht ausreicht.
Dass mit Kuhmilch nun Kinder gross gezogen werden können, ist
eine bekannte Thatsache und auch uns ist das mehrfach gelungen —
ein Versuchskind haben wir mit einem Körpergewicht von 9000 gr am
Ende des ersten Lebensjahres entlassen —; das beweist, dass man mit
sewöhnlicher Kuhmilch ein Kind ernähren kann; dass es aber be-
sonders in den ersten Wochen so ausserordentlich schwer ist, das
Kind bei guter Zunahme zu erhalten, in späteren Monaten relativ leicht
scheint, das Kind vorwärts zu bringen, lässt es plausibel erscheinen,
dass bei der grösseren Empfindlichkeit des jüngeren Kindes im Anfang
die Dyspepsien eine grosse Rolle spielen und diese es sind, die sich
einem erfolgreichen Gedeihen hindernd in den Weg stellen; die Dyspepsien
aber können und müssen als Folgen gewisser Eigenschaften des Nähr-
mittels angesehen werden.
Nach den gemachten Beobachtungen nun bin ich der Ansicht, dass
die wenig befriedigenden Resultate der Ernährung mit Kuhmilch lediglich
oder doch in erster Reihe den durch dieselbe erzeugten Dyspepsien zu-
zuschreiben sind; bei genauer Beobachtung kann man feststellen, dass
dyspeptischen Erscheinungen ausserordentlich prompt Gewichtsabnahmen
bezw. Rückfälle folgen — so prompt, dass man Zacken in der Curve
direet zur Diagnose der Dyspepsie verwerthen kann. Dieser Auffassung
118 | Jahresbericht der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur.
können zwei Einwände gemacht werden: erstens, dass auch ohne auf-
fallende Symptome Rückfälle in der Gewichtscurve constatirt werden
können und zweitens bei Brustkindern die Rückfälle ausserordentlich
selten sind und Dyspepsie hier auch vorkommen kann.
Hinsichtlich des ersten Einwandes muss darauf hingewiesen werden,
dass es nicht auffallender Symptome bedarf, um die Dyspepsie zu
diagnosticiren bezw. dass der Einwand nur scheinbar zu Recht besteht,
wenn die Beurtheilung des klinischen Bildes der Dyspepsie nicht frei
wird von Vorurtheilen und Irrthümern hinsichtlich dyspeptischer Symptome,
Es sei hier nur beispielsweise erwähnt, dass oft Soor als primäre Er-
krankung und erst als Ursache einer Magendarmaffeetion angesehen wird.
Das muss als irrthümlich bezeichnet werden, denn Soor entwickelt sich
nur, nachdem eine Dyspepsie dieser Erkrankung den Boden geschaffen
hat. Lange, d. h. oft Tage vorher schon haben in solchen Fällen
Symptome von ‚ Dyspepsie bestanden, insbesondere Unruhe und Er-
brechen. Letzteres sei noch besonders betont! Das Speikind ist kein
Gedeihkind, sondern ein krankes — jedes Erbrechen ist Krankheits-
symptom und wenn Speikinder doch gelegentlich gedeihen, so gedeihen
sie eben trotz des Erbrechens. Und sehen wir zu, unter welchen Um-
ständen solches beobachtet wird, so finden wir, dass es namentlich
Brustkinder sind, die speien und doch ausgezeichnet gedeihen können,
Die Erklärung liest hier in der wesentlichen Differenz der Nähr-
mittel hinsichtlich ihrer Verdaulichkeit; ein leicht erkranktes Kind kann
Muttermilch noch sehr gut verdauen und dabei wachsen, Kuhmilch aber
nicht und während bei Brustmilch leichte Dyspepsien spontan ausheilen,
ehe die Gewichtscurve eine Zacke zeigt, cumuliren sich die Schädlich-
keiten bei Kuhmilchernährung und das Kind wird nicht nur nicht gesund,
wenn keine Regelung ') der Diät Platz greift, sondern zeigt bald weitere
Krankheitssymptome bis zu gesteigerten Körpertemperaturen, krankhaften
Veränderungen der Fäces und — Soor. In beiden Gruppen ist die
häufige Appetitverminderung ein wichtiger Factor für die spontane Aus-
heilung der Dyspepsie.
Schwerere Erkrankungen — etwa mit profusen Diarrhoeen etc. bleiben
hier ganz ausser Betrachtung, denn diese — meist bacterieller Natur —
entstehen erst auf dem Boden der Dyspepsie, die noch vielfach ver-
nachlässigt wird. Dass wir an unseren 1200 Kindern nur einmal pro-
fuse Diarrhoeen. gesehen haben und unter diesen Kindern eine grosse
Zahl mehrere Monate ja bis zu einem Jahre beobachtet sind, beweist
!) Unter Regelung der Diät ist Einhaltung dreistündiger Pausen zu verstehen,
die oft noch verlängert werden müssen bis zur absoluten Hungerkur, bei welcher
in 12—24 Stunden nur gekochtes Wasser oder schwacher Thee gegeben wird; als
Arznei wird dabei Acid. hydrochlor. dil. 0,5: a Theelöffelweise mehrmals
täglich gereicht.
I. Abtheilung. Medicinische Section. 119
nicht, dass wir nur keimfreie Milch verfüttert haben, sondern allenfalls,
dass wir bemüht waren, jede Dyspepsie im Entstehen zu unterdrücken.
In dieser Auffassung und rigorosen Diagnose der Dyspepsie liegt
die Motivirung der von uns gewonnenen oben dargelegten Auffassung
und die Häufigkeit selbst auch der leichtesten Dyspepsien möchten wir
für einen wichtigen Anhaltspunkt zur Beurtheilung eines Nährmittels halten.
Da ich leider in den ersten Beobachtungsreihen die Dyspepsien
nicht so sorgfältig aufgezeichnet habe, um ein Zahlenverhältniss notiren
zu können, muss ich mich darauf beschränken, die Häufigkeit der Rück-
fälle zur Charakteristik der Kuhmilchresultate heranzuziehen und finde,
dass hierbei Gewichtsabnahmen überhaupt in 88,2 %/, der Fälle ver-
zeichnet sind, während bei Muttermilchernährung 45,5 %/, der Kinder
diese Erscheinung darboten. Mehr als einmal waren rückfällig 79,4 °,
der künstlich genährten, 18,9 °/, der natürlich genährten Kinder, mehr
als zweimal aber zeigten geringeres Gewicht gegenüber dem vorher-
gehenden Tage nur 1,5 °/, der Brustkinder, dagegen 50,0 %, der Kuh-
milchkinder.
Endlich sei noch mitgetheili, dass den künstlich genährten Kindern
am neunten Tage 232,8 (Milch zu Wasser — 1: 5) resp. 188,4 d.h.
7,2%, resp. 5,8%, des Anfangsgewichts fehlten, während die entsprechenden
Zahlen bei natürlicher Ernährung 37,9 g resp. 1,1 °, sind.
Dieses mag nun genügen, um die Resultate der künstlichen Er-
nährung als wenig befriedigend zu bezeichnen und es gerechtfertigt er-
scheinen zu lassen, dass wir zunächst für die ersten zehn Tage einen
Versuch mit anderen Nährmitteln gemacht haben, um dann gleichzeitig
möglichst viel Dauerbeobachtungon anzuschliessen.
Als gut motivirt erschien uns und für den ersten Versuch geeignet,
die sogenannte Gärtner’sche Fettmilch, deren Zubereitung und Sterili-
sation an dieser Stelle übergangen werden kann.
Die Darreichung geschah nach Art der sonstigen Soxhletfütterung
mit dem Unterschiede, dass die Milch nach Vertheilung in Portions-
flaschen nur eben aufgekocht wurde; vielfache Beobachtungen und
Prüfungen des Geruchs, Geschmackes und Aussehens der Milch haben
ergeben, dass die gelieferte Fettmilch so gut sterilisirt war, als das
eben möglich war. In Rücksicht auf die Untersuchungen Flügge’s, die
den Nachweis gebracht haben, dass bei der angewendeten Sterilisation
„wirklich keimfreie‘“ Milch nicht erzielt werden kann, wurde die Milch
möglichst frisch nach der Zubereitung und Sterilisation verbraucht und
bis dahin kühl gehalten; seit dem September wurde auf unsere Ver-
anlassung in der Nipper’schen Molkerei die Milch nach der Erhitzung
schnell gekühlt und in Eis uns zugesandt, bei uns weiter im Eisschrank
aufbewahrt. Die Resultate der Versuche waren bei Weitem befriedigender
als bei der bisherigen künstlichen Ernährung. |
120 Jahresbericht der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur.
Ich muss mich: im Referat darauf beschränken, zum Vergleich mit
den obengenannten Zahlen die entsprechenden bei Fettmilch gewonnenen
hier zu notiren. Die 16 Curventafeln, an denen ich die gewonnenen
Beobachtungen in detaillirter Weise darlegen konnte, kommen an an-
derer Stelle zur Veröffentlichung. Hier mögen zwei jener Tafeln zur
Orientirung Platz finden.
Hinsichtlich der Dyspepsien bei dieser Ernährung ist als ausgezeich-
netes Resultat zu verzeichnen, dass 39,1 °/, aller Kinder (50) überhaupt
nur Erscheinungen meist schnell vorübergehender Dyspepsien zeisten,
wobei ich nicht unterlasse zu betonen, dass jedes Erbrechen als Krankheits-
symptom mitgerechnet ist. Gewichtsrückfälle ohne Rücksicht auf
diagnostieirte Dyspepsien sind notirt in 45,6 °/, der Fälle (45,5 bei
Muttermilch); mehr als einmal haben abgenommen 21,7 °/, (Muttermilch
18,9 %,, Kuhmilch 79,4 °/,), mehr als zweimal nur 4,3 °/, der Kinder
(Muttermilch 1,5, .Kuhmilch 50,0 °,). Diese Zahlen stellen die Fettmilch-
ernährung in ein sehr günstiges Licht, besonders wenn ich darauf hin-
A 181 Kinder, Muttermilch. B 50 Kinder Fettmilch.
C 39 Kinder Kuhmilch (1 : 1). D 56 Kinder Kuhmilch (1: 3).
gemacht sind, und zu dieser Zeit Lufttemperaturen bis 33°C. vor-
gekommen sind.
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S
E
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Ss
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S
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Rı=
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a
nn
I. Abtheilung. Medieinische Section. 2
Am neunten Tage fehlten den Fettmilchkindern 3,2 °/, des Anfangs-
gewichts, gegen 6,1 resp. 5,9 %/, bei den gleichzeitigen Kuhmilchkindern. An
der Tafel I lässt sich ersehen, um wie viel näher die Fettmilcheurve B
der Muttermilcheurve A kommt, als die Curven C (Milch : Wasser =1:3
mit Zusatz von Kalkwasser) und D (Mischung 1:1). Die geringere Ab-
nahme bei Fettmilchernährung erklärt sich dadurch, dass die bei künst-
licher Ernährung vorhandene Möglichkeit reichlicher Nahrungszufuhr
hier auch gut assimilirbare Nahrung bot, während die Kinder Erst-
sebärender bei Brusternährung anfangs oft auf sehr knapper Diät sind.
Die geringere Tauglichkeit der gewöhnlichen Kuhmilch spricht sieh darin
aus, dass die physiologische Abnahme ungehindert ihr Maximum erreicht
und der Zuwachs in den folgenden Tagen ein minimaler ist. Die Tendenz
zur Zunahme aber zeigt sich ausnahmslos bei allen Ernährungsarten im
Durehschnitt am vierten resp. bei stärker verdünnter Kuhmilch am fünften
Tage.
zeichnet und beziehen sich auf 181 Brustkinder, 50 Fettmilchkinder, 39
resp. 56 Kuhmilchkinder. Auf der zweiten Tafel sind die Gewichts-
eurven der Brustkinder und der mit zu gleichen Theilen mit Wasser
gemischten Kuhmilch in Vergleich gesetzt mit den Curven derjenigen
13 Kinder, die an irgend einem Tage Erscheinungen von Dyspepsien
gezeigt haben und der 28 Kinder, die als stets gesund angesehen worden
sind. (5 Kinder wurden als zweifelhaft ausser Betrachtung gelassen.)
122 Jahresbericht der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur.
Diese Tafel zeigt, dass die gesund gebliebenen Kinder bis zum
zehnten Tage genau so weit gekommen waren, wie die Brustkinder, dass
die kranken immer noch bei Weitem besser gewachsen sind, als die mit
Kuhmilch genährten; bei letzteren sind zur Durchschnittsberechnung alle
auch gesunden Kinder verwendet worden. Die tägliche Zunahme der
Kuhmilchkinder beläuft sich hierbei auf 2,6 g pro die, während die
kranken Fettmilchkinder 9,6 g pro die zugenommen haben; die ge-
sunden wuchsen um 23,0 g täglich; die Brustkinder nahmen, wie vorher
bereits erwähnt, anfangs mehr ab, erreichten jedoch mit einer täglichen
Zunahme von 52,8 g dieselbe Höhe.
Zum Schluss sei darauf hingewiesen, dass an den demonstrirten
Curven gezeigt werden konnte, dass Nahrungswechsel mit Fettmilch ohne
Schaden vorgenommen werden konnte; insbesondere wuchsen Brustkinder,
abgesetzt und mit Fettmilch weitergenährt, ungestört fort. Ebenso
konnte gezeigt werden, dass ein gutes Gedeihen sämmtlicher Kinder, die
längere Zeit in Beobachtung waren, bei Fettmilch leichter und sicherer
zu erzielen war, als sonst bei künstlicher Ernährung. Insbesondere ist
es gelungen, drei frühgeborene Kinder von 1610, 1700 und 1800 g An-
fangsgewicht nicht nur zu erhalten, sondern auch in erfreulicher Weise
wachsen zu sehen; das eine (1610) ist noch jetzt in Beobachtung, wiegt
— eben 6 Monate alt — 3400 g, nachdem es im fünften Monat eine
fast 2 Wochen währende Dyspepsie durchgemacht hatte, wobei Erbrechen
bestand, stinkende Fäces, die bis viermal täglich entleert wurden und
allerdings nur einmalige Temperatursteigerung über 38,0 notirt worden
ist. In der ganzen Zeit, während welcher diese Erscheinungen anhielten,
war die Reaction der Fäces nicht sauer, sondern neutral oder alkalisch;
sonst sind Fettmilchstühle stets geruchlos und sauer und gleichen auch
im Aussehen, Menge, Consistenz vollkommen den Brustmilchstühlen.
Eines dieser kleinen Kinder starb plötzlich im vierten Lebensmonat,
ohne dass eine Krankheitserscheinung constatirt worden war; es hatte
am letzten Tage noch 20 g zugenommen, Es gehört dieser Todesfall
in die Gruppe derjenigen, die besonders bei Frühgeborenen mehrfach
beobachtet ist, auch wenn sie an der Mutterbrust genährt werden. Ge-
meinhin wird die sogenannte „Lebensschwäche“ in solchen Fällen als
Todesursache angenommen; wissenschaftlicher dürfte die Annahme einer
wenn auch leichten Darmsepsis und Intoxication mit direeter Schädigung
des Herzens sein. Erwähne ich noch, dass ausgetragene Kinder im
Laufe von Monaten regelmässig einen täglichen Zuwachs zeigten, ins-
besondere eines mit einem Anfangsgewicht von noch nicht 3000 g die-
selben Gewichtsverhältnisse zeigte, wie das Ahlfeld’sche Muttermilchkind,
so glaube ich mit guter Motivirung die Fettmilch zu künstlicher Er-
nährung getrost empfehlen zu können. Genauere Daten über die kurz
mitgetheilten Beobachtungen werden im Jahrbuch für Kinderheilkunde
erscheinen.
I. Abtheilung. Medieinische Section. 123
Diseussion:
Herr Dr. Baumm referirt über günstige Erfahrung mit Ernährung
mit der der Gärtner’schen Fettmilch ähnlichen Milch der Breslauer
Molkereigenossenschaft in der hiesigen Hebammenanstalt.
Herr Prof. Röhmann fragt, ob Stoffwechsel-Untersuchungen bei
den einzelnen Ernährungsarten vorgenommen worden sind.
Herr Dr. Toeplitz hat auch gute Resultate bei Kuhmilchernährung
und fortschreitende Gewichtszunahme gesehen.
Herr Prof. Czerny. Untersuchungsergebniss der Milch der Molkerei-
genossenschaft.
Herr Dr. Schmeidler hat die Fettmilch von Kindern refüsiren
sehen, weil Butterklumpen darin herumschwammen.
Herr Dr. Courant fragt, ob Untersuchungen der Gärtner’schen
Milch angestellt worden sind.
Herr Geh. Rath Ponfick spricht über die Ursachen des plötzlichen
Todes bei Kindern mit Bezug auf einen im Vortrage des Herrn Dr. Keil-
mann erwähnten derartigen Fall.
17. Sitzung vom 1. November 1895.
Vorsitzender: Herr Geh. Rath Mikuliecz. Schriftführer: Herr Dr. Tietze.
Tagesordnung:
1) Herr Dr. Thiemich:
Ueber künstliche Ernährung magendarmkranker Säuglinge.
M. H., in der vorigen Sitzung hat Herr College Keilmann Ihnen
recht günstige Erfahrungen über Gärtner’sche Fettmilch als Nährmittel
für Neugeborene vorgelegt. Die Resultate, welche ich Ihnen heut vor-
zuführen die Ehre habe, sind auch mit Gärtner’scher Fettmilch erzielt,
unterscheiden sich aber sehr wesentlich von Keilmann’s Ergebnissen
dadurch, dass sie alle an mehr oder weniger magendarmkranken Kindern
gewonnen wurden.
Was zunächst die verwendete Milch angeht, so wurde schon in der
vorigen Sitzung constatirt, dass die von der Breslauer Molkerei gelieferte
sterilisirte Kindermilch dieselbe Zusammensetzung in Bezug auf Eiweiss,
Fett und Zucker besitzt, wie die Gärtner’sche Fettmilch, für deren
Herstellung die Nipperner Molkerei das Patent erworben hat. Wir
haben von beiden Fabrikaten fortlaufend an Stichproben den Stickstoff-
gehalt nach der Methode von Kjedahl, das Fett nach der acid-butyro-
metrischen Methode von N. Gerber bestimmt, welche bei bequemer
Ausführung sehr siehere Resultate ergiebt. Es zeigte sich, dass der
124 | Jahresbericht der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur.
Eiweissgehalt, wenn: wir die gefundenen Stickstoffwerthe durch Multipli-
cation mit dem Faetor 6,25 in Eiweiss umrechneten, zwischen 1,79 °/,
und 1,52 /, schwankte, der Fettgehalt zwischen 2,6 °/, und 3,5 %,. Die
Gesammtacidität betrug für 50 ce Milch nie mehr als 1,8—2,0 cc 7
NaOH, während noch das Doppelte für zulässig gilt.
In die wichtige Frage nach dem Bacteriengehalte unserer Milch
haben wir uns nicht genauer eingelassen, da wir, auf poliklinische Be-
obachtungen angewiesen und genöthigt, die Milch in '/,-Literflaschen ab-
zugeben, für eine genügende Sterilität der Milch keinerlei Sicherheit
hatten, auch falls jede uneröffnete Flasche ideal sterilisirt gewesen wäre.
Als Resultat unserer wenig zahlreichen Versuche in dieser Richtung
ergab sich, dass die Milch nicht absolut keimfrei, aber doch soweit
sterilisirt war, dass manche Flasche noch nach 5—6 Tage langem Auf-
enthalt im Brütofen bei 37,0° in Aussehen, Geruch und Geschmack un-
verändert war, während allerdings sich der grösste Theil der Proben
schon nach 1—5 Tagen verdorben zeigte. Von der frisch gelieferten
Milch haben wir einige Male Agar-Agarplatten gegossen und in 0,5 resp.
1,0 ce Milch meist keine, selten vereinzelte Keime gefunden. — —
Dass den Müttern grösste Sorgfalt beim Umfüllen in die Saugflaschen
und kühle Aufbewahrung der Milch eingeschärft wurde, ist selbstver-
ständlich; übrigens haben die meisten Mütter schon aus lieber Gewohn-
heit die Milch unmittelbar vor dem Gebrauch noch einmal aufgekocht.
Sauer oder bitter gewordene Milch durfte natürlich nicht verwendet
werden.
Die Milchmahlzeiten wurden nach unserer Anordnung 4stündlich
gegeben, die Tagesmenge betrug /,—1'/, Liter, entsprechend dem Nah-
rungsbedürfniss des Säuglings. Durch dieses allein und durch die Pausen
wurde auch die Nahrungsaufnahme regulirt. Eine Einschränkung der
Milchmenge für jede einzelne Mahlzeit wurde nur im äussersten Noth-
falle angeordnet, wenn bei kräftigen, gierig trinkenden Kindern sich
längere Zeit lehmige, derbe Stühle zeigten. Dagegen haben wir die
Fettmilch mitunter verdünnen lassen. Dass eine Milch, welche der
Frauenmilch so weit wie möglich ähnlich gemacht wurde, eigentlich
unverdünnt verfüttert werden soll, ist einleuchtend, und in der That hat
Herr College Keilmann selbst von frühgeborenen Säuglingen die unver-
dünnte Fettmilch gut vertragen sehen. Indessen für den chronisch kranken
Magendarmkanal liegt die Sache doch anders. Kinder, welche bei sehr
verdünnter Kuhmilch und selbst wenn reichlich Fett, z. B. in Form von
Leberthran, zugegeben wird, stets obstipirt sind und seltene, lehmig-derbe
intensiv nach Fäulnissproducten riechende Stühle entleeren, solche Kinder
können auch den Caseingehalt der Fettmilch nicht bewältigen. Hier
muss man die Milch verdünnen lassen und die Verminderung des Fettes
I. Abtheilung. Medicinische Section. 125
und Zuckers in Kauf nehmen. Dass diese Nahrung ausreichend, d.h.
keine Hungerdiät ist, beweist vor Allem in einfachster Weise die Be-
trachtung der Stühle, in manchen Fällen auch das Ansteigen der Körper-
gewichtscurve,
Im Allgemeinen waren die Stühle von recht guter Beschaffenheit,
weich, gelb, ziemlich homogen, so dass sie bei manchen ‚Kindern von
normalem Brustmilchstuhl nicht zu unterscheiden waren. Dass daneben
bei mehr kranken Kindern alle möglichen Formen pathologischer Stühle
zur Beobachtung kamen, bedarf kaum der Erwähnung.
Unsere Versuche wurden Ende März begonnen und es ist seitdem
eine grosse Zahl von Kindern, welche, wie ich wieder betonen muss,
alle mehr oder weniger magendarmkrank waren, mit Fettmilch ernährt
worden. Der Umstand, dass wir meist auf poliklinische Beobachtungen
angewiesen waren, bringt es mit sich, dass von allen diesen Kindern
nur 37 zur Beurtheilung der Fettmilch herangezogen werden können.
Einige starben schon in den allerersten Tagen nach Beginn der Fett-
milchernährung: es waren das so schwer kranke Kinder, dass man dem
Nährmittel hier keine Schuld beimessen darf, andere blieben nach kurzer
Zeit aus diesem oder jenem Grunde aus der Beobachtung fort, bei einer
dritten Gruppe endlich wurde von unserer Seite wegen constatirter Un-
folssamkeit der Mütter oder Pflegefrauen der Versuch abgebrochen.
Alle diese Fälle haben für unsere Frage kein Interesse, wohl aber
dürfen die übrigen als vollwiegendes Beweismaterial angesehen werden.
Zwar dass man poliklinische Beobachtungen nur mit Vorsicht auf-
nehmen darf, darüber waren wir uns von Anfang an klar. Da uns aber
beim Beginn unserer Versuche hunderte von poliklinisch gewonnenen
Körpergewichtscurven anders genährter Säuglinge vorlagen, wir also in
der Deutung solcher Ergebnisse keine Neulinge waren, da andererseits nur
solche Kinder verwerthet wurden, deren Mütter einen sauberen und
ordentlichen Eindruck machten und drittens, da wir durch tägliche Be-
trachtung der Stühle uns eventuell mikroskopisch überzeugen konnten,
ob andere, speciell stärkehaltige Nährmittel zugefüttert wurden, so
glauben wir genügend gegen grobe Täuschungen gesichert und berechtigt
zu sein, unsere Beobachtungen znnächst an diesem Orte vorzulegen.
Bemerken muss ich noch, dass es an unserer Klinik nicht üblich
ist, die Magendarmaffeetionen nach dem hauptsächlich betroffen scheinen-
den Theile als bestimmte Krankheitsbilder zu trennen. Wir scheiden
nur zwischen Dyspepsie und Gastroenteritis und verstehen unter Dyspepsie
‘ein auf den Magendarmkanal beschränktes Leiden, unter Gastroenteritis
die mannigfaltigen, durch Allgemein-Intoxication oder -Infection gastro-
intestinalen Ursprungs bedingten Krankheitsbilder. Weiter wird nur in
acute und chronische Kranke geschieden,
196 Jahresbericht der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur.
Ehe ich Ihnen ‚nun unsere Resultate in Form von Körpergewichts-
curven vorführe, bin ich Ihnen eine Erklärung darüber schuldig, mit
welchem Rechte die Körpergewichtsverhältnisse als Maassstab für das
Gedeihen eines Kindes, für die Leistungsfähigkeit eines Nährmittels ver-
wendet werden. Dass diese Methode der Ergänzung durch den Stoff-
wechselversuch, welcher allein in exaeter Weise über die Ausnutzung
einer Nahrung Auskunft giebt, bedürftig ist, das ist von vorherein zuzu-
geben. Wenn man aber bedenkt, dass die technischen Schwierigkeiten,
Koth und Harn getrennt und ohne Verlust aufzufangen, beim Säugling
sehr gross sind, wenn man zweitens bedenkt, dass die wenig zahlreichen
derartigen Versuche, welche in der Literatur vorliegen, ausnahmslos mit
der Fehlerquelle des sogen. Stickstoffdefieits rechnen mussten und weiter,
dass derartige Versuche, eben der technischen Schwierigkeit halber,
stets nur wenige Tage hintereinander durchgeführt wurden, so wird man
einer einfachen klinischen Methode Gerechtigkeit angedeihen lassen,
Ausserdem sind wir ja auf die nackten Gewichtszahlen nicht angewiesen.
Wir hören in der Anamnese von vorausgegangenen Krankheitssymptomen,
wir sehen bei der Inspection die Entwickelung des Knochensystems, der
Musculatur und des Fettpolsters, kurz den augenblicklichen Ernährungs-
zustand des Kindes, wir wissen also, ob wir ein acut oder ein chronisch
krankes Kind vor uns haben. Das ist für unser Urtheil sehr wichtig.
Sehen wir z. B. ein Kind von 3 Monaten mit 5000 g Körpergewicht
bei einer bestimmten Ernährung einen Monat hindurch täglich um 10 g
zunehmen, so ist das ganz anders zu beurtheilen, als wenn die gleiche
Zunahme bei sonst gleichen Verhältnissen ein gleich altes Kind von
2500 g Körpergewicht betrifft. Im ersten Falle haben wir ein ganz
ungenügendes, im zweiten ein befriedigendes Ernährungs - Resultat
erreicht.
Schwerer noch sind schlechte Resultate zu beurtheilen; denn da wir
wissen, dass nicht jedes magendarmkranke Kind bei regelrecht durchge-
führter Brustmilchernährung zu erhalten ist und da wir andererseits bis-
her kein diagnostisches Mittel in der Hand haben, um diesen Zustand,
in dem ein Kind überhaupt nicht mehr ernährbar ist, mit Sicherheit zu
erkennen, so dürfen wir nicht jeden unglücklichen Ausgang dem Nähr-
mittel zur Last legen. Die Prognose einer Magendarmaffection wird sich
bei künstlicher Ernährung selten am ersten Tage stellen lassen, sondern
sie ist sehr abhängig von dem Verlauf schon in den ersten Beobachtungs-
tagen und so sind wir begreiflicherweise nur in wenigen Fällen und mit
grosser Vorsicht berechtigt, zu sagen, in diesem oder jenem Falle hätte
die künstliche Ernährung dieses oder jenes leisten müssen,
Das ist, scheint uns, ein sehr wesentlicher Punkt.
Es wurde in der vorigen Sitzung davon gesprochen, dass man mit
Kuhmilchverdünnungen gute Resultate erzielen könne. Zum Beweise
I. Abtheilung. Medicinische Section. 127
dafür, dass auch uns solche Erfahrungen nicht fremd sind, möchte ich
Ihnen bier als ein Beispiel für viele die nachstehende Gewichtscurve
eines in dieser Weise ernährten Kindes aus unserer poliklinischen Be-
obachtung vorführen.
Die Curve betrifft ein mit verdünnter Kuhmilch ernährtes Kind,
welches im Alter von 3 Monaten magendarmkrank in unsere Behandlung
kam. Mit geringen Schwankungen im Anfang steigt das Körpergewicht
um 18,5 g täglich während der fast 7 Monate betragenden Beobachtungs-
zeit. In der zweiten Hälfte des Mai und der ersten Hälfte des Juni
bestanden unter gleichzeitigem Körpergewichts-Stillstand unverkennbare
Magendarmstörungen,
Immerhin ist dieses Resultat als ein recht befriedigendes zu be-
zeichnen und wenn die überwiegende Mehrzahl der mit Kuhmilch ge-
nährten Kinder ähnliche Verhältnisse darböte, so wäre kein Grund vor-
handen, rastlos nach Besserem zu suchen.
Indessen, um Ihnen zu beweisen, wie erheblich anders die Sachlage
ist, bedarf es nur dieser Mortalitätstabelle für das erste Lebensjahr,
welche für einige grössere europäische Städte über die Jahre 18830
bis 1885 zusammengestellt ist. Die Säuglings- Mortalität schwankt
zwischen 120 (Lyon) und 340 (München) Todesfälle auf 1000 Geburten.
128‘ Jahresbericht der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur.
Der ausschlaggebende Unterschied
beruht nur auf dem Verhältniss
der künstlich genährten zu den
an der Mutterbrust aufgezogenen
Kindern. Lyon, wo sehr viel ge-
stillt wird, bietet die kleinste,
München, wo sehr wenig gestillt
wird, die grösste Säuglingssterb-
lichkeit dar; Beweis genug, wie ge-
fährdet ein künstlich genährtes Kind
ist,eben durch die Ernährung selbst.
Auf unserer Tabelle ist übrigens
auch Breslau aufgetragen und be-
sonders durch die weisse Farbe
hervorgehoben; es gehört zu den
am ungünstigsten gestellten Städten
mit geringer Brustkinderzahl.
Wenn ich Ihnen nun unsere
Fettmilch-Resultate vorführen soll,
so möchte ich dies in der Weise
thun, dass ich möglichst gleich-
artige Fälle gruppenweise zu-
sammenstelle und Ihnen je einen
derselben als Typus vorführe. Denn um Durchschnittscurven zu ge-
statten, ist mein Material zu klein und zu ungleichartig; alle wesent-
lichen Punkte würden sich verwischen.
Die erste Curve hier, als Typus der ersten Gruppe, gehört einem
Kinde an, das im November 1894 7 Wochen alt in unsere Behandlung
trat und seit dieser Zeit fortlaufend in Beobachtung ist. Bis Anfang
Juni wurde es mit Kuhmilchverdünnungen ernährt, die tägliche Zu-
nahme betrug im Durchschnitt 5,6 g. Von da ab wurde Fettmilch ver- _
abreicht: das Kind, das vorher stets lehmige, derbe Stühle hatte,
zeigte nun meist normale weiche Entleerungen und nahm im Durch-
schnitt um 17,2g täglich zu. Wenn auch das Kind vor Beginn der
Fettmilchernährung nicht als schwer magendarmkrank betrachtet werden
kann, so war es doch ganz gewiss nicht magendarmgesund; das zeigt
die geringe Zunahme des Gewichts, das zeigt die bestehende Obstipation.
Demgegenüber ist das Resultat der Fettmilchernährung als ein durchaus
günstiges zu bezeichnen.
Eine zweite Curve hier gehört einem Kinde an, welches 11 Wochen
alt in Behandlung trat mit den Erscheinungen einer frischen Magendarm-
erkrankung. Das Körpergewicht fällt anfangs bei Ernährung mit ver-
dünnter Kuhmilch, steigt aber vom Momente der Fettmilchernährung
u MOSE
Zei. SH
= ERS
I. Abtheilung. Medicinische Section. 129
(12. Juli) an 2', Monat hindurch um 22'/, g täglich, also in ganz be-
friedigender Weise.
ArK re Curt H
Den nächsten Typus repräsentirt diese Curve hier. Das Kind, zu
dem sie gehört, war 7 Wochen alt, sichtlich abgemagert. Schon am
dritten Beobachtungstage, am 25. Juli 1895, wurde die Fettmilchernäh-
rung begonnen. Nach länger als einem Monat hat das Körpergewicht
trotz grosser Schwankungen sein Anfangsgewicht nicht überschritten,
erst allmählich tritt bei qualitativ und quantitativ völlig gleicher Er-
nährung Gewichtszunahme und Restitution des kranken Magendarmkanals
ein. Wenn wir in diesem und in den ähnlichen Fällen nach dem Ein-
fluss der Fettmilch fragen, so müssen wir sagen, dass dieselbe von An-
1895. 5)
30. Jahresbericht der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur.
fang an die zur Ernährung des Kindes nöthigen und brauchbaren Stoffe
in der erforderlichen Menge enthielt, dass aber die Magendarmerkrankung
die genügende Ausnutzung derselben unmöglich machte. Dem kranken
Darm aber seine Restitutio ad integrum ermöglicht zu haben, diese
günstige Wirkung ist ebenfalls der Fettmilch zuzuschreiben.
Pauline & In einer andern grossen
— Gruppe von Fällen, von der
ich Ihnen hier einen Typus
vorführe, hat die Fettmilch
diesen letzteren Effect nicht
gehabt. Im vorliegenden Falle,
welcher ein 6 Wochen altes
Kind betrifft, bei dem von der
10. Woche an die Fettmilch
verabreicht wurde, scheint bis
Mitte Juli unter ganz langsamer
Gewichtszunahme die Aus-
heilung des Darmes sich anzu-
bahnen, statt aber weitere Zu-
nahme aufzuweisen, fällt das Körpergewicht von da an rasch und un-
aufhaltsam bis zum Tode ab. Zu bedenken ist hierbei, was wir vorhin bei
der Beurtheilung schlechter Ernährungsresultate besprochen haben, in-
dessen gestattete doch der erste, bis Mitte Juli reichende Verlauf des Er-
nährungsversuches dem Kinde, trotz seiner schweren Magendarm-
störung, eine günstigere Prognose zu stellen, als sie durch den that-
sächlichen Ausgang bestätigt ist.
Schwerer noch fallen die Fälle des folgenden Typus ins Gewicht.
Ein 12 Tage altes Brustkind wird wegen starken Colostrumgehaltes
der Muttermilch abgestillt; es ist dyspeptisch geworden und zeigt nur
geringe Gewichtszunahme drei Wochen hindurch. Am
14. Juli beginnt unter schweren Magendarmerschei-
nungen ein durch keine Therapie aufzuhaltender,
ie 7 Tage dauernder Gewichtsabfall, der mit dem Tode
%
des Kindes endet. Dass es sich hier um die Folge
einer in Zersetzung begriffenen, sehr bacterienreichen
Miich gehandelt hat, ist sehr wahrscheinlich. Mehrere
‘ unserer Kinder sind auf diese Weise zu Grunde ge-
3000 ;
gangen und bei anderen sehen wir im Verlauf der
Gewichtseurve ähnliche steile Abfälle, welche durch
schwere gastrointestinale oder Allgemeinsymptome
veranlasst sind. Ein constanter Zusammenhang ,
2000 dieser Ereignisse mit abnorm hohen Temperaturen
lässt sich nicht nachweisen, wenn er auch für einen Theil der Fälle
nicht bedeutungslos sein mag.
I. Abtheilung. Mediecinische Section. 131
sooo] Mai] Tann IT Jun _T Aueust Tiotnder T Gefber
SEEN
LLITW
Schliesslich habe ich hier eine Gruppe von 5 Kindern, welche durch
folgenden Typus repräsentirt werden. Wochen oder Monate hindurch
wird das Kind, welches krank in Behandlung kommt, mit Fettmilch
ernährt; der Magendarmkanal restituirt sich nicht, die dyspeptischen
Symptome dauern an, das Körpergewicht nimmt ab oder zeigt günstigen
Falles Stillstand. Unter irgend welchem Vorwande bleiben die Mütter
fort, ernähren die Kinder nach eigenem Gutdünken mit verdünnter Kuh-
milch und Haferschleim, Gries, Reis, Semmel, Zwieback u.s. w. und vom
Momente an werden die Magendarmstörungen langsam behoben, steigt
das Körpergewicht fast täglich an. Damit scheint für den Unerfahrenen
die Frage der künstlichen Ernährung geslöst zu sein; was giebt es Ein-
facheres und Billigeres als Marktmilch und Hafersuppen? Wer indess
weiss, dass, wenn man ganze Serien von kranken Kindern wahllos in
dieser Weise ernährt, die Resultate sogar schlechter sind, als mit anderen
Methoden, der wird in seinen Schlussfolgerungen sehr viel vorsichtiger
sein. 5 gute Resultate sind wohl mit jeder Ernährung bisher erzielt
worden; das ist kein Maassstab für den Werth derselben. Worauf es
wesentlich ankommt, ist, dass eben so und so viele kranke Kinder mit
keiner künstlichen Ernährung zu dauernder Gewichtszunahme zu bringen
sind, während dies leicht gelingt, wenn man die Kinder an die Brust
legt. _Und auf Grund der vorgelegten Beobachtungen muss ich mich dahin
aussprechen, dass die Fettmilch nicht weniger leistet als irgend eine
andere Art der künstlichen Ernährung, dass sie aber auch nicht mehr
leistet und dass sie weit entfernt ist, das ideale, der Frauenmilch gleiche
Nährmittel für den magendarmkranken Säugling zu sein, nach dem wir
streben und das wir in der Fettmilch gewonnen hofften.
3000
Discussion:
Herr Prof. Röhmann bezweifelt die Exactheit der bisher ausge-
führten chemischen Untersuchungen der Fäces ete. Das müsse aber ge-
fordert werden, wenn man zwei Nahrungsmittel mit einander vergleichen
wolle. Er sieht auch den Grund nicht recht ein, warum die Gärtner-
9*
132. Jahresbericht der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur.
sche Milch so viel verdaulicher und bekömmlicher sein solle, als ge-
wöhnliehe Kuhmilch. Die Differenzen zwischen beiden Arten seien nicht
gar so gross und jedenfalls gleiche Gärtner’sche Milch entschieden
nicht der Frauenmilch.
Herr Prof. Neisser: Das Wichtigste ist nicht die Art der Aus-
nutzung der Milch, sondern die Frage, welche Milch bekommt den Kindern
am besten und bei welcher Nahrung gedeihen sie am besten.
Herr Prof. Jacobi: In der That sind zwei Fragen zu trennen:
1) bei welcher Nahrung nehmen die Kinder am meisten zu und 2) bei
welcher Nahrung bezw. bei welchem Regime erkranken sie am meisten.
Trennt man dies, so findet sich, dass ausser der Nahrung überhaupt noch
ganz andere Momente hierbei in Frage kommen. Die Gärtner’sche Fett-
milch ist zur Zeit zu theuer.
Herr Dr. Toeplitz: Gärtner’sche Milch ist zu theuer. Des Redners
eigene Erfahrungen sind der Milch ungünstig. Leider sei das Material
von Dr. Thiemich zu ungleichmässig — schwere und leichte Erkran-
kungen —, als dass man allgemeine Schlüsse auch auf die Anwendbar-
keit der Gärtner’schen Milch ziehen könnte.
Herr Prof. Czerny: Die Gärtner’sche Fettmilch gleicht in ihrer
quantitativen Zusammensetzung in Bezug auf Wasser, Fett, Eiweiss und
Zucker mehr der Frauenmilch als alle andern bisher angegebenen Milch-
mischungen. Deshalb schien es geboten, mit dieser Milch Ernährungs-
versuche vorzunehmen. Die an magendarmkranken Kindern erzielten
Resultate kommen jedoch keineswegs den Erfolgen mit Frauenmilch
gleich. Dies beweisen hauptsächlich jene Fälle, bei welchen es selbst
bei monatelanger Ernährung mit Gärtner’scher Milch nicht gelingt, die
Magendarmstörungen zum Schwinden zu bringen. Auch Czerny ist der
Meinung, dass die Frage der Kinderernährung nicht einfach gelöst
werden kann mit der Herstellung eines Nahrungsmittels.
Herr Dr. Courant: Man könne gewiss auch die gewöhnliche Kuh-
milch der Frauenmilch noch ähnlicher machen.
Herr Prof. Buchwald fragt Herrn Dr. Thiemich, ob noch neben
der Gärtner’schen Milch Arzneimittel gegeben worden seien,
Herr Dr. Keilmann verwahrt sich gegen einen Vorwurf von Herrn
Dr. Courant.
Herr Dr. Gotschlich: Die Gärtner’sche Fettmilch ist nicht steril,
wie man angenommen hat.
Herr Dr. Callomon: Die verschiedenen Kuhmilcharten sind sicher
verschieden und daher:kann man nicht einfache schematische Vorschriften
aufstellen, |
Herr Prof. Röhmann erwidert, dass wenigstens in Breslau die Kuh-
milcharten ganz constant seien. Kalkwasserzusatz zur Milch sei an und
für sieh rationell. Er glaubt im Gegensatz zu Prof. Czerny, dass
I. Abtheilung. Medieinische Section. 133
grade das Kasein leicht der Fäulniss widersteht und insofern sehr be-
kömmlich sei.
Herr Prot. Czerny weist auf die Angaben von Senator hin, dass
bei normalen Brustkindern kein Indican im Harn nachzuweisen ist, wo-
gegen bei künstlich genährten, insbesondere magendarmkranken Kindern
fast regelmässig Indieanurie beobachtet wird.
Herr Dr. Callomon wendet sich gegen die Antwort des Professor
Röhmann.
2) Herr Dr. Ephraim:
Ueber directe Laryngoskopie.
Es dürfte Ihnen aus den medieinischen Zeitschriften bekannt ge-
worden sein, dass Kirstein vor Kurzem eine oder vielmehr zwei Me-
thoden angegeben hat, mittelst deren es gelingt, den Kehlkopf und die
Trachea des lebenden Menschen ohne Hilfe eines Spiegels oder einer
spiegelartigen Vorrichtung zu besichtigen. Da die erste dieser Methoden
wegen ihrer Umständlichkeit von dem Erfinder selbst aufgegeben worden
ist, will ich mich lediglich mit der zweiten beschäftigen. K. ging von
der täglich zu machenden Beobachtung aus, dass wir beim Niederdrücken
des hinteren Zungenabschnitts die Epiglottis oft in ihrer vollen lingualen
Fläche zu sehen bekommen, und von der Erwägung, dass es nur die
Epiglottis und die Wölbung des Zungengrundes ist, welche den directen
Einblick in den Kehlkopf versperrt. K.’s Bemühen, dieses Hinderniss
zu beseitigen, war von einem Erfolge gekrönt, den ich für ausserordent-
lich bedeutsam halte; denn es ist uns jetzt möglich, bei einer ziemlich
srossen Zahl von Menschen ohne Schwieriekeiten und ohne erhebliche
Belästigung derselben Kehlkopf und Luftröhre direet zu übersehen.
Die Entdeckung K.’s ist um so bemerkenswerther, als das Instru-
mentarium, welches erfordert wird, ausserordentlich einfach ist. Es
besteht nur aus diesem schwach rinnenförmigen Spatel, dessen Handgriff
im rechten Winkel angesetzt und dessen proximales Ende nach abwärts
etwas abgebogen und halbkreisförmig ausgeschnitten ist. Hat man mit
diesem Spatel die Zunge in toto herabgedrückt, so dass die Epiglottis
sichtbar ist, so gelingt es durch Einschieben des abgebogenen Spatel-_
endes zwischen diese und die Zungenbasis und durch kräftigen Druck
auf das somit bedeckte Lig. glosso-epiglossieum med., die Epiglottis so
um ihre Transversalaxe zu drehen, dass sie sich in die Rinne des Spatels
hineinlest. Damit ist das hauptsächlichste Hinderniss für den Einblick
in den Larynx beseitist. Wenn man nun den Spatel so dirigirt, dass
sein proximales Ende fest angedrückt stehen bleibt, während das distale
sich den oberen Schneidezähnen des weitgeöffneten Mundes nähert, so
gelingt es in vielen Fällen in der That, den gesammten Larynx und die
134 Jahresbericht der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur.
ganze Trachea bis zur Bifurcation, ja auch ein Stück beider Bronchien
klar und scharf zu übersehen. Als Lichtquelle lässt sich der Stirn-
refleetor benutzen, der von einer gewöhnlichen Lampe beleuchtet wird.
Bequemer freilich ist es, wenn man die Lichtquelle mit dem Spatel fest
verbindet, wie es mit Hilfe des Casper’schen Elektroskops möglich ist.
— Ich habe gefunden, dass es für die Besichtigung des Larynx im All-
meinen nützlicher ist, wenn der Pat, den Kopf etwas in den Nacken
legt und der Arzt vor demselben steht, während sich ein vollständiges
Bild der Trachea bei sogenannter gerader Kopfhaltung des Patienten am
leichtesten gewinnen lässt.
Kirstein giebt nicht an, in einem wie grossen Theil der unter-
suchten Fälle ihm der Anblick des Larynx möglich gewesen ist. Ich
habe die Erfahrung gemacht, dass dies bei weiblichen Personen ungleich
häufiger und leichter gelingt, als bei männlichen. Und zwar ist es
weniger die grössere Empfindlichkeit der Zungenbasis, die hier in Frage
kommt, als vielmehr die mangelhafte Beweglichkeit der Epiglottis, oft
wohl auch eine starke Wölbung derselben, die uns im Wege ist. Ge-
linst es nun nicht, den Kehldeckel so aufzurichten, wie es für einen
freien Einblick nöthig ist, so. müssen wir uns damit begnügen, die
Gegend der Aryknorpel, welche wohl immer, und den obersten Theil
der hinteren Larynxwand, der allermeistens sichtbar wird, zu betrachten.
Denn das Anheben der Epiglottis mit der Sonde nützt dann nach meiner
Erfahrung ebensowenig, wie das von K. gleichfalls vorgeschlagene Herab-
drücken derselben mit einem auf ihre Laryngealfläche gesetzten Spatel.
Zur Aufrichtung des Kehldeckels mittelst eines durch denselben geführten
Fadens — wieK. als ultimum refugium anräth — konnte ich mich nicht
entschliessen, weil mir dieses etwas grausame Verfahren nur dann an-
gezeigt erscheinen würde, wenn auch die Untersuchung mit dem Kehlkopf-
spiegel misslänge.
Was nun den Nutzen betrifft, den wir aus diesem neuen Verfahren
voraussichtlich ziehen werden, so ist K. der Meinung, dass dasselbe einen
revolutionären Process in der Laryngoskopie bedeute. Wenn er damit
sagen will, dass der Kehlkopfspiegel im Begriff stehe, gestürzt zu werden,
so kann ich bei aller Anerkennung, die ich für die bedeutsame Erfindung
habe, diese Meinung nicht theilen. Die Vortheile, die dieselbe gewährt,
sind von zweierlei Art. Erstens unterscheidet sich das auf direetem
Wege gewonnene Bild des Kehlkopfs von dem Spiegelbilde desselben,
wie K. mit Recht hervorhebt, durch eine viel grössere Körperlichkeit,
durch greifbare Plastik. Dies beruht wohl darauf, dass wir auch die
. Tiefenausdehnung der einzelnen Kehlkopftheile in ihren natürlichen Ver-
hältnissen sehen, während dieselben im Spiegelbilde immer entstellt ,
sind und auf eine Ebene gebracht, nivellirt erscheinen. Zweitens ist
hervorzuheben die Vorzüglichkeit, mit der das Verfahren die Besichtigung
I. Abtheilung. Medicinische Section. 155
der Kehlkopf-Hinterwand gestattet. Es ist für mich keinem Zweifel
unterworfen, dass durch dasselbe alle anderen Methoden, auch die Kilian-
sche, in den Schatten gestellt werden.
Indess ist dies wohl der einzige Punkt, in welchem die Extensität
des directen Bildes die des indireeten übertrifft. Vielmehr ist die Aus-
dehnung des ersteren meistens eingeschränkt, da der Anblick der seit-
lichen Kehlkopftheile, der Sin. pyrif., oft auch der aryepiglottischen
Falten durch die seitlichen Partieen der Zunge, die vom Spatel nicht
erfasst, sondern nach oben gedrängt sind, verlegt wird. Ein weiterer
Nachtheil des Verfahrens ist der, dass die Belästigung der Untersuchten
immerhin grösser ist, als der Kehlkopfspiegel sie verursacht, sowie der,
dass der Einblick in den Kehlkopf doch nur in einem Theil der Fälle
gelingt.
Demnach geht meine Meinung dahin, dass das Kirstein’sche Ver-
fahren von grossem Werth sein wird: 1) als Mittel für die physiologische
Anschauung, 2) als eine vorzügliche Methode zur Besichtigung der Kehl-
kopf-Hinterwand, 3) als diagnostisches Mittel in den Fällen, in denen
uns der Kehlkopfspiegel mit Beziehung auf tiefendimensionale Verhält-
nisse nicht sichere Klarheit verschafft (Ausdehnung und Ursprung von
Geschwülsten, Höherstehen eines Stimmbandes etc... Dagegen glaube
ich nicht, dass es sich für die gewöhnliche erste Untersuchung des Kehl-
kopfs eignet.
Ob das Verfahren auch für die Laryngotherapie einen Fortschritt
bedeutet, muss wohl erst abgewartet werden; vorläufig glaube ich es
nicht, abgesehen vielleicht von den Eingriffen, die durch Fremdkörper
in der Trachea oder in den Anfangstheilen der Bronchien indieirt werden.
Der Operateur muss in vielen Fällen eine nach vorn gebückte Stellung
einnehmen, um den Larynx direct sehen zu können; eine Position,
welche für eine sichere Führung der Hand recht ungünstig ist. Es ist
ferner für den Rechtshänder nicht leicht und ohne besondere Uebung
nicht möglich, mit der linken Hand diejenige Kraft mit der erforderlichen
Sicherheit auszuüben, deren es zum Niederdrücken der Zunge oft bedarf.
Vor Allem aber ist nicht einzusehen, inwiefern das Operiren ohne Hilfe
des Spiegels, also mit geraden Instrumenten in therapeutischer Beziehung
dem bisherigen Verfahren irgendwie überlegen ist, wenn es dasselbe.
auch in technischer Beziehung, d. h. in Bezug auf leichte Erlernbarkeit
übertrifft.
Zum Schluss sei mir eine Bemerkung über den Namen gestattet,
welchen der Erfinder seiner Methode gegeben hat. Er nennt dieselbe
Autoskopie des Larynx und will damit sagen, dass wir mittelst derselben
den Kehlkopf selbst und nicht sein Spiegelbild sehen. Man kann wohl
annehmen, dass von vielen Unbefangenen nicht Einer vermuthen wird,
durch das Wort „Autoskopie“ solle etwas derartiges ausgedrückt werden.
156 Jahresbericht der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur.
Unter Autoskopie des Kehlkopfs verstehen wir ja von Alters her die-
jenige Procedur, welche man allein darunter verstehen kann, nämlich
die Besichtigung des eigenen Larynx. Und so dürfte es wohl rathsam
erscheinen, für das neue Verfahren die Bezeichnung „‚direete Laryngo-
skopie‘“ beizubehalten, die ohne Weiteres verständlich ist und den Sinn
des damit gemeinten Verfahrens vollkommen trifft.
Diseussion:
Herr Geh. Rath Mikulicz: Der Kehlkopfspiegel wird dadurch
nicht ersetzt.
3) Herr Geh. Rath Ponfick: Demonstration eines Falles von
Leukämie, der auf Arsen-Einspritzungen reagirt hatte.
Herr Geh. Rath Mikuliez: Es ist ihm interessant, eonstatiren zu
können, dass dies einer der wenigen Fälle ist, wo das Arsen wirklich
geholfen hat.
Herr Prof. Kast berichtet auch über einen Fall von Beeinflussung
‘des Blutbefundes bei Leukämie durch Arsen. Man müsse aber grosse
Dosen nehmen.
Herr Prof. Neisser empfiehlt ebenfalls grosse Arsendosen (event.
subeutan).
Herr Dr. Kümmel demonstrirt die Paukenhöhlen dieses Falles.
18. Sitzung vom 15. November 1895.
Vorsitzender: Herr Prof. Neisser. Schriftführer: Herr Dr. Schäffer.
Vor der Tagesordnung:
Herr Dr. Viertel spricht über die rechtliche Stellung der Hypo-
spadiäen. Vorstellung eines Falles von Hypospadie.
Tagesordnung:
Herr Dr. O. Brieger:
Ueber die operative Behandlung endocranieller Complicationen
chronischer Mittelohr-Eiterungen.
Der Vortrag wird in extenso anderweitig publieirt.
Vortragender bespricht kurz die Diagnostik der Sinusthrombose und
des otisischen Hirnabscesses. An der Hand zahlreicher Präparate be-
richtet er über die Erfahrungen, die sich ihm bei der operativen Be-
handlung der genannten Folgezustände chronischer Mittelohreiterungen
ergeben haben. |
Discussion:
Herr Dr. Kümmel: Der Sinus ist an den Stellen, wo die Throm-
- bose sitzt, erweitert.
Herr Dr. Brieger: Nicht stets, aber zuweilen kann man eine Ver-
einigung constatiren.
I. Abtheilung. Medicinische Section. a
Herr Dr. Kümmel glaubt, dass es chronische Meningitiden giebt,
die man ausheilen kann. Bacterien-Befund in der Cerebrospinalflüssigkeit
ist keine Contraindication gegen Operation. Er fragt nach den Heil-
resultaten bei operativen Eingriffen.
Herr Dr. Brieger: Ein Fall von Kleinhirn-Abscess und 3 Fälle
von Sinus-Thrombose sind geheilt. Bei Baecillenbefund in der Cerebrospinal-
flüssigkeit operirt Brieger nicht, weil Meningitis vorhanden ist.
Brieger bemerkt gegenüber Kümmel, dass eine Statistik, die
unterschiedslos alle Fälle, gleichviel in welchem Medium sie zur Beob-
achtung gelangten, zusammenfasste, keinen Werth für die Beurtheilung
des Werthes der operativen Behandlung der endocraniellen Complicationen
habe. Es sei natürlich, dass bei den grossen Schwierigkeiten, die sich
frühzeitiger Erkennung besonders des Hirnabscesses in den Weg stellten,
die Operation oft erst in einem Stadium vorgenommen werden könne,
in dem die Aussicht auf Erfolg schon von vornherein minimal sei. Die
Prognose der Hirnabscesse ist, wenn sie nicht operirt werden, fast absolut
infaust, die der Sinusphlebitis zwar günstiger, aber immerhin so unsicher,
dass man immer nur mit der entfernten Möglichkeit einer Spontanheilung
rechnen darf. Hier hat daher jede einzelne Heilung eine viel grössere
Bedeutung, als ihr nach ihrem Verhältniss zur Zahl der operirten Fälle
überhaupt zukäme. B. kam es bei seinem heutigen Vortrage lediglich
darauf an, den Weg darzulegen, auf welchem man gegen die endo-
eraniellen Complicationen der chronischen Eiterungen des Mittelohrs
vorzugehen habe. Auch deshalb habe er von der Darstellung seiner
persönlichen Operationsresultate zunächst abgesehen. Er habe von zahl-
reichen operirten Fällen extraduraler Abscesse nie einen Fall verloren,
in 7 Fällen von Hirnabscessen eine Heilung, in 9 Fällen von S$Sinus-
thrombose 3 Heilungen beobachtet. In allen Fällen der beiden letzten
Kategorien habe es sich um ausserordentlich schwere Erkrankungen ge-
handelt. Auch rein procentual betrachtet, erscheine ihm aber das Ver-
hältniss der Heilungen zu der Gesammtzahl der Fälle überhaupt ermuthigend
genug, um auf dem Wege operativer Behandlung dieser Complicationen,
im Gegensatz zu dem indifferenten exspectativen Verfahren früherer
Zeiten, fortzufahren.
Zu den Einwänden Kümmel’s gegen die Bedeutung des Ergebnisses
der Lumbalpunetion bemerkt B., dass er selbst dem diagnostischen
Werthe desselben enge Grenzen gezogen habe. Es komme für die Ent-
scheidung, ob eine complieirende Meningitis bestehe und die Operation
eines Hirnabscesses ausschliesse, selbstverständlich nicht darauf an, ob
von der zu Culturen verarbeiteten Punctionsflüssigkeit einige Strepto-
coccen-Colonieen aufgingen. Zwar sei es gewiss schon in hohem Grade
zweifelhaft, ob man ohne eine ausgebildete Meningitis aus der Arachnoi-
dealflüssigkeit entwickelungsfähige Streptocoecen werde gewinnen können,
)
138 Jahresbericht der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur.
Das Maassgebende seien aber natürlich nicht die bacteriellen Befunde
allein, sondern ebenso oder noch mehr die chemische und mikroskopische
Untersuchung der Punctionsflüssigkeit. Nur wenn auch dabei Momente
sich ergeben, die auf das Bestehen eitriger Meningitis schliessen lassen,
sei man zu diagnostischen Schlüssen berechtigt, welche für die Ent-
scheidung, ob man noch gegen einen gleichzeitig vorhandenen Hirnabscess
vorgehen darf oder nicht, maassgebend sein werden.
Herr Dr. Kümmel betont die Prophylaxe bei chronischen Ohren-
eiterungen.
Herr Dr. Hecke bespricht einen extraduralen Abscess, der leicht
freizulegen war, einen zweiten, der durch Meningitis complieirt wurde
(Exitus), einen dritten, bei dem noch nach längerer Zeit eine Meningitis
hinzukam. Sinus-Thrombose kommt auch bei acuter Mittelohr-Eiterung
hinzu. — Sinus-Thrombose bei Cholesteatom.
Herr Dr. Brieger: Die Sinus-Phlebitis ist gewöhnlich eine Compli-
cation der acuten Ohreiterung.
19. Sitzung vom 22. November 1895.
Vorsitzender: Herr Prof. Dr. Buchwald. Schriftführer: Herr Dr. Hamburger.
Tagesordnung:
1) Herr Dr. Oppler:
Ueber chronische Diarrhoe in Folge mangelnder Magensaftsecretion.
M.H.! Die Mittheilung, für die ich mir heute Ihre Aufmerksamkeit
erbitte, betrifft eines der wohl am stiefmütterlichsten behandelten Kapitel
der internen Mediein, die Darmkrankheiten. An dem grossen Auf-
schwunge, den die Erkenntniss und Behandlung gerade der Erkrankungen
der Verdauungsorgane im letzten Jahrzehnt genommen haben, hat die
Pathologie und Therapie des Darms, wenn wir von den Infeetions-
krankheiten absehen, so gut wie gar keinen Antheil genommen und am
allerschlechtesten wiederum ist dabei der sogenannte „Darmkatarrh“
fortgekommen. Dass dieser Sammelname, der nur selten noch als Dünn-
oder Diekdarmkatarrh variirt wird, keinen einheitlichen Begriff darstellt,
sondern nur eine gemeinsame Bezeichnung für ganz differente Erkran-
kungen, ist längst bekannt, unbekannt bis jetzt, wie viel klinisch, ätio-
logisch und pathogenetisch verschiedene Krankheitsbilder sich dahinter
verbergen mögen.
Dass hier so wenig differenzirt ist, hat vielleicht seinen Grund zum Theil
darin, dass es noch völlig an einer brauchbaren Methode der Functions-
prüfung mangelt, deren Entdeckung für den Magen durch Kussmaul
dort so reiche Früchte gezeitigt hat. Eine solche Methode wäre hier
um so nöthiger, als die anderen Untersuchungsmethoden wie Palpation,
Percussion ete. uns beim Darmkatarrh fast völlig im Stiche lassen und
I. Abtheilung. Medicinische Section. 139
selbst die methodische Untersuchung des Stuhlganges nur wenige wirklich
brauchbare Aufschlüsse liefert. Da es aber nicht den Anschein hat, als
ob wir so bald mit einer guten Methode der Functionsprüfung für den
Darm beschenkt werden sollten, so werden wir mit den vorhandenen
Mitteln auskommen müssen und sie vielleicht noch etwas intensiver aus-
zunutzen haben.
Unter diesen Umständen möchte ich mir gestatten, auf eines der-
selben, das wenig beachtet wird und doch vieles nützen kann, erneuet
Ihre Aufmerksamkeit, m. H., hinzulenken, es ist das die Beachtung des
Zusammenhanges der Darmerkrankungen mit denen anderer Abschnitte
des Verdauungskanales, in specie mit denen des Magens. Mit anderen
Worten ausgedrückt heisst das: Es giebt kaum eine chronische Er-
krankung des Magens, die den Darm unbetheiligt lässt, und umgekehrt.
Es ist das ja auch seit langem bekannt und Jedermann weiss, dass
z. B. Hyperaeidität, Atonie und Eetasie des Magens häufig mit Darm-
katarrhen einhergehen, die zur Verstopfung neigen, und dass andererseits
das Careinoma ventrieuli und die chronische Gastritis häufig von Diarrhoeen
begleitet sind. |
Als mir dieser Zusammenhang, m. H., anlässlich der Beobachtung
mehrerer prägnanter Fälle wieder einmal frappant in die Augen sprang,
kam mir der Gedanke, ob nicht vielleicht auch mancher scheinbar idio-
pathische Darmkatarrh abhängig sein möchte von einer latent ver-
laufenen Erkrankung des Magens. Im Verfolg dieser Idee stellte ich
eine grössere Anzahl von Untersuchungen an und habe es mir seit Jahr
und Tag zur feststehenden Regel gemacht, in jedem Falle von Darm-
erkrankung, sei es welche es wolle, eine genaue Untersuchung und
Funectionsprüfung des Magens vorzunehmen. Der Erfolg übertraf alle
meine Erwartungen. Ich fand eine Anzahl sehr eigenthümlicher Dinge.
Das meiste davon ist noch lange nicht spruchreif und harrt weiterer
Untersuchungen, ein Symptomenbild aber, das ich, vielleicht begünstigt
durch den Zufall, besonders häufig gefunden und deswegen genauer
studirt habe, glaubte ich Ihnen, m. H., schon heute mittheilen zu sollen.
Es stellt nämlich nicht nur ein ziemlich gut begrenztes und abge-
schlossenes Krankheitsbild dar, sondern liefert uns auch wichtige Handhaben
für eine erfolgreiche Therapie auf einem Gebiete, wo sie nach bisherigen
Erfolgen recht wohl eine Aufbesserung verträgt.
An der Hand eines typischen Falles werde ich Ihnen, m. H., das
Krankheitsbild am besten schildern können.
Der Patient, meist im mittleren Alter (Frauen und Männer sind
unter meinen Fällen etwa gleich zahlreich), sucht den Arzt auf mit der
Klage der chronischen Diarrhoe. Zwei-, vier- bis sechsmal täglich er-
folgen die dünnbreiigen bis wässrigen Stühle; beim Erwachen früh-
morgens gewöhnlich zweimal kurz hintereinander und im Laufe des
140 Jahresbericht der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur.
Tages dann meist im Anschlusse an die Mahlzeiten. Manchmal geht
kurzdauernde Unruhe in den Därmen vorher, seltener echte Koliken.
Ferner klagen die Kranken noch über gelegentliche Aufblähung des
Leibes, Mattigkeit und fortschreitende Abmagerung.
Die Anamnese ergiebt wenig. Das Leiden ist allmählich und
schleichend entstanden, einen Grund dafür wissen die Patienten in der
Regel nicht anzugeben, nicht einmal die üblichen Erkältungen und Diät-
fehler werden dafür verantwortlich gemacht. Die Anfänge der Krank-
heit liegen gewöhnlich viele Monate, selbst Jahre, zurück. Potatorium
scheint keine grössere Rolle zu spielen, eher noch das in mehreren
meiner Fälle früher leidenschaftlich betriebene Tabakkauen.
Aus dem Status nur die wichtigsten Momente: Die Kranken sind
mager, blass, mitunter etwas ‚‚nervös-hypochondrisch“. — In vielen
Fällen besteht fast vollkommener Defect der Zähne. Die
Brustorgane lassen keinerlei Abweichung von der Norm erkennen. Der
Leib ist in geringem Grade empfindlich, sonst ist meist auch nichts
krankhaftes zu constatiren. — Der Urin ist frei von Eiweiss und
Zucker, zeigt stets eine Vermehrung des Indicans und in 5 daraufhin
untersuchten Fällen auch eine solche der Aetherschwefelsäuren. — Der
Stuhl ist von aashaftem Geruche, zeigt mitunter Beimengung von fetzigem
Schleim und lässt schon makroskopisch unverdaute Nahrungsbestandtheile
(Mohrrüben- und Kartoffelstickchen „ Bindegewebsfetzen) erkennen,
mikroskopisch fallen die sehr zahlreichen Muskelfasern mit wohl-
erhaltener Querstreifung besonders auf.
Das Hauptinteresse concentrirt sich jedoch auf das Verhalten des
Mageninhaltes. Derselbe zeigt weder nach Probefrühstück noch nach
Probemahlzeit die geringste Chymifieirung. Freie Salzsäure istin
keiner Phase der Verdauung nachzuweisen, gebundene,
Pepsin und Lab nur in minimalsten Mengen. Da die motorische
Function gut oder sogar etwas gesteigert ist, so finden keinerlei Gäh-
rungen statt, so dass man weder organische Säuren, noch ein Uebermaass
von Mikroorganismen findet.
Offenbar liegt in diesem Verhalten des Magens der Schlüssel zum
Verständnisse des ganzen Krankheitsbildes. Die mangelnde Verdauungs-
fähigkeit ist jedenfalls das primäre (das lehrte mich ein relativ frischer
Fall, wo ich sie ebenso ausgeprägt fand), ihre Ursachen festzustellen
würde hier zu weit führen. Vielleicht dass sie auf nervöser Basis be-
ruht, vielleicht ist sie die Folge einer latent verlaufenen chronischen
Gastritis, vielleicht endlich ist sie auch angeboren (was ich gar nicht
für so excessiv selten halten möchte). Genug, sie ist vorhanden und be-
steht wohl jahrelang, ohne dem Träger irgend welche Beschwerden zu,
verursachen, weil der Darm, speciell der Dünndarm, in sehr vollkommener
Weise die ausgefallene Magenverdauung mit übernimmt (uns wohlbekannt
I. Abtheilung. Medicinische Section. 141
von anderen Fällen her). Auf die Dauer ist er jedoch dieser zwie-
fachen Arbeit nicht gewachsen, die ihm in vielen Fällen, wie ich oben
erwähnte, noch durch ungenügendes Kauen und unzweckmässige Speisen-
auswahl erschwert wird, er wird insuffiecient und reagirt in seiner speeci-
fischen Weise mit Diarrhoeen; erst nur selten, dann dauernd. Dabei
findet nun natürlich eine höchst unvollkommene Ausnutzung der Nahrung
statt, der Patient magert ab. Dieser hat gar keine Ursache, das auf
irgend ein anderes Organ als den Darm zu beziehen, auf den ihn seine
Beschwerden — mangels früherer Belästigung durch seinen insufficienten
Magen — einzig und allein hinweisen und der Arzt wird sich, leicht zu
demselben Irrthum verführt, in vergeblichen therapeutischen Bemühungen
erschöpfen, bis ihm etwa auf dem oben bezeichneten Wege der
Krankheitsprocess klar wird.
Damit, m. H., sind dann die Grundlagen für eine rationelle Therapie
aber auch sofort gegeben. Diese muss natürlich in erster Reihe eine
diätetische sein. Wir werden eine Diät auszuwählen haben, welche die
Magenverdauung möglichst wenig braucht und den Darm nicht über-
mässig in Anspruch nimmt. Da der Magen hauptsächlich Eiweissver-
dauung zu leisten hat, während Kohlehydrate und Fette im Wesent-
lichen der Darmverdauung unterliegen, so wird die Kost sich zum
grössten Theile aus diesen aufzubauen haben. Um fernerhin den Ein-
fluss des mangelhaften Kauens und der ungenügenden Chymifieirung
durch den Magen (die das gesunde Organ in höchst gleichmässiger Weise
leistet) thunlichst auszugleichen, wird man die Speisen in geeigneter
Zubereitung d. h. in möglichst gleichmässiger Breiform reichen und so
dem Darme seine Arbeit erleichtern.
Es würde zu weit führen, m. H., wollte ich an dieser Stelle genau
mit Ihnen besprechen, in welcher Weise sich nun im Speciellen die
ganze Behandlung gestaltet, einige Andeutungen nach dieser Richtung
hin mögen für heute genügen.
Ich setze die Kranken ausnahmslos zuerst einige Tage auf strengste
Suppendiät, bis die Diarrhoeen nachgelassen haben. Alsdann folgt eine
Periode mit völlig fleischfreier Kost. Dieselbe besteht im Wesentlichen
aus Suppen, Mehlspeisen, allen Arten Cerealien wie Reis, Griesbrei etc.,
leicht verdaulichen Gemüsen wie Pur&e von Schoten, Kartoffein u. s. w.,_
Gebäck aller Art aus Weizenmehl, Butter. Das Manco an Eiweiss wird
ausgeglichen durch reichliche Mengen Leguminosenbrei, flüssige Eier
und künstliche Albumosenpräparate z. B. Somatose; Peptone vermeidet
man besser wegen ihrer Neigung Diarrhoeen zu verursachen. Als Ge-
tränk dient Rothwein, Heidelbeerwein, Thee, Cacao, während Milch sehr
selten vertragen wird. — Bleibt während dieser Zeit der Stuhl normal,
so gehe ich etwa am Ende der 3. Woche zu leichtesten Fleischspeisen
über, wie Fisch, Kalbsmilcher, Huhn, Taube, geschabtes Fleisch, ge-
143 Jahresbericht der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur.
wiegter Schinken, schliesslich zu Kalbfleisch und blutig gebratenem
Rindfleisch, immer aber nur einmal am Tage und in mässiger Menge.
Daneben bilden die obenerwähnten Speisen noch die Hauptnahrung;
denen man dann alle anderen Gemüse und selbst Compots in Pur&eform,
sowie helles Roggenbrot hinzufügen kann, Es ist erstaunlich, wie viel
die Kranken von diesen Dingen, die sonst bei „Darmkatarrhen“ so streng
verpönt sind, vertragen, wenn man nur ein Uebermaass an schwer-
verdaulichen Albuminaten vermeidet.
Neben dieser diätetischen Behandlung verwende ich am Anfange
Wismuthpräparate und Tannigen, später zur Stimulirung der Secretion
Kochsalzwässer (Kissinger Rakoczy) und schliesslich eventuell Salzsäure
in der Verdauungszeit, Auch warme Kataplasmen, Priessnitz-Umschläge,
Leibbinden finden vortheilhafte Verwendung. Der Hauptfaetor der
Therapie ist und bleibt jedoch die Diät, bei der sehr individualisirt
werden muss und die aufs Sorgfältigste zu überwachen ist. Das hat im
eigenen Hause des Kranken seine grossen Schwierigkeiten, m. H., und
ich habe daher auch bei Weitem die besten Resultate bei denjenigen
Patienten gehabt, die sich entschliessen konnten, sich in einer privaten
Klinik der oben angedeuteten Behandlung zu unterziehen.
Der Erfolg derselben hat mich bisher in keinem Falle im Stiche
gelassen und war bei einigermaassen regelmässigem Leben und einer
den vorhin entwickelten Grundsätzen angepassten Diät meist ein
dauernder. Freilich befindet sich der Darm stets nur gleichsam im
labilen Gleichgewichte und selbst geringe Störungen, wie Diätfehler,
leichte Erkältungen, grössere körperliche oder geistige Anstrengungen
können es stören und hin und wieder, übrigens leicht zu beseitigende,
Rückfälle verursachen. Eine mehrwöchige Erholung in jedem Jahre
oder eine Brunnenkur in Wiesbaden oder Kissingen trägt zur Befestigung
der erreichten Resultate meist erheblich bei.
M. H.! Ich bin am Ende meiner Ausführungen angelangt, bei
denen es mir weniger darauf ankam, durch theoretische Neuconstruction
ein neues Krankheitsbild zu schaffen, als Ihnen für eine Gruppe von
Fällen eine erfolgreichere Therapie, als sie bisher üblich war, an die
Hand zu geben. Lassen Sie mich Ihnen, m. H., nur zum Schlusse noch
einmal den Weg zur Beschreitung empfehlen, auf dem diese Resultate
gewonnen sind: die genaue Beachtung der Abhängigkeit der Erkrankungen
der einzelnen Verdauungsorgane von einander. Ich glaube, m. H., dass
wir noch durchaus nicht am Ende der auf diesem Wege zu erreichenden
Aufschlüsse stehen.
Discussion:
Herr Dr. Bpitzer fragt nach der Differentialdiagnose von der
chronischen Gastroenteritis.
I. Abtheilung. Medicinische Section. 143
Herr Dr. Oppler findet dies in dem continuirlichen Fehlen von
Salzsäure und von subjectiven Magenbeschwerden.
Herr Dr. Spitzer behauptet, dass diese Symptome auch der
Gastroenteritis chronica atrophicans zukommen. Wieso schliesst Herr
Dr. Oppler eine anatomische Erkrankung aus?
Herr Dr. Oppler: Weil keine Schleimproduction zu constatiren
und weil von der Sonde abgestossene Schleimhautpartikel normale
mikroskopische Bilder gaben. Der Befund der Fäces beweist nie-
mals etwas.
Herr Dr. Spitzer: Ist experimentell nachgewiesen, dass die wieder-
hergestellte Magenfunction den Darm ersetzen kann?
Herr Dr. Oppler: Nein.
Herr Prof. Fränkel: Aetiologisch wichtig für chronische Diarrhoe
sind complete Scheiden-Mastdarmrisse, weil hier der mechanische Ab-
schluss fehlt. Durch plastische Operation absolute Heilung. Ist in den
Oppler’schen Fällen erst durch Diät Heilung eingetreten, so braucht
man Recidive nicht zu fürchten.
2) Herr Dr. Baumm:
Demonstration einer Symphyseotomirten.
B. stellt ein Mädchen vor, an dem er vor 7 Wochen die Symphyseo-
tomie ausgeführt hat. Die Indication dazu gab das allgemein verengte
platte Becken ab. Cjgt. diag. 8°, em. Das Mädchen war Ip. und
hatte ausgetragen. Zange war aussichtslos, denn der Kopf überragte
beträchtlich die Symphyse. Es blieb, wollte man ein lebendes Kind
haben, nur zwischen Kaiserschnitt und Symphyseotomie die Wahl.
Operation auf dem Querbett. Nach leichter Durchtrennung der
Weichtheile und des Symphysenknorpels — Zange, Dabei Krachen,
scheinbar im rechten lleosacralgelenk, und Erweiterung des Symphysen-
spaltes auf 5 em. Kind leicht asphyctisch, wiederbelebi. Blutung gering.
Naht der Weichtheile in einer Etage. Durch den unteren Wundwinkel
Drainage des Hohlraumes unter der Symphyse. Knochennaht unterbleibt
also. Reactionslose Heilung. Beckengurt empfiehlt sich nicht, weil er,
straff angezogen, sehr schmerzt und doch in die Höhe rückt. Am
besten Lagerung mit geschlossenen Beinen zwischen 2 Sandsäcke. Nur
bei etwaigem Umlagern der Patientin wird vorübergehend Beckengurt
angelegt. Patientin blieb 4 Wochen im Bett. — Heute zeigt die Vor-
gestellte ungehinderte Gehfähigkeit. Allerdings ist eine deutliche Be-
weglichkeit der Symphysenenden zu constatiren und zwar etwas mehr,
als es physiologischer Weise der Fall ist. Vorstellung zweier Wöch-
nerinnen nach normaler Entbindung. B. weist auf die Wichtigkeit der
Thatsache hin, dass die Symphyse nach Geburten immer mehr oder
weniger wackelt. „Wäre die Beweglichkeit nur eine Folge der Sym-
144 Jahresbericht der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur.
physentrennung, dann dürften wir nie die Symphyseotomie machen, ohne
der Kreissenden eröffnet zu haben, dass sie dauernd an ihrer Körper-
beschaffenheit geschädigt wird. Sonst müssten wir erleben, dass wir
für die zurückgebliebene Beweglichkeit regresspflichtig gemacht werden.
Die betreffende Person könnte unwiderlegbar simuliren, dass sie in ihrer
Arbeitsfähigkeit beeinträchtigt sei.“
Welcher Platz unter den geburtshilfliehen Operationen gebührt ‚der
Symphyseotomie? Anfänglich schloss sich Vortragender denjenigen an,
welche von einer Verallgemeinerung der Operation nichts wissen wollten.
Sein erst operirter Fall, den er als einen der ersten in Deutschland
operirten Fälle auf dem Gynäkologencongress in Breslau 1893 vorstellte,
berechtigte dazu, insofern als die mannigfachsten und unangenehmsten
Complicationen dabei zur Beobachtung kamen, Seine eigenen späteren
Erfahrungen und diejenigen anderer Operateure haben aber gezeigt, dass
die Symphyseotomie doch im Allgemeinen eine wenig gefährliche und
nieht gerade schwere Operation ist. Sie ist daher berechtigt da, wo
wir mit unseren bisherigen Methoden nicht zufrieden sein können d.h.
bei engen Becken, wo wir das lebende Kind perforiren müssen, wenn
wir aus irgend einem Grunde den Kaiserschnitt nicht ausführen dürfen,
Das Reich der Symphyseotomie ist demnach klein. Soll der Nutzen
den Symphyseotomie zu stiften im Stande ist, allgemein sein, dann darf
die Operation nicht ein Vorrecht der Anstalten bleiben, wie Leopold
will. Es ist auch nicht einzusehen, warum man dem Arzt, der den
Kaiserschnitt zu machen versteht, nicht auch die Symphyseotomie zu
machen zutrauen soll.
Diseussion:
Herr Prof. Fränkel: In vielen Fällen besteht striete Indieation
für die Symphyseotomie, da in der Privatpraxis der Kaiserschnitt häufig
nicht erlaubt wird. Doch sollten nur specialistisch geschulte Aerzte sie
machen. 1778 wurde in Deutschland die erste Symphyseotomie von
Siebold in Heidelberg gemacht.
Herr Medieinal-Rath Prof. Küstner: Ich glaube allerdings nur
einem Eindruck, nicht einer Kenntniss der Sachlage zu folgen, wenn ich
meine, dass die Breslauer Gynäkologen sich noch unter dem Banne des
vor 2Y/, Jahren auf dem hiesigen Gynäkologencongress formulirten Ge-
setzes befinden, dass nämlich die Symphyseotomie nur eine Anstalts-
operation sei. (Es wird bestätigt, dass in Breslau keine einzige Sym-
physeotomie im Privathause gemacht worden ist.) Wenn ich nun fragen
darf, wieviel Symphyseotomien Herr Coll. Baumm gemacht hat (in
Breslau eine, die demonstrirte, Baumm), so sind hier, da ich 3 gemacht
habe, in 24, Jahren nur 4 von dieser schönen Operation gemächt
worden, Wenn ich selbst auf einer Klinik mit 700 Geburten pro Jahr
I. Abtheilung. Medieinische Section. 145
und 5—600 in der Poliklinik nur so selten zur Symphyseotomie ge-
kommen bin, so liegt das daran, dass ich mir mit den sehr zahlreichen
künstlichen Frühgeburten die lebhafteste Coneurrenz mache, Und so
waren es nur Fälle, welche für die künstliche Frühgeburt relativ oder
absolut zu spät in die Anstalt kamen, bei welchen die Symphyseotomie
nöthig wurde,
Die Operation mache ich, wie meine erste in Dorpat, ohne Knochen-
naht, nur die Ponsp. und zugleich die Fascie werden mit einigen
Silkwormgutnähten vereinigt. Diese Naht reicht vollständig aus für eine
genügend feste Verwachsung; die von mir ÖOperirten wiesen bei ihrer
Entlassung eine festere Symphyse auf als manche normale Wöchnerin.
Auch ich habe die Beobachtung gemacht, dass die Graviditäts - Auf-
lockerung bezugsweise Hypertrophie der Beckengelenke, speciell der
Symphyse, sich in manchen Fällen weit in das Wochenbett hinein hält,
so dass man dann noch nach 2 bis 3 Wochen von einem Schlottergelenk
sprechen könnte. Uebrigens ist bei manchen Thieren die Gelenk-
auflockerung während der Gravidität viel bedeutender als beim Menschen.
Meine 4 Fälle sind kurz folgende:
I. (Dorpat) 40jähr. V para, Conj. diag. 10 cm, Ende der Gravidi-
tät, kreisst lange nach Fruchtwasserabfluss; beginnende Asphyxie.
Tarnier’sche Zange ohne Erfolg. Symphyseotomie, asphyctisches,
leicht wiederbelebtes, am Leben bleibendes Kind.
II, H. 33jähr. III para, Conj. diag. 10°), cm, 3 Todtgeburten (2 Zer-
stückelungen, 1 Frühgeburt), Frühgeburt etwa in der 37. Woche.
Forceps ohne Erfolg, Symphyseotomie, schon asphycetisches Kind
von 2460 gr, wiederbelebt, stirbt nach einigen Tagen (Hirn-
blutung, Atelectasen).
III. L, 43 Jahre alt, IX para, Conj. diag. 10 cm. Querd. des Eingangs
13 em, lauter todte Kinder. Symphyseotomie am Ende derGravidität
3720 gr, leicht asphyctisch, wieder belebt, am Leben geblieben.
IV. K, 38 Jahre, X para, 3 lebend geborene Kinder, welche aber
später auch gestorben sind (Perforationen, künstliche Frühgeburt)
1 Symphyseotomie (Fritsch), dann 1 Jahr später Zwillinge, von
mir lebend nach Wendung auf die Füsse extrahirt.
Conj. diag. 91/, em.
Symphyseotomie, asphyctisches, wiederbelebtes und lebend
gebliebenes Kind.
In allen 4 Fällen handelte es sich um Wiederhoitgebärende, in allen
4 Fällen lag Kopflage vor; nach der Symphyseotomie wurde der Kopf
in die Becken eingedrückt, mit der Zange gefasst und extrahirt. In
allen 4 Fällen machte die Mutter eine geeignete Consolidirung durch.
Herr Dr, Baumm; Ich eonstatire die Uebereinstimmung der anderen
Redner mit mir.
1895. 10
146 | Jahresbericht der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur.
20. Sitzung vom 6. December 189.
Vorsitzender: Herr Geh. Rath Ponfick. Schriftführer: Herr Prof. Kaufmann.
Wahl der Secretaire für die Etatsperiode 1896/97.
Tagesordnung:
1) Herr Dr. H. Herz:
Ueber die Behandlung der Typhlitiden.
Der Vortragende führt aus, dass die in den letzten Jahren mancher-
orts in der Behandlung der Typhlitiden eingetretene Wandlung, die man
als eine Schwenkung ins chirurgische Lager betrachten kann, nicht all-
gemeine Billigung finden dürfte.
Wenn bei diesem energischen operativen Eingreifen die besonders
auf die Erfahrungen der Chirurgen gestützte Thatsache maassgebend war,
dass der grösste Theil aller hierher gehörigen Krankheitsbilder, be-
sonders aber die acut mit schweren Erscheinungen einsetzenden Fälle
einen eitrigen Kern enthalten, so muss demgegenüber betont werden,
dass kleine Eitermengen in oder um den Wurmfortsatz auch ohne opera-
tives Eingreifen gewöhnlich ausheilen. Dafür sprechen die im Ganzen
sehr günstigen Heilresultate bei vorwiegend interner Therapie.
Eine sichere Entscheidung, ob ein solcher kleiner Eiterherd in der
Tiefe sitzt, dürfte im einzelnen Falle nicht selten unmöglich sein.
Der Vortragende stützt sich auf ein Beobachtungsmaterial von
121 Fällen, die grösstentheils auf der inneren Abtheilung des Aller-
heiligen-Hospitals beobachtet wurden. Rechnet man 8 von diesen
Fällen ab, in welchen nach den klinischen Symptomen die Diagnose auf
Stercoraltyphlitis !) gestellt wurde, und 3 Fälle von Appendieitis simplex,
so bleiben 110 Fälle von „Perityphlitis‘“ übrig, darunter sehr viele
schwere Erkrankungen. Nur 10 von diesen Fällen wurden auf Grund
der noch zu erwähnenden Indicationen der chirurgischen Behandlung
überwiesen. |
Es heilten im Ganzen 96 Fälle aus, 7 verliessen aus verschiedenen
Gründen ungeheilt das Hospital, 7 sind gestorben.
Unter den letzten befinden sich 5 Fälle, die mit allgemeiner Peri-
tonitis in hoffnungslosem Zustande ins Hospital gebracht wurden. Es
kann als erfreuliche Thatsache berichtet werden, dass während der Be-
obachtungsdauer bei keinem Falle eine allgemeine Peritonitis entstand,
eine Complication, die daher bei grosser Vorsicht wohl in den meisten
Fällen, soweit sie nicht gleich im ersten Beginn als allgemeine Peritoni-
tiden einsetzen, zu vermeiden sein dürfte.
!) An dem Bestehen dieses Krankheitsbildes muss festgehalten werden, wenn
es auch nicht so häufig ist, als es früher diagnostieirt wurde, und wenn auch die
Bedingungen seines Zustandekommens andere sind, als man früher vielfach
annahm. i
I. Abtheilung. Medieinische Section. 147
Die beiden anderen gestorbenen Fälle waren nach 11 resp. 21 tägiger
Erkrankung der chirurgischen Abtheilung überwiesen worden, dort aber
nach erfolgter Operation an Entkräftung gestorben. Bei der einen Kranken
muss die entfernte Möglichkeit einer Rettung bei früherem Eingreifen
zugegeben werden; der andere Fall begann so allmählich und mit so ge-
ringen Symptomen, dass an eine Operation Anfangs kaum gedacht
werden konnte.
Die Heilungsdauer wird durch die Operation nicht verkürzt, Be-
schwerden bleiben zuweilen mit, zuweilen ohne Operation zurück.
Reeidive waren bei den von uns behandelten Kranken sehr selten nach-
zuweisen; sie lassen sich auch nach operativem Vorgehen nur dann ganz
vermeiden, wenn der Processus vermiformis entfernt wird, was oft
schwierig, zuweilen unmöglich ist.
Die striete Indieation zum operativen Eingreifen ist also nicht schon
bei plötzlichem stürmischen Einsetzen der Erkrankung gegeben, wie
u. A. Sonnenburg behauptet; auch die Indicationsstellung nach Krank-
heitstagen (Sahli u. A.) dürfte als etwas schematisch zu betrachten sein,
In den ersten Tagen der Erkrankung ist ein operativer Eingriff wohl
nur dann nöthig, wenn das Exsudat, was selten ist, physikalisch nach-
weisbar sehr rapid wächst, ferner wenn es Neigung zeigt, nach aussen
durchzubrechen, in welchem Falle ja stets ein Einschnitt indieirt ist.
Vielleicht mag auch gelegentlich ein schwer septischer Zustand (starke
Cyanose, wiederholte Schüttelfröste, Ieterus u. s. w.) ein frühes Ein-
greifen rechtfertigen. Setzt der Process gleich mit allgemeiner Peritonitis
ein (oder tritt eine solche während des Verlaufs ein), so richtet sich
Prognose und Therapie nach den bei allgemeiner Peritonitis geltenden
Regeln.
In allen übrigen Fällen wartet man ruhig ab. Ist über kurz oder
lang ein abgekapseltes Exsudat vorhanden, so wird man zur Eröffnung
dann rathen, wenn man das Bestehen einer nennenswerthen Eiter-
ansammlung durch undeutliche (äusserst selten deutliche) Fluctuation,
Probepunction, Fiebereurve u. s. w. vermuthet. Die einfache Schnitt-
operation, ohne langes Suchen nach dem Processus vermiformis, dürfte
‘ für die meisten Operateure das richtige Verfahren sein. Im Uebrigen
ist die Thatsache zu constatiren, dass solche Abscesse auch uneröffnet
noch meist einen günstigen Ausgang nehmen, natürlich aber doch bei
exspeetativem Verhalten recht gefährlich werden können. Wachsen und
wandern die Abscesse, so wird die Indication zum Eingreifen immer
dringender, wenn auch selbst bei solchen Fällen noch Spontanheilungen
zu beobachten sind.
Oeftere, schwere Reeidive, heftige zurückbleibende Beschwerden
geben eine Indication zur Exstirpation des Processus vermiformis in der
anfallsfreien Zeit,
148 Jahresbericht der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur.
Von den Prineipien der nicht operativen Therapie seien nur einige
hier hervorgehoben:
Vollständige Abstinenz von Speisen und Getränken per os (nach
Sahli u. A.) haben wir nicht für nothwendig befunden.
Opium ist, zuweilen selbst in grössten Dosen, im Anfange indieirt;
zu lange fortgesetzter Gebrauch grösserer Dosen begünstigt die auch
sonst zuweilen zurückbleibende Darmatonie.
Abführmittel im Beginn wurden nie applicirt; foreirte Abführmittel
sind entschieden gefährlich. Dagegen sind Klystiere, besonders bei der
Typhlitis stercoralis, aber auch bei mittelschweren und leichten Peri-
typhlitiden, meist von Nutzen. Bei den Stercoraltyphlitiden wurde nach
erfolgter Darmentleerung, beim Schwinden der Entzündungserscheinungen
ein leichtes Laxans nachgegeben. |
Bei zurückbleibenden Resistenzen ist nach Monaten oder Jahren die
Massage ein nur sehr vorsichtig anzuwendendes, aber bei Innehaltung ge-
eigneter Vorsichtsmaassregeln erfolgreiches Verfahren.
(Eine ausführlichere Wiedergabe des Vortrages wird anderweitig
erfolgen.)
Discussion:
Herr Dr. Riesenfeld: Der Begriff stereorale Typhlitis ist fallen
zu lassen. So lange noch Resistenz und Schmerzhaftigkeit besteht, ist
der Patient noch als krank in der Behandlung zu halten. Abführmittel
sind unter allen Umständen zu vermeiden. Massage nur, wenn absolut
keine Schmerzhaftigkeit besteht.
Herr Dr. Alexander, im Allgemeinen ganz auf dem Standpunkte
des Vortragenden, ist gegen Abführmittel.
Herr Dr. Herz giebt auch nie im Anfang eich Abführmittel
sondern Klystiere.
Herr Dr. Riegner: Wo manifester Eiter, da soll man ihn ent-
leeren. Der Eiter (Bact. coli) kann Jahre lang virulent bleiben und
plötzlich zum Tode führen. Man wird wohl öfter operiren müssen, als
Vortragender angiebt. Vor Massage ist zu warnen, R. sah einen Fall,
wo Perforation dadurch provoeirt wurde.
Herr Prof. Buchwald: Darmruhr wurde von Biermer als wesent-
lich aufgestellt. Manche Fälle gehören dem Chirurgen. Massage, welche
Herz als Nachbehandlung empfiehlt, ist zu vermeiden. Soolbäder haben
guten Erfolg. &
Herr Dr. Rosenfeld: Eine Typhlitis stercoralis ist nie gesehen
worden, existirt nicht, weder anatomisch, noch klinisch. Abführmittel
sind absolut zu vermeiden; dann kann die interne Therapie (Opium) bis
auf 1 Procent Todesfälle befakgedradkt werden. Die Chirurgen haben
(Murphy) noch 9 Procent,
I. Abtheilung. Medieinische Section. 149
Herr Dr. Herz: Massage ist doch erlaubt, aber nur vom Arzt. Bei
manifestem Eiter stellt H. auch dem Patienten die Operation anheim;
ohne Operation geht es auch oft gut. H. hält daran fest, dass es
Thyphlitis stercoralis giebt.
Herr Geh. Rath Ponfick: Zu Typhlitis stercoralis gehört Entzün-
dung des Darms. Einfache Kothstauung macht keine Typhlitis. Im
Wurmfortsatz ist das aber anders,
Herr Geh. Rath Mikuliez: Man hat leichte Fälle zu unterscheiden,
in denen man nicht operirt, andere sind zweifelhaft. M. erhält die
meisten Fälle zu spät, wo schon Perforation eintrat. Die Freilegung
des Eiterherdes ist das Einzige, was bei frischer Perityphlitis geschehen
darf, und ganz ungefährlich.
Herr Dr. Kader: Bei Hunden bewirkte totale Unterbindung des
Darms erst in 60 Tagen Tod. Druck von hartem Koth kann Nekrose
und Perforation bewirken. Bact. coli wird im stagnirenden Darminhalt
besonders pathogen.
2) Herr Prof. Neisser schlägt vor, heute in 8 Tagen eine Sitzung
abzuhalten, worin geschäftliche Fragen erledigt werden sollen: Wahl
der Secretaire, Zeit der Tagung und Drucklegung der Berichte.
Der Antrag wird angenommen.
3) Herr Dr, Courant:
a) Sactosalpinx hämorrhagica (hämatosalpinx) bei erworbener
Atresia tubae.
Mit Blut gefüllte Tubensäcke sind zuerst bei Doppelmissbildung des
Genitalkanals mit peripherer Atresie beobachtet. Kommt es zur Men-
struation, so staut sich das verhaltene Blut oberhalb des Verschlusses.
Bei sich immer wiederholender periodischer Blutung nimmt schliesslich
auch der centralste Theil der verschlossenen Seite des Genitalschlauches,
die Tube, das zurückgehaltene Blut in sich auf, und wird durch dasselbe
zu einem Tubensacke ausgedehnt. Eine Hauptgefahr der sich immer
mehr vergrössernden Geschwulst bildet die Ruptur.
Es ist viel darüber gestritten worden, woher das Blut in der Tube
stamme. Nach der sogenannten Refluxtheorie von Bernutz und Goupil
nimmt das von der mucosa corporis allein abgesonderte Blut schliesslich
einen rückwärtigen Weg in die Tube. Auch heute steht eine grosse
Anzahl von Gynäkologen auf diesem Standpunkte. Doch scheint diese
Ansicht nicht richtig zu sein. Wie Rose (Monatsschr. f. Geburtskunde
1867 p. 301) nimmt Bandl in seinen Tubenkrankheiten als sicher an,
dass das in der Tube angesammelte Blut aus der Tubenwandung selbst
stamme. Es sind Tubenblutsäcke beschrieben, deren oberster Abschnitt
mit dem Eierstock in Zusammenhang steht. In diesen Fällen ist es
150 - Jahresbericht der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur.
immerhin möglich, dass das Blut aus einem geborstenen Follikel geliefert
werde. Meistens ist ein solcher Zusammenhang nicht vorhanden. In
anderen Fällen ist beobachtet, dass der Tubenblutsack von dem übrigen
bluthaltigen Genitalkanal durch ein verengtes oder ganz verschlossenes
Tubenstück getrennt ist. Wendeler berichtet, in Martin’s neuem
Handbuche über Eileiterkrankheiten, über ein Präparat, welches einem
geschlechtsreifen Dienstmädchen entstammt, das in voller Gesundheit
gegen Ende der Menstruation plötzlich gestorben war. Das Verhalten
der Tubenmucosa ähnelt in diesem Falle sehr dem der mucosa uteri,
nur dass die Erscheinungen weniger stark ausgesprochen sind. Schroeder
und Hofmeier nehmen an, dass bei Erschwerung des Blutaustritts aus
der mucosa uteri eine vieariirende Blutung aus der mucosa tubae erfolge,
Auch Landau und Rheinstein (Archiv für Gynäkologie Bd. 42)
nehmen an, dass die Tuben unter gewissen Umständen menstruiren.
Man findet in diesen Fällen von Hämatosalpinx auch einen Ver-
‘schluss des abdominellen Tubenendes. Nach J. Veit (Verhandlungen
des Bonner Gynäkologen-Congresses 1891) ist es nur möglich, dass ent- _
weder eine Missbildung auch des abdominellen Tubenendes vorliegt,
oder dass secundär eine entzündliche Verschliessung herbeigeführt wird,
Bei der Tubengravidität ist das ostinm abdominale immer offen, und
nach J. Veit demnach keine richtige Hämatosalpinx möglich ohne Ver-
schluss des abdominellen Endes.
Auch erworbene Atresien am peripheren Theile des Genitalkanals
können durch Aufstauung des Menstrualblutes allmählich zu Hämato-
metra und Hämatosalpinx führen. Die Atresie kann durch Verletzungen
bei der Geburt, Verwachsungen nach Anwendung von Aetzmitteln, Ent-
zündungen in Folge von Infectionskrankheiten entstehen.
In allen diesen Fällen von congenitaler oder acquirirter peripherer
Atresie wird die Menstruation die Veranlassung zur schliesslichen Bildung
der Sactosalpinx hämorrhagica.
In ganz anderer Weise bilden sich plötzlich Tubenblutsäcke in einer
präformirten Hydrosalpinx oder Hydropyosalpinx. Die Grundbedingung
zur schnellen Entstehung des Blutsackes ist gegeben in dem vorgebildeten
Sack und der abdominellen Atresie desselben. Die Blutung erfolgt aus
der Tubenschleimhaut durch Trauma oder Tersion. Die letztere kann
zugleich bei der ‚Stieltorsion eines Ovarialtumors bewirkt werden, oder
bei der plötzlichen Verlagerung eines anderen Tumors. J. Veit (l. ce.)
theilt einen Fall mit, bei dem durch Reiten plötzlich aus einer Hydro-
salpinx eine Hämatosalpinx entstanden war. Er kennt jedoch keinen
Fall, bei welchem die pathologisch verschlossene Tube durch die Blutung
zum Tubensacke gedehnt worden wäre.
Ich möchte heute über einen solehen Fall berichten, der deshalb
besonderes Interesse beanspruchen dürfte, weil bei erworbener Tuben-
I. Abtheilung. Medicinische Section. La
atresie der Eintritt der Menstruation zur Ursache der Blutsack-
bildung wird.
Das 18jährige Dienstmädchen R. erschien bei mir mit starken
Schmerzen im linken Unterleibe am 12. Juli 1895.
Die Virgo ist vor 5 Jahren an Scharlach und Diphtherie erkrankt.
Damals soll Patientin 8 Wochen zu Bett gelegen haben und mehrere
Tage besinnungslos gewesen sein. Nach Aussage des behandelnden
Arztes ist die Erkrankung eine schwere gewesen. Sonst ist die R. nie
krank gewesen. Anfang März 1895 bekam sie eines Tages heftige
Schmerzen links im Unterleibe. Gleichzeitig bemerkte sie, dass ihre
erste Periode eingetreten war. Mit Aufhören der schwachen Blutung
hörten auch die Schmerzen auf. Dieses Ereigniss wiederholte sich
monatlich. Anfang Juli jedoch trat die Menstruation in viel stärkerem
Maasse und eine Woche lang auf. Die Schmerzen steigerten sich. Auch
nach Aufhören der äusseren Blutung liessen die Schmerzen nicht mehr
nach, Dazu traten Schmerzen in der Blasengegend und fortwährender
Harndrang. In den letzten Tagen will Patientin Abends gefiebert haben.
Die R, ist schwach entwickelt, hat aber gesunde Respirations- und
Cireulationsorgane. Urin ist eiweiss- und zuckerfrei. P. 120, T. 38,1.
Die linke regio hypogastrica ist etwas vorgetrieben und auf Druck sehr
schmerzhaft. Die innere und combinirte Untersuchung ergiebt daselbst
eine wurst- oder walzenförmige, prall gespannte, bewegliche und sehr
schmerzhafte Geschwulst, die von vorn nach hinten links im kleinen
Becken liegt und mit der vorderen Geschwulstkuppe ins grosse Becken
ragt. Es ist ein Zusammenhang mit dem Uterus vorhanden. Der letztere
ist scheinbar stark vergrössert und anteflectirt, ist aber in der That
klein und retrodextrovertirt. Unter Leitung des in die Scheide einge-
führten Zeigefingers gelingt es, eine dünne Sonde in den Uterus einzu-
führen, die sich nach rechts und hinten nur 5 cm weit verschieben lässt.
Die hintere Geschwulstkuppe ist im Douglas und linken Laquear zu
fühlen. Die vordere Geschwulstkuppe liegt auf der Blase und täuschte
zuerst ein stark vergrössertes corpus uteri vor.
Hauptsächlich auf Grund der Anamnese liess sich sofort die Diagnose
Hämatosalpinx stellen. Ich fügte jedoch Hämatometra hinzu, da ich an
eine Missbildung mit congenitaler Atresie dachte.
Nach einwöchentlicher klinischer Beobachtung hatte sich der Zustand
verschlimmert. Die R. konnte nur gekrümmt langsam gehen. Beim
Liegen hatte sie grössere Schmerzen als beim Sitzen. Nachm, T. bis 38,5.
Die Gefahr der Ruptur des inficirten Blutsackes gab die Indieation zur
Operation.
Bei derselben liess sich der Tubensack leicht aus dem Becken
heben. Mit dem Uterus verband ihn ein ca. 2,5 cm langes, bleistift-
diekes Tubenzwischenstück. An dieser Stelle wurde die Geschwulst
153 Jahresbericht der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur.
abgetrennt. Allerdings konnte ohne Berstungsgefahr das dem Sack innig
anliegende Ovar nicht abgesondert werden, und wurde mit abgetragen.
Da auch die rechten Adnexe pathologische Veränderungen zeigten, wurden
sie ebenfalls entfernt.
Es erfolgte glatte Heilung. Patientin ist seitdem wieder vollständig
arbeitsfähig, und hat keine Beschwerden durch den antecipirten Klimax.
Die Tubengeschwulst prall elastisch, von blau-rother Farbe, hat
uneröffnet eine Länge von 18 cm. Sie zeigt zwei Anschwellungen, eine
hintere grössere mit einem Durchmesser von 6,5 cm und eine vordere
dem Uterus aufliegende kleinere. Bei dem Versuch, die Geschwulst von
dem bleistiftdieken uterinen Ende aus mit der Scheere zu öffnen, gelingt
das HKindringen ins Tubenlumen nur ca. 1 cm weit. Um weiter zu ge-
langen, wird mit der spitzen Branche eine verschlossene Stelle durch-
gestossen, und darauf die ganze Geschwulst an der oberen Seite geöffnet.
Sofort entquillt‘ der eröffneten Höhle eine grosse Menge chocolade-
farbenen, diekflüssigen Blutes. Etliche Minuten nach der Eröffnung zeigt
die Geschwulsthülle bereits eine bedeutende Schrumpfung, als Zeichen
der starken Spannung, unter der die Flüssigkeit in Tubenrohre gestanden
hat. Die Innenwand ist uneben, höckerig, doch faltenlos.. An vielen
Stellen haften schwer lösbare Blutgerinnsel. Einzelne Querleisten treten
stark hervor. Am bedeutendsten ist die auch aussen merkbare Ver-
engerung der Höhlung am Ende des ersten Dritiels vom Uterus aus,
welches der ersten, kleineren Anschwellung der uneröffneten Blut-
geschwulst entspricht. Die Haftstelle einer Fimbrieneyste an der Aussen-
wand zeigt die Stelle an, wo ehemals die abdominelle Oeffnung der
Tube war. Sonst ist von derselben nichts zu bemerken. Starke Quer-
leisten springen auch am uterinen Ende gegen die atretische Stelle vor.
Dort setzt sich die Gesehwulst scharf gegen den nicht zu ihr gehörenden
Tubenrest ab, welcher deutliche Schleimhautlängsfaltung zeigt, und die
polypenartigen kleinen Schleimhautkörner, welche ein Zeichen der Salpin-
gitis interstitialis chronica sind.
Die rechte Tube weist eine abnorm starke Schlange und zwei
faltenlose Divertikel auf, auch Zeichen überstandener Entzündung. Das
abdominelle Ende ist frei und hat einen wohlerhaltenen Faltentrichter,
Das taubeneigrosse rechte Ovarium enthält eine Follikeleyste mit glatter
Wandung und eine haselnussgrosse Corpusluteumeyste mit gewellter
Wandung. '
Wie ist in diesem Falle die Hämatosalpinx entstanden, resp. die
pathologischen Veränderungen, die die Bildung der Blutgeschwulst er-
möglichten? Von einer Missbildung kann keine Rede sein. Es müssen
eingreifende pathologische Processe, ausgehend von der Schleimhaut an
den Tuben, besonders an der linken, stattgefunden haben. Sie können
im vorliegenden Falle nur durch die überstandene Scarlatina genügende
I. Abtheilung. Medicinische Section. 153
Erklärung finden. Dass bei acuten Infeetionskrankheiten, die mit Er-
krankung der Schleimhäute einhergehen, auch die Schleimhäute des
Genitalkanals erkranken können, ist bekannt. Fraenkel und Deycke
(D. med. Wochenschr. 1893 Nr. 7) haben bei der letzten Choleraepidemie
in Hamburg derartige Erkrankungen an der Schleimhaut der Gebärmutter
eonstatirt. Unter 200 Sectionen weiblicher Choleraleichen zeigte sich
bei 110, also bei 65 pCt., dass ein Bluterguss ins cavum uteri statt-
gefunden hatte. Das Endometrium war hämorrhagisch infareirt, die
Gefässe der Schleimhaut und der Museulatur stark erweitert. In den
oberflächlichen Schichten waren auch coagulationsnekrolische Vorgänge
an den drüsigen Elementen zu constatiren. In einem Falle, in dem die
Nekrose besonders stark ausgesprochen war, zeigte die Bacterienfärbung
nach Weigert und Löffler, dass es sich um massenhafte Invasion
von Streptocoecen handelte. Ausserdem beschreibt Deycke auch
diphtheritisch - uleeröse Processe an der Scheide und Blutung in die
Ovarien. Von Veränderungen in den Tuben wird allerdings nichts er-
wähnt. Rusi (Ref. C. f. Gynäkologie 1894 Nr. 25) fand bei 16 Cholera-
leichen starke Hyperämie und Schwellung der Tuben. Hennig beob-
achtete bei der Section eines jungen Mädchens, das an Typhus gestorben
war, eine hämorrhagische Tubennekrose mit Durchbruch in den Darm,
Terrillon operirte eine Hämatosalpinx bei einem 22jährigen Mädchen,
welche sechs Jahre vorher in Folge von Scharlach entstanden war (Ref.
Martin Krankheiten d. Eileiter p. 78). Dieser Fall, der mir nur durch
das Citat im Martin’schen Werke bekannt ist, hat Aehnlichkeit mit
dem von mir geschilderten. Ich kann nicht entscheiden, ob bei dem-
selben auch der Eintritt der Menses die Veranlassung zur Bildung der
Geschwulst gewesen ist. Auch ist es nicht wahrscheinlich, dass die
Blutgeschwulst in der That 6 Jahre lang vor der Operation bestanden
hat. R. Müller (C. f. Gynäkologie 1895 Nr. 49) beobachtete bei
Influenza 138 Nichtgravidae. Mit Ausnahme von 3 Fällen zeigten sie
Metrorrhagien, Menorrhagien ünd Verschlimmerung bereits bestehender
Sexualleiden. Unter 21 Gravidae wurde in 17 Fällen die Schwanger-
schaft unterbrochen. Oft zeigten sich nach Ablauf der Krankheit die
Symptome einer Endometritis chroniea. Hierher gehören endlich auch
zwei Fälle, die von Bernutz und Goupil zum Beweise der Richtigkeit
ihrer Refluxtheorie berichtet werden. In einem derselben von Laboul-
bene handelte es sich um eine am vierten Tage einer Variola erlegenen
Frau, in dem anderen um eine Beobachtung H&lies’, nämlich um eine
Zwanzigjährige, die am siebenten Tage einer Scarlatina erlegen war.
In beiden Fällen waren im Uterus und in der Tube mit einander zu-
sammenhängende Blutgerinnsel vorhanden.
Jedenfalls stehen in diesen Fällen die Vorgänge an der Tuben-
schleimhaut in naher Beziehung zur Infectionskrankheit. Man kann sich
11
154 Jahresbericht der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur.
vorstellen, dass aus der Endosalpingitis acuta hämorrhagica eine Salpin-
gitis purulenta chronica mit allen ihren Folgen werden kann. Die Länge
des Eileiters nimmt zu, so dass starke Schlängelungen entstehen. Die
starke Schwellung der Schleimhautfalten, Verwachsungen derselben unter
einander, Cystenbildung in derselben, Bindegewebswucherung bewirken
Verengerungen des Lumens, besonders am Isthmus tubae. Vollkommene
Obliteration des uterinen Tubenendes wie in unserem Falle ist selten.
Reymond (Annales de gyneeologie 1895 Janvier) konnte unter 94 Fällen
von Salpingitis nur einmal eine vollkommene Obliteration feststellen.
Dass sich leichter ein Verschluss am Ostium abdominale, also am wei-
testen Tubentheil bildet, liest daran, dass der Verschluss nicht durch
Narbenbildung in der Schleimhaut wie am uterinen Ende, sondern durch
peritoneale Verlöthungen der Tubenfranzen mit dem Ovarium, mit anderen
Organen oder unter einander zu Stande kommt. Besonders der letzte
Modus scheint ein häufiger zu sein. Als Endstadium ist die Hydro-
salpinx oder Sactosalpinx serosa aufzufassen, die unter schon geschilderten
Bedingungen zu einer Hämorrhagica werden kann. Es ist wahrscheinlich,
dass auch in dem beschriebenen Falle aus der Salpingitis scarlatinosa
eine Hydrosalpinx entstanden ist.
Mit dem Einsetzen der Menses muss nach den Symptomen auch
eine beträchtliche Absonderung von Blut aus der Tubenschleimhaut statt-
sefunden haben. Diese Blutung wiederholte sich jedes Mal bei Eintritt
der Uterusmenstruation. Jedenfalls kann diese Beobachtung einer patho-
logisch vermebrten menstruellen Blutabsonderung in einen vollständig
abgeschlossenen Tubensack und bei freier Uterusmenstruation als ein
klarer Beweis für die menstruelle Blutungsfähigkeit der Mucosa tubae
angesehen werden. Ich muss daher der Ansicht von Landau und
Rheinstein beistimmen, dass die Tuben ‚unter bestimmten Umständen“
menstruiren können (Archiv für Gynäkologie Bd. 42). Auch ist nicht
anzunehmen, dass die vielleicht schon vor Eintritt der Menses bestehende
Hydrosalpinx eine beträchtliche Ausdehnung gehabt habe. Erst fast
fünf Jahre nach der Scarlatina, erst mit dem Eintritt der ersten Menses
beginnen die bekannten Beschwerden der sich bildenden Tubengeschwulst
in ähnlicher Weise wie bei angeborener Missbildung. Die Tube ist
wahrscheinlich durch das sich ansammelnde Blut beträchtlich ausgedehnt
worden.
Eigenthümlich ist dem beschriebenen Falle die Ursache der Blut-
sackbildung, die sonst bei erworbener Atresie in einem Trauma oder
einer Torsion zu bestehen pflegt. Ausser dem Terrillon’schen Falle
habe ich in der Literatur keinen ähnlichen finden können.
b) C. demonstrirt einen von ihm schon auf dem Wiener Gynäkologen-
Congresse ausführlich besprochenen neuen Scheidenspiegelhalter. Es
I. Abtheilung. Medicinische Section. 155
handelt sich darum, das oft recht anstrengende und langweilige Assistiren
an der hinteren Scheidenrinne bei gynäkologischen Stuhloperationen
durch einen geeigneten Apparat zu ersetzen. C©. bespricht die verschiedenen
bisherigen Erfindungen solcher Spiegelhalter, die mit Ausnahme des
Neugebauer’schen für die Knieellenbogenlage erfundenen alle als
unpraktisch und unzulänglich bezeichnet werden müssen. Hierauf wird
der neue Apparat und das mechanische Prineip seiner praktischen
Wirkungsweise, die genau der Kraftäusserung des lebendigen Assistenten
armes nachgeahmt ist, erklärt. Schliesslich zeigt ©. die Anwendungi
des Apparates an der Lebenden. Hauptsächlich gebraucht er ihn bei
Operationen an der vorderen Scheidenwand (Colpotomia anterior, .vaginae-
fixatio uteri, colporrhaphia ant., Fisteloperationen), weil bei diesen die
hintere Scheidenrinne während der ganzen Operationsdauer gleichmässig
gehalten werden muss.
Der Apparat wird bei Haertel in Breslau angefertigt.
Genaueres über den Apparat selbst und Abbildungen desselben in
den Verhandlungen der Deutschen Gesellschaft für Gynäkologie Bd, VI,
p. 460.
21. Sitzung vom 20. December 1895.
Vorsitzender: Herr Prof. Born. Schriftführer: Herr Dr. Endres.
Vor der Tagesordnung:
Herr Dr. Viertel:
Demonstration eines intravesical operirten Blasentumors.
Vortragender demonstrirte eine über haselnussgrosse Geschwulst,
welche in der Blase eines 79jährigen Herrn etwas nach hinten vom
rechten Ureter sass und den Patienten durch heftige Blutungen sehr in
seinem Allgemeinbefinden schädigte. Nachdem der Tumor eystoskopisch
diagnostieirt war, erfolgte seine Entfernung mit der galvanokaustischen
Schneideschlinge des Operationscystoskops von Nitze. Dem Tumor
wurde unter Leitung des Auges die Platiniridiumschlinge umgelegt, und,
nachdem der richtige und feste Sitz derselben constatirt war, der dünne
Stiel durchgeglüht. Die ganze Operation, welche ohne allgemeine Nar-
kose in der cocainisirten Blase vorgenommen worden, dauerte nur einige
Minuten. Patient entleerte den Tumor beim ersten Uriniren. Verlauf
ohne jegliche örtliche und allgemeine Reaction. Nach 8 Tagen wurden an
einer anderen Stelle des Blasenbodens, etwa einen Centimeter weit nach
aussen und hinten vom Sitze des Tumors zwei hanfkorngrosse Knöspchen,
welehe wohl die erste Anlage eines ebensolchen Tumors, wie der eben
geschilderte, darstellten, und welche bei der ersten Untersuchung schon
constatirt waren, mittelst des Galvanokauters des Nitze’schen Operations-
156 Jahresbericht der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur.
eystoskops zerstört. Bei dieser Gelegenheit zeigte sich bei Inspection
der ersten Operationsstelle, dass der Tumor nur einen ganz dünnen Stiel
gehabt hatte. Die Operationsstelle selbst war von einem kleinen schwarz.
rothen Schörfehen bedeckt, entsprechend dem dünnen Durchmesser des
Stiels. Die Umgebung zeigte keinerlei entzündliche Reaction. Auch
dieser zweite Eingriff verlief völlig reaciionslos und hat Patient seit
dieser Zeit keinerlei Blutung mehr gehabt.!) Es ist dies wohl der erste
Fall für Breslau, in welchem beim Manne ein Blasentumor ohne Er-
weiterung oder Verletzung der natürlichen Harnwege unter Leitung des
Auges intravesical durch das Nitze’sche Operationscysioskop operirt
ist. Der Eingriff wiegt nicht schwerer als eine gewöhnliche cysto-
skopische Untersuchung.
Tagesordnung:
J. Antrag Neisser: Die Zahl der Secretaire, welchen die Vor-
bereitung und Leitung der Sections-Sitzungen wie der klinischen Abende,
sowie die Redaction der Sitzungsberichte obliegt, wird auf sechs erhöht.
Die Wahlen erfolgen in geheimer Abstimmung. Jedes Jahr scheiden
2 der Secretaire — zuerst durch das Loos, später nach der Amtsdauer
— aus und sind in derselben Wahlperiode nicht wieder wählbar.
Diseussion:
Prof. Barth: Wechsel der Secretaire ist nicht wünschenswerth, nur
der Grund der Arbeitsüberlastung wäre bestimmend.
Prof, Richter: Es müssten dabei Nichtangehörige der Universität
gewählt werden, .
Dr.Buchwald: Die Wiederwählbarkeit ist aufrecht zu erhalten. Aus-
scheiden der Secretaire zu drei und drei. Stimmt im Uebrigen Richter bei.
Geh. Rath Neisser: Drei haben auszuscheiden, drei sind wieder
wählbar. Stimmt ebenfalls Richter bei.
Prof, Born: Am Modus der klinischen Abende ist nichts zu ändern.
Dr. Buchwald: Zur Geschäftsordnung.
Prof. Born:
1. Zahl der Secretaire: 6.
2. Bei jeder Neuwahl sind 3 Secretaire nicht wieder wählbar.
3. Es ist erforderlich, unter den vorgeschlagenen Secretairen
auch Nicht-Universitätsangehörige zu wählen (nach Richter).
Dr. Buchwald: Will den Modus des Vorschlages genauer definirt
haben. |
Geh. Rath Neisser macht auf das Geschäftsmässige aufmerksam..
!) Seit der Operation sind 6 Wochen vergangen.
I. Abtheilung. Medicinische Section. 157
Dr. Brieger: Die Wahl der Secretaire soll frei sein, die zu Wäh-
lenden sind zu nennen.
Prof. Born:
1. Die Zahl der Secretaire ist 6.
2. Unter den Gewählten müssen zwei praktische Aerzte sein.
1. wird mit Majorität angenommen.
2. nicht angenommen.
3. Bei jeder Neuwahl ist eine bestimmte Zahl von Secretairen
nieht wieder wählbar und zwar haben zwei für die nächste
Wahlperiode auszuscheiden.
3. ist angenommen und zwar sind diese beiden auszuloosen,
Heute Wahl der Sechs.
Bisherige Secretaire: Born, Buchwald, Mikuliez, Neisser,
Ponfick.
II. Wahl der Secretaire.
III. Antrag Mikuliez und Genossen: Die Sectionssitzungen sollen
von nun ab nicht mehr Freitag um 6 Uhr, sondern Abends um 8"), Uhr
an stattfinden.
Prof. Born ersucht um allseitige Meinungsäusserung.
Geh. Rath Neisser setzt die Intention des Antrags auseinander.
1. Geselligkeit soll nach dem Vortrag gepflegt werden.
2. Die Assistenten der Kliniken sind um 6 Uhr häufig dienstlich
verhindert.
Dr. Buchwald gegen den Antrag.
1. Für klinische Abende ist es unmöglich der Kranken wegen.
2. Der Familie wegen nicht ein ganzer Abend.
3. Mitglieder aus der Provinz sollen an demselben Abend wieder
abreisen können. |
4. Deutsche Alpenvereinssitzungen finden Abends 8 Uhr statt.
Dr. Kümmel befürwortet den Antrag.
Dr. Kayser: Nach der Art des Vortrages haben die Seeretaire
die Zeit des Vortrages in jedem Falle besonders festzustellen.
Dr. Asch sen. fürchtet für die Wissenschaftlichkeit des Vortrages.
Dr. Kümmel spricht dafür.
Zur Abstimmung:
1. Die Sitzungen sind nicht auf 6 Uhr, sondern auf 8 Uhr am
Freitag anzusetzen.
2. Eventuell Antrag Kayser.
1. und 2. werden abgelehnt.
IV. Referat der Secretaire (Referent Born) über eine beabsichtigte
andersartige Drucklegung der Berichte der Sectionssitzungen und der
klinischen Abende. Die Berichte der Sitzungen und der klinischen
12
158 Jahresbericht der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur.
Abende sollen in klinischen resp. medieinischen Wochenschriften ver-
öffentlieht werden. Die Deutsche medieinische und die Berliner med.
Wochenschrift kommen nicht in Betracht.
Das Lohenstein’sche und das Grosser’sche Blatt erklärten sich
bereit zur Aufnahme.
Die Secretaire sind dafür; Prof. H. Cohn hat sich gegen das
Grosser’sche Organ wegen des Petitdruckes ausgesprochen.
Discussion:
Dr. Viertel: Es ist zu untersuchen, welche Zeitschrift mehr gelesen
wird. Die Grosser’sche Zeitung ist nicht zu verwerfen.
Dr. Kramer: Der Preis ist zu berücksichtigen.
Dr. Kuznitzky: Bei der Münchener Med. Wochenschrift ist
gleichfalls anzufragen.
Gewählte Secretaire: Mikulicz öl, Neisser 50, Born 49,
Buchwald 43, Ponfick 36, Asch sen. 27 Stimmen.
nn
schlesische Gesellschaft für vaterländische Cultur.
73. I. Abtheilung.
Jahresbericht. Medicin.
1895. b. Hygienische Section.
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Sitzungen der hygienischen Section im Jahre 1895.
Secretaire: Geh. Medicinalrath Prof. Dr. Flügge, Prof. Dr. H. Cohn und Königl.
Polizei-Stadt-Physikus, Sanitätsrath Prof. Dr. Jacobi.
1. Sitzung am 5. Juli 1895.
1) Herr Prof. ‘Dr. Holdefleiss:
„Erfahrungen der letzten fünfzehn Jahre über die Verwerthung der
städtischen Abfallstoffe.‘
Referent hat im Jahre 1879 an derselben Stelle über das vorge-
nannte Thema auf Grund seiner Erfahrungen in England berichtet. Seit
dieser Zeit hat noch immer keine Klärung der Erfahrungen stattgefunden,
insofern die Frage, welches System das beste sei, noch keine anerkannte
Lösung gefunden hat. Am meisten hat hierzu wohl der Umstand bei-
getragen, dass in den einzelnen Fällen in der Regel das Urtheil be-
stimmt wurde durch die Vorliebe für ein einzelnes System, welche
meistens beruhte auf örtlichen Gründen, die nichts mit dem eigentlichen
Zwecke der Verwerthung der Abfallstoffe zu thun haben.
Verhältnissmässig am häufigsten hat sich die Vorliebe der Städte
der Schwemmkanalisation zugewandt; das wesentlichste Moment,
welches für deren Anwendungsweise und für die Verwerthung der
Stoffe bestimmend ist, ist der Verbrauch von sehr viel Wasser und die
dadurch hervorgerufene grosse Verdünnung der Fäcalien.
Diese weit verbreitete Vorliebe ist erklärlich, denn für die Be-
quemlichkeit und Sauberkeit der Städte selbst, für das schnelle, saubere
und vollständige Wegschaffen der Fäcalien aus den Häusern giebt es
nichts besseres als das Wasser-Closet, mit welchem die Schwemm-
kanalisation innig verbunden ist.
Jedoch die Wegschaffung der Stoffe aus den Städten und ihre
Verwerthung sind zwei verschiedene Dinge und gerade die Ver-
werthung ist von hervorragender Bedeutung. Auf dieselbe ist aus fol-
genden zwei Gesichtspunkten Werth zu legen.
1. Aus land- und volkswirthschaftlichen Gründen in Bezug auf Er-
haltung von Werthen. Es steht fest, dass die Fäcalien in ihrer Ge-
189. 14
D) Jahresbericht der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur.
sammtheit alle die Bestandtheile enthalten, welche die Fruchtbarkeit
des Bodens und die Productionsfähigkeit des Landes bedingen, und dass,
wenn diese verloren gegeben werden, dies einen ungeheueren, vielleicht
unwiderbringlichen Verlust an Nationalvermögen bedeutet.
2. Aus Gründen der absolut sicheren Unschädlichmachung, denn
es erscheint von vornherein einleuchtend, dass jede Entfernung der
lästigen Stoffe aus dem Weichbilde der Stadt nur eine mit darauf fol-
genden Unzuträglichkeiten verbundene Translocation derselben darstellt;
während nur die schnelle und vollständige Verwerthung eine wirklich
sichere Vernichtung der durch ihre Zersetzung schädlich werdenden
Massen garantiren kann.
Die Stadt, welche sich vor Unzuträglichkeiten schützen will, darf sich
also nicht bei der Herausschaffung der Fäcalien beruhigen, sondern sie
ist dringend gezwungen, daran zu denken, was aus denselben nach dem
Herausschaffen wird.
Bei der Schwemmkanalisation werden nun die aus der Stadt heraus-
geschafften Massen, wenn sie nicht direet in Flüsse geleitet werden,
was nicht mehr angängig ist — zur Berieselung von Ackerflächen ver-
wendet. Hierdurch sollen sie einmal ausgenutzt und verwerthet und
andererseits unschädlich gemacht werden.
Was die Ausnutzung anbetrifft, so haben die Analysen der aus den
Breslauer Rieselfeldern ablaufenden Wässer ergeben, dass nicht mehr
als rund ein Viertel bis ein Drittel der im Rieselwasser enthalten
gewesenen Stoffe im Acker zurückgehalten wird. Zu einem ähnlichen
Resultate kommt man auch durch Rechnung, wenn man berücksichtigt,
dass durch landwirthschaftliche Benutzung auf einem Morgen Acker die
Auswürfe von nur 70 bis 80 Menschen verwerthet werden können,
während bei der jetzigen Rieselfläche auf einen Morgen ca. 200 Ein-
wohner kommen. Und dabei sind die Breslauer Rieselanlagen noch
insofern die rationellsten, ja mustergültigsten, als sie von allen den
ür Absorption und landwirthschaftliche Ausnutzung geeignetsten Boden
haben.
Das soeben angeführte Verhältniss der Ausnutzung zeigt aber, dass
die Rieselflächen in allen Fällen immer mehr vergrössert werden
müssen, so dass es schliesslich unmöglich sein muss, genügende
Flächen zu beschaffen.
Zu berücksichtigen ist ferner, dass bei zu geringer Rieselfläche die
Stoffe nicht nur unvollkommen ausgenutzt werden, sondern der Acker
auch zu schnell seine Absorptionsfähigkeit verliert. Die
suspendirten feinen Stoffe erfüllen und verstopfen die feinen Poren des
Bodens, in Folge dessen verliert er nicht nur seine Rieselfähigkeit, sondern
verschliesst sich so, dass im Innern durch die sich oxydirende organische
I. Abtheilung. Hygienische Section. 3
Substanz Reductionen der Eisenoxyd-Verbindungen zu Eisenoxydul
stattfinden, welches für die Pflanzenwurzeln giftig ist.
Endlich aber muss es auffallen, dass die Erträge der Rieselflächen,
trotz der abnorm hohen Dungmengen, welche ihnen zugeführt werden,
relativ niedrig sind. So sind z. B. die Erträge an Zückerrüben in
Oswitz niedriger, als sonst auf normalem Boden, und dasselbe gilt für
die übrigen Früchte. Auch ist die Auswahl der anzubauenden Früchte
geringer, so wächst z. B. Hafer auf den Flächen so gut wie gar nicht,
und auch die Gerste giebt wenig Ertrag und geringe Qualität. Der
Grund hierzu scheint hauptsächlich in der Verschlechterung der
physikalischen Beschaffenheit des Bodens zu liegen, ganz
besonders darin, dass der im Frühjahr zu bestellende Acker den ganzen
Winter gerieselt werden muss, um das Wasser unterzubringen, und in
Folge dessen nicht ausfrieren noch verwittern kann. Ueberhaupt
macht die Vertheilung der grossen Mengen des Rieselwassers mehr
Schwierigkeiten als meistens angenommen wird, da alle Culturpflanzen
ausser Gras und Korbweiden das directe Rieseln nicht vertragen;
dauernd Gras anzubauen ist aber nicht angängig, da nur durch Wechsel-
bau von Ackerfrüchten der Acker dauernd aufnahmefähig gemacht
werden kann.
Immer aber bleibt die Frage bestehen, was aus den nicht aus-
genutzten Stoffen wird, immer schwebt über der ganzen Anlage die
Gefahr, dass bei nicht voller Ausnutzung die restirenden Stoffe irgendwo
zu Klagen und Processen von Seiten der Adjacenten Veranlassung
geben.
So zufriedenstellend die Schwemmkanalisation an sich meistens
funetionirt, so wird sich somit die allgemeine Durchführung der Aus-
. nutzung durch Rieselanlagen doch kaum als möglich erweisen.
Wenn das Rieseln vorzugsweise dadurch soviel Schwierigkeiten
macht, dass die grossen Mengen vorhandener Stoffe in der Regel nicht
durch die verfügbaren Ackerflächen ausgenutzt und unschädlich gemacht
werden können, so ist es erklärlich, dass man bald daran dachte, durch
sogenannte Kläranlagen einen erheblichen Theil der im Rieselwasser
enthaltenen Bestandtheile zunächst auszufällen. Dies konnte den Zweck
haben, entweder das Wasser überhaupt genügend zn reinigen, oder seine
Concentration so herabzudrücken, dass es nun einer geringeren Acker-
fläche zur Ausnutzung bedarf. In der That können, sei es durch blosses
Absetzenlassen, sei es durch Zusatz von Stoffen, welche den Nieder-
schlag befördern — wenigstens die suspendirten Stoffe fast vollständig
für sich gewonnen werden, also dass solches geklärte Rieselwasser dann
in erheblich grösserer Menge auf den Acker gebracht werden kann,
ohne ihn zu verschliessen, und ohne ihm die Möglichkeit einer genügen-
den Ausnutzung zu nehmen. Es wird dadurch ein verwerthbarer
Be Jahresbericht der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur.
Schlamm gewonnen, der auf grössere Entfernungen hin vergeben
werden kann und‘ dadurch auch ferner liegende und nicht zu Riesel-
flächen aptirte Aecker an der Verwerthung betheiligen kann. Solcher
Schlamm wird in geringerer Menge schon in Oswitz aus den Riesel-
gräben gewonnen; doch würden eigentliche Klärbassins in dieser
Richtung vortheilhafter wirken.
Immer aber bleibt der Uebelstand bestehen, dass aus den über-
mässig grossen Wassermassen das Niederschlagen nur unvollkommen
geschieht, und dass immer schwer zu bewältigende, schwer zu reinigende
und nie vollständig auszunutzende Wassermengen resultiren.
Des Idealste würde es sein, wenn alle wesentlichen Stoffe der
Fäcalien, sowohl diejenigen, welche anderwärts schädlich wirken, als
auch die, welche als Dungmaterialien dienen können, in einem concen-
trirten, trockenen, versandfähigen Producte gewonnen werden könnten.
Die Vorzüge solcher Gewinnung würden sein:
1. Die verdächtigen und schädlichen Stoffe würden auf einmal in
concentrirter Form gefasst werden und könnten nicht mehr — in schwer
zu bewältigenden Unmengen von Wasser sich erhaltend und vermehrend
— weitere unabsehbare Kreise von Adjacenten gefährden.
2. Die düngenden Bestandtheile, vom Wasser befreit und concen-
trirt, würden als Kunstdünger vollkommen ausgenutzt werden können.
3. Die Trockenheit und Versandfähiskeit des Productes würde es
ermöglichen, einen geregelten Absatz durch marktgängigen Verkanf her-
zustellen und so auch weiter von den Städten entfernt wohnende Land-
wirthe für die Verwerthung zu interessiren.
Auf diese Art der Gewinnung wird unaufhaltsam hingedrängt durch
die Kostspieligkeit der Rieselanlagen, durch die Unmöglichkeit, schliess-
lich genügende Ackerflächen zum Rieseln zu beschaffen und durch die
Unvollkommenheit der Reinigung beim Rieseln.
In England, wo Schwemmkanalisatior verbunden mit Rieselanlagen
zuerst in grösserem Maasse zur Anwendung kamen, werden letztere mehr
und mehr wieder aufgegeben, und man versucht auf verschiedene Weise
die fraglichen Stoffe niederzuschlagen und in fester Form zu gewinnen.
Hierher gehört z. B. das vielberufene sogenannte Ferrozone - Polarite-
Verfahren, bei welchem durch schwefelsaure Thonerde und Eisenoxyd
eine Klärung der Fäcalien bewirkt wird.
Die Nachtheile soleher Verfahren sind aber:
1. Dass nur die suspendirten Stoffe niedergeschlagen und gewonnen
werden, während die ebenso gefährlichen und andererseits für die Düngung
noch werthvolleren gelösten Stoffe nicht zurückgehalten werden;
2. dass der Absatzschlamm durch die massenhaft angewendeten
fremden Zusätze in ungünstiger Weise beschwert wird, hierdurch an
I. Abtheilung. Hygienische Section. B
Concentration und Versandfähigkeit einbüsst und auch schwerer getrocknet
werden kann,
Alle diese Uebelstände würde nur die Poudrette-Fabrikation
vermeiden, bei welcher die Stoffe rein ohne fremde Zusätze also
eoncentrirt, durch Abdampfen aller Flüssigkeit gewonnen wird,
Die Frage ist nur, ob die Poudrette-Gewinnung mit der Schwemm-
kanalisation zu verbinden ist. Im Allgemeinen wird angenommen, dass
Poudrette nur mit einiger Aussicht auf Erfolg hergestelit werden könne,
wenn die Fäcalien unverdünnt in Tonnen gewonnen werden. Das
erschwert ihre Einführung freilich sehr, denn wer einmal die Annehm-
liehkeit und Sauberkeit der Wasser - Closets kennen gelernt hat, will
nichts von Tonnen-Abfuhr wissen. Es muss daher an die Entscheidung
der Frage herangetreten werden, ob Poudrette hergestellt werden kann
aus der Flüssigkeit der Schwemmkanäle. So ganz unausführbar dürfte
das Eindampfen der mit Schwemmwasser verdünnten Fäcalien nicht sein,
nur wird dann wenigstens die Forderung geltend gemacht werden müssen,
das Strassenreinigungs- und Regenwasser von jenem Kanalinhalt getrennt
zu halten, wozu aber 2 Kanalsysteme erforderlich sind.
Die Poudrette ist aber unzweifelhaft das Endziel aller Bestrebungen
für die Verwerthung der städtischen Abfallstoffe, denn sie allein erfüllt.
alle Anforderungen, welche im Interesse der Reinhaltung der Luft, des
Untergrundes und der Flüsse immer dringlicher werden, und es kann
nicht bezweifelt werden, dass es der Technik gelingen muss, die Ein-
richtungen zur Poudrette-Herstellung einfach genug zu gestalten, um sie
allgemeiner einführen zu könnnen.
Zur Zeit allerdings ist noch alles im Schwanken, und der Kampf
um die Zweckmässigkeit oder Ausführbarkeit dieser oder jener Ver-
fahren wird noch ebenso heftig geführt, wie vor 20 Jahren.
Discussion:
Herr Apotheker Julius Müller: Die Ausführungen des Vorredners
lassen ein greifbares Resultat vermissen. Die Fabrikation von Poudrette
wird durch die kolossale Masse der Flüssigkeit unmöglich gemacht,
Herr Prof. Holdefleiss: Vorläufis muss die Rieselwirthschaft noch
beibehalten werden. Bei Fabrikation von Poudrette würde ein
doppeltes Kanalsystem nothwendig sein, wie es in Warrington mit
seinen 35 000 Einwohnern durchgeführt ist.
Herr Prof. Neisser: Die Landwirthe der Umgebung müssten noch
mehr zur Uebernahme von Rieselmasse herangezogen werden.
Herr Prof. H. Cohn weist auf die Mängel des Tonnensystems hin.
Herr Dr. Jacobi: Der Vortrag des Herrn Prof. Holdefleiss hat
mit Recht betont, dass die Riesel-Frage noch keineswegs zu den abge-
Gy Jahresbericht der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur.
schlossenen gehört, und dass weitere Versuche und Studien auf diesem
Gebiete nothwendig sind; es bleibt aber auch hiernach die Berieselung
vorläufig noch das beste Verfahren, von dem wir zunächst nicht abgehen
können. Das Anschliessen der Anwohner an die Berieselung ist in
Breslau von Anfang an begünstigt worden.
2) Herr Prof. H. Cohn demonstrirt das Atzert’sche Pult.
2. Sitzung am 22. November 1895.
1) Herr Geh. Medieinalrath Prof. Dr. Flügge:
Ueber Fettmilch.
Die Sterilisation der käuflichen Fettmilch ist unvollkommen. Redner,
der häufig Proben davon untersucht hat, fand nicht selten peptonisirende
Bacterien in derselben. Die Bezeichnung: „sterilisirte, von Krankheits-
keimen freie Milch‘ muss daher fallen gelassen werden und es muss
vielmehr heissen: ‚‚kühl zu halten, möglichst sterilisirt“. Auch die an-
gegebene Controle, das Aufschlagen, wobei Gasgehalt erkannt wird, ist
unbrauchbar, weil gerade die peptonisirenden Bacterien Gas nicht pro-
dueiren. Es ist eine andere Gebrauchsanweisung und eine andere Con-
trole zu fordern. Auch der Vertrieb ist vielleicht anders zu regeln; es
fragt sich, ob nicht in grossen Behältern pasteurisirt werden kann, zu-
mal die Milch in jedem Falle im Hause noch zu kochen ist.
Die Selbstbereitung der Fettmilch im Hause bietet keine Schwierig-
keiten. Man vertheile 1'/, Liter Vollmilch auf 3 Teller und lasse sie
2 Stunden stehen. Dann sahne man die 3 Teller bis auf 500 ccm ab
und mische diese mit '/, Liter Wasser und 2 Esslöffel Milchzucker
(= 5 Pf.). Diese Mischung enthält 2,5—2,7 °/, Fett und 1,7 °/, Casein,
während die Gärtner’sche Fettmilch 3,1 °/, Fett enthält.
2) Derselbe:
Untersuchungen des Grundwassers im Bereiche der Stadt Breslau.
Redner verfügt über 300 eigene Brunnen - Analysen. Man findet
Brunnen, deren Wasser viel Chlor und auch Ammoniak enthalten, und
dabei bacterienfrei sind, und andere, die bacterienhaltig aber chemisch
rein sind. Diese chemischen Differenzen hängen im Ganzen nicht von
localer Verunreinigung, sondern von der Bodenbeschaffenheit und der
Grundwasserströmung ab. Von der grössten Bedeutung sind die Durch-
spülung des Untergrundes durch die Oder, die Körnung des Bodens, die
Tieflage der Brunnen.
Die chemische Analyse beweist, dass thatsächlich die Oder in einem
grossen Theile Breslaus in das Grundwasser eintritt. Von der Oder
unbeeinflusstes Grundwasser findet sich erst südlich der Tauentzienstrasse,
I. Abtheilung. Hygienische Section. 7
Wo der Boden grobkörnig ist und von der Oder durchspült wird, wie
nördlich der Tauentzienstrasse zum grössten Theile, sind die chemischen
Verunreinigungen sehr gering. Wo Thon oberflächlich liegt, ist eine
Nitrifieation nicht möglich, weil die nitrifieirenden Bacterien sauerstoff-
bedürftig sind; hier findet man daher Ammoniak und keine Salpeter-
säure. Es ist hieraus zu folgern, dass in Breslau die chemische
Beschaffenheit des Wassers nichts aussagt über die Zulässigkeit eines
Brunnens. Es kommt nur darauf an, dass die Anlage sorgfältig ist, und
es ist nothwendig, dass die Behörden Notiz hiervon nehmen.
3) Prof. Dr. Gotschlich:
Einige neuere meteorologische Apparate.
Redner verglich den neuen und theueren Aspirations-Thermometer
und Psychrometer mit Exhaustor-Gebläse von Assmann mit dem Schleuder-
Thermometer und fand, dass der letztere für praktisch - hygienische
Zwecke brauchbarer und in gewisser Beziehung sogar genauer ist, Die
Ursache der geringeren Genauigkeit liegt darin, dass bei dem Aspirations-
Thermometer die Luft nur von unten zuströmt. Eine bessere Ueber-
einstimmung findet sich schon, wenn die Luft mehr von oben oder
seitlich herzuströmt.
Sodann demonstrirt er einen neuen Messapparat der Windbewegung
mit Selbstregistirung, Er besteht aus einer Windfahne, welche das
Anemometer stets in die Windrichtung dreht, einem Recknagel’schen
Anemometer, Zifferblatt, Quecksilbercontaet und Präeisionsuhrwerk.
4) Herr Dr. Ficker:
Ueber bacteriologische Luftuntersuchungen.
Die beste Art der bacteriologischen Luftuntersuchung besteht darin,
dass man bestimmte Quantitäten Luft durch Glaskörnchen-Filter saugt,
die sich in ausgebauchten Röhren befinden. Redner hat hierbei er-
heblich genauere Resultate erhalten als mit allen früher angegebenen
Methoden.
5) Herr Dr. M. Neisser:
Die Organisation von bacteriologischen Diphtherie - Diagnosen in
Breslau.
Die klinische Frühdiagnose ist bei Diphtherie oft sehr schwer, nicht
selten unmöglich, dagegen ist die bacteriologische möglich, und selbst
bei Kehlkopf- und Nasen-Diphtherie durch Ausstrich von Belag oder
Schleim von der Tonsille oder dem Pharynx. Es würde sich empfehlen,
dass 1. nur bei klinisch zweifelhaften Fällen die Untersuchung im
Institute nachgesucht wird, 2. die Apotheken sämmtlich Apparate zur
Entnahme des Untersuchungsmaterials führen: sterilisirte Hohlsonde mit
Wattebäuschehen in einer Glasröhre, die in Holzfassung sich befindet.
S | Jahresbericht der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur.
Die Untersuchung im Institut geschieht 1. zur ÖOrientirung durch
Deckglaspräparate, die mit Fuchsin gefärbt sind, 2. Ausstriche auf
Löffler’sche Blutserummischung, die 8—12 Stunden bei 37° gehalten
wird, 3. Ausstrich auf Glycerin-Agarplatten.
Die Diagnose wird durchschnittlich in 12 Stunden gestellt werden.
— Wenn das Hysien. Institut diese Untersuchungen übernehmen soll,
so muss ein besonderer Assistent hierfür neu angestellt werden.
Zum Schluss wurden Diphtherie-Präparate und Culturen demonstrirt.
m z,5, ——
Schlesische Gesellschaft für vaterländische Gultur.
LER
73. I. Abtheiluns.
Jahresbericht. Naturwissenschaften.
1895. a. Naturwissenschaftliche Section.
Or. Are ar EIG)
Sitzungen der naturwissenschaftlichen Section im Jahre 1895.
Sitzung am 27. März 1895.
Hertz’sche und Tesla’sche Versuche mit Hilfe der Elektrisir-
maschine ohne Inductor.
Von
Geh. Rath Professor Dr. 0. E. Meyer.
Die Versuche, welche H. Hertz über die Ausbreitung elektrischer
Kraft angestellt hat, sind der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur zu-
erst in einer allgemeinen Sitzung von Herrn Professor Dr. Dieterici
ganz in der ursprünglichen Weise gezeist worden. Später hat
A. Töpler nachgewiesen, dass, ebenso wie der von Hertz benutzte
Induetor, auch eine Influenz-Elektrisirmaschine, wenn sie nur leistungs-
fähig genug ist, zu den Versuchen geeignet ist. In dieser Abänderung
zeigte Prof. Dr. OÖ. E. Meyer jene berühmten Versuche noch einmal
und ausser ihnen die einfachsten der von Tesla beobachteten Erschei-
nungen, welche bei rasch wechselnden elektrischen Schwingungen von
hoher Spannung auftreten. Zu allen Versuchen diente eine Töpler’sche
Influenz-Maschine mit 20 Scheiben, welche elektrisch angetrieben wurde.
Sitzung am 1. Mai 1895.
Demonstration eines Gascalorimeters.
Von
Dr. B. Fischer,
Director des chemischen Untersuchungsamts der Stadt Breslau.
Mit Hilfe des Junker’schen Gasealorimeters vermag man innerhalb
weniger Minuten exacte Bestimmungen des Heizwerthes von Gasen
(z. B. Leuchtgas) auszuführen, welche untereinander gut übereinstimmen,
überdies auch den praktischen Heizwerth der Gase ergeben. Diese
189. 1:
DNS Jahresbericht der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur.
Bestimmungen haben ein praktisches Interesse deswegen, weil das Leucht-
gas täglich mehr Eingang findet zum Betriebe von Gasmotoren, und es
wegen des Kostenpunktes hierbei wichtig ist, den mittleren Heizwerth
des Gases zu kennen. Zwei gut übereinstimmende Versuche ergaben
für das Breslauer Leuchtgas einen unteren Heizwerth von rund 4800
Calorien pro Kubikmeter.
Mineralogische Mittheilungen.
Von
Geh. Bergrath Althans.
Herr Geheimer Bergrath Althans legte ein von dem Fürstlich
Pless’schen: Berginspeetor Boer erhaltenes Stück Schieferthon vor, das
in der äusserst feinen Masse eine scheibenförmige dünne Schicht eines
späthigen Minerals zeigt. Es scheint dies eine normal zu einer ge-
gebenen Richtung entstandene Krystallbildung zu sein, wie bei der be-
kannten Augenkohle, die zahlreiche parallele Scheiben von einem ähn-
lichen Mineral und von Schwefelkies zeigt und an demselben Fundort,
wie jener Schieferthon, der Bradegrube bei Lazisk unweit Nikolai OS.,
zuweilen vorkommt.
Derselbe legte ferner ein dem Diadochit verwandtes Mineral vor,
das ihm vom Bergmeister Jokisch in Zabrze zugegangen und auf dem
Liegenden des Georgflötzes im Schmiederschacht bei Zabrze in zwei
schildkrötenartig geformten, etwa kopfgrossen Anhäufungen gefunden
worden ist. Die einzelnen Stückchen sind gelb, bernsteinähnlich und
bestehen nach Dr. Rau in Zabrze aus einem neutralen Doppelsatz von
Eisenphosphat und Eisensulfat. Sie sind eingebettet in einer lockeren,
aschenartigen Grundmasse und damit zusammengebacken, so dass es den
Anschein gewinnt, als seien bei der Bildung kleine Stellen des Kohlen-
flötzes verbrannt. Näheres über seine Untersuchung wird Dr. Rau
demnächst veröffentlichen.
Unter Vorlegung einer angeschliffenen Stufe machte Redner darauf
aufmerksam, dass der Nephrit von Jordansmühl bei Zobten a. B, einen
schönen grüngefleckten Schmuckstein liefert.
Endlich legte derselbe zwei Bohrkerne von oberschlesischem Stein-
salz vor, das mit drei fiscalischen Tiefbohrungen bei Pallowitz und
Stanowitz zwischen Rybnik und Orzesche in etwa 260 m Tiefe zwischen
tertiären, Gyps- und Stinksteinschichten (Tegel) vermuthlich 10—20 m
mächtig erschroten worden ist. Nach diesem, dem Steinsalz von Wie-
liezka gleichalterigen Vorkommen ist in früherer Zeit vergeblich an
mehreren Stellen gebohrt worden, Jetzt ist es bei Schürfbohrungen nach
Steinkohle zufällig aufgefunden, wird aber wegen seiner unreinen Be-
schaffenheit zur Zeit kaum als verwerthbar zu erachten sein,
II. Abtheilung. Naturwissenschaftliche Section. 5
Ueber Facieswechsel im Palaeozoicum,
Von
Privatdocent Dr. Gürich.
Der Vortragende setzte seine Beobachtungen über den Wechsel der
Facies innerhalb der paläozoischen Schichten des polnischen Mittel-
sebirges auseinander. In der ununterbrochenen Schichtenreihe zwischen
dem Mitteleambrium und dem Oberdevon konnte ein mehrfacher Wechsel
zwischen Bildungen der tieferen See, der küstenfernen und der küsten-
nahen Flachsee, sowie endlich am Strande selbst erfolgter Ablagerungen
nachgewiesen werden. Zur Verdeutlichung der Vorgänge führte der
Vortragende nach eigener Methode eine graphische Darstellung derselben
durch, indem er den durch positive und negative Strandverschiebung
veranlassten Facieswechsel durch ab- und aufsteigende Curven — Facies-
eurven — ausdrückte,
Vorlegung des Schlesien enthaltenden Blattes der vom Geo-
iogischen Comite herausgegebenen Karte von Europa.
Von
Privatdocent Dr. Gürich.
Der Vortragende besprach das geologische Bild von Schlesien auf der
neuen vom Internationalen Geologischen Comite herausgegebenen Karte
von Europa im Maassstabe von 1: 1500000, deren erste Lieferung dem
Internat. Geologen-Congress zu Zürich im Herbste vor. Jahres vorgelegt
wurde. Auf dieser Karte ist nämlich der durch Göppert’s „‚Versteinerten
Wald“ ausgezeichnete Sandsteinzug des Hexensteins zwischen Schwadowitz
und Radowenz zum Rothliegenden gerechnet, während nach der bisherigen
allgemeinen Annahme und besonders auch nach der geologischen Karte
des niederschlesischen Gebirges von Beyrich, Rose, Roth und Runge
der Sandsteinzug als Zwischenmittel zwischen der Schwadowitzer und
der Radowenzer Flötzgruppe zum Steinkohlengebirge gerechnet wurde,
Der Vortragende, der die Verhältnisse allerdings nur durch Beob-
achtungen über Tage kennt, betonte alsdann, man müsse auf die aus-
führliche Begründung dieser neuen Auffassung gespannt sein.
Ueber Caleiumcarbid und Acetylen.
Von
Geh. Rath Professor Dr. Poleck.
Der Vortragende legte grössere Stücke von Kohlenstoff - Caleium
_ (Caleiumearbid) vor, die zum Theil aus Amerika bezogen waren, zum
Theil aus den Werken der Aluminium-Actien-Gesellschaft in Neuhausen
am Rheinfall stammten, und demonstrirte die Zersetzung derselben durch
1F
7. er Jahresbericht der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur.
Wasser, indem er das sich entwickelnde Acetylengas durch einen sehr
einfach construirten Brenner unmittelbar an der Entwickelungsflasche
entzündete, wobei die intensiv leuchtende, aber in diesem Fall nicht
russende Acetylenflamme erhalten wurde Er knüpfte daran einige Be-
merkungen über die Zukunft des Acetylens für Beleuchtungszwecke und
für die chemische Industrie.
Sitzung am 29. Mai 1895.
Demonstration einer stereoskopischen Erscheinung.
Von
Geh. Rath Professor Dr. 0. E. Meyer.
Der Vortragende zeigte und erklärte das bei den sogenannten
Anaglyphen benutzte Verfahren von L. Ducos du Hauron, dieselbe
Täuschung, wie das Stereoskop sie bietet, zu Stande zu bringen. Be-
trachtet man eine blaue Zeichnung auf weissem Papier durch ein blaues
Glas, so vermag man sie nicht zu erkennen, weil alles gleichmässig
blaugefärbt erscheint; betrachtet man sie aber durch ein gelblich-rothes
Glas, dessen Farbe mit dem Blau der Zeichnung complementär ist, so
erscheint die Zeichnung schwarz auf gelbrothem Grunde. Wenn dagegen
die Zeichnung gelbroth auf weiss ausgeführt ist, so ist sie durch ein
gelbrothes Glas nicht zu sehen, erscheint aber durch ein blaues Glas
schwarz auf blauem Grunde. Stellt man also zwei, wie beim gewöhn-
lichen Stereoskop aufgenommene Ansichten eines körperlichen Gegen-
standes, die eine in blauer, die andere in gelbrother Färbung her und
zwar auf fast derselben Stelle des Papiers, so sieht man, wenn man sie
durch eine Brille betrachtet, die ein blaues und ein gelbrothes Glas ent-
hält, mit jedem Auge ein anderes schwarzes Bild, und diese beiden
Bilder vereinigen sich zu dem Eindrucke eines körperlichen Gegenstandes.
Der Grund, der von dem einen Auge blau, dem anderen gelbroth ge-
sehen wird, erscheint, je nach dem Grade der Aufmerksamkeit auf die
Empfindung des einen oder des anderen Auges, bald in der einen, bald
in der anderen Farbe, und daraus entsteht, wie schon Dove gefunden
hat, der Eindruck des Glanzes.
Ueber Achat und Hyalit.
Von
* Privatdocent Dr. Milch.
Sogenannter Achat besteht aus Chaleedonschichten von verschiedener
Farbe, die mit wechselnden Mengen opalartiger wasserhaltiger amorpher
Kieselsäure durchtränkt sind und mit Schichten deutlich krystallisirten
II. Abtheilung. Naturwissenschaftliche Section. 5
Quarzes wechsellagern. Achate finden sich hauptsächlich als secundäre
Ausfüllungen rundlicher Hohlräume in Eruptivgesteinen; die Kieselsäure
wird in dem Gestein selbst von den Sickerwässern gelöst und in den
Hohlräumen schichtenweise abgesetzt. Interessant sind die sehr seltenen
Vorkommen, in denen die Schichten nicht concentrisch und nicht parallel
angeordnet sind, sondern in denen die Schichten discordant übereinander
liegen. Diese Erscheinung lässt sich nur durch die Annahme erklären,
dass während der Bildung der Achatmandel durch eine Verschiebung
der Erdrinde das Gestein seine Lage verändert hat. Schliesslich wurden
vom Vortragenden die Methoden der künstlichen Färbung der Achate
besprochen unter Vorlegung eines reichen Demonstrationsmaterials,
welches grösstentheils Herr Apotheker Mortimer Scholtz freundlichst
zur Verfügung gestellt hatte.
In der Besprechung auf die wasserhaltige amorphe Kieselsäure über-
sehend, zeigte der Vortragende kleine Kügelchen, die als Hyalit be-
zeichnet werden und nach Angabe des Krantz’schen Mineralien-
Comptoirs von Tateyama’s hot spring, Provinz Etchu (Japan), stammen.
Die concentrisch-schalig gebauten Kügelehen, die häufig einen Fremd-
körper als Mitte umgeben, liegen in einem kieseligen Caement und sind
offenbar nach Art der Erbsensteine als Absatz heisser kieselsäurereicher
Quellen entstanden. In parallelem polarisirtem Licht zeigen sie das
Interferenzkreuz einachsiger Krystalle; der Charakter der Doppelbrechung
ist negativ. Diese Kugeln sind ein vorzügliches Object, um unter dem
Mikroskop die Erscheinung der Totalreflexion und die Wirkung des
Einbettens stark lichtbrechender Substanzen in stark lichtbrechende
Medien wie Canadabalsam zu demonstriren.
Ueber die Geologie des Glatzer Gebirges.
Von
Professor Dr. Frech.
Der Vortragende unterzog die Beziehungen der paläozoischen
Formationen der Grafschaft Glatz und der gleichalten Schichten Böhmens
einer vorläufigen Besprechung.
Sitzung am 19. Juni 1895.
Ueber die alpinen Erdbeben-Linien und ihre muthmaassliche
Beziehung zu den schlesischen Erdbeben.
Von
Professor Dr. Frech.
Im Anschluss an sein Thema nahm der Vortragende Veranlassung,
eine Organisation der Beobachtungen von Erdbeben in Schlesien anzuregen.
TE Jahresbericht der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur.
Ueber die Kreideformation in Oberschlesien.
Von
Dr. Leonhard.
In der Kreideformation Oberschlesiens ist nur transgredirendes
Cenoman und Turon vertreten, das durch die Aufnahmen unter Ferd.
Roemer von der Zinna bis an den Stober, hier und da durch die Thäler
der Oder und ihrer Nebenflüsse aufgeschlossen, nachgewiesen wurde.
Cenoman ist in sandiger Facies bei Leobschütz, sowie bei Groschowitz
unweit Oppeln vorhanden. Bei Leobschütz ist dasselbe Aequivalent des
sächsischen Carinatenquaders, charakterisirt durch Ostrea carinata Lam.,
Exogyra columba Lam., Protocardia Hillana Sow. Bei Groschowitz
fanden sich Versteinerungen aller drei Schlüter’schen Horizonte. Bei
weitem ausgedehnter sind die Ablagerungen des Turons, welches durch-
weg in mergeliger Facies, mit geringen Thoneinlagerungen, auftritt. Die
Kalkmergel, welche im südlichen Oberschlesien bei Bladen und Hohndorf
auftreten, und von F. Roemer dem Cenoman zugerechnet wurden, sind
bereits 1872 von Cl. Schlüter für turonen Alters erklärt worden. Ihre
Leitfossilien Acanthoceras Woolgari Mant., Terebratulina gracilis Schloth.
und Heteroceras Reussianum d’Orb. rechtfertigen diese Annahme.
In Groschowitz ist die gleichsinnige Ueberlagerung des eenomanen
Sandes durch das Turon bei Gelegenheit von Bohrversuchen festgestellt
worden. Als tiefste Stufe derselben ist eine Thonbank von 5 m Mächtig-
keit aufgeschlossen worden, in welcher ausser unbestimmbaren Resten
nur Foraminiferen gefunden wurden. Der Thon geht allmählich in einen
sehr thonarmen Kalkmergel über, in dessen tiefsten Schichten bereits
die Fauna der Brongniarti-Stufe mit 13 Arten, darunter Spondylus spinosus
Sow. und Micraster breviporus Ag., nachgewiesen werden konnte. Die
Thone von Groschowitz werden demnach als Aequivalent der Zone des
Inoceramus labiatus angesehen werden müssen. Die Schiehten der Bron-
sniarti-Zone sind auch in den Steinbrüchen südlich und nördlich von
Oppeln aufgeschlossen und werden durch zwei Thonbänke mit Terebratulina
gracilis Schloth., wie bereits von Gürich dargelegt wurde, nach oben
hin begrenzt. Der über diesen Bänken liegende, an Thongehalt reiche
Mergel ist durch Scaphites Geinitzi d’Orb., Heteroceras Reussianum d’Orb,
und Turrilites saxonieus Schlüt. charakterisirt. Ein besonderer Horizont
des Inoceramus Cuvieri lässt sich nicht abgrenzen, obwohl dessen Leit-
fossilien Inoceramus Cuvieri und Micraster cor testudinarium sich in den
obersten Bänken in Oppeln, letzterer auch im Mergel von Sezepanowitz
finden. Die Stellung der jüngsten Bildung, des Sandsteins von Dambrau,
den F. Roemer dem Senon zurechnete, ist noch nicht genügend
gesichert.
II. Abtheilung. Naturwissenschaftliche Section. 7
Die Ablagerungen der oberschlesischen Kreidebucht fanden in
wechselnder, aber mässiger Tiefe und zwar in der Oppelner Gegend
in grosser Ufernähe statt. Die Fauna derselben ist individuenreich, aber
artenarm. Die sandigen Bildungen des Cenoman sind die östlichsten
dieser Facies, indess hat ein unmittelbarer Zusammenhang mit dem
böhmisch-sächsischen Meere kaum bestanden oder sich bereits im unteren
Cenoman gelöst. Die für den Groschowitzer Sandstein bezeichnenden
Arten Acanthoceras Rhotomagensis Brong. und Turrilites costatus Lam.
sind der böhmisch-sächsischen Kreide fremd. Desgleichen fehlt in der-
selben der für das oberschlesische Turon charakteristische Ananchytes
ovatus Lesk. und andere. In auffallender Weise ist die Fauna der ober-
schlesischen von der der niederschlesischen Kreide verschieden; die
Brongniarti-Zone der nahegelegenen Löwenberger Bucht hat unter 40
Arten nur 12 mit Oppeln gemeinsam. Grösser ist die Verwandtschaft
mit der oberen Kreide der Ostseeküste, besonders dem oberen Turon
von Wollin, wo, unter Ausschluss der Foraminiferen, von 49 Arten 26
im Oppelner Turon wiederkehren. Nahe Beziehungen scheinen auch
zum polnischen Kreidemergel im Gouvernement Lublin zu bestehen.
Beiträge zur Kenntniss der St. Cassianer Korallen.
Von
Dr. Volz.
Der Vortragende erörterte die verwandtschaftlichen Beziehun-
gen der St. Cassianer Korallen. Die Grundlage derartiger Unter-
suchungen bildet die genaue Kenntniss der inneren Structur. Der Vor-
tragende erläuterte zunächst, wie dieselbe bei den wichtigsten Familien
der sehr reichen Cassianer Fauna beschaffen sei und kam zu folgenden
Resultaten:
Astraeiden: Septen sind aufgebaut aus fein construirten einzelnen
Balken, deren jeder seine Achse, den „Primärdorn“ hat. Die Richtung
der Balken ist eine wesentlich verticalee Die Balken sind 1) entweder
grob und dann selbständig (,„idiomorph‘“) oder 2) fein und modifieirt._
Sie stehen dann dicht gedrängt derart, dass die Primärdornen ein
scheinbar einheitliches Urseptum bilden. Seitlich sind die Septen mit
undeutlichen verticalen Körnerreihen besetzt. Die Endothek besteht
aus Blasen.
Thamnastraeiden: Septen sind aufgebaut aus Balken, die denen
der Astraeiden homolog sind; doch ist ihre Gestalt etwas anders: sie haben
zahlreiche seitliche Kragenfortsätze, daher zeigt das Septum oft Poren.
8. Jahresbericht der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur.
Die Richtung der Balken ist wesentlich vertical. Man kann dieselben
Typen des Septalaufbaues unterscheiden wie oben. Seitlich tragen die
Septen Körnerreihen oder horizontale Leisten. Die Endothek besteht
aus Blasen; die Septen verfestigen sich ausserdem noch durch
Synaptikel.
Stylophylliden: Septen sind aufgebaut aus Balken, deren Richtung
horizontal ist. Die einzelnen Balken ragen dornartig ein Ende frei in
das Lumen des Kelches. Die Septen sind seitlich mit Querrippen ver-
sehen. Die Anordnung der Septen ist mehr oder weniger deutlich
hexamer. Die Endothek besteht aus Böden, dazu treten bisweilen auch
spärlich Blasen.
Cassianer Pterocorallier (Pinacophyllum und Coelocoenia): Die
Structur ist genau wie bei den Stylophylliden, nur sind die zahl-
reichen Septen alternirend angeordnet, was bei Hexakoralliern nie vor-
kommt.
Auf Grund der Structurverhältnisse ergiebt sich folgendes:
Die Stylophylliden sind von den Zaphrentiden herzuleiten und
dürften wohl als hexakorallische Schwesterfamilie der pterokorallischen
Gattungen Coelocoenia und Pinacophyllum zu betrachten sein.
Die Astraeiden und Thamnastraeiden sind auf die gleiche Wurzel
zurückzuführen. Sie sind die mesozoischen Nachkommen der Cyathophyl-
liden. Ein Mittelglied zwischen den beiden mesozoischen Familien bilden die
Gattungen Omphalophyllia, Craspedophyllia und Myriophyllia einerseits,
und Formen wie Thecosmilia septanecetens Loretz und Montlivaltia
crenata M. anderseits.
Die Astraeiden und Stylophylliden sind mit einander nicht verwandt
und daher systematisch scharf zu trennen,
Die Gattungen Thecosmilia und Montlivaltia bildeten bis in die
Cassianer Zeit nur eine Gattung. Die Trennung beginnt erst mit dem
Keuper, In den Cassianer Schichten kommen Formen der alten complexen
Gattung, wie solche der neuen getrennten Gattungen neben einander vor.
Im Laufe des Mesozoicums verlieren die stockförmigen Gattungen stark
an Umfang.
Die Gattung Craspedophyllia ist zu Procyclolites Frech, die Gattung
Myriophyllia zu. Anabacia in Beziehung zu setzen.
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Übersiehts-Karte
Mittelschlesischen Erdbeben
vom 11. Juni 1895
entworfen von
Dr. R. Leonhard und Dr. W. Volz.
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II. Abtheilung. Naturwissenschaftliche Section. 9
Sitzung am 10. Juli 1895.
Das mittelschlesische Erdbeben vom Il. Juni 1895.
Von
Dr. Richard Leonhard und Dr. Wilhelm Volz.
Am 11. Juni 1895 brachten die Abendausgaben der Breslauer Blätter
die Nachricht, dass am Vormittag desselben Tages ein Erdbeben in den
Vorbergen Mittelschlesiens stattgefunden habe. Herr Prof. Dr. Frech
that in richtiger Würdigung der Wichtigkeit dieser Nachricht sofort
die nöthigen Schritte, um über dieses Phänomen möglichst zahlreiche
und genaue Angaben zu sammeln. Er erliess darum bereits in der
Abendausgabe der „‚Schlesischen Zeitung‘ vom 12. Juni einen Aufruf
mit der Bitte um Nachrichten, unter Beifügung eines Fragebogens, welcher
in zahlreichen Blättern der Provinz weiter verbreitet wurde. In gleicher
Weise wandte er sich an die Königl. Behörden, Ober - Postdirectionen,
sowie Hisenbahn-Directionen, welche in bereitwilligster Weise die Frage-
bogen ihren Beamten übermittelten. Auf diese Weise gelang es, ein
ausreichendes Material von etwa 600 Nachrichten zu erhalten, deren
Bearbeitung den Verfassern übertragen wurde.
Wir gestatten uns, den Königl. Behörden und der Presse, sowie
allen Einsendern an diesem Orte unseren verbindlichsten Dank für ihre
gütige Unterstützung auszusprechen, insbesondere aber jenen Bericht-
erstattern, welche durch eingehende und zuverlässige Nachrichten es
uns ermöglichten, ein Bild des Erdbebenphänomens und seiner ver-
muthlichen Ursachen zu geben.
Ausser 46 negativen Nachrichten, welche über die Ausbreitung der
Erschütterung eine erwünschte Controle ermöglichen, liegen 549 positive
Nachrichten vor, welche sich auf 360 Orte vertheilen.
Berichte,
Im Folgenden führen wir die eingelaufenen positiven Berichte in
ihrem wesentlichen Inhalte auf.
1, Altwasser, Kreis Waldenburg. Im Niederdorf, namentlich der
Spiegelfabrik und in der Maschinenbauanstalt Carlshütte wurde ein
schwacher Stoss verspürt, als kurzer Seitenruck von SW—NO. Dauer
etwa 1“. Die Erschütterung verursachte ein Klirren der Fensterscheiben.
Ihr folgte ein donnerartiges Geräusch. Später Gewitter. (Kais. Post-
amt.)
2. Alt-Heinrichau, Kreis Münsterberg. (Bresl. Morgen-Zeitung
No. 271.)
02 Jahresbericht der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur.
3. Bärsdorf, Kreis Waldenburg. (Amtsvorsteher Genschow zu
Kynau.)
4. Bärwalde, Kreis Münsterberg. 9 Uhr 32 Min. oder 9 Uhr
33 Min. wurde das Erdbeben gespürt. Es begann mit einem donner-
artigen Rollen, das von unten kam. Es folgte ein Zittern und Beben
der Erde und der Gebäude. In allen Klassenzimmern wankten die
Bänke, die an den Wänden aufgehängten Bilder, Kreuze, Geigen und die
Schränke. In den Küchen klirrte das Geschirr gegeneinander. Selbst
die Wände wankten, wenn auch nicht viel, so doch deutlich wahrnehm-
bar. Leute im Freien haben das Zittern des Erdbodens besonders
gut wahrgenommen und sagen, es sei ein unbeschreibliches Gefühl in den
Knieen gewesen, eine zitternde Empfindung, als wenn nun der Erdboden
verschwinden sollte. Dauer 10—15°. Richtung O—W (?). (Oberschl.
Volks-Ztg. vom 15. Juni.)
5. — Der Einwohner bemächtigte sich grosse Aufregung. Mauern
drohten einzustürzen. (Oberschl. Anzeiger vom 13. Juni.)
6. — 9 Uhr 33 Min. wurde ein donnerähnliches Geräusch gehört.
Gleichzeitig wankte das Katheder und die eine Mauer, auf die ich zu-
fällig blickte, schien deutlich vor meinen Augen zu schwanken. Er-
schrocken eilte ich ans Fenster und bemerkte, wie die anderen Lehrer
aus demselben Grunde mit erstaunten Gesichtern sich umsahen. (Münster-
berger Ztg., No. 47 vom 12. Juni.)
7. Bankau, Kreis Brieg,. Ein Arbeiter sah, wie die Ufer des
Abe-Baches sich hin- und herneigten und ins Wasser zu stürzen drohten.
(Bresl. Ztg. vom 13. Juni.) |
8. Baumgarten, Kreis Frankenstein. Der Postagent vernahm ein
donnerähnliches Geräusch in drei Absätzen und befürchtete, dass die
Zimmerdecke im oberen Stockwerk eingestürzt sei. (Kais. Postamt
Frankenstein.)
9. Bechau, Kreis Neisse. Um 9'/, Uhr erfolgte ein donnerartiges
starkes Rollen, welches 6—7‘ anhielt. Im obersten Stockwerke des
hiesigen Schlosses fielen Gegenstände um. In der Küche wackelten die
Töpfe und Formen. (Oberschl. Anzeiger vom 13. Juni.)
10. Bernsdorf, Kreis Münsterberg. (Bresl. Morgen-Ztg. No. 271.)
11. Bernstadt, Kreis Oels. 9 Uhr 34 Min. Bahnzeit wurden im
I. Stock eines : alleinstehenden Hauses drei Stösse innerhalb 3—4'' ge-
spürt. Jeder Stoss dauerte ca. 1. Die Bewegung war schaukelnd-
stossend, von S—N.. Sie wirkte, als ob in einiger Entfernung ein
schwerer Lastwagen vorbeiführe. Geräusch und Erschütterung gleich-
zeitig. (Herr Hoffmann, Mühlenbesitzer.)
12. Berthelsdorf, Kreis Landeshut. Rollende Bewegung des
Erdbodens. (Schlesische Zeitung.)
II. Abtheilung. Naturwissenschaftliche Section. il
13. Bielau, Kreis Neisse. Unterirdisches Rollen. (Neisser Ztg.
vom 15. Juni.)
14. Breslau. Ref. sass mit seinem erwachsenen Sohn und seiner
Tochter in der Stube (part.), als ihnen die Füsse zu zittern begannen und
die Stühle eine leichte Bewegung machten. Dazu wurde ein schwaches
unterirdisches Rollen vernommen. Die Fenster klirrten vernehmlich.
Dieselben Wahrnehmungen machte ein Nachbar. (Herr Handelsgärtner
Klinkig, Breslau-Mittelfeld.)
15. — Ref. vernahm auf dem israelitischen Friedhofe gegen '/,10 Uhr
einen von W kommenden zweimaligen dumpfgrollenden Donner von je
etwa 2—3‘ Dauer. Im W standen keine Gewitterwolken, dagegen im S.
Eine Erschütterung wurde nicht gespürt. (Herr Walfisch, Breslau.)
16. — Ref. spürte, im Scheitniger Park auf einer Bank sitzend,
ein eigenthümliches Zittern in seinen Beinen, so dass er auffuhr und sich
umsah. Er meinte, die Bank habe durch Heranspringen eines grossen
Hundes einen Stoss erhalten; sah aber keinen. Dauer 1—1'/,', Ein
Geräusch wurde nicht wahrgenommen. (Herr Hellmann.)
17. — Eine Dame am Öhlauer Stadtgraben spürte um '/,10 Uhr
eine Erschütterung, als ob ein schwerer Lastwagen am Hause vorbei-
führe; sie ging ans Fenster, bemerkte aber auf der Strasse nur einen
ganz leichten Wagen. — Eine Dame in der Palmstrasse spürte auf dem
Sopha sitzend die Erschütterung. Gleichzeitig drehte sich eine Gyps-
figur auf ihrer Console um ihre Axe und wäre hinuntergefallen, wenn
sie nieht rasch gehalten worden wäre. (Dr. Volz.)
18. Brieg. Gegen '/,10 Uhr gewahrte ich ein eigenthümliches
Schaukeln, eigentlich ein Erzittern des Zimmers. Glasgegenstände
klirrten. Unmittelbar nach dem Beginn der Erzitterung hörte ich ein
eigenthümliches dumpfes Rollen. Es erinnerte an ein Rasseln, das aber
auch verschieden von dem eines Gefährtes war. Dauer 5‘, Rollen und
Erzitterung hörten beinahe gleichzeitig auf. Es war ein constantes
Erzittern, keine heftigeren Stösse. (Herr Bondkowski, Bergver-
walter a. D.)
19. — Am 11. Juni spürte ich eine Vibration der Erde. Der
Stuhl, auf dem ich sass, begann schaukelartig zu schwanken, und zwar
in der ungefähren Richtung SO—NW. (Frau Fischer.)
20. — Ich sass am Schreibtisch, als ich gegen '/,10 Uhr einen
Stoss von etwa 2‘ Dauer, verbunden mit schaukelnder Bewegung, von
N—S oder umgekehrt wahrnahm. Ich vernahm dabei ein Rasseln, als
ob ein aussergewöhnlich schwerer Wagen auf der gepflasterten Strasse
vorbeiführe, was mich veranlasste, ans Fenster zu treten. Ich bemerkte
jedoch keinen solchen. Aehnliches habe ich schon in Bonn erlebt. (Herr
Kreisbauinspeetor Lamy.)
12 Jahresbericht der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur.
21. Camenz, Kreis Münsterberg. Um 9 Uhr 23 Min. Telegraphen-
zeit wurde ein anhaltendes, gleichmässiges Rollen, verbunden mit wellen-
förmigem Zittern von etwa 2—3‘' Dauer in der Richtung von O—W
wahrgenommen. Im Telegraphen-Bureau klirrten die Fensterscheiben
sehr heftig. Das Geräusch glich einem Donner, als würden grosse Fässer
auf unebenem Steinpflaster gerollt. (Stations-Vorstand.)
22. — Um 9 Uhr 30 Min. (genau nach dem Uhrenzeichen) wurde
ein kurzer Seitenruck von etwa 2° Dauer gespürt. Es war, als ob das
Gebäude wankte und die im Zimmer befindlichen Gegenstände sich
momentan bewegten. Unmittelbar vor dem Stoss war ein Getöse wahr-
zunehmen, als ob eine Dampfwalze in ziemlich schneller Gangart auf
der an der Post vorbeiführenden Kunststrasse entlang gefahren wäre.
Dies Geräusch dauerte etwa 5”. (Kais. Postamt.)
23. — Um 9 Uhr 28 Min. (Telegraphenzeit?) spürte ich im vierten
Stock des massiven auf Fels gebauten prinzlichen Schlosses eine zitternde
Bewegung, welche von oben nach unten gerichtet war, so dass lose
Fussbodenfliesen klapperten. Richtung O—W; Dauer 3—4”. Es war
begleitet von einem brausenden Rollen, in dessen letztem Viertel der
Stoss verspürt wurde. Mein Wohnhaus, am Fusse des Schlossberges,
direct auf Fels gebaut, erzitterte mässig, so dass Thüren und Fenster
klapperten. (Herr Maschinenmeister Ulrich.)
24. — Auf dem Schlosshof war die Erschütterung derart zu
spüren, dass die Diener behaupteten, ein Wanken der ausserordentlich
starken Mauern bemerkt zu haben. (Neisser Ztg. vom 12. Juni.)
25. — Gegen '/,10 Uhr früh spürte ich auf einem Stuhle sitzend
eine heftige Erschütterung, so dass ich ungefähr dreimal in die Höhe
fuhr. Sehr erschrocken sah ich auf und gewahrte, dass die Wand heftig
zitterte.e. Das Zimmermädchen kam bleich aus dem zweiten Stock
herunter und erzählte, als sie eine Ofenthür hätte öffnen wollen, hätte
der Ofen plötzlich drei- bis viermal geschwankt, so dass sie vor Schreck
hinfiel. — Eine alte Frau, die im Gemüsegarten knieend arbeitete, wurde
etwa dreimal in die Höhe gehoben. Es schien ihr, als neigten sich die
Zwiebelröhren gegen sie, und es ging wie ein Schatten über sie hinweg.
Etwa '/, Stunde vor dem Erdbeben bemerkte sie ein leises Donnern in
der Luft. Nach der Erschütterung vernahm sie ein dumpfes Rollen, als
ob eine Menge Wagen führen. — Die eiserne Colonnade des Gartens
schwankte einigemal heftig hin und her. Einem Manne in der Gaststube
fiel die Zeitung aus der Hand und ein Mehlhändler, der sich auf dem
Boden seines zwei-stöckigen Hauses befand, glaubte, das Haus stürzt ein.
(Frl. Ellert.)
26. Canth, Kreis Neumarkt. Um 9 Uhr 25 Min. (Schätzung),
wurde ein Stoss von 2‘ Dauer verspürt. Er äusserte sich als Schaukeln
in W—O-Richtung. Eine an der Wand (I. Stock) hängende Zeitungs-
II. Abtheilung. Naturwissenschaftliche Section. 13
mappe gerieth in leise Bewegung. Ein Geräusch wurde nicht wahr-
senommen. (Kais. Postamt.)
27, Charlottenbrunn, Kreis Waldenburg. 9 Uhr 33 Min. wurde
ein donnerähnliches Rollen, das das ganze Hotel erschütterte, wahrge-
nommen. Es dauerte einige Augenblicke und wurde von hasseln be-
gleitet. (Herr Stein, Oberkellner.)
28. Christinenhof b. Sorgau, Kreis Waldenburg. Auch hier
wurde zwischen 9 und 9'/, Uhr das Erdbeben wahrgenommen; in ein-
zelnen Zimmern klirrten die Fenster und in Glasschränken aufbewahrte
Gegenstände geriethen in Bewegung. (Schlesische Ztg.)
29. Conradswaldau, Kreis Brieg. Gegen '/,10 Uhr sass ich
(im I. Stock) am Schreibtisch, als ich plötzlich meinen Stuhl schaukelnd
sehoben fühlte und nach 1—2' wiederholte sich dieselbe Bewegung.
Die Erschütterung war schwach, Erzittern oder Klirren der Fenster habe
ich nieht wahrgenommen. Ein Geräusch habe ich nicht gehört. —
Vom hiesigen Postagenten ist die Erschütterung am Telephondraht
wahrgenommen worden. Er stand am Fenster in der Nähe des Mikro-
phons, als er plötzlich ein Schwirren im Draht wahrnahm, das so heftig
war, dass er glaubte, es wäre der Draht gerissen oder ein heftiger Stoss
gegen die letzte Telegraphenstange gerichtet worden. Er ging ans Fenster
und sah auch draussen den Draht zittern. Der Apparat functionirte,
(Herr Pastor Löschke.)
30. Dom. Conradswalde, Post Neuwaltersdorf, Kreis Habel-
schwerdt. Gegen'/)—'/,9 Uhr sass ich am Schreibtisch, als plötzlich ein
furchtbares Getöse, ähnlich, doch bedeutend stärker, einem Gewitter-
schlag vernehmbar wurde. Fast gleichzeitig erbebte das grosse, wohl
500jährige Wohnhaus (aus Stein), mein Stuhl hob sich wellenförmig, die
offenen Fensterflügel schlugen zu, die am Fenstersims sitzenden Tauben
flogen ängstlich fort — ich glaubte im Augenblick, das Haus stürze in
sich zusammen. Im Parterre, das zum Theil gewölbt ist, wurde die Er-
schütterung weniger stark gespürt als im I. Stock. Ich verspürte nur
einen längeren intensiven Stoss, dem das Donnerrollen fast voranging.
— In einer anderen Wohnung sollen kleinere Bilder von der Wand
gefallen sein. (Frau Rittergutspächter Speer.)
3l. Crummendorf, Kreis Strehlen. Um 9', Uhr wurde ein
wellenförmiges Zittern von S—N verspürt. Ich dachte, ein schwerer
Dampfpflug führe am Hause vorbei. Im selben Augenblick hörte ich einen
kräftigen, kurzen, dumpfen Donner, alles erbebte unter und neben mir,
die Wände schienen sich zu bewegen; es war ein hasseln, als ob
das ganze Schieferdach vom Haus heruntergerissen würde und dachte
ich, die Feueresse sei eingefallen. Ich ging vors Haus mit Furcht, dass
mir Schiefer auf den Kopf fallen könnten. Draussen stand schon der
Besitzer, wie auch die Nachbarn alle aus den Häusern kamen. Von
14 . Jahresbericht der Schles. Gesellschaft für vaterl. Culiur.
einigen Häusern fielen einzelne Flachwerke herunter, ebenso Putz von den
Wänden. Dauer ca. 3. Das Geräusch begann vor der Erschütterung
und hörte erst nach ihr auf. (Herr L. Rissler,)
32. Cudowa, Kreis Glatz. Es wurden zwei Erdstösse wahrge-
nommen, in der Richtung SO—NW. Die Erschütterung, die auch von
anderen Kurgästen bemerkt worden ist, war nicht unbedeutend. (Herr
Bergverwalter Teichmann.)
33. Diersdorf, Kreis Nimptsch.h Um 9 Uhr 27 Min. Bahnzeit
spürte ich zwei dicht aufeinanderfolgende Stösse in 3— 5’ in meinem
Hause parterre. Richtung S—N, Es war, als wenn man mir einen Knüppel
unter die Fusssohlen schob und mir die Füsse wellenartig auf und
niederhob. Dann war ein Geräusch, Rollen und Klirren, wie Fahren
mit einer schweren Karre über der Stubendecke. Die Wahrnehmungen
im Ort sind verschieden. Bei Einem hat der Stuhl gekippt, der Tisch
auf einer Seite mit den Beinen aufgeschlagen, Bilder und Spiegel an
der Wand sich pendelartig bewegt. Die Lampe auf der Nähmaschine
wäre fast heruntergefallen. Bei einem meiner Kunden ist die Frau im
Haus gewesen, da haben alle Wände sich bewegt, dass sie zum Tode
erschrocken aus dem Hause eilte. Ihr Mann hat ganz dicht dabei Gras
gehauen, ohne etwas zu bemerken. Leute im Freien haben meist ein
Brausen und Rollen in der Luft wahrgenommen. Der Himmel war be-
wölkt, im SW stand ein Gewitter. Auch donnerte es. (Herr Bäcker-
meister Richter.)
34. Dobergast, Kreis Strehlen. Um 9‘, Uhr früh verspürte ich
ein Erzittern des Fussbodens der Schulstube und leises Klirren der
Fensterscheiben. Die Kinder sagten: „Es urbert (rauscht, bewegt sich)
unter den Füssen.“ Ein Mann in einem Schuppen fühlte einen Stoss
unter den Füssen, auch sah er ganz deutlich, dass sich das Flachwerk-
dach über ihm bewegte, so dass Kalk herunterfiel. Eine Frau sass auf
dem Stuhle und es kam ihr vor, als rutsche derselbe hin und her.
Dauer 2—3”. Atmosphäre gewitterschwül. (Strehlener Ztg. No. 48.)
35. Eckersdorf, Kreis Glatz. Die Erschütterung dauerte 2° und
verursachte vielfach Wanken und Klirren der Gegenstände in Glas-
schränken und auf Tischen. Leute, die sich im Freien befanden, wollen
ein donnerartiges Getöse gehört, aber keine Erschütterung verspürt haben.
(Gebirgsbote vom 14. Juni.)
36. — Die Belegschaft verliess schleunigst die Kohlengruben.
(Neisser Ztg. vom 15. Juni.)
37. Eichau, Kreis Münsterberg. (Bresl. Morgen-Ztg. No. 271.)
38. Endersdoif, Kreis Neisse. (Neisser Ztg. vom 15. Juni.)
39. Erlitzthal, Kreis Habelschwerdt. Im oberen Erlitzthal war
das Beben besonders heftig. Der Verlauf glich einem unterirdischen,
10‘ anhaltenden Donner. Eine auf einem Steine sitzende, ihre Frühstücks-
II. Abtheilung. Naturwissenschaftliche Section. 15
schnitte verzehrende Frau wurde von ihrem Sitz geworfen. (Breslauer
Morgen-Ztg. No. 271.)
40. Hohe Eule. In der Schutzhütte am Eulenthurm wurde von
Besuchern Erschütterung und das unterirdische Getöse wahrgenommen.
(Schlesische Ztg.)
41. Falkenau, Kreis Grottkau. Um 9 Uhr 30 Min. wurde ein
Erdstoss wahrgenommen, dem ein dumpfes, donnerähnliches Rollen voran-
sing. Der Fussboden im Zimmer gerieth in wellenförmige Bewegung,
welche die Gläser im Schrank erklirren machte und eine Nippfigur von
ihrem Platz verrückte. (Neisser Ztg. vom 15. Juni.)
42. Faulbrück, Kreis Reichenbach. Um 9 Uhr 32 Min. wurden
im Postgebäude parterre zwei schnell aufeinanderfolgende Stösse und darauf
Vibriren des Erdbodens wahrgenommen. Die Bewegung war: kurzer
Seitenruck von NO. Dauer 5“. Fensterscheiben klirrten, Fussboden
und Möbel zitterten leicht. Gleichzeitig ertönte dumpfer Donner, welcher
leise rollend sich verzog. (Kais. Postamt.)
43. Frankenstein. 9 Uhr 29 Min. (Telegraphenzeit — Breslauer
Telegraphenzeit) wurde im hiesigen Stationsgebäude und namentlich auf dem
Güterspeicher ein kurzer Seitenruck von SO—NW von etwa 2° Dauer
wahrgenommen. Der Güterspeicher knisterte in seinen Fugen. Ein
dumpfes Rollen ging der Erschütterung voran. (Stations-Vorstand am
15. Juni.)
44, — Um 9 Uhr 25 Min. Telegraphenzeit (?) wurdeein wellenförmiges
Zittern, wie von einem besonders schweren Lastwagen in der Richtung
SW--NO gespürt. Dauer ca. 2“. Ein donnerähnliches, aber viel
dumpferes Rollen folgte der Erschütterung und hielt einige Secunden an.
Von 11 Uhr 15 Min. bis 3 Uhr 13 Min. schweres Gewitter. Mehrere
Bewohner eilten ins Freie, weil sie glaubten, in der Nachbarschaft sei
ein Gebäude eingestürzt. Ein Beobachter hat im Freien auf einer um
die Stadt führenden Promenade auf einer Bank gesessen und einen
kurzen kräftigen Seitenruck von SW--NO empfunden, ein Geräusch
aber nicht gehört. Er glaubte, die Bank habe durch das Heranspringen
eines grossen Hundes einen Stoss erhalten, sah aber keinen Hund.
(Kais. Postamt am 18. Juni.) .
45. — Zwischen 9 Uhr 33 Min. und 9 Uhr 35 Min. verspürte
ich zwei Stösse, die Bewegung war wellenförmig von SW—-NOÖ und
dauerte ca. 2'),“. Die Spiegelscheiben, wie auch zusammenstehende
Flaschen klirrten. Ein unterirdisches Donnern ging kurz voraus. Später
Gewitter. (Herr Drogenhändler Rosenberger.)
46. — 9 Uhr 34 Min. fand eine kurze Erderschütterung, die mit
einem ziemlich kräftigen Stoss endete, statt. Fensterscheiben und Geschirr
klirrten, leichte Gegenstände bewegten sich. (Neisser Ztg. vom 12. Juni.)
16 Jahresbericht der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur.
47. — Gegen 9, Uhr wurde ein Erdstoss verspürt, welcher von
einem stärker oder schwächer vernehmbaren, donnerähnlichen Rollen
begleitet war; letzterer, sowie die wellenartige Bewegung des Erdbodens
währte 10‘. Der Erdstoss schien sich von O—W fortzupflanzen. (Neu-
roder Hausfreund für Stadt und Land vom 15. Juni.)
48. — In den Nickelbergwerken beschädigte herabfallendes Ge-
rölle Bergleute, so dass sie ärztliche Hilfe brauchten. (Herr Redaeteur
Neugebauer in Grottkau.)
49. Frauenhain bei Domanze, Kreis Schweidnitz. Um '/,10 Uhr
wurde das Erdbeben wahrgenommen. Die meisten Leute waren auf
dem Felde, als plötzlich ein donnerartiges Getöse eintrat, dass die Erde
erzitterte. In meinem Klassenzimmer verspürte ich ebenfalls den Donner.
Die Bewegung war wellenförmig, wie das Dröhnen einer ungeheuer
grossen Walze sein würde. Richtung SO—NW. Ein weniger starker
Stoss wurde an demselben Morgen schon gegen 4 Uhr verspürt. (Herr
Lehrer Cebulla.)
50. Gauers, Kreis Grottkau (Neisser Ztg. vom 12. Juni.)
5l. Gläsendorf, Kreis Grottkau. Punkt 9 Uhr 30 Min. M. E. Z.
(nach der täglich regulirten Postuhr) wurde ein wellenförmiges Zittern
von S—N (oder auch SSO—NNW) wahrgenommen. Dauer 7—8“,
in den ersten 3° am stärksten. Gleichzeitig ein unterirdisches, donner-
artiges Rollen. Es machte den Eindruck, als ob auf einer 100 m ent-
fernten Chaussee schwere Lastwagen oder noch besser schwere Ge-
schütze, wie 21 cm Mörser, lange 15 cm Kanonen bezw. schwere
12 em Kanonen, vorbeiführen. Es verklang allmählich nach N. Auch
das Geräusch war in den ersten 3 am stärksten. Der Fussboden
schwankte und der Schreibtisch gerieth in zitternde Bewegung. lch
sprang auf und bemerkte, wie die Wände zitterten, beinahe schwankten,
und die Flügel eines offenstehenden Fensters sich ea. 5—6 em weit be-
wegten. Die Scheiben des anderen Flügels klirrten. (Herr Oberfeuer-
werker Schirrholz.)
52. — Unter den Kirchenbesuchern entstand grosser Schrecken.
Die Erschütterung dauerte 4”. (Öberschl. Anzeiger in Ratibor vom
13. Juni.)
53. Glatz. Um 9 Uhr 28 Min. wurde ein Stoss als wellenförmiges
Zittern von NW—SO in einer Dauer von 2‘ gespürt. Morseapparate
sprachen an, Fernsprechwecker läutelen kurze Zeit. Stühle und Tische
erzitterten. Gleichzeitig wurde ein rollendes Geräusch vernehmbar.
Während des Stosses schwüle Temperatur; nachher 4'/, Stunden lang
schwere Gewitter mit häufigen Blitzschlägen, zeitweise starker Regen
mit Schlossen, zeitweise wolkenbruchartiger Regen ohne Schlossen.
(Kaiserl. Postamt.)
Il. Abtheilung. Naturwissenschaftliche Section. 17
54. — Um 9 Uhr 29 Min. wurde ein Stoss als. wellenförmige
Bewegung vonSW—.NÖ (? es steht, wohl ein Schreibfehler, da: von W—.N),
ungefähr 2—3 lang gespürt. Die Möbel im Zimmer zitterten. Ein dumpfes,
schwächeres Getöse ging voran. Eine Locomotive, die auf dem Bahn-
hof Glatz stand, schwankte, so dass der Heizer abstieg. Diese Angaben
machte ein Locomotivführer, der wegen Eierkochen seine Uhr in der
Hand hatte und bald nach dem Erdstoss seine Wahrnehmungen mit-
theilte. (Stations- Vorstand.)
55. — 9 Uhr 31 Min. wurde ein starker Stoss (in der II, Etage
stärker als in der I.) als Seitenruck von S—N gespürt. Dauer: wenige
Secunden. Es folgte unmittelbar ein dumpfes Rollen, wie ein ferner,
_ blinder Kanonenschuss. Meine Frau (II. Biage) behauptet, das Haus habe
seschwankt. (Herr Grond.)
56. — Gegen 10 Uhr wurde ein mehrere Secunden anhaltender
Erdstoss mit heftigen Erschütterungen verspürt. (Hausfreund vom 15. Juni.)
57. — Man hörte ein dumpfes Rollen, das vom Klirren der
Fensterscheiben begleitet wurde, (Berl. Abend-Ztg.)
58. Gnadenfrei, Kreis Reichenbach. Um 9 Uhr 28 Min. M. E. Z.
nach der Telegraphenuhr wurde der Erdstoss als wellenförmige Be-
wegung, hebend und senkend nach Art der Schifisbewegungen wahr-
senommen. Nachträgliche Rückfragen ergaben als Richtung SO—NW.
Die Dauer betrug 2—3°. Das Postgebäude schwankte, offenstehende
Fensterflügel pendelten in ihren Angeln. An anderen Stellen im Orte
sollen Bilder geschaukelt und Glasgefässe geklirrt haben. Schäden an
Gebäuden sind nicht eingetreten. Während der Bewegung wurde ein
stossendes Geräusch vernommen, so dass Ref. glaubte, der mit Steinen
gefüllte Kasten einer auf dem Boden befindlichen Wäschemangel sei aus
der Bahn gefallen. Hieran reihte sich ein rasselndes Geräusch, wie
von einem schweren Wagen auf nicht gepflasterter Strasse. (Kaiserl.
Postamt.)
59. — 9 Uhr 28 Min. 2—3 Sec. (mit den Nachbarstationen
Reichenbach und Frankenstein und der hiesigen Reichstelegraphenanstalt
genau dieselbe Zeit) wurde ein starker Stoss mit folgendem wellen-
förmigsen Schaukeln von NO—SW wahrgenommen, der etwa 2—3'
dauerte. Die Wirkung war Panik erresend. Alle Leute kamen auf die
Strasse oder fragten aus den Fenstern, was es gäbe. Der Reitsessel,
auf dem Ref. sass, schwankte merklich. In der Wohnung wurde ein
Schwanken der Möbel und Knistern beobachtet. Ein tiefem Donner
ähnliches Geräusch von 4—5‘' Dauer folgte der Bewegung unmittelbar.
(Stations-Vorstand.)
60. — Der tiefere Untergrund besteht aus Fels; der untere Theil
des Brunnens ist durch Fels hindurchgesprenst. Ref. hörte nur das
Donnern, da er diesem seine ganze Aufmerksamkeit widmete und um-
183. 2
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Me)
18: . Jahresbericht der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur.
herging. Die Schulkinder verspürten deutlich eine Erschütterung in den
Füssen, sahen auch eine leerstehende Bank erzittern. Mein Mädchen
sah in der Waschküche zu ebener Erde die Wände und Decke schwanken;
desgleichen glaubte eine Nachbarin, dass die Decke eines unteren
Zimmers herabfiele, so sehr hatte sich diese bewegt. Im Keller eines
Weingeschäftes klirrten die Flaschen. Im Nachbarhause fühlten die auf
ihren Arbeitstischen in der zu ebener Erde liegenden Arbeitsstube
sitzenden Schneider sich förmlich hin- und hergeschaukelt. Ein Geselle
in einem separaten Zimmer vernahm erst über sich den Donner, sah dann
die Decke schwanken und fühlte die Diele sich bewegen. Meine Frau
im Freien hörte nur den Donner. Ich glaube, dass der Donner von OÖ
kam. Dauer wohl über 5, vielleicht 10° (spätere Schätzung). Das Ge-
räuch war ein Donnerrollen, langsam heranziehend, dann ein Donner-
schlag, dann allmähliches Verhallen. Geräusch sowohl vor- und nach-
her. (Herr Lehrer Türpitz.)
61. — 9 Uhr 28 Min. wurde eine starke Erderschütterung wahr-
genommen. Die Fensterscheiben, Lampen u. s. w. klirrten und hierauf
ertönte ein sich einige Secunden hinziehender unterirdischer Donner.
Riehtung O—W. (Bresl. General-Anzeiger.)
62. — 9 Uhr 40 Min. wurde eine Erderschütterung wahrgenommen.
Derselben ging unmittelbar ein kurzes dumpfes Getöse, einem Rollen
ähnlich, vorauf. Gläser in Schränken klirrten, Lampen geriethen in Be-
wegung. (Bresi. Morgen-Ztg. Nr. 271.)
63. Gollschau, Kreis Nimptsch. Das Erdbeben trat so stark auf,
dass Wände und Decken des Inspeetorenhauses zahlreiche grössere und
kleinere Sprünge und Risse aufweisen, während die Aussenmauern un-
beschädigt erschienen. Die Beschädigungen finden sich besonders stark
in den nach der Ostecke des Hauses gelegenen Räumen. Die Richtung
der hauptsächlichsten Sprünge an den Decken ist N—S und O—W. Im
Hause sind die von SO—NW gehenden Wände besonders stark betroffen.
Die stärksten Sprünge gehen der Diele parallel am Fussboden und an
der Decke entlang, auch über den Fenstern. Zwischen den grösseren
Rissen verläuft besonders an den Decken ein ganzes Netzwerk feiner
Sprünge. Die Weite der Risse beträgt an der Nordostseite etwa
‘J, em, doch bei einigen auch gut Il em. Zwischen die auseinander-
gesprungenen Ziegeln der Nordostwand kann an einer Stelle bequem ein
Finger geschoben werden. Von den Waschleisten der Zimmer erscheint
die Hauswand fingerbreit abgerückt. Das Haus ist massiv gebaut
(Granit- und Ziegelsteine), allerdings nicht neu, baulich aber immerhin
doch in genügenden Zustande gewesen. Nach fachkundiger Aeusserung
ist bei einer Wiederholung des Erdstosses die Gefahr eines Zusammen-,
sturzes nicht ausgeschlossen. Die Winkel der Hauptrisse schwanken
zwischen 38 und 45°, Bemerkenswerth erscheint mir, dass in den
II. Abtheilung. Naturwissenschaftliche Section. 19
unteren Räumen des Hauses nennenswerthe Beschädigungen nicht vor-
kamen, mit Ausnahme des im östlichen Theile gelegenen Pferdestalles.
Hier zeigt das Gewölbe etwa '/), em breite Risse. Auf dem Dache sind
durch die Erschütterung mehrere Latten, auf denen die Dachziegeln
ruhen, losgelöst worden (nach der südlichen Ecke der Giebelseite zu).
Die Schornsteine zeigen ähnliche Risse, wie die Wände. Anderweitige
Beschädigungen von Gebäuden, Mauern etc. sind mir nicht bekannt.
(Herr Inspector Arndt. Der Verlauf ete. der Sprünge ist durch eine
Reihe von Skizzen in anschaulicher Weise erläutert.)
64. Gorkau, Kreis Schweidnitz,. 9 Uhr 30 Min. nach Bahnzeit
der Station Ströbel wurden im ersten Stock des Beamtenhauses, wie im
fünften Stock (Boden) der sehr massiv gebauten Brauerei 4—5 Rucke,
ziemlich kräftig und in ganz kurzen Zwischenräumen von SSW kommend
gespürt. Dauer über 2, wohl 3“. Gleichzeitig wurde ein rüttelndes
Geräusch gehört, die Fenster zitterten anhaltend, auf Stühlen Sitzende
fühlten ein merkliches Schaukeln. Die Folge war gegenseitiges staunendes
Anblicken. .(Herr Braumeister Hofmann.)
65. Graase, Kreis Falkenberg. In der Besitzung des Herrn Carl
Schäfer hat die Scheuer gewankt; in dem Provinzial-Steinbruch bei Graase
sind Steine herabgefallen. (Neisser Ztg. vom 15. Juni.)
66. Gräben, Kreis Striegau. Das Erdbeben zeigte sich in der
Weise, dass man ein Geräusch, etwa wie das Fahren eines sehr schweren
Lastwagens auf schlechtem Rundpflaster und eine dementsprechende Er-
schütterung verspürte. (Schles. Ztg.)
67. Gräfenberg, Oesterr.-Schlesien. Gegen 9 Uhr früh an der
Böhmischen Quelle im Walde bei Gräfenberg-Freiwaldau auf Felsboden
ein Stoss verspürt: wellenförmiges Zittern von ganz kurzer Dauer.
(Herr v. Eynern.)
68. Grafenort, Kreis Habelschwerdt. Etwa 9 Uhr 33 Min. ver-
nahm ich am Schreibtisch beschäftigt, plötzlich ein dumpfes Rollen und
empfand eine bebende Erschütterung des ganzen Hauses; die losen Fenster
klirrten und das Vogelbauer an der Wand vibrirte. Dauer höchstens 2“.
Der Himmel war zwar mit Wolken bedeckt, aber Gewitterbildung nicht
vorhanden. Ich vermuthete daher sogleich ein Erdbeben. (Gebirgsbote,
Glatz, vom 14, Juni.)
69. Grochau, Kreis Frankenstein. Um 9'/, Uhr ist ein Erdbeben,
das ungefähr 3‘ anhielt, verspürt worden. Die Fenster klirrten, und
selbst schwere Möbelstücke kamen in Bewegung. (Schles. Ztg.)
70. Grossbriesen, Kreis Grottkau. (Herr Redacteur Neugebauer
in Grottkau.)
71. Gross-Carlowitz, Kreis Grottkau. (Bresl. General-Anz.)
12. Gross-Ellguth, Kreis Reichenbach. 9 Uhr 29 Min. 18 Sec.
spürte ich in dem im Erdgeschoss gelegenen Klassenzimmer auf dem
9%#
30: > Jahresbericht der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur.
Katheder sitzend ein wellenförmiges (unterirdisches) Zittern von N—S.
Dauer 8”. Der Erschütterung sing ein donnerähnliches Geräusch voraus.
Ich wurde mit wahrnehmbarer Gewalt nach vorn gegen das Katheder
gedrängt. Ein alter Mann, der auf einem Stuhle im Garten sass, ver-
sicherte, dass er deutliches Zittern des Erdbodens gespürt und ihm die
Füsse in die Höhe gehoben worden seien. Meine Frau sass auf dem
Sopha in der Wohnstube. Sie spürte plötzlich, wie das Sopha er-
zitterte, wie der Regulator über ihr rasselte und prasselte.e Das Ge-
räusch bezeichnete sie als unterirdisches Grollen. Das Dienstmädehen,
welches die Kirche reinigte, verspürte ein deutliches Zittern des Fuss-
bodens und ein Klirren der Fenster. (Herr Lehrer Stephan.)
73. Grottkau. 9 Uhr 28 Min. (Rathsthurmuhr —= Postuhr) ver-
spürte ich im ersten Stock des Rathhauses einen Stoss als Schlag von unten
in der Richtung S—N. Dauer 1‘. Ich sass am Schreibtisch; durch den
Stoss wurde ich förmlich in die Höhe gehoben; das massive Rathhaus
erzitterte. Ein eigenthümliches Gefühl der Angst machte sich bemerkbar;
auch der Blutlauf schien sich auf einmal zu ändern, ein dumpfes
Rollen begleitete den Stoss.. Ein Secretair des hiesigen Amtsgerichts
im II. Stock des Rathhauses will eine zweite schwächere Erschütterung
wahrgenommen haben. Ein Schuhmacher, der zu ebener Erde wohnt,
geriet auf seinem Arbeitsschemel ins Schwanken, dass er sich fest-
halten musste, um nicht umzufallen. (Herr Kämmereikassen-Assistent
Laske.)
74. — In meiner Wohnung fiel durch die Erschütterung eine
Nippfigur von einem kleinen Tischehen und zerbrach. (Herr Redacteur
Neugebauer.)
75. — Die Fensterscheiben klirrten, namentlich in den oberen
Stockwerken, ebenso Glassachen in ihren Behältern. Die Bewohner
wurden in argen Schrecken versetzt. Die Erschütterung war von
dumpfem Rollen begleitet. (Strehlener Ztg. Nr. 48.)
76. — 2 Minuten vor 10 Uhr sind zwei aufeinanderfolgende,
Secunden andauernde Erdstösse bemerkt worden. Am stärksten wurden
die Stösse im Kaufmann Freund’sehen und den daran liegenden Häusern
der Breslauer Strasse gespürt. (Grottkauer Ztg. vom 12, Juni.)
77. — Wie uns Herr Kaufmann Freund mittheilt, erzitterten die
Wände und verschiedene Gegenstände seines Hauses. 83 Secunden an-
haltende, dumpfrollende Stösse wurden bemerkt. (Neisser Ztg. vom
15. Juni.) |
78. Grunau, Kreis Neisse. Gegen 9°, Uhr vernahm ich ein
unterirdisches, andauerndes Rollen, das ganze Schloss zitterte. (Neisser
Zeitung vom 15. Juni.) |
79. Habelschwerdt. Gegen 9, Uhr wurde (im II. Stock auf
Fels) ein wellenförmiges Zittern von 2—3‘ Dauer wahrgenommen,
II. Abtheilung. Naturwissenschaftliche Section. 91
Glassachen auf den Tischen zitterten. Dazu wurde ein Donner gehört.
(Kaiserl. Postamt.)
80. — Nach 9‘), Uhr wurde eine kurze Erschütterung verspürt.
Man hörte ein unterirdisches Donnern, als ob ein Eisenbahnzug vorüber-
rolle; die Fenster klirrten, Tische und Stühle schienen zu schwanken.
(Hausfreund vom 15. Juni.)
831. — Eine 1—2“ dauernde Erderschütterung wurde verspürt.
Dieselbe machte sich durch ein dumpfes Rollen, wie wenn ein Wagen über
das Pflaster fährt, Knistern der Mauern, Schwingen der Hängelampen,
Klirren der Fenster ete. bemerkbar; in einem Zimmer fiel ein Thermo-
meter von der Wand; eine auf einem Balkon stehende Dame hatte das
Gefühl, als wenn sich derselbe nach vorwärts neigte. Die meisten Be-
wohner haben indess nichts wahrgenommen. (Gebirgsbote, Glatz vom
14. Juni.)
82. Habendorf, Kreis Reichenbach. (Bresl. General-Anzeiger.)
85. Hain-Saalberg im Riesengebirge. Ich hatte ein ähnliches
Gefühl, wie in einem geschlossenen Wagen, wenn er über einen Stein
fährt, d. h. ich fühlte nicht den Stoss, sondern nur das Zittern, wie wenn
ein Stoss von unten erfolgt wäre. Dauer 1—2“. Das Haus zitterte.
Auch drei andere Damen bemerkten die Erschütterung. Die Landleute
hatten nichts bemerkt. (Frl. Brüstlein.)
84. Hammer, Kreis Habelschwerdt. Es herrschte Nordwind. Im
SO standen sog. Gewitterkegel. Das Thermometer zeigte nach einer kühlen
Nacht 15 °R. im Schatten. Um 9 Uhr 35 Min. Ortszeit (— ? 9 Uhr 30 Min.
M. E. Z.) vernahm ich (im Erdgeschoss) von SO ein rollendes Getöse,
dem Donner aber nicht ähnlich, da es sich so hohl anhörte und immer
heftiger und vernehmbarer wurde, dann immer schwächer nach N zu endete,
Währenddessen fingen die an den Ofenplatten befestigten Blechthürchen
an zu klirren, was sich dreimal wiederholte. Das zweite Klirren war
das heftigsstee Dauer 18—20'. Die Erschütterung war von der Stärke,
wie sie ein leerer Lastwagen in scharfem Tempo vorbeifahrend ver-
ursacht. Die Bewegung war ein wellenförmiges Zittern. Das Geräusch
ging 3—4'' voran und folgte noch ebenso lange nach. Im Freien wurde
meist nur das Geräusch gehört. (Herr Neumann.)
85. Heidersdorf, Kreis Nimptsch. 9 Uhr 52 Min. (M. E.Z. (?)°
nach der Postuhr) wurde ein Geräusch, als wenn eine Dampfwalze am
Hause vorbeiführe, von 1—2‘' Dauer bemerkt. Die Fenster erzitterten.
Gleichzeitig wurde ein kurzes Rasseln hörbar. (Kaiserl. Postamt.)
86. — 9 Uhr 15 Min. (M. E. Z. ?) wurde eine 2‘ andauernde
‚Erschütterung, ein wellenförmiges Zittern von O—W bemerkt. Ein
unterirdisches, dumpfes, donnerähnliches Geräusch ging der Erschütterung
voran. Die hängenden und auch stehenden Gegenstände in der Stube
wankten. (Herr Amtsseeretair Ludwig.)
93 Jahresbericht der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur.
87. Heinrichau, Kreis Münsterberg.. 9 Uhr 25 Min. M. E. Z.
wurde im Postamt parterre ein wellenförmiges Zittern, begleitet von einem
rasselnden Geräusch, vernommen. Richtung N—$. Dauer 3. (Kaiserl,
Postamt.)
88. — An einer Scheune rutschten sechs Reihen durch Mörtel
verbundenes Flachwerk (ohne Nasen) ab. Hängelampen schwangen, Spiegel,
Oefen, grosse Schränke wackelten. Der Eindruck war, „als führen Kanonen
in schnellem Trabe vorüber‘, „als käme ein Gewitter herangezogen“, „wie
das Heranrollen eines Eisenbahnzuges“, „als wenn der Keller eingestürzt‘
„plötzliches Schwindelgefühl“. Die Leute liefen angstvoll aus den
Häusern und besprachen das Ereigniss auf der Strasse. (Herr Dr. Peucker.)
89. — .Gegen 9'/, Uhr wurde eine von donnerähnlichem Grollen
begleitete, etwa 5‘ währende Erderschütterung wahrgenommen. Da die
Mobilien in den Zimmern in zitternde Bewegung geriethen, machte es
den Eindruck, als ob in den Kellerräumen ein Einsturz erfolgt wäre.
(Strehlener Ztg. Nr. 48.)
90. — 9 Uhr 25 Min. wurde ein schwacher Erdstoss wahr-
genommen, Beschädigungen an Gebäuden etc. sind nicht entstanden.
Dagegen fand eine starke Erschütterung der in den Wohnungen vor-
handenen Gegenstände statt. (Bresl. General-Anzeiger.)
91. Heinrichau, Kreis Waldenburg. (Herr Amtsvorsteher
Genschow zu Kynau.)
92. Heinzendorf bei Landeck, Kreis Habelschwerd. Um
„10 Uhr vernahm ich ein Rollen, ähnlich dem eines auf hartem Boden
schnell heranfahrenden Lastwagens. Richtung von NO. Das Ende des
ca. 5° dauernden Rollens war ein Getöse, wie das von einem fernen,
heftigen Blitzschlage. Dabei ward das Gebäude von unten her (vertical)
stark erschüttert. Im Erdgeschoss knarrte eine offenstehende Thür und
klirrten Fenster. Im Freien ist zum Theil nichts wahrgenommen worden.
(Gebirgsbote, Glatz, vom 14. Juni.) i
93. Hermsdorf, Kreis Hirschberg. Der hiesige Obergrenzeontroleur
bemerkte, am Schreibtisch sitzend, einen heftigen Stoss, als wenn ein sehr
schwerer Gegenstand in unmittelbarer Nähe seines Hauses niedergefallen
wäre, auch schwankte der Boden unter ihm und er hatte das Gefühl,
als wenn er sich auf einem Schiffe befände. Zugleich nahm er ein
donnerähnliches Gerolle wahr, als wenn ein schwer beladener Lastwagen
über eine nahe Brücke gefahren würde, In meinem Hause wurde ein heftiger
Stoss verspürt, Fensterscheiben und Gläser klirrten, Bilder an der Wand
bewegten sich. Im @oldfischbehälter schwankte das Wasser. (Herr
Hauptmann a. D. Carp.)
94. Herrnstadt, Kreis Guhrau. Ein heftiges Rollen, wie das
eines Kanonenschusses oder Donners wurde zweimal in einer Zwischen-
zeit von 2—3’ von mir und meinen Leuten, die mit Heumachen be-
II. Abtheilung. Naturwissenschaftliche Section. 33
schäftigt waren, gehört. Es kam aus S oder SW. Eine Erdschwankung
wurde nicht bemerkt. (Herr Schubert.)
95. Hertwigswalde, Kreis Münsterberg. Ein auf dem Dach-
boden beschäftigter Besitzer fühlte die Bewegung so stark, dass er
glaubte, das Gebäude würde unter ihm zusammenstürzen. (Münsterberger
Zeitung vom 15. Juni.)
96. Herzogswalde, Kreis Frankenstein. Der Erdstoss wurde in
den oberen Stockwerken so stark beobachtet, dass ein krank darnieder-
liegender Manı in den Glauben versetzt wurde, das Haus senke sich.
(Kais. Postamt Silberbereg.)
97. Hirschberg. Um 9 Uhr 34 Min. wurde im dritten Stock
eines freistehenden Hauses eine schaukelnde Bewegung von der Dauer
eines Augenblieks beobachtet. Der Regulator blieb in der Stube stehen,
wogegen wieder eine empfindliche Uhr ruhig weiterging. _ (Stations-
Vorstand.)
98. — Um 9 Uhr 25 Min. wurde ein Schaukeln von NW—SO
wahrgenommen. Es waren etwa 3—4 ziemlich gleichmässige Stösse
innerhalb 2—3“. Schwere Möbel (ein Rollbureau voll Papier und
Bücher und ein Pianino) schwankten etwa 1 cm hin und her. (In einem
anderen Hause sollen auch Bilder von der Wand gefallen sein.) Ein Ge-
räusch wurde nicht wahrgenommen. Zu gleicher Zeit entlud sich ein
Gewitter; es donnerte gerade. (Herr Postmeister a. D. Beck.)
99. — Um 9 Uhr 23 Min. (Telegraphenzeit) beobachtete ich eine
Erderschütterung in Form eines wellenförmigen Zitterns von SO—NW,
so dass 5‘ lang eine Thür klapperte und eine Lampenglocke klirrte;
ebenso (im zweiten Stock) auf einem Schrank stehende Vasen und Gläser.
Ein Geräusch wurde nicht bemerkt.
Der Morgen des 11. Juni war klar und heiss. Gegen 9 Uhr etwa
22° R. in der Sonne. Bald stiegen schwere Gewitter auf, die erst gegen
2 Uhr anfingen sich zu entladen. (Herr Stadtrath a. D. Thalheim.)
100. — 1!),—2 Min. vor '/,10 Uhr (Rathhausuhrzeit; die Postzeit
weicht um ea, 4 Min. von der mittleren Zeit ab) bemerkte ich eine drei- bis
viermal oseillirende, wellenförmige Bewegung von ONO zu O—WSW zuW.
Dauer höchstens 2—2!/,". Es war, als ob das ganze Zimmer und die
Gegenstände desselben, besonders aber der Stuhl, auf dem ich sass,-
zitternd hin- und hergezogen würde. Aneinander gelehnte Doppelfenster
auf dem Boden knisterten und klirrten, als ob sie umfallen wollten. Ich
habe kein Geräusch bemerkt. Meine sonst schwerhörige Schwieger-
mutter vernahm im unteren Stockwerk ein murrendes, grollendes Getön,
‚das die Erschütterung begleitete und noch nachhallte, so dass sie er-
sehreekt zu mir heraufkam. (Herr Blume.)
101. — Punkt 9'/, Uhr (Postzeit) während eines Gewitters wurde
ich eine hin- und herschiebende, wagerechte Bewegung des Sophas, auf
34° Jahresbericht der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur.
dem ich sass, gewahr,. ohne ein Geräusch oder die Bewegung von Bil-
dern ete. wahrzunehmen. Dauer 3—4. (Herr Steuereinnehmer a. D.
Wagner.)
102. — Um 9 Uhr 34 Min. wurde ein kräftiger Stoss gespürt,
Brunnenbauer sahen das Wasser sich heben und senken. (Berliner
Abend-Ztg.)
103. Hönigern, Kreis Oels. Ich vernahm zwischen 9'/, und
und 10 Uhr ein längeres (fast 1‘ währendes) fernem Donner ähnliches
Geräusch von SW herkommend. Am fast wolkenlosen Himmel war ein
Gewitter nicht zu entdecken. (Herr Oberförster Krätzig.)
104, Hönigsdorf, Kreis Grottkauu Ein Wanken und Zittern
des Erdbodens wurde bemerkt. Die Pferde auf dem Felde zitterten.
(Grottkauer Ztg. vom 15. Juni.)
105. Hohen-Giersdorf, Kreis Grottkau. Die Fensterscheiben
klirrten. (Neisser Ztg. vom 12. Juni.)
106. Hussinetz, Kreis Strehlen. In den böhmischen Dörfern
wurde ein dreimaliges, dumpfes, rollendes Geräusch wahrgenommen,
welches den Erdstoss begleitete. Fensterscheiben klirrten, in einigen
Häusern sprangen Thüren auf. Einige Stubendecken zeigen Risse.
(Strehlener Ztg. No. 48.)
107. Jakobsdorf, Kreis Falkenberg, Etwa um 10 Uhr wurde
das Erdbeben bemerkt. Es war, als ob ein sehr schwerer Lastwagen um
das Haus herumfahre, etwa N—S oder NW—SO. Die Stösse schienen
etwa von unten zu kommen und dauerten ca. 4. Ein Geräusch ging den
Stössen voraus. Ich bekam heftiges Herzklopfen, das mit dem Aufhören
der Erschütterung verschwand. Abnorme schwüle Hitze, absolute Wind-
stille. (Baronin v. Thielmann.)
108. — Bilder schwankten, ebenso Klingelschnüre. Die Fenster
klirrten. (Schlesische Ztg.)
109. Jauer. Um 9', Uhr (Rathsthurmzeit) erfolgte eine Er-
schütterung wie von einem schwer mit Eisen beladenen, fahrenden Wagen.
In einem Zimmer knisterten die Tapeten und eine auf einem Stuhl sitzende
Person hatte das Gefühl, als würde sie hin- und hergestossen. Richtung
W-—-O. (Hausfreund vom 15. Juni und Schles. Ztg.)
110. Jauernigk. Osterr.-Schlesien. (Schles. Ztg.)
111. Johannsthal, Kreis Reichenbach. Bei der Wittfrau Pix
ist das Pendel aus der Uhr ausgehakt und hat der eiserne Ofen gezittert.
(Herr Gensdarm Hoffmann V.)
112. Jordansmühl, Kreis Nimptsch. (Landsmann vom 14. Juni.)
113. Kaiserswalde, Kreis Habelschwerdt. Es wurde ein Zittern
von 4—5‘' Dauer im Schulzimmer zu ebener Erde bemerkt. Ein dumpfes
Rollen gleich dem eines schnell fahrenden Lastwagens begleitete es.
II. Abtheilung. Naturwissenschaftliche Section. 35
Himmel gewitterwolkenähnlich bedeckt. Später Gewitter. (Herr Lehrer
Seipelt.)
114. Kamnig, Kreis Grottkau. Es wurde eine von dumpfem
Rollen begleitete Erderschütterung wahrgenommen. Die Fensterscheiben
klirrten und Schrankthüren sprangen auf. (Münsterberger Ztg. No. 47
vom 12, Juni.)
115. Karzen, Kreis Nimptsch. 9 Uhr 29 Min. fand das Erdbeben
statt. Ich sass am Schreibtisch. Auf einmal erzitterte das Haus, die
Fenster klirrten. Die Erschütterung war etwas stärker, als wenn eine
Dampfwalze oder ein Dampfpflug am Hause vorbeifährt. Dauer 3—4".
Richtung W—0O. Eine Frau auf meinem Flur (Hochparterre) hatte gerade
Fenster gewaschen. Die Fenster waren ausgehakt. Sie will nichts
wahrgenommen haben. Ein Fräulein, das an der Wand lehnte, empfand
einen Ruck ausser dem Getöse; ihr Bruder, der am Tisch schrieb, spürte
nur Rollen und Zittern. Ein Gastwirth zählte auf dem Fensterbrett
Geld; dasselbe erzitterte. Im Freien wurde ein dumpfes Donnern und
Schwanken des Bodens beobachtet. (Herr Postagent Wiedemann.)
116. Kattern, Kreis Breslau. 9 Uhr 50 Min. 10—15 Sec. M. E. Z.
spürte ich im 1. Stock des Beamtenwohnhauses drei unmittelbar aufein-
anderfolgende Stösse. Die Art der Bewegung war ein wellenförmiges
Zittern und Schaukeln von N—$S. Dauer 8—10', Gleichzeitig wurde ein
unterirdisches Rollen wahrgenommen. Ein ähnliches, doch etwa dreimal
stärkeres Erzittern findet statt, wenn ein Schnellzug mit voller Dampf-
kraft durchfährt. Die Schlüssel am Schlüsselbrett klirrten. Grosse
Schwüle, 27°C. (Herr Bahnmeister Lohse.)
117. Ketschdorf, Kreis Schönau. (Schles. Ztg.)
118. Kleutsch, Kreis Frankenstein. Ziemlich genau um 9 Uhr
30 Min. wurde ein Erdstoss (Schlag von unten und Erzittern) von 2—3“
Dauer scheinbar von W—O wahrgenommen. Der Boden erzitterte. In
Gebäuden, besonders in oberen Stockwerken, schwankte der Fussboden.
Ein Geräusch, ähnlich fernem Donner oder wie von einem schweren
Lastwagen, ging voran. Gläser klirrten, Fensterscheiben zitterten, lose
oder hängende Gegenstände schwankten leise. Drückende Schwüle;
21° R. (Herr März.)
119. Klodebach, Kreis Grottkau. (Bresl. General-Anzeiger.)
120. Költschen, Kreis Reichenbach. Gegen ',10 Uhr spürten
wir, im Garten sitzend, eine Erderschütterung (eine wellenförmige Be-
wegung von unten herauf, erst stark mit kurzer Unterbrechung, dann
schwächer werdend); Richtung NO—SW. Dauer 3—4‘. Tisch und
Stühle zitterten. Der Erdboden schwankte unter unseren Füssen. Es
sing wie eine Bewegung durch die Natur, die Blätter waren wie vom
Wind bewegt; darauf trat wieder Stille und Schwüle ein. Ein Donner
96 | Jahresbericht der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur.
folgte der Erschütterung. Später (12 Uhr) Gewitter mit furchtbarem
Regen. (Frl. Lange.)
121. Koppitz, Kreis Grottikau. 9 Uhr 33 Min. wurde im herr-
schaftlichen Park eine ziemlich starke Erderschütterung, die sich als
wellenförmiges Zittern kundgab, gespürt. Richtung O—W. Es folgte ein
Geräusch, wie wenn ein Lastwagen über eine Brücke fährt. Teppich-
beete gerieten in Bewegung und die in der Mitte befindlichen Palmen
schwankten hin und her. Die hier beschäftigten Arbeiter sprangen er-
schreckt auf. Dauer 3°. Im Dorf erzitterten die kleinen Häuser. In
der Giebelstube eines massiven Hauses wankte der eiserne Ofen; ein
Schuhmacher verlor auf seinem Schemel das Gleichgewicht. (Schles,
Zeitung.)
122. Kraschen, Kreis Oels. Herr Brennereiverwalter Rönsch
spürte im 2. Stock deutlich ein starkes, wellenförmiges Zittern des Ge-
bäudes. Dauer, 2—3”. (Herr Inspector Werner.)
123. Kühschmalz, Kreis Grottkau. Der Erdstoss wurde gegen
9 Uhr 30 Min. recht stark bemerkt. Von einer Decke fiel Putz. Ge-
räusch vernahm ich nicht. Spaziergänger auf der Chaussee nach Klein-
Zindel beobachteten während der Erschütterung ein rollendes Geräusch-
(Neisser Ztg. vom 15. Juni.)
124. Kuhnern, Kreis Striegau. Auch hier wurde eine beängsti-
gende Erschütterung wahrgenommen. Ich stand in der Nähe eines Glas-
schranks, als ein meinen ganzen Körper erschütterndes Summen mich
erschreckte; zugleich klirrten die Gefässe im Schrank mehrere Sekunden
lang. (Neisser Ztg. vom 15. Juni.)
125. Kunitz, Kreis Liegnitz. 9 Uhr 32 Min. (sofort verglichen,
aber nicht absolut sicher) spürte ich im 1. Stock eines massiven Hauses
einen kurzen Seitenruck von O—W. Dauer kaum 1. Ein Schemel
kippelte, ein grosser, an der Wand schräg aufgehängter Spiegel rückte.
Deutliches Klirren der Fenster. Ein Geräusch wurde nicht beobachtet.
11 Lehrer, die Nachmittags zur Conferenz da waren, hatten nichts be-
merkt. (Herr Pastor Lie. theol. Koffmane.)
126. Kunzendorf, Kreis Münsterberg. (Berl. Abendzitg.)
127. Kynau, Kreis Waldenburg. Zwischen 9'/, und 9°), Uhr
spürte ich deutlich bemerkbar eine schaukelnde Bewegung, die wohl 5
anhielt und an Thüren, Fenstern, Ofenthüren ein deutliches Geräusch
verursachte. Zugleich war ein Donnergeroll zu hören, das vielleicht
noch um 2° voranging. Später Gewitter. (Herr Amtsvorsteher Genschow.)
128. Lampersdorf, Kreis Frankenstein. (Bresl. General-Anzeiger.)
129. Landeck, Kreis Habelschwerdt. 9 Uhr 25 Min. wurde im
1. Stock ein Stoss (wellenförmiges Zittern) von N—S von einigen Sekunden
Dauer gespürt. Fensterscheiben und Glasgefässe klirrten. Das Wasser
geriet in eine Wellenbewegung. Ein donnerähnliches, dumpfes Ge-
II. Abtheilung. Naturwissenschaftliche Section. 3
räusch ging der Erschütterung einen Moment voraus. Der Erschütterung
ging ein heftiger Windstoss voran. (Kais. Postamt.)
130. — 9 Uhr 29 Min. (Bahnzeit) bemerkte ich ein von unten
kommendes, donnerähnliches, kräftiges Rollen, dem eine zitternde Be-
wesung des Gebäudes folgte, sodass das auf dem Tisch stehende Kaffee-
geschirr klirrte. Richtung SW—NO. Dauer: nur wenige Secunden.
Meine Mutter machte im Nebenzimmer dieselben Beobachtungen, (Herr
Dr. med. Anton.)
131. — Den heftigen Stoss begleitete ein dem Rollen des Donners
ähnliches Geräusch und veranlasste ein Schwanken des Erdbodens, so-
wie Klirren der Fensterscheiben und Gefässe. (Gebirgsbote, Glatz vom
14. Juni.)
132. — Das massive Haus erzitterte und im Glase vor mir
stehendes Wasser geriet in starke Bewegung. In einem Haus kamen
eine Flasche und andere auf einem Tisch stehende Gegenstände in starkes
Wanken. (Schles. Ztg.)
155. Landeshut. Gegen 9°/, Uhr fühlte ich auf dem Stuhle eine
eigenthümliche Bewegung, als ob ich in der Luft hin und hergeschaukelt
würde. Dies wiederholte sich noch einmal, aber schwächer. Dauer
ca.4'”, Richtung W—0O. Ein Donnern folgte nach. Im Süden war heller
Sonnenschein. Eine Dame im 1. Stock hörte plötzlich Gläser und Fenster
klirren und gleichzeitig einen Donner. Gewitter hielten den ganzen Tag
an. (Herr Schulamtscandidat Bartsch.)
134. Langenbielau, Kreis Reichenbach, Einer der hiesigen
Unterbeamten behauptet, in seiner Privatwohnung während der vorher-
segangenen Nacht gegen Mitternacht einen recht starken Erdstoss wahr-
genommen zu haben. |
Es wurde ein wellenförmiges Zittern von $S. her verspürt. Dauer
3—4", Die Erschütterung machte den Eindruck, als ob das Haus durch
das Vorüberfahren eines sehr schweren Lastwagens über holpriges
Strassenpflaster in seinen Grundvesten erbebte. Die irdenen Gefässe im
Küchenschrank schlugen heftig klirrend aneinander. Ein dumpfes, pol-
terndes Geräusch begleitete den Stoss. (Kais. Postamt.)
135. — Ein wellenförmiges Zittern von $. her, von ca. 3° Dauer
wurde beobachtet. Ich befand mich auf der der Perronseite entgegen-
gesetzten Entladestrasse, als ich plötzlich ein donnerähnliches Rollen
vernahm, als wenn ein schwerer Güterzug einfährt, dass ich im Moment
glaubte, die Ankunft des nächsten Zuges vergessen zu haben. Der
Lademeister war auf dem Güterboden mit Schreiben beschäftigt, als er
ein Gerolle vernahm, als wenn die schwersten beim Transport vor
kommenden Fahrer über den Boden geschafft würden. Unmittelbar
hieran schloss sich eine Erschütterung von solcher Stärke, dass er mit
38. Jahresbericht der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur.
Schreiben einhalten musste. Eine an der Wand hängende Schiefertafel
klapperte 3‘ lang. (Stations-Vorstand.)
136. — Wir spürten einen Stoss (vibrirend) von N—8 etwa 1—2''
lang. Leicht bewegliche Gegenstände schlugen zusammen, erzitterten,
erbebten. Gleichzeitig hörten wir ein Rollen, wie das Passiren einer
Dampfwalze. Luftstille und Gewitterschwüle herrschten. Die Inseeten
waren auffallend unruhig. (Nixdorf II, Treiter, Fussgensdarmen.)
137. — Um 9 Uhr 25 Min, fühlte ich zweimal dieht aufeinander-
folgend eine wellenförmige Bewegung und Zittern von NW--SO von
5—7' Dauer. Das Zimmer schwankte; gläserne und metallne Gegen-
stände klirrten. Ein dumpfer, heftiger Donner, als ob eine Dampfwalze
unterhalb des Zimmers in Thätigkeit wäre, begleitete die Erscheinungen.
Während des Erdbebens spürte ich eine grosse, aussergewöhnliche
Mattigkeit, wie beim Ausbruch eines furchtibaren Gewitters. Die Luft
war drückend und schwül, stellenweise Wolkenbildung, später Gewitter.
Am 10. Juni, Morgens zwischen 11 und 12 Uhr, glaube ich eine
leichte Erschütterung wahrgenommen zu haben. (Herr Kiesling.)
138. — Um 9 Uhr 32 Min, fand hier ein Erdbeben statt. Gläser
und Vasen wackelten. Richtung S—N. (Herr Sommer.)
139. — Um 9 Uhr 25 Min. wurde ein 2“ anhaltender Erdstoss
verspürt. Einem deutlichen unterirdischen Rollen von S—N folgte eine
ziemlich heftige Erschütterung. In der katholischen Schule gerieth ein
an einer Schnur freihängendes Barometer in pendelnde Bewegung.
Anderorts bemerkte man, dass hängende Hüte schwankten und Flaschen
klingend zusammenschlugen. Vielfach kamen die Bewohner ängstlich
aus den Häusern. Besonders heftig in Nieder-Langenbielau. Auch in
der vorhergegangenen Nacht wurde hier ein schwacher Erdstoss ver-
spürt, (Langenbielauer Anzeiger vom 12. Juni.)
140. — In der Nacht vom 10. zum 11. Juni er. wurde ein
schwacher Erdstoss verspürt. Am Tage darauf, um 9 Uhr 25 Min.
wiederholte sich derselbe ziemlich heftig, sodass er allenthalben 2‘ lang
wahrgenommen wurde. Einem unterirdischen Rollen folgte eine Er-
schütterung. Besonders heftig war die Wirkung in Nieder-Langenbielau,
wo Personen an die Stubenwände geschleudert wurden und Gegenstände
an den Wänden hin und her schwankten, so dass viele Leute ängstlich
aus den Häusern gelaufen kamen. (Hausfreund vom 15. Juni.)
141. — Die Sonne brannte heiss hernieder, aber auch Gewitter-
wolken standen am Himmel. Knaben, welche zum Läuten gerade auf
dem Thurme der katholischen Kirche waren, haben daselbst ein eigen-
thümliches Knarren und Prasseln vernommen. (Bresl. General-Anzeiger
vom 13. Juni.)
142. Langendorf, Kreis Neisse. (Neisser Ztg. vom 12. Juni.)
II. Abtheilung. Naturwissenschaftliche Section. 29
143. Langenöls, Kreis Nimptsch. Um 9'/), Uhr fand der Erd-
stoss von SO—NW statt. Dauer wenigstens 5’. Das Geräusch ähnelte
Kanonendonner. Manche wandten ihren Blick schnell zum Fenster, weil
sie meinten, ein schwerer Lastwagen komme. Es war eine wellige Be-
wegung der Dielen zu bemerken. Glassachen klirrten. — Ein Mädchen
einzelte Mohrrüben und will eine Bewegung der Pflanzen wahrgenommen
haben. —- Eine Frau lehnte im Fenster, als sie plötzlich tüchtig ge-
schüttelt wurde, als sollte sie hinausfallen. In demselben Zimmer
(2. Stock) ist die Decke gesprungen. — Meine Frau, die zu Bett lag,
empfand ein Rütteln ihres Bettes. Der Herr Pastor stand am Schreib-
pult, als er plötzlich hin und her schwankte. Ich und zwei Collegen
haben in der Klasse nichts wahrgenommen.
Ein Mann, der auf dem Felde arbeitete, will nach 10 Uhr noch
eine zweite Erschütterung, etwas schwächer und mehr O—W wahr-
genommen haben. (Herr Cantor Kette.)
144, — Die Häuser bewegten sich so stark, dass unter den
Füssen eine leichte Bewegung entstand. Auch im Freien wurde von den
arbeitenden Leuten eine leichte Bewegung mit anhaltendem Rollen wahr-
genommen; letzteres war bedeutend stärker, als der Donner bei einem
nahen, starken Gewitter. (Landsmann vom 14. Juni.)
145. Leobschütz. 9 Uhr 33 Min. spürten wir, meine Tochter
und ich, eine Erschütterung und zwar so, dass die Stühle, auf denen
wir sassen, 1‘ leise mit uns hin und her schaukelten, so dass wir zu
gleicher Zeit aufsprangen. Ein Geräusch haben wir nieht wahrgenommen.
(2. Stock eines ziemlich leicht gebauten Hauses.) (Frau Hauptmann
Hoferichter.)
146. Leuppusch, Kreis Grottkau. Die Häuser erzitterten und
Fensterscheiben klirrten. (Grottkauer Ztg. vom 15. Juni.)
147. Lichtenwalde, Kreis Habelsehwerdt. (Hausfreund vom
15. Juni.)
148. Lindenau, Kreis Grottkau. (Neisser Ztg. vom 12. Juni.)
149. Löwen, Kreis Bries. Ein wellenförmiges Zittern, sowie ein
dumpfes Rollen wurden beobachtet. (Kais. Postamt.)
150. Lorzendorf, Kreis Ohlau. Gegen 9'/), Uhr spürte ich eine
Erschütterung von 2—3‘ Dauer, gefolgt von dumpfem, donnerähnlichen
Rollen. Es klang wie das plötzliche Heranfahren eines schweren Last-
wagens von S—N bezw. SW—NO. Im Inspeetorhaus wurde die Er-
schütterung als Schwanken und Zittern des Fussbodens und der Möbel
wahrgenommen, In einer Bodenkammer fiel Putz von der Decke. (Herr
Premier-Lieutenant a. D. Freiherr von Seherr-Thoss.)
151. Maifritzdorf, Kreis Frankenstein. 9 Uhr 31 Min. (= Tele-
sraphen-Uhrzeit von Camenz und Reichenstein) wurde der Erdstoss als
Schlag von unten wahrgenommen. Richtung S—N, Dauer 1, höchstens 2”,
30 - Jahresbericht der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur.
Wände, Thüren, Fenster erzitterten und klirrten (Möbel wankten nicht).
Ein kurzes, donnerähnliches, unterirdisches Getöse (dumpfer, kurzer
Knall, fast wie ein Schuss aus grobem, sehr schwerem Geschütz) ging
voran. Der Himmel war heiter und wolkenlos. 25° C., Wind: SSW.
Um 10", Uhr zeigten sich die ersten Gewitterwolken. 5—3°/, Uhr Ge-
witter mit stärkerem Regen. (Herr Bogen.)
152. Mangschütz, Kreis Bries. Es wurde ein wellenförmiges
Zittern und Schwanken des Bodens mit nachfolgendem, schwachen Donner
beobachtet. Die Thüren klapperten, freistehende Gegenstände klirrten.
(Frl. Landsberg.)
155. Markt-Bohrau, Kreis Strehlen. 9 Uhr 29'/, Min. nach
richtig gehender- Postuhr wurden innerhalb 3° etwa 10 wellenartige Be-
wegungen von O—W beobachtet. Ein Donner, wie von einem sehr
schweren Lastwagen, ging voran. Die Erschütterung verursachte ein
ängstliches Gefühl. Die Tochter des Postvorstehers kam leichenblass
aus dem 1. Stock herunter, wo der Ofen gewackelt hat. Die Hühner
auf dem Hofe thaten sehr ängstlich und versteckten sich. (Herr Post-
verwalter Kolshorn.)
154. Mense bei Reinerz. (Bresl. General-Anzeiger u. a.)
155. Michelsdorf, Kreis Waldenburg. (Herr Amtsvorsteher
Genschow zu Kynau.)
156. Münsterberg. Im Erdgeschoss wurde kurz nach 9'/, Uhr
ein wellenförmiges Zittern von 2‘ Dauer etwa wie von einem schweren
Wagen durch einen auf einem Sessel sitzenden Beamten als schwaches
Erzittern des Bodens, des Sessels und des Pultes wahrgenommen. Ein
Geräusch wurde nicht gehört. (Kais. Postamt.)
157, —- Der grosse Kronleuchter im Seminar schwankte. Im
Augenblick des Erdbebens gelang es dem Seminar-Direetor nicht, den
Drücker einer Entreethür im Schlosse herumzudrehen. (Herr Dır.
Peucker.)
158. — 9 Uhr 30 Min. (Bahnzeit) wurde . ein wellenförmiges
Zittern und Rollen von NO—SW von mindestens 5‘ Dauer gespürt.
Es war ein Schwanken des Fussbodens und der Möbel mit allem, was
darauf war, zu bemerken. Ein donnerartiges Geräusch ging voran. Im
Keller war es wenig zu spüren, im Parterre nur schwach, dagegen in
den oberen Stockwerken sehr stark. (Herr Koschinski.)
159. — 9 Uhr 30 Min. (Bahnhofsuhr nach Vergleich bald nach
dem Erdbeben) fand das Beben statt. Münsterberg steht auf Diluvial-
‘ boden. Eine Tiefbohrung hat ergeben bei 214,28 m über N.N.: bis 7 m
Humus, bis 27 m Geschiebemergel, darunter eine wasserführende Sand- ,
schicht, bis 75 m Thone (grau, blau, schwarz), bis 195 m bunte Sand-
steine, darunter Granit,
II. Abtheilung. Naturwissenschaftliche Section. 31
Es wurde eine wellenförmige Erschütterung wie von einem schwer
beladenen Wagen verursacht. Richtung: S—N. Ein Bild, das an einer
O—W-Mauer hing, wurde von der Wand abgestossen. Dauer: ins-
sesammt 5. Unmittelbar vor der Erschütterung wurde ein Geräusch
vernommen, das in den Gebäuden dem Rollen des Donners, im Freien
dem Knattern fernen Geschützfeuers glich.
Der Himmel war vor dem Erdbeben dunkel bewölkt, die Wolken
thürmten sich gewitterartig. Temperatur stieg gegen Mittag auf 25°C.
Barometerstand um 12°), Uhr: 756 mm. Um 2, Uhr trat ein von
starkem Regen begleitetes Gewitter ein. (Bericht der Herren Lehrer
Scholz, Lehrer Gierth, Apotheker Koschinski, Reetor Kassner, Lehrer
Fischer und Redacteur Hartmann in Münsterberger Ztg. Nr. 50 vom
22. Juni.)
160. — Einem 3—5’‘ andauerndem Getöse, gleich entferntem
Donnerrollen, folgte ein wellenförmiges Schwanken des Erdbodens. Bilder
fielen von den Wänden, Gläser etc. klirrten und fielen theilweise um.
Der Kronleuchter in der Aula des Lehrerseminars schwankte hin und
her. Brunnenarbeiter in einem Brunnen wollen ein plötzliches Heben
und Senken des Wasserspiegels wahrgenommen haben. In den Lager-
räumen einer Porzellan-Handlung ist durch Bruch erheblicher Schaden
entstanden. Im Kreiskrankenhause eilten einige Kranke erschreckt ans
Fenster, wie überhaupt viele Leute auf die Strasse kamen. (Strehlener
Ztg. Nr. 48.)
161. — In unseren Druckerei- und Geschäftsräumen wurden wir
durch ein dumpfes, unterirdisches Rollen, heftiger als es ein schwer-
beladener Wagen verursacht, aufgeschreckt; sämmtliche Glasscheiben
des grossen Oberlichtfensters des Setzersaales klirrten und vibrirten.
Dauer 3°. Richtung: N—S ete. (Münsterberger Ztg. Nr. 47 vom 12. Juni.)
162. — 9 Uhr 25 Min. Richtung: S—N etc. (Bresl. Mörgen-
Ztg. Nr. 271.)
163. — Der Himmel war am Vormittag des 11. Juni er. bedeckt
und das Barometer zeigte auf „Veränderlich“. Das vor dem Erdbeben
18° C. aufweisende Thermometer stieg gegen Mittag bis auf 25°C.
(Münsterberger Ztg. Nr. 48 vom 15. Juni.)
164. — Bilder und Spiegel zitterten. Bei einem Brunnenbau im
Vorgarten des Lehrerseminars sahen die Arbeiter das Wasser steigen
und fallen. Die Bewohner stürzten ängstlich aus den Häusern. (Lands-
mann vom 14. Juni.)
165. Neisse. 9 Uhr 43 Min. M. E. Z. wurde ein Schaukeln der
oberen Stockwerke sammt Zubehör von 2—3° Dauer, begleitet von
donnerartigem, rollendem Getöse, beobachtet. (Kais. Postamt.)
166. — 9 Uhr 29 Min. vernahm Herr Telegraphenleitungs-Revisor
Schmidt ein so starkes Rollen und gleichzeitig ein so auffallendes Er-
)
32 Jahresbericht der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur.
zittern aller im Zimmer befindlichen Gegenstände, dass er das Fenster
öffnete, um nachzusehen, was für schwere Maschinen vielleicht per Roll-
wagen vorbeigeschafft würden. Doch war nichts zu sehen. — Herr
Realgymnasial-Direetor Gallien sah genau zur selben Zeit während des
Physikunterrichts ein Wackeln verschiedener auf den Schränken stehen-
der Apparate, Auch von anderer Seite ist das Beben mehrfach be-
obachtet worden. (Herr Professor Rose,)
167°. — 9 Uhr 28 Min. (nach M. E. Z.) spürte ich einen Stoss
von ca. 2‘ Dauer. Richtung: W-—-O. Gleichzeitig war ein dumpfes
Rollen wahrnehmbar. Ein eirca 10 Centner schwerer Geldschrank be-
weste sich in Folge der Erschütterung. (Herr Kreiskassen - Assistent
Wittich.)
168. —- Es war, als sollte das Haus umgeworfen werden. Plötz-
lich erhob sich ein Rauschen, wie wenn man sich in der Nähe eines
Wehres befindet. Es endigte mit einem kräftigen Stoss, der die Hinter-
front meines Hauses kräftig schüttelte. (Neisser Ztg. vom 15, Juni.)
169. Neobschütz, Kreis Münsterberg. Das Erdbeben wurde im
1. Stock des alten Schlosses als einmaliger dumpfer Stoss von unten
gespürt, dem ein wellenförmiges Zittern folgte. Dauer 2—3. Das
Zimmer war in Bewegung, aus den Ritzen der Stubendecke rieselte
Kalkstaub heraus. Es machte den Eindruck, als wenn der im 2. Stock
belegene Schüttboden einstürzen wollte. Das Erdbeben begann mit
einem fernen, donnerähnlichen Geräusch, das schnell näher kam und
dementsprechend heftiger wurde, bis ein ziemlich heftiger, dumpfer Stoss
erfolgte, nach dem sich das Geräusch, allmählieh wieder abnehmend.
verlor. (Herr Gutsverwalter Lange.)
170. Neu-Altmannsdorf, Kreis Münsterberg. (Bresl. Morgen-
Ztg. Nr. 271.) |
171. Neudorf, Kreis Grottkau, (Grottkauer Ztg. vom 15. Juni.)
172. Neuhof, Kreis Münsterber.. Am 12. Juni er., Abends nach
10'/, Uhr, stürzte plötzlich das massiv gedeckte Dach der aus Fachwerk
errichteten Scheuer des Stellenbesitzers Dempe ein. Da die Scheuer
durchaus nicht baufällig war, liegt wohl die Vermuthung nahe, dass
das vielleicht nicht fest genug verbundene Gesperre durch die Erd-
erschütterung sich verschoben und auf den nördlichen Giebel so gedrückt
hat, dass dieser nach dem Garten zu einstürzte, wodurch ein Theil des
Gesperres sammt dem Dach zum Nachschieben kam. Die südliche Hälfte
des Daches dürfte durch die dort aufgestapelt gewesenen Strohvorräthe
etwas Halt gefunden haben und ist erst später vom Besitzer selbst, um
Unglück zu verhindern, abgetragen worden, Der Einsturz ist vermuth-
lich auf das Erdbeben zurückzuführen. (Münsterberger Ztg. Nr. 49 vom
19, Juni.)
479.
II. Abtheilung. Naturwissenschaftliche Section. 33
173. Neurode, Kreis Glatz. Um 9 Uhr 36 Min, (M.E. Z.) wurde
im Erdgeschoss des Postgebäudes (auf rothem, porösem Sandstein) ein
Stoss als Schlag von unten beobachtet. Richtung: ONO—WSW.
Dauer 2“. Möbel erzitterten und die Fenster klirrten. Ein dumpfes
Geräusch, fernem Donner gleich, ging der Erschütterung unmittelbar
vorauf. (Kais. Postamt.)
174, — Ich sass am Wege vom Annaberge zur Stadt auf einer
Bank, als ich einen Knall mit rollendem Getöse — ohne Erdbewegung
— vernahm. Eine neben mir sitzende alte Frau frug im Gebirgsdialeet:
„Se schüsse wull?‘“ Herr Buchdruckereibesiter Krappner aus Oels, der
gleichfalls vom Annaberg abstieg, hörte das Geräusch auch. (Herr
Kürschnermeister Kleiner aus Oels.)
175. — Das Erdbeben währte kaum 2“ und verursachte in den
höheren Stockwerken der Gebäude eine geringe Erschütterung der
Aussenwände, so dass die Fensterscheiben klirrten. Ein Geräusch wurde
nieht wahrgenommen. (Hausfreund für Neurode vom 15. Juni.)
176. Nielasdorf, Kreis Strehlen. 9 Uhr 23 Min. wurde eine
starke Erderschütterung verspürt; Hängelampen pendelten. Fenster
klirrten. Im Freien hörte man ein starkes, unterirdisches Getöse.
(Strehlener Ztg. Nr. 48.)
177. Nieder - Langseifersdorf, Kreis Reichenbach. 9 Uhr
25 Min. wurde ein wellenförmiges Zittern von 5° Dauer verspürt.
Leichte Gegenstände zitterten, schaukelten, klirrten. Hängelampen
pendelten. In den oberen Stockwerken stärker gespürt. Gleichzeitig
dumpfes, donnerähnliches Getöse. (Herr Kette, berittener Gensdarm.)
173. Nieder-Peilau-Schlössel, Kreis Reichenbach. 9 Uhr
28 Min. wurde ein wellenförmiges, eontinuirliches Zittern, gewisser-
maassen ein Fortrollen unter den Füssen, von 8—10'' Dauer beobachtet.
Ein donnerähnliches Geräusch, als ob ein Lastwagen über Steinpflaster
fährt, ging voran. Zittern des Fundamentes, heftiges Rütteln der
Stubenthür ete. (Herr Inspector Müller.)
179. — 9 Uhr 32 Min. (schon red.? Uhr geht etwa 5’ nach!) wurde
2—3' andauerndes Rollen, wellenförmiges Zittern, keine eigentlichen
Stösse, verspürt von SSW—NNO. Erschütterung der Fundamente etec.,
Möbel schwanken. Gleichzeitig, eher nachfolgend, ein Geräusch, wie
entfernter Donner, wie ein sehr schwer beladener Lastwagen in schnellem
Tempo. 1'/, Stunden später Gewitter. (Herr Rittergutsbesitzer Rupprecht.)
180. — Thüren sprangen auf, schwere Gegenstände, wie Schränke,
schwankten. (Breslauer General-Anzeiger.)
181. Nieder-Petersdorf, Kreis Falkenberg? (Neisser Ztg. vom
15. Juni.)
182. Nieder - Steine, Kreis Glatz. (Neisser Zeitung vom
15. Juni.)
1895. 3
SP gs Jahresbericht der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur.
183. Nimptsch. 9 Uhr 29‘, Min. Telegraphenzeit wurde ein
wellenförmiges Zittern in S—N von 4-5“ Dauer beobachtet. Brief-
waage, Hängelampe etc. bewegten sich. Gleichzeitig ein Donner. (Kaiser-
liches Postamt.)
184. — Etwa um 9 Uhr 36 Min. wurde ein unterirdisches Ge-
töse bemerkt, fast gleichzeitig erzitterte die Erde. Richtung: S—N.
Dauer: 5° Wirkung am stärksten in Häusern an einem Abhange,
Ferster klirren, Geschirre klappern;, Wände zittern. Im „Schwarzen
Bär“ pendelte der Kronleuchter. Während des Bebens herrschte bei
leicht bewegter Luft Südwind; es war gewitterschwül. (Landsmann vom
14. Juni.)
185. Ober-Peilau, Kreis Reichenbach. 9 Uhr 25 Min. spürte
ich, in einem auf Fels mit 2—3 Fuss starker Bedeckung gebauten Hause
sitzend, ein heftiges Zittern, als ob der Stuhl in allen Theilen nach-
geben wollte. Dauer 3—4”. Bilder fielen von einer hölzernen Binde-
wand, die Glocke einer Stehlampe fiel aus ihrem Rahmen. Ein dumpfer
Donner ging, wie mir scheint, voran. (Herr Fussgensdarm Menzel.)
186. — 9 Uhr 40 Min. Ein kurzes dumpfes Rollen ging voraus.
Gläser klirren, Hängelampen pendeln; in einem Hause sprangen die
Ihüren auf und wackelten die Schränke. (Langenbielauer Anzeiger vom
12. Juni.)
187. Ober-Rosen, Kreis Strehlen. Ein kurzer Seitenruck mit
sichtbarem Wackeln des Gebäudes in SW—NO. Dauer 2—4. Ein
dumpfes Grollen folgte. (Herr Rittergutsbesitzer von Ponzenski und
Tenezin.) wa
188. Ober-Tannhausen, Kreis Waldenburg. 9 Uhr 26 Min.
(M. R.Z.?) spürte ich im 2. Stock eines massiven Hauses ein wellen-
förmiges Zittern von etwa 3° Dauer. Ein rasselndes Donnern, wie bei
Gebirgsgewittern, ging der schwachen Erschütterung voran. Barometer
stand bei 440 m Höhe auf 719 mm. (Herr Fabrikbesitzer Websky.)
189. Ober- Weistritz, Kreis Schweidnitz. Etwa 5’ vor 1,10
vernahm ich ein ungewöhnliches, dumpfes Rollen, in Folge dessen das
ganze Haus erzitterte. Das Rollen klang dumpf und unterirdisch und
unterschied sich deutlich vom Donner und Wagenrollen. Am ehesten
gleicht es dem Geräusch, das ein sehr rasch fahrender leerer Kartoffel-
oder Kohlenwagen mit hohen Brettern verursacht, nur viel dumpfer und
ohne Klappern und war schnell versehwunden. Erschütterung und Ge-
räusch war gleichzeitig. Richtung: deutlich O—W. Gleichzeitig entlud
sich auch ein Gewitter mit etwas Regen. (Herr Generallandschafts-
Director Graf Pückler-Burghauss.)
190. Oels. Herr Amtsgerichts-Seeretair Hilgert protokollirte im
Schöffensaal des Amtsgerichts, Als er die Hand auf das Papier legte,
atte er das Gefühl, als ob der Tisch sich von unten nach oben hob
II. Abtheilung. Naturwissenschaftliche Section. 35
und wieder senkte. Richtung: O—W bezw. SO—NW, Nur einmalige
Bewegung. Herr Zahlmeister Hütter hörte einen Knall, dem ein rollen-
des Getöse folgte. In Falkenberg wurde am 11. Juni c. Vorm. nicht
geschossen. cf. Nr. 174, (Herr Kürschnermeister Kleiner.)
191. Oelse, Kreis Striegau. 9 Uhr 36%/, Min. (red. = 9 Uhr
32'/), Min.) spürte ich ein wellenförmiges Zittern von 15—30' Dauer,
Riehtung: SSO—NNW, das ein langer unterirdischer Donner begleitete.
Schreibtisch und Stuhl zitterten. Aeusserst schwüle Luft. (Herr Pastor
Gebhardt.)
192. Olbendorf, Kreis Strehlen. Flachwerke fielen von den
Dächern. (Grottkauer Ztg. vom 15. Juni.)
193. Oppeln. 9 Uhr 25 Min. spürte ich eine wellenförmige
Schwankung des Fussbodens von W—O von 4—5“ Dauer. Ein Ge-
räusch wurde nicht gehört. (Frau Hirsch.)
194. Ottmachau, Kreis Grotikau. Der Thürhüter der Zucker-
fabrik meinte, dass ein schwerer Gegenstand auf das Dach seiner Baude
gefallen sei und eilte erschreckt ins Freie. Sogar in der Schmiede fiel
die Erschütterung auf. Die O—W laufenden Stangen der Eisen-
construction des Daches geriethen in hörbare Schwingungen. Richtung
also wohl N—8. (Neisser Ztg. vom 12. Juni.)
195. — Dauer: ca. 3“. (Hausfreund vom 15. Juni.)
196. Patschkau, Kreis Neisse. 9 Uhr 29 Min. (sofort ver-
glichen, aber Postuhr wird erst um 12 Uhr V. regulirt) vernahm ich
ein gleichmässiges metallisches Donnern (das nicht leise einsetzte und
verhallte; mit keinem Geräusch vergleichbar). In der Mitte desselben
erfolgte der Erdstoss: ein Zittern der Erde von N—S. Dauer höchstens 1”.
(Herr Lehrer Petzelt.)
197. — 9 Uhr 30 Min. 2 Sec. spürte ich eine wellenförmige
Bewegung, scheinbar von O—W von 3—4 Dauer. Gleichzeitig er-
tönte unterirdischer Donner, wie das Rollen eines grossen Fasses. Die
Hauswände knisterten und war ein leises Schaukeln bemerkbar. Eine
Wanduhr blieb auf 9 h 30° 2‘ stehen. Später Gewitter. (Herr Guts-
besitzer Mücke.)
198. Pentsch, Kreis Strehlen. Auf dem Felde als wellenförmiges-
Schwanken des Bodens, begleitet von dumpfem Rollen, empfunden. Von
einem Dache fielen Flachwerke, Gläser klirrten. (Strehlener Zitg.
Nr. 48.)
199. Petersdorf, Kreis Hirschberg. Wir bemerkten im Zimmer
‚ein starkes Dröhnen, das wir durch den ganzen Körper fühlten.
Dauer 3—4’; Richtung; O—W; wellenförmig. Im Norden standen
schwere Gewitter und donnerte es den ganzen Vormittag in der Ferne.
Barometerstand 720 mm, (Herr Tzschaschel.)
3#
an Jahresbericht der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur.
200. Petersheide, Kreis Grottkau. 9 Uhr 29 Min. fühlte ich in
der Schulstube ein starkes Heben und Senken, wohl von SW-—-NO.
Dauer 4-—5”. Gleichzeitig hörte ich ein tiefes Donnerrollen, das sich
nach und nach in der Ferne verlor. Der Himmel war klar.
Die Häuser zitterten, Putz, ja Bilder fielen von den Wänden, Wiegen
bewegten sich. Leute im Freien fühlten die Erde sich heben und senken.
Richtung: S—N. (Herr Hauptlehrer Gebauer.)
201. Peterswaldau, Kreis Reichenbach. 9 Uhr 25 Min. wurde
der Erdstoss im Mitteldorf kräftig gespürt. Es war ein wellenförmiges
Zittern von W-—-O von wenigstens 3° Dauer. Fenster klirrten. Im
2. Stock wurden höher aufgeschichtete Garnstösse umgeworfen. Ein
Geräusch wurde nicht wahrgenommen. (Garn-Fabrik.)
202. — Es wurde ein Stoss als dumpfes Rollen des Donners
oder Rasseln schweren Lastfuhrwerks beobachtet. Der Eindruck war
beängstigend; viele Leute eilten aus den Häusern. Richtung: SW-—NO.
Dauer 2°. (Herr Fussgensdarm Steiner II.)
203. — Scheiben klirrten; Gegenstände schwankten; Bilder und
Uhren schlugen gegen die Wand, (Langenbielauer Anzeiger vom 12. Juni.)
204. Peterwitz, Kreis Frankenstein. 9 Ukr 25 Min. spürte ich
ein wellenförmiges Zittern von S—N fast eine Minute lang. Die Möbel
zitterten. Ein rollender Donner, als ginge im Keller eine Dampf-
maschine, war gleichzeitig, vielleich 1‘ früher, vernehmbar. Der unter
meinem Fenster gelegene kleine Teich brachte Wellen hervor, obwohl
es windstill war. (Herr Rechnungsführer Nowack.)
205, Pischkowitz, Kreis Glatz. Der Erdstoss wurde verbunden
mit unterirdischem Rollen, sowohl im Schlosse, wo Thüren und Fenster
klirrten, als auch im Försterhaus beobachtet; der Förster schwankte mit
dem Stuhl hin und her und verliess eilig das erzitternde Häuschen.
(Schles. Ztg.)
206. Poischwitz, Kreis Jauer. Geschirre klirrten. (Schles. Ztg.)
— Leute eilten auf die Strasse- (Hausfreund- vom 15. Juni.)
207. Pontwitz, Kreis Oels. (Herr Kürschnermeister Kleiner aus
Oels.)
208. Prauss, Kreis Nimptsch. Ich vernahm etwa 9 Uhr 35 Min.
ein starkes, schnelles Rollen von SW—-NO, als ob ein Courierzug vor-
beiführe,. Das Bier im Glase schwankte. Die Hitze war unerträglich.
Später Gewitter. (Herr Wichura.)
209. — 9 Uhr 35 Min. beobachtete ich in meinem auf Fels
stehenden Wohnhaus ein wellenförmiges Zittern von S—N. Dauer
ca. 3“. Fussboden und Deeke schwankten, als ob darüber getanzt würde.
Am Fenstersims bröckelten Kalkstückchen ab. Gleichzeitig ein Ge-
räusch wie von schwerem Fuhrwerk. (Herr Majoratspächter Wittwer.)
II. Abtheilung. Naturwissenschaftliche Section. 37
210. Prieborn, Kreis Strehlen. Etwa 9 Uhr 35 Min. wurde ein
Schaukeln von S oder SO her beobachtet. Dauer 2—3”. Das Haus
(1. Stock) bebte und dröhnte. Im Parterre klapperte eine eingeklinkte
Thür; ein Spind wankte. Ein grollender Donner ging voran und be-
gleitete den Stoss. (Herr Pastor Horn.)
211. Protzan, Kreis Frankenstein. Einem dumpfen Rollen von
2‘ Dauer folste ein heftiger Stoss von unten nach oben, der Wände
und Fenster erschütterte. Bine auf dem Schreibpult stehende Lampe
schwankte und klirrte. Das Geräusch dauerte noch 1” nach. (Kaiser-
liches Postamt Frankenstein.)
212. Raudnitz, Kreis Frankenstein. (Neisser Ztg. vom 12. Juni,)
213. Reichau, Kreis Nimptsch, Gegen 9, Uhr vernahm ich im
Garten ein dumpfes, unterirdisches Getöse. Alles erzitterte um mich,
Die Miethsleute kamen erschreckt aus dem Haus. Alles habe ge-
schwankt, Dauer mehrere Secunden. (Breslauer General-Anzeiger.)
214 — Aus dem Schornstein meines (vermietheten) Hauses sind
2 Ziegeln nach N herausgeschleudert, die 17 Stück Flachwerk auf
dem Dache zertrümmerten. Der von Grund an sehr gut gebaute Schorn-
stein hat 2 Sprünge erhalten. In meinem Wohnhause hat der Stoss
gleichfalls ein Stück Flachwerk weggerissen, auch nach N. Meine Frau
hörte ein fürchterliches Rollen und trat sofort aus dem Haus; aber da
war alles vorbei; denn es war so schnell wie der Blitz. (Herr Scholz.)
215. Reichenbach. Gegen 9 Uhr 30 Min. wurde ein donner-
ähnliches Rollen, wobei der Erdboden erzittert, als wenn Kanonen über
schlechtes Pflaster fahren, wahrgenommen. Richtung: NW-—-SO, Dauer
etwa 9—6”. Hrzittern des Erdbodens, Fenster klirren. Später sehr
heftige Gewitter. (Kaiserliches Postamt.)
216. — 9 Uhr 20 Min. wurde ein wellenförmiges Zittern von
SO—NW von 2‘ Dauer wahrgenommen, das Zusammen- und Herunter-
fallen von Gegenständen verursachte. Ein dumpfes Donnerrollen folgte
nach. (Blockstation Bude 96 der Eisenbahnstrecke Reichenbach - Gna-
denfrei.)
217. — 9 Uhr 25--30 Min. spürte ich rollendes donnerartiges
Getöse und Zittern der Erde, ähnlich dem Fahren eines Dampfwagens
von kaum 5“ Dauer. Der Boden bewegte sich unter den Füssen, Glas- _
sachen klirrten, Hängelampen pendelten, besonders in den oberen Stock-
werken. (Herr Gensdarm Kluge.)
218. — Ein Zittern der Erde mit anhaltendem rollendem Donner
in N—S- (bezw. NO- und NW-) Richtung von 4—5” Dauer wurde be-
obachtet.. Bewegung des Erdbodens und Gläserklirren waren die Folge.
(Herr Fussgensdarm Hoffmann V.)
219. — Ich spürte ein 15—20‘ anhaltendes Zittern des Zimmers,
in dem ich mich befand, sodass ich sofort aufsprang. Decke und Fuss-
ee Jahresbericht der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur.
boden bewegten sich, eine Holzverbindungswand von 25 cm Dicke bebte
ängstlich stark. Eine Nähmaschine erzitterte, die darauf liegenden
Reservetheile schwirrten. In andern Häusern bewegten sich Bilder an
der Wand und klirrten Glassachen. Das Geräusch begleitete die Er-
schütterung. Später heftige Gewitter. (Herr Rittmeister d. L. Geelhaar.)
220. — Im Erdgeschoss meines massiven Hauses überkam mich
das Gefühl, als würde im Hof ein schweres Fuhrwerk bewest in N—S
oder NW—SO-Richtung,. Der Boden zitterte unter meinen Füssen, dazu
ein dumpf rasselndes Geräusch. Dauer 5“. (Herr Redacteur Dittrich.)
221. — In der Oberstadt, sowie unterhalb Ernsdorf, war eine
stärkere Erschütterung zu bemerken. In der Türkisch-Rothfärberei wurde
ein Rollen vernommen. Fenster klirrten. Felsgestein steht in 110 m
Tiefe an. (Herr Fleischer, mechanische Weberei.)
222. — Ich spürte einen starken Ruck und dann ein nur ein paar
Secunden dauerndes Zittern des Erdbodens, wie wenn ein auffallend
schwerer Wagen auf der Strasse führe. Die Holzrahmen der Fenster
knackten, das ganze Haus wurde in seinem Mauerwerk erschüttert. Es
folgte ein Geräusch, wie von einer fahrenden Dampfwalze. (Herr Amts-
richter Metzig.)
223. — 9 Uhr 25 Min. M. E. Z. wurde ein wellenförmiges Zittern
von S—N, genauer SSW—NNO vernehmbar: ein langstengliches Ge-
wächs pendelte in dieser Richtung. Dauer 2—3‘. Die Südecke des
Gymnasiums schien völlig zu schwanken. Etwa 10“ vor der Er-
schütterung begann ein ziemlich starkes, rollendes Geräusch. Gefässe
klirrten. (Herr Primaner Weck.)
224. —- Heller Sonnenschein und ziemlich grosse Hitze. Gewitter-
wolken am Himmel. Fenster ete. klirrten. Hängelampe und Bilder
pendelten. Dauer einige Seeunden. (Langenbielauer Anzeiger vom 12, Juni.)
225. — Die Bewohner eilten vielfach bestürzt aus den Häusern.
Uhrschlagfedern ertönten; die Häuser erzitterten. Das an der Peile-
brücke bei der Marx’schen Brauerei in der Niederstadt an der andern
Uferseite stehende Haus zeigt bedeutende Sprünge, die es von der Er-
schütterung davongetragen haben soll. (Reichenbacher Ztg. Nr. 47.)
226. Reichenstein, Kreis Frankenstein. Eine schaukelnde Be-
wegung von SW nach NO (oder umgekehrt) von 2—3° Dauer wurde (im
Erdgeschoss) beobachtet. Scheiben klirrten. Wasser im Becken bewegte
sich. Ein donnerndes Geräusch wurde gleichzeitig vernommen. (Kaiser-
liches Postamt.)
227. — 9 Uhr 40 Min. wurde ein etwa 4“ dauernder Erdstoss
verspürt, Gegenstände in den Stuben schwankten. Zugleich wurde ein
rollendes Getöse wahrgenommen, welches aus der Tiefe zu kommen,
schien. (Hausfreund vom 15. Juni.)
228, Reimen, Kreis Neisse. (Neisser Ztg. vom 15. Juni.)
F,‘
II. Abtheilung. Naturwissenschaftliche Section. 39
229. Reinerz, Kreis Glatz. (Breslauer General-Anzeiger u. a.)
230. Reinschdorf, Kreis Neisse. Ein donnerähnliches Getöse
war vernehmbar und dabei ein Schwanken der Wände. (Neisser Ztg.
vom 15. Juni.)
231. Reisewitz, Kreis Grottkau. Die Erschütterung war so
stark, dass Gebäude erzitterten und Möbel in eine geräuschvolle Be-
wegung gesetzt wurden. Dauer mehrere Secunden. (Neisser Ztg. vom
12. Juni.)
232. Riegersdorf, Kreis Strehlen. Kurz vor ',10 Uhr wurde
eine heftige Erschütterung, etwa 4‘ dauernd, und von dumpfem Rollen
begleitet, bemerkt. Von einer Stubendecke fiel Putz, bei einem Gast-
wirth klirrten die Gläser und offene Thüren schlossen sich, sodass die
Leute erschreckt auf die Strasse eilten. (Strehlener Ztg. Nr. 48.)
233. Rochus bei Neisse.. 9 Uhr 27 Min. spürte ich die Er-
sehütterung. Es war eine Wellenbewegung, als wollten sich die Seiten-
mauern in die Luft erheben. Die Möbel knisterten und Bilder bewegten
sich, Richtung: O—W (oder umgekehrt). Dauer 2. Ein Geräusch
hörte ich nicht. Die Beobachtung geschah im 3. Stock unter dem Dach.
(Herr Fieber am 17. Juni und 23. Juni.)
234. Rogau, Kreis Falkenberg. Meine Tochter sass vorm Hause,
als das Beben erfolgte. Kalkstückchen fielen vom Dach, sodass sie auf-
sprang, in der Meinung, der Schornstein stürze ein. Die Art der Be-
wegung scheint eine seitliche gewesen zu sein. Ein eigenthümliches
dumpfes Rollen ging voraus. Es herrschte grosse Schwüle. (Herr Lehrer
Schönbrunn.)
235. Rosen, Kreis Strehlen. Gläser fielen vom Tisch beim Gast-
wirth Herford. (Strehlener Ztg. Nr. 48.)
236. Rothenbach bei Gottesberg, Kreis Waldenburg. 9 Uhr
23 Min. M. E.Z. hörten wir im Zimmer ein Klirren und Wackeln.
Das Geschirr schlug aneinander, dass wir glaubten, es müsse entzwei
gehen. Die Möbel wackelten hin und her. Richtung: S—N. Dauer
2—3”. Auf dem Turnplatz wackelten die Geräthe. (Herr Hauptlehrer
Walter.)
237. Rothsürben, Kreis Strehlen. Das Geräusch wurde als
donnerähnliches Rollen gehört. Eine Erschütterung wurde nicht gespürt.
(Herr Hildebrand, Bahnhofswirth.)
238. Rummelsberg, Kreis Strehlen. Ein Stoss mit nachfolgendem
donnerähnlichem, dumpfem Rollen wurde verspürt. Dauer zusammen
etwa 10”. Der Rummelsbergthurm wurde bis in seine Grundmauern
erschüttert. Später zahlreiche Gewitter. (Herr Restaurateur Deutsch-
mann.) :
239. Rungendorf, Kreis Schweidnitz. Hier wurden die Stösse
stärker als in Frauenhain (vgl. Nr. 48) verspürt. Einem starken
%
ANEe Jahresbericht der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur.
Donner folgte eine Erschütterung. Mit Klirren, Rasseln und Dröhnen
endete das Phänomen. Gesammtdauer etwa 3°, Eine Familie verliess
bestürzt ihr Haus. Ein Stoss wurde schon um 4 Uhr Morgens be-
obachtet, Himmel klar. (Herr Lehrer Zebulla.)
240. Sacrau, Kreis Strehlen. Um 9, Uhr begann es im OÖ
dumpf zu donnern und ich verspürte eine schwankende Bewegung unter
mir. Die Regentropfen fielen von den Baumästen auf einmal herab,
ohne dass Wind war. (Münsterberger Ztg. Nr. 48 vom 15. Juni.)
241. Salzbrunn, Kreis Waldenburg. 9 Uhr 20 Min. spürte ich
zweimal, unmittelbar nacheinander, ein wellenförmiges Zittern von
NNO—SSW von etwa 5 Dauer. Das Haus erbebte in allen seinen
Fugen, im Zimmer klirrte Alles. Ich selbst hatte die Empfindung wie
von einem sehr starken elektrischen Strom. Ein klirrendes Rasseln, als
wenn ein ganz schwer beladener Lastwagen im rasenden Tempo den
Berg hinabfahre, begleitete die Erschütterungen. Später Gewitter. Die
Luft war bleischwer. (Herr Badedireetor Manser.)
242. — 9 Uhr 28—29 Min. spürte ich etwa 8—10 Bewegungen
des Sessels, auf dem ich sass, nach rechts und links. Richtung: NO bis
SW (oder umgekehrt). Dauer 2—3“. Ein sausendes Donnern begleitete
die Erschütterung und hielt einen Moment länger an. In einem andern
Hause knackten die Schränke heftig. Es war heiteres, warmes Wetter.
(Herr Kretschmer.)
243. — Gilassachen klirrten, ein Spiegel bewegte sich. (Herr
Major a. D. Furbach).
244. Schlaupitz, Kreis Grottkau. (Breslauer General-Anzeiger.)
245. Schmelzdorf, Kreis Neisse. 9 Uhr 27 Min. wurde ein
ziemlich starker Erdstoss verspürt. Dauer einige Secunden. Ein dumpf-
rollendes, donnerähnliches Geräusch begleitete ihn. Eine schwere Haus-
thür hob und senkte sich, die Häuser erzitterten. Richtung: SW—NO.
Drückende Schwüle. Später Gewitter. (Breslauer Morgen-Ztg. Nr. 271.)
246. Schmiedeberg, Kreis Hirschberg. In der Teppichfabrik,
wie in einem Privathause, wurde 9 Uhr 50 Min. ein schwaches Be-
wegen und Klirren leichterer Gegenstände wahrgenommen. Es war nur
eine Bewegung, die von einem Geräusch begleitet wurde. Auf dem
Bahnhofe wurde nichts gespürt. (Stations-Vorstand.)
247. Schobergrund, Kreis Nimptsch. Ein Hausgiebel hat Risse
erhalten. (Herr: Bäckermeister Richter aus Diersdorf.)
248. Schönheide, Kreis Frankenstein. Der Postagent hat eine
geradezu wellenförmige Bewegung der Diele und seines Stuhles wahr-
genommen. Richtung: N-S. Es folgte ein dumpfes Rollen von 10—15‘'
Dauer. (Kaiserl. Postamt Frankenstein.)
249. Schönwalde, Kreis Frankenstein. Richtung: O—W; Dauer
9—6'. (Kaiserl, Postamt Frankenstein.)
. II. Abtheilung. Naturwissenschaftliche Section. 41
250. Schräbsdorf, Kreis Frankenstein. Dauer 4—6”. Die
Stärke war so gross, dass sich Gegenstände der Tischlerwerkstatt, in der
der Postagent sich gerade befand, bewegten. (Kaiserl. Postamt Franken-
stein.)
251. Schreibendorf, Kreis Strehlen. (Oberschlesischer Anzeiger
vom 13. Juni.)
252. Schreiberhau, Kreis Hirschberg, 9 Uhr 25 Min. spürte
ich ein wellenförmiges Zittern mit Seitenbewegung, Richtung: W—O (?),
von wenigen Secunden Dauer. Ein leises Dröhnen ging scheinbar vor-
aus. Ich habe schon mehrfach Erdbeben an der Riviera, Corfu ete. mit-
erlebt. (Herr Kammerherr Freiherr von Ende.)
2535. Schweidnitz. Zwischen 9 Uhr 32 Min. und 9 Uhr 35 Min.
(= etwa 9 Uhr 27—30 Min. Telegraphenzeit) wurde im III. Stock ein
wellenförmiges Zittern von SO—NW von ca. 3—4‘' Dauer, begleitet
von einem Geräusch, als wenn ein schwer beladener Wagen über das
Strassenpflaster fährt, wahrgenommen. Scheiben klirrten. (Kaiserliches
Postamt.)
254. — 9 Uhr 32 Min. (= 9 Uhr 27 Min. Telegraphenzeit) ver-
nahm meine Tochter ein eigenthümliches Geräusch, als wenn unten eine
Nähmaschine ginge. Eine Erschütterung beubachtete sie nicht.
In einem Hause zitterten die Wände der oberen Stockwerke und
das 2° anhaltende Getöse war derart, als ob eine Batterie die Strasse
im Trab entlang führe. (Herr Stadtrath Juncker in der Schweidnitzer
„Läglichen Rundschau.‘)
255. Seherrsau, Kreis Reichenbach. 9 Uhr 25 Min. verspürte
ich im unteren Stockwerk ein wellenförmiges Zittern, das wohl über
5“ andauerte. Die Richtung weiss ich nicht anzugeben, da sich alles
wie im Kreise drehte. Die Erschütterung wirkte ängstlich auf die Ge-
müther. Scheiben etc. klirrten. Ein donnerähnliches Rollen ging un-
mittelbar voran. Sonnenschein mit etwas Wolkenbedeckung. (Herr
Liehr.)
256. Silberberg, Kreis Frankenstein. Etwa 9 Uhr 26 Min.
wurde ein wellenförmiges Zittern von SO—NW von 3—4‘' Dauer be-
obachtet. Ein Schrecken aller Beobachter war die Folge. Das Ge-
räusch war eiwa so, wie es ein vorüberfahrender Eisenbahnzug ver-
ursacht. Vereinzelt ist ein Knall am Ende der Erschütterung wahr-
senommen worden. Etwa 1 Stunde vorher will eine hiesige Frau eine
schwächere Erschütterung gespürt haben. (Kaiserl. Postamt.)
257, — Ein Erdstoss, verbunden mit unterirdischem Rollen, wurde
_ vielfach beobachtet. (Breslauer General-Anzeiger.)
258. — Richtung: SO—NW. (Bresl. Morgen-Ztg. Nr. 271.)
259. Sonnenberg, Kreis Falkenberg. Ein heftiger Stoss von
S—N, so dass das Haus erbebte, begleitet und gefolgt von dumpfem
42 Jahresbericht der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur.
Rollen, wurde gespürt. Dauer 1‘. (Herr Wirthschaftsbeamter Kremse
und Herr Amtssecretair Pisarski.)
260. Sorgau, Kreis Waldenburg. Etwa 9 Uhr 15 Min. wurde
ein leichtes Zittern verspürt. In einem Schrank fielen 2 Gläser um;
die Fensterscheiben klirrten. Ein leises Rasseln ward dazu vernommen.
(Kaiserl. Postamt.)
261. — Frühestens 9 Uhr 30 Min. wurde ein $Stoss verspürt.
Die Bewegung war schütternd von einer Seite zur andern, als wenn
eine schwere Walze auf der Strasse fährt, aber viel stärker. Rich-
tung: SO—NW. Dauer 10“. Hörte plötzlich auf. Das 1. Stockwerk
zitterte, ein Schrank bebte tüchtig. Geschirr klirrte. Gleichzeitig ver-
nahm ich ein unterirdisches, rollendes Dröhnen. (Herr Machner.)
262. Stachau, Kreis Nimptsch. Zwischen 9 Uhr 25 und 9 Uhr
30 Min. spürte ich auf freiem Felde eine heftig rüttelnde Bewegung mit
vielleicht 5—6 Schwingungen von O—W; Dauer 3—5“”. Ein Donner-
rollen, ähnlich dem Geräusch einer sehr heftigen Explosion oder
Sprengung, ging voran. Es nahm zu und schien näher zu kommen.
Nach dem stärksten Rollen, beim Ausklingen desselben, erfolgte die Er-
schütterung. Ich stand still, mir zitterten die Kniee, die Arbeiter in
Bewegung empfanden dies weniger. Meine Frau meinte, der Balkon
stürze ein, so dass sie schnell in’s Freie trat und einen neben ihr sitzen-
den Knaben gleich mitnahm, um ihn in Sicherheit zu bringen. Im
1. Stock fiel ein Buch vom Bord. Die Hausmädchen eilten erschreckt
aus dem Hause. Der Kutscher glaubte, der Stall stürze ein. Schnelles
Steigen des Lufttemperatur zwischen 8 und. 10 Uhr Vorm. Später Ge-
witter; Fallen des Barometers. (Herr von Stegmannstein.)
263. Stein, Kreis Nimptsch. Ein wellenförmiges Zittern in S—N-
Richtung, von kurzer Dauer. Ein Rasseln, wie von einem ausser-
gewöhnlich schnell fahrenden Wagen, begleitete es. Mein Nachbar, wie
auch ich selbst, gingen ins Freie, den Wagen zu sehen. (Herr
Lehrer Bosem.) |
264. Steinkunzendorf, Kreis Reichenbach. - In den Silberberg-
werken ist nichts gespürt. Im Uebrigen vgl. Nr. 202. (Herr Fuss-
sensdarm Steiner 11.)
265. Stolz, Kreis Frankenstein. Der Postagent hat die ca. 6—8“
andauernden Schwankungen sehr deutlich wahrgenommen. Richtung:
SSO—NNW. Eine der Kirchenglocken schlug an. (Kaiserl. Postamt
Frankenstein.) |
266. Strehlen. 9 Uhr 32 Min. wurde zu ebener Erde im Post-
. gebäude ein wellenförmiges Zittern von SW—NO von 3—4' Dauer be-
obachtet. Das untere Mauerwerk erzitterte. Ein Getöse, wie entfernt |
verhallender Donner begleitete das Beben. Später Gewitter. (Kaiserl.
Postamt.)
5
II. Abtheilung. Naturwissenschaftliche Section. 43
267. — 9 Uhr 29 Min. wurde ein langer Stoss als wellenförmiges
Schaukeln von SW—NO von 5—4‘' Dauer gespürt. Es war, als wäre
im unteren Stockwerk eine Mauer eingefallen, der Fussboden nachgäbe
und man das Gleichgewicht verloren. Ein donnerähnliches Rollen be-
gleitete die Erschülterung und folgte noch nach. Eine an der Wand be-
festigte Klingel bewegte sich von der Erschütterung und ertönte beim
Stoss. Schon am Tage vorher hatte sie einmal gezittert, ohne anzu-
schlagen. (Stations-Vorstand.)
268. — 9 Uhr 28 Min. spürte ich 5 Stösse, der erste war der
stärkste, der. 2. und 3. folgten schneller hintereinander und schwächten
sich nacheinander ab. Es waren Schläge von unten. Der erste dauerte
1”, die beiden anderen zusammen 1'/,. Richtung: S—N. Der Ein-
druck war beängstigend, so dass ich ins Freie eilte. Im Gebäude ver-
spürte ich summendes Klirren, im Freien wurde donnerähnliches Getöse
wahrgenommen, das den Erdstössen folgte.
Am 11. Juni 6 Uhr V. regnete es, nachdem der 10. Juni sehr
heiss gewesen war, dann greller Sonnenschein, drückende Schwüle mit
Gewitterwolken. (Herr Kaufmann Gärtner.)
269. — 9 Uhr 47'/, Min. Bahnzeit (?) spürte ich ein wellen-
förmiges Heben und Senken von SSO—NNW von 2—3’' Dauer, Ich
hatte dabei das Gefühl von Unsicherstehen. Ein unter einander grollen-
des Getöse, wie von mehreren entfernt fahrenden Lastwagen folgte un-
mittelbar und hielt etwa 1‘ an. Darauf folste kurzer entfernter Donner
ringsum von oben. Im 2. Stock war der Stoss so stark, dass
meine Frau unwillkürlich sich festhielt bezw. nach festem Halt griff, ein
Stehspiegel umfiel und eine verschlossene Thür 5 Mal in kurzen Tönen
ächzte. (Herr Säbisch.)
270. — 9 Uhr 31 Min. beobachtete ich im Freien ein wellen-
förmiges Zittern in S—N von 5° Dauer. Ich fühlte ein sehr un-
angenehmes Schwingen des Trommelfells.. Ruckweise polternder Donner
ging voran. Gläser klirrten. (Herr Apotheker Schneider.)
271. — Himmel bedeckt, windstill. Kurz vor 9 Uhr 30 Min.
hörte ich von S her einen dumpfrollenden Donner, der anschwoll und
dann nach N verhallte.e Ehe es noch ganz verhallt ist, spürte ich
zweimal ein wellenförmises Heben und Senken des Pflasters in den
Knieen. Es war, als ob ich in einem schwankenden Kahne stände. Die
Tauben kamen eilig aus ihren Schlägen heraus und umkreisten, als sei
ein Raubvogel unter sie gefahren, die Schläge 2—3 Mal. Geräusch und
Erschütterung war so, wie bei schwerem Geschützfeuer. — Geradezu
‚unheimlich ist es in der stark und fest gebauten Zuckerfabrik gewesen,
Die mehrere hundert Centner schweren Koch- und Verdampfapparate
schienen hin und her zu schwanken, die festen Tribünen, auf denen sie
stehen, bewegten sich, der Putz fiel von den Wänden, in denen die
44 Jahresbericht der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur.
Balken eingelagert sind, im Dache knirschte und kreischte es, die Rohre
klapperten. Die Leute bekamen den Eindruck, als wollte das Haus
zusammenstürzen und eilten in’s Freie. Der Steuerbeamte wäre fast
von seinem Stuhle, der sich unter ihm bewegte, herunter gefallen. In
der Schmiede fingen an der Wand lehnende Eisenstangen und Rohre an
zu klirren. Dauer etwa 3°. (Herr Vier, Director der Zuckerfabrik.)
272. — Fenster etc. klirren, Wände zittern, Uhrfedern erklangen.
In einer Klasse fiel ein Stoss Bücher vom Katheder. Vielfach ist Putz
von den: Decken gesprungen. Die Steinbrucharbeiter fühlten deutlich
das Gestein wanken. Die Erregung in der Stadt war gross. Richtung:
S—N. Dauer 5“. (Strehlener Ztg. Nr. 48.)
273. — Bilder und Vasen fielen in vielen Häusern zu Boden.
(Neisser Zig, vom 12. Juni.)
274. — Dauer 7, Schränke wackelten, Uhren blieben stehen.
(Hausfreund vom 15. Juni.)
275. — Richtung: S—N, Dauer 2‘. Ein unterirdisches Rollen
ging voran. Häuser in ihren Grundfesten erschüttert, leicht beweg-
liche Sachen fielen zu Boden. Die Leute eilten entsetzt auf die Strasse.
Aus dem Kreise kommt die Nachricht, dass mehrere alte Baulichkeiten
eingestürzt seien. (Landmann vom 14. Juni.)
276. Striegau, In einem Laden klirrten Flaschen, dazu ein ferner
Donner mit Erschütterung des Erdbodens. In einem anderen Hause
wankte ein Pult. (Herr Direetor Dr. Kroll.)
277. — Dumpfes, unterirdisches Geräusch, Fensterklirren, Wellen-
bewegung des Fussbodens in Folge zweier Stösse etc. Dauer 2“.
(Strehlener Ztg. Nr. 48.)
278. Striege, Kreis Strehlen. 9 Uhr 25 Min. wurde eine lang-
same Hebung und Senkung des Fussbodens nach einem Schlage von
unten in der Richtung S—N von 5° Dauer beobachtet. Fensterklirren.
Die Personen sprangen erschrocken auf. Ein dumpfes unterirdisches
Donnerrollen ging vorauf. Ebenso im Freien beobachtet. (Herr Lehrer
Rüffler.) io;
279. Striegendorf, Kreis Grottkau. (Neisser Ztg. vom 15. Juni.)
280. Tannhausen, Kreis Waldenburg. (Hausfreund vom 15. Juni.)
281. Tepliwoda, Kreis Münsterberg. 9 Uhr 27 Min. wurden
(im 1. und 2. Stock) 4—5 stossartige schaukelnde Bewegungen von
O—W wahrnehmbar. Dauer 4. Der Stuhl, auf dem ich sass, machte
eine schaukelnde Bewegung, verbunden mit fühlbaren Stössen von unten.
Die Zimmerdecken knisterten, Scheiben ete. klirrten, Schlagfedern der
Uhren tönten, Hängelampen pendelten. Die Erschütterung war er-
heblieh stärker, als wenn ein Dampfmotor etc. dicht am Hause vorbei-,
fährt. Ein dumpfes, donnerähnliches Geräusch, das von O kam, ging
voraus und verzog sich nach den Stössen nach W. Ein Bierglas fiel in
I. Abtheilung. Naturwissenschaftliche Section. 45
der Brauerei vom Gesims. Im Dorfe wurde der Kachelaufsatz eines
Ofens vom gemauerten Theil abgetrennt. Witterung schwül. (Herr
Güterinspeetor und Amtsvorsteher Kuhn.)
232. Tillowitz, Kreis Falkenberg. Mehrere Stösse in ganz kurzen
Zwischenräumen wurden gespürt. Die Bewegungen waren ein Heben
und Senken, sodass es mir vorkam, als bewegte sich ein Theil des Ge-
bäudes, wodurch ein schwerer Bücherschrank und ein Sopha schaukelten
und eine Thür langsam zurückging. Gleichzeitig vernahm ich ein
Dröhnen. (Herr Heisig, Diener.)
283. Troppau, Oesterr.-Schlesien. (Schlesische Ztg.)
284. Waldenburg. 9 Uhr 34‘), Min. (= 9 Uhr 28'/, Min bis
9 Uhr 29), Min. Telegraphenzeit) wurde in der Porzellanfabrik ein
wellenförmiges Zittern von S—N beobachtet. Dauer 2—3”. Zittern
der Arbeitstische und Klappern der Geschirre. Die Porzellanmaler
mussten ihre Arbeit einstellen. Ein dumpfes, donnerähnliches Rollen
begleitete das Beben und folgte nach. (Kaiserl. Postamt.)
2855. — 9 Uhr 28 Min. 35 Sec. M.E.Z, spürte ich einen rollen-
den Stoss von S—N. Das Fenster klirrte leise. Dauer 3—4“, (Herr
Kaufmann Bock.)
286. Wansen, Kreis Ohlau. Ein wellenförmiges Zittern von
SW—NO wurde gespürt. Dauer 1—3”. Ein dumpfes unterirdisches
Geräusch, dem Rollen eines schweren Lastwagens vergleichbar, ertönte
dazu. (Kaiserl. Postamt.)
287. — Gegen 10 Uhr hörte man ein dumpfes, unterirdisches
Rollen von 2° Dauer. Gleichzeitig erzitterten die Häuser. Fenster
klirrten. Bewegliche Gegenstände wackelten. Erschreckt eilten die
Leute aus den Häusern. (Breslauer Ztg.)
283. Warmbrunn, Kreis Hirschberg. (Schlesische Ztg.)
289. Warkotsch, Kreis Strehlen. Es wurde ein heftiger Schlag
von oben in der Richtung S—N verspürt und prasselte es darauf, als wenn
Mauerwerk in sich zusammenfiele. Dauer wenige Secunden. Auf-
geschüttete Coakes fielen zusammen; eine englische Drehrolle schien sich
zu schieben. Der Gärtner, Wein am Spalier anbindend, fiel fast herunter.
(Frau von Schiekfus.) |
290. Wartha, Kreis Frankenstein. Gegen 9 Uhr 30 Min, wurde‘
ein Erdstoss, verbunden mit dumpfem Rollen, beobachtet. Dauer 3—4',
Das Rollen glich dem Donner eines entfernten Eisenbahnzuges oder
eines Gebirgsgewitters. Die Erschütterung ist besonders in den oberen
Stockwerken gespürt. Später Gewitter. (Kaiser. Postamt.)
291. — Glassachen klirrten, Schränke schwankten. (Gebirgs-
bote, Glatz, vom 14. Juni.)
292. ei selndort; Kreis Reichenbach, lobersenksischet Anzeiger,
Ratibor vom 13, Juni),
Ah Jahresbericht der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur.
293. Weigwitz, Kreis Ohlau. Es wurde nur ein donnerähn-
liches Rollen vernommen. (Herr Bahnhofsgastwirth Hildebrand aus
Rothsürben.)
294. Weisswasser, Oesterr. - Schlesien. (Herr Bogen in Mai-
fritzdorf.)
295. Dom. Wierischau, Kreis Schweidnitz. 9 Uhr 28 Min.
spürte ich ein wellenförmiges Zittern von S—N. Dauer 3—5”. Die
Möbel zitterten. Ein unterirdisches Donnern begleitete das Beben.
(Herr Gutspächter Zschiesche.)
296. Wiesenthal, Kreis Strehlen. Die Uhren blieben beim Uhr-
macher stehen. (Herr Dr. Peucker.)
297. Woisselsdorf, Kreis Grottkau. (Hausfreund vom 15. Juni.)
298. Wölfelsgrund, Kreis Habelschwerdt. (Hausfreund vom
15. Juni.)
299. Wolmsdorf, Kreis Habelschwerdt. Ein Theil der Tropf-
steinhöhlen soll verschüttet sein. (Frau Rittergutspächterin Speer.)
300. Wüstegiersdorf, Kreis Waldenburg. Gegen 9’, Uhr
wurde ein Stoss von W—O von 3” Dauer gespürt, der im oberen
Stock als kurzer Seitenruck erschien, im unteren als Stoss von unten.
Ein Knall ging voran. (Kaiser). Postamt auf Grund des Berichtes des
Herrn Vikar Knappe.)
801. Wüstewaltersdorf, Kreis Waldenburg. 9 Uhr 29 Min.
wurde ein wellenförmiges Zittern von N—S von 2—3' Dauer gespürt.
In einigen Häusern fiel Putz von der Decke. Ein dumpfes Rollen be-
gann vorher. Später starkes Gewitter. (Kaiserl. Postamt.)
302. — 9 Uhr 26 Min. wurde ein wellenförmiges Zittern von
S—N von 2—3‘ Dauer gespürt. Gläser klirren, hängende Gegenstände
schwanken. Perpendikel stehender Uhren geriethen in Schwankung.
Ein dumpfes Rollen, ähnlich dem Geräusch eines schnell fahrenden Last-
wagens, wahr zugleich hörbar. Später ziemlich schweres Gewitter
(Kaiserl. Postamt Waldenburg.) Ha
303. — Möbel schwankten hin und her, die Gewichte der Thurm-
uhr schlugen zusammen. Leute eilten bestürzt aus den Häusern. (Haus-
freund vom 15. Juni.)
304. Zadel, Kreis Frankenstein. (Stations-Vorstand.)
305. Zaunitz, Kreis Grottkau. (Breslauer General-Anzeiger.)
306. Zesselwitz, Kreis Münsterberg. Gegen 9'/, Uhr vernahm
ich ein Rollen, gleich dem eines schwer beladenen Wagens in schneller
Gangart. Eine Nätherin wurde auf ihrem Stuhl in schwankende Be-
wegung versetzt; Gläser, Scheiben etc. klirrten. Richtung O—W,
Dauer 2—3“. In Folge des Stosses ist seit Mittwoch Mittag (12. Juni e.),
ein 60° tiefer Brunnen leer und enthält nur noch ein wenig Schmutz-
wasser. (Herr Guts-Verwalter Fellmann.)
II. Abtheilung. Naturwissenschaftliche Section. 47
(NB. Dasselbe berichtet Herr Dr. Peucker, sowie dass das Wasser
nach einigen Tagen sich wiederfand.)
307. Zindel, Kreis Brieg. Scheiben klirren. (Herr Pastor
Löschke.)
308. Zobten, Kreis Schweidnitz. 9 Uhr 30 Min. (— Telegraphen-
zeit Breslau) wurde ein Stoss, dem ein deutlich hörbares, donnerähn-
liches unterirdisches Rollen folgte, in der Riehtung SW—-NO von 5—6”
Dauer gespürt. Fensterklirren. (Kaiserl. Postamt.)
3809. Zülzlost, Kreis Grottkau. (Herr Redacteur Neugebauer in
Grottkau.)
Nachtras.
Nachträglich gingen uns noch durch die Güte des Kgl. Regierungs-
präsidenten Herrn Dr, von Heydebrand und der Lasa die folgenden
Berichte der Herren Landräthe zu.
Dieselben konnten leider nur noch ihrem wesentlichsten Inhalte nach
wiedergegeben werden,
Ortschaften, von denen schon Berichte vorlagen, sind mit einem *
bezeichnet.
Kreis Strehlen!) und Reichenbach. (Kgl. Landrathsamt.)
310. Arnsdorf. 9 Uhr 15 Min. Gleichzeitig mit dem Stoss er-
tönte knatternder Donner. Dauer 1!/,“. Eine Klingel schlug heftig an.
(Guts-Vorstand.)
311. Bärzdorf. 9 Uhr 30 Min. Dauer 1‘. Erschütterung und
Geräusch gleichzeitig. Nach Meldung aus Plohmühle (Nr. 379) fiel im
Schulzimmer Kalk von der Decke. (Gemeinde-Vorstand.)
312. Birkkretscham. 9 Uhr 35 Min. Richtung SW-—NO.
Dauer 2'/,”. (Gemeinde-Vorstand.)
313. Campen. Vor 9 Uhr 30 Min. Richtung S—N. Dauer 2‘,
Geräusch folgte nach. (Gemeinde-Vorstand.)
814. Creutzburg. (Guts-Vorstand.)
*315. Crummendorf. (Gemeinde-Vorstand.)
"316. — 9 Uhr 30 Min. Richtung S—N. Dauer 3“. Ein bedeu-
tendes Stück Putz fiel von der Treppenwand ab. Geräusch begann vor
der Erschütterung und folgte noch nach. (Guts-Vorstand.)
317. Dätzdorf. 9 Uhr 30 Min. Richtung NW—S0O. Dauer
1— 2”. Geräusch ging voran. (Gemeinde-Vorstand.)
318. Danchwitz. Richtung O—W. Dauer °/,‘ Ein °®/,‘ an-
haltendes, starkes, dumpfes Heulen folgte nach. (Guts-Vorstand.)
319. — (Gemeinde-Vorstand.)
) Wo nicht anders angegeben, liegen die Orte im Kreise Strehlen.
As: Jahresbericht der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur.
320, Deutsch-Jägel. 9 Uhr 30 Min. Richtung W—0O. Dauer
ein paar “. Beben und Rasseln gleichzeitig. (Gemeinde-Vorstand.)
321. — 9 Uhr. Richtung W-—-O. Dauer einige “. Schaukeln
und Donner gleichzeitig. (Guts-Vorstand.)
322. Deutsch-Tsehammendorf. 9 Uhr 30 Min. Richtung S—N.
Dauer einige “. Ein rollendes Getöse ging voran. Einige verspürten
ein unheimliches Gefühl. (Gemeinde-Vorstand.)
”323. Dobergast. 9 Uhr 30 Min. 2 lange Stösse mit wellen-
förmigem Zittern. Dauer 2—3”. Richtung S—N. Geräusch folgte.
Tauben flogen erschreckt vom Schlage auf; der Stubenhund sing unruhig
umher. (Guts- und Gemeinde-Vorstand.)
324. Eisenberg. Richtung S—N. (Guts-Vorstand.)
325. — (Gemeinde-Vorstand.)
326. Friedersdorf. 9 Uhr 33 Min. Richtung S—N. Dauer
einen Augenblick. Bruchsteinwände bekamen Risse, Putz fiel von den
Wänden. Ofen wankte bedenklich. Wasserkannen stürzten zur Erde.
Vor dem Schaukeln hörte man ein Donnerrollen. (Orts-Vorstand.)
327. Gambitz. 9 Uhr 30 Min. Richtung S—N oder N—S. Dauer
5‘. Mehrere Kalkstücke fielen vom Dach. Dem wellenförmigen Schaukeln
und Heben ging Donner voran. (Gemeinde-Vorstand.)
328. Geppersdorf. Eine Frau eilte erschrocken ins Freie. (Guts-
Vorstand.)
329. — (Gemeinde-Vorstand.)
3350. Glambach. (Gemeinde-Vorstand.)
331. — (Guts- Vorstand.)
332. Grossburg. 9Uhr 50Min. Ein Rasseln folgte. (Guts-Vorstand.)
333. — (Gemeinde-Vorstand.)
334. Gurtsch. 9 Uhr 25 Min. Starker Ruck in S—N. Dauer 1".
Kleine Kalkstücke fielen vom Dache des Schulhauses. Sitzenden Personen
war es, als ob ihnen der Stuhl mit Gewalt weggezogen würde. Ein
ee Rollen ging voraus und begleitete den Stoss. (Gemeinde-
Vorstand.)
335. Habendorf. 9 Uhr 30 Min. Richtung S—N. Dauer 2“.
Flachwerkstücke fielen von den Dächern, Putz von den Wänden. Der
Stoss war besonders stark da, wo unten Wasseradern etc. sich befinden.
Das Gras erzitterte. Ein unterirdisches Donnern ging voran. (Orts-
Vorstand.)
#336, Hussinetz. 9 Uhr 30 Min. Richtung S—N. Dauer 3—4.
Ein Knall, dem anhaltendes, starkes, gleiehmässiges Rollen folgte, folgte
nach. (Gemeinde-Vorstand.)
337. Jäschkittel. (Herr Lehrer Steinert.)
338. Karisch. 9 Uhr 20 Min. Richtung SO—NW. Dauer au.
Rollen ging voran. (Gemeinde-Vorsteher.)
a
H. Abtheilung. Naturwissenschaftliche Section. 49
339. — Gleichlautend, nur: Dauer 3. (Guts-Vorstand.)
340. Katschwitz. (Guts-Vorstand Siebenhufen.)
341. Krain. (Guts-Vorstand.)
342. Krippitz. Richtung N—S. Dauer einige “. Ein Geräusch,
als ob ein Wagen über eine Brücke fährt, folgte. (Gemeinde- Vorstand.)
343. — 9 Uhr 15—30 Min. Richtung S—N. Dauer einige ”.
Klingeln schlugen an. Gleichzeitig ein Geräusch, als ob ein Wagen schnell
über eine Brücke fährt. (Guts-Vorstand,)
344. Klein-Güttmannsdorf, Kreis Reichenbach. Starke Er-
schütternng. (Herr Kreisschulinspector Tamm, Vorsitzender des Eulen-
gebirgsvereins.) |
345, Klein-Lauden. 9 Uhr 20 Min. Seitenruck von S—N.
Dauer 5“. Ein dumpfes, unterirdisches Rollen begleitete den Stoss.
(Gemeinde-Vorstand.)
346. Kunsdorf, Kreis Nimptsch. Eingeschichtetes Holz fiel ein,
so dass der Wächter aus dem Holzstall retirirte. (Herr Bäckermeister
Richter aus Diersdorf.) |
347. Kuschlau. 9 Uhr 15 Min. Seitlicher Stoss von W—O
Dauer 1—2'. Eine dumpfe Detonation war gleichzeitig. Aus einem
Schlage kamen die Tauben in Menge eiligst heraus. (Gemeinde-Vorstand.)
348. Lorenzberg. 9 Uhr 30 Min. Richtung S—N. Dauer 4“,
Ein donnerähnliches Geräusch ging voran. (Gemeinde- u. Guts-Vorstand.)
349. Louisdorf. Richtung SW—-NO, von Rollen begleitet. Von
einem Dache bröckelte Kalk ab. (Gemeinde-Vorstand.)
350. — -9 Uhr 30 Min. Richtung S—N. Ein Rollen ging dem
Krach voran. (Guts-Vorstand.)
*351. Markt-Bohrau. 9 Uhr 30 Min. 5—7 Stösse. in NO—SW
von 3—4‘' Dauer. (Gemeinde-Vorstand.)
352. Mehltheuer. 9 Uhr 15 Min. Schwanken in NW—SO.
Dauer 2“. Krachen im Dach. Gleichzeitig ein Donner. (Guts-Vorstand.)
353. Mittel-Schreibendorf. Ein paar Min. nach 9 Uhr. Rich-
tung W—0O. Dauer 4“. Ein komisches Getöse, ähnlich entferntem
Donner, wurde verspürt. (Gemeinde-Vorstand.)
354. — (Guts-Vorstand.)
355. Mückendorf. 9 Uhr 30 Min. Richtung SO—NW. Dauer 3”.
(Gemeinde-Vorstand.)
356. — ca. 9 Uhr. Etwas Putz fiel von den Wänden. (Guts-
Vorstand.)
*357. Nielasdorf. Vor 9 Uhr 30 Min. Kurzer Seitenruck, dem
ein Rasseln vorausging. Der Ofen schwankte. (Guts-Vorstand.)
358. — Dauer 1’. (Gemeinde-Vorstand.)
359. — Dauer 1‘. Richtung SO—NW,. (Guts-Vorstand.)
189. 4
IF
50 Jahresbericht der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur.
360. Nieder-Arnsdorf. 9 Uhr 30 Min. Richtung W—O. Dauer
2“ (ohne Geräusch). Ein donnerähnliches Getöse ging voran. (Gemeinde-
Vorstand.)
361. Nieder-Rosen. (Gemeinde-Vorstand.)
362. Nieder-Schreibendorf. 9 Uhr. Richtung W—O. (Ge-
meinde-Vorstand.)
363. — 9 Uhr 15 Min. Dauer 5‘. (Guts-Vorstand.)
364. Ober-Arnsdorf. 9 Uhr 30 Min. Heftiger Schlag von O—W.
Dauer ein kleiner Augenblick. Ein Rollen ging voran. (Gemeinde-
Vorstand.)
365. Ober-Ecke. 9 Uhr 28 Min. 2 Stösse von S—N, Dauer 4°,
Geräusch fing vorher an und folgte noch nach. (Gemeinde-Vorstand.)
*366. Ober-Peilau, Kreis Reichenbach. Vom Schulhaus fiel Putz
ab. (Herr Kreisschulinspector Tamm in Reichenbach.)
#367. Ober-Rosen. 9 Uhr 30 Min. Seitenruck von SW—-NO,
dem ein dumpfer Donner folgte. (Guts-Vorstand.)
368. — (Gemeinde-Vorstand.)
369. Ober-Schreibendorf£e Richtung W-—-O. (Gemeinde-
Vorstand.)
370. — Dauer 2. (Guts-Vorstand.)
*371. Olbendorf. 9 Uhr 30 Min. Wellenförmiges Zittern mit
kurzem, erschütterndem Seitenruck. Richtung SO—NW. Dauer 2—3‘.
Flachwerke sind von den Dächern und Putz von den Wänden gefallen.
Ein Rasseln mit donnerähnlichem Ruck. (Gemeinde- und Guts-Vorstand.)
372. Ottwitz. Etwa 9 Uhr 25 Min. Von dumpfem Getöse be-
gleitet. (Guts-Vorstand.)
373. — (Gemeinde-Vorstand.)
*374. Pentsch. 3 Stösse mit fast je 1” Zwischenraum, Ein
wellenförmiges Heben ‘von SW—NO. Dauer zusammen 2—3”. Ein
hohles Rollen ging voran. (Gemeinde-Vorstand.)
375. Peterwitz. Dauer 1’. (Gemeinde-Vorstand.)
376. Petrigau. 9 Uhr 35 Min. Richtung S—N. Dauer 2—3“.
Donnerähnliches Rollen ging voran. (Gemeinde-Vorstand.)
377. — 9 Uhr 30 Min. Schaukeln mit wellenförmisem Zittern
von S—N. Dauer ein paar “. Gleichzeitig ein Windstoss, wie bei
bei einem beginnenden Gewitter. (Guts-Vorstand.)
378. Plohe. 2 Stösse von S—N. Dauer 2—3'. Das Geräusch
folgte. (Gemeinde-Vorstand.)
379. Plohmühle, Schaukeln von SW—NO. Dauer 3“. Ich
hörte ein Donnerrollen in grosser Entfernung. Das Rollen kam rasch
näher, ich merkte aber bald, dass es kein Gewitterdonner sein konnte.
Dazu war es von viel zu grosser Gleichartigkeit, besonders in der
Ze
Il. Abtheilung. Naturwissenschaftliche Section. 51
Stärke und Richtung. Es wollte mir auch nicht ganz klar werden, ob
das Geräusch aus dem Innern der Erde kam, eben so wenig schien es
mir aber auch in höherer Luftschicht zu sein. Dazu spürte ich ein merk-
würdiges Gefühl, fast wie Uebelkeit. (Guts-Vorstand.)
380. — Dauer 1‘. (Guts-Vorstand.)
381. Podiebrad. 9 Uhr 30 Min. Kurzer Seitenruck von SO—NW.
Dauer 2“ Ein donnerähnliches Geräusch vor und nach der Erschütte-
rung. Stehende, zum Schwindel neigende Personen bekamen einen kleinen
Schwindelanfall. (Gemeinde-Vorstände von Ober-, Mittel-, Nieder-Podie-
brad und Mehltheuer.)
382, Pogarth. 9 Uhr 30 Min. Richtung S—N. Dauer einige
Secunden. Dachziegel und Wandmörtel fielen herab, Wände bekamen
Risse. Donnerartiges Rollen ging voran. (Guts- und Gemeinde-Vor-
stand.)
383. Polnisch-Jägel.e Nach 9 Uhr 15 Min. Schaukeln von
W-—0. Dauer 2—3‘. Ein donnerähnliches Geräusch ging voran. (Ge-
meinde-Vorstand.)
384. Polnisch - Tsechammendorf. 9 Uhr 25 Min. Richtung
SW—NO. Dauer 3‘. Donnerartiges Rollen folgte nach. (Gemeinde-
Vorstand.)
885. — 9 Uhr 30 Min. Dauer !/,‘. (Guts-Vorstand,)
*386. Prieborn. 9 Uhr 30 Min. Richtung NW—SO. Dauer 2“.
Rasseln ging voran. (Gemeinde-Vorstand.)
387. — 9 Uhr 34 Min. Richtung S—N. Dauer 2—3‘. Voll-
ständiges Schwanken aller Gegenstände, leichtere fielen sogar um.
Donnerähnliches Rollen unmittelbar vor dem Stosse. (Guts-Vorstand.)
#388. Riegersdorf. 9 Uhr 45 Min. Dauer 9—12‘. Uhren
blieben stehen. (Orts-Vorstand.) |
389. Ruppersdorf. 9 Uhr 25-—30 Min. Richtung N—S. Dauer
3—4'. Das Geräusch war ein Knall. (Gemeinde-Vorstand.)
390. — (Guts-Vorstand.)
391. Saegen. 9 Uhr 30 Min. Richtung SO—NW. Dauer 5%.
Ein rollendes Geräusch ging voran. (Gemeinde-Vorstand.)
392. Sehönbrunn. 9 Uhr 30 Min. Es war zuerst ein Stoss von
unten, der mich etwas in die Höhe hob, darauf ein starkes, sichtliches
Zittern der Erde, dass ich mich unwillkürlich an die Erde hielt. Der
Stoss dauerte doppelt so lange, wie 1, 2; das Zittern von 3—6. Das
Ganze also so lange, wie man gewöhnlich von 1—6 zählt. Ein donner-
ähnliches Rollen war vor dem Stoss zu hören und dauerte länger als der
Stoss selbst. Ende der achtziger Jahre war schon ein Erdbeben, damals
mehr wellenförmig und nicht so stark und in N—S-Richtung. (Ge-
meinde-Vorstand.)
A®
Jahresbericht der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur.
[577
on
393. Schweinbraten. 9 Uhr 26 Min. Wellenförmiges Rollen
von N—S. Dauer 3—5°. (Gemeinde-Vorstand.)
394. Siebenhufen. 9 Uhr 30 Min. Richtung W—0O. Dauer 8“,
Geräusch folgte. (Guts-Vorstand.)
395. Steinkirche. 9Uhr 15—30 Min. Schaukelnde Bewegung von
SO—NW. Dauer 2—3‘. Geräusch gleichzeitig. (Gemeinde-Vorstand.)
396. Stosehendorf, Kreis Reichenbach. (Herr Kreisschulinspeetor
Tamm aus Reichenbach.)
*397. Strehlen. Zwei kurze Stösse, zuerst ein Gerassel mit einem
stärkeren Stoss am Schluss und kurz darauf ein schwächerer Erdstoss.
Es war ein Schlag von unten. Richtung S—N. Dauer wenige Secunden.
Von einer meterhohen Schicht gefüllter Cigarrenkisten fielen die oberen
drei nach N. zu herab. Im Schulhaus II sind Risse an den Decken
entstanden. Thüren sprangen auf. (Masgistrat.)
#398. Striege. 9 Uhr 25 Min. Richtung S—N. Dauer 5“. Ein
unterirdischer Donner ging voran. (Gemeinde-Vorstand.)
399. Töppendorf. 9 Uhr 30 Min. Drei bogenartige Seitenrucke
von SO—NW. Dauer 4”. Eine Hobelbank wurde 3 Zoll (= 7,5 em)
von der Wand weggerückt. Ein Rollen, Rasseln ging voran. Ein
kleiner Windstoss. Tauben flogen aus dem Schlag, eine Ziege im Stalle
losgerissen und kam in den Hof hinausgesprungen. (Gemeinde - Vor-
stand.)
400. Tschanschwitz. 9 Uhr 15—30 Min. Richtung S—N.
Dauer 3—4. Beim Stellenbesitzer Werner ist der Schornstein ein-
gefallen. Ein dumpfes Rollen, als ob ein Wagen über eine Brücke fährt,
folgte. (Gemeinde-Vorstand.)
401. — 9 Uhr 30 Min, Richtung S—N. Dauer einige Secunden.
Geräusch und Erschüttierung gleichzeitig. (Guts-Vorstand.)
402. Türpitz. 9 Uhr 28 Min. Postzeit.e. Richtung SW-—-NO,
Dauer 5“. Wanduhren blieben stehen. Ein unterirdisches Donner-
rollen ging voran. (Gemeinde-Vorstand.)
403. Türpitz-Wilme. (Guts-Vorstand.)
404. Unter-Schreibendorf. Schwankung von O—W. (Ge-
meinde-Vorstand.)
405. Wammelwitz. 9 Uhr 30 Min. Schaukeln. (Gemeinde-
Vorstand.)
406. Wammen. (Gemeinde-Vorstand.)
#407. Warkotsch. Schaukeln. Dauer wenige Secunden. Ge-
räuseh ging voraus. (Guts-Vorstand.)
408. — 9 Uhr 30 Min. Dauer höchstens 1‘. Erdstoss mit unter-
irdischem Getöse verbunden, (Guts-Vorstand.)
409. — (Gemeinde-Vorstand.)
II. Abtheilung. Naturwissenschaftliche Section. 53
Kreis Nimptsch (Kgl. Landrathsamt).
410. Dürr-Brokuth. Richtung SO—NW. Gleichzeitig ein Rasseln.
(Guts-Vorstand.)
411. — Dauer 1’. Verschiedene Gegenstände Den sich.
(Orts-Vorstand.)
412. Nass-Brokuth. Richtung SW—NO. Dauer 3. Leichtere
Gegenstände bewegen sich, Donner voran. Schwüle. (Orts-Vorstand,)
*413. Diersdorf. Getöse, als wenn ein Wagen über eine Brücke
fährt. (Orts-Vorstand.)
414. Klein-Ellguth. Richtung S—N. Nur ein Rasseln, keine
Schwankung. (Orts-Vorstand.)
415. Gaumitz. Dauer 3“. Gleichzeitig Donnerrollen. (Guts-
Vorstand.)
416, — Rollen folgte. (Orts-Vorstand.)
*417. Gollschau cfr. No. 63. Beamtenwohnung und Pferdestall
mussten nach dem Urtheil Sachverständiger sofort geräumt werden. Das
Gewölbe des Pferdestalles steht auf 4 gemauerten Pfeilern. Darüber ist
die Beamtenwohnung. Die hintersten 2 Pfeiler sind fast vollständig
geknickt und daher hat die ganze Wohnung Risse und kolossale Sprünge
bekommen. Das Gewölbe muss abgetragen und neu gewölbt und die
ganze Wohnung neu hergerichtet werden. (Guts-Vorstand.)
418. — Richtung S—N. Dauer 3”. Gleichzeitig grollender
Donner. (Orts-Vorstand.)
419. Gorkau. Dauer 3—4”, Fussboden zittert, Fenster klirren.
(Guts-Vorstand.)
420. — Dauer 4—5”. Richtung S—N. Gleichzeitig donnerähn-
liches Rollen. Fensterklirren. (Orts-Vorstand.)
421. Grögersdorf. Dauer 2“ Richtung SW—NO. Donner
eher und gleichzeitig. Gläser :klirren und zittern. (Orts-Vorstand.)
422. Grunau, (Orts-Vorstand Naselwitz.)
425. Dürr-Hartau. Donnerartiges Rollen von unten und wellen-
förmiges Zittern von SW-—NO. Dauer 2-—-3.. Gläser klirren und
zittern. Donner eher und gleichzeitig. (Orts-Vorstand.)
#424. Heidersdorf. Richtung S—N. Dauer 5“. Geräusch ging
vor. (Guts- und Orts-Vorstand.)
425. Jakobsdorf. Richtung SW—NO. Dauer 3—4“, Ein
Rasseln, dann ein kurzer Knall ging dem wellenförmigen Zittern voran.
(Guts- und Orts-Vorstand.)
426. Klein-Jeseritz. Ein Stoss von 1” Dauer, dem ein Rollen
voranging. (Orts-Vorstand.)
427. Kiein-Johnsdorf. Schwaches Zittern. Richtung N—S.
Dauer 2--3”. (Guts-Vorstand.) |
Sa. Jahresbericht der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur.
428. — Wellenförmiges Zittern von SW-—-NO. Dauer 3—4°
Gleichzeitig ein donnerähnliches Rollen. (Orts-Vorstand.)
429. Kaltenhaus. 1 Stoss von SW—NO. Dauer 5—6“. Gleich-
zeitig ein unterirdisches, dumpfes Getöse. (Orts-Vorstand.)
430. Karlsdorf. Schwach. (Guts- und Orts-Vorstand.)
431. Karschau. Richtung S—N. Dauer 4—5”. Gleichzeitig
donnerähnliches Rollen. (Orts-Vorstand.)
432. Gross-Kniegnitz. Eine schaukelnde Bewegung von W—O.
Dauer einige Augenblicke. Ein Donner ging voran. (Orts-Vorstand.)
433. Kosemitz. 2—3 Schläge von unten mit Schaukeln und
Zittern. Richtung O—W. Dauer 5‘ bis 1‘. Gleichzeitig donnerartiges
Getöse. (Guts-Vorstand.)
434. — 3 Stösse von O—W. (Orts-Vorstand.)
435. Kuhnau. (Orts-Vorstand Naselwitz.)
*436. Kunsdorf. 1 Stoss von unten in SO—NW - Richtung.
Dauer 5. Gleichzeitig ein Donner. (Guts-Vorstand.)
437. — Geräusch war, als ob ein Wagen über eine Brücke fährt.
(Orts-Vorstand.)
438. Kurtwitz. Richtung W—O. Dauer 4—5”. Unterirdisches
Rollen folgt. (Guts- und Orts-Vorstand.)
*439. Langenöls. Mehrere Stösse von SW—NO. Dauer einige
Secunden. Donnerähnliches Rollen gleichzeitig. (Orts-Vorstand.)
440. Leipitz - Sadewitz,. 9 Uhr 25 Min. Richtung O—W.
Dauer '/,‘. Donnerartiges Rollen gleichzeitig. (Guts-Vorstand.)
441. Leipitz. 9 Uhr 25 Min. 1 Schlag von unten in Gebäuden, im
Freien mehr als wellenförmiges Zittern gespürt. Richtung W—0O. Dauer
1— 2”. Leichte Gegenstände fallen um, Bilder etc. fallen von der Wand.
Vorher ein donnerartiges Rollen. (Orts-Vorstand.)
442. Mallschau. Richtung S—N. Dauer 3—4. Gleichzeitig
donnerartiges Rollen, (Guts-Vorstand.) |
443. — Richtung SW—NO. Dauer 3—5”. (Orts-Vorstand.)
444, Mlietsch. Ein wellenförmiges Rollen von W—O. Dauer 2“.
Geräusch und Erschütterung gleichzeitig. (Orts-Vorstand.)
445. Naselwitz. Zittern von einigen Secunden Dauer. (Orts-
Vorstand.) |
446, Roth-Neudorf. Wände wankten. (Guts-Vorstand.)
447. — 1 Schlag von unten (in Gebäuden) und wellenförmiges
Zittern (im Freien) von W—O. Dauer 1—2“. Bilder, Spiegel ete. fielen
von der Wand, leichtere Gegenstände fielen um. Voran ging ein donner-
artiges Rollen. (Orts-Vorstand.)
448, Pangel, Eine wellenförmige Bewegung, der ein Rollen
folgte, (Guts-Vorstand.)
II. Abtheilung. Naturwissenschaftliche Section. 55
449. Ober-Panthenau. Nur ein lang anhaltendes, donnerartiges
Getöse von SO—NW gehört. (Guts-Vorstand.)
450. — Ein Stoss. Richtung O—W. Dauer 2—3”. Donner
ging voran. (Orts-Vorstand.)
451. Petersdorf. Richtung W—O. Dauer 1'/,“. Donner gleich-
zeitig. (Guts-Vorstand.)
452. — Dasselbe berichtet der Orts-Vorstand.
453. Petrikau. Ein rollendes Geräusch folgte dem wellenförmigen
Zittern. (Guts- und Orts-Vorstand.)
454, Plottnitz. (Orts-Vorstand Silbitz.)
455. Poppelwitz. Richtung S—N. Dauer 4—5, Gleichzeitig
Donner. (Orts-Vorstand.)
456. Poseritz. Stärkere Erschütterung von SW—NO, Donner Du
(Guts- und Orts-Vorstand.)
#457. Prauss. Mehrere, schnell aufeinander tolkende wellen-
förmige Erzitterungen von 3—4’ Dauer, denen ein Donner folgte. Putz
fiel von den Wänden, Sprünge zeigten sich in denselben, (Amts-Vor-
steher.)
458. — Richtung S—N. Dauer 4—5”, (Orts-Vorstand.)
459. Pristram, Rasseln von S—N. (Guts-Vorstand.)
460. — Richtung WSW-—-ONO. (Orts-Vorstand.)
461. Pudigau. Richtung SW—-NO. Dauer 4—5”, Donner vor
und gleichzeitig. (Orts-Vorstand.)
462. Quanzendorf. Starkes Rumpeln von 10‘ Dauer, begleitet
von Donner. (Guts-Vorstand.)
463. — 3 Schläge von unten mit je '/),‘ Zwischenraum, die mich
förmlich in die Höhe hoben, dann wellenförmiges Zittern. Richtung Sl,
Dauer 2”, Vorher Donner. (Orts-Vorstand.)
464, Ranchwitz. Richtung S—N. Dauer 5—5‘. Gleichzeitig
donnerähnliches Rollen. (Guts-Vorstand.)
465. — Richtung SW—-NO, sonst gleichlautend. (Orts-Vorstand.
#466. Reichau. 3 Stösse von N—$S von 3° Dauer. Vorher
donnerähnliches Rollen. (Guts- und Orts-Vorstand.)
467. Rothschloss. Richtung SO—NW. Dauer 4—6”. Schränke
schwanken, Vorher donnerartiges Rollen. Gleichzeitig ein Wirbelwind.
(Guts-Vorstand.)
468. — Schlag von unten. Dauer 2—3‘. Donner gleichzeitig,
(Orts-Vorstand.)
469. Rudelsdorf. Richtung W—O. Dauer 2—2'),‘. Geräusch
und Erschütterung gleichzeitig. Gegenstände schaukeln. (Guts-Vorstand.)
470, — Dauer 2“, sonst gleich. (Orts-Vorstand.)
1 Se Jahresbericht der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur.
471. Ruschkowitz. Richtung SSW—NNO. Dauer 5“. Rasseln
gleichzeitig und nach, an Stärke erst zu-, dann wieder abnehmend. (Guts-
Vorstand.)
472. — Richtung S—N. Dauer 6. Rasseln gleichzeitig. (Orts-
Vorstand.)
473. Sadewitz. 9 Uhr 25 Min. Ein Schlag von unten und
wellenförmiges Zittern. Richtung W—O. Dauer 2“. Donnerartiges
Rollen ging voran. Leichte Gegenstände fallen um, Bilder ete. von der
Wand herab. (Orts-Vorstand.)
474. Senitz. Richtung S—-N. Dauer 5“. Bewegung hängender
Gegenstände. Donnerndes Geräusch voran. (Orts-Vorstand.)
475. Siegroth. Richtung SW—NO. Dauer 3—4‘. Hängende
Gegenstände bewegen sich. Gleichzeitig ein Rasseln. (Guts-Vorstand.)
476. Schmitzdorf. (Orts-Vorstand Silbitz.)
477. — Richtung SW—NO. Dauer 3—4“. Zusammenfallen von
Holz- und Steinhaufen. Gleichzeitig ein Rasseln, darauf kurzer Knall.
(Orts-Vorstand.)
478. Silbitz. Starker Schlag von unten. Richtung S—N. Dauer 1.
Dumpfer Donner folgt. (Orts-Vorstand.)
*479. Stachau. Schlag von unten (in Gebäuden), wellenförmiges
Zittern (im Freien). Richtung W—O. Dauer 1—2‘. Bilder etc. falien
von der Wand, leichtere Gegenstände stürzen um. Donnerartiges Rollen
vorher. (Orts-Vorstand.)
*480. Stein. (Guts-Vorstand.)
*481. — (Orts-Vorstand.)
482. Strachau. (Orts-Vorstand Naselwitz.)
483. Thomitz. Schaukeln SW—NO. Geräusch gleichzeitig.
(Orts -Vorstand.)
484. Tiefensee. 2 oder 3 Stösse. Dauer '/,‘. (Guts-Vorstand.)
485. — Nur ein Stoss. Richtung SW—NO. Alles zitterte und
klirrte. Geräusch gleichzeitig. (Orts-Vorstand)
486. Gross-Tinz. Dauer 2—3“. Richtung O—W. Gefässe
klirrten. (Orts-Vorstand.)
487. Trebnig. Ein wellenförmiges Zittern. Richtung W—0O.
Dauer ca. 2. Aufgehängte Gegenstände ie sich. Geräusch
gleichzeitig. (Guts-Vorstand.)
488. — Richtung W—O. Dauer 1—1!/,*. (Orts org
489. Vogelgesang. (Guts-Vorstand.)
490. — (Orts-Vorstand.)
491. Wättrisch. Schaukelnde Bewegung. Richtung W--0.
Dauer ca. 2“. Leichte Gegenstände schaukelten. Geräusch gleichzeitig. ,
(Guts-Vorstand.)
492. — Desgl. (Orts-Vorstand.)
II. Abtheilung. Naturwissenschaftliche Section. 57
493. Weinberg. Nur Geräusch wahrgenommen. (Orts-Vorstand.)
494. Gross-Wilkau. Schaukeln. Richtung SW—-NO. Dauer
3—5'. Erzittern des Bodens. Geräusch vorher. (Guts-Vorstand.)
495. — Fenster klirrten, Möbel rückten. (Orts-Vorstand.)
49. Wilschkowitz. (Orts-Vorstand Naselwitz.)
497. Woirlowitz. (Guts- und Orts-Vorstand.)
498. Wonnwitz. (Oris-Vorstand Silbitz.)
499. Zülzendorf. °/,9 Uhr. (!) Richtung SO—NW. Dauer
5—6“. Rollendes Geräusch gleichzeitig. (Orts-Vorstand.)
500. Hochwald. (Guts-Vorstand.)
Kreis Breslau (Kgl. Landrathsamt).
501. Damsdorf. Wellenförmiges Zittern. Dauer ca. 10“. Fenster-
klirren. Rasseln gleichzeitig.
802. Prisselwitz. Drei Stösse in Zwischenzeit von 2—3‘;
schaukelnd. Richtung S—N. (Leichte) Gegenstände bewegten sich. Ge-
räusch ging voran. Zeit. 10%, Uhr. (?)
503. Bogsehütz. Richtung S—N. Dauer 2”. Rasseln gleich-
zeitig.
504. Koberwitz. Wellenförmiges Zittern. Dauer 2—3‘. Appa-
rate schwankten. Geräusch gleichzeitig.
Kreis Brieg (Kgl. Landrathsamt).
505. Mollwitz. Wellenförmig. Richtung SO—NW. Dauer 2
bis 3. Haus erschüttert, Bücherregal knarrte und schwankte; Geräusch
vorher.
#506. Frankenstein. Wellenförmiges Zittern. Dauer 2—3”.
Schaukeln des Kreishauses und Fensterklirren. Geräusch gleichzeitig.
(Kgl. Landrathsamt.)
*507. Glatz. Richtung NO—SW oder O—W. Dauer 1—3”,
meist 2‘ angegeben. Schränke wackelten. Geräusch vorher oder gleich-
zeitig. (Kgl. Landrathsamt.)
#508. Habelschwerdt. 9 Uhr 31 Min. Einmaliges Schaukeln
von NO—SW. Dauer 2”. Rasseln vor und nach. (Kgl. Landrathsamt.)
Kreis Neumarkt und Ohlau (Kgl. Landrathsamt).
509. Lorzendorf. Haus erzitterte; Fenster klirrten. Geräusch
voran. (Orts-Vorstand.)
510. Fürstenau. Donnerähnliches Rollen, Richtung SW-—-NO.
Dauer ca. 12—15. (Amts-Vorsteher.)
5ll. Knichwitz, Kr. Ohlau. 9 Uhr 30 Min. Normalzeit. Ein
schaukelnder Stoss von S—N mit geringer Abweichung nach W—O von
58 Jahresbericht der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur.
ca. 2°‘ Dauer. Flachwerke fielen von einem altgedeckten Hause. Das
donnerähnliche Geräusch ging voran. (Amts-Vorsteher.)
512. Bischwitz, Kr. Ohlau. 9 Uhr 30 Min. (= Wansener Post
und Tel. Z) Auf Lehmboden einmaliges wellenförmiges Zittern von
W-—-O0. Dauer 3—4‘. Haus erzitterte. Donnerähnliches Rollen gleich-
zeitig. (Gensdarm Rothe.)
Kreis Schweidnitz (Kgl. Landrathsamt).
513. Altenburg. Einmaliges wellenförmiges Zittern von geringer
Stärke; rollendes Geräusch gleichzeitig. (Orts-Vorstand.)
5l4. Würben. Einmaliges wellenförmiges Zittern von 5—6“
Dauer. Fenster klirrten. Schulkinder wurden im Schreiben gestört.
(Orts-Vorstand.)
*515. Zobten a.B. Schwaches Erzittern des Bodens 5—6‘ lang.
Gefässe klirrten.. Unterirdisches Rollen gleichzeitig. In der vorher-
gehenden Nacht wurde ein merkliches Schwanken von mehreren Secunden
wahrgenommen. (Magistrat.)
516. Zobtenbergforst. Einmaliges schwaches Zittern nach NW.
Rollen gleichzeitig. (Guts-Vorstand.)
517. Klein-Bielau. (Orts-Vorstand.)
518. Breitenhain. Wellenförmiges Zittern. Dauer 2—3”. Rich-
tung W—0O. Gebäude erschüttert, Bewegung fester Gegenstände. Donner-
ähnliches Rasseln vorher. (Orts-Vorstand.)
519. Hohgiersdorf. Ein kurzer Seitenruck. Dauer 5”. Donner
gleichzeitig. (Orts-Vorstand.) |
520. Goglau. Nachmittags 6—7 Uhr Wiederholung. (Orts-
Vorstand.)
521. Gohlitseh. Zittern der Thüren 10—15‘ lang. Vorher
Rasseln von W—0O. (Orts-Vorstand.)
522. Kgl. Gräditz. 9 Uhr 30 Min. (= 9 Uhr 35 Min. Tel.) Auf
Fels eine schaukelförmige Bewegung. Richtung SO—NW. Dauer 2%,
Klirren. Geräusch folgte. (Orts-Vorstand.)
523. Ingramsdorf. Wellenförmiges Zittern, südliche Richtung;
dumpfes Rollen gleichzeitig. (Orts-Vorstand.)
524. Rothkirschdorf. (Orts-Vorstand.)
525. Klettendorf. Ein kurzer Seitenruck. Richtung S—N.
Dauer 2—3°. Geräusch gleichzeitig. (Orts-Vorstand.)
526. Leutmannsdorf. 9 Uhr 33 Min. Leises Zittern, höchstens
1” von SW. Donnerähnliches Geräusch gleichzeitig. (Orts-Vorstand.)
527. Michelsdorf. (Orts-Vorstand.)
528. Ohmsdorf, Dauer 2—3”, Nur Geräusch wahrnehmbar.
(Orts-Vorstand.)
II. Abtheilung. Naturwissenschaftliche Section. 59
529. Queitsch. Wellenförmiges Zittern; gleichzeitig Rollen wie
Dampfwalze. (Orts-Vorstand.)
530. Schlesierthal. Wellenförmiges Zittern. Richtung W—O,
Dauer 2—3”. Geräusch folgte. (Orts-Vorstand.)
531. Schmellwitz. Kurzer Seitenruck. Dauer 2—3‘. Donner
gleichzeitig und nach. (Orts-Vorstand.)
532. Seifersdorf. (Orts-Vorstand.)
533. Klein-Silsterwitz. Nur donnerähnliches Rollen in südlicher
Richtung 4—5’” bemerkt. (Orts-Vorstand.)
534. Striegelmühle. Desgleichen. (Orts-Vorstand.)
555. Tampadel. Nur Getöse von W—O wahrgenommen. (Orts-
Vorstand.)
556. Tarnau. Wellenförmiges Zittern nach S, dumpfes Rollen
gleichzeitig. (Orts-Vorstand.)
537. Teichenau. (Orts-Vorstand.)
538. Tschechen. Wellenförmiges Zittern. Richtung W—0.
Dauer 2“. Fensterklirren. Donnerähnliches Geräusch gleichzeitig. (Guts-
und Orts-Vorstand.)
539. Ober-Weistritz. Nur donnerähnliches Geräusch von 3
bis 4 bemerkt. (Orts-Vorstand.)
540. Gross-Wierau. Seitenruck in zwei Stössen mit 1° Zwischen-
raum. Dauer ca. 3% Richtung S—N. Mauerwerk erschüttert.
Dumpfdröhnender Donner vor bis nachher. Dauer 10—12“, (Herr
Reinhard Lammel.)
541. — Uebereinstimmend. (Orts-Vorstand.)
#542, Striegau. 9 Uhr 28 Min. fast genau M.-E. Z. Ein hebender
Stoss. Richtung W—O, Dauer 2—3‘, Flaschen klirrten. Dumpf-
donnerndes Geräusch vorher. (Herr Landrath v. Klitzing.)
Kreis Waldenburg (Kgl. Landrathsamt).
*543. Charlottenbrunn. Zittern des Erdbodens. Dauer 2—5”.
Dumpfes Rollen gleichzeitig.
544, Dittmannsdorf. Geräusch folgte nach,
*545, Kynau. Wellenförmiges Schaukeln. Geräusch vorher.
#546. Ober-Salzbrunn. Mehrere kurz aufeinanderfolgende Stösse.
Richtung O—W. Kalk bröckelte ab.
947. Rudolfswaldau. Zwei Stösse.
*548. Tannhausen. Ein Stoss.. Richtung SW—NO. Fenster-
klirren.
*549, Wüstewaltersdorf. Zittern. Dauer 2—3”. Geräusch
gleichzeitig.
Bor Jahresbericht der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur.
Negative Nachrichten liefen von folgenden Orten ein:
Auras Königszelt 25 Mittelwalde Steinau a. ©.
Bauerwitz Kostenblut Namslau Stroppen
Carlsruhe 15 Krappitz Neumarkt Trautenau
Cosel Lähn Neustadt OS.| 40 Trebnitz
5 Deutsch-Neu- Lauban Oberglogau Wiegandsthal
kirch Liebau 30 Prausnitz Wilhelmsthal
Dittersbach Liebenthal Ratibor Winzig
Falkenberg 20 Liegnitz Reinerz Wohlau
Friedeberg Löwenberg Ruhbank 45 Ziegenhals
Goldberg Ludwigsdorf Schömberg Zülz.
10 Greiffenberg b. Löwenbg. | 35 Schönau
Halbstadt Marklissa (Ktzb.).
Katscher Mittelsteine Steinau OS.
Eine negative Nachricht traf — bezeichnend für die sehr geringe
Heftigkeit der Erschütterung dieser unmittelbar zwischen den beiden
Centren gelegenen Stadt — auch aus Nimptsch vom Stations-Vorstand
ein. Ferner trafen verschiedene negative Nachrichten aus dem nördlichen
Theile des Kreises Strehlen und dem westlichen Theil des Nimptscher
Kreises ein, was wohl durch geringere Stärke und die Länge der in-
zwischen verstrichenen Zeit — sie stammen alle frühestens aus den
letzten Junitagen bezw. Juli oder August — zu erklären ist.
Verbreitung des Erdbebens.
Die Verbreitung des Erdbebens war eine recht beträchtliche. Es
schien zunächst nach den ersten Zeitungsnachrichten auf die Strehlener,
Nimptscher und Reichenbacher Berge beschränkt zu sein, doch ver-
grösserte sich mit der Zahl der Nachrichten ständig das Gebiet der Er-
schütterung. Es umfasst beinahe den ganzen Regierungsbezirk Breslau,
einen bedeutenden Theil des Regierungsbezirks Liegnitz, sowie den west-
lichen Theil des Regierungsbezirks Oppeln: insgesammt ein Gebiet von
mindestens 25000 km? (oder fast 500 Qu.-Meilen). Die äussersten Punkte,
von denen sichere und glaubwürdige Nachrichten vorliegen, sind: Trop-
pau, Leobschütz, Oppeln, Mangschütz Kr. Brieg, Bernstadt, Pontwitz
Kr. Oels, Kunitz Kr. Liegnitz, Schreiberhau, Cudowa, Lichtenwalde
Kr. Habelschwerdt, und Gräfenberg. Die grössten Durchmesser des
'Schüttergebietes betragen also etwa 175 und 125 km.
Die Verbreitung ist eine eigenthümliche, insofern als der gut und
deutlich umschriebenen. Ellipse der Hirschberger Kessel et gewisser-
maassen wie ein Auswuchs, anlagert.
Die Verbreitung des Schallphänomens dürfte eine noch bedeutend
grössere gewesen sein und wohl den allergrössten Theil Schlesiens um-
fasst haben; es liegt wenigstens aus Herrnstadt, Kreis Guhrau, d. h.
II. Abtheilung. Naturwissenschaftliche Section. 61
ca. 50 km von den nächsten äussersten Orten des Schüttergebietes ent-
fernt, eine glaubhafte Nachricht vor, dass das Schallphänomen daselbst
von zahlreichen Personen wahrgenommen sei.
Es übertrifft also das Erdbeben vom 11, Juni 1895 an Ausdehnung,
wie auch an Stärke, dasjenige vom 31. Januar 1883 beträchtlich, dessen
Verbreitung Kunisch!) auf etwa 300 Qu.-Meilen (= 17000 km?) an-
gegeben hat. Es dürfte überhaupt eines der bedeutendsten historischen
Erdbeben Schlesiens gewesen sein.
Stärke und Wirkungen.
- Um einen Maassstab für die Vergleichung der Schütterstärke an den
einzelnen Orten zu haben, stellten Forel und Rossi eine Stärkescala
auf. Der Vortheil der von Rossi vorgeschlagenen Abänderungen liegt
in grösserer Detaillirung der mittleren Grade. Sein 2. Grad entspricht
dem 3., sein 7, dem 6. der alten Scala. Die grössere Verwendbarkeit
der neuen Scala gerade für schwächere Beben leuchtet ein. Im Wesent-
lichen nur auf näherer Speeialisirung beruht die folgende Scala, nach
der die Isoseisten unserer Uebersichtskarte für das Erdbeben vom
11. Juni ce. construirt wurden: |
1. Mikroseismische Erschütterung. Nur durch feinste Instrumente
und geübte Beobachter erkennbar.
2. Ausserordentlich schwache Erschütterung. Durch Seismographen
sicher, von Menschen nur ausnahmsweise unter besonders günsti-
sen Umständen erkennbar.
3. Sehr schwache Erschütterung. Beobachtet von mehreren Per-
sonen in der Ruhe, auch nach Dauer und Richtung zu schätzen.
4. Schwache Erschütterung. Beobachtet auch in Bewegung oder
Thätigkeit. Erschütterung leicht beweglicher Gegenstände, Be-
wegung offener Thüren, Klirren der Fenster, Knistern der Decken
bezw. Fussböden. Schwanken leichter aufgehängter Gegenstände
und von Flüssigkeiten.
9. Mittelstarke Erschütterung. Allgemein bemerkt. Erwachen
schlafender Personen. Erschütterung grösserer, nicht mit ihrer
Unterlage verbundener Gegenstände (Möbel, Betten etc.).
6. Starke Erschütterung. Allgemeines Erwachen Schlafender. An--
schlagen der Hausglocken. Schwanken schwerer aufgehängter
Gegenstände, Bilder, Spiegel ete., des Ofens, Stillstand von Pendel-
uhren, sichtbare Beugung der Bäume und Gesträuche. Einzelne
Personen verlassen erschreckt die Häuser.
7. Recht starke Erschütterung. Allgemeiner Schrecken. Umstürzen
beweglicher Gegenstände, Ablösen von Putz aus Decken und
!) Diese Jahresberichte 1883 p. 335.
63 Jahresbericht der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur.
Wänden und Risse in denselben. Anschlagen von Kirchen-
glocken, Herausschleudern von Ziegeln und Flachwerken von
Dächern und Schornsteinen.
8. Sehr starke Erschütterung. Beschädigung des Mauerwerks der
Häuser, Umstürzen von Sehornsteinen, Risse in den Aussen-
mauern.
9. Ausserordentlich starke Erschütterung. Theilweise oder gänzliche
Zerstörung einzelner Häuser.
10. Allerstärkste Erschütterung. Völlige Zertrümmerung aller Ge-
bäude, Spaltenbildungen der Erdrinde, Bergstürze.
Hierbei ist wohl zu beachten, dass der Stärkeunterschied zwischen
den einzelnen .Graden allmählich sich stark vergrössert, so dass er
z. B. zwischen dem 4. und 7. Grad viel kleiner ist, als zwischen dem
7. und 8. oder dem 8. und 9.
Die stärksten Wirkungen des Erdbebens vom 11. Juni 1895 ent-
sprechen dem 6. und 7., vielleicht noch dem 8. (400 Tsehanschwitz,
320 Friedersdorf) Grade der Scala. In besonders starkem Maasse
wurde das Ohlau-Thal betroffen. Aus demselben kamen Nachrichten,
dass im SW. von Strehlen Gebäude eingestürzt seien (Nr. 172 und 275).
Aber beide Nachrichten sind nicht sicher, denn die Scheune in Neuhof
stürzte erst am 12. Juni ein, wie man annimmt, in Folge der Erschütte-
rung, während die andere Nachricht ganz ungewiss ist. Dagegen kam
aus Tschansckwitz (Nr. 400) vom Gemeinde-Vorstand die Nachricht, dass
bei einem Stellenbesitzer der Schornstein eingefallen sei. Als heftigste
Wirkungen sind, abgesehen hiervon, Sprünge und Risse in Mauern,
Giebeln und Schornsteinen anzusehen. In Gollschau erhielt das In-
speetorenhaus, besonders die an der Ostecke im 1. Stock gelegenen
Wände, zahlreiche Risse und Sprünge bis zu 1 cm Weite, die haupt-
sächlich in N—S- und O—W-Richtung verlaufen. Die stärksten Risse
gehen an Decke und Diele entlang horizontal. Doch weist auch das
Gewölbe des Erdgeschosses deren auf. Die Wirkung war hier so stark,
dass nach fachkundiger Aeusserung bei einer Wiederholung die Gefahr
eines Zusammensturzes des sonst baulich guten Hauses nicht ausgeschlossen.
ist. Ferner werden Risse in den Wänden ete. aus Reichau, Hussinetz,
Langenöls (im 2. Stock), Reichenbach und Schobergrund gemeldet; weiter
auch aus Friedersdorf, Pogarth und Strehlen. In Tepliwoda wurde in
Folge des Stosses der Kachelaufsatz eines Ofens vom gemauerten Theil
abgetrennt. Mehrfach sind Ziegeln aus Schornsteinen und Flachwerke
aus den Dächern geschleudert worden. Ersteres war der Fall in Reichau:
2 Ziegelsteine, die, aus dem Schornsteine gerissen, nach Norden zu
fielen, zertrümmerten 17 Flachwerke. Ausserdem weist der Schornstein .
Sprünge auf. In einem anderen Hause wurde Flachwerk aus dem Dache
(nach N) geschleudert. Dasselbe wird aus Crummendorf, Heinrichau,
II. Abtheilung. Naturwissenschaftliche Section. 63
Olbendorf, Pentsch, Habendorf, Petersheide und Pogarth berichtet. Von
recht starker Erschütterung zeugt auch das Abfallen von Putz aus Decke
und Wänden. Hierüber liegt eine ganze Reihe von Mittheilungen vor
aus Crummendorf, Dobergast, Kühschmalz, Lorzendorf, Neobschütz, Peters-
heide, Prauss, Riegersdorf, Rogau, Strehlen, Bärzdorf, Friedersdorf, Gam-
bitz, Gurtsch, Habendorf, Louisdorf, Mückendorf, Olbendorf, Pogarth und
Wüstewaltersdorf. Einen Schluss auf die Stärke des Stosses sowie
auf den Ausgangsort der Erschütterung lässt auch die Thatsache ziehen,
dass in Zesselwitz ein Brunnen versiegt ist, dessen Wasser sich erst
nach einigen Tagen wieder einstellte.e Alle diese genannten Ortschaften
nun liegen mit vereinzelten Ausnahmen dicht bei einander, einerseits um
die Ohlau im SW von Strehlen, andererseits um die Peile und Biele
bei Reichenbach, Wir haben also zwei Gebiete stärkster Er-
schütterung, die, wie später zu zeigen ist, durch ein Gebiet auffallend
schwacher Erschütterung, die Scholle von Nimptsch, getrennt sind.
Auf eine bedeutende Stärke der Erschütterung muss geschlossen
werden, wenn die Bewohner eiligst ihre Häuser verlassen, um deren
vermeintlichem Einsturze zu entgehen. Die Ortschaften, aus denen dies
berichtet wird, liegen grösstentheils in den obengenannten Gebieten:
Crummendorf, Diersdorf, Gnadenfrei, Langenbielau, Münsterberg, Geppers-
dorf, Heinrichau, Ottmachau, Peterswaldau, Pischkowitz, Poischwitz,
Reichau, Reichenbach, Riegersdorf, Rungendorf, Stachau, Strehlen, Wan-
sen, Wüstewaltersdorf.
Ein Umfallen beweglicher Gegenstände wird über ein Dutzend Mal
berichtet, zumeist aus den beiden Centren. Meist sind es leichtere
Gegenstände: Gläser, Nippsachen, Bücher, Thermometer ete., die zur
Erde geschleudert werden, seltener grössere: so wird aus Strehlen das
Umfallen eines Stehspiegels gemeldet; in Kunsdorf ist aufgeschichtetes
Holz, in Warkotsch aufgeschichtete Coakes auseinandergefallen. In
Langenbielau war der Stoss so stark, dass Personen gegen die Wand
geschleudert wurden (140). Dass Leute beinahe das Gleichgewicht ver-
loren, wird mehrfach berichtet: aus Gnadenfrei, Grottkau, Koppitz,
Warkotsch ete. Sehr stark trat das Erdbeben in Strehlen auf: es liegt
ein Bericht aus der Zuckerfabrik vor (271), wonach die Hunderte von
Centnern schweren Maschinen gewankt hätten. Aus Glatz (54) wird das
Schwanken einer Lokomotive berichtet. In Münsterberg schwankte ein
ca. 10 Centner schwerer Geldschrank (167), Dass geschlossene Thüren
aufsprangen, wird aus beiden Centren, von Hussinetz, Strehlen und Peilau
gemeldet. Ein Kennzeichen stärkerer Stösse ist ferner das Stehenbleiben
von Uhren bezw. Tönen der Feder: ersteres ereignete sich in Strehlen,
Patschkau, Wiesenthal, Türpitz, Riegersdorf und Hirschberg, letzteres in
Tepliwoda und Reichenbach. In Strehlen ertönte ferner eine Drahtzug-
64 Jahresbericht der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur.
klingel, Hausglocken auch in Arnsdorf und Krippitz, während in Stolz
sogar eine Kirchenglocke anschlug (265).
Durch diese Angaben sind die beiden Schüttercentra gut und deut-
lieh umschrieben: das östliche grössere liegt im Ohlauthal im SW von
Strehlen und dehnt sich nach O beträchtlich aus, das kleinere westliche
liegst um Reichenbach. Zwischen beiden liegt eine Zone schwacher Er-
schütterung bei Nimptsch, in der sowohl die Ortschaften, die auf an-
stehendem Gestein liegen, als auch diejenigen, die auf Diluvium stehen, !)
gsleichmässig schwach erschüttert sind. In grossem Bogen, beide
Centra umfassend, liegt das Gebiet mittelstarker Erschütterung; um dieses
schliesst sich, gegen den Hirschberger Kessel weit sich erstreckend, eine
Zone schwacher Erschütterung (4. Grad). Die Wirkung ist in den Aussen-
zonen stets dieselbe: es erbeben die Möbel (Sopha, Schrank, Pult,
Bett ete.), die Mauern erzittern, Kronleuchter ete. pendeln, Bilder be-
wegen sich, leichtere Gegenstände schwanken, auch bewegen sich offene
Thüren und Fenster. Bei leichterer Erschütterung erzittern die Möbel
schwach, Fenster, Gläser etc. klirren. Bisweilen macht sich auch ein
Knacken und Knistern der Fensterrahmen und Dielen bemerkbar. Die
leisesten Erschütterungen werden als eigenthümliches, leises Schütteln,
das besonders durch sein unvermuthetes Auftreten erschreckt, geschildert.
Am stärksten wurde selbstverständlich die Erschütterung in Häusern,
vor allem in den oberen Stockwerken derselben empfunden; hier machte
sie auch den heftigsten Eindruck. Im Freien dagegen wurde sie weniger
gespürt und beachtet, bisweilen sogar selbst in den Centren von in Be-
wegung befindlichen Personen kaum oder garnicht empfunden.
Ein weiterer Umstand, der auf die (relative) Stärke der Erschüt-
terung einen gewissen Einfluss übt, ist die Beschaffenheit des Untergrundes.
Nach den bisherigen Erfahrungen ist die Erschütterung auf festem, an-
stehendem Fels relativ geringer, ebenso auf sehr mächtigem Diluvium.
Dort dagegen, wo eine nur wenig mächtige Diluvialdecke dem anstehen-
den Gestein aufliegt, findet eine Verstärkung statt; man kann dies beim
Erdbeben vom 11. Juni besonders an den Rändern der aus dem Diluvium
auftauchenden Schollen anstehenden Gesteins erkennen,
Nach der Stärke der Erschütterung, soweit sie zu schätzen,?) ge-
ordnet, ergiebt sich folgende Liste?) der Ortschaften:
ı) Nimptsch, Gaumitz, Gross-Wilkau, Pristram, Panthenau, Gross-Ellguth,
Nieder-Langseifersdorf.
2, Es ist hierbei wohl zu beachten, dass Meldungen, die auf einen stärkeren
Grad der Erschütterung (z. B. den 8. Grad bei Tschanschwitz und Friedersdorf)
schliessen lassen, aus den betreffenden Ortschaften meist bezw. oft nur je einmal
eintrafen. Man kann aber unmöglich behaupten, dass die Erschütterung in einem
ganzen Orte z. B. 8. Grades war, wenn z. B. nur ein Schornstein einstürzte.
®) Von den erst während des Druckes eingelaufenen Berichten von 410 auf
konnten nur noch die wichtigeren aufgenommen werden,
Dobergast
Friedersdorf
Crummendorf
Diersdorf
Gambitz
Gnadenfrei
Grottkau
Gurtsch
Habendorf
Hussinetz
Kunsdorf
Arnsdorf, Ober-,
Nieder-
Bärwalde
Bärzdorf
Bankau
Bechau
Birkkretscham
Breitenhain
Camenz
Campen
Conradswaldau
Conradswalde
Dätzdorf
Falkenau
Faulbrück
Gläsendorf
Glatz
Geppersdorf
Gorkau
Graase
Gross-Wierau
Grunau
Habelschwerdt
Heidersdorf
Altwasser
Baumgarten
Brieg
1895,
@
II. Abtheilung. Naturwissenschaftliche Section. 65
7. Grad:
Gollschau Neuhof (?) Tschanschwitz
Neobschütz Reichau |
6. Grad:
| Langenbielau | Peterswaldau Schobergrund
Langenöls Pogarth Siegroth
Leipitz Prauss Stachau
Münsterberg Prieborn Strehlen
Nielasdorf Reichenbach Tepliwoda
Ober-Peilau Riegersdorf Töppendorf
Olbendorf Roth-Neudorf Wiesenthal
Pentsch Rummelsberg
Petersheide Sadewitz
5. Grad:
Heinriehau Ober-Rosen Schmelzdorf
Hertwigswalde | Oelse Schönbrunn
Jägel Ottmachau Schweinbraten
Kamnig Patschkau Senitz
Jokobsdorf Petersdorf Siebenhufen
(Nimptsch) Petrigau Sonnenberg
Karisch Pischkowitz Sorgau
Karzen Plohe, Plohmühle | Steinkirche
Klein-Lauden Podiebrad Stolz
Költschen Poppelwitz Striege
Koppitz Poseritz Tiefensee
Krippitz Protzan Tillowitz
Kühschmalz Quanzendorf Tsehammendorf,
Lorenzberg Reinschdorf Dtsch.-u. Poln.-
Lorzendorf Reisewitz Türpitz
_(Ohlau) Rochus Wammelwitz
Louisdorf Rogau Wansen
Markt-Bohrau Rosen Warkotsch
Mehltheuer Rothenbach Wartha
Mückendorf Rothschloss Wüstewalters-
Neisse Rudelsdorf dorf
Neurode Ruppersdorf Zesselwitz
Nieder-Peilau Ruschkowitz
Ober-Ecke Salzbrunn
4. Grad:
Canth Eckersdorf Gaumitz
Charlottenbrunn | Frankenstein Gräben
Christinenhof Frauenhain Gräfenort
5
BEST, Jahresbericht der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur.
Grochau Kraschen Nimptsch Silberberg
Gross-Ellguth Kuhnern Ober-Weistritz Striegau
Gross-Wilkau Kunitz Petersdorf Tannhausen -
Hammer Kynau Peterwitz Tschechen
Heinzendorf Landeck Poischwitz Waldenburg
Hermsdorf Landeshut Prisselwitz Warmbrunn
Hirschberg Leuppusch Reichenstein Weigwitz
Hohen-Giersdorf | Lorenzdorf (Neu- | Rungendorf Wierischau
Jakobsdorf markt) Schmiedeberg Würben
Jauer | Maifritzdorf Schönheide Wüstegiersdorf
Kaiserswalde Mangschütz Schräbsdorf Zobten
Kattern Nieder-Langsei- | Schweidnitz
Kleutsch fersdorf Seherrsau
3. Grad:
Breslau Jäschwitz ‘| Oels Pristram
Gräfenberg Leobschütz Oppeln Rothsürben
Hain-Saalberg Löwen Panthenau Schreiberhau
Der Eindruck, den die Beobachter von dem Erdbeben empfingen,
war natürlich je nach Stärke und Beobachtungsort verschieden. Die
Erschütterung wurde mit der eines Lastwagens, einer Dampfwalze,
eines Dampfpfluges verglichen, oder die Beobachter hatten das Gefühl
„als ob eine Batterie im Trab durch die Strasse fährt‘, „als ob ein
Schnellzug durch die Station“ oder ,‚ein schwer beladener Lastwagen in
rasendem Tempo“ fährt. Auffallend ist aber für die Beobachter das plötz-
liche Auftreten und Verschwinden der Erschütterung.
Anders ist es in den stärkstbetroffenen Gebieten: hier ist der Ein-
druck der, als ob etwas im Hause einstürze, bezw. als ob das Haus
einstürze, so dass die Bewohner schreckerfüllt auf die Strasse eilen. Doch
übte das Erdbeben nicht nur psychische Wirkungen aus — Schrecken,
Erblassen bei starker Erschütterung, Aengstlichkeit und Staunen bei
schwächerer, sondern auch rein physische: Schwindel (381), Mattigkeit,
wie vor einem schweren Gewitter (137), Herzklopfen (107), selbst
ein Gefühl wie Uebelkeit (379), als ob sich der Blutlauf auf einmal
änderte (75), ein sehr unangenehmes Schwingen des Trommelfells (270)
oder eine Empfindung, wie von einem sehr starken elektrischen Strom
(241).
Weitere Erschütterungen.
Während sonst bei Erdbeben meistens mehrere Stösse wahrge-
nommen werden, dürfte in diesem Falle nur eine Erschütterung statt-
gefunden haben. Ausserdem scheinen einige ganz schwache Bewegungen
des Bodens zumeist vorher eingetreten zu sein,
II. Abtheilung. Naturwissenschaftliche Section. 67
Es gingen über derartige Erschütterungen 10 Nachrichten ein, doch
stimmen sie in der Zeit meist leider gar nicht zusammen:
Langenbielau am 10. VI. zwischen 11 und 12 Uhr Vorm. (137),
Strehlen =a.04 VER 06,7),
Langenbielau = 10./11. VI. gegen Mitternacht (134),
Zobten = 10./11. Nachts (515),
Frauenhain - 11. VI. gegen 4 Uhr Vorm. (49),
Silberberg = 11. VI. gegen 8'/, Uhr Vorm. (256),
Camenz = 11. VI. gegen 9'/), Uhr Vorm. (25),
Grottkau 52 Ve nach 97 Uhr) (73),
Langenöls - 11. VI. nach 10 Uhr Vorm. (143),
Goglau = 11. VI. 6—7 Uhr Nachm. (520).
Ein einigermaassen sicherer Schluss lässt sich hieraus kaum ziehen,
Auffallend allerdings ist, dass fast alle diese Meldungen aus stark er-
schütterten Gebieten kommen.
Art der Bewegung.
Die Art der Bewegung wird sehr verschieden geschildert, je nach
der Lage des Beobachtungsortes. In den Centren wird sie meist als
„Schlag oder Stoss von unten“, als „Schaukeln“ oder „Heben und
Senken‘‘ empfunden. ‚Es war, als wenn man mir einen Knüppel unter
die Fusssohlen schob und mir die Füsse wellenartig auf und nieder hob“,
schreibt ein Berichterstatter (33) aus Diersdorf. Mehrfach wird die
Bewegung mit der eines Schiffes oder Kahnes verglichen. Einem Be-
richterstatter in Peilau (185) schien es, ‚als ob der Stuhl, auf dem er
sass, in allen Theilen nachgeben wollte“. In Strehlen (267) war es, als
ob „der Fussboden nachgäbe und man das Gleichgewicht verloren“ oder
„wie das Gefühl von Unsicherstehen‘“, so dass eine Frau unwillkürlich
nach einem Halt griff (269). Aus Bärwalde heisst es (4), es sei ein
unbeschreibliches Gefühl in den Knieen gewesen, als wenn nun der
Erdboden verschwinden sollte. Höchst charakteristisch wird die Art
der Bewegung auch aus Schönbrunn (392) berichtet: ‚Es war zuerst
ein Stoss von unten, der mich etwas in die Höhe hob, darauf ein starkes
sichtliches Zittern der Erde, dass ich mich unwillkürlich an die Erde
hielt.“
Vergleicht man mit diesen Berichten der subjeetiven Empfindung
die objeetiven Wirkungen in den gleichen Gegenden, dass z. B. in
Johannsthal bei Reichenbach das Pendel einer Uhr ausgehakt wurde,
in Tepliwoda der Kachelaufsatz vom Ofen abgetrennt wurde, dass ferner
in Gollschau in dem Zimmer an Decke und Diele horizontale Sprünge und
Risse sich reichlich finden, so dürfte der Schluss als unanfechtbar er-
scheinen, dass in den Centren die Erschütterung einen suceussorischen Cha-
rakter hatte. In den Aussenzonen dagegen verlief sie als eine undulato-
5*
Bsn Jahresbericht der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur.
rische Bewegung. Meist wird sie als „wellenförmiges Zittern‘ geschildert,
oft auch als Schaukeln. Ein Referent in Hirschberg (101) wurde eine
hin- und herschiebende, wagerechte Bewegung des Sophas gewahr; ‚als ob
ein grosser Hund gegen die Bank anspränge,‘‘ heisst es auch (16 und 44).
Ebenso spricht der häufige Vergleich mit der Erschütterung, wie sie
schwer beladene Fahrzeuge, ‚‚eine ungeheure Walze‘ (49) oder Kanonen
schwersten Kalibers hervorbringen, für eine wagerechte Bewegung.
Erwähnenswerth sind einige Berichte, welche die Wirkung des Stosses
auf die Natur schildern: „es ging wie eine Bewegung durch die Natur;
die Blätter wurden wie vom Winde bewegt, darauf trat wieder Stille
ein“ wird aus Költschen geschrieben (120). In Koppitz schwankten
Palmen hin und her (121), u. a. mehr.
Zahl der Stösse.
Im engsten Zusammenhang mit der Art der Bewegung steht die
Zahl der empfundenen Stösse. Auch hier gehen die Angaben weit
auseinander. Zumeist wird nur ein Stoss bezw. eine Bewegung ge-
meldet, doch wird ca. 40 mal von mehreren Stössen berichtet. In Strehlen
spürte ein Berichterstatter 3 Stösse, deren erster der stärkste war, ein
anderer deutlich ein zweimaliges Heben und Senken (268 und 271).
Sonst wird gerade aus den Oentren seltener eine mehrfache Erschütterung
berichtet, öfter dagegen aus peripherisch gelegenen Orten, wie Bernstadt,
Hirschberg, Cudowa, Hammer ete. Es ist diese Verschiedenheit in den
Berichten wohl so zu erklären, dass wohl ein mehrfaches Erbeben
stattfand, dass aber wegen der direkten Aufeinanderfolge (ein Referent
aus Strehlen schreibt .‚der 1. Stoss dauert 1‘, die beiden andern zu-
sammen 1'/,““) im Allgemeinen die Stösse als einheitliche Wellen-
bewegung empfunden, dass aber bisweilen einzelne Phasen stärker
herausgefühlt wurden. Im Uebrigen deutet schon die Bezeichnung
„wellenförmig“‘ darauf hin, dass die ganze Erschütterung in rasch auf-
einander folgenden Absätzen vor sich ging. Die Zahl dieser Absätze
schwankt nach den Berichten bis zu 10. In allen Berichten, die von
mehreren Stössen sprechen, wird auch ausdrücklich die unmittelbare
Aufeinanderfolge derselben betont.
Dauer des Phänomens,
Die Frage nach der Dauer des ganzen Phänomens lässt sich nach
den eingegangenen Berichten mit ziemlicher Sicherheit beantworten.
Ueber dieselbe liefen 265 Meldungen ein, die sich folgendermaassen ?)
vertheilen:
!) Die nur sehr selten gemachten Angaben wie 2—4“ etc. sind mit dem
Mittel, also 3” etc. aufgeführt.
II. Abtheilung. Naturwissenschaftliche Section. 69
1 — 10 mal 8 — 8 mel
1—2‘ = 16 mal 8— 10.27 Z—iemal
Di —139 9122 2 lamal
2—3' —= 53 ) 117 mal 10° — dmal
a ==, 10—12' = 1 mal
ö—4' —= 24 mal 10-—-15.2 == 73 mal
Aufl — a a 12—15“ = 1 mal
4—5' — 11 mal 5 — ie Hmal
Ha — 27 mal 1920.21 mal
5—6°” = 8 mal 15—30° = 1 mal
6% —= 2 mal 20°” — gemall
6—7' = 1 mal 30° — arlamal
est —= 2 mal Jr —= 5 mal
Die Dauer betrug also sicherlich weniger als 5‘ (die Häufigkeit
dieser Angabe erklärt sich durch Abrundung), jedenfalls 2—3‘. Auf
diese Zahlen entfallen etwa 45 pCt. aller Angaben. Vielleicht ist so-
gar, in Anbetracht des Umstandes, dass die Zeitdauer einer Secunde
meist unterschätzt wird, die thatsächliche Dauer des Phänomens noch
etwas geringer zu veranschlagen,
Zeitpunkt des Eintrittes.
Schwieriger ist die Frage nach dem Zeitpunkt des Eintrittes der
Erscehütterung zu beantworten, da astronomisch genaue Zeitangaben über-
haupt nicht vorliegen. Ein sehr grosser Theil der Zeitangaben lautet
auf 9%, Uhr, beruht demnach auf Schätzung. Von vertrauenswerthen
Angaben liegen nur folgende 32 vor, darunter 13 von Postämtern bezw.
Bahnbeamten:
a, Tepliwoda, Neisse,
Diersdorf, Karzen,
927 —28° Peilau, Petersheide,
928° Strehlen, Wiüstewaltersdorf,
Nielasdorf, 929 18° Gross-Ellguth,
Ober-Ecke, 929), Nimptsch,
Türpitz, Markt Bohrau,
Grottkau, 9 30. Zobten,
Camenz, Gorkau,
Wierischau, Schmiedeberg,
928° 2-34 Gnadenfrei, Hammer
998. 35% Waldenburs, 9 30° 10— 15° Kattern,
99899! Salzbrunn, 9 39 Hirschberg,
929 Frankenstein, Kunitz,
Glatz, 933° Leobschütz,
Landeck, 934 Bernstadt.
70) : Jahresbericht der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur.
Hierbei dürfte Schmiedeberg um 1‘ zu früh, Bernstadt um 1’ zu
spät angegeben sein.
Aus dieser Liste ist unmittelbar ersichtlich, dass die Bewegung
nieht, wie so oft bei alpinen Erdbeben, über weite Strecken eine gleich-
zeitige war, sondern dass sie von einem kleinen, engbegrenzten Gebiet,
das einmal bei Tepliwoda und dann bei Diersdorf zu suchen ist, aus-
ging und sich allmählich radial fortpflanzte. Diese Fortpflanzung war
aber nicht nach allen Seiten gleich schnell, vielmehr erfolgte sie von
den beiden Centren aus nach aussen schneller, als von einem Centrum
zum andern. Von der schwach erschütterten Zone zwischen ihnen liegen
zwei genaue und bis auf wenige Secunden übereinstimmende Angaben
vor: Nimptsch 929°‘ und Gross-Ellguth 929° 18 Es lehrt dies deut-
lich, dass die Stossriehtung in den Centren keine direct verticale, sondern
eine nach aussen etwas geneigte (im O gegen O, im W gegen W ge-
neigte) war.
Verbinden wir die Orte, bei denen die Erschütterung gleichzeitig
eintrat, so erhalten wir ein System unregelmässig concentrischer Curven:
die sog. Homoseisten oder Isochronen, deren Verlauf aus der Karte
deutlich zu sehen ist. Es machen sich bei ihnen genau die gleichen
Erscheinungen geltend, wie bei den Isoseisten: die tiefe Einbuchtung
bei den nächst den Centren gelegenen Gebieten schwacher Erschütterung,
sowie das schnelle und weite Ausgreifen gegen den Hirschberger
Kessel hin.
Auffallend ist jedenfalls, dass trotz Einführung der Einheitszeit,
trotz Telegraphenuhren die Zeitangaben selbst bei den Berichten der
Postämter so ausserordentlich schwanken. Es liegen im Ganzen!) etwa
220 Zeitangaben vor; davon geben 16 den Zeitpunkt des Eintrittes vor
925° an, 168 zwischen 925° und 930‘ (78 um 9%, bezw. „10 Uhr),
25 zwischen 931° und 935° und 14 nach 935‘, 4 Berichte melden 9 Uhr,
2 erst 10 Uhr. Allein diese Thatsache zeigt schon, dass jedenfalls der
Stoss im stärker erschütterten Theil des Gebietes — von dem ja relativ,
wie absolut weitaus die meisten Berichte vorliegen — vor 930° statt-
fand. Nur 6 Berichte schliesslich geben Secunden an.
Fortpflanzungsgeschwindigkeit,
Berechnet man mit Hilfe der Homoseisten die Fortpflanzungs-
geschwindigkeit des Stosses, so zeigt sich, dass sie nur gering war. Im
Maximum betrug sie etwa 450 m pro Sekunde, im Minimum?) 75 m.
Es richtet sich dies nach dem Untergrund, der Stossrichtung und der
Entfernung vom Centrum.
!) Dies bezieht sich nur auf Nr. 1—409. Die übrigen, bedeutend später ein-
getroffenen Berichte, enthalten keine gute Zeitangabe.
2) Zwischen den Centren.
II. Abtheilung. Naturwissenschaftliche Section. 71
Sie ist im festen Gestein grösser als im diluvialen Sand und Mergel,
obwohl die Wirkung im letzteren stärker ist. Aus der wenig mächtigen,
dem festen Gestein aufgelagerten Diluvialdecke erklärt sich auch die
relative Stärke bezw. locale Verstärkung der Erschütterung an manchen
Punkten, wie Glatz, Habelschwerdt ete.
Im Durchschnitt betrug die Fortpflanzungsgeschwindigkeit der Er-
schütterung etwa 200—250 m in der Secunde.
Riehtungsangaben.
Nur geringer Werth ist den Angaben über die Richtung des Stosses
beizumessen, da dieselben nur auf subjectiver Schätzung beruhen, und
die Richtungen leicht verwechselt werden. In gleichem Maasse gilt dies
von der Schallrichtung. Grossen Werth hingegen besitzen Angaben auf
Grund der Wirkungen des Stosses, welche die Richtung derselben er-
kennen lassen. So wurde in Reichau (214) beobachtet, dass Ziegel an
zwei Stellen nach N zu fielen, in Strehlen Cigarrenkisten nach der
gleichen Richtung (397). Hiermit stehen die Angaben der Stossrichtung
im östlichen pleistoseisten Gebiete völlig im Einklang. Fast durchweg
wird die Richtung als S—N bezeichnet. Als Stossrichtung im westlichen
Hauptschüttergebiet wird vorwiegend O—W angegeben. In den peri-
pherischen Gebieten indess verlief die Bewegung, welche nunmehr einen
mehr undulatorischen Charakter angenommen hatte, mehr radial nach
allen Seiten hin, vorwiegend jedoch in der Verlängerung der Stossachsen
und senkrecht zu denselben. Die Angaben über Stossriehtung sind, so-
weit sie vertrauenswerth erschienen, der Vollständigkeit halber sämmt-
lich in die Uebersichtskarte aufgenommen.
Das Schallphänomen.
Ueber die Art des Schallphänomens sprechen sich die Berichte sehr
übereinstimmend aus; im weitaus grössten Theile derselben wird es mit
einem rollenden Donner verglichen. Mehrfach finden sich Angaben,
welche die Art und Weise genauer beschreiben: Es war ein Geräusch
„als würden grosse Fässer auf unebenem Steinpflaster gerollt“ (21, ähn-
lich 197), „als ob ein Lastwagen schnell über eine Brücke fährt“
(121, 342, 343, 400 ete.), ‚ein Rauschen, wie wenn man sich in der
Nähe eines Wehres befindet‘‘ (168). Auch wird die Art des Donners
bezw. Rollens durch Beiworte wie „sausend“, „‚brausend“, „summend‘,
„Knatternd“, „hohl“ ete. bezeichnet, meistens wird es „dumpf“ genannt.
Auch ein „Knall“ oder „Rasseln‘ wird des Oeftern gemeldet. Um der
Eigenart des Geräusches gerecht zu werden, haben manche Bericht-
erstatter das Geräusch als „Dröhnen“, „Heulen“, ‚‚metallisch‘, „summen-
des Klirren“ bezeichnet, in einem Bericht heisst es „ein komisches Ge-
töse, ähnlich entferntem Donner“. Unterschiede in der Art der Ge-
räusche nach den einzelnen Stärkezonen lassen sich nicht finden.
REN: Jahresbericht der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur.
Die Art des Auftretens wird in einer ganzen Reihe von Berichten
geschildert: ein ferner Donner, der rasch näher kam und an Stärke zu-
nahm, um dann in entgegengesetzter Richtung zu verhallen.
Ueber die Aufeinanderfolge von Erschütterung und Geräusch gehen
die Berichte ziemlich auseinander. Von 243 Berichten melden 39 ein
Nachfolgen des Geräusches, 89 ein Vorangehen, die übrigen Gleich-
zeitiskeit, bisweilen mit Folge bezw. Voraufgehen. 7 Meldungen be-
sagen, dass das Geräusch vor dem Stoss angefangen und ihn überdauert
hätte. Man darf also wohl annehmen, dass das Geräusch vor der Er-
sehütterung begann, bezw. gleichzeitig war. Stets aber wird ein directes
Beieinander von Erschütterung und Geräusch gemeldet.
Ueber die Entstehung des Geräusches ist bisher noch wenig Sicheres
bekannt. Vielleicht dürfte es auf die durch die Fortpflanzung der Erd-
bebenwelle hervorgebrachte Bewegung der Erdtheilchen zurückzuführen
sein. Eine Fortpflanzung des Geräusches vomDislocationsgebiet her durch
das Medium der Luft oder des Gesteins erscheint durch die stete Verbin-
dung von Stoss und Schall ausgeschlossen. Nach vielen Beobachtungen
ist die Verbreitung des Schallphänomens eine ausgedehntere, als die-
jenige der fühlbaren Wirkung der Erschütterung; so wurde auch am
11. Juni c. noch in Hönigern bei Oels und Herrnstadt gegen 9'/, Uhr
ein Donner gehört, der auf das Erdbeben zurückzuführen ist.
Begleitende Nebenerscheinungen.
Bemerkenswerth ist, dass, wie auch sonst bei Erdbeben vielfach, so
auch hier mehrfach die eigenthümliche Wirkung des Erdstosses auf Thiere
zur Beobachtung gelangte. Wie die unvermuthete Erschütterung des
Erdbodens, den man von Kind auf im Gegensatz zum Wasser als etwas
Unbewegliches, Festes zu betrachten gewohnt ist, auf die Menschen be-
ängstigend und erschreckend wirkt, so ist es auch bei Thieren beob-
achtet worden. Pferde zitterten, Stubenhunde gingen unruhig umher, eine
Ziege riss sich im Stalle los, Tauben flogen erschreckt und ängstlich
auf, als sei ein Raubvogel unter sie gefahren, Hühner suchten sich zu
verstecken, selbst die Inseeten zeigten eine grosse Beunruhigung (30,
104, 136, 153, 271, 323, 347 u. 399).
Witterung.
Obwohl die Witterungsverhältnisse in keinerlei Zusammenhang
mit dem Erdbeben stehen dürften, so mögen sie doch zur Vervollstän-
digung des Bildes angegeben werden.
Uebereinstimmend heisst es, dass die Temperatur ausserordentlich
schwül und heiss gewesen. Die Luft war bleischwer. Das Thermo-
meter zeigte meist über 25° C. Dazu herrschte zumeist Windstille, ,
seltener wird von bewegter Luft berichtet. In Landeck (129), Petrigau
(377), Töppendorf (399) ete, ging ein Windstoss der Erschütterung unmittel-
II. Abtheilung. Naturwissenschaftliche Section. 73
bar vorauf. Der Himmel war klar, oft zeigten sich allerdings Gewitter-
wolken am Horizont. Später zwischen 11 und 2 Uhr etwa entluden
sich über fast ganz Schlesien zahlreiche, oft sehr schwere Gewitter. Sie
werden aus der Grafschaft Glatz wie aus dem Hirschberger Kessel und
allenthalben her berichtet, ja aus Sprottau und selbst Neusalz. Die Ge-
witter waren meist von wolkenbruchartigem Regen begleitet und gingen
oft mit verheerender Gewalt nieder.
Zusammenfassender Bericht.
Das Bild des Erdbebens, welches sich aus der kritischen Be-
handlung des. vorliegenden Nachrichtenmaterials ergiebt, sei im Folgenden
zur eingehenderen Begründung unseres Erklärungsversuches nochmals in
Kürze zusammengefasst:
1. Das Erdbeben ging von 2 Centren, Gebieten der Stärkewirkung
6. Grades aus: |
einem kleineren, in OSO—WNW-Richtung langgestreckten bei
Reichenbach,
einem grösseren bei Strehlen, das sich mehr kreisförmig dar-
stellt; diesem Gebiet ist eingelagert ein solches erhöhter
(7. Grad) Stärkewirkung, dessen Form eine in SSW—NNO-
Richtung langgestreckte Ellipse ist. Es liegt diese BRllipse
hart am W-Rande des Strehlener Centrums.
2. Zwischen diesen beiden Gebieten stärkster Wirkung liegt eine
Zone auffallend geringer Stärke (4. Grad) bei Nimptsch: sie er-
streckt sich in SO—NW -Richtung.
3. Das Gebiet im $. des Reichenbacher Centrums ist nur mässig
stark erschüttert worden (zumeist 4, Grad, seltener 5. Grad); da-
gegen reicht in direeter Fortsetzung des letzteren nach WNW
die Erschütterung sehr weit: bis zum Hirschberger Kessel. Ebenso
ist das Gebiet im N. des Zobtens nur schwach betroffen worden.
4, Im N, dieser Gebiete macht sich durch erhöhte Stärkewirkung
(6.—7. Grad) eine Linie bemerkbar: Langenöls— Gurtsch—
Tsehansehwitz—Olbendorf—Petersheide, die man wohl als Bruch
ansprechen darf.
5. Die Stossrichtung war im Strehlener pleistoseisten Gebiete, wie
zwei objeetive Beobachtungen (Reichau, 214, Strehlen, 397) zeigen:
S—N. Die gleiche Stossrichtung geben die meisten subjectiven
Berichte an. Für das Reichenbacher Centrum liegen objective
Beobachtungen der Stossrichtung nicht vor, doch melden die sub-
jeetiven Berichte in guter Uebereinstimmung zumeist O—W.
6. Der Zeitpunkt des Eintrittes des Erdbebens war in beiden Centren
der gleiche; die frühesten Meldungen liegen von Diersdorf und
Tepliwoda vor: 9 Uhr 27 Min., d. h. von dort, wo sich die beiden
Mann Jahresbericht der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur.
Centren einander am meisten nähern. Weiter pflanzte sich die
Erschütterung im östlichen Theile gleichmässig von der Zone
stärkster Erschütterung nach O, N und $ fort, im westlichen
dagegen am schnellsten nach WNW. Nach innen zu, d. h. im
östlichen Theil nach W, im westlichen nach O, bewegte sich
die Erschütterung ausserordentlich langsam (pag. 64).
Theoretische Betrachtungen und Ergebnisse.
Seinem Ursprung nach ist das Beben vom 11. Juni als ein tecto-
nisches oder Dislocationsbeben zu betrachten, d, h. es wurde durch
eine Bewegung grösserer Theile der Erdkruste hervorgerufen. Die Erklä-
rung der Erschütterung durch vulkanische Vorgänge ist durch das Er-
löschen vulcanischer Thätigkeit in Schlesien seit der Tertiärzeit, die Deutung
als Einsturzbeben ausser durch die grosse Verbreitung schon durch den
Nachweis zweier getrennter Hauptschüttergebiete ausgeschlossen.
Das Erdbeben vom 11. Juni 1895 ist auf die Sudeten und ihr
schlesisches Vorland beschränkt geblieben und hängt aufs engste mit
dem Bau dieses Stückes der Erdoberfläche zusammen. Schlesien, wie
fast das gesammte, nördlich der Alpen gelegene Mittel - Europa ist
Schollenland, d. h. es sind für seinen Bau und sein Relief Rupturen
(d. h. Verwerfungen) verschiedenen Alters und verschiedener Richtung
maassgebend geworden. Besonders wichtig wurden für seinen Bau
mehrere nach der Kreidezeit entstandene Bruchsysteme: ihnen gehören
insbesondere diejenigen Brüche an, deren in der Oberflächengestaltung
als Grenze des Diluviums sich am deutlichsten hervorhebenden wir in
der von Goldberg bis Jauernig fast ununterbrochen zu verfolgenden
Randlinie!) erblicken, Längs dieser Verwerfungen wurde der östliche
und der westliche Flügel des Gebirges in ein verschiedenes Niveau
gebracht. Den westlichen Theil sind wir gewohnt als eigentliche Su-
deten, den östlichen, in tieferer Lage befindlichen Abschnitt im morpho-
logischen Sinne als sudetisches Vorland zu bezeichnen. Dieses Vorland
der Sudeten, in welchem das pleistoseiste Gebiet, demnach auch der
Ursprungsort unseres Bebens, gelesen ist, wird seinerseits wiederum
gleich der Gneissscholle des Eulengebirges von Bruchlinien verschiedener
Richtungen begrenzt und durchsetzt und durch dieselben in eine Anzahl von
Einzelschollen zerlegt, bei denen die geringste Lageveränderung Ursache
eines Erdbebens "werden muss.?) Das mittelschlesische Vorland der Su-
deten im $. vom Eruptivstock des Zobtens erweist sich als die zer-
:) Suess, Antlitz der Erde, Il, p. 129. — Gürich, Erläuterung zur geo-
logischen Uebersichtskarte von Schlesien, p. 172.
2) Vergl. auch Credner, Zeitschrift für Naturwissenschaften, Halle a. S.
1884, p. 28.
II. Abtheilung. Naturwissenschaftliche Section. 75
stückte Fortsetzung der Gneisszone des Eulengebirges und lässt sich,
soweit die Gneissschollen aus dem umhüllenden Diluvium herausragen,
in 4 Complexe theilen: 1) das Gebiet von Strehlen, in welchem wiederum
drei Stücke von verschiedenem Streichen unterschieden werden,') 2) das
Gebiet im $. von Reichenbach bei Langenbielau, 3) dasjenige nördlich von
Reichenbach und 4) die nordsüdlich streichenden Zonen um Nimptsch,
Alle vier Gebiete besitzen abweichendes Gebirgsstreichen und dürften
sämmtlich durch Brüche von einander geschieden sein,?) deren genauer
Verlauf aber dureh die Diluviaibedeckung unseren Blicken entzogen
wird. Die letzteren beiden zusammen sind als die gemein-
sam bewegte Scholle anzusehen, deren Bewegung die Er-
schütterung verursachte.
Dass zunächst die Bewegung, welche zwei getrennte Hauptschütter-
gebiete hervorrief, auf eine gemeinsame Ursache zurückgeführt werden
muss, beweist vor allem der gleichzeitige Eintritt der Erschütterung in
beiden (Diersdorf und Tepliwoda 9 Uhr 27 Min... Wollte man schema-
tisch nach Iso- und Isochronen eine Verbindung beider Hauptschütter-
gebiete construiren, so erhielte man als gemeinsamen Punkt etwa Kobelau
am S-Ende der Nimptscher Gneissscholle.. Diese gemeinsame Ursache
war, wie oben gesagt, die Bewegung einer aus mehreren verschiedenen
Stücken zusammengesetzten Gneissscholle, welche die Platte nördlich
von Reichenbach und diejenige von Nimptsch umfasste.
Die stärksten Stosswirkungen übte die Schollenbewegung an ihren
disloeirten Rändern aus, die etwa den grössten Achsen der als lang-
gestreckte Ellipsen sich darstellenden Hauptschüttergebiete entsprechen.
Ob diese Ränder einheitliche, oder, wie es vielleicht wahrscheinlicher
ist, aus mehreren Verwerfungen zusammengesetzte Brüche sind, lässt
sich vorderhand nicht entscheiden. Wir erhalten so die Umgrenzung
der bewegten Schollen: im $ und O etwa die Achsen der genannten
Ellipsen, im N der Langenöls-Olbendorfer Bruch, Der W-Rand der
bewegten Scholle zwischen Peterswaldau und dem Zobten ist durch
starke Diluvialbedeckung verhüllt.. Die eigentliche Bewegung der
Scholle fand, wie aus der Stärke und Fortpflanzung des
Bebens hier erhellt, am S- und O-Rande statt und zwar am
O-Rande in verstärktem Grade. 1
Für die nähere Art und Weise der Bewegung möge im folgenden
ein Erklärungsversuch gegeben werden, der allen Ergebnissen der Unter-
suchung möglichst gerecht wird und so dem thatsächlichen Vorgang
vielleicht entsprechen dürfte.
1) Schumacher, Zeitschrift der Deutschen geologischen Gesellschaft,
1878, p. 497 ff.
2) Gürich I. c. p. 28.
76 Jahresbericht der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur.
Es handelt sich, wie pag. 61 gezeigt, in den Hauptschüttergebieten
um eine verticale Bewegung. Für die Erklärung der genauen Art sind
die indifferente Zone bei Nimptsch, wie die Stossrichtung wichtig.
Erstere bildet an der SO-Ecke, dem Anfangspunkt der Ersehütterung,
beginnend, die Diagonale der bewegten Scholle. Die Erschütterung
ferner pflanzte sich vom S-Rand der bewegten Scholle aus stärker nur
nach WNW fort, d.h. in genauer Fortsetzung des Reichenbacher Centrums
und zwar sehr weit, nach N und 5 dagegen nur sehr schwach. Vom
O-Rande pflanzte sie sich ziemlich gleichmässig in grosser Ausdehnung
nach S, O und N fort, am stärksten nach O. N
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erschüttert w | &
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gehobe 5, Tepliwoda
"er Rand Gesenktes SO-Ende der
en Drehungsachse
erschüttert ; Petersheide ©
Schematische Darstellung zur Erklärung des Bewegungsvorganges.
Eine derartige Ausbreitung muss zu Stande kommen, wenn die
Scholle, die etwa die Form eines Rechtecks hat, sich um ihre Diagonale
— hier die indifferente Nimptscher Zone — als Drehungsachse bewegt.
Diese Diagonale muss Drehungsachse gewesen sein, weil die Haupt-
erschütterung am S- und Ö-Rande stattfand. Es muss also an einem
Rande eine Senkung, am anderen eine Hebung stattgefunden haben.
Die Senkung, d. h Raumverminderung, erfolgte dort,
wo die Wirkung am heftissten war, d.h. wo die Erschütterung
allseitig und zwar am stärksten nach aussen sich ver-
breitete. Das ist der Fallam O-Rande,
Die Hebung, d. bh. Raumerweiterung, fand dort statt, wo
die Erschütterung sich hauptsächlich in der Richtung des
‚Randes fortpflanzte. Das ist der Fall am $-Rande,
Bei einer derartigen Bewegung kann auch die Wirkung auf
der Drehungsachse selbst nur eine minimale gewesen sein. Dass
hier aber die Stärke immerhin noch 4. Grades war, dürfte seine
II. Abtheilung. Naturwissenschaftliche Section. 77
Ursache einmal in der Diluvialdecke (pag. 58 u. 65), dann aber auch in
einer wenn auch geringen Bewegung der Drehungsachse selbst haben.
Dass dieselbe sich auch thatsächlich an ihrem SO-Ende — dem Aus-
gangspunkte des Bebens — etwas gesenkt haben muss, geht auch
daraus hervor, dass die Hauptwirkung im Wesentlichen anf den $- und
O-Rand der bewegten Scholle beschränkt blieb. Stärker wurde nur
noch der dem O-Rande zunächst liegende Theil des N-Randes erschüttert.
Dagegen blieben, wie es mit einer derartigen Bewegung der Scholle voll
im Einklang steht, die NW-Ecke, sowie der W-Rand von den directen
Bewegungswirkungen verschont und verhielten sich der Erschütterung
gegenüber, wie nicht zur bewegten Scholle gehörige Gebiete.
Man könnte diese Art von Dislocationsbeben als Schaukelbeben
bezeichnen.
Auch diese Erderschütterung, wie die meisten der früheren in
Schlesien, war nur von mässiger Stärke und war nicht geeignet, durch
verheerende Wirkungen die Aufmerksamkeit weitester Kreise auf sich
zu lenken. Allein gerade eine derartige schwächere Bewegung er-
möglicht es uns um so besser, in das Wesen seismischer Thätigkeit
tiefer einzudringen, als ohne Trübung seiner Erinnerung durch den Schrecken
der Beobachter, was er erlebt hat, objectiv und klar wiedergiebt.
Ueber hochgespannte Wechselströme hoher Frequenz
(Teslaströme).
Von
Dr. Mützel.
Die meisten Forscher, welche sich mit Versuchen über hoch-
gespannte Hochfrequenzströme beschäftigt haben, benutzten zur Erzeugung
derselben eine Wechselstrommaschine oder ein grosses Induetorium.?)
Wenn die Spannung der von der gegebenen Wechselstrommaschine ge-
lieferten Ströme nicht ausreichen sollte, so kann ja dieselbe durch
Transformatoren zu jeder beliebigen Höhe gesteigert werden, die Spannung
der von einem grossen Inductor gelieferten Elektrieität ist ohne Weiteres
für die verlangten Zwecke hoch genug. Bei der Auswahl der Strom-
erzeugungsquellen ist man jedoch nicht nur auf die beiden genannten
Arten beschränkt, sondern man kann mit grossem Vortheil auch eine
Gleiechstrommaschine verwenden, welche aber, da der Gleichstrom nicht
transformirbar ist, neben genügender Stromstärke von vorn herein sehr
hohe Spannung erzeugen muss. Dies ist nun zwar aus praktischen
Gründen bei keiner Gleichstrom-Dynamomaschine der Fall, wohl aber
Y) Cf. Himstedt, Ueber Versuche mit Tesla-Strömen. Wied. Ann. Bd. 52,
p. 473.
78 Jahresbericht der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur.
bei einer grossen, vielplattigen Influenzmaschine, wie sie Töpler con-
struirt hat. Da mir eine geeignete Wechselstrommaschine nicht zur
Verfügung steht, benutze ich für meine Versuche eine Influenzmaschine,
welehe ich aus verschiedenen Gründen, die schon Töpler!) öfters in
Wiedemann’s Annalen bei seinen Arbeiten besprochen hat, dem Rühm-
korff’schen Inductorium vorziehe.
Führt man die aus dem positiven und negativen Conductor strömende
Elektrieität den beiden Belegungen eines Condensators zu, welche ausser-
dem durch eine Funkenstrecke mit einander in Verbindung stehen, so
hat man es durch Regulirung der Funkenstrecke in der Hand, die
Spannung beliebig hoch zu treiben. Erfolgt nun im Entladungsfunken
der Ausgleich der Ladungen, so geschieht dies, worauf es hier wesentlich
ankommt, nicht in Form einer einfachen Entladung, sondern es treten
im Funken eine grosse Anzahl ungeheuer schnell auf einander folgender
Partialentladungen wechselnder Richtung auf. Die Zeit einer solchen
Einzelentladung beträgt nur Bruchtheile einer milliontel Secunde. Man
sagt in diesem Falle, es findet eine oseillatorische oder osecillirende
Entladung statt. Da also diese Entladungen in stets wechselnden
Richtungen erfolgen, so erhalten wir damit die sogenannten Wechsel-
ströme hoher Frequenz oder Hochfrequenzströme. Bringt man nun diese,
zwar bereits recht hoch gespannten Ströme durch einen Transformator
auf eine sehr hohe Spannung, so bekommt man die eigentlichen Tesla-
ströme, welche höchste Spannung mit höchster Frequenz verbinden und
durch ihre auffallenden, z. Th. prachtvollen Erscheinungen Bewunderung
zu erregen geeignet sind.
Wenn man versucht Teslaströme zu erzeugen, so ist es durchaus
nicht gleichgültig, was für Condensatoren, welche Verbindungen, und
was für einen Transformator man anwendet. Die Verbindungen sind
insofern von Wichtigkeit, als der oscillatorische Charakter der Condensator-
entladungen nur dann stattfindet, wenn der Widerstand der Leitung sehr
klein ist. Ferner muss die Grösse des Condensators mit der Construction
des Transformators zusammen passen; denn von der Plattengrösse hängt
die Capacität, und von dieser die Geschwindigkeit der Einzelentladungen
oder der von da ausgehenden Schwingungen ab. In Folge einer erst
später zu besprechenden Erscheinung ist jedoch nicht jede Primär-
wickelung eines Transformators geeignet, eine Schwingung von beliebiger
Periode ungeschwächt hindurchzulassen. Ich habe es nach mehrfachen
Versuchen zweckmässig gefunden, zwei grosse Leydener Flaschen von
11,5 em Durchmesser und 36,5 em Höhe der Belegungen mit einander
‚parallel zu schalten; ich führe den beiden äusseren Belegungen die eine,
den beiden inneren Belegungen die andere Elektrieität von der Maschine _
!) Wied. Ann. Bd. 46, 1892, p. 306 ff.
II. Abtheilung. Naturwissenschaftliche Section. 79
zu und verbinde ausserdem die äusseren Belegungen mit der einen
Klemme, die inneren durch die Primärrolle des Transformators hindurch
mit der anderen Klemme der regulirbaren Funkenstrecke. Letztere
ist in einem mit Filz ausgefütterten Kasten eingeschlossen, damit das
Auge nicht durch die besonders bei verdunkeltem Zimmer grell leuchten-
den Funken geblendet werde, damit ferner das laute Knallen derselben
sedämpft werde und das Sprechen nicht störe, endlich um die unan-
senehme, sehr reichliche Ozonbildung von der Umgebung abzuhalten.
Es ist von Ebert als vortheilhaft gefunden worden, die Funken zwischen
Zinkkugeln überspringen zu lassen. Der Tesla-Transformator besteht
aus der bereits erwähnten Primärrolle, welche 10 Windungen aus starkem
Kupferdraht enthält, und der aus 200 Windungen gebildeten Secundär-
rolle dünnen Drahtes. Da in ihm die ankommenden Ströme ungemein
hoch hinauf transformirt werden, so ist die denkbar beste Isolirung
durchaus erforderlich. Zu diesem Zweck sind beide Spiralen von ein-
ander durch einen dicken Cylinder aus Hartgummi getrennt und in ein
Glasgefäss mit bestem, säurefreien Maschinenöl gesenkt; ferner ist durch
Auskochen unter der Luftpumpe jede Spur von Luft entfernt worden,
da sich gezeigt hat, dass besonders Luftbläschen das Durchschlagen von
einer Spirale zur anderen begünstigen. Während die Spannung der von
den Condensatorbelegungen kommenden und durch die Primärspirale
gehenden Elektrieität je nach der Stellung der Funkenstrecke etwa bis
10 000 Volt steigen mag, beträgt die Spannung an den Klemmen der
Secundärspirale des Tesla-Transformaiors, nach der Funkenlänge ge-
schätzt, etwa 100 000 Volt. Um nun Versuche mit Teslaströmen aus-
zuführen, habe ich nur nöthig, die Maschine durch einen Elektromotor
in Gang zu setzen, die Funkenstrecke geeignet zu reguliren und an die
Klemmen der Secundärspirale (Pole des Tesla-Transformators) die Apparate
anzuschliessen.
Die erste auffallende, ja man kann sagen wunderbare Eigenschaft
der hochgespannten Hochfrequenzströme ist ihre physiologische Unwirk-
samkeit. Wenn ich einen in der Hand gehaltenen Draht, einen Schlüssel
oder dergl. in die Nähe eines der Transformator-Pole halte, so springen
fortgesetzt lautknallende, lange Funken über, ohne dass ich eine
Empfindung davon habe. Lasse ich die Funken direct in einen Finger
springen, so spüre ich nur ein geringes Stechen. Die Erscheinung ist
daraus zu erklären, dass einmal die Ströme nur auf der Oberfläche des
Körpers bleiben, also gar nicht in die tieferen Hautschichten zu den
Nervenendigungen vordringen, dann aber auch, dass die Nerven, selbst
wenn sie getroffen werden sollten, zu träge sind, so ungeheuer schnell
_ wechselnden Anreizungen zu folgen. Leite ich einen Pol des Trans-
formators zur Erde ab, indem ich ihn durch einen Draht mit der Gas-
leitung in Verbindung setze, und verbinde den anderen mit einer isolirt
so Jahresbericht der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur.
aufgestellten grossen Metallkugel, so ist der ganze Raum um die Kugel
herum von wirksamen, unsichtbaren Teslastrahlen erfüllt, die sich be-
sonders schön durch das helle Aufleuchten Geissler’scher Röhren be-
merkbar machen. Man kann die Geissler’schen Röhren ziemlich weit
von der Kugel entfernt halten, ohne dass sie zu leuchten aufhören. Viel
intensiver wird die Erscheinung, wenn man eine Hand direct auf die
Kugel legt und mit der anderen die Röhre erfasst. Es ist auch möglich,
die elektrische Erregung durch eine ganze Reihe von Personen fort-
zupflanzen, indem der erste die Kugel berührt, während der letzte die
Röhre in die Hand nimmt. Dabei hat keine der betheiligten Personen
irgend eine Empfindung, trotzdem die die Geissler’sche Röhre erregende
Elektrieität durch dieselben hindurchgeht. Man kann auch aus der
Kugel, wie vorhin aus dem Pol, lange, lautknallende Funken ziehen.
Hier zeigt sich auch, dass die elektrischen Strahlen durch dieke Holz-
platten ungehindert hindurchgehen; denn wenn ich über die Kugel ein
dickes Brett und dahinter die Röhre halte, so ist keine Verminderung
des Leuchtens zu bemerken. Wenn ich von einem Pol aus einen 7 m
langen dünnen Draht durch das Auditorium spanne, so leuchtet derselbe
in seiner ganzen Länge hell auf, indem von allen seinen Theilen herrliche
Büschelentladungen ausgehen, die sich erheblich verlängern, wenn man
die Hände in die Nähe hält. Dieser Versuch erscheint mir besonders
vortheilhaft, weil dadurch allen Zuhörern leicht Gelegenheit gegeben
werden kann, die Unschädlichkeit der starken aus dem Draht gezogenen
Funken aus eigener Anschauung kennen zu lernen. Schliesse ich an
beide Pole zwei 4 m lange Drähte an, welche in mässigem Abstand
von einander parallel gezogen sind, so entsteht zwischen ihnen ein
schönes leuchtendes Lichtband. Es muss dabei nur für gute Isolation
der Enden gesorgt sein. Ein ebenso schönes Bild ergiebt sich, wenn
ich den einen Pol des Transformators mit einem isolirt aufgestellten
Drahtkreis, und den anderen mit einem dem ersten concentrischen, be-
deutend grösseren Drahtkreise verbinde. Es tritt dann zwischen beiden
ein hell leuchtender Ring auf, der sich, sofern ich durch Veränderung
der Funkenstrecke die Spannung erhöhe, zu einer abgestumpften Kegel-
fläche erweitern lässt, indem ich den einen Kreis senkrecht gegen die
Ebene des anderen verschiebe. WVerbinde ich einen Pol mit einer
Stannioltafel, lege über dieselbe eine Glasplatte und halte den mit dem
anderen Pol verbundenen Draht über die Glasplatte, so bilden sich bei
jeder Entladung intensiv leuchtende, prachtvolle Funkenverästelungen
rings um die Ansatzstelle des Drahtes aus, ohne dass die Glastafel durch-
bohrt wird. Noch viel schöner treten diese Verästelungen auf, wenn ich
den einen Poldraht in ein grösseres Glasgefäss mit schwach angesäuertem,
Wasser stecke, und den anderen Draht an den Aussenwandungen hin
und her bewege. Es erscheint dann das Bild durch das Glas hindurch
II. Abtheilung. Naturwissenschaftliche Section. 81
gesehen wegen der auftretenden Brechung bedeutend vergrössert. Solche
Funkenverästelungen bekommt man nicht nur von der Spitze eines Pol-
drahtes aus, sondern auch von allen Punkten eines ausgedehnten Leiters,
was sich besonders anschaulich machen lässt, wenn man aus dünnem,
isolirten oder blanken Draht einen Namenszug herstellt und diesen auf
eine Glasplatte klebt, unter welcher sich eine Stanniolbelegung befindet.
Ich habe so den Namenszug ‚‚Tesla“ hergestellt. Verbinde ich diesen
und die Stanniolplatte mit den Transformator-Polen, so gehen von allen
Punkten des Namenszuges kleinere Funkenverästelungen aus, so dass
der Name in seiner ganzen Ausdehnung hell leuchtet, während die Um-
sebung sich in Dunkelheit befindet. Eine neue Erscheinung ergiebt sich,
wenn ich die beiden Pole mit zwei Stanniolplatten verbinde, welche über
Glasstangen in einer Entfernung von 10 cm von einander parallel herab.
hängen. Es gehen dann die Entladungen in Form von leuchtenden
Strahlen geradlinig zwischen beiden Platten über, so dass der ganze
Raum zwischen ihnen davon erfüllt ist. Hier bildet sich das sogenannte
Hochfrequenzfeld aus, welches Tesla in besonders grossartigem Maass-
stabe dargestellt hat. Um die Eigenschaften desselben ebenfalls zeigen
zu können, verbinde ich zwei, je 1 qm grosse Zinkblechtafeln, welche
ich in einer gegenseitigen Entfernung von 35 m sehr gut isolirt über
Glasstäbe aufhänge, durch gut isolirte Drähte mit den Polen des Trans-
formators. Die Entladungen sind nun zwar nicht mehr wie vorhin direct
sichtbar, werden aber sofort durch das Leuchten der Geissler’schen
Röhren nachgewiesen; denn wenn ich mich irgend wohin in den Raum
zwischen den beiden Platten stelle, leuchten Geissler’sche Röhren,
welche ich in die Hand nehme, hell auf. Die Zahl der Röhren scheint
fast gleichgültig zu sein; ich kann gleichzeitig in jede Hand zwei Röhren
nehmen, eine in die Brusttasche stecken und endlich eine in den Mund
nehmen, alle leuchten mit unverminderter Helligkeit. Ich selbst spüre
nicht das geringste davon. Uebrigens leuchtet jeder luftverdünnte oder
luftleere Glaskörper, also auch alle Formen Crookes’scher Röhren oder
auch elektrische Glühlampen. Jeder leitende Körper, welcher in dem
Hochfrequenzfeld aufgestellt wird, zieht in sich eine grössere Anzahl
von den bei der Entladung auftretenden Wellen in sich hinein, so dass
man aus ihm Funken herausziehen kann. Dies thut auch der mensch-
liche Körper. Daher leuchten die von ihm berührten Röhren heller als
die nicht berührten, frei daliegenden. Ich kann auch die elektrische
Erregung aus dem Hochfrequenzfeld hinausleiten, indem ich das eine
Ende eines langen dicken Drahtstückes erfasse, während einer der
Zuhörer das andere Ende ergreift. Giebt dieser nun seine andere Hand
einem zweiten u. s. f., so leuchtet auch jetzt, wie bei dem anfangs er-
wähnten Versuch, eine Geissler’sche Röhre mit genügender Helligkeit.
Tesla selbst hat dieses Hochfrequenzfeld in sehr grossem Maassstabe
18%, 6
RD
82 | Jahresbericht der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur.
dargestellt und ist .der festen Ueberzeugung, dass es gelingen müsse
sich in Zukunft auf die bequemste Weise nach Analogie der genannten
Versuche Licht zu verschaffen; man hat nur nöthig gegenüberliegende
Wände des Zimmers mit Metallplatten zu versehen, welche unter der
Tapete verborgen sein können, da ja die elektrischen Strahlen das Papier
ohne Weiteres durchdringen, und die Metallplatten mit den Polen des
Tesla-Transformators in Verbindung zu setzen. Kommt dann Jemand in
das dunkle Zimmer und zieht aus der Tasche die mitgeführte luftleere
Glasbirne oder -Kugel hervor, so leuchtet sie in seiner Hand und spendet
das gewünschte Licht. Bis jetzt sind wir aber noch nicht in der Lage,
auf dem eben genannten Wege Lichteffeete zu erhalten, welche unseren
berechtigten Ansprüchen an Helligkeit genügen könnten; daher theilen
auch unsere ruhiger denkenden Physiker diese wohl etwas überschweng-
liche Hoffnung nicht, sondern suchen das Ziel auf einem anderen Wege
zu erreichen. In dieser Hinsicht verspricht einen grösseren Erfolg die
sogenannte „‚Luminiscenzlampe‘ von Professor Ebert,!) welche folgender,
maassen eingerichtet ist. Eine auf einem Stativ befindliche Glaskugel
ist möglichst luftleer gepumpt; in dieselbe ragt ein eingeschmolzener
Glasstab auf, welcher genau im Centrum der Kugel eine Pasta aus
Leuchtfarbe trägt. An zwei gegenüberliegenden Stellen der Oberfläche
sind Ringe aus Stanniol aussen aufgeklebt, welche vermittelst kleiner
Häkchen mit den von den Polen des Transformators kommenden
Drähten in Verbindung gesetzt werden können. Sobald die elektrischen
Schwingungen erregt werden, gehen von deu Stanniolbelegungen senk-
rechte Strahlen in’s Innere der Kugel, welche sämmtlich im Centrum
zusammentreffen und dort die Leuchtfarbe zu lebhafter Fluorescenz ver-
anlassen. Das davon ausgehende Licht kann durch die freien Theile der
Glaskugel ausstrahlen. Eine solche Lampe verbraucht eine ungemein
geringe Energiemenge, so dass die Oekonomie solcher Lampen eine
sehr grosse ist. Zunächst ist jedoch die Leuchtkraft noch verhältniss-
mässig gering, wenn man sie mit den gegenwärtig gebräuchlichen Lampen
vergleicht. Wenn es aber gelingt, auf dem angegebenen Wege eine
hellleuchtende Lichtquelle zu schaffen, so dürfte damit in der That die
Lampe der Zukunft gegeben sein.
Es wird vielleicht mancher fragen, wozu es denn nöthig oder-
wünschenswerth sei, eine neue Beleuchungsart zu erfinden, da ja das
elektrische Licht, die verschiedenen Arten des Gasglühlichtes, das Acetylen-
licht und andere Lichtarten den Bedürfnissen der Menschheit nach hellem,
gutem Licht bereits vollständig entsprechen. Da ist zu beachten, dass
bei der Erzeugung irgend eines Lichtes, welches wir bisher besitzen,
stets der grösste Theil der aufgewandten Energie zunächst in Wärme
*ı) Wied. Ann. Bd. 53, 1894, p. 144 Sf,
II. Abtheilung. Naturwissenschaftliche Section. 83
verwandelt wird, und dass, erst wenn eine sehr hohe Hitze erreicht ist,
Lieht auftritt, zu dessen Erzeugung nur ein ganz geringer Bruchtheil der
Energie verwendet wird. Bei der Beleuchtung wird nun diese Wärme
fast nie ausgenützt, so dass sie thatsächlich als verloren zu bezeichnen
ist. Es findet somit eine grosse Kraftvergeudung statt. Wenn es nun
durch irgend ein Mittel gelingt, die zur Verfügung stehende Energie
ohne Vermittelung von Wärme direet in Licht überzuführen, so ergiebt
sich daraus eine enorme Kraftersparniss, damit aber auch eine grosse
Ersparniss an Geld. Dass die Entstehung von Licht ohne Wärme nicht
zu den Unwahrscheinlichkeiten oder gar Unmöglichkeiten gehört, beweist
uns die Natur selbst, indem sie manchen Thieren die bewundernswerthe
Eigenschaft gegeben hat, Licht zu erzeugen, wie den bekannten Johannis-
würmern und -Käfern, vielen amerikanischen Leuchtkäfern, vielen In-
fusorien, manchen Tiefseefischen und anderen Seethieren. Uns bietet sich
in den phosphoreseirenden Körpern ein brauchbares Mittel der Licht.
erzeugung ohne Wärme. Indem dieselben durch die Einwirkung elektrischer
Strahlen zum starken Leuchten gebracht werden können und dabei nur
eine verschwindend kleine Menge von Energie verbrauchen, darf wohl
mit grosser Wahrscheinlichkeit angenommen werden, dass es einmal ge-
lingen wird, auf diesem Wege, ähnlich wie bei der Ebert’schen
Luminiscenz-Lampe, eine Lampe der Zukunft herzustellen. Um diese
aber überall anzuwenden, ist es nothwendig, die elektrische Energie an
beliebige Orte leiten zu können. Bei dem Versuch, dies zu thun, stossen
wir jedoch auf eine unerwartete Schwierigkeit. Ein einfacher Versuch
möge dies erläutern.
Wenn ich die inneren Belegungen zweier Leydener Flaschen mit
den Conductoren der Maschine verbinde und die äusseren durch eine
kleine Glühlampe schliesse, so leuchtet bei geeigneter Stellung der mit
den inneren Belegungen verbundenen Funkenstreecke der Kohlefaden
der Lampe. Verbinde ich die Zuführungsdrähte zur Lampe durch einen
kurzen, dieken Draht, stelle also einen sehr guten Kurzschluss her, so
hört natürlich das Leuchten auf, Benütze ich aber zur Verbindung einen
längeren, wenn auch dieken, Draht — im vorliegenden Falle ist derselbe
1 m lang — so tritt die wunderbare Erscheinung ein, dass die Lampe
zu leuchten fortfährt, obgleich der galvanische Widerstand des Drahtes
kaum 0,003 Ohm beträgt, also der Draht auch noch einem Kurzschluss
gleich zu achten ist. Die Erklärung für diese Erscheinung liegt darin,
dass in jedem Leiter von einiger Länge durch die ungeheuer schnell
wechselnden Hochfrequenzströme Extraströme von solcher Intensität her-
. vorgerufen werden, dass der ursprüngliche, die Induction veranlassende
Strom sehr geschwächt wird, Da nun die Grösse der Selbstinduetion
in diesem Falle das Störende ist, und nicht der galvanische Widerstand,
50 spricht man von einem induetiven Widerstand; die darauf beruhende
6*
34 Jahresbericht der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur.
Hinderung der Fortleitung der Hochfrequenzströme nennt man „Impedanz“.
Je grösser die Entfernung ist, desto mehr macht sich natürlich auch die
Wirkung der Impedanz bemerkbar.
Wenn es somit auch nicht möglich ist, die zum Leuchten der Lumi-
niscenz-Lampe nöthigen Hochfrequenzströme trotz ihrer hohen Spannung
auf grosse Entfernungen weiter zu leiten, so ist es ja, wie Ebert an-
giebt, gar nicht nöthig, von Anfang an in einer Centralstelle Hochfrequenz-
ströme zu erzeugen, sondern man kann hochgespannte Elektrieität von
geringer Wechselzahl, also die gewöhnlichen Wechselströme, wie sie in
den modernen Wechselstrommaschinen erzeugt werden, in die Fern-
leitungen senden und erst an den Verbrauchsorten in einem besonderen
Apparat, welcher aus Condensator, Funkenstrecke und Tesla-Transformator
besteht, in Ströme sehr hoher Frequenz und sehr hoher Spannung um-
formen. Da jede Lampe nur sehr wenig Energie beansprucht, könnte
auch mit jeder einzelnen Lampe ein solcher Apparat von verhältnissmässig
geringem Umfange verbunden werden. Somit wäre die Schwierigkeit
der Fernleitung im Prineip überwunden, und es handelt sich nur noch
um die Erfindung einer Lampe, welche etwas mehr Licht giebt, als es
die bis jetzt bekannten ersten Erfindungen aufweisen. Hoffen wir dies
von dem nächsten Jahrhundert, in welchem wohl noch mehr, als es
bereits jetzt der Fall ist, die Elektrieität im Culturleben der Menschheit
die führende Rolle übernehmen wird.
Breslau, Physikalisches Institut der Universität. 1895.
| Sitzung am 24. Juli,
Ueberführung aliphatischer Oxime in Pyridinderivate.
Von ‘
Dr. M. Scholtz.
Unter den zahlreichen Synthesen substituirter Pyridine befindet sich
keine, welche die Bildung des Pyridinringes aus einer aliphatischen
Kette in so einfacher Weise veranschaulicht, wie dies durch die Ueber-
führung des Pentamethylendiamins in Piperidin für den Piperidinring
der Fall ist. Um durch eine ähnliche Reaction zu Derivaten des Pyridins
zu gelangen, ist es erforderlich, von einer sechsgliedrigen Kette mit
abwechselnd einfacher und doppelter Bindung auszugehen. Eine solche
Kette liegt im Oxim des Cinnamylenacetons:
C,H,.CH:CH.CH:CH.C.CH,
HON
vor, welches, wenn sich durch eine Wasserabspaltung eine Bindung,
zwischen dem Stickstoffatom und dem der Phenylsruppe benachbarten
Kohlenstoffatom herbeiführen lässt, in ein Pyridinderivat übergehen muss,
II. Abtheilung. Naturwissenschaftliche Section. 85
Die Darstellung des Cinnamylenacetons wurde 1885 von Diehl
und Einhorn') durch Condensation von Zimmtaldehyd und Aceton aus-
seführt. Zur Ueberführung dieses Ketons in das Oxim werden 4 Th.
salzsaures Hydroxylamin und 8 Th. krystallisirtes kohlensaures Natron
in 20 Th. Wasser gelöst und mit der Lösung von 8 Th. Cinnamylen-
aceton in 30 Th. Alkohol versetzt. Nach kurzer Zeit beginnt eine
körnige Ausscheidung und nach einer Stunde hat sich die Mischung in
einen gelben Krystallbrei verwandelt. Das Oxim ist in heissem Alkohol
leieht löslich und bildet, aus diesem umkrystallisirt, kleine, schwach
selb gefärbte Nadeln, welche bei 153° schmelzen.
Analyse: Ber. Procente: C 77.00, H 6.95.
Gef. - 046.03. 216.88.
Der Versuch, das Oxim durch Einwirkung wasserentziehender
Reagentien zur Wasserabspaltung zu veranlassen, blieb ohne Erfolg.
Erwärmen des Oxims mit Essigsäureanhydrid führte lediglich zur Acetyl-
verbindung, welche aus Alkohol in seidenglänzenden Blättchen krystallisirt
und bei 83° schmilzt.
Analyse: Ber. für C,,H,,NO.C,H,O,
Procente: C 73.36, H 6,55.
Gef, z = 13.60, 2.0.52.
Hingegen nimmt die Reaction den gewünschten Verlauf, wenn das
Oxim der trockenen Destillation unterworfen wird. Beim Erhitzen des
Oxims in der Retorte sublimirt der grösste Theil desselben unzersetzt
und erst gegen Ende der Reaction, wenn die Temperatur schon sehr
hoch gestiegen ist, gehen einige Tropfen von pyridinartigem Geruch über.
Die Reaction wird daher zweckmässig im Verbrennungsrohr in der Weise
vorgenommen, dass die entweichenden Dämpfe durch den stark erhitzten
Theil desselben geleitet werden. Es sammelt sich hierbei in der Vor-
lage neben Wasser eine schwarze, pyridinartig riechende Flüssigkeit,
aus welcher durch die üblichen Reinigungsmethoden eine zwischen 280
und 281° (corr.) siedende Base gewonnen werden kann. Dieselbe geht
bei der Destillation farblos über, nimmt aber schon nach kurzer Zeit
eine gelbliche Färbung an. Mit Wasserdämpfen ist sie flüchtig, Wie
die Analyse zeigt, ist die Base durch Wasserabspaltung aus dem Oxim
entstanden. :
Analyse: Ber. für C,,H,,N.
Procente: C 85.21, H 6.51, N 8.28.
Gef. - = 84,97, = 6.54, = 8.99.
Sie ist demnach als Phenylmethylpyridin aufzufassen.
C,H,.CH:CH.CH;CH.C.CH, C,H,.C:CH.CH:CH.C.CH,
HONG ll ae)
l) Ber. d. deutsch. chem, Ges. 18, 2320.
86 | Jahresbericht der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur.
Man erhält ungefähr 25 pCt. des angewandten Oxims an reiner
Base. Dieselbe bildet ein in rothen Nadeln krystallisirendes, in kaltem
Wasser sehr schwer lösliches Platinsalz, welches, aus heissem Wasser
umkrystallisirt, 1 Mol. Krystallwasser enthält.
Analyse: Ber. für (C,,H,,N. HCl, —+PtCl,+H,0.
Procente: Pt 25.40, C 37.66, H 3.40.
Gef. + = 25.40, = 37.34, = 9.74,
Die exsiccatortrockne Substanz schmilzt unter Zersetzung bei 200°,
Das Goldsalz bildet grosse, goldgelbe, in kaltem Wasser schwer lösliche
Nadeln vom Schmp. 150—151°.
Analyse: Ber. für C,,H,,N.HClAuCl,
Procente: Au 38.61, C 28.34, H 2.36.
Gef. z =/,38.62,,1=2128,20, =1,2.58:
Das Qucksilbersalz bildet seidenglänzende, verfilzte Nadeln, welche
in kaltem Wasser wenig, in heissem sehr leicht löslich sind. Das
Pikrinsäuresalz, aus der alkoholischen Lösung der Base durch alkoholische
Pikrinsäurelösung gefällt, stellt gelbe Nadeln dar, die bei 135° schmelzen.
Analyse: Ber. für 0,,H,,N.C,H,N,O..
Procente: N 14.07.
Gef, - - 13.94.
Was die Stellung der Seitengruppen betrifft, so ist aus der Con-
stitutionsformel des Oxims des Cinnamylenacetons ersichtlich, dass die
Bildung des «-Phenyl-«-methylpyridins zu erwarten ist. Da indessen
die Oxime leicht zu Umlagerungen geneigt sind, so war es erforderlich,
den Stellungsnachweis durch Ueberführung der Base in bekannte Pyridin-
abkömmlinge zu führen. Bei der Oxydation mit der zur Verbrennung
der Methyl- und der Phenylgruppe erforderlichen Menge Kaliumperman-
ganat wurde die Base völlig zerstört. Durch Oxydation mit Chromsäure
wurde eine geringe Menge einer Säure erhalten, welche sich durch die
Analyse als eine Pyridindiearbonsäure erwies und i im Saelannzz! mit
der Dipicolinsäure übereinstimmte.
Mit aller Schärfe wurde ferner die Stellung .der Seitengruppen auf
dem folgenden Wege erwiesen. Wurde die Base nur mit der zur Ver-
brennung der Methylgruppe hinreichenden Menge Kaliumpermanganat
oxydirt, so gelang es nach der für Pyridinmonocarbonsäuren üblichen
Methode durch das Kupfersalz eine in heissem Wasser leicht, in kaltem
schwer, in Alkohol sehr leicht lösliche Säure zu erhalten, welche aus
Wasser in grossen, seidenglänzenden, rosettenförmig zusammenstehenden
Nadeln krystallisirt. Der Schmelzpunkt der Säure liegt bei 109°, doch
schmilzt sie schon unter siedendem Wasser. Die Säure stellt eine
Phenylpyridinmonocarbonsäure dar:
Analyse: Ber. für C,H, .C,H,N. COOH.
Procente: © 72,36, H 4.52, N 7.03.
Gebe ML 238, 203
IT, Abtheilung. Naturwissenschaftliche Section. 87
Sie löst sich mit grösster Leichtigkeit in Salzsäure. Beim Ver-
dunsten der salzsauren Lösung hinterbleibt das salzsaure Salz der Säure
als strahlige Krystallmasse, Das Silbersalz der Säure wird aus der
wässrigen Lösung derselben durch salpetersaures Silber als amorpher
Niederschlag gefällt. Es ist in sehr viel heissem Wasser löslich und
fällt beim Erkalten iu sehr kleinen, sternförmig gruppirten Nadeln aus.
Analyse: Ber. für C,H,.C,H,N.COO As.
Procente: Ag 35.22.
Gef. z 2.,80.03.
Die «-Stellung der Carboxylgruppe wurde zunächst durch die Roth-
färbung wahrscheinlich gemacht, welche die wässrige Lösung der Säure
dureh Eisenvitriol erfuhr, eine Reaction, welche nach den Untersuchungen
Skraups') nur den «-Carbonsäuren des Pyridins zukommt. Ein anderer
Nachweis der Stellung der Carboxylgruppen gründet sich auf die mehr
oder minder grosse Leichtigkeit, mit welcher sich dieselben abspalten
lassen. Während die in der ß- und y-Stellung befindlichen Carboxyl-
gruppen erst bei der Destillation mit Natronkalk abgespalten werden,
tritt die Abspaltung bei den «-Pyridincarbonsäuren schon beim Kochen
mit Eisessig oder beim blossen Erwärmen ein. Beim Erhitzen der oben
beschriebenen Säure über ihren Schmelzpunkt findet zwischen 190 und
200° lebhafte Kohlensäureentwickelung statt, während ein Phenylpyridin
hinterbleibt. Demnach kann der Carboxylgruppe nur die «-Stellung zu-
kommen. Das Phenylpyridin musste sich nunmehr mit einem der drei
überhaupt möglichen Phenylpyridine, welche sämmtlich bekannt sind,
identifieiren lassen, wodurch auch der Stellungsnachweis für die Phenyl-
gruppe erbracht wurde. Da das y-Phenylpyridin bei 77° schmelzende
Blättehen bildet, das &- und B-Phenylpyridin aber ebenso wie die aus
obiger Säure erhaltene Base Flüssigkeiten darstellen, so konnten nur
diese beiden in Betracht kommen. Die charakteristischsten Unter-
scheidungsmerkmale des «- und ß-Phenylpyridins liegen in den Schmelz-
punkten ihrer Pikrinsäuresalze und im Krystallwassergehalt der Platin-
salze.?) Das Pikrinsäuresalz der &-Verbindung schmilzt nach Skraup
und Cobenzl bei 169—172°, das der ß-Verbindung bei 161—163°.
Das Pikrinsäuresalz des von mir erhaltenen Phenylpyridins schmilzt glatt
bei 172°. Ebenso konnte das Platinsalza mit dem des «-Phenylpyridins
identifieirt werden, welches nach Skraup und Cobenzl mit 2 Mole-
külen Krystallwasser krystallisirt, während das der B-Verbindung deren
3 besitzt.
reise: Ber, ‚für (G;H,.C;H, N” Ho), PtCl, 4 2H,0,
Prbenid: Pt 25.74,
Gef. - 23,8%
!) Monatsh. 1886, 211.
?) Skraup und Cobenzl, Monatsh. 1883, 456 und 473.
ss Jahresbericht der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur.
Damit ist die oben beschriebene Base mit Sicherheit als «-Phenyl-
«-methylpyridin und die aus ihr gewonnene Säure als &-Phenyl-«-pyridin-
carbonsäure nachgewiesen.
&-Phenyl-x-methylpiperidin.
Die Reduction des «&-Phenyl-«-methylpyridins mit Natrium und
Alkohol verläuft sehr glatt. Die entstehende Base ist eine bei 257—259°
(eorr.) siedende, farblos übergehende Flüssigkeit.
Analyse: Ber, für C,H,.C,H,N.CH,.
Procente: C 82.28, H 9.71, N 8.00.
Gef. = 282,49, 29.80, 23:00.
Das salzsaure Salz der Base ist in Wasser und Alkohol sehr leicht
löslich und hinterbleibt beim Eindunsten der Lösung syrupartig, dann
harzartig erstarrend. Versetzt man aber die alkoholische Lösung des
Salzes bis zur beginnenden Trübung mit Aether, so scheidet es sich
nach kurzer Zeit in weissen Nadeln ab. Das Goldsalz fällt ölig, erstarrt
aber alsbald zu goldglänzenden, in kaltem Wasser sehr wenig löslichen
Blättehen vom Schmelzpunkte 97°.
Analyse: Ber. für C,H,.C,H,N.CH,.HC1--AuC],.
Procente: Au 38.16.
Gef. - - 38.04.
Platinchlorid verursacht in der salzsauren Lösung der Base keine
Fällung, auch nicht auf Zusatz von Alkohol. Auch beim Eindunsten
der Lösung hinterbleibt kein krystallisirtes Salz. Pikrinsäure verursacht
einen öligen Niederschlag. Die Base bildet eine ölige Nitrosoverbindung.
Auch die Benzoylverbindung ist nicht zum Krystallisiren zu bringen.
«&-Diphenylpyridin.
Der glatte Verlauf der Ueberführung des Cinnamylenacetoxims in
a-Phenyl-«'-Methylpyridin liess erwarten, dass ähnlich constituirte Ver-
bindungen dieselbe Reaction eingehen würden.
Als Ausgangsmaterial für die weitere Untersuchung suchte ich durch
Condensation von Zimmtaldehyd und Acetophenon das Cinnamylenace-
tophenon zu erhalten:
C‚H,.CH:CH.CHO-CH,.CO.C,H,
—= (,H,.CH:CH.CH:CH.CO.C,H, +H,0,
dessen Oxim bei der oben beschriebenen Reaction das «&«-Diphenyl-
pyridin liefern musste:
0,H,.CH:CH.CH:CH.C.C,H,
HON
— 0,H,.0:CH.CH:CH.C.QH,+H,0
Das Cinnamylenacetophenon wird nach folgendem Verfahren erhalten.
50 g Zimmtaldehyd und 45 g Acetophenon werden in 200 g Alkohol
II. Abtheilung. Naturwissenschaftliche Section. 89
gelöst und mit 20 g 10 procentiger Natronlauge versetzt. Die Mischung
nimmt zunächst eine rothbraune Farbe an und nach einer halben Stunde
beginnt Krystallausscheidung. Nach einigen Stunden ist die ganze Flüssig-
keit von mehrere Centimeter langen, goldgelben, spiessigen Nadeln durch-
setzt. Aus Alkohol umkıystallisirt schmelzen dieselben bei 102—103".
Die Verbindung giebt mit concentrirter Schwefelsäure eine kirsch-
rothe Farbe.
Analyse: Ber. für C,„H,,O.
Procente: C 87.17, H 5.98.
Gef. - 3 0rsa =: 08109.
Zur Ueberführung des Ketons in das Oxim löst man 20 Theile
desselben in soviel heissem Alkohol, als zur Lösung erforderlich ist,
setzt 10 Theile salzsaures Hydroxylamin hinzu und kocht 2 Stunden am
Rückflusskühler. Versetzt man die Flüssigkeit nach dem Erkalten bis
zur beginnenden Trübung mit Wasser, so scheidet sich das Oxim nach
kurzer Zeit als Kıystallbrei ab. Dasselbe ist in heissem Alkohol sehr
leicht löslich und fällt beim Erkalten in nahezu farblosen, verfilzten
Nadeln vom Schmelzpunkt 131° aus.
Analyse: Ber. für C,,.H,,:NOH.
Procente: N 5.62.
Gef, = 2 BL
Das Oxim ist nicht flüchtig, doch empfiehlt es sich auch hier nicht,
die Destillation in einer Retorte vorzunehmen, da die Reaction, wenn
die Temperatur hoch genug gestiegen ist, durch die ganze Masse auf
einmal vor sich geht, wobei ein Uebersteigen der geschmolzenen Masse
unvermeidlich ist. Wird im Verbrennungsrohr hingegen nur ein kleiner
Theil der Substanz auf einmal erhitzt, so erzielt man einen regelmässigen
Gang der Destillation. Es sammelt sich in der Vorlage eine. durch
brenzliche Producte stark verunreinigte, beim Erkalten erstarrende Base,
welche aus der durch Ausschütteln mit Aether gereinigten salzsauren
Lösung durch Natronlauge als krümliche Masse abgeschieden wird. Aus
Alkohol krystallisirt sie in mehrere Centimeter langen, in ganz reinem
Zustande schneeweissen Nadeln. Die Ausbeute an Base beträgt ungefähr
30 pCt. des angewandten Oxims.. Wie die Analyse zeigt, ist ein
Diphenylpyridin entstanden.
Analyse: Ber. für (C,H,),C,H,N.
Procente: C 88.31, H 5.62, N 6.06.
Gef. - = 88.52, = 5,87, = 6.33.
Nach dem Verlauf der Reaction kann hierbei nur die Entstehung
des &&-Diphenylpyridins erwartet werden. Von den 6 möglichen
Diphenylpyridinen ist bisher nur ein einziges bekannt und zwar ist dies
90. Jahresbericht der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur.
das aa’-Diphenylpyridin, welches von Paal und Strassner') und von
Doebner und Kuntze’) auf zwei ganz verschiedenen Wegen gewonnen
wurde. In beiden Fällen wurde eine Base vom Schmelzpunkt 81° er-
halten. Das nach dem oben beschriebenen Verfahren gewonnene Diphenyl-
pyridin schmilzt glatt bei 81°, weicht aber in anderer Beziehung erheb-
lich von der von Paal und Strassner beschriebenen Base ab. Diese
letztere gab ein sehr leicht lösliches Platinsalz, welches selbst aus der
concentrirten Lösung der salzsauren Base auf Zusatz concentrirter Platin-
chloridlösung nicht ausfiel, sondern erst durch Aether-Alkohol zur Fällung
gebracht wurde. Das von mir dargestellte Diphenylpyridin hingegen
giebt ein aus verdünnten wässrigen Lösungen sofort krystallinisch aus-
fallendes, in kaltem Wasser sehr wenig lösliches Platinsalz. Beim Um-
krystallisiren aus heissem Wasser erhält man dasselbe in langen, orange-
farbenen Nadeln, welche 2 Moleküle Krystallwasser Aalen und in
lufttrockenem de bei 195° schmelzen.
Analyse: Ber. für [(C,B,),C,H,;,N .. HCI, + PtCl, +2B,0.
Procente: Pt 21.42, C 44,98, H 3.52.
Gef, = = 21.32, 5 44.83, = 3.99,
Das Goldsalz, ebenfalls in kaltem Wasser schwer löslich, bildet
grosse gelbe Nadeln und schmilzt bei 204°,
Analyse: Ber. für (C,H,),C,H,N. HC1-- AuCl..
Procente: Au 34.46.
Gef. = = 34,32.
Das pikrinsaure Salz, aus dunkelgelben, in kaltem Wasser schwer
löslichen Nadeln bestehend, schmilzt bei 169°.
Analyse: a für (C, u ;).C,; H,; N. C,H,NO..
Procente: N 12.17.
Gef. - = 12.03.
Das Jodmethylat wird durch mehrstündiges_ re der Base mit
Jodmethyl und Methylalkohol auf 100° gewonnen. Es bildet aus Wasser
umkrystallisirt grosse, nahezu farblose, prismatische Krystalle. Der
Schmelzpunkt derselben liegt bei 194%, Paal und Strassner fanden
den Schmelzpunkt des Jodmethylats ihrer Base bei 203°, doch zeigt der
Unterschied der Löslichkeit der Platinsalze zur Genüge, dass die beiden
Basen unmöglich identisch sein können. Die Beschreibung der von
Doebner und Kuntze dargestellten Base bietet ausser dem Schmelz-
punkt keine zu einem strengen Vergleich geeigneten Angaben. Den
von den genannten Autoren beim Erhitzen ihrer Base wahrgenommenen
zimmtartigen Geruch konnte ich ebenfalls bemerken,
Der Versuch, den einfachsten Weg, der über die Stellung der
Seitengruppen Aufklärung verschafft, einzuschlagen, nämlich die Oxydation
}) Ber. d. deutsch. chem, Ges. 28, 2764. ?) Ann. d. Chem. 249, 121 u. 252, 349.
II. Abtheilung. Naturwissenschaftliche Section. 91
der Base zu einer bekannten Säure, führte nicht zum Ziele. Durch
übermangansaures Kali wurde die Base völlig zerstört und bei der
Oxydation mit Chromsäure konnte als einziges Oxydationsproduct Benzo&-
säure isolirt werden. Da indessen nicht anzunehmen ist, dass die Reaction
bei der Entstehung dieser Base anders verläuft, wie beim «-Phenyl-
&-Methylpyridin und da sowohl Paal und Strassner wie Doebner
und Kuntze die Stellung der beiden Phenylgruppen lediglich aus dem
Verlauf der Synthese folgerten, so muss die Frage, welche der drei
bisher als «&-Diphenylpyridin beschriebenen Verbindungen diese Base
wirklich darstellt, offen gelassen werden.
Den Siedepunkt der Base bestimmte ich mit einem bis 550° eali-
brirten Geissler’schen Thermometer und fand denselben zwischen 396
und 398° (corr.) Die Base hinterlässt hierbei nur einen geringen kohligen
Rückstand.
&&-Diphenylpiperidin,
Bei der Reduction mit Natrium und Alkohol entsteht eine bei
867— 368° (corr.) unzersetzt siedende Base, welche nicht erstarrt, in der
Kälte aber diekflüssig wird. Dieselbe stellt das ««'- Diphenylpiperidin dar.
Analyse: Ber, für (C,H,),C,H,N.
Procente: C 86.07, H 8.01, N 5.90.
Gef. z = 85.94, = 8.06, = 5.87.
Die Base löst sich nur in sehr geringer Menge in Salzsäure, giebt
aber, mit concentrirter Salzsäure geschüttelt, ein krystallisirtes salzsaures
Salz, welches-in Alkohol leicht löslich ist.
Analyse: Ber. für (C,H,),0,H,N.HCl,
Procente; Cl 12.95.
Gef. e = 13.13.
Das Salz schmilzt erst bei 298°. Gold- und Platinchlorid geben
in der alkoholischen Lösung des Salzes keine Niederschläge; beim Ein-
dunsten der Lösung tritt Zersetzung ein, Hingegen giebt die Base mit
Pikrivsäure ein bei 198° schmelzendes Salz.
Analyse: Ber, für (C,H,),. C,H,N.C,H,NO,.
Procente: N 12.01.
Gef. = 4.12.23.
Wie aus den Formeln der Oxime des Cinnamylenacetons und des
Cinnamylenacetophenons ersichtlich ist, könnte die Reaction auch in der
Weise verlaufen, dass nicht das der Phenylgruppe benachbarte, sondern
das zweite Kohlenstoffatom die Ringschliessung vermittelt, was die
Bildung eines fünfgliedrigen Ringes zur Folge haben würde, Ein Theil
des Oxims scheint sich in der That in diesem Sinne umzusetzen, denn
der sehr geringe Vorlauf, welcher bei der Destillation des «-Phenyl-
&-Methylpyridins erhalten wird, zeigt deutlich die Pyrrolreaction.
99 7 Jahresbericht der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur.
Zur Entstehung der Dolomitkogel in Süd-Tirol.
Von
Dr. W. Volz.
Nach einer kurzen Besprechung der jetzt darüber bestehenden
Theorien: Der Entstehung durch Korallen oder anderseits durch Diploporen,
legte der Vortragende eine Beobachtung dar, die Herr Professor Dr.
Frech und später auch der Vortragende am Richthofen-Riff, unweit
St. Cassian in Süd-Tirol gemacht hat, eine Beobachtung, die stark zu
Gunsten der Richthofen-Mojsisoviesschen Korallenrifftheorie spricht: Man
findet am genannten Ort in den Mergeln der Forcella zahlreiche mit
Korallen dicht erfüllte Kalkblöcke, die sog. Riffsteine.e Bei den in
Mergel eingebetteten ist die Structur vorzüglich erhalten, die Kalkfarbe
ist dunkelbraungrau. Je näher dem Riff, desto mehr verschwindet die
Structur, desto heller wird die Farbe, bis schliesslich die Korallen, auch
in den Umrissen, lediglich noch bei Herauswitterung erkennbar sind,
während auch die Färbung eine ganz helle geworden ist. Der Vor-
tragende legte eine Serie solcher Korallenkalke vor, die diese allmäh-
liche Umwandlung in deutlicher Weise zeigte.
Analysen, die Herr stud. W. Herz auszuführen die Güte hatte,
ergaben folgendes Resultat:
| Ca CO, | Mg CO, |ve Al, 81 O, Erhaltungszustand.
1, 98,28 0,21 1,5 Vorzüglich erhaltene Structur.
2. 95,27 4,14 0,5 Schlecht erhaltene Structur.
B% 90,98 8,46 0,5 Struetur nicht mehr kenntlich,
Umrisse der Korallen sind
noch deutlich.
4, 85,14 14,34 0,5 ° | Umrisse im Bruch fast absolut
unkenntlich, nur noch durch
Herauswitterung ist die koral-
logene Natur zu erkennen.
5. 57,6 41,7 0,5 Si O, | Sog. reiner „Dolomit‘ des Sett
(Ohne Al Sass mit Korallenhohlräumen.
oder Fe)
Es ist also deutlich, dass mit zunehmendem Gehalt an Mg CO, die
. Deutlichkeit der Korallen abnimmt. Schon bei 14 pCt. Mg CO, ist die
korallogene Natur im Bruch für das Auge nicht mehr zu erkennen. ,
Zugleich werden die Stücke heller an Färbung. Eine völlige Dolo-
mitisirung muss also jede Spur von Structur vernichten.
II. Abtheilung. Naturwissenschaftliche Section. 93
Zur Kenntniss der Netaplumbate der Erdalkalien.
Von
Dr. B. Grützner und M. Höhnel.
In neuerer Zeit gelang es G. Kassner!') durch Erhitzen der Car-
bonate oder Oxyde der Erdalkalien mit Bleioxyd bleisaure Salze der
Erdalkalien darzustellen, welche ihrer Zusammensetzung nach aufzufassen
sind als Derivate der Orthobleisäure (Pb(OH),), in welcher die vier
Wasserstoffatome der Hydroxylgruppen durch zwei Atome Calcium
Strontium oder Baryum ausgewechselt sind, mithin den Verbindungen
die Formeln Ca, PbO,, Sr, PbO, und Ba, PbO, zukommen. Die Verbin-
dungen der Metableisäure (H, PbO,) mit den Erdalkalien sind jedoch
in reinem Zustande noch nicht dargestellt worden.
Es gelang uns nun von dem Caleiumorthoplumbat ausgehend durch
Einwirkung von Natriumsuperoxyd oder Kalilauge das Caleiummetaplumbat
zu erhalten.
Darstellung des Calciummetaplumbates.
Caleiumorthoplumbat, nach dem Verfahren von G. Kassner dar-
gestellt, wurde durch Müllerseide gebeutelt, in einem Mörser mit Wasser
angerührt und unter Umrühren in Portionen von 3-5 Gramm solange
Natriumsuperoxyd zugesetzt, bis eine Probe des Breies, mit Wasser ver-
setzt, einen rein weissen Niederschlag gab. Hierauf wurde in einen
Kolben gespült und bis zur neutralen Reaction des Waschwassers durch
Decantiren ausgewaschen. In letzterem konnten nur Spuren Blei, hin-
gesen erhebliche Mengen Kalk nachgewiesen werden. Nach dem Ab-
saugen mit der Wasserstrahlpumpe wurde auf Thontellern, schliesslich
über Schwefelsäure im Exsiecator getrocknet. Das auf diese Weise er-
haltene Pulver war rein weiss, unter dem Mikroskop deutlich würfel-
förmig krystallisirt.
Chemisches Verhalten des Caleiummetaplumbates.
Eine Probe mit Wasser angeschüttelt und mit Essigsäure versetzt,
giebt nach dem Ausfällen des Bleis mit Schwefelwasserstoff ein Filtrat,
welches nur Calcium und kein Natrium enthält. Kohlensäure war nur
in Spuren vorhanden. Beim Erhitzen im Glühröhrehen macht sich Ab-
scheidung von Wasser und Entwickelung von Sauerstoff bemerkbar.
Der Rückstand ist gelb bis braun gefärbt. Durch Trocknen bei 120°
tritt kaum eine Gewichtsabnahme ein, es zeigt sich jedoeh der Beginn
der Zersetzung durch schwache Gelbfärbung an. Mit Salzsäure entwickelt
sich reichlich Chlor unter Abscheidung von Chlorblei. Weder durch
kaltes noch durch warmes Wasser war eine Veränderung des Präparates
wahrzunehmen und unterscheidet sich hierdurch das Caleiumsalz vortheil-
‘) Arch, d. Pharm. 1890. Band 228. pag. 109.
04T Jahresbericht der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur.
haft von dem Natriummetaplumbat. Wird dagegen dem Wasser etwas
kohlensaures Alkali zugesetzt, so scheidet sich beim Erwärmen Blei-
superoxyd ab. Concentrirte Schwefelsäure bewirkt Sauerstoffentwickelung
unter Bildung von Bleisulfat. Verdünnte Essigsäure scheidet beim Kochen
alles Blei als Superoxyd ab, im Filtrat ist nach sofortigem Filtriren
keine Spur Blei durch Schwefelwasserstoff, dagegen sind grosse Mengen
von Kalk durch Ammonoxalat nachweisbar. Salpetersäure, sowie ver-
dünnte Schwefelsäure bewirken die gleiche Umsetzung. Kohlensäure
wirkt in der Kälte wenig, rascher beim Erwärmen unter Bildung von
Bleisuperoxyd ein.
Quantitative Bestimmung des Calciummetaplumbates.
Die quantitative Analyse wurde in folgender Weise ausgeführt.
Eine abgewogene Menge Substanz wurde mit Wasser übergossen, mit
Essigsäure im Ueberschuss erwärmt und durch anhaltendes Einleiten von
Schwefelwasserstoffgas alles Bleisuperoxyd in Schwefelblei übergeführt.
Das abfiltrirte und mit schwefelwasserstoffhaltigem Wasser ausgewaschene
Bleisulfid wurde nach dem Trocknen unter Beobachtung der nothwendigen
Vorsichtsmaassregeln im Porzellantiegel in Bleisulfat übergeführt und ge-
wogen, Im Filtrat vom Bleisulfid wurde Calcium als Oxalat gefällt und
als Oxyd gewogen. Die Menge des Wassers aus dem Glühverluste zu
berechnen, ist nicht angängig, da Versuche zeigten, dass durch anhalten-
des Erhitzen bei 60-—70° 0,26, bei 115° nur 1,01 Proz. Wasser fort-
sehen und bei höherer Temperatur Zersetzung der Substanz eintritt. Es
wurde daher der Wassergehalt durch direete Wägung des Wassers be-
stimmt. Die Bestimmung der geringen Menge Kohlensäure, welche das
Präparat als Caleiumearbonat enthielt, wurde gewichtsanalytisch im
Apparat von Fresenius vorgenommen und die gefundene Kohlensäure
auf Caleiumcarbonat umgerechnet.
Gef. im Mittel: 64,33%, PbO,
16,52 - CaO
1,35 2 CaCO,
17,83 = H,O Lie
auf Caleiumcearbonat freie Verbindung umgerechnet:
sef. 65,19%, PbO,
16,75 - CaO
18,07 - H,O
berechnet für Ca PbO,--4 H,O: 65,07%, PbO,
i 15,27 - CaO
} 19,64- H,O
Aus den gefundenen Werthen ergiebt sich ohne Zweifel, dass
die vorliegende Verbindung aus Caleiummetaplumbat bestand, welches,
wie das Natriummetaplumbat mit 4 Mol. Krystallwasser krystallisirt und
beim Trocknen im Vacuum bereits etwas Wasser verloren hatte,
II. Abtheilung. Naturwissenschaftliche Section. 95
2. Art der Darstellung von Caleciummetaplumbat.
Wir versuchten nun, ob es nicht möglich wäre, schon durch Ein-
wirkung von Aetzalkalien ohne Anwendung des Natriumsuperoxydes das
Orthoplumbat in das Metaplumbat überzuführen, indem wir Caleium-
orthoplumbat, mit ca. 53°, Lauge erst bei gewöhnlicher Temperatur,
dann in der Wärme des Wasserbades digerirten, jedoch ohne Erfolg.
Es war selbst nach mehrtägigem Erhitzen keine wahrnehmbare Ver-
änderung eingetreten. Aber auch gegen Natriumsuperoxyd zeigte sich
dieses, sowie ein zweites für diesen Versuch verwendetes Orthoplumbat
wenig reactionsfähig. Das Reactionsproduct war grau und mit viel un-
verändertem Orthoplumbat vermischt. Von der Annahme ausgehend,
dass durch zu starkes Glühen das Orthoplumbat in seiner Reactions-
fähigkeit geschwächt worden sei, wiederholten wir die Versuche mit
einem nur bei mässiger Rothgluth dargestelltem Caleiumorthoplumbat.
Der Erfolg war ein überraschender. Schon nach wenigen Minuten des
Digerirens mit Kalilauge bei gewöhnlicher Temperatur begann der Nieder-
schlag voluminös und bald darauf krystallinisch zu werden, gleichzeitig
sing die Farbe in eine weisse über, welche nach dem Auswaschen und
Trocknen des Präparates kaum einen Stich ins Gelbe zeigte.
Gestützt auf obige Versuche, möchten wir uns der Ansicht zuneigen,
dass für die gute Umsetzungsfähigkeit des Orthoplumbates zu hohe Tem-
peratur bei der Darstellung zu vermeiden ist.
Die Analyse der durch Digestion mit Kalilauge erhaltenen Ver-
bindung ergab, dass auch hier das mit 4 Mol. krystallisirte Metaplumbat
des Caleiums vorlag.
Silbersalz der Metableisäure.
Digerirt man gebeuteltes und mit Wasser angeschlemmtes metablei-
saures Caleium bei gewöhnlicher Temperatur mit überschüssiger Silber-
nitrat-Lösung, so bemerkt man schon nach kurzer Zeit eine Veränderung.
Das ursprünglich weisse Pulver wird bald missfarbig, grau, schliesslich
sammetschwarz und krystallinischh Im Filtrat sind neben dem über-
schüssigen Silber beträchtliche Mengen Kalk, aber kein Blei nachzuweisen.
Nach dem vollständigen Auswaschen des Reactionsproductes mittels
kaltem Wasser wurde abgesaugt und auf Thonplatten im Schwefelsäure-_
Exsiecator getrocknet, Das mikroskopische Bild zeigte deutlich würfel-
förmig ausgebildete Kıystalle und war vollständig einheitlich. Mit
Salpetersäure übergossen schied sich Bleisuperoxyd ab, während im
Filtrat neben Silber geringe Spuren Blei und wenig Kalk enthalten
‚waren. Bei dem Behandeln des Präparates mit Säuren konnte auch
etwas Kohlensäure, die in Form von Caleiumcarbonat das Silbersalz ver-
unreinigte, nachgewiesen werden. Bei 120° getrocknet, verlor das Silber-
salz 1,29%, H,O und nahm eine stahlgraue Farbe an,
2) Sl Jahresbericht der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur.
Analyse des Silbersalzes.
Zur quantitativen Bestimmung wurde das bei 120° getrocknete
Präparat benutzt. Die Silberbestimmung wurde in der Weise ausgeführt,
dass das mit Wasser angeschüttelte Pulver mit Salzsäure erwärmt wurde,
wobei unter Chlor-Entwickelung sich Chlorsilber abschied, welches sich
auch bald durch geringen Zusatz von Salpetersäure zusammenballte und
klar absetzte. Das mit kochendem Wasser ausgewaschene Chlorsilber
wurde in üblicher Weise als solches bestimmt. Im Filtrat wurde Blei
durch Schwefelwasserstoff gefällt und in Bleisulfat übergeführt. Zur
Kalkbestimmung wurden 2—3 Gramm Substanz in Arbeit genommen
und nach Entfernung des Silbers und des Bleies durch Ammonoxalat
gefällt. Der gefundene Kalk wurde auf Caleiumearbonat umgerechnet,
Gefunden und auf CaCO, freie Verbindung berechnet:
53,290), ,,A2,0, 44.010, BbO,, ;
für metableisaures Silber (Ag,PbO,) berechnet sich:
49,31 Proc. Ag,O und 50,69 Proc. PbO,.
Es konnte demnach ein Salz obiger Zusammensetzung nicht vor-
liegen. Auffallend ist der hohe Silbergehalt der Verbindung. Es wurde
daher nochmals und zwar etwas abweichend von der oben angegebenen
Methode die Silberbestimmung vorgenommen. Statt mit Salzsäure wurde
das Silbersalz mit Salpetersäure bis zum Sieden erhitzt und im Filtrat
vom abgeschiedenen Bleisuperoxyd die Fällung des Silbers mit Chlor-
natrium vorgenommen. Wie zu erwarten, erwies sich das Chloxsilber
vollständig bleifrei. Die gefundene Menge betrug 53,06 Proc. auf Ag,O
berechnet, während durch Zersetzung mit Salzsäure im Mittel 53,23
Proc. Ag,O gefunden wurde. Ermittelt man durch Division mit den
Molekulargewichten das einfachste Verhältniss von Silberoxyd zu Blei-
superoxyd, so gelangt man zu den Zahlen 0,257 Ag,O zu 0,187 PbO,
oder 1,27 Ag,O zu 1 PbO,, vervierfacht 5 Ag,O zu 4 PbO,. Es gewinnt
den Anschein, als ob hier der seltene Fall eines basischen Silbersalzes
vorliegt, dessen Zusammensetzung sich vielleicht durch die Formel
(Ag,PbO,),Ag,O zum Ausdruck bringen liesse.
Hierfür berechnet sich: sefunden:
54,71 Proc. Ag,O 55,29 Proc. Ag,O
45,28 =. Pb0, 44,71 = Pb0,.
Ein Salz von der Zusammensetzung (Ag,Pb0,),Ag,0 ‘enthält 10,94
Proc. Ag,O, welches nicht an Blei gebunden ist. Bei einem Versuch,
durch Digeriren mit annähernd 5 Proc. Ammoniak diesen Gehalt an
Silberoxyd zu bestimmen, wurden, auf caleciumcarbonatfreie Verbindung
- berechnet, 13,30 Proc. Ag,O gefunden. Allerdings waren hierbei auch
kleine Mengen von bleisaurem Silber in Lösung gegangen, wie Reactionen ,
auf Blei erkennen liessen. Es erklärt sich hierdurch der zu hoch ge-
fundene Silberoxydgehalt. Der Rückstand yom Digeriren mit Ammoniak
Ii. Abtheilung. Naturwissenschaftliche Section. 97
zeigte nach dem Trocknen eine rein graue Farbe und unter dem Mikro-
skop deutlich würfelförmige Krystalle. Er bestand aus reinem metablei-
saurem Silber (Ag, PbO,).
Bei den Versuchen nach oben beschriebenen Methoden Strontium-
und Baryummetaplumbat darzustellen, zeigte es sich, dass die Ortho-
plumbate selbst nach wochenlangem Digeriren mit Kalilauge sich nicht
umsetzen. Natriumsuperoxyd wirkte wohl ein, jedoch ungleich schwerer
als bei der Kalkverbindung. Es blieb immer noch ein nieht unbeträcht-
licher Theil des Orthoplumbates dem Reactionsproduct beigemischt und
dieser konnte selbst durch wiederholtes Schlemmen nicht vollkommen
getrennt werden. Bei dem Auswaschen des durch Umsetzung erhaltenen
weissen Bodensatzes mit Wasser macht sich alsbald eine Zersetzung
durch Gelb- oder Orangefärbung bemerkbar, die auch nicht verhindert
wird, wenn ein ca. 50 procentiger Alkohol als Waschflüssigkeit angewendet
wird. Das Endproduct war stets ein Gemisch, keine einheitliche Substanz.
Das Blei war als Oxyd und als Superoxyd in wechselnden Mengen vor-
handen. Es erscheint daher ausgeschlossen, auf diesem Wege zu Ver.
bindungen des Strontiums und Baryums zu gelangen, welche dem Meta-
plumbat des Calciums entsprechen.
Durch Einwirkung von Baryumsuperoxyd auf Bleioxyd wurde ein
sraues Baryumplumbat erhalten; in Folge der Zersetzbarkeit durch Wasser
selang es jedoch nicht, die Verbindung in reinem Zustande zu erhalten.
Bleisuperoxyd und Baryumhydroxyd in wässeriger Lösung geben selbst
bei längerem Kochen keine Veränderung. Wurde jedoch der Versuch
unter Zusatz von Lauge ausgeführt, so verschwand das Bleisuperoxyd,
und es entstand ein weisser Niederschlag, aus welchem sich beim Aus-
waschen mit Wasser kleine orangegelbe Krystalle ausschieden. Diese
selben Krystalle zeigten alle Reactionen eines Plumbates, waren jedoch
in kleiner Menge mit einem weissen Körper gemischt, von dem sie nicht
getrennt werden konnten. Dieselbe Reaction mit Strontiumhydroxyd
ausgeführt, führte zu keinem befriedigenden Resultat.
Wenn es uns auch nicht gelungen ist, die Metaplumbate des Stron-
tiums und Baryums zu erhalten, so glaubten wir doch von der Mit-
theilung dieser negativen Resultate umsoweniger Abstand nehmen zu
müssen, als daraus hervorgeht, dass die einfache Methode der Darstellung
für das Caleiumsalz nicht für die ihm so nahestehenden Verbindungen
des Strontiums und Baryums zu verallgemeinern geht.
Ueber ein Eisloch in Schlesien.
Von
Director Krieg.
Wie ich in der Schlesisechen Zeitung vom 28. Juli 1395 schon mit-
theilte, habe ich am „kahlen Berge“ in Polnisch-Hundorf zwischen
189, 7
98 Jahresbericht der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur.
Schönau und Goldberg in Schlesien eine sogenannte Eishöhle aufge-
funden, meines Wissens die erste nunmehr bekannt gewordene in Schlesien.
Es war mir gelegentlich mitgetheilt worden, dass es an diesem Ort im
Basaltgerölle eine kleine Höhle, eigentlich nur eine Bodenvertiefung,
gäbe, in welcher sich im Sommer noch Schnee und Eis vorfände; es
wäre das den dortigen Landleuten längst bekannt, und man kühle sich
dort im Sommer die Getränke und conservire Speisen in der Hitze.
Diese Mittheilungen reizten mich zu einer kleinen Untersuchung dieser
Behauptungen, die ich voll und ganz bestätigt fand.
Der Kahleberg gehört einem Sandstein-Höhenzuge an, der etwa
von Löwenberg über Goldberg nach Jauer zu streicht. Er ist mehrfach
von Basalt durchbrochen, und innerhalb einer völlig vegetationslosen
Halde von Basaltgerölle, die sich auf der Südseite des Berges vom
obersten Rücken bis fast an die Thalsohle in einer Breite von mehreren
hundert Metern erstreckt, liegt unsere kleine Höhle. Diese, durch ihre
schwarzblaue Farbe bis auf weite Ferne sichtbaren, Geröllstreifen haben
dem Berge wohl auch den Beinamen des kahlen gegeben.
Ich begab mich an einem heissen Sommertage, am 21. Juli, bei
einer Lufttemperatur von 24° C dorthin und fand erst nach längerem
Suchen die kleine Eishöhle, eine kleine trichterartige Vertiefung von
etwa 2 m oberem Durchmesser und eben solcher Tiefe mit nach Süden
gerichteter Oeffnung, mitten im Sonnenbrand, die schwarzen Basaltsteine
in der Umgebung so heiss, dass man sie kaum anfassen konnte. Wenn
man in dies kleine Loch stieg, so wehte Einem gleich eine eisig kalte
Luft entgegen. Ein mitgebrachtes, in ', Grade getheiltes, Normal-
Thermometer zeigte in 1 m Tiefe schon nur noch 2,6° C und am Boden
des Loches nur noch 0,6°. Meine Vermuthung, dass unter diesen Um-
ständen auch sicher wohl noch Eis vorhanden sein müsse, bestätigte sich
auch bald, indem ich nach Hinwegräumung von etwas Laub und Roll-
steinen ein Stück klaren Eises von etwa 30 em Länge, 10 cm Breite
und 4 cm Dicke hervorholen konnte. Wenn die geeigneten Instrumente
und Arbeitskräfte zur Hand gewesen wären, so würde das Resultat
ein noch mehr in die Augen springendes gewesen sein; ‚doch kam es
mir zunächst nur darauf an, zu constatiren, dass wirklich Eis vorhanden
war! — Das Eisloch soll, wie die Besitzerin des betreffenden Grund-
stücks Wittwe Kretschmer in Poln.-Hundorf mir sagte, früher viel grösser
gewesen und in den letzten Jahren durch nachrollende Basaltstücke mehr
und mehr verschüttet worden sein.
Nach der Generalstabskarte liegt der Kahleberg 444 m hoch über
- dem Meeresspiegel, der 'an seinem Fusse im Thal fliessende Wilsbach,
der zwischen Neukirch und Goldberg in die Katzbach mündet, 267 m;
in etwa 300 m Höhe liegt unsere kleine Eishöhle. Am Fusse des Berges
befindet sich eine ziemlich starke Quelle, deren Temperatur ich an dem
II. Abtheilung. Naturwissenschaftliche Section. 99
genannten Tage auf 6° C festgestellt habe, während die gewöhnliche
Quellentemperatur doch wohl zu 9 bis 10° C anzunehmen wäre, ein
Zeichen, dass diese Quelle von der etwa 33 m höher liegenden Eishöhle
sicher beeinflusst wird.
Ich will schliesslich nicht unerwähnt lassen, dass aus den Gestein-
spalten, resp. den Oeffnungen zwischen dem Basaltgerölle in der kleinen
Höhle ein kalter Luftstrom herauswehte, wie ich durch eine hineingehaltene
Kerzenflamme bestimmt constatiren konnte.
Wenn wir nun nach der Erklärung dieser anomalen Temperatur-
verhältnisse der Eishöhlen im Allgemeinen fragen, so ist darüber schon
viel geschrieben und mancherlei Theorien aufgestellt worden, doch harrt
die Sache immer noch einer endgültigen Aufklärung,
Alle bisher bekannt gewordenen Eishöhlen liegen in der nördlich
gemässigten Zone etwa zwischen 40° und 60° d. h. nur an solehen Orten,
wo im Winter die Temperatur unter 0° sinkt. Einzelne Ausnahmen,
wie auf Teneriffa in 28° nördlicher Breite, liest die Höhle in solcher
Höhe über dem Meeresspiegel (3260 m), dass auch hier im Winter das
Thermometer unter Null sinkt. Eine zeitweise Lufttemperatur unter dem
Gefrierpunkt ist also unbedingtes Erforderniss für die Möglichkeit einer
Eishöhlenbildung. Es müssen aber noch ganz besondere Umstände und
Bedingungen erfüllt werden; denn sonst müssten die Eishöhlen ja ungleich
häufiger zu finden sein.
Ich glaube, man muss die Eishöhlen in zwei Gruppen unterscheiden,
in welchen die Eisbildung, bezüglich Eis-Conservirung auf ganz ver-
schiedene Weise bewirkt wird. Es giebt Eishöhlen in porösem Kalk-
stein und Sandstein, und das sind wohl die häufigsten, und solche in
Basaltserölle. Die ersteren (wie z. B. die berühmte Dobschauer) hat
man statische oder eigentliche Eishöhlen, die letzteren (wie die
am Kahlenberge) dynamische auch Windröhren genannt. "Bei den
statischen Höhlen im porösen Kalkstein spielen wahrscheinlich die
Capillaren eine grosse Rolle, durch welche überkältetes Wasser in die
Höhle dringt und dort beim Austritt sofort erstarrt. (Ich habe darüber
ausführlich in 1883 No. 1 der Mittheilungen der Section für Höhlenkunde
des österreich. Touristen-Clubs berichtet.) Das vulkanische Gestein, der
Basalt, ist dagegen für Wasser ganz undurchlässig und enthält keine
Capillaren; hier muss also die anomale Abkühlung durch eine besondere
Gestaltung der zwischen den einzelnen Rollsteinen und Spaltstücken be-
stehenden Räume hervorgebracht werden. Man kann sich die Sache
folgendermaassen vorstellen: die eisbildende Stelle, das Eisloch, liegt ge-
wöhnlich am Abhang eines Berges und muss durch günstig gelegene
Zwischenräume zwischen den einzelnen Steinen, auch durch Spalten und
Kanäle tief im anstehenden Gestein mit höher gelegenen Theilen des
Berges in Verbindung stehen. Es bestehen somit 2 von einander ge-
7F
100 Jahresbericht der Schles. Gesellschaft für vaterl. 'Cultur.
sonderte Luftsäulen von gleicher Höhe, wovon die eine im Innern des
Berges, die andere in der freien Atmosphäre liest. Diese suchen sich
nach dem Gesetz der eommunicirenden Röhren das Gleichgewicht zu
halten, was sofort eine Luftströmung hervorruft, sobald in beiden ein
Temperaturunterschied vorhanden ist. Ist z. B. die innere Luft wärmer,
also leichter als die Aussenluft, wie das bei uns von November bis
Februar wohl meist der Fall sein wird, so strömt erstere in den Luft-
kanälen des Berges aufwärts und letztere, die kältere Aussenluft, dringt
innen nach, in die Höhle hinein und tritt als angewärmte Luft oben
wieder aus. Auf diese Weise, durch das monatelange Circuliren eines
kalten Luftstromes im Innern des Berges, wird ein grosses Quantum
des Gesteins unter den Gefrierpunkt abgekühlt werden und einen grossen
Kältespeicher für die Sommermonate abgeben. Im Sommer, von April
bis September etwa, tritt der umgekehrte Fall ein; dann ist die Aussen-
luft wärmer als die Luft in der Windröhre; es entsteht ein continuirlicher
Luftstrom im Innern des Berges von oben nach unten. Die Luft wird
bei dem Streichen durch die noch die Winterkälte habenden Steine so
abgekühlt, dass die von aussen überall am Abhang des Berges etwa
eintretende atmosphärische Feuchtigkeit gefriert resp. Eis bildet, und
wenn sie nicht Eis bildet, das vom Winter her im untern offnen Theile
der Windröhre resp. in dem Eisloch vorhandene Eis conservirt. An
unserm Eisloch am kahlen Berge habe ich ja auch am 21. Juli sehr
deutlich den kalten aus den Steinen herauswehenden Luftstrom constatiren
können. Dass die so frappirende Kälte ausserdem durch die Verdunstung
im Innern des Berges, wo die trockene Luft auf Feuchtigkeit trifft, noch
besonders gesteigert werden kann, ist leicht einzusehen. Immerhin
müssen sicher eine Menge günstiger Umstände zusammenwirken, um die
so seltene Erscheinung einer Eishöhle hervorzubringen und es fehlt noch
immer an einer ganz erschöpfenden Erklärung des auffallenden Phänomens.
Ueber die Histologie von fossilen Ganoidschuppen.
Von
Dr. Scupin.
Der Vortragende sprach über die Histologie (mikroskopische Struetur)
der Schuppen der Ganoiden, jener heute fast gänzlich erloschenen
Klasse von Fischen, die in der paläozoischen und mesozoischen Formation
eine so grosse Rolle gespielt und hier die Stelle unserer heutigen Knochen-
fische eingenommen haben. Redner erläuterte zunächst an einer schema-
. tischen Skizze eines Querschliffes den allgemeinen Aufbau einer Ganoid-
schuppe und gab sodann eine Eintheilung der gesammten Fischklasse,
wie sie sich seiner Meinung nach auf Grund des mikroskopischen Baues '
herausstellte.
II. Abtheilung. Naturwissenschaftliche Section. 101
Sitzung am 5. December 1895.
Ueber den weissen Jura bei Inowrazlaw.
Von
Dr. E. Gallinek.
Die Malmbildungen bei der Stadt Inowrazlaw selbst — es sind
blaugraue Thone mit Kalken wechsellagernd — umfassen die ganze
Oxford- und Kimmeridgelstufe. Das Liegende sind die Schichten mit
Parkinsonia Parkinsoni und Maecrocephalites macrocephalus. Im Westen
von Inowrazlaw sind bei Wapienno und Hansdorf weisse Kalke er-
schlossen, welche dem unteren Oxford bis mittleren Kimmeridge ange-
hören. Der Malm bei Inowrazlaw ist also in doppelter Facies ausgebildet,
in einer Thon- und einer Kalkfacies. Während die vollkommene Ueber-
einstimmung der Kalkfacies mit dem polnischen oberen Jura nicht zu
bezweifeln ist, steht die Thonfacies des Inowrazlawer Malm in petrogra-
phischer und faunistischer Beziehung dem nordwestdeutsch-baltischen Jura
nahe. Die litorale klastische Facies des nordwestdeutschen Jura (-Thon-
facies von Inowrazlaw) greift fingerförmig in die süddeutsch-polnische
Facies der reinen Ammoniten und Scyphienkalke ein. (-Kalkfacies von
Inowrazlaw.) Im Anschluss an Neumayrs westrussische Insel befand sich
zur Oxfordzeit im Westen eine Halbinsel, welche sich über das heutige
Masuren und Pommerellen in der Richtung nach Danzig zu erstreckte,
so dass der lithauisch-kurische Jura und die primären Lagerstätten der
ostpreussischen Jurageschiebe als Strandbildungen im Norden obiger
Insel und ihrer Halbinsel, die Thonablagerungen bei Inowrazlaw als
solche im Süden derselben aufzufassen sind.
Die Systematik der fossilen Korallen.
Von
Dr. Wilhelm Volz,
Der Zweck eines Systems ist der, uns Uebersicht über den ver-
wirrend grossen Formenreichthum der Natur zu verschaffen.
Es kann dies einmal durch — künstliche — Gruppirung der Formen
nach mehr oder weniger willkürlich gewählten Merkmalen geschehen:
wir erhalten dann ein künstliches System. Obwohl auch dies seinen
Zweck erfüllt, so erscheint doch ein natürliches System, d. h. ein System,
das in möglichst vollständiger Weise den natürlichen Zusammenhang,
Abstammung und Verwandtschaft der Formen, mit einem Wort die
phylogenetischen Beziehungen ausdrückt, weit erstrebenswerther, weil es
in kurzer Form die weitgehendsten Auskünfte ertheilt. Ein solches
System stellt sich ideal wie ein Baum, also dreidimensional, dar, da es
nicht nur die Verwandtschafts-Verhältnisse einer Form zu den gleich-
zeitigen, sondern auch zu älteren und jüngeren Formen ausdrücken soll,
108 Jahresbericht der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur.
Hierin liegt die Schwierigkeit. der graphischen Darstellung. Anderer-
seits bringt die Unzulänglichkeit unserer Darstellungsmittel manche Un-
zuträglichkeit mit sich: so kommen z, B. unter Umständen alt-paläozoische
Formen unmittelbar neben recente Formen etc, zu stehen, da wir den
(dreidimensionalen) Systembaum vollständig nicht anders als durch seine
(zweidimensionale) Projeetion auf eine Ebene: das Papier, zur Anschauung
bringen können. Diese Mängel sind aber dem Werthe des natürlichen
Systems gegenüber gering anzuschlagen. Sie werden möglichst eliminirt,
wenn wir auf die Vollständigkeit verzichten und entsprechend einem
Vorschlage, den Frech seiner Zeit gelegentlich der monographischen
Bearbeitung der Aviculiden des rheinischen Devon gemacht hat, für
jeden Entwickelungsabschnitt ein natürliches System aufstellen. Je
kürzer die Entwickelungsabschnitte sind bezw. je kürzer wir sie fassen,
desto mehr wird es möglich sein, allen Anforderungen eines natürlichen
Systems gerecht zu werden, desto deutlicher können wir alle feinen
Beziehungen zum Ausdruck bringen. Eine Zusammenfassung aller dieser
Einzelsysteme ist dann das natürliche System.
Bei den Korallen stehen wir leider noch auf dem Boden eines
künstlichen Systems. Die Vorarbeiten für ein natürliches System:
die Untersuchung der einzelnen Korallenfaunen mit weitgehendster
Berücksichtigung ihres mikroskopischen Baues und die darauf zu grün-
dende Klarlegung der phylogenetischen Beziehungen, haben erst vor
Kurzem begonnen. Sie sind bezüglich der paläozoischen Korallen
weiter vorgeschritten als für die mesozoischen. Bei letzteren sind erst
die Korallen der oberen Trias durch Professor Dr. Frech!) und den
Vortragenden ?), sowie die Korallen des Stramberger Tithons durch Miss
Ogilvie D. Se.°) in der erforderlichen Weise bearbeitet. Aber doch
sind schon wesentliche Ergebnisse zu Tage gefördert. So ist nach-
gewiesen, dass ein prineipieller Unterschied zwischen den paläozoischen
und den jüngeren Korallen nicht besteht, sondern dass beide einen
Formkreis bilden. Einen weiteren wesentlichen Beweis hierfür
konnte auch der Vortragende’) beibringen, dadurch, dass er zeigte,
dass von zwei gleichalten Zweigen eines Astes der eine einen ausge-
sprochen paläozoischen, der andere einen ausgesprochen hexakorallischen
Typus trägt: es sind dies die Zaphrentiden der oberen Trias und die
Stylophylliden. 5
Es handelt sich nun darum, zunächst die Entwickelungsabschnitte
des Korallenstammes festzustellen. Sie sind deutlich genug. Wir können
vier grosse Abschnitte unterscheiden:
!) Palaeontographiea, XXXVIL, 1890.
2?) Palaeontographica, XXXXIL, 1896. ;
®) Paläontol. Mittheil, a. d. Museum d. Bayrischen Staates, II. Bd., 7. Abth.
1896 (im Druck).
If. Abtheilung. Naturwissenschaftliche Section. 103
J. Cambrium.
II. Silur — Perm,
III. Trias — Unterer Lias.
-IV. Oberer Lias — Quartär.
Die Entwickelung der modernen Korallen setzt also nicht
mit der Trias ein, wie bisher angenommen wurde, sondern
erst im Lias.
Jeder dieser Abschnitte lässt sich wiederum in eine Anzahl von
Unterabschnitten theilen, deren Grösse durch unsere mehr oder minder
genaue Kenntniss bedingt ist.
I. Die Archäocyathiden des Cambrium bilden in ihrer Eigen-
artigkeit einen besonderen Abschnitt.
II. Es schliessen sich Silur und Devon daran: Deckelkorallen,
Cyathaxoniden, Paläocycliden und Cystiphylliden, *) dann Cyathophyllum,
Zaphrentis, Omphyma, Streptelasma, Acervularia, Phillipsastraea u. a.
sind für sie bezeichnend, Die zweite Epoche umfasst Carbon und Perm,
wo neben älteren Formen Lithostrotion, Lonsdaleia, Clisiophyllum ete.
eine Hauptrolle spielen. Der ganze Abschnitt wird gekennzeichnet durch
die Anordnung der Septen.
III. Der paläozoischen Periode folgt ein eigenthümlicher Uebergangs-
abschnitt, der sich durch Vermischung alter und moderner Formen
kennzeichnet und die ganze Trias, sowie den unteren Lias umfasst.
Er wird charakterisirt durch die Stylophylliden, die eine mächtige
Entwickelung erreichen, sowie durch die Schwesterfamilie der Pinaco-
phyllen, beide dem Zaphrentidenstamme angehörig. Von grosser Wich-
tigkeit für die Folgezeit ist die Spaltung des alten Cyathophylliden-
stammes in Astraeiden und Thamnastraeiden, die im Beginn dieser
Periode sich vollzieht. Daneben treten nur noch Cyathaxoniden
und Styliniden auf.
IV. Mit dem mittleren Lias beginnt ein gewaltiger Umschwung;
wir treten in den letzten Entwickelungsabschnitt der Korallen, in dem
wir uns jetzt noch befinden. Es lassen sich zwanglos in ihm 2 Perioden
U) In der Fassung Zittel’s in „Grundzüge der Paläontologie 1895“. Statistisch
ist das Verhältniss folgendes (nach Zittel’s Grundzügen):
Silur | Devon | Carbon-Perm
7 12 Gattungen + 23 Gattungen
* 30 Gattungen | * 15 E * 16 5
18 a —ı.10 y
30 Gattungen | 33 Gattungen | 26 Gattungen
==
45 Gattungen.
104 Jahresbericht der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur.
unterscheiden‘), deren erste Jura und Kreide, deren zweite Tertiär und
Jetztzeit umfasst.
Jura-Kreide: Der Cyathophyllidenstamm, obwohl schon früher
kräftig entwickelt, überflügelt alles derart, dass andere Formen neben
ihm nicht in Betracht kommen und charakterisirt in seinen beiden
Zweigen, den Astraeiden und Thamnastraeiden, die Periode.
Tertiär-Recent: Mit dem Eintritt des Tertiärs treten beide Zweige
in ihrer Bedeutung etwas zurück. Daneben entfalten sich die Turbino-
iden, Oculiniden, Eupsammiden, Madreporiden und Poritiden,
die in der Jetztzeit ihre höchste Blüthe erlangen. Sie stellen?) 51 von
153 Gattungen im Tertiär und 74 von 169 in der Jetztzeit.
Im Folgenden möge kurz der Versuch eines natürlichen Systems
der Korallen der Uebergangsperiode gegeben werden, welche Trias
und unteren Lias umfasst. Für die weitere Ausführung und speeielle
Begründung sei theils auf meine Monographie der Korallenfauna der
Trias Il?) verwiesen, theils wird dieselbe später in einer die ganze
Monographie abschliessenden‘) und in ihren Resultaten zusammenfassenden
Abhandlung erfolgen.
Es kommen inBetracht?) folgende 29 Gattungen mit 8 en
Stamm: Cyathophylloidea.
Familie: Astraeidae:
1. Montlivaltia,
subgen. Margarophyllia,
Oppelismilia,
Thecosmilia,
subgen. Margarosmilia,
Rhabdophyllia,
. Lepidophyllia,
2. Phyllocoenia,
3. Chorisastraea,
Isastraea,
subgen,. Margarastraea,
!) Eine statistische Methode führt zu keinen Ergebnissen. Wir erhalten stets
dasselbe Resultat: die Hälfte der alten Gattungen stirbt aus, dafür treten neue
‘etwa in der Zahl auf, dass das Verhältniss der ausgestorbenen zu den neuen rund
wie 2:3 ist, Duncan giebt an (Linnean Society, Zoology XVII 1886): Jura 84
Kreide 119, Tertiär 153, Recent 169 Gattungen.
2) Im Sinne Duncansl. c.
®) Palaeontographica XXXXIII 1896, pag. 1 ff
“) Vor Allem die Muschelkalk-Korallen behandelnd.
°) Die Muschelkalkgattungen sind nur so weit berücksichtigt, als sie näher be-
kannt bezw. bereits untersucht sind.
II. Abtheilung. Naturwissenschaftliche Section. 105
Septastraea,
Stylastraea,
4. Stephanocoenia,
Familie: Thamnastraeidae:
1. Toechastraea,
2. Myriophyllia,
Omphalophyllia,
subgen. Craspedophyllia,
Proeyelolites,
3. Thamnastraea,
subgen. Astraeomorpha,
Familie: Spongiomorphidae:
Heptastylis,
subgen. Heptastylopsis,
Spongiomorpha,
Stromatomorpha,
Stamm: Zaphrentoidea.
Familie: Zaphrentidae:
1. Pinacophylium,
Coelocoenia,
Coccophyllum.
Familie: Stylophyllidae:
1. Stylophyllopsis,
Stylophyllum,
subgen. Maeandrostylis,
Hexastraea,
2. Astrocoenia,
Cyathocoenia.
Stamm: Cyathaxonoidea.
Gigantostylis.
Stamm: ?
Familie: Stylinidae:
Stylina,
Cassianastraea.
Die phylogenetischen Beziehungen lassen sich graphisch in Form
eines Stammbaumes, wie folgt, darstellen:
Jahresbericht der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur.
106
973 5931/07349
emegeuvy NZ
J27E: B1//7U0y
as naar
S7Turso3aU/1 Nw777
En EIerererym VERS >
Im
Cyathophyllidae
B3e1JSe/AJS
ei
SIELLIT a re 78
Zaphrentidae
ei ze Fu ie
nr 40032207
E77] Fe RENTE
SPI7 Varel | nn ner SEHEN ERS AH] IMS aY2SIU1EY
SP14J | 24390 A1EYI2Y2SDW
II. Abtheilung. Naturwissenschaftliche Section. 107
Im Querschnitt würde man etwa folgende Vertheilung der Gattungen
erhalten:
Stylastraea Septastraea
Esasiraea |
Phyllocoenia
Chorisastraea LARAN,
Lepidophyllia \ Margarosmilia
ZThecosmilin Re
Rha i & j ppelismilia
bdophyllia — yomttivaitia —
Margarophyllia
Stephanocoenia
Omphalophyllia
Oraspedophyllia ——_Proeyelolites
Q m Toechastraea Myriophyliia
(v2) =
St
se Thamnastraea
5 = Astraeomorpha
s® Se
S Spongiomorphidae
Cyathocoenia
Astrocoenia |‘ nn. ROSE S
Stylophyllopsis es
Ooeloeconia Stylophyllum =
Pinacophyllum Maeandrostylis =
| =
Coccophyllum. =
Es bedeutet: fett gedruckt: Die Gattung geht in den Jura über.
gewöhnliche Schrift: Die Gattung stirbt mit dem unteren Lias aus.
gesperrteSchrift: Die Gattung stirbt mit der obersten Trias aus.
Oursi-Schrift: Die Gattung stirbt mit den Cassianer Schichten aus.
Petit-Schrift: Untergattung.
Beide Tabellen zusammengenommen geben ein klares Bild des
/Jusammenhanges der Korallen-Gattungen der Uebergangsperiode.
Ueber Salvadorit, einen neuen Kupfer-Eisen-Vitriol.
Von
Walter Herz.
Der Vortragende legte ein neues Vitriolvorkommen von der Grube
Salvador, Quetena bei Calama in Chile, vor. Die betreffenden Stufen,
welche von dem Krantz’sehen Mineraliencomptoir in Bonn an das Bres-
lauer Mineralogische Museum gesandt und von Herrn Professor Dr. Hintze
108 : Jahresbericht der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur.
dem Vortragenden. zur Bearbeitung überwiesen worden waren, stellen
2-—-7 mm lange, im Allgemeinen bläulich-grün, auch manchmal mehr blau
gefärbte, durch verwitterten Eisenvitriol zusammengehaltene Krystalle
dar. Die chemische Analyse ergab nahezu vollständige Uebereinstimmung
der blauen und grünen Krystalle, mit 9 pCt. Eisenoxydul, 18 pCt.
Kupferoxyd, 283 pCt. Schwefelsäure und 45 pCt. Wasser, entsprechend
der Formel Cu, Fe (SO,) ,+21H,0. Krystallsystem monosymmetrisch.
Krystallform: ein vorn 132°44' stumpfes Prisma mit oder ohne die
Fläche der Symmetrieebene; häufig Zwillinge nach einer zur Symmetrie-
ebene senkrechten Fläche. Vollkommene Spaltbarkeit nach der Symmetrie-
ebene, die auch Ebene der optischen Achsen ist. Wegen der vollkommenen
Verschiedenheit der vorliegenden Krystalle in physikalischer und kry-
stallographischer Beziehung von dem schon früher bekannten, Pisanit
genannten natürlichen Kupfereisenvitriol, der eine ähnliche chemische
Zusammensetzung hat, liegt ein neues Mineral vor, für das nach dem
Fundort der Name Salvadorit vorgeschlagen wird.
Ueber die Umwandelung klastischer Gesteine in Schiefer.
Von
Privatdocent Dr. Milch.
An einer Reihe von Handstücken aus den Hochalpen zwischen Rhein
und Linth zeigte der Vortragende die Fähigkeit des Gebirgsdruckes, d.h,
der bei der Aufthürmung der Gebirge wirkenden Kraft, in verfestigten Ge-
steinen eine secundäre Parallelanordnung und Theilbarkeit hervorzurufen.
Rein mechanisch wird diese Anordnung durch zwei verschiedene Arten der
Einwirkung hervorgebracht: entweder werden die grösseren Gemeng-
theile zertrümmert und die entstandenen Bruchstücke parallel gestellt
(authiklastische Umwandelung) oder die Gesteinscomponenten bleiben
struceturell eine Einheit, die Körner werden aber deformirt, besonders
langgezogen und ausgewalzt, ohne Lösung der Continuität (kamptomorphe
Umwandelung). Zu dieser mechanischen Beeinflussung gesellt sich in den
meisten Fällen noch eine chemische Einwirkung; die durch den Druck
erzeugte Wärme wandelt mit Hilfe der Bergfeuchtigkeit die meisten
Mineralien um,. es bilden sich mit Vorliebe blätterige Mineralien, die
sich mit ihrer breiten Fläche senkrecht zur Richtung des Druckes legen
und somit die Theilbarkeit senkrecht zur Druckrichtung erhöhen. Auf
diesem Wege entstehen aus Conglomeraten, Sandsteinen und Thonen
sogenannte Schiefer, die bisweilen einen sehr hohen Grad von Fein-
schieferigkeit erreichen können.
II. Abtheilung. Naturwissenschaftliche Section.
Allgemeine Uebersicht
109
der meteorologischen Beobachtungen auf der König]. Universitäts-
Sternwarte zu Breslau im Jahre 1895.
Mitgetheilt von
Geh. Rath Professor Dr. Galle!)
Höhe des Barometers über Normal-Null des Meeresspiegels — 147,03 m.
1895.
Monat
Januar ....
Februar ...
August....
September.
October ...
November .
December .
Jahr
reducirt auf 0° Celsius,
I. Barometerstand,
in Millimetern.
5
Eee
&)
Slaee
mm
99 |753,7
15 | 540
16 | 58.0
30 | 549
6 | 599
23 | 584
3 | 517
96 | 55,6
99 | 69,7
18 | 59,7
2 | 658
98 | 691
Nov. | 765,8
5 | niedrigster
B
5
= |:
Peru
mm
740,64 | 16
46,51 | 21
43,26 | 31
4738| 11
49,69 | 31
49,02 | 30
47,21 | 29
48,33 | 11
59,74 6
45,70 2
592,98 | 8
44,43 6
Juli
747,32 99,
1I. Temperatur
der Luft in Graden nach
höchste
a) Zusammengestellt von Herrn Dr. G. Rechenberg.
Celsius.
oO
&0
S Ko
A =
0
29. 30) — 19,5: —
19 |— 22,6
6 133
5 | 89
19 3,9
17 6,0
15 11,&
17.18 8,5
99.93 4,5
96 |— 1,6
30 |— 11,4
30 |— 14,6
Febr.
19. — 99,6
mittlere
110 Jahresbericht der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur.
III. Feuchtigkeit der Luft. IV. Wolken-
189. a. absolute, b. relative, bildung und
in Millimetern. in Procenten, Niederschläge.
= 2) = fe!
[eb] {eb} {eb} = er
= = Ss |2| oe |@88
vos |s 2/8 2831| 38|2| s Als ll 282
Eı=s|:3|s|8 | 3:|3| 2 )&l8|-|8|*# >83
ara Sa een Ei
age. me)
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Januar ...| 16 | 51| 39 |14| 3,15öfterl100° 93 !6ıls5,9| — | 8 a3 | 50,98
Februar ..| 92 | 22| 19 l07| 242 3 100) 11 lealsacl a | 9) ı7 | aas8
Ma 28.29) 68| 6|1%| 414 öfter, 98| 30 12279,6| 1 | 10 20 | 45,68
April..... %\ 95|\ 14 las|557| 3 | 93|öfterlarea, 7! 4 \ı3]l ı3 | 9,09
Ma 99 '112| 10 |3,8| 6,95 15.17) 96) 10 l1siss,z| 4 | ısl 9 | 16,29
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August . 13.12) 14,0| ı7 |5,9| 9,72| 15 | 95 a4 aılea5| 5 | 16 10 | 70,39
September| 5 | ı24| 22 |as| 8891 so | sel 6 asler,s| 9 | 14) 7 | A621
October ..! 10 | 105 17.191 3,7| 636] 24 oo a aslzs,7| 1 | 15) 15 | 47,89
November| 8105 | 30 |1,6| 540lh9.a6| el 1 olsıo| a |aı 7| 3865
December | 5 | 61| 30 J14 381| 8 1000 7 Isılses] 1) sl oa | A567
Daher u 153 0,7| 6,96 || öfter |100 Ya ı8lı2] 36 I1sslısı | 504,89
V. Herrschende Winde.
Januar. Der Wind wehte am häufigsten (besonders anhaltend in der
Mitte des Monats) aus Südost, demnächst auch oft aus Süd,
Nordwest und West.
Februar. Die vorherrschenden Windesrichtungen waren Nordwest,
Nord und West.
März. Der Wind wehte am häufigsten aus Südost, doch kamen die
Richtungen Süd, Südwest, West und Nordwest nahe ebenso
oft vor. ni
April. Vorherrschende Windesrichtung Südost, nächst dieser am
häufigsten West und Nordwest.
Mai. Der Wind wehte am häufigsten aus Nordwest und hiernächst aus
Südost. .
Juni, Der Wind wehte am häufigsten aus Südost, jedoch nahe ebenso
oft aus Nordwest und West.
Juli. Der Wind wehte meist aus westlicher Richtung, doch waren
auch Südostwinde in ziemlicher Anzahl vertreten.
August. Die vorherrschenden Windesrichtungen waren West, Nordwest
und Südwest,
II. Abtheilung. Naturwissenschaftliche Section. 111
September. Vorherrschende Windesrichtungen Nordwest und West,
nächst diesen Südost, oft auch Windstille.
October. Unter den 8 Windesrichtungen kam am häufigsten Südost
vor, jedoch nahe ebenso häufig jede der 3 Richtungen Südwest
West und Nordwest, sodass die westlichen Richtungen die vor-
herrschenden waren.
November. Von den Windesrichtungen kam am häufigsten Südost vor,
es folgen dann West, Südwest und Ost.
December. Oestliche und westliche Windesrichtungen kamen nahezu
gleich oft vor, am häufigsten Südost und West.
VI. Witterungs-Charakter.
Januar. Die Schwankungen in der Temperatur waren in der ersten
Hälfte des Monats nicht erheblich, stärker in der zweiten Hälfte,
wo gegen den Schluss des Monats eiwas grössere Kälte eintrat
und wonach dann der Mittelwerth der Temperatur sich etwas
unter den Durchschnittswerth dieses Monats stellte. Ganz un-
gewöhnlich tief war während des ganzen Monats der Barometer-
stand, der nur an 3 Tagen sich ein weniges über den Normal-
werth erhob. Das Monatsmittel ergab sich um nahe 10 mm
tiefer als der vieljährige Durchschnitt und bildet den tiefsten
Mittelwerth des Barometerstandes im Januar seit dem Beginn
der genaueren hiesigen Messungen im Jahre 1825. Das Wetter
war sehr andauernd trübe und es wurde kein einziger ganz
heiterer Tag verzeichnet. Ungewöhnlich gross war auch das
Quantum der Niederschläge, meist aus Schnee bestehend, und
betrug das Doppelte des Normalwerthes.
Februar. Der ganze Monat war ungewöhnlich kalt. Nicht blos der
Mittelwerth der Wärme war 5°/,° unter dem Durchschnitt,
sondern auch von den einzelnen Tagen überstieg die Temperatur
nur am 21. und 22. um ein weniges den Normalwerth, während
dieselbe an 5 verschiedenen Tagen 10° bis 14 ° unter demselben
war. Kein einziger Tag war ganz frostfrei. Der Luftdruck war
zwar nicht so tief als im vorigen Monate, jedoch noch immer
3 mm unter dem Durchschnittswerthe. Die nur an 7 Tagen
fehlenden Niederschläge bestanden ausschliesslich aus Schnee,
jedoch blieb die darin enthaltene Wassermenge etwas unter dem
Normalwerthe des Monats.
März. Die durchschnittliche Temperatur dieses Monats war nahe
normal, der Luftdruck dagegen ungewöhnlich niedrig und nur
an 8 Tagen über dem Mittelwerthe. Die am Aujange des
112
April.
Mai.
Juni,
Jul.
Jahresbericht der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur.
Monats noch vorhandene 18 em hohe Schneedecke erhöhte sich
durch einen ausgiebigen Schneefall am 3. nochmals bis auf
25 cm, verminderte sich dann allmählich und verschwand am 14.,
nachdem am 11. Thauwetter eingetreten war. Vom 15. ab
verlief fast kein Tag ohne Niederschläge, deren Gesammtbetrag
etwa um ein Drittheil grösser war als der Normalwerth.
Der Luftdruck zeigte ausser einem tiefen Stande am 7. keine
erheblichen Schwankungen, ebenso die Temperatur, welche
indess vorwiegend über dem Normalwerthe sich befand, be-
sonders in der zweiten Hälfte des Monats. Sehr gering war
das Quantum der Niederschläge, die nur den vierten Theil des
Normalwerthes betrugen.
Der Luftdruck war bis zum 14. stetig über dem Mittel, dann bis
zum 26. unter demselben, hierauf bei vorwiegend klarem Himmel
von neuem steigend. Die Wärme war fast stetig über dem
Durchschnittswerthe und nur am 16.: bis 19. und am 23. und 29.
traten kleine Rückfälle ein. Die Summe der Niederschläge
war nahe normal, besonders starke Regen fanden am 1. und
15. statt.
Der Luftdruck war öfteren, jedoch nur mässigen Schwankungen
unterworfen und war etwas höher als im Durchschnitt. Noch
erheblicher überstieg den Mittelwerth die Temperatur, sodass
in Verbindung mit der ungewöhnlich geringen Feuchtigkeit der
Luft, dem vorwiegend heiteren Wetter und der geringen Menge
der Niederschläge während des ganzen Monats eine grosse
Trockenheit und Dürre sich zeigte. Das Quantum der Nieder-
schläge erreichte noch nicht die Hälfte des Durchsehnittswerthes.
Der Luftdruck bewegte sich mit Ausnahme eines tiefen Minimums
gegen Mitte des Monats in nur mässigen Schwankungen. Die
Temperatur blieb fast beständig über dem Mitiel, nur an
9 Tagen sank sie um ein weniges unter dasselbe. Die hohen
Wärmegrade, die in der ersten und besonders auch in der
letzten Woche des Monats sich unangenehm fühlbar machten,
sind übrigens in keinem Falle abnorme zu nennen, da gleich
hohe Wärmegrade in den Sommermonaten fast regelmässig
mehrere Male notirt werden. Bemerkenswerth war der jähe
Absturz der Temperatur in den letzten Tagen des Monats. Die
Himmelsbedeckung war annähernd normal, dagegen blieb die
Feuchtigkeit der Luft 10 pCt. unter dem Mittelwerthe, und auch
die Niederschläge erreichten nur ?/, ihres Durchschnittswerthes,
obwohl allein die Gewitter der letzten Woche nahezu 30 mm
Regen brachten,
| II. Abtheilung. Naturwissenschaftliche Section. 113
August. Der Luftdruck war im Durchschnitt normal, jedoch in der
ersten Hälfte des Monats stetig unter, in der zweiten Hälfte
über dem Mittel. Die Wärme überschritt den Mittelwerth um
1 Grad. Eine kühlere Periode mit starken Regenfällen und
Gewittern verbunden fand vom 13. bis 17. statt. Auch im An-
fange des Monats fiel eine grössere Regenmenge, so dass die
Summe des Regens nahe den Normalwerth erreichte.
September. Ein sehr warmer Monat und mit hohem Luftdruck. Nur
Octobe
Novem
an je 8 Tagen waren die Temperatur und der Luftdruck unter
ihrem Normalwerthe. Das Wetter war mit Ausnahme einer
kühleren und wolkigen Regenperiode in der Mitte des Monats
meist heiter, des Morgens vielfach dunstig. Das Quantum der
Niederschläge war normal.
r. Die Temperatur hielt sich während der ersten Hälfte des
Monats noch fast stetig über dem Mittel, während die zweite
Hälfte kalt war. Der ungewöhnlich tiefe Barometerstand be-
sonders in der ersten Hälfte des Monats war fast täglich mit
Regen verbunden, am Nachmittage des 4. mit einem Gewitter-
regen. Die Menge des Regens überstieg um ein Dritttheil den
Mittelwerth.
ber. Der Luftdruck war ungewöhnlich hoch und nur an
7 Tagen unter dem Mittel. Die Wärme war grösstentheils,
vom 3. bis 19., hoch, dann vom 21. ab unter den Mittelwerth
stetig sinkend. Die Summe der Niederschläge war normal, be-
sonders gebildet durch stärkere Regen vom 7. bis 9. und
am 13. Schnee fiel nur an 3 Tagen, in spärlicher Menge.
December. Im Gegensatze zu dem vorigen Monate war der Luftdruck
1895.
ein ungewöhnlich niedriger und überschritt nur an 6 Tagen den
Mittelwerth., Die Wärme, sowie die absolute und die relative
Feuchtigkeit, waren normal. Die Niederschläge, in der ersten
Hälfte des Monats mehr aus Regen als aus Schnee bestehend,
dann im letzten Dritttheil nur aus Schnee, übertrafen um ein
Dritttheil den Durchschnittswerth; nur 4 Tage des Monats waren
ohne Niederschläge. Die Höhe der Schneedecke betrug am
Schlusse des Monats 9 cm.
114 | Jahresbericht der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur.
Einige Zusätze, Nachträge und Berichtigungen zu den im Jahre 1857
auf Veranlassung der Schlesischen Gesellschaft von dem Unterzeichneten
herausgegebenen „Grundzüge der Schlesischen Klimatologie“.
Obgleich seit der Herausgabe dieser tabellarischen Uebersichten über
die klimatischen Verhältnisse Schlesiens nahe 40 Jahre verflossen sind
und inzwischen durch die weitere Ausbreitung der Stationen des Königl.
Meteorologischen Instituts auch in Schlesien neue und erweiterte Grund-
lagen für Studien auf diesem Gebiete gewonnen worden sind, wird doch
auch bei Verwerthung dieser neueren Beobachtungen ein vergleichendes
Zurückgehen auf die zum Theil sehr langen Beobachtungsreihen der
früheren Zeit nicht wohl entbehrt werden können. Es dürfte daher
nicht überflüssig sein, hier noch einige kleine Nachträge und Berich-
tigungen zu diesem älteren Beobachtungsmaterial (welches hier in Schlesien
srossentheils der Anregung der Schlesischen Gesellschaft zu verdanken
ist) zusammenzustellen, wie solche sich gelegentlich dargeboten haben, ohne
gerade auf erschöpfende Vollständigkeit dabei Anspruch zu machen.
Was speciell die Tabellen für Breslau betrifft, welche in der
obigen Schrift bei weitem den grössten Raum einnehmen und den längsten
Zeitraum umfassen, so haben diese seit jener Zeit bereits wiederholte
Erweiterungen bis zu der neuesten Zeit erfahren. Insbesondere geschah
dieses durch die Herausgabe der ‚Mittheilungen der K. Universitäts-
Sternwarte zu Breslau über die hier bisher gewonnenen Resultate für
die geographischen und klimatologischen Ortsverhältnisse‘“ im Jahre 1879,
worin die Rechnungen bis zum Jahre 1875 fortgeführt sind. Sodann
befinden sich in den Jahresberichten der Schlesischen Gesellschaft neben
einzelnen besonderen Untersuchungen in jedem Jahrgange regelmässige
jährliche Witterungsübersichten, und es konnte ferner in dem Jahrgange
von 1891 eine Uebersicht über die Temperatur-Beobachtungen in Breslau
für einen Zeitraum von 100 Jahren gegeben werden, sowie auch bezüglich
der übrigen meteorologischen Elemente für längere Zeiträume,
Nachweisungen über ältere meteorologische Beobachtungen in
Breslau bis gegen das Ende des 17. Jahrhunderts zurück findet man in
Hellmann’s Repertorium der Deutschen Meteorologie bei den Namen
Grebner, Kanold, Löwe und J. E. Scheibel. Eine Fortsetzung der
daselbst genannten und von 1692 bis 1722 veröffentlichten Beobachtungen
Grebner’s, von 1722 bis 1736 August, ist auf der Breslauer Stadt-
Bibliothek in sehr sorgfältiger Handschrift, von Grebner selbst, vor-
‘handen. Derselbe starb am 21. Januar 1737.
Später mit dem Jahre 1791 beginnen die Beobachtungen auf der
Breslauer Sternwarte, die bis zu der gegenwärtigen Zeit fortgesetzt eine
bis jetzt ununterbrochene Reihe von 105 Jahrgängen bilden. Zahlreiche
II. Abtheilung. Naturwissenschaftliche Section. 115
Auszüge aus diesen Beobachtungen und daraus gezogene Rechnungs-
Resultate findet man ausser in den bereits genannten Jahresberichten
der Schlesischen Gesellschaft in dem früheren Correspondenzblatt der
Gesellschaft, dem Bulletin der naturwissenschaftlichen Section und von
1804 ab auch in den Bulletins, welche in den ‚„‚Schlesischen Provinzial-
blättern“ enthalten sind. Diesen Mittheilungen aus Breslau sind in diesen
Schriften hin und wieder auch Witterungsnachrichten aus einigen andern
Orten in Schlesien angeschlossen.
Noch ist zu erwähnen, dass in Breslau durch eine lange Reihe von
Jahren, von 1811 bis 1832, ausser an den gewöhnlichen täglichen
Beobachtungsstunden auch noch zweistündliche Beobachtungen des Baro-
meters und Thermometers angestellt worden sind, zu hypsometrischen
Zwecken durch vergleichende Beobachtungen an verschiedenen Orten in
der Provinz. Ueber diese Höhenmessungen und die dazu verwandten
Instrumente der Schlesischen Gesellschaft vergleiche man die Jahres-
berichte der Ges. 1836 8. 62—81, 1838 8. 89 f., 1839 $. 150—162,
sowie auch Corresp. d. Schles. Ges. I. 104 (1819), Schles. Provinzial-
blätter LXXI. 411, v. Zach’s Monatl. Correspondenz XXVII. 175 f. und
die Schrift von Prudlo, Höhenmessungen in Schlesien. — Diese zwei-
stündlichen Beobachtungen (in den Tagesstunden) sind in neuester Zeit
von Herrn Dr. G. Grundmann in seiner 1892 erschienenen Inaugural-
Dissertation als Grundlage zu sehr dankenswerthen Untersuchungen „über
den täglichen Gang der Wärme und des Luftdruckes in Breslau nach
den Beobachtungen der K. Universitäts- Sternwarte“ gemacht worden.
Herr Dr. Grundmann giebt dabei zugleich in dem ersten Abschnitte
dieser Abhandlung eine Uebersicht über die während des ganzen Zeit-
raumes der Breslauer Beobachtungen gewählten Beobachtungsstunden
und die dabei vorgekommenen Veränderungen. — Ueber die meteorolo-
gischen Beobachtungen in Breslau und in Schlesien im allgemeinen ist
noch zu vergleichen: Jungnitz, Verhandlungen der Schles. Ges. 1807,
S. 59. 185, sowie Prudlo, Höhenmessungen in Schlesien S. 60; über
deren Einrichtung auf der Sternwarte von 1832 October an: v. Bogus-
lawski, Jahresbericht der Schles. Ges. 1832, 8. 4 f., 34 f.
Nachstehend folgen nun einige specielle zusätzliche Bemerkungen
und Berichtigungen zu den „Grundzügen der Schlesischen Klimatologie“,
insbesondere den darin enthaltenen Tabellen, welche hier nach der
Reihenfolge der Seitenzahlen dieser Schrift zusammengestellt werden mögen,
Zu S. IV, Nach der Station Hirschberg kann hier noch Jauer
erwähnt werden, wo 1821 December 23 bis 1822 März 2 beobachtet
wurde, Beobachter Roppan (Schles. Prov.-Bl. LXXV. 260). — Ferner
Karlsruh in Oberschlesien, Beobachter Hofrath Dr. Oswald. Die
Beobachtungen befinden sich unter den Manuscripten der Schles. Gesell-
116 Jahresbericht der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur.
schaft und enthalten folgende Jahrgänge: 1800, 1801 (Aug. 4—21 fehlt),
1802 (nur bis März 6), 1804, 1805 (September 16 bis October 7 und
einige Tage im November und December fehlen), 1806 (bis Juli, mit
Lücken), 1814 (April 13 bis December 31), 1815 (ziemlich vollständig),
1816, 1817, 1818, 1819, 1820, 1821 (Juli 7 bis September 7 fehlt),
1822, 1823, 1824 (bis Juni). Diesen Beobachtungen ist eine fortlaufende
Reihe von Barometer-Curven auf besonderen Blättern beigefügt. Bei
den älteren Beobachtungen fehlt eine genauere Angabe der Stunden,
dieselben sind täglich dreimal ‚‚früh, Mittags und Abends“ angestellt;
von 1823 ab sind die Stunden angegeben.
Zu 8. XVI. Bei den Barometer-Mitteln von Kupferberg besteht
wegen der veränderten Aufstellung des Barometers im Jahre 1847 eine
Unsicherheit.
Zu S. XXI. Wegen der hier erwähnten etwas abweichenden (zu
hohen) Temperatur in Neisse ist zu bemerken, dass im Sommer 1857
eine Nachforschung darüber von Dove stattfand, und dass die Abweichung
in der Aufstellung des Thermometers zu suchen ist, welches der strah-
lenden Wärme der umliegenden Gebäude zu sehr ausgesetzt war.
S. auch Dove, Ergebnisse des Meteorol. Instituts 1848—57, S. IX.
In den Tabellen sind es folgende Stellen, an welchen einige nachträg-
liche Bemerkungen hinzuzufügen oder Unrichtigkeiten zu verbessern sind:
S. 2. 1794 Mai 12 statt 3,0 ist zu lesen 13,0.
S. 5. 1800 December 29 statt —0,7 ist zu lesen —1,7.
S. 6. Der December 1801 ist dem von 1800 so ähnlich, dass diese
Zahlen auf einer etwas veränderten Abschrift der Beobachtungen vom
December 1800 zu beruhen scheinen, nach Vergleichung mit dem Original-
Manuscript. Inzwischen zeigen gleichzeitige Beobachtungen in Karls-
ruh OS. (nach den Manuscripten der Schles. Ges.), dass der Gang der
Temperatur im December 1801 auch dort dem im December 1800 sehr
gleich war. In Karlsruh stimmen die beiden Monats-Mittel genau überein.
S. 17. Die sämmtlichen August- Temperaturen für 1824 sind un-
richtig und müssen heissen:
0 0 0 0
August 1. 16,2 98,115.0 ds Ass: 25....10,9
2., 16,3 10. 1432 184,,,14,3 Don
3. as its 15, Lan 12,8 IR. 110,9
4. M0,340 512.17, 20 28... 12,6
d2 Bl 13 La De 292 1086
ba 1A 0125 RT 30. 14,3
ae Lat 19. 21.089 Det il
8
12,3 16. oe ee
II. Abtheilung. Naturwissenschaftliche Section. 17
Ueber die Art, wie dieser Irrthum bei dem Ausschreiben aus dem
Original- Tagebuch entstanden ist, findet man das Nähere in Band XVI
S. 200 der Oesterreich. Zeitschr. f, Meteorologie, wo auch noch einige
andere Unrichtigkeiten verbessert sind, auf deren Vorhandensein in dem
Januar-Hefte der genannten Zeitschrift Herr Prof. Dr. Koeppen in
Hamburg in dankenswerther Weise aufmerksam gemacht hatte.
S. 18. Für die ersten 10 Tage des September 1825 ist zu lesen:
1. 2. 3. 4. 5. 6. 7 SR. 3HDLOR
ee 103 95 TG Ad TETT 94 106
indem bei der Reinschrift der Original-Beobachtungen dieser 10 Tage
das Thermometer am Barometer statt der Temperatur der Luft abge-
schrieben war.
8. 20. Bei 1850 sind sämmtliche Juli- Temperaturen mit den
August-Temperaturen vertauscht und daher die Zahlen beider Columnen
umzustellen. Die Mittel-Temperaturen der beiden Monate sind im übrigen
nahe dieselben.
S. 33. Wegen der vorgenannten Unrichtigkeiten in den Tages-
mitteln und einiger anderen Versehen sind in dieser Tabelle der Monats-
und Jahresmittel folgende Verbesserungen anzubringen:
Juli 1830 statt 13,52 ist zu lesen 13,48,
August 1830 statt 13,48 ist zu lesen 13,52,
August 1824 statt 16,18 ist zu lesen 13,82,
Mittel des August statt 14,08 ist zu lesen 14,05,
September 1825 statt 11,08 ist zu lesen 9,20,
September 1833 statt 7,50 ist zu lesen 10,77,
Mittel des September statt 10,86 ist zu lesen 10,88,
Jahr 1824 statt 7,51 ist zu lesen 7,31,
Jahr 1825 statt 5,06 ist zu lesen 4,90,
Jahr 1828 statt 5,60 ist zu lesen 5,50,
Jahr 1830 statt 5,11 ist zu lesen 5,06,
Jahr 1833 statt 6,38’ ist zu lesen 6,65.
Ueber die etwas zu niedrigen Temperatur-Angaben in den Jahren 1825
bis 1830 im allgemeinen s. Oesterr. Zeitschr. für Met, Bd. XVI (1881)
8. 12 und 198,
S. 43. Januar 1846 S statt 10,5 ist zu lesen 12,5. -
S. öl. Bei dem Jahresmittel für 1834 ist statt 6,78 zu lesen 7,28.
— Bei dem December 1840 ist statt 2,48 zu lesen a 25, wodurch das
Jahresmittel aus 5,95 in 5,14 übergeht, (Ueber die (sich! dieser
Unrichtigkeit s. Oesterr. Zeitschr. XVI. 199.) — Bei dem December 1841
ist statt 2,51 zu lesen 2,48.
8. 77. März 1838 statt des unrichtig berechneten Mittels 0,42 ist
zu lesen 1,97. Das Jahresmittel 1838 geht in Folge dessen von 5,01
in 5,14 über.
Ye Jahresbericht der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur.
Schliesslich sei noch bemerkt, dass die meisten der in der Einleitung
für die Beobachtungsorte angegebenen aus den Barometerständen ge-
schlossenen Seehöhen gegenwärtig durch die genauen geometrischen
Nivellements der K. Preussischen Landes-Aufnahme ihren Werth verloren
haben, und dass für eine etwaige weitere Benutzung der absoluten
Barometerstände Ermittelungen über die Höhe der Aufstellungsorte der
damals benutzten Barometer über den nächstgelegenen Nivellements
Marken der Landes-Aufnahme erforderlich sein würden.
Galle,
49
Schlesische Gesellschait für vaterländische Gultur.
SORT, N CE
73. I. Abtheilung.
Jahresbericht. Naturwissenschaften.
1895. b. Zoologisch-botanische Section.
@&e R 2,9
Bericht über die Sitzungen der zoologisch-botanischen Section
im Jahre 1895.
Secretaire die Herren Ferdinand Cohn und Carl Chun.
1. Sitzung vom 17. Januar 1895.
Herr Gustav Born berichtete
Ueber die Resultate der mikroskopischen Untersuchung künstlich
vereinigter Amphibienlarven.
Diese Untersuchungen werden im Archiv für Entwickelungsmechanik
ausführlich veröffentlicht werden.
Herr Ferdinand Cohn berichtete
Ueber die botanische Forschungsreise des Dr. Franz Reinecke auf den
Samoainseln.
Dr. Reinecke ist ein Schüler der hiesigen und der Heidelberger
Universität, an welch letzterer er auf Grund einer in Engler’s Jahr-
büchern veröffentlichten Abhandlung „über die Knospenlage der Laub-
blätter bei den Compositen‘“ 1892 als Dr. phil. promovirte; er bereitete
sich sodann an den hiesigen botanischen Instituten, so wie an dem bota-
nischen Museum in Berlin auf das gründlichste zu einer naturwissen-
schaftlichen und insbesondere botanischen Erforschung des Samoa-
archipels vor und trat im Sommer 1893 seine auf einen zweijährigen
Aufenthalt berechnete Reise aus eigenen Mitteln an, wobei er von der
Berliner Akademie der Wissenschaften für anthropologische Untersuchungen
durch eine Geldbewilligung unterstützt wurde. Von Apia sendete er
an den Berichterstatter eine Anzahl ausführlicher Reiseberichte, die ein
lebhaftes Bild von dem Klima, dem Bau und der Vegetation dieser
Inseln geben; aus ihnen wurden die interessantesten Stellen in dieser
wie in der folgenden Sitzung mitgetheilt.
1895. 1
3 Jahresbericht der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur.
2. Sitzung vom 31. Januar 1895.
Herr Bruno Schroeder hielt einen Vortrag
Ueber die von Prof. Dr. Schroeter auf seiner letzten Reise in Klein-
Asien gesammelten Algen.
Die von dem Vortragenden ausgeführte Bearbeitung derselben ist
in: La nuova Notarisia 1895 abgedruckt worden.
3. Sitzung vom 14, Februar 1895.
Herr Theodor Schube legte nachstehende Abhandlung mit Beleg-
exemplaren vor:
Nachträge zur Flechtenflora Schlesiens
von E, Eitner.
Seit dem Beginn des Jahres 1888, in welchem die Nachträge zur
Flechtenflora Schlesiens von B. Stein im Jahresberichte der Schlesischen
Gesellschaft für vaterländische Cultur (1888, botanische Section, $. 142 bis
149) erschienen, hat die weitere Durchforschung des Gebietes so viel
neues Material zu Tage befördert, dass ich es unternommen habe, einen
weiteren Nachtrag zu liefern. Es kommen zu den bisher bekannten
Flechten allein 54 für Schlesien neue Arten hinzu, so dass für Schlesien
sich die Zahl der Arten jetzt auf überhaupt 782 beziffert.
Die oft sehr interessanten Funde stammen diesmal zum grossen
Theil aus dem endlich etwas mehr erforschten Gebiete des Ober-
schlesischen Kalkes und den Wäldern des rechten Oderufers bis Rosen-
berg hinauf, aus dem Glatzer Bergland, aus dem mährisch-schlesischen
Gesenke und immer wieder noch aus dem fast unerschöpflichen Riesen-
gebirge.
Letzteres hat wieder eine sanze Reihe neuer Formen ergeben,
zum Theil so auffallende Erscheinungen, dass es fast unbegreiflich er-
scheint, wie dieselben von Körber, Stein und so vielen Anderen
bisher übersehen werden konnten: Parmelia alpicola Th. Fr., Cato-
carpus chionaphilus Th. Fr. f. riphaeus Stein, welche als fein
schwarzweisses Muster oft quadratmetergrosse Flächen überzieht, Aspi-
cilia sanguinea Krmpl. var. diamanta Ach., A. morioides Blombery, Caio-
carpus copelaadi (Kbr.) Th. Fr., welcher im Weisswassergrunde ganze
Wände feuchter Felsen mit seinen kleinen weissgrauen Polstern auf
schwarzem Grunde schmückt. Auch der Basalt der kleinen Schneegrube
hat in Pertusaria inguinata Th. Fr. eine ihm eigene neue Art als Zu-
wachs erhalten.
Die von Stein (Fiechtenflora Pag. 10) auf 51 Arten bezifferte Zahl
schlesischer Flechten, welehe im übrigen Deutschland fehlen, ist nun
auf 60 gestiegen, von denen 21 nur am Basalt der kleinen Schneegrube
vorkommen.
II. Abtheilung. Zoologisch-botanische Section. 3
Wird die Zahl der deutschen Flechtenspecies auf 1400 veranschlagt,
(Stein nahm 1879 1300 an), so besitzt Schlesien über 5 pCt. ihm eigene
und der Basalt der kleinen Schneegrube 1,5 pCt. nur auf diesem
classischen Boden gefundene Arten.
Von den 54 für Schlesien neuen Arten dieses Berichtes gehörten
nicht weniger als 10 bisher ausschliesslich der skandinavischen Flora
an;ein Hinweis auf die pflanzliche Besiedelung des Riesengebirges.
Noch immer fehlen lichenologische genaue Nachweise aus dem
Glatzer Gebirge, aus dem Isergebirge, aus dem Liebauer Bergland
(Rabenfelsen ete.), aus den Haidewäldern von Bunzlau bis Reisicht ete.,
aus den Walddistrieten um Lublinitz, Oberschlesien u. s. w., so dass
. voraussichtlich noch viele und interessante Funde zu erwarten sind, be-
sonders da die auch scheinbar durchforschten Gebiete, wie dieser Nach-
trag zeigt, immer noch neue Arten beherbergen.
Im nachstehenden Bericht bedeuten die Abkürzungen E. —= Eitner,
K. — Kalmus (welcher Anfang der 60er Jahre im Altvatergebirge
sammelte), St. — Stein.
Die für Schlesien neuen Arten und Formen sind durch fetten
Druck gekennzeichnet, ebenso wie ganz neue Arten, d. h. solche,
welche ich aus Mangel vorhandener Beschreibungen neu benannt und
diagnostieirt habe.
Jede Berichtigung werde ich mit grossem Dank entgegennehmen,
Usnea ceratina Ach. Altheide; Namslau: Kiefern (E.).
Bryopogon bicolor Ehrh. Popelsteine im HEulengebirge (E.);
Agnetendorf (Schöpke).
Alectoria ochroleuca Ehrh. Am Altvater verbreitet (K.).
A.nigrieans Ach. f. pallida (St). Vom Typus durch die auffallend
sraue Färbung und die kaum schwärzlichen Astspitzen sehr abweichend.
Oppaquellen, Altvater (K.). |
Evernia divaricata L. Reiwiesen im Gesenke (K.), an Fichten
und Eichen der Wälder um Constadt und Kreuzburg (B.).
Evernia thamnodes Fw. An Felsen! hinter der Forelle in Stein-
kunzendorf am Eulengebirge (E.).
Stereocaulon coralloides Fr. Steinmauern in Asnetendorf
(Schöpke).
Stereocaulon incerustatum Flke. Merkelhöhle bei Schweidnitz
(Sehöpke),” Steinbruch in Panthenau bei Nimptsch (E.), Sandhügel um
Dammer, Kr. Namslau (E.); hier in einer Form mit unförmlichen wie
von srauem Spinnwebenfilz bedeckten Früchten (E.).
Stereoc. Cereolus Ach. Baberhäuser und unter der goldenen Aus-
sicht gegen den Haynfall fruchtend; Wolfshau: Steinwälle steril (E.).
(Thamnolia vermieularis Sw. scheint sowohl im Gesenke als auf
dem Glatzer Schneeberge;zu fehlen.)
&
4 Jahresbericht der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur.
Cladonia iurgida Ehrh. Im Riesengrunde;, Obernigk; gegen
Jaekel (E.).
Cl. gracilis L. f. aspera Flik. Backofenberg im Gesenke (K.).
— var. macroceras Flik. Glatzer Schneeberg (Niessl.), Altvater,
Rother Berg (K.).
Cl. decorticata Fk. Brunnenberg (Schöpke).
Cl. pyxidata L. &. neglecta (Fike.). Altvater (K.) y chloro-
phaea Flik. Altvater (K.), Kessel (St.).
Cl. cornuta $S. Agnetendorf (Schöpke).
Cl, ochrolora Fike. Raudenberg: Ochsenhaide (K.); Herdberg bei
Agnetendorf, Bögenberge bei Schweidnitz (Schöpke).
Cl. Floerkeana Fr. Altvater, Bielafall, Köpernik (K.). Gross-
Stein O.-8. (E.).
Cl. amaurocraea Flik. Altvater (Spitzner).
Cl. digitata $S. Im Eysaks verbreitet (K.). f. prolifera (Ach.).
Brünnelhaide, Köpernik (K.).
Cl. deformis L. Im Gesenke verbreitet (K.). Rosenberg O.-S. (E.).
Cl. bellidiflora Ach. Pelerstein (K.), Heuscheuer selten (St.).
Cl. uncinata Hoffm. Altvater (K.), Gr.-Leubuscher Wald bei
Brieg (E.).
Cl. sguamosa Hoffm. Im Gesenke häufig, ebenso auf der Heu-
scheuer (St.).
Cl. rangiferina L. Noch auf der Spitze des Altvaters in der
typischen Form der Ebene (Kolenatis).
Cl. uncialis L. f. dieraea Ach. Altvater (Kirchner).
Sphaerophorus compressus Ach. fehlt dem Quadersandstein der
Heuscheuer (St.), [Hausgrund am Oybin, Sachsen] (B.).
Sph. coralloides Pers. Altvater an Fichten (Spitzaer) (E.), Heu-
scheuer an Sorbus (St.), Hohe Eule an Steinen (B.).
Sph. fragilis L. Altvater (K.), (R.).
Cetraria Islandica L. b. erispa Ach, auf Knieholzstämmen des
Riesengebirgskammes reich fruchtend (E.).
C. cucullata Belt. Altvater (K.), (R.).
C. nivalis L. Gesenke (K.).
C. glauca L. Heuscheuer verbreitet und sehr üppig (8); Gesenke
verbreitet (K.).. F. umhausensis Auw. (Cornicularia umhausensis
Auw.) An Baumleichen unter der Schäferei am Altvater (Spitzner).
Das Lager ist so vollständig in bäumchenförmige Sprossungen auf-
gelöst, dass nur noch. Rudimente der Lappen am Grunde erkennbar
sind (teste Stein).
C. sepincola Ehrh. f. chlorophylla Humb. Buchau am Eingang
in den Kessel ($t.) Kr. Gr.-Strehlitz und Rosenberg O.-8., an Birken
sehr verbreitet (E.).
II. Abtheilung. Zoologisch-botanische Section. 5
C. pinastri Scop. Reiwiesen im Gesenke (K.) und sonst in
Schlesien, beinahe überall steril, am Grunde alter Bäume, besonders
Kiefern, verbreitet (E.).
Cetraria aleurites Ach. Schön und reichlich fruchtend an
einem alten Brettzaun im Dorfe Obernigk, Weg nach Kummer-
nigk (BE.).
Stietina silvatica L. Agnetendorf (Schöpke).
Parmelia perlata L., an Erlen bei Gr.-Pluschnitz Oberschlesien,
Kr. Gr.-Strehlitz; f. sorediata (Schaer) an Birken bei Schieroth, Kr. Tost,
Gleiwitz O.-8S. (E.).
P. Borreri Turn. An Kiefern bei Gr.-Strehlitz und Gogolin, an
Erlen bei Dambrau, Constadt, Obernigk (E.); doch stets steril!
P. sinuosa Sm. Buchen am Leiterberg, Altvatergebirge (E.);
Buchen am Wege von der Schüsselbaude nach Spindelmühl, Riesen-
gebirge (E.).
P. encausta Sm. Auch an den Schwalbensteinen des Gr. Schneebergs
fruchtend (E.).
P. hyperopta Ach. Grafschaft Glatz, Heuscheuer und das ganze
Sandstein-Gebiet forma saxicola Stein verbreitet. (St.), (E.).
P. acetabulum Neck. Fast überall, aber vereinzelt und oft steril.
Fruchtend Gr.-Strehlitz, Park, Brettzaun in M.-Stradam, Birken bei
Schierokau, Kr. Lublinitz; steril an Kirschbäumen bei Kreuzburg O.-S.,
an Strassenpappeln bei Oppeln, Oswitz, Sybillenort, Obernigk etc. (E.).
Da die alten Liehenologen nur wenige Standorte kannten und Körber
auch nur Bunzlau und Gorkau 1870 angab, ein Uebersehen bei der
auffallenden Färbung und Grösse der Flechte nicht anzunehmen ist, so
scheint hier eine so schnelle Verbreitung stattgefunden zu haben, wie sie
bei Flechten noch nie beobachtet wurde.
P. sorediata Ach. Felsen um Warmbrunn (E.).
P. alpicola Th. Fr. Thallus runzlich krustig, angepresst bis
anliegend, erst kreisrund, dann verschieden ausgebreitet, schwarz oder
ins Olivenfarbige oder Graue übergehend, stets trübe und glanzlos, unter-
seits schwarz und stellenweis mit Haftfasern besetzt. Die Lagerzipfel
sind schmal, gewölbt, auch quergefaltet, nach unten eingekrümmt und
vielfach gekerbt, eingeschnitten und zu Gruppen zusammengedrängt.
Früchte häufig, schwarz, schüsselförmig mit ganzem Rand. Felsen an
der grossen Sturmhaube und an den Grubenrändern (E.). Die Flechte
scheint bisher nur im hohen Norden beobachtet zu sein, wenigstens
ist sie bisher noch in keiner Flora von Deutschland aufgeführt!
P. stygia L. «. genuina. Auf einem Sandsteinblock bei Carlsberg
an der Heuscheuer (E.). Uebergänge von «. zu ß. im Riesengebirge
häufig (E.).
6 Jahresbericht der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur.
P. incurva Pers. Felsen auf dem Plane unter der alten schlesischen
Baude, Riesengebirge (E.).
P. diffusa (Web.). Mehr oder weniger häufig in allen alten
Kieferbeständen der Ebene und Hügel, doch steril. Obernigk, Riemberg,
bei Oppeln, Gr.-Strehlitz, Constadt, Kreuzburg ete.; fruchtend in
Schierokau, Kr. Lublinitz auf Holz (E.). Auf dem Quadersandstein der
Grafschaft Glatz häufig fruchtend in Gesellschaft von hyperopta Ach.,
oft an centrifuga L. stark erinnernd (St. u. E.).
Menegazzia pertusa Schok. Schön fruchtend an Fichten oberhalb
des Kochelfalles (E.).
Xanthoria fallax Hepp. Glimmerschiefer des Petersteins im
Gesenke fruchtend (Spitzner).
Xanth. Iychnea Ach. var. polycarpa Ehrh. Reiwiesen (K.).
Nephromium laevigatum Ach. Moosbruch bei Reiwiesen (K.),
B papyraceum Hofm. Hohe Eule, Pappeln am Bahnhof Sibyllen-
ort (E.).
Nephr. tomentosum Hoffm. Melzergrund (E.).
Peltigera venosa L. Ziegeleiteiche bei Schweidnitz (Schöpke),
Heuscheuer (E.).
Solorina crocea L. Brünnelhaide (K.).
Gyrophora cylindrica L. Im Gesenke verbr. (K.), (E.).
G. polyphylia L. Altvater (K.); (E.). Glatzer Schneeberg (Niessl.),
(E.), Heuscheuer ($t.).
G. deusta L. Im Gesenke verbreitet (K.).
Endocarpon miniatum S. ß complicatum Sa. Peterstein im
Gesenke (Kunisch), (teste E.).
E. fluviatile Web. Agnetendorf (Schöpke), am Wölfelsfall (E.).
Pannaria triptophylia Ach. An Sorbus auf der Heuscheuer ($t.).
Mit grauen Lagerschuppen an Acer pseudoplat. und Sorbus im Melzergrund,
mit braunem Lager im Elbgrund (E.). |
P. microphylla Sw. An den Gipfelfelsen des Hartheberges bei
Frankenstein (E.).
Gasparrinia elegans Sk. In schmal- und langlappigen Exem-
plaren am Eingang ins Schlackenthal bei Reichenstein, am Grochberg
bei Frankenstein (E.).
Gyalolechia episantha Ach. Im ganzen oberschlesischen Kalk-
gebiet zwischen anderen Flechten gemein (E.).
Placodium saxicolum (Poll.) $ versicolor Pers. Mit fast rein
weissem dick bestaubtem Lager und dick bereiftem Fruchtrand am
bröcklichen Basalt bei M.-Steine, Grafschaft Glatz (E.).
Pl. eircinatum (Pers.) «a. radiosum Hoffm. Felsen am Fuss
des Rothen Berges bei Rengersdorf, Grafschaft Glatz (E.).
II. Abtheilung. Zoologisch-botanische Section. 7
Acarospora glebosa Kbr. Sandgrube am Wege von Gr.-Strehlitz
rach Dolna O.-S. an rothem Sandsteinknollen; an Geröll bei Bärwalde,
Kr. Münsterberg (E.).
Ac. badiofusca (Nyl.) Th. Fr. Thallus warzig-schuppig,
mit gewölbten, verschieden gestalteten Areolen, braun, glänzend,
Apothetien gross, erst eingesenkt, dann fast sitzend, mit schwarzer, sehr
verbreiterter, flacher, später gewölbter, matter Scheibe. Thallusrand
stumpf, niedergedrückt, zuletzt verschwindend. Sporen in aufgeblasenen,
keuligen Schläuchen sehr zahlreich
senke (E.).
Ac. fuscata Schrad. «a. peliocyph@ Walbrg. Eichberge bei
Reichenbach, Festungswerke Schweidnitz, bei Peiskretscham, Münster-
berg; wohl vielfach verbreitet, aber stets einzeln (E.).
4—6
923, gross. Peterstein im Ge-
Ac. cineracea Nyl. Lager grauweiss, locker anliegend, mit
gehobenen, oft welligen Rändern. Areolen vereinzelt oder zu einer
dieken, rissigen Kruste vereinigt. Früchte einzeln, mitten in den Areolen
eingesenkt, punktförmig, rothbraun, nackt. Sporen lang elliptisch,
1—1,5 u breit, 3—5 f lang. An dunklem Kalk bei Ober-Alt-Lomnitz,
Kr. Habelschwerdt; Kalkbruch zwischen Schwieben und Langendorf bei
Tost O.-S. (E.). Die Areolen sind hier einzeln mit ganz freien Rändern
einer kleinen Gyrophora ähnlich. Beim Anfeuchten wird das Lager
rothbräunlich, so dass die grauweisse Farbe als Reif erscheint (E.).
Acarospora Heppii Naeg. Im oberschlesischen Kalkgebiet
sehr verbreitet: bei Gross-Strehlitz, Nieder-Ellguth, Beuthen, Peiskret-
scham etc. (E.).
Callopisma cerinum Ehrh. f. stillieidiorum Ach. Sandgrube
bei Hohenwilkau, Kr. Namslau; alter Kalkbruch zwischen Schwieben
und Langendorf bei Tost O.-S. (E.).
C. conservum Krplh. Kruste rauh, rissig gefeldert, braun-
schwarz, auf schwarzem Vorlager. Früchte sehr klein, angedrückt,
flach mit sehr zartem Rande, erst dottergelb, sich schnell bräunend bis
schwarz werdend. Sporen elliptisch, mit sehr kleinen Sporoblasten,
10 x lang, 4-5 y dick. Paraph. ausgezeichnet gegliedert und ästig.
An Kalksteinen bei Leschnitz und im Kieferbusch bei Ottmuth, Gogolin
auf Kalksplittern (E.).
C. chalybaeum Fr. Im oberschlesischen Kalkgebiet verbreitet.
Saerauer Berg, N.-Ellguther Kalkberg um Gr.-Strehlitz O.-8. ete. (B.).
Xanthocarpia ochracea (Schaer.) Kbr. Lager sehr dünn,
ockergelb, fast wie aufgestrichene und abgewischte Farbe erscheinend,
die das weisse Vorlager durchsehen lässt, zartrissig gefeldert. Früchte
angedrückt, erst krugförmig, mit hohem orangefarbigem Rande und
8 Jahresbericht der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur.
punktförmiger Scheibe, dann flach, mit verschwindendem Rand. Schlauch-
boden und Füllfäden wasserhell, Deckschicht krumig goldgelb,
Paraphysen schön gegliedert und oben kegelig verdickt. Schläuche
keulig bis sackartig, achtsporig. Sporen länglich elliptisch, 4 theilig
(erst scheinbar polar 2th.), 14 w lang, 4 u dick. Die Frucht hat zur
eigenen gonidienlosen Rand, aber im Schlauboden finden sich hänfig
Gonidienklumpen. Körber zählt sie zu den Biatorineen. Sacrauer
Kalkberg bei Gogolin (R.).
Dimerospora rugulosa Hepp. An Platanenästchen im Schlosshof
von Dambrau bei Oppeln (E.).
D. proteiformis Mach. Park in Pless O.-$., Münchhof bei
Münsterberg; N.-Ellguther Kalkberg, bei Gogolin (E.).
D. Turicensis Hepp. Kruste weinsteinartig, schuppig-körnig, .
weissgrau, auf undeutlichem weissem Vorlager. Apothecien untermischt
bis weit hervortretend, das Lager oft fast verdeckend, erst flach, dann
gewölbt, bis unförmig faltig, kopfförmig dick, hechtblau bereift. Sporen
in keuligen Schläuchen zu 8, elliptisch, zweitheilig mit deutlicher Quer-
wand, 12 w lang, —5 u dick. Am N.-Hllguther Kalkberg bei Go-
golin (E.). '
Rinodina Conradi Kbr., auf todtem Birkenstock am Sandberg bei
Pontwitz, Kr. Oels (E.).
Rinodina Bischofii Hepp. «a. protuberans Kbr. B. immersa
Kbr. Durch das ganze oberschlesische Kalkgebiet verbreitet und in
beiden Formen fast in jedem Kalkbruch von Oppeln bis Beuthen zu
finden (E.).
Rinodina exigua (Ach... Th. Fr. r. inundata Blom-
berg (in sched.). Kruste ausgebreitet, firnissartig und feinrissig
gefeldert, graubraun, auf undeutlichem (schwarzem) Vorlager. Früchte
sehr klein, eingesenkt, mit erst wulstigem, dann fast verschwindendem
Lagerrande; später sitzend. Sporen in fast eiförmigen Schläuchen zu 8,
elliptisch, 2theilig, rauchgrau, erst beim Absterben mitten eingeschnürt,
genau denen der Buellia discolor Hepp. gleich. Schlauchboden farblos.
Görbersdorf, Freudengraben an zeitweis überfluthetem Basalt (E.).
Rinod. colobina Ach., an Acer Pseudoplatanus im Park von
Kraschnitz bei Militsch (St.).
Lecanora gypsodes Kbr. An Körber’s Standort: Echofelsen
des Kynast. An in Menge gesammelten Exemplaren zeigt sich die Oel-
tropfenzweitheilung der Sporen typisch (St.), (E.).
Lec. cenisia Ach. An der Heuscheuer verbreitet (St.), (E.).
Lec. badia. Pers. :Schmiedelehne bei Peterswaldau. Eule (E.).
Lecanora effusa Pers. y. hypopta Ach. Kiefern bei Nassadel,
Kreis Namslau (E.). f. glaucella Fw. an Larix zwischen Jaekel und
Haufen bei Riemberg. Auf Hirnschnitt von Kiefern bei Ohmsdorf,
II. Abtheilung. Zoologisch-botanische Section. 9
Kreis Schweidnitz. Sehr schön im Königl. Forst bei Constadt an
Kiefern (E.).
Lecanora Pumilionis Rehm ist Lec. symmicta Ach. f.
denigrata Fw., ist auf Knieholz auf dem Kamme des Riesen-
sebirges gemein und wechselt ab von ganz hellen bis fast schwarzen
Früchten (E.).
Mosigia gibbosa Ach., am Basalt der kleinen Schneegrube
fruchtend (E.),
Icmadophila aeruginosa Scop. Auf torfigsem Waldboden im
Wald zwischen Jamm und Alt-Rosenberg, Kreis Rosenberg O.-S. (E.).
Aspicilia Myrini Fr. Bibersteine (E.).
Asp. sanguinea Krplh. = 4A. cinereorufescens Ach.
f. diamartha Nyl. Nahe am Koppenbach im Riesengrunde und im
Teufelsgärtehen (E. 1895). Die Grundform schon früher, 1892, im
Kessel des Riesengrundes und in diesem Jahr eine sehr dicklappigkrustige
Form mit sehr grossen Früchten, an der Kesselkoppe, auf Steinwällen,
genannt Teufelslustgarten, beobachtet (E.). (Lecanora eritica Nyl.)
Asp. complanata Kbr., in taubengrauer, eigenthümlicher Form
mit glatt eingesenkten Früchten an der grossen Sturmhaube und den
Grubenrändern, genau Körber’s Diagnose entsprechend (E.).
Asp. bohemica Kbr. Kleutschberg bei Gnadenfrei (St.).
Asp. phaeops Nyl. An Steinmauern auf der Feldseite von Mittel-
Peilau bei Gnadenfrei (E.).
Asp. morioides Blomberg. Fast nicht von Sporastatia
tesiudinea, mit welcher sie oft zusammen wächst, zu unterscheiden.
Die Lagerareolen metallisch glänzend, gewölbter und kleiner wie bei
Sp. und ohne effigurirten Rand. Früchte sehr klein, punktförmig,
einzeln, in Mitten der Areolen tief eingesenkt, mit schwarzer Scheibe.
Sporen in fast birnförmig-keuligen Schläuchen zu 8, 10—12 y lang,
5—6 pw diek. Schlauchboden ungefärbt.
Pferdeköpfe bei der neuen Schles. Baude, 1892 entdeckt. 1894 in
Menge wieder gefunden (E.).
Asp. Prevosti (Fr.) Th. Fr. Kruste sich ganz anschmiegend,
glatt, röthlichgrau, glanzlos und nur sehr fein rissig. Früchte stets
kreisrund, ganz eingesenkt, concav (schüsselförmig), röthlichgrau, ange- _
feuchtet feurigroth, dann matt werdend.. Rand wenig vortretend.
Sporen m
p er I gross.
Glatzer Schneeberg: Schwalbensteine (E.).
Asp. flavida Arn. Kruste ausgebreitet oder fleckenartig dünn,
fast schorfig, fein rissig gefeldert, gelbgrau, „wie eine dünn angeflogene
Lage erdigen Schmutzes“ (Kbr.).. Früchte sehr klein, eingesenkt bis
sitzend, mit anfangs vertiefter, später flacher, schwarzer Scheibe. Füll-
10 Jahresbericht der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur.
fäden schön gegliedert, oben stahlblau. Sporen zu 8 in keuligen Schläuchen
16—18 yı lang, 8—10 w dick.
Auf Kalkgeröll in einem alten Steinbruch bei Chorulla, Gogolin und
an Kalkfelsen im Riesengrunde (E.).
Asp. ceracea. Arn. Kruste dünn, schorfig, kaum rissig, firniss-
artig heller oder dunkler bis braunschwarz, meist kleinfleckig. Früchte
zahlreich eingesenkt, dünn-wulstig, vom Lager berandet, wachsgelb oder
mit einer braunen, dem Lager sgleichfarbigen Schicht bedeckt,
Schlauchschicht ganz hyalin wie der Schlauchboden, alles sehr zart.
Sporen in keuligen Schläuchen oft einreihig gelagert 10—14 u lang,
5—6 w dick.
Gipfel des Wartha-Berges, Grafschaft Glatz, Zobten, Eichberge bei
Reichenbach. Bei Wolfshau an vom Wasser bespritzten Stein in ganz
heller, graugelblicher Form (B.). |
Asp. faginea Eitner. (nov. spec.) Kruste dünn, rehgrau, fein-
rissig gefeldert, mit rauhen, flachen Feldern, mit oft effigurirtem Rande.
Vorlager unkenntlich. Früchte eingesenkt, erst punktförmig mit leprösem,
hervorstehendem Thallusrand, später unberandet, mit unregelmässig er-
weiterter, flacher, nackter, schwarzer Scheibe, welche angefeuchtet
rothbraun wird. Füllfäden verleimt, dieklich straff, oben schwach ver-
dickt, gelbbraun. Sporen zu 3, in gestielt keuligen Schläuchen,
nn ı gross. Jod färbt das Hymenium goldbraun. Erscheint wie
Rindenform vorstehender A. complanata (Kbr.).
An Rothbuchen im Trebnitzer Buchenwald (E.).
Phialopsis rubra Hoffm. An alten Eichen im Reinersdorfer
Wald bei Constadt und im Gr.-Leubuscher Wald bei Brieg (E.).
Petractis exanthematica Sm. Kruste sehr dünn, oft fast
fehlend, weisslichgrau, gelblich. Früchte eingesenkt, die Kruste mit
sternförmig zerschlitztem Rande durchbrechend. Scheibe röthlich flach.
Sporen spindelförmig 4theilig.
Alter Kalkbruch auf der Anhöhe zwischen Schwieben und Langen-
dorf bei Tost O.-8. (E.).
Gyalecta truncigena (Ach. 1814). (Secoliga abstrusa Kbr.),,. An
Ulmus camp. im Heinrichauer Park, an alten Eichen im Gr.-Leubuscher
Wald bei Brieg (E.).
Gyalecta fagicola Hepp. Thallus graubraun, oft wulstig,
aber sehr dünn. Früchte von der Kruste halb überwölbt, sich spät
: öffnend und stets mit "eingebogenem Rand napfförmig. Scheibe flach,
rothbraun, Hymenium wasserhell, Füllfäden straff gegliedert. Sporen
zu sehr vielen in schlankkeuligen Schläuchen, spindelförmig, Atheilig
20 p lang, 4 p diek. An Ulmus im Kgl. Forst bei Constadt (B.).
II. Abtheilung. Zoologisch-botanische Section. ul
Thelotrema lepadinum Ach. Heuscheuer (E.) und noch an
Buchen im Wald bei Dammer, Kr. Namslau (E.).
Pertusaria inquinata (Ach.) Th. Fries. Thallus dünn
grauweisslichgrün, der Asp. calcarea ähnlich, doch dünner, Frucht-
warzen ganz unregelmässig, flach, rundlich bis eckig, Früchte
Aspicilia-artig ganz eingesenkt, mit schwarzer, flacher, körnig weiss-
berandeter, punktförmiger rauher, dann unregelmässig verbreiteter
Scheibe. Oft einzeln, aber auch bis zu 10 in einer Warze, später
verschmelzend. Füllfäden haarförmig, wirr, Schläuche fast lineal
mit 8 einreihig gelagerten
Basalt der kleinen Schneegrube (E.).
Pertusaria coccodes Ach. (K + erst gelb, bald blutroth).
Am Grund alter Fichten im Königl. Forst bei Kotschanowitz, Kreuz-
burg O.-S. (E.).
Pert. coronata Ach. (K — oder bräunt.) An Fagus im Wald
über Schreiberhau nach. der alten Schles. Baude. Im Elbgrund an
demselben Substrat und ebenso im Gr.-Leubuscher Wald bei
Brieg (B.).
Pert. ocellata Walir. und var. Flotowiana Flk., an Sandstein
des Höllengrundes bei Althaide (E.).
Pert. multipuncta Turn. Im Bankauer Wald bei Kreuzburg
an Fagus. Goerbersdorf, Schwarzer Berg, hohes Gebirge steis an
Fagus (E.).
Pert. Wulfenii D. ©. An Sorbus bei Grottkau (E,).
Thelocarpon Laureri Fw. Hirnschnitt alter Zaunbretter auf der
Wörtherstrasse (vulgo Klingelgasse) in Breslau ($t.).
Th. epilithellum Nyl. Auf grobem, bröcklichem Granitblock in
der Sandgrube zwischen Polgsen und Kl.-Schmograu bei Wohlau in sehr
kräftigen Exemplaren (E.).
grossen Sporen.
Thalloedema squalescens Nyl., von der Schneekoppe, wurde
1864 von Körber als Biatorina eryptadia Kbr. in sched. veröffentlicht.
(Stein).
Hier möge eine nicht schlesische Art Erwähnung finden. Thalloe-_
dema Bormülleri Stein in litt.
Lagerschuppen 1 bis 2 cm hoch, drehrunde, hohle, vielverzweigte
Stämmehen bildend, welche oben in bläulichgrüne, dicht bleigrau be-
reifte, blasig warzige, polsterbildende, 2—3 mm breite Schuppenköpfe
enden. Früchte 2—3 mm gross, Scheibe flach, mattschwarz oder leicht
grau bereift mit dauernd vortretendem, anfangs bereiftem, dann
schwarzem Rande. Schlauchboden rothbraun, Füllfäden kräftig, ästig und
oben trübgrünlich bis schwärzlich-grünlich, oft mit körniger schwarzer
12 Jahresbericht der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur.
u
Epithel-Schicht. Sporen zu 8 in schmalkeuligen Schläuchen, breit-
ga
spindelförmig, quer zweitheilig—
B) 3
—_Ig | gross (Stein).
Am Domegbed im Banat Primula Auricula im Juli 1886
von Bornmüller gefunden (Stein).
Erinnert an eine Dufourea und weicht habituell von allen europäischen
Thalloedema-Arten weit ab.
Psora ostreata Hoffm., stark fruchtend im Dorfe Jaekel bei
Obernigk an alten Brettzäunen (R.).
Psora fuliginosa Tayl. An Kesselfelsen unter der Kesselkoppe,
Riesengebirge, mit stark verbreiteter Kruste (E.). Granit.
Psora Limprichtii (St). An der Felsenspitze neben dem Kochel-
fall (E.), auf Granit.
Toninia syncomista Flke. Kirchhofmauer Altstadt Nimptsch (E.).
Strangospora moriformis Ach. Zaun hinterm Turnplatz in
Gleiwitz (R.).
Scoliciosporum compactum Kbr. An faulem Brettzaune bei
Glausche, Kr. Namslau (E.).
Sc. vermiferum Nyl. An Eichen im Gr.-Leubuscher Wald bei
Brieg (E.).
Sc. Baggei Metzler. Trebnitzer Buchenwald Alnus incana und im
Wald hinter Schimmelwitz bei Obernigk (wohl Körber’s Standort) in
Menge. An Birken bei Constadt O.-$8. Im Wald bei Kl.-Schmograu.
Wohlau an Eichenästchen (E.).
Bacidia rosella Pers. An jüngeren Eichen! im Trebnitzer
Buchenwald und im Walde hinter Deutsch-Lissa ebenfalls an
Eiche! (E.).
Bac. albescens Arn. An alten Eichen im Reinersdorfer Wald bei
Constadt, auf gleichem Substrat im Gr Alaususanen Wald bei Brieg und
auf Sarothamnus in Obernigk (E.),
Bac. inundata (Fr.) Kbr. Auf überfluthetem Sandstein im
Höllengrund bei Althaide (Glatz), Görbersdorf, Schmiedegrund (Eulen-
gebirge) (E.).
Bac. arceutina Ach. An jungen Eichen im Gr.-Leubuscher Wald,
Kr. Brieg (E.), hier häufig.
Bac. acerina (Pers.) Arn. Kruste körnig, staubig, gelbgrau.
Früchte gelblich-röthlichbraun bis rothschwarz; sitzend bis fast gestielt,
mit dickem, hohem, glänzend schwarzem, resp. der Scheibenfarbe fast
‘ gleichem Rand. Scheibe vertieft bis flach. Paraphysen wenig verleimt,
wie das Hypothecium hyalin, oben wenig matt graubraun gefärbt. ,
Schlauchboden sehr diek und fast hornig. Gehäuse dick, rosagelblich
bis ungefärbt. Sporen in schmalkeuligen Schläuchen zu 8, 50—80 u
II. Abtheilung. Zoologisch-botanische Section. 13
lang, an einem Ende keulig verdickt und kurz scharf zugespitzt, 2—5 1
diek, deutlich vieltheilig.
An alten Eichen im Bankauer Wald bei Kreuzburg (R.).
Bac. abbrevians (Nyl.) Th. Fr. Kruste glatt, runzlich
slänzend, oder staubig aufgelöst, weiss oder grau, Apothecien klein,
angedrückt bis sitzend, schwarz, erst concav, dann flach, mit dünnem,
sleichfarbigem Rand umgeben, später leicht gewölbt, randlos. Exeipulum
in’s Violette spielend. Hypothecium farblos; Paraphysen ziemlich locker
zusammenhängend, mit dunklen, verdieckten Enden. Schläuche keulig,
mit 8 meist viertheiligen, stumpfen, 12—20 u langen, 2—3 u dicken
Sporen.
An Sorbus im Reinersdorfer Wald bei Constadt (E.).
Bacidia egenula (Nyl.) Th. Fr. Kruste dünn, helleroder dunkler
grau, bis fast schwarz, oft fehlend, auf weissem Vorlager. Apothecien
klein, sitzend, angedrückt, erst flach mit schwachem stumpfem Rand,
dann leicht gewölbt unberandet. Trocken schwarz oder schwarzröthlich,
angefeuchtet heller werdend, rothbraun. Exceipulum violett. Schlauch-
boden gelb oder schmutzig gelbbraun. Paraphysen ungefärbt. Schläuche
schmalkeulig. Ziemlich oft sind im Thecium abgestorbene, schmutzig-
violette Schläuche vorhanden, wodurch die Schlauchschicht manchmal
dunkler erscheint, Sporen 21—30 yp lang, 1 ıw eirca dick.
Auf Kalk auf der Weisskoppe, Grafschaft Glatz (E.).
Bilimbia borborodes Kbr. An alten Eichen im Gr.-Leubuscher
Wald bei Brieg (E.).
Bilimb. obscurata Th. Fr. Weber Moospolstern Schnee-
koppe (E.).
B. sphaeroides (Dcks,) Th. Fr. An alten Robinien im Stadtwald
von Namslau (E.). An Populus trem. im Dirsdorfer Wald bei Gnaden-
frei (E.).
B. hypnophila Ach. An alten Eichen im Reinersdorfer Wald bei
Constadt. Auf Moosen und Rinde (E.).
B. coprodes Kbr. An versteckten Sandsteinblöcken im Höllen-
thal bei Althaide, Grafschaft Glatz (E.).
B. trisepta Naeg. f. saxicola. An Kopfsteinen (Granit) im
Jaekeler Wald bei Obernigk: An Sandstein im Höllenthal bei Althaide, -
Grafschaft Glatz (E.).
B. effusa Auersw. An alten Eichen im Gr.-Leubuscher Wald bei
Brieg (E.).
B. Nitschkeana Lahm. Im Kgl. Forst bei Constadt O.-S. an
‚Eichen und ebenso im Muckerauer Wald bei Lissa (E.).
B. chlorococca Graewe. Kruste dünn, staubig oder körnig,
schmutziggrün oder gelblichgrün; Apothecien klein, angedrückt bis
fast eingesenkt, mehr oder weniger gewölbt, unberandet, Schlauchboden
14 Jahresbericht der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur.
ungefärbt; Paraphysen gallertartig zerfliessend; Schläuche aufgeblasen
keulig; Sporen 4—Stheilig zugespitzt. Die Theilung ist oft so un-
deutlich, dass man einzellige Sporen zu sehen glaubt.
a tristior Th. Fr. Apothecien schwarzbraun bis schwarz, sitzend;
Paraphysen-Enden schmutzig olivenfarbig.
ß hülarior Th. Fr. Kruste dicker, Apothecien heller oder
dunkeler rothbraun bis fast braunschwarz, oft fast eingesenkt.
&. An Erlenästchen im Park von Pless.. An Birken bei Constadt O.-S.
und auf gleichem Substrat bei Gleiwitz (E.).
B. An Populus tremula in den Sitten bei Obernisk (E.).
Biimbia atro-candida Eitner nov. spec. Kruste wie firniss-
artig schorfig, weiss, leprös gelblich sich auflösend. Früchte sehr klein,
unberandet, schwarz, nackt, angefeuchtet nicht heller werdend; flach bis
leicht gewölbt, rund bis unregelmässig. Schlauchboden dunkelrothbraun,
Füllfäden hyalin,. ziemlich verleimt, oben braun, kopfig verdickt.
Schläuche blasig, keulig, 8sporig. Sporen schmal, spindelförmig, an
beiden Enden scharf zugespitzt, 20 u lang, 3—4 w dick, 4- und 6-theilig,
ungefärbt.
Die Farbe des Schlauchbodens steigt oft in die Füllfäden, so dass
diese auch ganz hellbräunlich werden.
An nicht zu alten Eichen im Gr.-Leubuscher Wald bei Brieg (E.).
Biatorina wmicrococca KDr. an abgestorbenen Juniperus-
zweigen auf der Schwedenschanze bei Grünberg (Hellwig, t. Stein).
B. lutea Dcks. an alten Eichen im Reinersdorfer Wald bei Con-
stadt (E.).
B. Ehrhardtiana Ach., stark fruchtend. Altstadt bei Namslau:
Scheune; Obernigk: Scheune; Deutsch-Würbitz bei Constadt: Feld-
scheune etc. (E.).
B. sub-Ehrhardtiana Einer nov. spec. Kruste zwischen an-
deren Flechten, kleine 1 > 2 cm grosse Flecken bildend, sehr klein-
körnig, grauweiss, ohne Spermogonien. Früchte kaum halb so gross
wie bei Ehrhardtiana, mit gelber Scheibe ohne eigenen Rand, eingesenkt
und vom Lager feinkörnig staubig bekrönt. Sporen dicker als bei
Ehrhardtiana, elliptisch, 14 u lang, 5 p dick, deutlich zweitheilig ohne
Einschnürung. An altem Brettzaun des Dom. Hennersdorf bei Koeltschen,
Kreis Reichenbach (E.).
B. diaphana Kbr. Felsen in der Aupa im Riesengrunde (E.).
B. prasina Fr. An faulen Birken auf dem Königshayner Spitzberg,
' Grafschaft Glatz (E.).
B. lenticularis Ach. «a vulgaris Kbr. Warthaberg bei Ca- ,
menz (E.). # erubescens Fw. Sacrauer und Nieder-Ellguther Kalkberg
bei Gogolin (E.).
II. Abtheilung. Zoologisch-botanische Section. 15
Biatora granulosa Ehrh. 1785. Obernigk: Schonung vor dem
Riemberger Walde. Im Wald bei Kandrzin O.-S. (B.).
B. rivulosa Ach. Am Brunnenberg, Kesselrand (E.).
B. mollis Wbg. Pferdeköpfe. Sturmhaube. Melzergrund. Sand-
steinfelsen bei Rückers (E.).
B. lweida Ach. An Gabbrofelsen des Zobten gegen Tampadel,
sehr stark fruchtend (E.).
B. gibberosa Ach. Im Inneren hohler Weiden, Weg von Obernigk
nach Schimmelwitz (E.).
B. atomaria Th. Fr. An einem Basaltblock bei Rudzinietz O.-8.
und auf Kieseln des alten Festungswerkes in Schweidnitz (E.).
B. trrachona Ach. Am (uadersandstein der Heuscheuer (St.).
Lomnitzfall und Melzergrund (E.).
Diplotomma tegulare Kbr. Thallus ziemlich grosse Flecke
bildend, sehr dünn, warzig gefeldert, grau, mit dem schwarzen, dendri-
tischen Vorlager verschmolzen. Apothecien klein, fast eingesenkt, stets
eben, schwarz, vom Thallus erst erenulirt bekrönt, dann unberandet.
Sporen in eiförmig keuligen Schläuchen, ziemlich gross, fast eiförmig;
von Anfang an mauerartig, erst wasserhell, bald braun. Friedersdorf
bei Strehlen. Altstadt Nimptsch, an Granitmauern (E.).
Poetschia Sphyridii Stein (Verhdl. d. Brandenb. Bot. Verein 1872)
auf Sphyridium an Steinen auf den Bergen hinter dem Gasthaus ‚Zur
Forelle“ in Steinkunzendorf a. d. Eule (E.).
Poetschia buellioides Kbr. an Eichen des Constädter Kgl. Forstes
(E.). — Gleichfalls auf Sphyridium byssoides L. und zwar auf der var.
carneum Flke. sammelte Stein einen neuen Epiphyten, der wohl auch
in Schlesien vorkommen dürfte und dessen Diagnose lautet:
Celidiopsis Sphyridii Stein in litt. Früchte kaum 0,6 mm
gross, rund. Jung angedrückt, dann aufsitzend, von Anfang an rändlos,
braunschwarz bis matt reinschwarz; erst flach, bald stark gewölbt, fein
rauh. Sporen in langen schmalen, oft fast walzigen Schläuchen zu je 4,
selten 3 oder 5; anfangs wasserhell und zweitheilig, bald gelbbräunlich,
schliesslich grau bis violett, schwärzlich und durch starke Querwände
4 theilig; lang eiförmig bis fast puppenförmig, a gross. Füll-
fäden zart, schleimig in einander verfliessend, oben breit grün-schwärz-
lieh. Schlauchboden dick und fest; aus braunschwarzem Grunde gelb-
bräunlich (Stein. An losen Sandhängen des Weges zum Alpenzeiger
bei Brugg ca. 550 m Seehöhe (Stein).
Ist schon durch die Grösse der Sporen und deren Vierzahl von
C. insitiva Fw. verschieden.
Buellia discolor Hepp. Görbersdorf: Büttnergrund; Langer
Grund bei Wartha (E.).
16» Jahresbericht der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur.
Catocarpus chionophilus Th. Fr. auf dem ganzen Kamm des
Riesengebirges verbreitet (B.).
Var. riphaeus Steim nov. var. Felderchen der Kruste bläulich,
weiss, glatt, matt, etwas gewölbt, mehr oder weniger dichtstehend auf
dem überall durchbliekenden schwarzen Vorlager. Früchte in den
Felderchen eingesenkt, gewölbt, unberandet oder hervortretend flach
und niedergedrückt berandet. Schlauchschicht und Sporen wie bei der
Normalform. Letztere etwas kleiner und länger farblos bleibend.
Schleimhof schmal und oft undeutlich.
An trockenen Felsen der Mädelsteine und an Granitblöcken, welche
am Wege unter der grossen Sturmhaube liegen. Oft grosse Strecken
als kräftige, gesunde Pflanze überziehend, oft auch mit der Normal Form
vermengt, doch fast stets durch das schwarze Vorlager scharf abgegrenzt.
Selbst Th. M. Fries, der berufenste Kenner der Catocarpus-Gruppe sah
die Pflanze als eigenartig und neu an, um so mehr, als die Früchte
oben rothbraune Füllfäden zeigten.
Bei im Jahre 1892 von mir in Masse gesammeltem Material zeigten
sich aber deutliche Uebergänge zur Normalform, sowohl durch einge-
sprengte gelbe Felder wie auch durch Uebergänge aus weiss in mehr
oder weniger gelben Farbenton. Einfluss der Unterlage ist ausge-
schlossen, ebenso der eines Epiphyten, da die weisse Kruste stets
strotzend gesund ist und mit sehr kräftigen, gut ausgebildete Sporen
enthaltenden Früchten dicht besetzt ist (E.).
C. applanatus Fr. Zackenfall (B.).
C. Koerberi Stein (Catillaria concreia Kbr.). Schneekoppe,
Salzgrund bei Fürstenstein (B.).
©. copelandi (Kbr.) Th. Fr. Kruste warzig, weiss, grau oder
bräunlich. Vorlager schwarz, Hyphen nicht amylumhaltig. Früchte,
den Felderchen untermischt, erst dem Thallus gleich hoch, dann mehr
oder weniger hervorragend, eben und dünn berandet, dann gewölbt, un-
berandet, schwarz und nackt. Sporen gross, dunkel gefärbt; Apotheeien
0,3 bis 1,0 mm breit, Exeipulum trüb rothsehwarz. Hypoth. braun-
schwarz, Paraphysen gelatinös verleimt mit fast braunschwarzen
oder trüb rothbraunen Enden. Schläuche aufgeblasen, keulig, Sporen
— gross.
An feuchten Felsen des Weisswasser-Grundes, oberer Theil (E.).
An meinen Exemplaren sind die einzelnen weissen Wärzchen dünn
über dem schwarzen Vorlager zerstreut, so dass die Flechte ein reizendes
- Aussehen erhält.
C. simillimus Anzi. Im höheren Vorgebirge und den Bergen bis .
ans Hochgebirge verbreitet. Ganz vereinzelt ist ein Fund bei Gr.-Streh-
litz O.-S. gegen Dolna an Basalt (E.).
II. Abtheilung. Zoologisch-botanische Section. 17
Catocarpus polycarpus Hepp. Im Riesengebirge auf dem
ganzen Kamm stark verbreitet, in sehr diekkrustigem, grossfrüchtigem
Exemplar am Buchberg, Görbersdorf (E.).
C. seducius Nyl. (Lecidea seducia Nyl Flora 1881. Cato-
carpus concretus Arn., aber nicht Catillaria concreta Kbr., nach
Th. Fries, auch Lecidea concreta Ach., so dass der Name (. con-
creius für diese Art nicht zu erhalten ist).
Thallus schmutzig grau, ungleich warzig, zerklüftet, ziemlich diek
vom dünnen schwarzgrauen Vorlager dendritisch berandet. Warzen
körnig rauh, gewölbt. Früchte, den Warzen untermischt, randlos, vom
Lager oft scheinbar körnig bekrönt. Scheibe rauh, schwarz, nackt
Hypoth. schwärzlich braun, Füllfäden gelatinös zerfliessend, hyalin mit
brauner Decke, Sporen zu 8 in schmalkeulisen Schläuchen, farblos,
14 —18
8—10
Granitblöeke am Grenzweg vor Hauffen bei Riemberg (E.).
Rhizocarpon geographicum L. f. lecanorinum Flke. Hockschar
(E.). F. pulverulentum Schaer. Mädelsteine (E.).
f. albocoerulescens Eitner nov. f. mit blauweisser Kruste
und länger hellbleibenden Sporen, sonst wie die Normalform. Schnee-
koppe (E.). Schwalbensteine auf dem Glatzer Schneeberg (E.).
Rh. distinctum Th. Fr. Hierher gehören sämmtliche von Stein,
Fl. von Schl. pag. 229 No. 400 unter Rh. atroalbum Ach. aufgeführten
Funde (E.).
Rh. calcareum (Weiss) ß. conceniricum (Dav. 1794). Am
rothen Berge bei Rengersdorf an der Chaussee von Volpersdorf nach
dem Pländel, Grafschaft Glatz (E.). F. exceniricum Ach. mit gelb-
grüner Kruste. Eulengebirge — Öbernigk. — (E.).
Rh. Moniagnei (Fw.) Kbr. Dreiecker bei Landeck (E.).
Rh. lavatum Ach. (vicht Rh. obscuratum Ach. f. lavatum Fr.)
Kruste fleckartig, warzig körnig, dünner oder dicker, unrein dunkelgrau,
auf oft durchblickendem, firnissartigem, grauschwarzem Vorlager. Früchte
stets mit wulstigem, dickem, niedergedrücktem, fast glänzendem schwarzen
Rande. Scheibe uneben, rauh, oft fast rillig, wie@Gyrophora. Schlauchboden
und Gehäuse braunschwarz; Füllfäden wenig kenntlich, verleimt, oben
dunkelbraun. Sporen in schlankkeuligen Schläuchen zu 8, 20 bis 28
lang, 10 u diek; farblos, meist mauerartig vieltheilig, höchstens beim
Absterben mit dunkleren Querbändern,
Obernigk im Walde gegen Jaekel viel. Schlackenthal bei Reichen-
stein (E.).
Rh. obscuratum Ach. Warthaberg bei Wartha, Glatz (E.).
Rh. melaenum Kbr. An überspülten Felsen des Lomnitzfalles
(Koerber’s Standort) wiedergefunden (E.).
1895. QN
gross, mit dünner Querwand und oft undeutlichem Schleimhof.
18. Jahresbericht der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur.
Catillaria Laureri Hepp. Kruste firnissartig oder rissig ge-
feldert; gelblich weiss, grau oder schmutzig graugrün. Apotheeien
sitzend, erst mit dickem, wulstigem, meist hellerem Rande; dann bald
gewölbt, mit verschwindendem Rande, verschiedenartig tuberculös, bis
fast kugelig. Scheibe blaugrau bis gelbgraubraun, an den Seiten heller
werdend. Paraphysen, Grund- und Deckschieht mehr oder weniger violett
bis rothschwarz. Sporen ziemlich gross, 2theilig, in keuligen Schläuchen.
= w gross zu 8. Schlauchboden rothbraun. Jod färbt anfangs das
ganze Hymenium blau, nachher weinreth. An Fagus über Marienthal
nach der alten Schles. Baude (E.).
©. athallina Hepp. Kruste sehr dünn oder fehlend, grau bis
gelblich, Vorlager undeutlich; Apothecien erst eingesenkt, dann ange-
presst sitzend, eben und dünn berandet; später gewölbt, ohne Rand,
kahl. Hypothecium dunkel rothbraun; Gehäuse rothschwarz; Paraphysen
lose zunammenhängend mit dunkel smaragdgrünen oder schmutzig blauen
und eingeschnittenen Enden. Schläuche keulig, Sporen zu 8, länglich,
ge
elliptisch, __ uw gross. — Kalkblöcke um Gr.-Strehlitz, alter Bruch
zwischen Schwieben und Langendorf bei Tost (E.).
Catillaria neglecta Kbr. Thallus fleckartig bis ausgebreitet,
sehr dünn, an den Rändern dendritisch wachsend, grau, häutig oder
staubig aufgelöst. Vorlager scheint zu fehlen. Früchte sehr klein,
erst eingesenkt und vom Lager bekrönt, später sitzend flach. Scheibe
schwarz, hin und wieder bereift mit dünnem, schwarzem, nacktem
Rande. Lamna hellgraugrün. Paraphysen dick, locker zusammen-
hängend, hyalin, knotig gliedrig, ästig. Schlauchboden krumig, farblos.
Sporen in breitkeuligen Schläuchen zu 8, eiförmig, elliptisch, 2 theilig,
hyalin, mitten etwas eingeschnürt, —_— i gross. Jod bläut dauernd
nur die Schlauchspitzen, alles andere bald gelbroih.
Erinnert äusserlich an Rinodina exigua Ach. f. colleiica Flke. oder oft
mehr noch an Aspieilia flavida Arn.
Tost: Kalkbruch zwischen Schwieben und Langendorf! (E.).
Lecidella nodulosa Kbr. Melzergrund. Glatzer Schneeberg,
Schwalbensteine (E,). | |
L.®Mosigii Hepp. Kessel im Riesengrund, Koppe und Kleine
Sturmhaube (E.). |
L. pantherina Ach. Reichenbach a. d. Eule: am goldenen Sieb!
Schmiedelehne. Glatz: Schloss Waldstein bei Rückers. Görbersdorf
Buchberg! Altvater, Brünnelheide (E.).
L. lapicida Ach. Riesengebirge: Mädelsteine und Koppe. Glatz:
Dreiecker bei Landeck. Eulengebirge: Popelsteine (E.).
we:
Ts
DIET 2
>
II. Abtheilung. Zoologisch-botanische Section. 19
L. cyanea Ach. Glatz: Warthaberg! Eulengebirge: Schmiede-
lehne! Nimptsch: Schanze bei Pristram! (E.)
L. plana Lahm. Riesengebirge: Kl. Schneegrube, Grubenränder,
Mädelsteine! Glatz: Schloss Waldstein bei Rückers.
L. fuscorubens Nyl. Oberschlesien: im Kalkgebiet verbreitet,
sehr schön Gr.-Strehlitz: Kalinowitz an Steinwällen! (E.)
L. bullata Kbr. Glatzer Schneeberg: Schwalbensteine (E.).
L. assimilata Nyl. ß infuscata Th. Fr. Gesenke: Peterstein
(K. & E.).
L. arctica Smf. Riesengebirge: Kessel im Riesensrunde, an der
grossen Sturmhaube nach der alten Schlesischen Baude und sonst ver-
streut (E.).
Nesolechia punctum Mass. Epiphytisch. Apotheeien flach, schei-
benförmig auf der Oberfläche der Nährpflanze angedrückt, schwarz. Sporen
in rübenförmigen Schläuchen zu 8; dieselben unterm Objetgläschen nicht
verlassend, 10—12 u lang, 3 u dick, farblos.
Tost: Kalkbruch zwischen Schwieben und Langendorf auf Cladonia-
schuppen (R.).
Lecidea fuscoatra L. f. meiosporiza Nyl. Von der Grund-
form durch glanzlosen weissen Thallus unterschieden, dessen Schuppen-
theilung oft sehr undeutlich (K.). — Früchte dünn und flach, oft fast von
der Lagerfarbe, oft unbereift schwarz mit dünnem Rande. Sonst wie Grund-
form. Kreuzburg O.-S.: Erzschurfstellen bei Matzdorf (E.).
L. subconfluens Th. Fr. (L. sorediza Nylt.). Thallus dünn,
glatt, feinrissig gefeldert, blei- oder weissgrau, glanzlos, von blau-
schwarzem Vorlager durchkreuzt und begrenzt. Hyphen amylumhaltig.
Früchte angepresst — fast eingesenkt, mit ebener, dünn berandeter
schwarzer, grau bereifter Scheibe, welche hin und wieder sich mit
verschwindendem Rande wölbt. Hypothecium braunschwarz, Sporen
14—21
Bet
dick, schwarz (K.).
Fürstensteiner Grund, an den Felsen, welche die alte Burg tragen (R.).
L. auriculata Th. Fr. Kruste unregelmässig warzig oder fast
fehlend, weisslich. Früchte dicht sitzend oder zerstreut, ziemlich gross,
schwarz, glanzlos, entweder flach und diek berandet, oder gewölbt
randlos.. Rand wulstig, erenulirt, vielfach verbogen. Exeipulum dick,
innen und aussen blauschwarz, mitten hell. Schlauchboden bläulich
braunschwarz, so wie die Decke der farblosen Paraphysen. Sporen in
sehr kleinen, schmalkeuligen Schläuchen, zu 8, fast stäbchenförmig,
sross, in kugeligen bis aufgeblasenen Schläuchen. Exeipulum
e)
95 } gross. Grenzt an L. sarcogynoides Kbr.
Quadersandstein der Heuscheuer! (E.)
| es
0: Jahresbericht der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur.
Lecidea glaucophaea Kbr. Felsen über Steinkunzendorf a. d.
Eule. Warthaberg bei Wartha (E.).
L. erratica Kbr. Öbernigk, Münsterberg; Berge gegen Heinrichau ;
bei Gr.-Strehlitz O.-S., kurz wohl überall auf Sand- und Kiesboden ver-
breitet (E.). Die Obernigker Exemplare differiren: lepröse dünne Kruste
ohne Vorlager, dunkelgrau. Jod bläut dauernd und färbt nicht weinroth,
sonst normal. |
L. silvicola Fw. Im Kessel am Riesengrunde. Warthaberg bei
Wartha. Burgberg bei Peterswaldau im Eulengebirge (E.).
L. sarcogynoides Kbr. Am Granit der Steinbrüche bei Strehlen,
besonders nach Niclasdorf zu, sehr verbreitet (B.).
Sporastatia testudinea (Ach. 1810). An den Pferdeköpfen bei
der neuen Schles. Baude viel verbreitet (E.).
Sarcogyne pruinosa Sm. An Kalk und granitischem Gestein
durch das ganze Hügel- und Berggebiet gemein (B.).
Arthrosporum accline Fw. An Espen im Pilsnitzer Wald bei
Breslau (R.).
Einncephalographa (Lithographa) interjecta Lght. Thallus
srünlichgrauweiss, dünn, oft sprossend rauh, rissig, meistens ausgebreitet;
Apothecien schwarz rillig, oft glänzend, linear, einfach oder ästig, einzeln
oder zu mehreren verbunden, bogig. Epithecium sehr schmal, rinnen-
förmig, mit mattem, eingebogenen Rand. Schlauboden schwarz; Sporen
zu 8, farblos, länglich, 2theilig, nn W gross.
Schneegraben am Brunnenberge (E.).
Lecanactis biformis Fike. Eichen im Thiergartenwald bei
Ohlau (Stein & E.). Guhrauer Stadtwald (E.).. Oppeln.an Eichen (E.).
Opegraphavuigata Ach. f. lithurga Ach. Granit des Schmiede-
grundes bei Steinseiffersdorf a. d. Eule (E.).
Opegrapha inaequalis Fec. Kruste ausgedehnt, glatt, ohne
Glanz, grauweis, sehr dünn, zum grossen Theil von goldgelben, auf-
brechenden Soredien staubig, welche Farbe von den goldgelben Gonidien,
welche die ganze Kruste erfüllen, herrührt. Früchte klein, entweder
kreisrund oder rillig, kürzer als breit, wulstig eingerollt, dauernd be-
randet, braunschwarz mit meist weisslich oder grüngelblich bereifter
Scheibe und nacktem Rande, Gehäuse dickkohlig, Schlauchboden
gelbbraun, Füllfäden farblos, deutlich parallelfädig wie bei Graphis
bleibend, mit goldgelber oder gelbbräunlicher Decke und keulig ver-
diekten Enden. Sporen in breitkeuligen bis rübenförmigen Schläuchen
zu 8, 12 p lang, 3—4 w dick, 4theilig mit abgerundeten Enden.
Im Moschwitzer Buchenwald, Kreis Münsterberg, an Acer pseudo-
platanus (E.).
ee en
II. Abtheilung. Zoologisch-botanische Section. 91
Op. hapaleoides Nyl. Kruste staubig, weissgrau, grünlich, oft
mit weissen Warzen bedeckt, deren dunkle Mittelpunkte Spermogonien
sind. Früchte strichförmig, sternförmig gruppirt, lang und sehr schmal,
mit durch die eingekrümmten Ränder fast ganz bedeckter Scheibe,
schwarz. Gehäuse kohlig, Schlauchboden dunkel gelbbraun, Paraphysen
unkenntlich, Schlauchschicht schmutzig hell gelbgrün - bräunlich, nach
oben dunkler, mit krumiger Decke, Sporen in schlank rüben- bis keulen-
förmigen Schläuchen zu 8, 6theilig, 20 lang, 2—3 1 dick, mit stumpf
zugespitzten Enden, hyalin.
Im Gr.-Leubuscher Wald bei Brieg, im Moschwitzer Buchenwald,
Kreis Münsterberg (E.).
Op. rupestris Pers. 1794 ß dolomitica Arn. N.-Ellguter Kalk-
berg in sehr kräftigen, grossfrüchtigen, an O. varia erinnernden Exem-
plaren (E.).
Schismatomma pericleum Th. Fr. An alten Fichten um Kreuz-
burg O.-S. sehr häufig (E.).
Haszlinskia gibberulosa (Ach... An Weissbuchenhecken im
Schlanzer Park, Kreis Breslau (E.).
Arthothelium spectabile Fw., An Alnus incana am Bahnhof
Schlawentzitz O,-S. (E.).
Bactrospora dryina Ach. Eichen im Thiergartenwald bei Ohlau
(St. & E.) und im Guhrauer Stadtpark (E.).
Lahmia Kunzei Fw. An Espen im Pilsnitzer Wald bei Breslau (E.).
An Robinien in Dyhernfurth ($t.).
Arthonia didyma Kbr. (pineti Kbr.) An Fichten, Wes von
Wartha nach dem Spitzberg bei Königshayn (E.). ß decipiens Kbr.
an jungen Eichen im Pilsnitzer Wald bei Breslau und auf demselben
Substrat bei Nimptsch, Eichberge bei Reichenbach ete. und wohl sonst
verbreitet (E.), erinnert an Mycoporum Nyl., hat aber nur 2theilige
Sporen, und die einzelnen Knötchen der Früchte sind zu Lirellen ver-
bunden.
Coniangiumclemens Kbr. Aufder Fruchtscheibe von Lecanora
dispersa Pers. in der Sandgrube an der Chaussee von Wohlau nach
Polgsen, vor dem Walde (E.).
C. fuscum Mass, Ueberall gemein, sowohl an Kalk- als an anderen
Gesteinen (E.)
C. rugulosum Krmpilh. An Platanenästehen im Schlosshof in
Dambrau (E.).
C. spadiceum Lght. An Linden auf dem Zobten (BE.).
Oyrtidula miserrima (Nyl. Mycoporum). An jungen Eichen
sehr verbreitet (E.).
Kruste meist unterrindig, sonst sehr dünn schülferig, weisshäutig.
Früchte sehr klein, punktförmig, einzeln oder in Gruppen, Arthopyrenia-
32 Jahresbericht der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur.
artig gewölbt; doch ohne Pore, schwarzbraun. Schlauchboden ungefärbt
oder nicht bemerkbar. Schlauchschicht gelatinös, hyalin, mit locker
inliegenden, eiförmigen Schläuchen, 8sporig. Sporen ungefärbt, eiförmig,
parallel, Stheilig und durch einzelne Längswände 7—9Itheilig, mauer-
0— { 5 h >
artig, —— i gross. Die ganze Schlauchschicht ist von einer gross-
rar ek eingeschlossen oder vielmehr überdeckt.
Eichberge bei Reichenbach. Dirsdorfer Wald bei Gnadenfrei ete, (BE).
Acolium tympanellum Ach. Thallus wohl selten ausgebreitet,
sondern meist in kleinen Polstern, vereinzelt, körnig oder warzig faltig,
gsrauweiss. Vorlager weisslich. Apothecien sitzend, ziemlich gross,
schwarz, grauweiss bereift, mit diekem, weissem Lagerrande. Sporen
in langen Schläuchen zu 8, klein, stumpf, eiförmig, 2theilig, mitten
zusammengeschnürt, Sporen 10—18 w lang, 7—12 ı breit. An alten
Fichten in der Oppaschlucht bei Carlsbrunn (E.).
Stenocybe pullatula Ach. An Ain. incana im Trebnitzer Buchen-
wald (E.).
Calicium corynellum Ach. An Sandsteinblöcken im Höllen-
srund bei Altheide, Grafschaft Glatz (E.).
C. chlorinum Ach. Sandstein der Heuscheuer (St.).
C. nigrum (Schaer) Kbr. Alte Fichte am Kochelfall (St.). Sehr
kräftig an alten Eichen im Gr.-Leubuscher Wald, Kreis Brieg (E.).
Cyphelium ferrugineum Turn et Borr. An altem Brettzaun auf
dem Kirchberg bei Lissa, am Grunde alter Kiefern um den Haide-
kretscham, Mahlener Wald (E.). An alten Kiefern bei Clarencranst (St.).
C. phaeocephalum Turn, @ saepiculare Ach. An alten Scheunen-
thoren und Holzwänden in den Dörfern um Kreuzburg und Bone 0.-8.
sehr verbreitet (E.).
©. trichiale Ach. & cinereum Pers. Alte feste kieferne Scheunen-
balken bei Kreuzburg und Rosenberg O.-$. (E.). Schönwald bei Kreuz-
burg ($t.).
Endopyrenium Michelii Mass. Ist bei feuchtem Wetter lebhaft
grün! Mauer des Dominialhofes in Klentsch bei Gnadenfrei (St.), sonst
vielfach auf mit Lehm belegten Steinwällen und Mauern verbreitet um
Strehlen, Nimptsch, Münsterberg, Reichenbach (E.).
E. ee Ach. Obernigk, Wald nach Riemberg (E.).
Dermatocarpon Schaereri Hepp. Im ganzen Vorgebirge sehr
verbreitet auf mit Lehm bedeckten Steinmauern (E. & $St.), an lehmigen
Ausstichen (Wände) auch in Sandgruben bei Namslau (E.).
Sphaeromphale clopimum Wbg. Grafschaft Glatz häufig. Felsen
am rothen Berg vor Rengersdorf, Felsen an der Chaussee nach Mittel-
steine, Burgfelsen in Nieder-Rathen bei Wünschelburg (E.).
II. Abtheilung. Zoologisch-botanische Section. 93
Sph. fissa Tayl. Wohl in allen Gebirgsbächen, die vom Gebirge
in’s Hirschberger Thal strömen, auch im Hayn., (E.), Wölfelsgrund (E.).
Polyblastia lactea Mass. An Eichen im Walde vor Jaekel
bei Riemberg (E.).
P, fallaciosa Stitzbg. An Schwarzpappeln der Chaussee zwischen
Blottnitz und Gr.-Pluschnitz bei Gr.-Strehlitz und an Pappeln bei Gogolin
und Ottmuth (E,).
Thelidium minutulum KDdr. Thallus sehr dünn auf unbe-
stimmtem Vorlager, ausgebreitet, staubig, rissig, bräunlich grau, ange-
feuchtet fast grünlich. Apotheeien sehr klein, rundlich, kugelig, sitzend,
mit eingedrückter durchbohrter Spitze, matt schwarz. Sporen in läng-
lichen bis aufgeblasen kenligen Schläuchen zu 8, eiförmig, 2theilig,
hyalin, u W gross.
6—8
An Kalkblöcken um Gr.-Strehlitiz und um Gogolin, stets an
schattigen Stellen (E.).
Amphoridium alociza Mass. Lager feinstaubig, grauweiss,
von starken schwarzen Vorlagerlinien begrenzt. Früchte meist fast
ganz eingesenkt, nur mit dem abgeflachten Scheitel hervorragend. Sporen
18—20
35 }* gross.
Am Kalkfelsen des Sakrauer und N.-Ellguther Berges bei Gogolin (E.).
Am. mastoideum Mass. Am N.-Ellguther Kalkberg (E.).
Am.Leightonii Mass. Am Sakrauer Kalkberg (E.), an dem Kalkfels,
welcher die Spitze der Weisskoppe in der Grafschaft Glatz bildet (E.)
Lithoicea hydrela Ach. Höllengrund bei Altheide, Langer Grund
bei Wartha, auch sonst in allen Gebirgsbächen verbreitet, Görbers-
dorf etc. (B.).
L. aethiobola Ach. Oppaschlucht bei Carlsbrunn, Gesenke (R.).
Büttnergrund bei Görbersdorf (E.).
L. chloroiica Hepp. Büttnergrund bei Görbersdorf, Freudengraben
in der Lomnitz, im Weisswassergrund. In der Oppa bei Carlsbrunn (E.).
L. margacea Wbg. Heinrichsbaude, Bach, der in den kleinen Teich
stürzt (E.).
L. aquatilis Mudd. Büttnergrund bei Görbersdorf, im Bach nach
der Schmelze bei Reinerz (E.).
Verrucaria amylacea Hepp. An Kalkstein bei Kottlischowitz
bei Tost (E.), (teste $t.).
V. rupestris Schrad. N.-Ellguther Kalkberg bei Gogolin (E.).
V. plumbea Ach. N.-Ellguther Kalkberg bei Gogolin (R.).
V. catalepta Schaer. Thallus dick, oft undeutlich bis lappig be-
grenzt, rissig feldrigs, graubräunlich. Vorlager undeutlich. Apothecien
sehr dicht stehend, den Areolen halb eingesenkt, mit warziger, einge-
zu 8, in keuligen Schläuchen,
24 Jahresbericht der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur.
drückt durchbohrter Mündung. Sporen in sackartig keuligen Schläuchen,
mittelgross, eiförmig, mit trübem Inhalt, zweimal so lang als breit.
Am Sakrauer und N.-Ellguther Kalkberg (E.).
V. latebrosa Kbr. Am Basalt der Vorberge der Ascherkoppe,
Eulengebirge (E.).
V. tapetica Kbr. Görbersdorf (E.).
V. acrotella Ach. An Kalksteinen bei Gogolin; am Kirchhof bei
Tost; an der Biele in Ullersdorf; Költschenberg (E.).
V. maculiformis Hepp. Kalksteine bei Schwieben; zwischen
Seiffersdorf und Schlaupitz, Kreis Reichenbach (E.).
Microthelia micula Fw. An Ulmus bei Kraschnritz (St) An
alten Linden und Ulmen in der Ebene und dem Vorgebirge verbreitet (R.).
An Eichen in den Oderwäldern eine sehr grossfrüchtige Form (E.).
Limboria corrosa Kbr. DBrunnenberg (f. athallina); Schnee-
gruben im Riesengrunde; Granatlöcher bei Wolfshau; Storchberg bei
Görbersdorf; Höllengrund bei Altheide (E.).
Segestrella lectissima Fr. Wölfelsfall, Grafschaft Glatz (E.).
Sagedia Koerberi Fw. Oberer Theil des Weisswassergrundes (E.).
S. parvipuncta St. auf Lithoicea chlorotica im Freuden-
graben bei Görbersdorf (E.).
Acrocordia tersa Kbr. Im Trebnitzer Buchenwald; im Hein-
richauer Park (E.).
Ac. biformis Borr. Im Moschwitzer Buchenwald bei Heinrichau;
an Ac. Pseudoplatanus! (E.).
A. conoidea Fr. Kbr. Kruste verbreitet, weinsteinartig, mehlig,
weisslich oder pfirsichblüthenroth bis kupferröthlich. Früchte 0,5 bis
0,6 mm gross, fast kugelig sitzend, Sporen elliptisischh 5—6 p dick,
12—20 p lang. Spermatien 11,—2 1 dick, 3—6 y lang. Auf Kalk-
steintrümmern in dem Kalkbruch zwischen Schwieben und Langendorf,
Kreis Tost (E.).
Arthopyrenia Lomnitzensis St., auch im Weisswassergrund (E.).
Arth. dispersa Lahm. auf Lecidea crustulata Ach. Wartha-
berg, Kreis Glatz (E.).
Arth. stenospora Kbr. Sehr häufig an jungen Eichen, Linden
und Ahorn in der Hügel- und Bergregion. Früchte sehr klein (E.).
Arth. catalepta Kbr. An selbem Substrat wie vorige, aber viel
seltener, ich sammelte sie nur am Hartheberg; Grafensitz und Spitzberg
bei Wartha (E.).. Früchte dreimal grösser wie vorige Art, flach gewölbt.
Arth. globularis Kbr. An Weiden bei Turawa; Eichen im
Schlackenthal bei Reichenstein; an Pappeln bei Schönwald, Rosen-
berg 0.-8. (E.).
Arth. Laburni Lght. Tannen der Vorberge bei Steinseiffersdorf
an der Eule (E.). (Sonst nur an Cytisus ‚Laburnum.)
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II. Abtheilung. Zoologisch-botanische Section. 95
Arth. Nesii Kbr. Weiden bei Leschnitz O.-8.; Pappeln im Rudels-
dorfer Wald, Kreis Gr.-Wartenberg, und Ahorn bei Kochezütz, Kreis
Lublinitz O.-8. (E.).
Arth. Personii Mass. Platanenästehen in Dambrau; Nussbaum
in Ohmsdorf bei Schweidnitz; Kirschbäume in Habendorf, Kreis Reichen-
bach (E.).
Arth. Cerasi Schrad. Pangel bei Nimptsch (E.).
Arth.rhypontha Ach. An Alnus incana bei Sowada, Kr. Oppeln;
Eschenäste vorm Schmiedegrund an der Eule (E.).
Arth. microspiüla Kbr. Thallus, einzelne kleine, sehr fein- und
dünnstaubige, grauschwarze Flecken bildend, bis verschwindend. Apo-
thecien sehr klein, eingesenkt sitzend, halbkugelig, glanzlos, undeutlich
warzig. Sporen in keuligen Schläuchen, länglich bis spindelförmig,
2—4theilig, ungefärbt, 18—20 y lang, 3—7 w dick.
Epiphytisch auf der Kruste von Graphis scripia im Pilzwald bei
Camenz und auf dem Hochwald bei Waldenburg auf Acer Pseudo-
platanus (B.).
Leptorhaphis Tremulae Fike. An Pop. tremula sehr verbreitet.
Ich sammelte sie ausser im Pilsnitzer Walde bei Breslau in Altstadt bei
Namslau, Burgberg bei Peterswaldau a. d. Eule; bei Gogolin (R.).
Lept. Quercus Bdtr. Unterscheidet sich mikroskopisch von den
anderen Arten durch die sehr grossen bis 75 j. langen, 2—4 w dicken,
deutlich oder undeutlich vieltheiligen Sporen, welche vermöge ihrer
Fülle und ihrer Neigung sich zu krümmen, die Schläuche leicht sprengen
und aus denselben ausströmen, was bei anderen Arten nicht der Fall ist.
An jüngeren Eichen sehr verbreitet, Obernigk bei Riemberg; Minken
bei Namslau; Berthelschütz bei Constadt; Aussenpark von Plers; Klein-
Ellguth bei Nimptsch etc. (E.).
Lept. lTucida Kbr. An Schwarzpappeln im Walde von
Gr.-Kottulin nach Gr.-Strehlitz. Sporen in fast eylindrischen Schläuchen,
gerade, 22—-28 y lang, 3—4 dick, 4theilig, kurz zugespitzt, stäbchen-
förmig (E.).
Lept. Wienkampii Lahm. An Ahorn am Bahnhof Obernigk, an
Eichen ebendaselbst (E.).
Lepti. Koerberi Stein. Auf der Kruste von Aspicilia compla-
nata Kbr. in der kleinen Schneegrube (St.).
Phaeospora quaterna Fitner nov. spec. Apothecien ganz in
den Thallus der Nährpflanze eingesenkt, diese wulstig knotig auftreibend
und mit dem ringförmig umwallten Scheitel vortretend, welcher später
- warzig wird. Gehäuse braunschwarz, eiförmig, unten geschlossen. Para-
physen ästig, haarartig wirr. Sporen zu 4, in keulig eylindrischen, dick-
wandigen Schläuchen, braun, 4theilig, kurz zugespitzt, breit spindel-
förmig, mit helleren Endsporoblasten, 24 pw lang, 5—6 y dick.
36 Jahresbericht der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur.
Auf Rhizocarpon obscuratum Ach. f. lavatum Fr. im Bett der
Lomnitz im oberen Melzergrunde (BR.).
Tichothecium erraticum Mass. Auf Lecanora atra am
Warthaberge, Grafschaft Glatz. f. calcareum Einer auf Biatora
rupestris auf dem Neu-Ellguther Kalkberge, weicht ab durch längere,
mitten nicht eingeschnürte Sporen, welche 5—8 ı lang, 2,5—3,5 u dick
sind, während die Grundform fast kugelige, 3—5 q. lange, 2,5 u dicke
Sporen hat (E.); auch am Kalkbruch bei Schwieben auf Verrucaria (E.).
Tichoth. stigma Kbr. Auf Lithoicea chlorotica im Weiss-
wassergrunde an überflutheten Felsen. f. rövulosum nov. f. Eitner
weicht ab durch nicht eingeschnürte Sporen, deren Enden nicht zu-
gespitzt, sondern abgerundet erscheinen, 18 ı lang, 5—6 wu dick, während
Körber dieselben als bisquitförmig mit scharf zugespitzten Enden an-
siebt (BE.).
Tichoth. Dannenbergii Stein in sched. Früchte zahlreich, bis
0,5 mm gross, vorfretend bis fast erhaben sitzend, halbkugelig, oben
deutlich abgestutzt, mit breiter, tief eingedrückter Mündung, fast glän-
zend schwarz. Sporen zu 8, in schmal keuligen Schläuchen, fast immer
zweireihig gelagert, lang elliptisch bis sohlenförmig, grünlichbraun,
mit deutlicher, dunkler Querwand, == gross.
Auf steriler Kruste von Pertusaria Wulfenii v.lutescens an Linden
am Pappenhäuser Stein in der Rhön vom Apotheker Dannenberg in
Fulda in Menge gefunden und wohl auch in Schlesien zu er-
warten. Die Früchte übertreffen an Grösse. alle deutschen Arten er-
heblich und erinnern an das nordische T. grossum, dem Körber hirse-
korngrosse Früchte zuschreibt (Stein).
Synechoblastus flaccidus Ach. Költschenberg . (Schöpke);
Schanze bei Pristram, schön fruchtend! (E.); bisher tiefste Standorte!
Mallotium saturninum Deks. 1790. An Eichen auf dem Gipfel
des Karpensteins bei Landeck (E.).
4. Sitzung vom 28. Februar 1895.
Herr Rosen sprach
Ueber die Nucleolen, Chromosomen und Attractionssphaeren in den
Pflanzenzellen.
Die diesem Vortrage zu Grunde liegenden eigenen Beobachtungen
sind unter dem Titel „Kerne und Kernkörperchen in meristematischen
und sporogenen Geweben‘ (Beiträge zur Kenntniss der Pflanzen-
zellen, III) in Cohn’s Beiträgen zur Biologie der Pflanzen, Bd. vr
mit Figuren veröffentlicht worden.
Der Vortragende bezweifelte, dass das von L. Guignard für die
Centrosomen (bei Lilium Martagon) aufgestellie Schema allgemeine
II. Abtheilung. Zoologisch-botanische Section, 37
Giltigkeit besitz. Es muss zur Zeit noch durchaus zweifelhaft er-
scheinen, ob allen Zellen Oentrosomen zukommen. Vielleicht haben
wir in ihnen eine atavistische Erscheinung zu erblicken. Sie können
sich wohl aus sog. Nebenkernen abgeleitet haben, die dem Hauptkern
gegenüber, welcher vornehmlich chemische Functionen zu besitzen
scheint, sich als mechanische Centren etablirt haben mögen. Ihnen
kommt bei jeder mitotischen Kerntheilung, vielleicht ebeuso bei jeder
sexuellen Kernverschmelzung die Initiative zu; sie stellen hier offenbar
Krafteentren dar. In ihrem Aufbau, in dem Rhythmus ihrer Vermehrung,
ja selbst in ihren Theilungsfiguren erinnern sie in vielen Fällen (Pro-
tozoen und Protophyten) an die Hauptikerne. Mit fortschreitender Ent-
wiekelung und Arbeitstheilung der Pflanzenzellen verlieren sie mehr und
mehr ihren Kerncharakter und werden auf mechanische Centra ein-
facheren Baues (Kinosomen) redueirt. Vielfach mögen sie nun bei vege-
tativen Zellen überhaupt nicht mehr permanente Organe darstellen,
sondern wenigstens während der Zellruhe gewissermaassen im Cytoplasten
aufgehen, dagegen scheinen sie in den reproductiven Zellen, welche in
ihrer Ontogenie oft phylogenetisch ältere Stadien wiederholen, niemals
zu fehlen.
5. Sitzung vom 18. Juli 1895.
Herr H. Endres berichtete
Ueber Anstich- und Schnürversuche an Eiern von Triton taeniatus.
Im Frühjahre 1894 hatte Herr Professor G. Born die Güte, mich
auf Triton taeniatus als ein für entwiekelungsmechanische Studien
besonders geeignetes Material aufmerksam zu machen. An diesem
Material stellte ich mehrere Versuchsarten an,
Zwei derselben: „Anstich- und Schnürversuche“ sind soweit
gediehen, dass ihre Ergebnisse einer Veröffentlichung werth sind.
Da die Verarbeitung des für die mikroskopische Untersuchung
reichlich gesammelten Materials einige Zeit beanspruchen dürfte, so er-
laube ich mir hier die Ergebnisse nicht in allen, sondern nur in ihren
wiehtigsten Punkten kurz darzulegen.
A. Anstichversuche,
Durch den Anstich mit der heissen Nadel gelingt es, an Eiern von
Triton taeniatus überraschend neue und sehr interessante Erscheinungen
hervorzurufen. !)
!) In der nachstehend citirten Mittheilung vom 15. November 1894 habe ich
an mehreren Stellen auf diese hier nun zu veröffentlichenden Anstichergebnisse
an Triton taeniatus hingewiesen.
H. Endres: Anstichversuche an Froscheiern. Sitzungsbericht der zoologisch-
botanischen Section der schlesischen Gesellschaft für vaterländische Cultur vom
15. November 1894. Sonderabdruck.
Jahresbericht der Schles. Gesellschaft für vater!. Cultur.
DV
[0 2]
Bei diesen Erscheinungen handelt es sich im wesentlichen um eine
Dislocation der einzelnen Eibestandtheile. Auf Grund der verschie-
denen Beschaffenheit der Erscheinungen nach Raum und Zeit kann man
zwei Gruppen unterscheiden. Diese beiden Haupterscheinungsarten
der Dislocation sind auf die Thatsache zurückzuführen, dass die ein-
zelnen Zellbestandtheile den durch einen Anstich gesetzten Reiz in ver-
schiedener Weise beantworten. In dem einen Falle bewirkt der Anstich
ein Extraovat, in dem anderen bleibt der dislocirende Effect auf das
Eiinnere beschränkt. Ich charakterisire daher in der nun folgenden Be-
sprechung die eine Erscheinungsgruppe als „extraovarielle Dis-
location“, die andere als „intraovarielle Dislocation.‘“ Ich lasse
es hierbei jetzt unerörtert, inwiefern das dieser Bintheilung zu Grunde
liegende Prineip allgemein berechtigt sei.
I. Extraovuläre Dislocation.')
1. An der Einstichstelle bildet sich namentlich unter der Hitze-
wirkung der Nadel ein bruchähnlicher, mandelförmiger Vorfall. Zieht die
Hitzewirkung der Nadel auch die nicht operirte Zelle in Mitleidenschaft,
so treten zwei Hernien auf, die sich längs der ersten Furche berühren.
Eine solche Hernie vergrössert sich durch langsame Aufnahme des aus
dem Eirumpfe überfliessenden Inhaltes und wird kugelförmig; eine Ring-
furche trennt sie vom Eirumpfe.
Die Theilung des Eiganzen greift nun in dem einen Falle auf die
Hernie so über, als ob es sich überhaupt um kein dislocirtes Gebilde
handele, in dem anderen Falle hingegen wird die Schnürebene zwischen
Eirumpf und Hernie sehr bald zur Furchungsebene. Sind zwei Hernien
vorhanden, so vereinigen sie sich im Verlaufe der Furchung zu einer
Hernienkugel.
2. Weiterhin kann sich die kugelige Hernie vom Eirumpfe los-
lösen; sie wird zur selbständigen Blastula und stirbt nach einem ver-
geblichen Gastrulationsversuche ab,
3. Oder es bildet sich zwischen der kugeligen Hernie und dem
Eirumpfe ein schlanker, dünner Hals, der während seiner Entwickelung
die kugelige Hernie vom Eirumpfe abschiebt. Der Hernienhals krümmt
sich und sinkt nach einer Seite etwas in den Eirumpf ein, so dass das
Hernienköpfehen dem Eirumpfe aufruht. Eirumpf und Hernie blastuliren
sich. Je kürzer und dieker der Hals ist, in desto engerer Beziehung
stehen Eirumpf und Hernie,
!) Man vergleiche die Ergebnisse dieser extraovulären Dislocation an Eiern
von Trit. taen. mit den Beobachtungen Roux’, Barfurths, Drieschs, J. Loebs
u. a. über Extraovate an Eiern anderer Thiere.
II. Abtheilung. Zoologisch-botanische Section. 939
a. stellt die Hernienmasse eine selbständige Blastula mit einer
oft nur äusserst schmalen, spaltförmigen Höhle dar, so kann sich ein nor-
maler Embryo entwickeln, dem ein gestielter Tumor mit selbst-
ständiger Medullarplatte aufsitzt.
b. Communieiren hingegen die Blastulahöhlen des Eirumpfes und
der Hernie, so wird diese im Verlaufe der Gastrulation dem Rumpfe
einverleibt. Bei einem solchen Entwickelungsverlaufe resultirt ein nor-
maler Embryo.
II. Intraovuläre Dislocation.
1. Der dorso-ventrale Anstich mit heisser Nadel durchsetzt drei
Viertel oder die ganze Tiefe des Eies,. Unmittelbar nach dem Einstiche
entsteht dorsal ein bruchähnlicher, vom Eirumpfe durch eine ellipsoide
Furche deutlich abgesetzter Vorfall. Ventral hingegen findet man
eine nabelförmige Vertiefung, von der meistens eine oft doppelt con-
turirte Rinne senkrecht auf den ventralen Theil der ersten Furche hin-
zieht. Von den beiden Polen der ellipsoiden Prolapsumrandung ent-
spricht der eine der Einstichstelle, die im Augenblicke der Prolaps-
entstehung an und in die erste Furche gezogen wird. Der andere Pol
der ellipsoiden Prolapsumrandung wandert unter steter Vergrösserung
des Prolapses auf die ventrale Eiseite gegen jene nabelartige Einziehung
hin, von der wir wissen, dass sie der Anstichstelle entspricht oder doch
die ventrale Verlängerung des Stichkanals andeutet. An der nabel-
artigen Einziehung angelangt, macht die Prolapsumrandung in ihrer
Wanderung Halt. Es liest nun zwischen ihr und der ersten Furche
eine Querwulstzone, die das Ei gürtelförmig umgiebt und ventral
am breitesten ist.
Die Prolapsumrandung verschwindet nun entweder oder sie wandert
auf die nicht operirte Zelle über.
Dieses überaus rasche und wechselvolle Faltenspiel endet mit
einer normalen, einfachen oder abnormen, mehrfachen Theilung der
beiden ersten Furchungszellen. Es liegen die Zellen nach der zweiten
Furchung, nicht selten selbst noch nach der dritten Furchung in einer
Ebene.
Das Ei entwickelt sich weiterhin zu einer abgeplatteten, läng-
lieh-kuchenförmigen Blastula und Gastrula. Die Epibole des
Ectoblasts geschieht in der Richtung der ersten Furche, die bis nach
nach beendeter Gastrulation als seichte, aber sehr deutliche Ring-
furche das längliche und abgeplattete Bi in zwei Hälften sondert. Aus
derartig deformirten Eiern gehen lebensfähige Embryonen hervor.
Noch sind zwei, ebenfalls hierher gehörige Ansticheffeete zu nennen,
2. Durch den Anstich mit heisser Nadel kann man die normale
zweite oder dritte Furche plötzlich und vorübergehend zur
Erscheinung bringen,
30 Jahresbericht der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur.
3. Eine weitere, höchst interessante Erscheinung ist die Verkleine-
rung der Berührungsfläche beider Furchungszellen auf Anstich.
Aus solchen Gebilden sehen wir biscuitförmige Morulae und
Gastrulae sich entwickeln. Der Urmund liegt in der Ebene der ersten
Furche. Die biseuitförmige Gastrula wandelt sich zu einem normalen
Embryo um, indem die erste Furchungsebene durch Zellumlagerung an
Ausdehnung gewinnt und so zur Medianebene des normalen, lebensfähigen
Embryo wird.
Die Möglichkeit, Biscuitformen künstlieh zu erzeugen, führte mich
dazu, die Oontinuität der beiden Hauptmassen des biseuitförmigen Eies
auf verschiedenen Stufen der Entwiekelung durch Anstich und Schnürung
zu trennen. Die Ergebnisse waren im wesentlichen dieselben, welche
sich aus den nun folgenden Versuchsweisen ergaben.
B. Schnürversuche,
1.
O0. Hertwig unternahm als Erster den Versuch, Eier von Triton
taeniatus nach der ersten Furchung in zwei Hälften zu schnüren; jedoch
mit negativem Resultat.) Was O. Hertwig durch einmaliges Zu-
sammenziehen der Ligatur zu erreichen versuchte, strebte ieh durch
langsames, periodisches Verfahren an.
Die Ligatur wurde theils vor, theils während der ersten Furchung
angelegt und soweit angezogen, dass die Eier deutliche Biscuitform an-
nahmen. Das weitere Anziehen der Ligatur wurde in den ersten Ver-
suchen durch angehängte und stetig vermehrte Gewichte bewirkt. Diese
zeitraubende Schnürmethode verliess ich jedoch, da ich sah, dass bei
einiger Vorsicht ein direetes Anziehen der Ligatur mit der Hand das
Gleiche leistet.
Um das Material kennen zu lernen und mich über das Vermögen
der Selbstdifferenzirung und der Postgeneration einzelner Entwickelungs-
stufen zu unterrichten, schnürte ich bei der einen Versuchsreihe so,
dass das Ei zur Zeit der auftretenden Rückenplatte und bei einer
anderen so, dass es zur Zeit der Gastrulation durchtrennt war. Weiter-
hin durehschnürte ich die Eier mittelst frühzeitig angelester Ligatur im
Stadium der Blastulation, wie der feinen und groben Morulation.
Alle diese Versuche sind leicht auszuführen.
Das Bestreben, das Ei nach der ersten und vor der zweiten
Furehung durch blosses Schnüren zu durchtrennen, misslang mir
ebenso wie O. Hertwig. Erst die Combination der Schnürmethode mit
!) O. Hertwig: „Ueber den Werth der ersten Furchungszellen für die Organ-
bildung des Embryo. Experimentelle Studien arm Frosch- und Tritonei. Arch. f,
mikroskop. Anatomie. Bd. 49.
II. Abtheilung. Zoologisch-botanische Section. 31
der des Anstiches führte zum Ziele. Mit einiger Debung gelingt auf
diese Weise die Durchtrennung des erst gefurchten Eies, ohne das
Material der beiden Hälften sichtlich zu schädigen; selbst ein Extraovat
kann vermieden werden.
II.
Die Ergebnisse dieser Versuchsreihen sind kurz folgende.
1. Das Entwickelunssbild der nach der Gastrulation durch-
trennten Eihälften ist in hervorragender Weise vom Selbstdiffe-
renzirungsvermögen im Roux’schen Sinne beherrscht. Jeder Theil
des annähernd halbirten Embryos entwickelt sich so, als ob er noch einem
Rumpfganzen angehörte. Eine Entwicekelungsstörung macht sich in einem
der Abschnitte des zweigetheilten Rumpfes im allgemeinen um so weniger
bemerkbar, je grösser er im Verhältnisse zum anderen Abschnitte ist.
2. Nicht geringeres Interesse beansprucht das Entwiekelungsbild
von Eiern, die im Stadium der Blastulation oder der feinen
oder groben Morulation durchtrennt werden. Wir sehen zwei birn-
förmige Blastulae und Gastrulae entstehen, deren Spitzen der
Durchschnürungsstelle des Eiganzen entsprechen. Die beiden Gastrula-
birnen können sich zu normalen Embryonen entwickeln. Bei einigen
derselben sah ich als Zwischenform deutliche Hemiembryones d. h.
Embryonalformen mit nur einem Rückenwulst, dem sich dann
secundär die Bildung des zweiten kopfschwanzwärts anschloss.
Indessen die eine der beiden Gastrulabirnen sich meistens zu einer
normal gebauten oder mit nur relativ geringfügigen Defecten behafteten
Larve entwickelt, zeigt die andere sehr häufig schon während der Gastru-
lation in bestimmter Weise atypische Formwandlungen, aus welchen
nur eine hochgradige Missbildung, aber kein lebensfähiges Individuum
hervorgeht. — Es kann die Gastrulation damit beginnen, dass die Birnen-
spitze sich activ zu einem hackenförmigen Fortsatze umbildet. Die
Seitenränder der umgebogenen Spitze und des sich abplattenden Birnen-
rumpfes treten zur Bildung des Urmundes in wechselseitigen Contact.
Bei einzelnen solcher gastrulirter Gebilde kommt es auch zur Bildung
einer seichten Rückenrinne und der Medullarplatte — Des
öfteren war der Gastrulationseffeet der Blastulabirne aber derart, dass
man glauben konnte, man habe eine hintere Embryohälfte mit Ur-
mund und Dotterpfropf vor sich.
3. Um die beiden ersten Furchungszellen isolirt zur Ent-
wickelung zu bringen, wurden zwei Methoden gebraucht, Erstens:
das stark biseuitförmig geschnürte Ei wird an der Stelle der stärksten
Einsehnürung mit der heissen Nadel durehstochen. Zweitens; durch
sehr starkes Einschnüren der Gallerthülle wird das Ei als Ganzes in
eine der beiden Hälften des biscuitförmigen Perivitellinraumes gedrängt.
Die eine der beiden ersten Furchungszellen des Eies wird nun von der
39 Jahresbericht der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur.
freien Hälfte des Perivitellinraumes her mit der heissen Nadel ange-
stochen, so dass ihr Inhalt nach der Nadelseite in den freien Perivitellin-
raum ganz oder theilweise entweicht.
Durch die letztere Methode: der Schnürung und des Anstiches
erhält man aus der unverletzten Zelle eine Larve, die wohlgebildet ist,
sofern wir von der abnormen Gestaltung des vorderen Kopfendes und
vom Fehlen der Augen und Riechgruben absehen.
Bei ersterer Methode: der Schnürung und des Durchstiches
verhalten sich die Abkömmlinge der beiden ersten Furchungszellen ver-
schieden. Vor allem ist verschieden die Furchung der beiden ersten
Furchungszellen. Dann entwickeln sich einerseits normale Embryonen,
anderseits aber mittelst atypischer, jedoch deutlicher Gastrulation ovoide
Gebilde, die an dem einen Pole einen von einer ceireulären Furche um-
schriebenen Zellpropf aufweisen.
C. Zusammenfassung.
I.
1. Die Eier verschiedener, einander jedoch sehr nahestehender
Thierspecies reagiren auf dieselben äusseren Reize in specifisch
verschiedener Weise.')
2. Die Art und Weise der Reizantwort specifisch gleicher Eier
richtet sich a. nach der Beschaffenheit des Reizmittels und b. nach
der Beschaffenheit der gereizten Stelle des Eiinhaltes.?)
3. Die Entwicklungsfactoren eines Organismus sind zu
trennen a. in specifische, innere, im Organismus gegebene und b.
allgemeine, äussere, die der Umgebung der Organismus angehören.
4. Der innere Entwickelungsfactor eines Eies ist seine
specifische Organisation; diese besitzt das Vermögen, unter Mit-
wirkung der äusseren, allgemeinen Factoren ein specifisch be-
stimmtes Individuum zu bilden.
Il.
1. Der gesammte Zellleib besitzt eine activer Bewegung fähige,
protoplasmatische Gerüstsubstanz, die unter der einheitlichen
Herrschaft eines Centrums steht, aber nicht nur in radiärer, sondern
auch in tangentialer Richtung contractil ist.
2. Die Gerüstsubstanzen der beiden ersten Furchungs-
zellen, wie auch. wahrscheinlich der späteren, stehen unter sich in
engster Beziehung.
!) Vergl. H. Endres: „Anstichversuche an Froscheiern“ p.9 supr. (auf Seite 1
dieser Mittheilung vollständig citirt).
2) Vergl. W. Roux: „Ueber die verschiedene Entwickelung isolirter erster
Blastomeren“. Arch. für Entwickelungsmechanik der Organismen. Bd. I. p. 596,
II. Abtheilung. Zoologisch-botanische Section. 33
Ill.
1. Die Richtung der Zelltheilung wird beeinflusst a. von intra-
cellulären Momenten: hierzu gehören der Zustand des Kernes und des
Zellleibprotoplasmas, wie auch die wechselseitigen Beziehungen beider
unter sich und zur Dottermasse; b. von extracellulären Momenten;
da sind die äusseren Entwickelungsfactoren zu nennen:
& physikalische: z.B. Schwerkraft, Druck, Temperaturdifferenzen;
ß. physiologische: z. B. Contactwirkungen der Zellen im Zell-
verbande.
2. Abnorme Modificationen dieser äusseren Faetoren ver-
mögen im protoplasmatischen Zellgerüst gewisse Protoplasmazüge und
Streifen, die unter normalen: Verhältnissen eine bestimmte Länge be-
sitzen, in den Zustand der Contraetion zu versetzen, indes sie auf andere
Protoplasmazüge derselben Zelle erschlaffend wirken.
3. Tritoneier genügend lange vor der ersten Furcehung mässig
stark eingeschnürt, zeigen die erste Furche in oder neben und
parallel der Schnürrinne. Bei sehr starker Einschnürung halbirt
die erste Furche eine der beiden Biscuitkugeln.
IV.
1. Die erste Furchungsebene des Tritoneies entspricht nor-
maler Weise der Medianebene des Embryo.
Namentlich unter dem Einflusse der durch das Experiment ge-
schaffenen, abnormen äusseren Bedingungen kann die normale zweite und
dritte Furche als erste auftreten.
2. Die Verwirklichung des Entwiekelungsvermögens der
beiden ersten Furchungszellen ist normaler Weise auf die beiden Embryo-
hälften eingestellt.
3. Die Entwickelungsgeschichte von Triton taeniatus bietet zahl-
lose Beispiele des Selbstdifferenzirungs-, sowie des Postgene-
rationsvermögens:
a. Die Fähigkeit der delbstditferenzirung — dd. i. des Be-
harrungsvermögens der Entwickelungsbewegung — ist von dem
Stadium der ersten Furchungszellen, im besonderen aber von dem
der Gastrulation an sehr deutlich;
b. es giebt bei Triton taeniatus den Hemiembryones ranae
analoge Gebilde;
ce. für das Studium des Postgenerationsvermögens eignen sich
namentlich die vor der Gastrulation gelegenen Entwicke-
lungsstufen;
d. die Postgeneration ist Nachentwickelung; sie wird durch Um-
differenzirung oder Umordnung erreicht oder nur eingeleitet,
1895, 3
u
ur
34 Jahresbericht der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur.
Es giebt
&. eine intercelluläre Umordnung: der Zellen im Zellver-
bande durch active Thätigkeit des Protoplasmas;
ß. eine intracelluläre Umordnung; ohne diese ist erstere
kaum verständlich,
V.
Alle Ergebnisse weisen hin auf die Richtigkeit des His’schen
Prinzipes der organbildenden Keimbezirke, der Roux’schen
Mosaiktheorie und der Weismann’schen Keimplasmatheorie,
soweit sich diese mit Absatz 1 dieser Zusammenfassung deckt.')
6. Sitzung vom 7. November 1895.
Der Secretair der Section, Herr Ferdinand Cohn, theilte mit,
dass dieselbe am 27. Soptember einen schweren Verlust durch das Hin-
scheiden ihres langjährigen Mitgliedes, des Herrn Apotheker Hermann
Werner, erlitten habe, welcher durch eifrige Theilnahme an unseren Ver-
handlungen und durch mehrere interessante Vorträge über botanisch-
pharmakognostische Gegenstände sich um dieselbe verdient gemacht hat.
Derselbe legte Photographieen von Hexenbesen der Tanne vor, ver-
anlasst durch Aecidium elatinum, welches im Schwarzwald epidemische
Verunstaltungen der Tannenäste herbeiführt. Die Photographieen waren
vom Proreetor Prof. Dr. Bail (Danzig) der Section zugeschickt worden.
Ferner zeigte derselbe eine Anzahl Photographieen aus dem Botanischen
Garten und Laboratorium zu Buitenzorg (Java), mitgetheilt durch den
Direetor dieser Institute, Prof. Dr. Melchior Treub,.
Herr Rosen machte
Mittheilungen über einige neuere Methoden und Ergebnisse
der Nahrungsmittel-Mikroskopie.
Die Nahrungsmittel- Untersuchung ist durch die 1894 beschlossene
Einführung einer Staatsprüfung für die sogenannten Nahrungsmittel-
Chemiker, welche als gerichtliche Sachverständige fungiren wollen, zu
einem der wichtigsten Lehrfächer aus dem Gebiet der angewandten
Naturwissenschaften geworden. Namentlich die botanisch-mikroskopische
Seite des Faches bedurfte jedoch noch sehr einer methodischen Aus-
bildung, welche die chemische Seite schon seit Jahren erfahren hat.
Der Vortragende versuchte den systematischen Gang der Ausbildung,
welche die Nahrungsmittel-Mikroskopiker erhalten sollten, zu skizziren
und stellte für die Untersuchung selbst allgemeine Regeln und Methoden
. in Form eines Schema äuf, welches ähnliche Zwecke verfolgt, wie die
sogenannten analytischen Tabellen für den Unterricht in der qualitativen
!) Vergl. A. Weismann: „Aeussere Einflüsse als Entwickelungsreize.‘ Jena,
G. Fischer. 1894,
II. Abtheilung. Zoologisch-botanische Section. 35
chemischen Analyse; dieselben sind in: F. Rosen, Anatomische Wand-
tafeln der vegetabilischen Nahrungs- und Genussmittel, Text, Breslau,
J. U. Kern’s Verlag, 1895, veröffentlicht. Eingeflochten wurden ge-
nauere Angaben über einige neuere werthvolle Methoden der Nahrungs-
mittel-Untersuchung, so die Verwendung von Natriumsalieylat, Ammoniak
und Nelkenöl zur Aufhellung in genauer präeisirten Fällen, die An-
wendung der Bodensatzprobe zur Untersuchung von Chocoladen, be-
sonders solcher, welche mit Gewürz versetzt sind und in welchen eine
Fälschung mit Cacao-Schalen vermuthet wird.
Sodann wurden die vom Vortragenden herausgegebenen Wandtafeln
über die vegetabilischen Nahrungsmittel demonstrirt und ihre praktische
Verwendung zum Unterricht und als Vergleichsobjecte erläutert.
Herr Bruno Schröder sprach über
Die Algenflora der Hochgebirgsregion des Riesengebirges.
Von den Hochsudeten hat der westliche Theil derselben, das Riesen-
gebirge, durch das Vorkommen von seltenen und pflanzen-geographisch
interessanten Phanerogamen und höhern Cryptogamen relativ frühzeitig
die Aufmerksamkeit sowohl auswärtiger, wie namentlich schlesischer
Botaniker auf sich gelenkt. Wenn man an der Gliederung dieses Gebirges
in drei Regionen festhält, die Region der Vorberge bis 500 m, die Berg-
region bis 1100 m und die Hochgebirgsregion von da bis 1600 m und
darüber hinaus, so gilt das eben erwähnte insbesondere von der Flora
der letzteren, als demjenigen Theile des Gebirges, in welchem der normale
Waldbestand aufhört, wo die denselben bildenden Bäume strauchartige
Formen annehmen, verkrüppeln und nur hier und da vereinzelt oder
höchstens in kleinen Gruppen sich die für ihre Vegetation noch am
günstigsten Punkte aufgesucht haben oder gänzlich geschwunden sind.
Steilabfallende Gründe und Felsschluchten, meist „Gruben“ genannt, mit
öfters überrieselten Wänden und Abstürzen, in deren unteren Theilen eine
mächtige Staudenvegetation wuchert und die sogar seeenartige Wasser-
ansammlungen, wie den Grossen und den Kleinen Teich, beherbergen,
quellige und moorige „Wiesen‘‘ aus Sphagnen, Hypnen, Gramineen,
Cyperaceen und Vaceinien, über welche die Aeste des Knieholzes (Pinus
montana Haenke var. Pumilio Haenke) hinkriechen, trockene, kurzgrasige
Matten, die im Schmucke von Anemonen und Hieracien prangen, und
kahle, steinbesäte Bergkuppen, auf deren Trümmern grosse gelbe und
graue Lichenen wachsen, das sind in kurzen Zügen die Kennzeichen der
Hochgebirgsregion des Riesengebirges, deren specieller botanischer
Charakter an anderen Orten!) ausführlich dargestellt worden ist.
!) Siehe die Einleitungen der einzelnen Abtheilungen in F. Cohn, Kryptogamen-
flora von Schlesien 1876, und die der Phanerogamen- und Gefässkryptogamenflora
von Schlesien von E. Fiek, Breslau 1881.
ar
36 | Jahresbericht der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur.
Auch hinsichtlich der Algenflora ist die Hochgebirgsregion schon
Gegenstand mehrfacher Untersuchungen gewesen. Die erste sichere
Kunde von dem Vorkommen einer Alge in Schlesien im Allgemeinen
und in den Hochsudeten im Besonderen findet sich in Caspar Schwenck-
felts Stirpium & Fossilium Silesiae Catalogus, 1600, pag. 382. Daselbst
wird im Liber fossilium (Lib. tert.) erwähnt: „Lolithos. Ai9av$oc. Lapis
violaceus. Violenstein, Steinblüthen sil. Lapis est einereus seu potius Muscus
subrubens, qui acereseit saxis firmiter ac si lapides efflorescerent, odorem
Violae Martiae spirans. In petrosis Sudetorum supereiliis. ete.“. In der
Enumeratio Stirpium in Silesia sponte erescentium des Grafen Heinrich
Gottfried von Mattuschka vomJahre 1779 wird diese Alge(Trentepohlia
Iolithus (L.) Wittr.), als Byssus Iolithus von der Schneekoppe aufgeführt.
Wie aus einer handschriftlichen .Mittheilung der: „Reise- Bemerkungen
einer im Juli 1791 unternommenen kleinen Gebirgsreise‘ eines Breslauer
Bürgers hervorgeht, war um diese Zeit das Vorkommen derselben auf
der Koppe auch schon ganz einfachen Leuten als merkwürdig bekannt,
und sie wird jetzt noch von demselben Standorte ais ‚Veilchenstein‘‘
oder ,„Veilchenmoos‘‘ den Koppenbesuchern zum Kauf angeboten. Um
die Mitte dieses Jahrhunderts interessirte sich J. von Flotow mit Erfolg
auch für die Algen der höheren Theile des Riesengebirges und konnte
Kützing für seine Phycologia Germanica, sowie für die Species Algarum
eine Anzahl Fundstellen daraus mittheilen. Später sammelten daselbst
hauptsächlich Kühn, Rabenhorst, Hilse, Long u. A., deren Ergebnisse
in der Algenflora von Schlesien von O. Kirchner aufgeführt wurden.
Seit dem Erscheinen dieses Werkes (1878) hatte sich J. Schroeter mit
dem Studium der Algen des eigentlichen Hochgebirges eifrig beschäftigt‘)
und während Kirchner aus diesem Gebiete 75 Algenspecies verzeichnet
(nicht 71 wie Schroeter in den Beiträgen der Algenkunde Schles. pag. 78
angiebt), so konnte Schroeter, der 60 Species (nicht 61, wie ]. e. an-
gegeben) hinzufand, die Zahl der bis dahin aus der Hochgebirgsregion
bekannt gewordenen Algen auf 135 Species erhöhen. In A. Hansgirgs
Prodrom. d. Algenfl. v. Böhmen, 1837 und 1892, finden sich weitere Stand-
orte aus dem Gebiete erwähnt, ebenso in verschiedenen Abhandlungen von
G. Hieronymus,?) welcher auch einige Exsiccate in Hauck &Richter’s
Phykotheka universalis veröffentlichte, die theilweise aus der Hochgebirgs-
region herrühren. Seit 18385 habe ich selbst zu mehreren Malen (im
!) Schroeter J., Neue Beiträge zur Algenkunde Schlesiens. 61. Jahresbericht
der Schlesischen Gesellschaft für vaterl. Cultur. Breslau 1883,
2) Hieronymus G., Ueber einige Algen aus dem Riesengebirge. 65. Jahres-
bericht der Schles. Gesellsch. für vaterl. Cultur. Breslau 1883. — Ueber die Re-
sultate der Erforschung der Algenflora Schlesiens, 69. Jahresbericht der Schles.
Gesellsch. für vaterl. Cultur. Breslau 1892. — Ueber Diceranochaete reniformis
Hieron. Beiträge zur Biologie der Pflanzen von F.Cohn. V.Band. Breslau 1892,
II. Abtheilung. Zoologisch-botanische Section. 37
genannten Jahre, sowie 1891 und 1895) auf meinen Wanderungen im
Riesengebirge Material gesammelt, welches ich zusammen mit solchem von
den Herren Hieronymus, Auras und Krull erhaltenen bearbeitete, und
schliesslich war Prof. Wille in Christiania so liebenswürdig, mir Notizen
über die auf dem Kamme des Riesengebirges 1886 von ihm gefundenen
und bestimmten Algen bereitwilligst zuzustellen, wofür ich Herrn Prof,
Wille an diesen Stellen meinen verbindlichsten Dank sage. Auch die
Algenexsiccate, die sich aus dem in Rede stehenden Gebiete im
Schroeter’schen Herbare fanden, unterzog ich unter Anwendung geeigneter
Untersuchungsmethoden und unter Benutzung fast aller einschlägigenLittera-
tur einer möglichst genauen Durchsicht, so dass alles in allem für die
Hochgebirgsflora desRiesengebirges bis jetzt festgestellt werdenkonnten, von
Echodophyceem .C0 st... misjacuit 2 Species,
EhaeophyceenJulgel.ios undasıh. 2 35
Chlorophyceen! ‚ala raulanndan nl 78 ur,
Bacillartaeeenko ...0 «url 012791102469 4
Ehyeochromaceennv.n N u. Ana 42 5
Summa 293 Species.
Davon sind nach den bisherigen Arbeiten von Kirchner,
Schroeter, Hansgirg und mir 79 Species und Varietäten für
Schlesien neu. Es sind folgende: 1. Dinobryon sertularia Ehrb.,
2. Prasiola fluviatilis (Sommerf.) Aresch., 3. Ulothrix diseifera Kjellmann,
4. Aphanochaete globosa (Nordst.) Wolle, 5. Binuclearia tatrana Wittr,,
6. Vaucheria terrestris Lyngb., 7. Scenedesmus obliquus (Turp.) Kg.,
8. Selenastrum acuminatum Lagerh., 9. Tetra&dron Gigas (Wittr.) De
Toni, 10. Characium strietum A. Br., 11. Oocystis solitaria Wittr.,
12. Oocystis Novae Semljae Wille, 13. Mougeotia nummuloides (Hass.)
De Toni, 14. Gonatozygon Brebissonii De By. var. Kjellmanni (Wille)
Raeib., 15. Cylindrocystis Brebissonii Ralfs var. turgida Schmidle,
16. Cylindroeystis tatriea Racib., 17. Closterium obtusum Breb. var.
ineisum mihi, 18. Closterium Cynthia De Not. var. subtilis mihi,
19. Penium polymorphum Lund., 20. Penium phymatosporum Nordst.,
21. Penium forma Nordst., 22. Disphinetium globosum Bulnh., 23. Di-
sphinetium quadratum (Ralfs.) Hansg. var, punctulatum mihi, 24. Cosmarium
pseudexiguum Raeib., 25. Cosmarium subtumidum Nordst., 26. Cosmarium-
Meneshinii Br&b. var. Reinschii Istv., ?27. Cosmarium Meneghinii Breb.
var. Anderssonii mihi, 28. Cosmarium laeve Rabh., 29. Cosmarium
Hammeri Reinsch var. rotundatum (Wille) Borge, 30. Cosmarium decedens
Reinsch var. carpathica Racib., 31. Cosmarium pseudopyramidatum Lund,,
32. Cosmarium pachydermum Lund. var. latum Klebs, 33. Cosmarium
mierosphinetum Nordst., 34, C. didymochondrum Nordst., 35. Cosmarium
anomalum Delp., 36. Cosmarium Botrytis Menegh. var. mesoleium Nordst,,
37. Cosmarium subspeeiosum Nordst., 38. Cosmarium sphalerostichum
38 Jahresbericht der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur.
Nordst., 39. Cosmarium cambrieum Cooke et Wille, 40. Cosmarium calo-
dermum Gay, 41. Cosmarium nasutum Nordst., 42, Cosmarium sub
cerenatum Nordst., 43. Cosmarium reetangulare Grun., 44. Cosmarium
coneinnum Rabh., 45. Euastrum erosum Lund., 46. Euastrum elegans
Kg. var. latum mihi, 47. Euastrum insigne Hass. var. simplex Raeib.,
48. Euastrum insigne Hass. var. montanum Racib., 49. Euastrum
pinnatum Lund. var. intermedium Raeib,, 50. Euastrum didelta
Ralfs var. tatricum Raecib., 51. Staurastrum punctulatum Breb. var.
subrugulosum Raeib., 52. Staurastrum pygmaeum Breb., 53. Staurastrum
alternans Ralfs., 54. Staurastrum Bieneanum Rabh. var. elliptieum Wille,
55. Staurastrum turgescens De Not. var. sudeticum mihi, 56. Staurastrum
margaritaceum Menegh. var. minor Heimerl, 57. Staurastrum Simonii
Heimerl, 58. Staurastrum spinosum Ralfs, 59. Staurastrum gracile Ralfs
var, nanum Wille, 60. Staurastrum basidentatum Borge var. simplex
Borge, 61. Staurastrum megalonotum Nordst., 62. Navicula acrosphaeria
Rabenh., 63. Navicula macilenta (Eihrb.) Kg., 64. Naviecula angustata Sm.,
65. Navicula gracillima Pritch., 66. Navicula limosa Ag. var. truncata
Grun., 67. Cocconeis borealis Ehrb., 68. Achnanthidium ellipticum Schuhm,,
69. Suriraya linearis Sm., 70. Ceratoneis Arcus Kg. var. amphioxys
(Rabh.) De Toni, 71. Eunotia bidentula Sm., 72. Eunotia quaternaria Kg.,
73. Stigonema ocellatum (Dillw.) Thur. var. Braunii Hieron., 74. Scytonema
Mychroum Ag., 75. Seytonema ocellatum Lyngb., 76. Anabaena catenula
(Kg.) Born. et Flah., 77. Chamaesiphon gracilis A. Br., 78. Gloeocapsa
slomerata Kg., 79. Chroococeus rufescens Näg.
Die eben angeführten Species und Varietäten sind im nachfolgenden
systematischen Verzeichnisse mit einem * bezeichnet. Die für das
Hochgebirge zwar neuen, aus tiefern Regionen jedoch schon bekannten
Arten mache ich durch ein + bemerkbar. Der Vollständigkeit halber
und um eine übersichtliche Darstellung der Ergebnisse der bisherigen
Erforschung der höheren Theile des Riesengebirges zu geben, sind in
das systematische Verzeichniss alle diesbezüglichen mir bekannt ge-
wordenen Standorte aufgenommen worden. Nebenbei sei bemerkt, dass
manche Algen allerdings von Fundorten herrühren, die in politischer Hinsicht
nicht zur preussischen Provinz Schlesien, sondern zu dem benachbarten
Böhmen gehören, was jedoch nur von untergeordneter Bedeutung ist,
Im Allgemeinen lassen sich über Vorkommen und Verbreitung der
Algen im höheren Riesengebirge zuf Zeit nur einzelne Momente andeuten,
da die Kenntniss der Algen aus demselben noch lange nicht Anspruch
auf Vollständigkeit machen kann. Von einigen Gattungen derselben
zeigt sich jedoch unverkennbar eine gewisse Vorliebe für die Hoch-
gebirgsregion, Als vorherrschend in diesem Theile des Gebirges können.
betrachtet werden: Ulothrix- und Confervaarten, ebenso bestimmte Meso-
carpeen, Cylindrocystis, Penium, Tetmemorus und Disphinetium, ferner
IT. Abtheilung. Zoologisch-botanische Section. 39
Frustulia, Tabellaria (floceulosa), Fragilaria (virescens) und Eunotien. Spär-
licher finden sich z. B. Dedogonien, Volvocaceen, Spirogyren, Scenedesmus,
Closterium, Euastrum, namentlich grosse Micrasteriasspecies, Navicula,
Cymbella, Nitzschia, Synedra, Suriraya, Cystopleura, Nostocaceen und
Oscillariaceen. Gänzlich fehlen dagegen eine grosse Anzahl Gattungen
und Arten von Algen, die namentlich der fluviophilen und limnophilen
Formation angehören oder die sich in am Grunde bewachsenen Wasser-
ansammlungen, wie alten Lehmgruben etc. aufhalten. Halophile Species
sind auch hier, wie im ganzen übrigen Schlesien, nicht anzutreffen,
ebenso wie auch echte Thermalalgen in der Hochgebirgsregion des
Riesengebirges nicht gefunden wurden.
In Bezug auf die vergleichende Pflanzengeographbie haben Wille’s
und meine Untersuchungen zu dem Ergebnisse geführt, dass zwischen
der Algenflora der Hochgebirgsregion des Riesengebirges und derjenigen
von Novaja Semlja eine gewisse nicht zu leugnende Aehnlichkeit besteht.
Die Veranlassung, welche Wille dazu bewegte, seine Exeursion ins
Riesengebirge zu unternehmen, war nach brieflicher Mittheilung die, an
Algenmaterial aus der Hochgebirgsregion desselben zu untersuchen, ob
die Möglichkeit vorhanden wäre, dass sich in den mitteleuropäischen
Hochgebirgen Algenformen finden würden, die von Nordstedt (Desm.
arctoae) und Wille (Ferskvandsalger fra Novaja Semlja und a. a. O.)
als arktisch nachgewiesen worden waren, was sich in der That theil-
weise als zutreffend erwiesen hat. Auch ich bin, ohne von den Wille’schen
Entdeckungen Kenntniss zu haben, zu demselben Resultate gekommen,
nachdem ich Aehnliches schon für die Algenflora der hochalpinen Theile
Südwesttirols vor 2 Jahren festgestellt hatte.) Ein Vergleich der Algen-
arbeiten von Nordstedt und Wille über Novaja Semlja mit der
systematischen Aufzählung der Algen aus der Hochgebirgsregion des
Riesengebirges dürfte Wille’s und meine Behauptung rechtfertigen. Die
für das Riesengebirge von mir oben als vorherrschend, spärlich oder gar
nicht vorkommenden Gattungen und Arten finden sich oder fehlen meist
in ähnlicher Weise auf jener arktischen Insel, und ich glaube mir eine
Aufzählung der von jeder Gattung im Riesengebirge und auf Novaja
Semlja gemeinsam gefundenen Species ersparen zu dürfen. h
Bemerkenswerth für die westlichen Hochsudeten ist das Fehlen von
Diatomella Balfouriana Grev. und Tetracyclus Braunii Grun,, die aus den
östliehen Hochsudeten von der Mitteloppaquelle auf dem Leiterberge
bekannt geworden sind, und die ich in den Hochalpen Tirols mehrfach
gefunden, im Riesengebirge aber vergeblich gesucht habe. (Tetraeyelus
Braunii Grun. beobachtete ich jedoch an 2 Stellen in Oberschlesien.)
!) Ueber Algen insbesondere Desmidiaceen und Diatomaceen aus Tirol.
71. Jahresbericht der Schles. Gesell. f. vaterl. Cultur 1894.
40 | Jahresbericht der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur.
Nahe Beziehungen zeigt die obere Region des Riesengebirges auch zu
den höheren Theilen der Karpathen, besonders der Tatra, und zwar
vornehmlich durch das Vorkommen von Binuclearia tatrana, Cylindro-
eystis tatrica, verschiedener Cosmarien (pseudexiguum, contraetum,
decedens var. carpathica und Zwischenformen von C. Ralfsii, Euastrum-
varietäten, Navicula angustata formae, Cocconeis borealis, Achnanthidium
ellipticum und andere mehr. Auch an die Flora des nördlichen Russlands
und Skandinaviens wie in geringerem Maasse an die der Alpen, des Schwarz-
walds und des französischen Jura erinnern manche Vorkommnisse, jedoch
bemerkt schon Grisebach in seiner Abhandlung über: Die Vegetations-
linien der Erde, Seite 196 und 227, in Bezug auf die Phanerogamenflora
dass die höheren Theile des Riesengebirges mit denjenigen der Karpathen
in pflanzengeographischer Hinsicht mehr übereinstimmen, als mit den
Alpen, was R. von Uechtritz ausführlich nachweist. ')
Ueber die Art und Weise des Einsammelns und Untersuchens der
Algen aus dem Riesengebirge sei noch Folgendes hervorgehoben. Wille
bemerkt in der mir übersendeten handschriftlichen Mittheilung von
seinem Materiale: Die Algenproben werden in kleinen Flaschen mit
einer verdünnten Carbolsäurelösung oder in einer beinahe eoncentrirten
Lösung von essigsaurem Kali aufbewahrt. Die Algen haben sich die
ganze Zeit (mehr als 9 Jahre) gut erhalten, besonders diejenigen in
essigsaurem Kali, welches vor allen Dingen zum Aufbewahren (und auch
als Einbettungsflüssigkeit für Dauerpräparate d. Verf.) geeignet ist, um
die Structur der Desmidiaceenschalen zu studiren. Dagegen werden
die Chromatopboren oft etwas undeutlich. Die Membranstruetur ist
weniger deutlich bei den in Carbollösung conservirten Algen, weil die
Zellwände zu durchsichtig geworden sind; die Chromatophoren haben
sich dabei meist besser gehalten, doch ist oft der Zellinhalt schwarz
seworden, wodurch eine genaue Untersuchung sehr erschwert wird.
Für kürzere Zeit hat Wille mit Vortheil schwachprocentige Carbol-
säurelösung benutzt, um Süsswasseralgen zu conserviren, er hält aber
jetzt das essigsaure Kali zum Conserviren auf längere Zeit für vortheil-
hafter. Alkohol ist nach ihm für den besagten Zweck weniger geeignet,
weil die Membranstruetur nicht genügend hervortritt. — Mit Ausnahme
der Schroeter’schen Exsiceate und derjenigen von Hieronymus
wurde von mir nur frisches Material oder in Alkohol fixirtes unter-
sucht. Das Schroeter’sche Material bestand meist in rohen Schlamm-
und Moosproben. Beim ‚Aufweichen desselben verfuhr ich so: Etwa
1 cem der Algenprobe ‘wurde in einem gewöhnlichen Reagenzglase in
2—3 cem destillirtes Wasser gebracht, zu welchem Y, bis 1 cem
Ammoniakflüssigkeit und 2—3 Tropfen Glycerinum purum gegossen
!) Die Vegetationslinien der schlesischen Flora in Fiek (l. c. pag. 83 bis 9.)
II. Abtheilung. Zoologisch-botanische Section. 41
wurde. Darauf schüttelte ich die Mischung so lange, bis alle lösbaren
Partikel sich getrennt hatten, füllte das Gläschen mit aqu. dest. beinahe
voll und liess je nach der Stärke oder Feinheit des Materiales das Ge-
misch sich setzen. Dann wurde durch ein feineres Drahtsieb abgegossen,
nachdem die gröberen Bestandtheile, wie grosse Sandkörner sich am
Boden des Reagenzglases sich gesammelt halten. Moosblätter und andere
makroskopische Pflanzentheile blieben im Siebe. Die so erhaltene
Flüssigkeit wurde nun etwas längere Zeit in einem Standeylinder stehen
selassen und dann abermals abgegossen und zwar in einen zweiten
Standeylinder, der ca. 12 Stunden stehen blieb. Darauf wurde der
Bodensatz im ersten uud zweiten Standeylinder so lange mikroskopisch
untersucht, bis sich in den Präparaten, die erst mit schwacher, dann mit
stärkerer und zuletzt mit Oelimmersion (Leitz '/,,) betrachtet wurden,
nichts Neues mehr fand. Die Präparate wurden unter Umständen auch
durch Zusatz einer wässerigen Lösung von Methylenblau schwach tingirt,
wodurch besonders alles Organische durch seine Färbung mehr oder
minder auffiel, also nicht übersehen werden konnte, und auch manche
Feinheiten der Membranstructur von Alsenzellen deutlicher hervortraten.
Zygoten und Sporen wiesen dann andere Nuancen auf, als gewöhnliche
vegetative Zellen, auch die verschiedenen Algenfamilien reagirten in
mannigfacher Weise auf den Farbstoff. Das Alkoholmaterial wurde
theilweise nach Schmidle’s Methode (Hedwigia 1893, pag. 111) behandelt
und gefärbt. Die Diatomaceen wurden in Canadabalsam oder Monobrom-
Naphthalin eingebettet und bei ihrer Bestimmung ausser der Special-
litteratur eine Möiler’sche Typenplatte (1869) und Centurie I, Editio
secunda, der Diatomacearum species typicae von Th. Eulenstein,
Dresden 1869, benutzt.
Breslau, Pflanzenphysiologisches Institut. November 1895.
Erklärung der im systematischen Verzeichnisse gebrauchten
Litteraturabkürzungen.
Andersson, Sveriges Chlorophyc. —= Andersson ©. Fr., Bidrag till kännedomen om
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De Bary, Conj. = De Bary A., Untersuchungen über die Familie der Conjugaten.
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Borge, Chlorophye. v. Russland — Süsswasser Chlorophyceen gesammelt von Dr.
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till K. Svenska Vet. Akad. Handlingar. Band 19. Afd. III. Nr. 5. Stockholm 1894.)
Borge, Sibiriens Chlorophyc. — Eit litet Bidrag till Sibiriens Chlorophyceflora.
(Bihang till K. Svenska Vet. Akad. Handlingar. Band 17. Afd. II. Nr. 2.
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49; 7, Jahresbericht der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur.
Born. et Flah. Revis. Nostoch. — Bornet et Flahault, Revision des Nostochacees
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Klebs, Desm. Ostpreuss. = Klebs G., Ueber die Formen einiger Gattungen der
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Nordst., Desm. arct. = Nordstedt O., Desmidieae arctoae (Öfvers. K. V. af. K.
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Nordst., Desm. Tirol. = Nordstedt O. et Wittrock V., Desmidieae et Oedogonieae
ab O. Nordstedt in Italia et Tirolia collectae. (Öfvers. af K. Vet. Akad.
Förh. 1876. Stockholm 1876.) zus
Nordst., De Alg. et Char. Sandvic. = Nordstedt O., De algis aquae duleis et de
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edidit Regia Societas Physiographorum Lundensis. Lundae 1878.)
De Not. Desm. ital. = De Notaris G., Elementi per lo studio delle Desmidiaceae
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Rabh. Flor. europ. alg. = Rabenhorst L., Flora europaea Algarum aquae duleis
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Racih. De nonnull. Desm. — Raciborski M., De nonnullis Desmidiaceis novis vel
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przyrodn. Akadem. Umiej. w. Krakowie, tome 10. Krakau 1885.)'
Ralfs. Brit. Desm. — Ralfs. J., The british Desmidieae. London 1848.
Schmidle Alp. Alg. — Beiträge zur alpinen Algenkunde. (Oesterreichische
botanische Zeitschrift. Jahrg. XLV. Wien 189.)
II. Abtheilung. _ Zoologisch-botanische Section. 43
Schmidle Algenfl. des Schwarzwaldes —= Schmidle W., Beiträge zur Algenflora des
Schwarzwaldes und der Rheinebene (Berichte der Naturforschenden Gesell-
schaft zu Freiburg i. B. Band VII, Heft 1. 1893.)
Schmidt Atlas der Diat. = Schmidt A., Atlas der Diatomaceen-Kunde. Heft 1—49.
Leipzig.
Schuhm. Diat. d. Tatra. = Schuhmann J., Die Diatomeen der hohen Tatra. (Heraus-
gegeben von der k. k. zoologisch-botanischen Gesellschaft. Wien 1867.)
Smith Brit. Diat. = Smith W., A Synopsis of the British Diatomaceae Vol. TI. Il.
London 1853.
De Toni Syllog. = De Toni J. B., Sylloge algarum omnium hucusque cognitarum
Vol. Tet II. Padua 1891.
Wille Ferskvandsalg. fra Nov. Semlja = Wille N., Ferskvands alger fra Novaja
Semlja samlede af Dr. F. Kjellmann paa Nordenskiölds Expedition 1875.
(Öfversigt af K. Svenska Vet. Akad. Förhandlingar 1879. Nr. 5. Stockholm.)
Wille u. K. Rosenvinge, Alg. fra Nov. Zemlia og Kara-Havet —= Wille N. og
Kolderup Rosenvinge L., Alger fra Novaia Zemlia og Kara-Havet, samlede paa
Dijmphna-Expeditionen 1882—83 af Th. Holm. (Saertrik af „Dijmphna-Togtets
zoologisk-botaniske Udbytte*. Kopenhagen 1885.)
Wittrock et Nordstedt, Alg. exsicc. — Algae aquae duleis exsiccatae praecipue
scandinayicaee, quas adjetis algis marinis chlorophyllaceis et phycochromaceis.
distribuerunt Wittrock V. et Nordstedt O. Fasc. 1—25. Upsala und Stockholm
1877—93.
Wittrock, Gotland och Oelands, Sötvattensalger (Bihang till K. Vet. Akadem. Hand-
lingar Band 1. Stockholm 1872.)
I, Rhodophyceae.
Lemaniaceae.
Lemania Bory.
1. L. fluviatilis (L.) Ag.
Aupafall (Hansg. Prod.).')
Batrachospermaceae.
Batrachospermun.
12. B. vagum Ag.
Weisse Wiese, Aupaquellen (Hieron.).
II. Phaeophyoeae.
Dinobryon Ehrb.
*3. D. sertularia Ehrb.
Mädelwiese zwischen Peter- und Spindlerbaude (Schrd.).
Hydrurus Ag.
4. H. foetidus (Vill.) Kirchn.
Weisswasserquelle (Schrd.), Aupagrund (Hansg.Prod.), Elbwiese (Hansg. Prod.).
III. Chlorophyoeae,
A. Confervoideae,
Coleochaetaceae.
Coleochaete Breb.
79. CO. pulvinata Pringsh.
Fructifieirend.
Elbwiese (Schrd.).
!) Hinter dem Standorte bedeutet: (Kirchn. Fl.), dass die betreffende Fund-
stelle in der Algenflora von Kirchner angegeben ist. Hinter die von Schroeter
festgestellten Fundorte stelle ich (Schrt.), hinter die von Hansgirg (Hansg. Prod.),
von Hieronymus (Hieron.), von Wille (W.) und hinter die meinigen (Schrd.).
44
[0'o}
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10.
11.
+12.
13.
14.
15.
16.
17,
Jahresbericht der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur.
Oedogoniaceae.
Oedogonium Lk.
Oe. Rothii Pringsh.
Mädelwiese (Schrt.).
Oe. spec. Steril.
Elbwiese (Schrd.).
Bulbochaete Ag.
B. setigera Ag.? Steril, Species zweifelhaft.
Koppenplan nach der Weissen Wiese zu (Schrt.).
(Auch ich habe wie Schroeter vergeblich nach Fructificationsorganen gesucht.)
Ulvaceae.
Prasiola Ag.
P. fluviatilis (Sommerf.) Aresch.
In der Umgebung des Kleinen Teiches (W.).
Chaetophoraceae.
Ulothricheae.
Schizogonium Kg,
Sch. murale Kg.
var. Neesii (Kg.) Kirchn.
An der Schneegrubenbaude, weitverbreitete Ueberzüge bildend (Schrt.),
Elbwiese (W.).
Ulothrix Kg.
U. zonata Kg.
Kleine Sturmhaube (Schrt.), Grosser Teich (Kirchn. F].), Weisse Wiese
(Sehrt.).
U. subtilis Kg.
var. variabilis (Kg.) Kirchn.
Elbwiese (W.).
var. stagnorum (Kg.) Kirchn.
Weisse Wiese bei der Wiesenbaude (Hansg. Prod.).
var. tenerrima (Kg.) Kirchn.
Im Kleinen Teiche, Elbwiese (W.).
var. albicans (Kg.) Hansg.
Weisse Wiese bei der Wiesenbaude (Hansg. Prod.). -
U. mirabilis (Kg.?) Hanse.
Mädelwiese bei der Peterbaude (Hansg. Prod.).
U. discifera Kjellm.
Kleine Schneegrube (W.).
U. flaccida Kg.
Elbwiese, Südabhang der Schneekoppe (Hansg. Prod.).
var. nitens (Kg.) Hanse.
Wiesenbaude an feuchten Brettern (Hansg. Prod.).
U. parietina (Vauch.) Kg.
Elbwiese, Mädelwiese, Weisse Wiese (Hansg. Prod.).
Chaetophoreae.
* Aphanochaete A. Br.
A. globosa (Nordst.) Wolle.
Herposteiron globosum Nordst. De alg. et Char. Sandvic. pag. 23, tab. II,
fig. 22 et 23.
Elbwiese (Schrd.).
II. Abtheilung. Zoologisch-botanische Section. 45
18.
19.
20.
21.
22.
25.
26.
27.
98.
zo
Die Zellen der beobachteten Exemplare sind in der Scheitelansicht rund, in
der Seitenansicht elliptisch bis eiförmig. Manchmal trägt eine Zelle am
Rande des Zellverbandes (wohl eine junge Zelle) keine Borste. Von den
Borsten stellt jede einen Faden dar, der am proximalen Ende etwa in
gleicher Länge wie der Durchmesser der Zellen stachelartig verdickt aus-
sieht und an der scharfen Spitze in ein langes, dünnes, hyalines Haar aus-
läuft, das 20-25 mal so lang als der stachelförmige Proximalanfang der
Borste ist. Die gefundenen Exemplare tragen keine Gallerthülle.
Draparnaldia Ag.
D. glomerata As.
Graben oberhalb der Alten schlesischen Baude (Schrt.).
var. remota Rabh.
Im Grossen Teiche (Kirchn. FI.).
Cladophoraceae.
Conferva Lk.
©. tenerrima Ke.
Weisse Wiese bei der Wiesenbaude (Hansg. Prod.).
C. bombycina (Ag.) Wille.
genwina Wille.
Mittagsteine (Schrt.), Kesselgrube, Kleiner Teich, Elbwiese, Koppenplan (W.).
forma minor Wille.
Kleine Schneegrube, Kesselgrube, Elbwiese (W.).
©. pachyderma Wille.
Weisse Wiese bei der Wiesenbaude (Hansg. Prod.).
©. floccosa Ag.
Kleine Schneegrube (W.), Kleiner Teich (W. u. Schrd.), Elbwiese (W.).
C. amoena Ke.
Kleine Schneegrube, Elbwiese (W.).
var. gracilis Wille.
Kesselgrube, Elbwiese (W.).
©. stagnorum Kg.
Kleine Schneegrube, Kesselgrube, Elbwiese (W.), Weisse Wiese bei der
Wiesenbaude (Hansg. Prod.), Koppenplan (W.).
Binuclearia Wittr.
B. tatrana Wittr.
Wittr. et Nordst. Alg. exsicc. No. 715.
Kesselgrube (W.), im Kleinen Teiche (W. u. Schrd.).
Trentepohliaceae.
Trentepohlia Marti.
T. aurea (L.) Mart.
Grosse Schneegrube (Kirchn. Fl.). 5
T. Iolithus (L.) Wittr. ®
Kamm vom Reifträger bis zur Schneekoppe, Biesengrund (Kirchn. Fl.)
Melzergrund (Schrd.).
Microthamnion Näsg.
M. Kützingianum Näg.
Sausteine (Schrd.).
B. Siphonaceae.
Vaucheria DC.
V. terrestris Lyngb.
Kesselgrube (W.).
30.
al.
33.
"34.
#35.
+36.
+4.
42.
43.
Ah,
Jahresbericht der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur.
G, Protococeacae.
Volvocaceae.
Sphaerella Sommerf.
S. pluvialis (Flot.) Wittr.
Unterhalb der Schneekoppe (Hieron.).
D. Palmellaceae.
Scenedesmus Meyen.
Sc. obliquus (Turp.) Kg.
Kleiner Teich (W.), Elbwiese [Exemplare übereinstimmend mit Ralfs Brit.
Desm. tab. XXXI, fig. 15a] (Schrd.).
var. dimorphus (Kg.).
Beim Mittagstein, Kleiner Teich (Schrd.).
Sc. quadricaudatus (Turp.) Breb.
Im Grossen Teiche typisch (Schrd.).
Sc. denticulatus Lagerh.
forma Willd. Obs. Alg. tab. I, fig. 27—30 cit. nach Bar Sibiriens Chloro-
phye. pag. 6, fig. 1.
Im Grossen Teiche (Schrd.).
Selenastrum Reinsch.
S. acuminatum Lagerh.
Im Grossen Teiche (Schrd.). Selten.
Tetraödron Kg.
T. Gigas (Wittr.) De Toni — Polyedrium Gigas Wittr. Gotland och Oelands
Sötvattensalg.
Mädelwiese (Schrd.).
Eremosphaera De By.
E. viridis De By.
Elbwiese (Schrd.).
Characium A. Br.
. Ch. longipes Rabh.
An Ulothrix subtilis var. tenerrima.
Elbwiese (W.).
. Ch. Siboldi A. Br.
Mädelwiese zwischen Peter- und Spindlerbaude (Schrd.).
. Ch. strietum A. Br.
An Ulothrix subtilis var. tenerrima.
Elbwiese (W.).
Dieranochaete Hieron.
D. reniformis Hieron.
Koppenplan: Aupaquelle (Hieron.).
Tetraspora Ag.
T. bullosa Ag.
Koppenplan (W.).
T. gelatinosa Desv.
Graben oberhalb der Alten schlesischen Baude, Koppenplan
Palmodactylon Näg.
P. simplex Näg.
Mädelwiese (Schrt. u. Schrd.).
P. varium Näg.
Weisse Wiese bei der Wiesenbaude (Hansg. Prod.).
II, Abtheilung. Zoologisch-botanische Section. 47
Pleurococcus Menegh.
45. P. miniatus Näg.
46.
47.
48.
49,
50.
51.
52.
58.
54.
+55.
*56.
#57.
Auf dem Kamme vom Reifträger bis zur Peterbaude auf altem Kuhdünger
(Schrt.).
Ich bin zu der Ansicht geneigt, dass die von Schröter gefundene Alge
wahrscheinlich die ihr sehr ähnliche Palmella miniata Leibl. ist, welche
sich, abgeseben von ihrem Vorkommen, durch die relativ grösseren Zellen
(bis 40 u) von dem citirten Pleurococeus unterscheidet, beide Species sind
jedoch durch Haematochrom orange gefärbt, die Färbung geht auch bei
beiden zuweilen in Grün über. Pleurococcus miniatus Näg. halte ich für
eine ausschliesslich kalkliebende, ausgesprochene Gewächshaus-Alge. Die
Schroeter’schen Originalexemplare sind in seinem Herbare leider nicht
mehr zu finden gewesen.
Palmella Lyngb.
P. botryoides Kg.
Mädelwiese bei der Peter- und Spindlerbaude (Hansg. Prod.).
Stichococcus Näg.
S. bacillaris Näg.
Weisse Wiese bei der Wiesenbaude (Hansg. Prod.).
vor. mascımus Hansg.
Ebendaselbst.
Inoderma Kg.
I. majus Hanse.
Weisse Wiese bei der Wiesenbaude spärlich (Hansg. Prod.).
Protococcus Ag.
P. viridis.
Nach Hansg. Prod. auch in der Hochgebirgsregion des Riesengebirges.
Urococcus (Hass.) Kg.
U. insignis Hass.
Weisse Wiese bei der Wiesenbaude, Koppenplan am Aupafall (Hansg. Prod.).
Dactylococcus Näg.
D. caudatus (Reinsch) Hansg.
Weisse Wiese bei der Wiesenbaude (Hansg. Prod.).
Botryococcus Kg.
B. Braunii Kg.
Elbwiese (Kirchn. F].).
Gloeocystis Näg.
@G. vesiculosus Näg.
Elbwiese, Koppenplan (Schrt. u. Schrd.).
G. rupestris (Lyngb.) Rabh.
Aupagrund (Hansg. Prod.).
Oocystis Näg. 5
O. Naegelii A. Br.
Im Kleinen Teiche (W.).
O. solitaria Wittr.
Kesselgrube (W.), Elbwiese (Schrd.).
In den Proben, die ich von der Elbwiese mitbrachte, und auch in
solchen von Schröter dort gesammelten, finden sich nicht selten auch
8 Zellen in der Mutterzellhaut eingeschlossen.
O0. Novae Semljae Wille.
Ferskvandsalger fra Nov. Semlja pag. 26, tab. XII, fig. 3.
Am Kleinen Teiche, Grosse Schneegrube (W.), Elbwiese (Schrd.).
48
ot
0)
62.
63.
64.
*65.
66.
67.
68.
69.
70.
Jahresbericht der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur.
‚Raphidium Kg.
R. convolutum Rabh.
Koppenplan (Schrt.).
E. Conjugatae.
Zygnemaceae.
Mesocarpeae.
Mougeotia Ag.
. M. nummwuloides (Hass) De Toni.
Kesselgrube (W.).
. M. viridis (Kg.) Wittr.
Elbwiese (Hansg. Prod.).
Mesocarpus Hass.
. M. parvulus Hass.
Elbwiese, Mädelwiese, im Kleinen Teiche (Schrt. u. Schrd.), im Grossen
Teiche (Schrd.).
Zygnema As.
Z. stellinum (Vauch.) Ag.
Weisse Wiese bei der Wiesenbaude (Hansg. Prod.).
Zygogonium Ke.
Z. ericetorum (Kg.) De By.
Kleine Schneegrube, Kesselgrube, Elbwiese (W.), Weisse Wiese bis Koppen-
plan (Hansg. Prod.).
Spirogyra Lk.
S. porticalis (Müll.) Cleve.
Mädelwiese bei der Peterbaude (Hansg. Prod.).
Desmidieae.
Gonatozygon De By.
@G. Brebissonii De By.
var. Kjellmanni (Wille) Racib.
Wille, Ferskvandsalger fra Nov. Semlja pag. 59, tab. XIV, fig. 78.
Grösse wie bei Raciborski, De nonnull. Desm. pag. 12.
Elbwiese. Selten und nur einzeln (Schrd.).
Die Zellen der beobachteten Formen sind in der Mitte ziemlich genau
eylindrisch, vor den Enden aber plötzlich verdünnt, nach dem Scheitel nur
ganz unmerklich sich erweiternd und gerade abgestutzt.
Hyalotheca Ehrb. ’
H. dissiliens Breb.
Im Grossen Teiche (Schrt.), im Abflusse aus dem Grossen Teiche unterhalb
des Kleinen Teiches (Schrd.), Elbwiese (Kirchner FI.).
Gymnozyga Ehrb.
G. Brebissonii (Kg.).
Weisse Wiese, Elbwiese, Koppenplan. Ueberall häufig (Schrt. u. Schrd.).
Spondylosium Breb.
S. depressum Breb.
Am Grossen Teiche (Schrt,), Abfluss aus dem Grossen Teiche unterhalb des
Kleinen Teiches (Schrd.).
S. pulchellum Arch.
Weisse Wiese, Koppenplan (Schrt.).
Mesotaenium Näg.
M. Braunii De By,
Koppenplan (Schrt.).
II. Abtheilung. Zoologisch-botanische Section. 49
71.
*73.
74.
75.
76.
VErR
+78.
2
80.
M. micrococcum (Kg.) Kirchn.
Elbwiese, Weisse Wiese, Südabhang der Schneekoppe (Hansg. Prod.).
Cylindrocystis (Menegh.) De By.
. ©. Brebissonmii Ralfs.
In allen Wasseransammlungen der Hochgebirgsregion sehr verbreitet.
Weisse Wiese, Kleine Sturmhaube (Schrt. u. Schrd.), Kieine und Grosse
Schneegrube, Kesselgrube (W.), Mittagsteine (Schrt.), Sausteine (Schrd.), am
Grossen Teiche und in demselben (Schrt. u. Schrd.), oberhalb des Kleinen
Teiches (Schrt.), Mädelwiese (Schrd.), Elbwiese und Koppenplan (Schrt.
u. Schrd.).
var. turgida Schmidle, Alpine Algen, tab. XIV, fig. 15.
Elbwiese (Schrd.).
var. Jenneri (Ralfs) Kirchn.
Kleine Sturmhaube, Mittagstein, Kleiner Teich (Schrd.).
©. tatrica Racib.
De nonnullis Desmid. pag. 3, tab. XIV, fle. 8.
Kleiner Teich. Selten aber mit Zygospore (Schra.).
Closterium Nitzsch.
C. obtusum Breb.
Mädelwiese hei der Peterbaude (Schrt.), Kuppenplan am Aupafall (Hansg.
Prod.).
Dort eine nach Schröter vom Typus „abweichende Form mit gerade
abgestülpten Enden und ganz fehlenden Endbläschen‘“.
Mittagstein (Schrt. u. Schrd.), Elbwiese (W.).
Unter typischen Formen beim Mittagstein, wie sie bei Brebisson, Liste
Desm. pag. 154, tab. II, fig. 46 angegeben werden, sah ich zwei Mal solche,
die in der Mitte eingeschnürt waren, die Einschnürung war innen abgerundet.
Die Breite der betreffenden Individuen betrug 5,5 u, ich bezeichne sie als
var. incisum Nov. var.
C. didymotocum Corda.
Elbwiese (Schrt.).
forma glabra Andersson. Sveriges Chlorophye. pag. 17.
Mittagstein (Schrd.).
©. gracile Breb.
Elbwiese (Schrt.).
C. striolatum Ehrb.
An der Alten schlesischen Baude (Schrt.), am Kleinen Teiche (W. u. Schrd.),
Mädelwiese (Schrt.), Elbwiese (Kirchn. Fl.).
C. intermedium Ralf.
Neue Schlesische Baude, Elbwiese (Kirchn. Fl.), Mädelwiese, Koppenplan
(Schrd.). 5
C©. Cynthia De Not.
var. suwbtilis nov. var.
Membran feiner gestreift als beim Typus. Breite 8,5 u, Enden etwas
spitzer. Hierzu dürfte vielleicht auch das 02. Cynthia De Not. zu rechnen
sein, welches Eichl., Flory Wodorostöw, pag. 58 anführt und in Fig. 5
abbildet.
Mädelwiese zwischen Peter- und Spindlerbaude (Schrd.).
C. Dianae Ehrb.
Mittagstein (Schrd.), im Kleinen Teiche (W.).
189.
6
N
ga
em
50
32.
83.
S4.
+85.
86.
37.
88.
89.
90.
91.
92.
93.
+94.
20
#96.
Jahresbericht der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur.
forma major Wille.
Elbwiese, Mädelwiese, im Grossen Teiche und im Abflusse aus dem Grossen
Teiche unterhalb des Kleinen Teiches (Schrd.).
©. Jenneri Ralts.
Im Kleinen Teiche (W.), Elbwiese (Schrd.), Koppenplan am Aupafall (Hansg.
Prod.).
C. moniliferum Ehrb.
An der Alten schlesischen Baude (Schrt.).
C. parvulum Näg.
Elbwiese (Hansg.), am Grossen Teiche und in der Quelle oberhalb des
Kleinen Teiches (Schrt.).
C. Venus Kg.
Elbquellen (Schrt.), Kleiner Teich (W.).
C. acutum Breb.
forma major Wille.
Mädelwiese zwischen Peter- und Spindlerbaude (Schrd.).
forma minor Wille.
66 u lang und 9 w dick nach Wille.
Elbwiese (W.).
C. rostratum Ehrb.
Mittagstein (Schrd.).
Spirotaenia Breb.
S. condensata Breb.
Elbwiese, Mädelwiese (Schrt.), Weisse Wiese (Kirchn. Fl.).
Penium Breb.
P. Digitus Breb.
Elbwiese. Kesselgrube (W.), Koppenplan am Brunnenberge (Hieron.).
Länge der Exemplare von dem letzten Standorte 160—210 uw nach Hieron.
P. lamellosum Breb.
Elbwiese, Kesselgrube, Koppenplan (W.).
P. oblongum De By.
Elbwiese (Kirchn. Fl.), Kesselgrube [66 uw lang und 24 wu dick] (W.), Mädel-
wiese, Weisse Wiese, Koppenplan (Schrt. u. Schrd.).
P. interruptum Breb. ;
Weisse Wiese (Kirchn. F].).
P. navicula Breb. ;
Elbwiese (Schrd.), Mädelwiese (Schrt.), im Abflusse aus dem Grossen Teiche
unterhalb des Kleinen Teiches (Schrd.).
P. truncatum Ralfs.
Elbwiese (Kirchn. Fl.), Mädelwiese an der Peterbaude (Schrd.), Koppenplan
am -Aupafali, spärlich (Hansg. Prod.).
P. polymorphum Lund.
Am Kleinen Teiche (W.), Koppenplan (Schrd.).
P. phymatosporum Nordst.
23 w lang und 11 w breit nach Wille.
Elbwiese, am Kleinen‘ Teiche, Koppenplan {W.;,.
P. forma.
Nordstadt: Desm, arctoae tab. VI, fig. 2.
26—23 u lang, 14 u breit nach Wille,
Elbwiese (W.).
II. Abtheilung. Zoologisch-botanische Section. 51
aM.
98.
99.
100.
=101.
#102.
=103.
104.
#109.
106.
+107.
108.
109.
110.
+11.
Tetmemorus Ralfs.
T. Brebissonii Ralfs.
Elbwiese (Kirchn. Fl., Schrd. u. W.).
T. laevis Ralfs.
Elbwiese (Kirchn. Fl. u. W.), Kleine Schneegrube, Kesselgrube (W.), Mädel-
wiese (Schrt.), im Kleinen und Grossen Teiche (W. u. Schrd.), Koppenplan
(Schrt.).
T. granulatus Ralfs.
Elbwiese (Kirchn. Fl., W. u. Schrd.), Weisse Wiese (Schrd.).
T. minutus De By.
Weisse Wiese bei der Wiesenbaude (Hansg. Prod.).
Disphinctium Näg,
D. globosum (Bulnh.).
20-22 u lang und 14 u breit.
Elbwiese, Kleine und Grosse Schneegrube (W.), Mädelwiese (Schrd.).
D. curtum (Breb.).
Am Kleinen Teiche (W.).
forma minor Wille.
Kleine Schneegrube (W.), im Grossen Teiche (Schrd.).
D. Palangula (De By).
Elbwiese (Kirchn. Fl. u. W.), Kesselgrube, Kleiner Teich (W.), Weisse Wiese
(Schrd.), Koppenplan (Schrt. u. W.).
D. Cucurbita (Breb.).
Elbwiese (Kirchn. Fl.), Grosse Schneegrube (W.), Mädelwiese (Schrt.), im
Grossen Teiche (Schrd.), Weisse Wiese, Koppenplan (Schrt.), am Südabhange
der Schneekoppe (Hansg. Prod.).
D. quadratum (Ralfs) Hanse.
Elbquellen, Koppenplan (Schrt.).
var. punctulatum nov. var.
Scheitel der Halbzellen hochconvex, Einschnürung auf jeder Seite ca. !/,
der Zellbreite einnehmend und nach innen etwas erweitert. In jeder Halb-
zelle zwei Chromatophoren und zwei Pyrenoide Zellhaut deutlich fein
punktirt, aber am Isthmus eine freie Zone zeigend. Mädelwiese zwischen
Peter- und Spindlerbaude (Schrd.).
D. Cylindrus Näg.
var. silesiacus Kirchn.
Mädelwiese zwischen Peter- und Spindlerbaude (Schrd.), im Abflusse aus dem
Grossen Teiche unterhalb des Kleinen Teiches (Schrd.).
D. Ralfsii (De By.) Hanse.
Mädelwiese an der Peterbaude (Schrd.). -
Mitteleinschnürung noch viel seichter als bei De Bary, Conj. tab. 5, fig. 8.
D. minutum (Ralfs).
Weisse Wiese (Schrt.).
D. notabile (Breb.).
Im Grossen Teiche (Kirchn. Fl.).
D. annulatum Näs.
Elbwiese (Kirchn. Fl.).
Cosmarium Corda.
0. Cucumis Corda.
Elbwiese, Kesselgrube, Kleiner Teich (W.), Mädelwiese (Schrd.), Koppenplan(W.).
AF
Jahresbericht der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur.
. C. pseudexiguum Raeib.
De nonnull. Desm. tab. X, fig. 8. 8,1 u breit, 18,9 u lang, 5,4 u dick, & u
Koppenplan gegen den Brunnenberg zu (Schrd.).
Neue schlesische Baude, Alte schlesische Baude (Schrd.), Elbwiese, Kleine
Die von mir beobachteten Formen stimmten ziemlich genau mit den-
jenigen von Klebs, Desm. Ostpreuss. tab. III, fig. 26 überein, soweit dies
aus der Abbildung und Beschreibung ersichtlich ist.
31 u lang, 29 w breit, 12 u am Isthmus breit (nach Wille).
var. subtile Kirchn.
Elbwiese häufig; Koppenplan (Schrd.).
C. subtumidum Nordst.
Wittr. & Nordst. Alg. exsicc. No. 172.
©. contractum Kirchn.
Racib. De nonnull. Desm. tab. X, fig. 10.
Mädelwiese an der Peterbaude (Schrd.).
. C. Meneghinii Breb.
Elbwiese, Kleine Sturmhaube, Mädelwiese, Mittagsteine, Weisse Wiese (Schr t.)
var. Reinschii Istv. Borge, Sibiriens Chlorophye. fig. 9.
Mädelwiese zwischen Peter- und Spindlerbaude (Schrd.).
var. Anderssonii nov. var.
Cosmarium Meneghinii forma bei Anderss.
Sveriges Chlorophye. fig. 10. 18,9 u lang, 14,4 u breit, 10,8 u am Isthmus breit.
Mädelwiese an der Peterbaude, Koppenplan nach dem Brunnenberge zu, an
beiden Orten selten (Schrd.).
©. Hammeri Reinsch.
var. rotundatum (Wille) Borge.
Borge, Chlorophye. Russlands pag. 24, tab. II, fig. 22.
C. decedens Reinsch.
var. carpathicum Fäcib.
Elbwiese (W. u. Schrd.).
C. crenatum Ralfs.
Neue schlesische Baude, Mädelwiese (Schrt.).
forma crenae laterales 3. Nordst.
Im Abflusse des Grossen Teiches unterhalb des Kleinen Teiches (Schrd.), im
Kleinen Teiche (W.).
C. venustum Rabh.
Elbwiese (Kirchn. F].), Mädelwiese, Weisse Wiese, Koppenplan (Schrt.).
C. holmiense Lund.
Elbwiese (Schrd.).
52
*119
am Isthmus hreit.
113. C. granatum Breb.
Schneegrube (W.).
114. C. bioculatum Breb.
Kesselgrube (W.).
115. C. tumidum Lund.
#116.
Elbwiese (Schrd.).
+117. C. tinctum Ralfs.
Elbwiese (W.).
7118
119
=
+
*120. ©. laeve Rabh.
Elbwiese (Schrd.).
#121.
Elbwiese (Schrd.).
#199.
123.
124.
125.
129.
130.
*131.
*132.
133.
134.
*135.
2138.
#139.
II. Abtheilung. Zoologisch-botanische Section. 53
. C. pseudopyramidatum Lund.
Kesselgrube (W.), Mädelwiese an der Peterbaude (Schrd.).
C. circulare Reinsch.
var. minus Hansg.
Am Südabhange der Schneekoppe (Hansg. Prod.).
©. pachydermum Lund.
var. latum Klebs.
Desm. Ostpreuss. pag. 34, tab. III, fig. 38.
Im Grossen Teiche (Schrd.).
C. smolandicum Lund.
var. angulosum Kirchn.
Elbwiese (Kirchn. Fl.), Mädelwiese an der Peterbaude (Schrd.).
C. Ralfsii Breb.
Mädelwiese (Schrt.), Weisse Wiese (Schrd.).
Auf der Weissen Wiese fand ich Formen, welche den Uebergang zur Var.
montanum Racib., De nonnull. Desm. pag. 15, tab. I, fig. 4 bilden, deren
Halbzellen zwar halbkreisförmig sind, deren Isthmus sich aber nach aussen
erweitert.
C. microsphinctum Nordst.
Elbwiese (W.).
C. didymochondrum Nordst.
Elbwiese, am Kleinen Teiche (W.).
C. punctulatum Breb.
Kleine Sturmhaube, Quelle oberhalb des Kleinen Teiches, Koppenplan (Schrt.).
C©. margaritiferum Menegh.
Im Grossen Teiche und am Mittagsteine (Schrd.).
Im Grossen Teiche fanden sich unter dem Typus auch Formen, bei
denen die Zellhälften elliptisch waren mit grader Basis und linearischer
Mitteleinschnürung.
var. incisum Kirchn.
Elbwiese (Kirchn. Fl.), Mädelwiese (Schrt. u. Schrd.), Quelle am Grossen
Teiche und oberhalb des Kleinen Teiches, Koppenplan (Schröt.).
Aehnliche Formen erwähnen Borge: Chlorophyc. Russlands, pag. 20,
tab. II, fig. 15 und Schmidle: Alpine Algen (als Cosmarium Netzerianum
Schmidle, tab. XV, fig. 19).
C. anomalum Delp.
Elbwiese, Kleine Schneegrube, Kesselgrube, Koppenplan (W.).
. ©. Botrytis Menesh.
Elbwiese (Schrd.), im Kleinen Teiche und Weisse Wiese (Kirchn. Fl.), am
Aupafall (Hanse. Prod.).
var. mesoleium Nordst., Desm. Tirol. tab. XII, fig. 2.
Elbwiese (Schrd.).
. O. subspeciosum Nordst., Desm. arctoae pag. 22. De Notaris, Desm. ital.
pag. 47, tab. IV, fig. 34, unter Cosmarium cerenatum Ralfs.
Elbwiese, Grosse Schneegrube, Kesselgrube (W.), Mittagsteine (Schrd.), am
Kleinen Teiche (W.).
©. sphalerostichum Nordst.
Elbwiese (Schrd.).
C. cambricum Cooke et Wille.
Weisse Wiese (Schrd.),
54 Jahresbericht der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur.
=140. ©. Calodermuum Gay.
Monogr. Conjug. pag. 64, tab II, fig. 1.
Elbwiese, Mädelwiese zwischen Peter- u. Spindlerbaude (Schrd.).
#141. CO. nasutum Nordst.
forma nuclei amylacei singuli Wille.
Elbwiese, kleine Schneegrube (W.), Mädelwiese an der Peterbaude, Weisse
Wiese (Schrd.).
142. ©. caelatum Ralfs.
Ueberall zerstreut vorkommend.
Elbwiese (Kirchn. Fl.), Kleine Schneegrube (W.), im Teiche der Grossen
Schneegrube (Schrt.), Kesselgrube (W.), im Grossen Teiche (Schrd.), am
Kleinen Teiche (W.), Mädelwiese (Schrd.), Koppenplan (Schrd. u. W.).
Die Formen zeigen Verwandtschaft zur var. bohemicum Bacib.
*143. CO. suberenatum Nordst.
Elbwiese am Kleinen Teiche (W.).
*144. O. rectangulare Grun.
Elbwiese, Kesselgrube, Kleiner Teich (W.).
#145. CO. concinnum Rabenh.
12 w lang und ebenso breit,
Mittagstein, im Abflusse aus dem grossen Teiche unterhalb des Kleine
Teiches (Schrd.).
146. C. Phaseolus Breb.
Kleine Schneegrube (W.).
147. 0. pusillum Breb.
Mädelwiese, Quelle oberhalb des Kleinen Teiches, Weissbrunnen bei der
Wiesenbaude (Schrt.).
148. C. sublobatum (Breb.), Arch.
Elbwiese (W.).
149. CO, eruciatum Breb.
Im Kleinen Teiche (Kirchn.Fl.), am Südabhange der Schneekoppe (Hanse. Prod.).
Xanthidium Ehrb.
150. X. aculeatum Ehrb.
Elbwiese (Kirchn. Fl.).
Arthrodesmus Ehrb.
7151. A. Incus Hass.
forma 18 u lang, 17 & breit, 7 u am Isthmus breit.
1,5—2 u lange Stacheln (nach Wille.).
Elbwiese (W.)
forma isthmosa Heimer!.
Desm. alpinae pag. 17, tab. V, fig. 18.
19 w lang, 18 u breit, 7 w am Isthmus breit, 6—7 u a Stacheln.
Koppenplan gegen den Brunnenberg zu (Schrd.).
Euastum Ehrb.
#152. E. erosum Lund.
Kesselgrube (W.).
153. E. binale Ralfs.
Elbwiese (Kirchn. Fl.), am Grossen Teiche (Schrt.j, Kesselgrube (W.), Mädel-,
wiese, Weisse Wiese (Schrt.), Koppenplan gegen den Brunnenberg zu (Schrd.).
Die meisten Formen stimmen am besten mit Ralfs, Brit. Desm. tab. XIV,
fig. Se überein,
II. Abtheilung. Zoologisch-botanische Sectoin. 55
var. granulatum Hanse.
Am Südabhange der Schneekoppe (Hansg. Prod.).
7154. E. denticulatum (Kirchn.) Gay.
Mädelwiese an der Peterbaude (Schrd.).
155. E. elegans Kg.
Elbwiese (Kirchn. F].), im Grossen Teiche (Schrt.), im Abflusse aus dem
Grossen Teiche unterhalb des Kleinen Teiches (ich fand an diesem Stand-
orte eine * var. latum nob., die 30 u breit und nur 44 u lang ist), Mädel-
wiese (Schrt.), Weisse Wiese (Kirchn. FI.).
156. E. insigne Hass.
= var. simplex Racib.
De nonnull. Desm. pag. 36, tab. XIII, fig.
Elbwiese (Hieron. u. Schrd.).
* var. montanum Racib.
De nonnull. Desm. pag. 36, tab. XIII, fig. 1.
Elbwiese (Hieron. u. Schrd.), Weisse Wiese (Schrd.).
Beide var. besonders auf der Elbwiese häufig und mitunter sehr schön rein.
*157, E. pinnatum Ralfs.
var. intermedium Racib.
De nonnull. Desm. pag. 37, tab. XI, fig. 4.
Mädelwiese an der Peterbaude (Schrd.).
158. E. Didelta Ralfs.
*= var. tatricum Racib.
De nonnull. Desm. pag. 36, tab. XII, fig. 3.
Elbwiese (Kirchn. Fl. u. Schrd.), Mädelwiese (Schrt.), im Grossen Teiche (Schrd.),
Weisse Wiese (Schrd.).
Micrasterias Ag.
159. M. Jenneri Ralfs.
Zellen 190 u lang und 110 u breit.
Mädelwiese (Schrt.) Selten.
1160 M. truncata Breb.
var. 96 u lang, 88 u breit, 19 w am Isthmus breit.
Zähne der Segmente letzter Ordnung sehr kurz und stumpf; Zellhaut fein
aber deutlich punktirt.
Mädelwiese an der Peterbaude, selten und nur 1 Exemplar beobachtet (Schrd.).
Staurastrum Meyen.
161. 8. muticum Breb.
Elbwiese (Kirchn. Fl.), Koppenplan (Schrt.), am Südabhange der Schnee-
koppe (Hansg. Prod.).
1162. 8. orbiculare Ralfs.
Elbwiese, Koppenplan (W.).
163. S. punctulatum Breb.
Häufig an verschiedenen Stellen des Hochgebirges. Fast überall finden sich
neben den typischen Formen Mittelformen zu St. Kjellmanni Wille, die
namentlich am Mittagsteine dem zuletzt genannten Staurastrum sehr nahe
stehen. (Man vergleiche auch N. Wille und K. Rosenvinge, Alger fra Novaja
Zemlia og Kara Havet in den Separaten pag. 8.)
Neue schlesische Baude, Elbwiese (Kirchn. Fl. u. W.), Kleine u, Grosse
Schneegrube, Kesselgrube (W.), Kleine Stermhaube (Schrt. u. Schrd.), Mädel-
wiese (Schrt.), Mittagstein (Schrt. u. Schrd.), im Grossen Teiche (Schrt.)»
Quelle oberhalb des Kleinen Teiches, Koppenplan (Schrt. u. W.).
96
#164.
*165.
*=166.
=.167.
+168.
169.
+170.
171.
172.
174.
112,
Jahresbericht der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur.
var. subrugulosum Racib.
De nonnull. Desm. pag. 30, tab. XII, fig. 13.
Im Grossen Teiche (Schrd.).
S. pygmaeum Breb.
Elbwiese (W.).
forma major Wille.
Ale. frän Nov. Sem]ja, tab. XIII, fig. 54. 55.
Mittagstein (Schrd.).
S. alternans Ralfs.
Quelle oberhalb des Kleinen Teiches (Schrd.).
S. Bieneanum Rabh.
var. ellipticum Wille.
Als. frän Nov. Semlja pas 50, tab. XI, fig. 49.
Elbwiese, Mädelwiese (Schrd.), am Kleinen Teiche (W.).
S. turgescens De Not.
var. sudeticum nov. var.
37 u lang, 29 w breit.
Mitteleinschnürung innen abgerundet, Scheitel wenig convex, Zellhaut
reiheweise und mehr punktirt als bei Schmidle, Algen des Schwarzwaldes
tab. V, fig. 28 angegeben, sonst in der Scheitelansicht der Form nach wie
bei der Abbild. von Schmidle.
Elbwiese (Schrd.).
S dilatatum Ehrb.
forma tetragona.
Elbwiese, Kesselgrube (W.), Mädelwiese bei der Peterbaude (Schrd.).
S muricatum Breb.
Elbwiese, (Kirchn. Fl. u. W.), Mädelwiese (Schrt.), im Grossen Teiche, am
Kleinen Teiche, Weisse Wiese bei der Wiesenbaude (Schrd.).
S. amoenum Hilse.
Elbwiese, Kleine Schneegrube, Kesselgrube (W.).
S. pileolatum Breb.
var. cristatum Lüttkemüller.
Desm. vom Attersee, pag. 30 (566), tab. X, fig. 16.
Elbwiese, Mädelwiese (Schrt.) [als $. pileolatum Breb.] (Schrd.).
Die von mir von beiden Standorten untersuchten Exemplare stimmen mit
der var. cristatum Lüttkemüllers nach Beschreibung, Maass und Abbildung
genau überein.
S. margaritaceum Menesh.
var. minor Heimer!.
Desm. alpinae pag. 20.
forma pentagona.
Elbwiese (Schrd. u. W.), Kesselgrube (W.).
forma tetragona et pentagona.
Mädelwiese bei der Peterbaude, Kleine Sturmhaube, im Grossen Teiche
(Schrd.), Weisse Wiese, Koppenplan (Schrt. u. Schrd.).
. 8. hirsutum Breb.
Elbwiese (Kirchn. Fl.), im Grossen Teiche, Mädelwiese zwischen Peter- und
Spindlerbaude (Schrd.).
S. echinatum Breb.
Elbwiese (Kirchn. Fl.), Mädelwiese (Schrt. u. Schrd.).
S. Simonii Hemierl.
II. Abtheilung. Zoologisch-botanische Section. 57
var. gracile Lüttkemüller.
Desm. vom Attersee pag. 27 (563), tab. IX, fig. 14,
Elbwiese (Schrd.).
*176. S. spinosum Ralfs.
Koppenplan (Schrd.).
7177. S. acuwleatum Menesh.
var. controversum Rabh.
Grosse Schneegrube (W.).
178. 8. polymorphum Breb.
Elbwiese (Schrd.), Mädelwiese (Schrt.), am Kleinen Teiche (Schrd.).
7179. 8. gracile Ralfs.
* var. nanum Wille.
forma tetragona.
Raciborski, De nonnull. Desm. pag. 33, tab. XI, fig. 6.
Weisse Wiese bei der Wiesenbaude (Schrd.).
*180. 8. basidentatum Borge.
var. simplex Borge.
Chlorophyc. Norska Finmarken pag. 8, fig. 6.
Elbwiese (Schrd.).
#181. S. megalonotum Nordst.
var. ?
Weisse Wiese bei der Wiesenbaude (Schrd.).
182. S. dejectum Breb.
var. sudeticum Kirchn.
Elbwiese (Kirchn. Fl.), im Grossen Teiche (Schrt.).
var. convergens Wille.
Koppenplan am Aupagrunde (Hansg. Prod.)
183. 8. furcatum Breb.
Koppenplan (Schrt.).
IV. Bacillariaceae.
Navicula Bory.
154. N. major Ehrb.
Neue Schlesische Baude (Kirchn. Fl.), Alte schlesische Baude (Schrt.), im
Grossen Teich (Schrd.).
185. N. gibba Ehrb.
Alte schlesische Baude, Elbwiese (Schrt.), im Grossen Teich (Kirchn. Fl.),
Mädelwiese an der Peterbaude (Schrt. u. Schrd.).
Die Exemplare von der Mädelwiese stimmen mit Schmidt, Atlas der
Diat. tab. 45, fig. 49 sehr gut üherein.
#186. N. acrosphaeria Rabenh.
W. Smith Brit. Diat. pag. 58, tab. XIX, fig. 183.
Elbwiese (Schrd.).
*187. N. macilenta (Ehrb.), Kg.
Schmidt, Atlas der Diat. tab. 43, fig. 9.
Mädelwiese (Schrd.).
188. N. lata Breb.
Neue schlesische Baude, einzeln (Schrd.); Teich in der grossen Schneegrube
häufig, Mädelwiese (Schrt.), Weisse Wiese, einzeln (Schrd.).
189. N. borealis (Ehrb.) Kg.
Wie die vorige in der Hochgebirgsregion ziemlich verbreitet und in ver-
schieden gestalteten Formen sich vorfindend, wie solche von Schuhm.,
98
190.
191.
+19.
133.
#194.
#195.
196,
197.
+198.
19%
Jahresbericht der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur.
Diat. der Tatra und von Lagerstedt, Diat. Spitzbergens, abgebildet werden.
Neue schlesische Baude (langgestreckte Formen), Elbwiese (Schrd.), Teich
der Grossen Schneegrube (Schrt.), Mittagstein, Mädelwiese, Sausteine,
Koppenplan (Schrd.).
N. viridis (Nitzsch.) Kg.
Auf dem ganzen Kamme überall verbreitet.
Elbwiese, Neue schlesische Baude, Alte schlesische Baude, Teich in der
Grossen Schneegrube, Mittagsteine (Schrt.), im Grossen Teiche (Kirchn. Fl.)
oberhalb des kleinen Teiches, Mädelwiese, Weisse Wiese, Koppenplan (Schrt.)
N. hemiptera auct. (non. Kg.) De Toni Syllog, Vol. 2. I. pag, 11.
Neue schlesische Baude (Kirchn. Fl.), Sausteine, Teich in der Grossen
Schneegrube (Schrd.), im Grossen Teiche (Kirchn. Fl.), Quelle oberhalb des
Kleinen Teiches (Schrd.).
M. mesolepta Ehrb.
var. stauroneiformis Grun.
W. Smith, Brit. Diat. pag. 57, tab. XIX, fig. 184.
Neue schlesische Baude, Mittagstein, im Grossen Teiche (Schrd.).
N. Brebissonii Kg.
Neue schlesische Baude (Kirchn. Fl.), Teich in der Grossen Schneegrube
(Schrt.), im Grossen Teiche (Kirchn. Fl.), Quelle oberhalb des Kleinen Teiches
(Schrt.), Koppenplan (Schrd.).
var. angusta Grun.
Im Grossen Teiche (Kirchn. Fl.).
N. angustata Sm.
Schuhmann, Diat. der Tatra pag.. 68, tab. II, fig. 40.
Die beobachteten Exemplare aus der Hochgebirgsresion des Riesen-
gebirges sind ebenso wie die von Schuhmann aus der Tatra angeführten
an den Seiten mehr abgerundet und nicht eckig, sondern noch runder als
bei Schmidt, Atlas der Diat. tab. 47, fig. 94.
Im Grossen Teiche, Mädelwiese zwischen Peter- u. Spindlerbaude, Weisse
Wiese (Schrd.).
N. gracillima Pritch.
var. subcapitata Schuhm.
Diat. der Tatra pag. 70, tab. IV, fig. 49h.
Im Grossen Teiche.
N. eryptocephala Ke.
Im Grossen Teiche (Kirchn. FI.). =
Dürfte vielleicht von diesem Standorte mit der N. angustata Sm. nach
der Schuhmann’schen Abbildung identisch sein, da ich nur letztere Species
aus dem Grossen Teiche sah.
N. dicephala Kg.
Neue schlesische Baude (Kirchn. Fl.), im Grossen Teiche, Quelle oberhalb
des Kleinen Teiches (Schrd.).
N. elliptica Kg.
Elbwiese. Selten. (Schrd.).
Hierher gehört ‚auch Schuhmann’s N. Coccus, Diat. d. Tatra tab. III,
fig. 45, der die von mir gefundene N. elliptica vollständig gleicht. (Siehe
auch Gutw., Prod. flor. alg. Galic. pag. 5.)
N. affinis Ehrb.
ou genwina Grun.
Neue oder ungenügend gek. Algen. Nav. Tab. 3 (V), fig. 2.
Neue schlesische Baude, im Grossen Teiche (Schrd.).
II. Abtheilung. Zoologisch-botanische Section. 59
7200. N. limosa Ag.
+201.
202.
203,
204.
205.
206.
+207.
+208.
var. inflata Grun.
Neue oder ungenügend gek. Algen. Nav. Tab. 3 (V), fig. Sc.
Elbquellen (Schrd.).
var. truncata Grun.
Neue oder ungenügend gek. Algen. Nav. Tab. 3 (V), fig. Se et fig. 9.
Mädelwiese zwischen Peter- und Spindlerbaude, Mittagsteine, im Grossen
Teiche, Weisse Wiese (Schrd.).
Es scheint mir, als ob diese Alge von Schroeter als N. Bacillum Ehrb.
bestimmt worden ist, die mir jedoch aus dem Riesengebirge als zweifelhaft
bekannt wurde. An der obigen Grunvw’schen Var. von N. limosa Ag. waren
die Querstreifen, mit OQelimmersion betrachtet, nicht convergirend und auch
stets deutlich sichtbar.
N. trinodis Sm.
Grun., Neue oder ungenügend gekannte Alg. Nav. Tab. 2 (IV), fig. 8a, b, c.
Im Grossen Teiche. Selten. (Schrd.). A
Stauroneis Ehrb.
S. Phoenicenteron Ehrh.
Mädelwiese zwischen Peter- und Spindlerbaude, im Grossen Teiche (Schrd.).
var. lanceolata Ke.
Elbwiese, im Grossen Teiche (Schrd.).
S. anceps Ehrb.
Neue schlesische Baude, Mädelwiese, Mittagsteine, am Grossen Teiche
(Schrt.), Weisse Wiese (Schrd.).
Frustulia Ag.
F. rhomboides (Ehrb.) De Toni.
var. saxonica (Rabh.) Gutw.
Prodrom. Algenflora von Galicien p. 115.
Ueber den Kamm sehr verbreitet und häufig.
Elbwiese, Mädelwiese (Schrt.), im Grossen Teiche (Kirchn. Fl.), Quelle ober-
halb des Kleinen Teiches, Weisse Wiese (Schrt.).
Cymbella Ag.
CO. naviculaeformis Auersw.
An der Alten schlesischen Baude (Schrt.).
C. maculata Ke.
Koppenplan (Schrt.).
Encyonema Ke.
E. ventricosum Grun. 5
Mädelwiese zwischen Peter- und Spindlerbaude, spärlich (Schrd.).
E. gracile Rabh.
Schmidt, Atlas der Diat., tab. 10, fig. 36—40.
Enden etwas vorgezogen.
Neue schlesische Baude, Mädelwiese an der Peterbaude, Mittagsteine, im
Grossen Teiche (Schrd.)
Am zuletzt genannten Standorte sah ich eine Form, deren Gürtelseite
linealisch mit gradlinigen, nicht gewölbten Seiten versehen war.
Schroeter hat mit dieser Species Cymbella parva (Sm.) Kirchn. ver-
wechselt, die dem oberen Theile des Riesengebirges bisher fehlt,
60
Jahresbericht der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur.
* 209.
215.
+216.
#217.
218.
219.
290.
+221.
+222.
2923.
224.
#295.
Cocconeis Ehrb.
©. borealis Ehrb.
Diat. der Tatra, pag. 61, tab. II, fig. 21.
Im Grossen Teiche, Quelle oberhalb des Kleinen Teiches (Schrd.).
Gomphonema Ag.
. @. eristatum Ralfs.
Im Grossen Teiche (Kirchn. Fl.).
G. olivaceum Ehrb.
W. Smith, Brit. Diat. pag. 80, tab. XXIX, fig. 244.
Mittagsteine (Schrd.).
. @. dichotomum Ke.
W. Smith, Brit. Diat. pag. 79, tab. XXVIII, fig. 240.
Elbwiese, Mittagsteine, im Grossen Teiche (Schrd.).
. @. intricatum Ke.
W. Smith, Brit. Diat. pag. 80, tab. XXIX, fig. 241.
Neue schlesische Baude (Kirchn. Fl.), Alte schlesische Bande (Schrt.), Elb-
wiese (Schrd.).
G. tenellum Sm.
W. Smith, Brit. Diat., pag. 80, tab. XXXMX, fig. 243.
Neue schlesische Baude, Alte schlesische Baude, Mittagsteine (Schrd.).
Achnanthidium Kg. em. Heib.
A. lanceolatum (Breb.) Heib.
Neue schlesische Baude (Kirchn. Fl.).
A. exile (Kg.) Heib.
W. Smith, Brit. Diat. pag. 29, tab. XXXVII, fig. 303.
Alte schlesische Baude (Schrd.).
4A. ellipticum Schuhm.
Diat. der Tatra pag. 63, tab. II, fig. 97.
Alte schlesische Baude, Mittagsteine, im Grossen Teiche (Schrd.).
Nitzschia Hass.
N. amphioxys Kg.
Neue schlesische Baude (Schrd.), an der Alten schlesischen Baude (Schrt.).
N. sigmoidea Sm. 5
Im Grossen Teiche (Schrt.).
N. vermicularis Hantsch.
Mädelwiese (Schrt.).
N. thermalis (Ehrb.) Auersw.
Mittagsteine (Schrd.).
N. Palaea Grun.
Oesterr. Diat. II. Folge. Nitzschiaceae pag. 579, tab. XVII, fig. 3.
Im Grossen Teiche (Schrd.).
Suriraya (Turp.).
S. splendida Kg.
Mädelwiese (Schrt.), im Grossen Teiche (Kirchn. F].).
S. pinnata Sm.
Im Grossen Teiche (Schrt.).
8. linearis Sm.
Schmidt, Atlas der Diat. tab. 23, fig. 33.
Elbwiese, Alte schlesische Baude, im Grossen Teiche, Mädelwiese (Schrd.).
Kin. -,
II. Abtheilung. Zoologisch-botanische Section. 61
Es fanden sich an allen Standorten sowohl die typische Form als auch
darunter einzeln die var. constrica Sm., welche Schmidt 1. ce. Fig. 28
abbildet.
Diatoma DC. em Heib.
226. D. hiemale Heib.
var. mesodon (Ehrb.) Grun.
An der Neuen schlesischen Baude (Kirchn. Fl.), oberhalb der Alten schle-
sischen Baude (Schrt.), am Kleinen Teiche (Kirchn. F].).
1227. D. anceps Kirchn.
a. genuinum Grun. und
b. curtum Grun.
Elbwiese (Schrd.).
Meridion Ag.
928. M. constrictum Ralfs.
Neue schlesische Baude (Kirchn. Fl.), Alte schlesische Baude (Schrt.), Mädel-
wiese, Mittagsteine (Schrd.). Immer nur sehr vereinzelt, mit Ausnahme des
Standortes an der Alten schlesischen Baude. ;
Fragilaria Lyneb.
229. F. construens Grun.
Am Grossen Teiche, Koppenplan (Schrt.).
var. binodis Grun.
Oesterr. Diat., I. Folge, pag. 371.
Weisse Wiese (Schrd.).
Ich bemerkte auch Formen, die, wie Grun I. e. pag. 371 angiebt, nur
eine Seite der Schalenansicht eingebogen ist.
7230. F. capucina Desm.
var. acuta (Ehrb.) Kirchn.
Mädelwiese, Weisse Wiese (Schrd.).
231. F. virescens Ralfs.
Durch das ganze Gebiet verbreitet und sehr gemein.
Neue schlesische Baude (Kirchn. Fl.), Alte schlesische Baude, Teich der
Grossen Schneegrube (Schrt.), im Grossen und im Kleinen Teiche (Schrd.),
Elbwiese (Kirchn. Fl.), Pantschefall (Schrd.), Mittagsteine (Schrt.), Weisse
Wiese (Kirchn. Fl.), Koppenplan (Schrd.).
Synedra Ehrb.
1232. S. radians Kg.
Im Grossen Teiche (Schrd.).
Ceratoneis Ehrb.
1233. C. Arcus Ke.
Elbquellen (Schrt.).
= var. amphioxys (Rabh.) De Toni.
An der Alten schlesischen Baude, Sausteine (Schrd.).
Die Gattung Ceratoneis stelle ich im System zwischen Synedra und
Tabellaria aus folgenden Gründen: Ceratoneis trägt eine Pseudoraphe wie
die eben erwähnten Genera; eine echte Raphe, sowie echte End- und
Centralknoten fehlen, weshalb Ceratoneis nicht nach Grunow u. Kirchn. Fl.
pag. 215 „einen Uebergang zu den Cymbelleen“ bildet, welche die genannten
Kennzeichen besitzen. Ferner fand ich in Proben aus Tirol und zwar aus
der Nähe der Schaubachhütte am Ebenwandferner im Ortlergebiete, in
welchem Ceratoneis Arcus Kg. fast ausschliesslich vorkam, 4 bis 8 Individuen
zu kurzen Bändern vereinigt, die mit ihren ganzen Seitenflächen aneinander
62
234.
tO
co
OL
Jahresbericht der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur.
hinsen. Auch bemerkte ich an Exemplaren aus der Oder bei Breslau, dass
Ceratoneis Arcus Kg. mit kurzen Gallertpolstern irgend einem Substrat auf-
sitzen kann, wie dies ja für Synedra und Tabellaria bekannt ist, denen
also Ceratoneis in dieser und der vorerwähnten Hinsicht phylogenetisch
näher steht, als den Cymbelleen.
Tabellaria Ehrb.
T. floceulosa Ke.
In der oberen Region des Riesengebirges sehr verbreitet und zwar nur in
der var. ventricosa (Kg.) Grun.
Neue schlesische Baude (Schrt.), Elbwiese (Kirchn. Fl.), Pantschefall (Schrd.),
Mädelwiese, Mittagsteine (Schrt.), im Grossen Teiche zahlreich, im Kleinen
Teiche (Kirchn. Fl.), Weisse Wiese, Koppenplan (Schrd.).
T. fenestrata Kg.
Elbwiese (Kirchn. Fl.).
238.
+239.
+240.
241.
242,
. E. Zebra (Ehrb.) Kunze.
Pseudo-Eunotia Grun.
. P. lunaris (Ehrb.) Grun.
Sausteine, Mittagsteine, im Grossen Teiche (Schrd.).
Cystopleura Breb.
Mittagsteine, selten (Schrd.).
Eunotia Ehrb.
E. Arcus (Ehrb.) Rabh.
a. genuina Grun.
Alte schlesische Baude, Teich der Grossen Schneegrube (Schrt.), Mittag-
steine, Quelle oberhalb des Kleinen Teiches (Schrd.), Weisse Wiese, Koppen-
plan (Schrt.).
var. curtuwm Grun.
Oesterr. Diat., I. Folge, pag. 339, tab. 6 (IID), fig. 16.
Neue schlesische Baude, Teich der Grossen Schneegrube, Elbwiese, Mittag-
steine, im Grossen Teiche, Weisse Wiese (Schrd.).
E. gracilis (Ehrb.) Rabh.
Mädelwiese zwischen Peter- und Spindlerbaude (Schrd.).
E. paludosa Grun.
Oesterr. Diat., I. Folge, pag. 336, tab. 6 (II), fig. 10.
Im Grossen Teiche, Quelle oberhalb des Kleinen Teiches, Mädelwiese an
der Peterbaude (Schrd.).
E. exiguwa Rabh.
Auf dem Kamme sehr verbreitet und häufig.
Neue schlesische Baude, Elbwiese, Kleine Sturmhaube, Mädelwiese (Schrd.),
Mittagsteine, Sausteine, im Grossen und im Kleinen Teiche, Quelle oberhalb
des Kleinen Teiches, Weisse Wiese (Schrd.), Koppenplan (Schrt.).
E. pectinalis Dillw.
Ebenfalls sehr häufig.
Neue schlesische Baude (Kirchn. Fl.), Elbwiese (Schrt.), Kleine Sturmhaube
(Schrd.), Mittagsteine (Schrt.), im Grossen und im Kleinen Teiche (Kirchn.
F1.), Weisse Wiese (Schrd.), Koppenplan (Schrt.).
var. minor (Kg.) Grun.
Im Pantschefall (Schrd.), im Grossen Teiche (Kirchn. F].), im Kleinen Teiche,
Quelle oberhalb des Kleinen Teiches, Mädelwiese bei der Peterbaude,
Weisse Wiese (Schrd.).
Il. Abtheilung. Zoologisch-botanische Section. 63
243. E. Soleirolii (Kg) Rabh.
Mädelwiese (Schrd.), Ränder des Grossen und des Kleinen Teiches (Kirchn.
Fl.), Koppenplan (Schrd.).
944. E. diodon Ehrb.
Elbwiese (Schrd.), Teich der Grossen Schneegrube (Schrt.), im Abflusse aus
den Grossen Teiche unterhalb des Kleinen Teiches (Schrd.). Ueberall
nicht häufig.
#245. E. bidentula Sm.
Grunow, Oesterr. Diat., I. Folge, pag. 333.
Im Grossen Teiche, Quelle oberhalb des Kleinen Teiches (Schrd.).
7246. E. tridentula Sm.
Pantschefall zwischen Moos nicht selten (Schrd.).
#947. E. quaternaria Kg.
Kützing, Bacillariaceen pag. 38, tab. 99, fig. 59.
Mittagsteine, ziemlich zahlreich im Grossen Teiche, Mädelwiese an der
Peterbaude, selten (Schrd.).
248. E. tetraodon Ehrb.
An der Peterbaude zwischen Jungermannien, am Grossen Teiche (Schrt.).
Melosira Ag. em. Heib.
949. M. distans Kg.
Neue schlesische Baude, in der Grossen Schneegrube, im Grossen Teiche
(Kirchn. Fl.), Mädelwiese, Quelle oberhalb des Kleinen Teiches (Schrt.).
var. nivalis (Sm.) Kirchn.
Im Grossen Teiche (Kirchn. Fl.), im Kleinen Teiche, Koppenplan (Schrd.).
350. M. tenwis Kg.
Mädelwiese, im Grossen Teiche, Quelle oberhalb des Kleinen Teiches, Weisse
Wiese, Koppenplan (Schrt.).
Cyclotella Kg.
251. CO. dubia Hilse.
Neue schlesische Baude (Kirchn. Fl.)
V. Phycochromaoeae.
A. Hormogoneae.
1. Heterocysteae.
Scytonemaceae.
Stigonema Ag.
252. S. informe Kg.
Am Aupafalle, am Südabhange der Schneekoppe, im Aupagrunde (Hansg.
Prod.) Die Kirchner’sche Stigonema mamillosum Ag. ist nach Born. et Flah.
(Revis. Nostoch. pag. 77) S. informe Kg.
253. 8. turfaceum Cooke.
Elbfall, Kleine Schneegrube (W.), Aupafall, Zähgrund (Hansg. Prod.), Aupa-
grund (Kirchn. Fl.).
254. 8. minutum Hass.
Elbfall (W.), Südabhang der Schneekoppe (Hansg. Prod.).
255. 8. ocellatum (Dillw.) Thur.
Im Gebiete häufig und verbreitet.
Am Pantschefall, am Elbfall (Hansg. Prod.), Elbwiese (Schrt.), Kleine Schnee-
grube (W.), Mädelwiese (Schrt.), Weisse Wiese, Südabhang der Schneekoppe
(Hansg. Prod.), Aupagrund (Kirchn. Fl.).
Jahresbericht der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur.
var. Braunii (Ke.) Hieron. Hedwigia 1895, pag. 159.
Zwischen Moos in der Nähe der Wiesenbaude (Hieron.).
Kleine Schneegrube, am Kleinen Teiche, Kesselgrube (W.), Melzergrund
Hapalosiphon Näsg.
Sümpfe bei der Wiesenbaude (Hansg. Prod.), Kesselgrube (W.).
Scytonema Ag.
Elbfall (Hansg. Prod.), Kleine Schneegrube (W.), Aupafall, Aupagrund, Süd-
abhang der Schneekoppe (Hansg. Prod.).
Scytonema turfosum Kg. von Kirchner vom Aupagrunde und von Schroeter
von der Mädelwiese angeführt ist nach Hansgirg zweifelhaft.
Tolypothrix Kg.
Elbfall (Kirchn. Fl.), Mädelwiese (Schrt.).
Rivulariaceae.
Calothrix Ag.
Oberer Teil des Aupagrundes (Kirchn. Fl.), Aupafall (Hansg. Prod.).
Microchaete Thur.
Mädelwiese an der Peterbaude (Schrd.), Koppenplan (Schrt.).
Nostoceae.
Nostoe Vauch.
Teufelgärtchen. Originale v. Flotow leg. (Kirchn. F].).
Mädelwiese (Schrt.), Weisse Wiese, Koppenplan (Schrd.).
Anabaena (Bory) Wittr.
Koppenplan gegen den Brunnenberg hin (Schrd.).
9. Homocysteae.
Microcoleus Desmaz.
Elbfall, Mädelwiese bei der Peterbaude (Hansg. Prod.).
Lyngbya (Ag.) Thur.
64
256. S. hormoides (Kg.) Hanse.
(Kirchn. Fl.).
257. H. pumilus Kirchn.
#258. $8. Myochroum As.
Kesselgrube (W.).
259. 8. figuratum Ag.
*260. S. ocellatum Lyngbh.
Kleine Schneegrube (W.).
261. T. Zanata (Desv.) Wartm.
var. aegagropila (Corda) Hansg.
262. C. Orsiniana (Kg.) Thur.
var. intertexta (Grun.) Hansg.
Aupagrund (Kirchn. Fl.).
263. M. tenera Thur.
964. N. muscorum Ag.
265. N. sphaericum Vauch.
#966. A. catenula (Kg.) Born. et Flah.
267. M. monticula (Kg.) Hansg.
Aupafall (Hansg. Prod.).
268. M. heterotrichus (Kg.) Wolle.
269. L. lateritia (Kg.) Kirchn.
Melzergrund (Kirchn. Fl.).
7270. L. sudetica (Nave) Kirchn.
Aupafall, Südabhang der Schneekoppe (Hansg. Prod.).
IT. Abtheilung. Zoologisch-botanische Section. 65
971. L. Boryana (Kg.) Kirchn.
Elbfall, Mädelwiese bei der Peterbaude (Hansg. Prod.).
272, L. fusca (Kg.) Hanse.
Teich in der Grossen Schneegrube (Schrt.).
273. L. tenuis (Ag.) Hanse.
Mädelwiese (Schrt.).
97%. L. Schroeteri Hansg.
Prod. Theil II, pag. 117.
Mädelwiese (Schrt.).
B. Coccogoneae.
Chamaesiphoniaceae,
Chamaesiphon A. Br.
17275. (©. incrustans Grun.
Alte schlesische Baude (Schrd.), Wiesenbaude (Hansg. Prod.).
#276. O. gracilis A. Br.
Elbquellen (Schrd.).
Chroococcaceae.
Aphanothece Näg.
277. A. pallida Rabh.
Am Kleinen Teiche (W.), Aupagrund (Kirchn. Fl.)
1278. A. microscopica Näg.
Grosse Schneegrube, am Kleinen Teiche (W.).
Synechococcus Näg.
979. $. major Schröter.
Mädelwiese (Schrt.).
Glaucocystis Itzigs.
280. G. nostochinearum Itzigs.
Mädelwiese (Schrt.).
Merismopedium Meyen.
7281. M. glaucum (Ehrb.) Näg.
Elbwiese, Mädelwiese, Koppenplan (Schrd.).
Coelosphaerium Näg.
1282. 0. Kützingianum Näg.
Mädelwiese (Schrd.).
Gloeocapsa (Kg.) Näg.
283. G. purpurea Kg.
Am Kleinen Teiche (Rabh. Fl. europ. alg. II, pag. 45.).
2834. G. Magma Kae. “
Elbfall (Hansg.), am Kleinen Teiche (Kirchn. Fl.), am Südabhange der
Schneekoppe, Aupafall, Aupagrund (Hansg. Prod.).
285. G@. sanguinea (Ag.) Kg.
Elbfall, Aupagrund (Hansg. Prod.).
1286. F. fuscolutea Kirchn.
Aupafall (Hansg. Prod.).
#987. G. glomerata Kg.
Kleine Schneegrube, am Kleinen Teiche (W.).
988. G. Shuttleworthiana Kg.
Felsen im Riesengebirge (Kirchn. Fl.).
189. 5
66: Jahresbericht der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur.
Aphanocapsa Näg.
989. A. rufescens Hansg.
Prod. Teil II, pag. 157.
Wiesenbaude (Hansg.).
7290. A. Castagnei Rabh.
Am Kleinen Teiche (W.).
Chroococcus Näg.
*391. CO. rufescens Näg.
Grosse Schneegrube (W.).
9993. C. turgidus Näg.
Elbwiese (Kirchn. Fl.), am Kleinen Teich (W.), Mädelwiese (Schrd.), Weisse
Wiese, Koppenplan (Schrt.).
var. chalybaeus Rabenh.
Weisse Wiese (Hieron.).
293. CO. macrococcus Rabh.
Mädelwiese (Schrt.), Aupafall, Aupagrund, Südabhang der Schneekoppe
(Hansg. Prod.), Koppenplan (Schrt.).
7. Sitzung vom 21. November 1895.
Herr Reinecke sprach über:
Samoa.
Das Sammeln und Conserviren von Pflanzen auf den Samoa-Inseln
ist abgesehen von dem Mangel gewohnter Bequemlichkeits-Einrichtungen,
geeigneter, trockener Räume und anderer Hilfsmittel in Allem verschieden
von den Verhältnissen, in denen man sich zu Hause damit vertraut
macht und einarbeitet. Vor Allem ist es ungleich schwieriger und oft
von grossen, unvermeidlichen Misserfolgen begleitet.
Schon das Sammeln der Pflanzen und Pflanzentheile erfordert die
Anwendung eigenartiger Methoden.
Ein sofortiges Aufbewahren und Einlegen des für das Herbar aus-
erkorenen Materials in Papierblätter, mit schnellem Pressen verbunden,
lässt sich nicht durchführen, da einerseits die Luft im Busch der Berge und
Flussthäler an und für sich stets stark mit Wasserdämpfen geschwängert
ist, andererseits aber unerwartete und oft anhaltende Regenschauer selbst
gut verpacktes Trockenpapier sehr bald feucht, weich und völlig un-
brauchbar machen. Botanisirbüchsen wiederum haben den Nachtheil,
dass beim Durchschreiten freier, sonniger Gebiete das Nalanız an
sehr schnell schrumpfen und vertrocknen würde.
Deshalb sah ich mich nach den ersten Misserfolgen veranlasst, mich
dem Beispiel der Eingeborenen nicht nur in Bezug auf mein Gepäck
und den Proviant, sondern auch auf den Transport der Pflanzen anzu-
. schliessen, d. h. dieselben sofort in luftige Körbe, aus Cocosblatthälften
geflochten, einzulegen und zu verpacken.
Diese Körbe werden von den Samoanern in wenigen Minuten da-
durch hergestellt, dass ein Cocoswedel von der Spitze aus längs der
a:
II. Abtheilung. Zoologisch-botanische Section. 67
Mittelrippe auf 1'/, bis 2 m Länge gespalten wird, die beiden Enden
einer abgetrennten Mittelrippenhälfte mit einander verbunden, die Fiedern
abwechselnd kreuzweis geflochten und dann mit ihren correspondirenden
Enden unten, also am Boden des Korbes, verknüpft werden. Proben
soleher Körbe, die sich ebenso durch Leichtigkeit und Kostenlosigkeit,
wie durch Haltbarkeit auszeichnen, befinden sich im Museum des König].
Botanischen Gartens hierselbst. Die Eingeborenen Samoas tragen sie
meist zu zweien an den beiden Enden eines Tragstockes über der
Schulter. Wenn man solch einem Korbe die Function einer Botanisir-
trommel übertragen will, so legt man ihn zunächst mit Bananenblättern
aus, so dass dadurch ein Schutz sowohl gegen Entziehung als gegen das
Eindringen von Feuchtigkeit von aussen geboten wird. Dann legt man
die des Mitnehmens für würdig befundenen Pflanzen, Proben oder Blüthen,
möglichst glatt hinein, nachdem man dieselben, wenn im Interesse der
Isolirung erforderlich, zusammengebunden und mit einem Zettel, event.
erwünschte Notizen enthaltend, versehen hat. Besonders zarte oder kleine
Pflänzchen, wie Kryptogamen, Farne oder zarte Blüthen, hüllt man in die
Theile einer Bananenspreitenhälfte und umwickelt sie mit der Faser der
Blattrippe. So lest man dann ein Exemplar über das andere und be-
sinnt, wenn der Korb etwa zur Hälfte angefüllt, so dass ein Zerquetschen
der Theile nieht mehr zu befürchten ist, allmählich durch Druck von
oben das Volumen zu beschränken. Man kann auf diese Weise, ohne
dem Material irgend welchen Schaden zuzufügen, eine ganz erhebliche
Menge von frischen Pflanzen in einem Korbe unterbringen und ihm,
wenn er gefüllt ist, einen zweiten folgen lassen. Es empfiehlt sich, je
nach Bedarf, zeitweise ein Bananenblatt als Zwischenlage einzuschalten.
— Ich muss bemerken, dass es hierzu an Material nur selten im Innern
Samoas fehlt, denn 2 Musa-Arten sind endemisch und .ausserordentlich
verbreitet. Bei längeren mehrtägigen Excursionen, für welche man
gut thut, mehrere Samoaner als Träger zu engagiren, um nicht schliess-
lich zu vorzeitiger Rückkehr genöthist zu werden, kann man sehr
angenehm die leerwerdenden Proviantkörbe zu Botanisirtrommeln avaneiren
lassen. Hat man, nachdem schon Material in den Körben eingelegt ist,
sonniges oder auch nur lufttrockenes Gebiet zu passiren, so thut man
gut, zwischen die Pflanzen Packete von nassem Moos zu bringen, um
dadurch das Austrocknen derselben zu verhindern oder mindestens lange
hinzuhalten. Derartig aufbewahrtes Herbarmaterial hält sich meist 3 bis
4 Tage unverändert und frisch. Nur die dickfleischigen Blüthen büssen
sehr häufig Farbe und Form ein.
Es ist aber jedenfalls sehr ratısam, wenn man am Ausgangs-
punkte wieder eingetroffen ist, die endgültigen Conservirungsarbeiten
möglichst bald vorzunehmen; denn sie beanspruchen noch eine recht er-
hebliche Zeit, Nach mehrtägigen Touren, von denen ich meist erst
5*
68 Jahresbericht der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur.
gegen Abend, mit‘ Vorliebe nach einer Mondscheinwanderung längs der
Küste eintraf, verschob ich allerdings diese neue Arbeit bis auf den
nächsten Tag. Man fühlt immerhin nach mehreren in den Bergen
zugebrachten Nächten und ununterbrochenem Marschiren, oft im strö-
menden Regen und in durchnässten Kleidern, ein Bedürfniss nach
einem erfrischenden Bade, neuer Kleidung und innerer Stärkung; denn
der Wünsche des eigenen Magens kann man aus Rücksicht auf die be-
schränkten Tragleistungen der Begleiter und die bedeutenden Ansprüche
eines Samoaner-Magens bei der Ausrüstung nicht mit besonderer Liebe
gedenken.
Am nächsten Morgen beginnt dann das Einlegen der grünen Pflanzen-
stösse in Trockenpapier. Von solehem hatte ieh mir 50 kg von San
Franeisco mitgebracht und bald noch weitere 75 kg von Neu-Seeland
kommen lassen.
Mit Beiseitelegen der besonders fleischigen Pflanzen thut man gut,
den Inhali der Körbe der Reihe nach auf das Papier zu übertragen,
Bei entsprechender Aufhäufung des Papiers mit den eingelesten Pflanzen
benutzte ich Bretter mit Lavablöcken oder Schrotsäcken darauf als sehr
geeignete Pressen. Die dickfleischigen Exemplare erfordern, bevor sie
eingelegt werden, noch besondere Behandlung. Vielfach ist ein Aus-
trocknen derselben nicht möglich, ohne vorher die Gewebe durch Treten
oder Klopfen etwas zerstört oder auseinandergerissen zu haben. Das
Trocknen selbst ist überbaupt noch mit den weitaus grössten Schwierig-
keiten verbunden.
Schon an und für sich ist in regenarmen Zeiten, die auf Samoa
nur ausnahmsweise mehrere Wochen lang anhalten, die dadurch ein-
tretende Trockenheit nur eine bedingte. Die Luft ist in Folge der
insularen Verhältnisse und des vom März bis October sehr: gleichmässig
wehenden SO-Passates stets mehr oder weniger durch Feuchtigkeit ge-
sättigt, und nur unter dem directen Einfluss der Sonne entsteht tags-
über Trockenheit. |
So trocknete ich denn auch meine Pflanzen, indem ich sie nach
24stündigem Aufenthalt in den erwähnten Pressen in braunes Packpapier,
das ich von der Deutschen Handels- und Plantagen -Gesellschaft kaufen
konnte, umlegte und dann unter geringem Druck luftiger Korallen der
Sonne preisgab. — Die dadurch entstehenden Lagenveränderungen und
leichten Schrumpfungen der verschiedenen Theile, speciell der zarteren
Blätter, ordnen sich Nachts wieder, indem das gesammte Material unter
geringem Druck und wieder glättendem Einfluss der nächtlichen Feuchtig-
‚keit auf regensicherer Veranda die ihm durch das 24stündige Pressen
bereits aufgezwungene Lage wieder einnimmt. Bei manchen Pflanzen
genügt dann am nächsten Tage eine nochmalige Sonneneinwirkung, um sie
herbartrocken zu machen. Viele Vertreter der Samoa- resp. der feuchten
II. Abtheilung. Zoologisch-botanische Section. 69
Tropenvegetation überhaupt, besonders Piperaceen, Orchidaceen, Rubiaceen,
Myrtaceen, und alle typischen Blattgewächse widerstehen mit unglaub-
licher Zähigkeit der wasserentziehenden Kraft oder trocknen überhaupt
auf Samoa nie völlig aus. Da ist vor Allem eine Hoja, an der die
Samoaner schon diese Eigenschaft in dem ihr beigelegten Namen aus-
drücken. Sie nennen sie „fue se le la‘ d. h. „Winde, die der Sonne
rotzt“, Diese prächtig duftende Aselepiadee mit grossen, schneeweissen
Blüthen und violettrothen Pollinien habe ich nur unter den Heizrohren
der Kopradarren wirklich trocken bekommen, und auch dort erst nach
stägigem Liegen. Die Zellmembranen und der Schleim der Blätter
müssen eine ganz eigenartige die Verdunstung hindernde Kraft besitzen.
Im Allgemeinen, und wenn ohne Störung durchführbar, habe ich
das Sonnentrocken-Verfahren sehr vortheilhaft für die Erhaltung der
Farben gefunden. Es hat nur den Nachtheil, dass es ununterbrochene
Aufsicht erfordert, da in diekeren Lagen durch die rapide Wasser-
entziehung die Pflanzen ebenso leicht völlig schwarz und entstellt werden,
wie die obenaufliegenden Bogen durch einen plötzlichen Windstoss leicht
sehr geschädigt und alle darin befindlichen bereits trockenen Theile zer-
bröckelt werden können. Dafür ist aber auch die Gefahr des bei dem
üblichen Trocknen und Umlegen in Papier unvermeidlichen Schimmelns
ausgeschlossen und eine erhebliche Abkürzung der Trockenzeit damit .
verbunden.
Selbst bei trockenem Wetter ist es rathsam, alle trockenen Pflanzen
sofort zu verpacken, da die feuchte Nachtluft in alle Räume der Holz-
häuser eindrinst. Nur nach anhaltend regenfreien Perioden sind auch
die Nächte auf Samoa. leidlich trocken. Dazu ist erste Bedingung, dass
die oberen Bergregionen, die meist sumpfig sind, und in Kraterkesseln
verschiedentlich stehendes Wasser bergen, bereits ausgetrocknet sind.
In anderen Fällen speist die nach Sonnenuntergang mit beginnender
Wärmeausstrahlung von den Bergen zur Küste herabwehende Landbrise
die Atmosphäre mit Wasserdämpfen; denn die verschiedene Wärme-
capacität des Wassers und der Erdoberfläche bedingt eine stetige Aus-
gleichsbestrebung, die als Luftströmung wahrnehmbar wird.
Einige Kilometer von der Küste entfernt, landeinwärts und höher,
ist die Luft wesentlich trockener, besonders da, wo ein Buschstreifen
die Feuchtigkeit der Nachtbrise abhält.
Diese Nachtbrise ist an der Küste nach heissen Tagen besonders
erquiekend, wenn auch von Vielen ihre directe Einwirkung auf den
Körper gefürchtet wird, da ihr die Erzeugung einer malariaartigen Fieber-
erkrankung, bisher „Samoafieber‘ genannt, zugeschrieben wird. Wohl
mit Unrecht der Brise; denn da fast überall da, wo nicht Steilküste
dem andringenden Meere Einhalt gebietet, das Küstengebiet oft Kilo-
meter weit in das Innere von Mangrove- oder Brackwassersümpfen durch-
20, Jahresbericht der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur.
zogen ist, scheint wohl diesem Umstand weit eher eine Urheberschaft
an dem Uebel zuzuschreiben zu sein.
Gegen Ende October tritt gewöhnlich der Wechsel in den
meteorologischen Erscheinungen ein: die trockene Jahreszeit neigt sich
dem Ende entgegen. Die Sonne hat den Aequator passirt und strebt,
den Parallelkreis Samoas überschreitend, ihrer südlichen Culmination
entgegen. Der Südliche Sommer beginnt. Der Passat flaut allmählich
ab, an seine Stelle treten Windstille oder Luftströmungen aus den ver-
schiedensten Richtungen, elektrische Ausgleichserscheinungen, Horizont-
blitze und auch Gewitterschauer werden häufiger, allmählich macht sich
die Regenzeit bemerkbar.
Im Innern . der Inseln, wo sonst oft Wassermangel zu den unan-
genehmen Factoren auf Excursionen gehörte, ändert sich das Bild er-
heblich und man denkt mit Sehnsucht an Zeiten zurück, in denen man
die den Wassermangel bedingende Trockenheit verwünschte. Das
Schlimmste dabei ist, dass dem vorher beklagten Uebel trotz neuer
Beschwerden nur sehr unvollständig abgeholfen ist; denn meist saugt
selbst in der Regenzeit der Boden gierig und schnell die herabstürzenden
Wassermassen auf und gestattet ihnen nur ungern, in Erdrisse oder
flussartige Einsenkungen und Schluchten zu entschlüpfen und zum Vater
Ocean auf offenen Pfaden hinabzueilen oder sich in Schlackengängen
einen versteckten Weg dorthin zu suchen. Auch dann ist dieses Wasser
selten zum Trinken einladend und meist empfiehlt es sich weit mehr,
das an den vom Blätterdache herabhängenden Lianen herabfliessende
Wasser aufzufangen, als von dem lehmigen, durch verweste Pflanzen-
reste getrübten Erdwasser zu trinken. Der Regen spült auch die kleinen
eirca 1 cm langen Blutegel herab, welche im Blätterdach der Laubbäume
in grossen Mengen leben und dem Menschen dadurch besonders lästig
werden, dass sie mit besonderer Vorliebe in Mund und Augen kriechen,
um sich dort festzusaugen. Sie sind wegen ihrer geringen Grösse und
schlüpfrigen Haut schwer abzuwehren. Auch in trockenen Zeiten schützt
eine Liane (Mucuna), von den Eingeborenen fuevai d. h. Wasserwinde
genannt, den seines Trinkvorrathes baren Wanderer in verschiedenen
Theilen des Urwaldes vor dem Verdursten. Doch nur einzelne Samoaner
nehmen gern ihre Zuflucht zu diesen pflanzlichen Wasserreservoiren, die
in ihrem Stengeltheil enorme Mengen von wässrigem Saft enthalten und
ihn auch willig aus einem abgeschlagenen Stück abgeben.
Ich habe mich wenig für die durststillende Wirkung dieses Ge-
tränkes begeistern können. Schon der Geschmack ist etwas harzig,
_ tanninartig und die im Saft enthaltenen Nährlösungen rufen einen klebrigen
Nachgeschmack hervor und wirken daher störend auf die Thätigkeit der
Speicheldrüsen, so dass sich bald erhöhter Durst einstellt und das Be-
wusstsein, ein Uebel durch ein grösseres beseitigt zu haben.
II. Abtheilung. Zoologisch-botanische Section. zii)
Doch man kann sich jedenfalls bei dem nöthigen guten Willen auch
daran gewöhnen. Beim ersten Genuss der Cocosnussmilch empfindet man
Aehnliches, sobald dieselbe sehr jungen Nüssen entstammt. Man muss
sich deshalb für den Anfang möglichst ausgewachsene Nüsse auswählen,
da deren Wasser bereits durch Beendigung des Endospermbildungs-
processes seine meisten Beimengungen und vorher in ihnen suspendirten
Nährlösungen beraubt ist und nur noch minimale alkalische und organische
Verbindungen enthält. Dieses Frucht- oder nun richtiger Keimwasser
verdient allerdings nicht mehr den Namen Cocosmilch; denn es ist fast
wasserklar mit einem ganz leichten bläulichweissen Schein. Der Saft
junger Cocosnüsse hingegen hat eine sehr milchähnliche Färbung und
Dichte, dabei einen süsslichen Geschmack. Mit einer geringen Quantität
Cognac versetzt schmeckt dieses Fruchtwasser recht angenehm, besonders
in den Morgenstunden, wenn noch recht kühl. Die Samoaner bevor-
zugen überhaupt die jungen Nüsse; zum Theil auch des Keines wegen, der,
bevor er feste Consistenz annimmt, einen recht angenehmen Geschmack
besitzt. Auch die reife, frisch geschnittene und die scharf getrocknete
Darrenkopra ist keineswegs für einen Culturgaumen unschmackhaft.
Dieses reife Endosperm erinnert sogar nicht unwesentlich an den Geschmack
unserer Conditormakronen. Die Vielseitigkeit der Eingeborenen in
Verwendung dieses Nährgewebes in seinen verschiedenen Altersstadien zu
eulinarischen Zwecken, ist bewunderungswürdig. Ein aus junger Cocosmilch
und fein geschabtem, reifem Endosperm mit Salzwasser in Blättern er-
hitzter Teig — „Faiai“ genannt — lässt sich am besten mit dem
Geschmack und der Consistenz eines heimathlichen Sahnenpuddings ver-
gleichen.
Die Cocosnüsse sind wegen ihrer Leichtigkeit und natürlichen
Festigkeit, sowie wegen ihrer Schale als schlechtem Wärmeleiter sehr
werthvoll, zumal sie sich bequem transportiren lassen. Eine Nuss fasst
0,4—0,8 Liter Fruchtwasser. Vier Stück genügen Mangels sonstigen
Trinkwassers für einen Mann pro Tag; ich würde mich jedes Mal mit
'/, des Inhaltes zufrieden erklärt haben. Hin Samoaner jedoch fühlt
seinen Durst erst nach Genuss einer ganzen Nuss gestillt.
Dies, wie der gesunde Appetit dieser Leute, trägt nicht wenig zu
den Schwierigkeiten von Expeditionen bei. Dieselben sind überhaupt
für Jemand, dessen Hauptaufgabe darin liegt, entlegene Gebiete und
die tiefsten Schluchten, sowie die höchsten Punkte möglichst vollständig
zu besuchen, nicht zu unterschätzen, besonders in neuerer Zeit. Ein
Geologe, der von den Hawaii-Inseln aus Samoa aufsuchte und sich vier
Wochen zwecks geologischer Studien dort aufhielt, soll darin besonders
trübe Erfahrungen gesammelt haben. Schon die Vereinbarung des
Lohnes stösst auf Schwierigkeiten. Während eigenthümlicherweise auf
Upolu die Bezahlung für einen Tag Arbeitsleistung 1 Doll. = 4 Mk.
73: Jahresbericht der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur.
beträgt und nur ausnahmsweise darüber steigt, weigerten sich die
Eingeborenen auf Savaii, der grössten, von Fremden wenig besuchten
Insel, überhaupt für 4 Mk. pro Tag zu arbeiten und forderten mindestens
6 Mk. Auch dafür habe ich jedoch in den seltensten Fällen für meine
Zwecke Führer und Träger gefunden. Selbst dann aber steigt der Lohn
durch Nebenauslagen, als da sind Verpflegung an Speise, wofür man
etwa 1,50 bis 2 Mk. pro Tag und pro Mann rechnen muss, sowie Tabak
und Schnaps, der allerdings nur in geringen Quantitäten erforderlich,
aber doch für 3 Mann und je 3 Tage auf 1 Fl. 5 Mk. zu berechnen
ist, auf mehr denn 8 Mk. Meist verlangt noch der Eine oder Andere
der Leute Pulver oder Schrot, um Tauben oder Schweine zu schiessen;
denn er will bei der Sache neben der Bezahlung auch sein Vergnügen
haben. Verdenken kann man ihnen dies nicht, zumal die Natur sie mit
allen Lebensbedürfnissen in reichstem Maasse mühelos versorgt und
Arbeit als etwas Unbekanntes vorenthalten hat. Schon die Ver-
proviantirung wmächt eine nicht unerhebliche Last aus, wenn auch ein
Mann bei gutem Willen und aus persönlichem Interesse ohne Mühe
und Anstrengung auf gangbarem Gebiete 50—60 Pfund in zwei Körben
8— 10 Stunden lang über die Berge trägt. Im Durchschnitt jedoch konnte ich
auf meinen Touren nicht mehr als 25—30 Pfund Last auf den Mann rechnen,
während 6—7 Pfund allein als Proviant pro Tag auf den Träger selbst
entfallen, falls man unterwegs nicht auf Bananen-Pflanzungen und Trink-
wasser rechnen kann.
Der Proviant für die Träger besteht, je nach Vorrath und Vorhanden-
sein, aus Brotfrüchten, zur Gewichtsverringerung vorher geröstet, un-
reifen und reifen Bananen, Taro (Rhizom des Colocasia antiquorum),
Zwiebacks, frischem Schweinefleisch, Rindfleisch in Dosen und, last not
least, conservirtem Lachs. Für letztere Conserven haben die Samoaner
eine besondere Vorliebe.
Die Samoaner lieben auf längeren Touren das „Rasten‘‘ ausser-
ordentlich und länger als eine Stunde ohne Rast zu marschiren, deucht
ihnen in allen Fällen eine unnöthige Ausdehnung der Leistungsfähigkeit
ihrer motorischen Nerven. Aus all diesen Gründen sah ich mich ge-
nöthigt, meinen Bediensteten zu Liebe mein eigenes Gepäck auf ein
Minimum zu reduciren. Es bestand zumeist ausser einer oder zwei
wollenen Decken aus einem oder mehreren Paaren Reserveschuhen,
einem Reserveanzug, je einem wollenen Hemd und Beinkleid für die
Nächte, einigen Paar Strümpfen und als Proviant aus einem Stück Brot, pro
Tag ", Pfund Fleischeonserven oder Erbs- und Bohnenwurst, Sardinen,
: amerikanischem Jam (Fruchtmarmelade) und Zwiebacks, aus Cigarren
oder Cigarettentabak. Das Aneroid, Schleuderthermometer, Reagenz- '
gläschen und sonstige wissenschaftliche Geräthe trug ich selbst; ebenso
ein 18zölliges Buschmesser, das im Stande ist, auch eine Axt zu ersetzen.
II. Abtheilung. Zoologisch-botanische Section. 73
Derartig ausgerüstet unternahm ich meine Expeditionen in das
Innere der Inseln, und konnte so hoffen, auch für einige Tage auf eine
zufriedene Stimmung meiner Begleiter rechnen zu dürfen, und davon
hängt, sowie in erster Reihe von dem Wohlwollen ihres Magens, das
Gelingen der Expeditionen wesentlich ab. Mit unwilligen Samoanern
kann man, wenn man nicht bereits eine grössere Vertrautheit mit ihren
Institutionen und ihrer Natur und Sprache besitzt, überhaupt nichts
anfangen. Einen solchen vermögen weder Drohungen noch Ver-
sprechungen zu beeinflussen.
Die Schilderung einer Exeursion auf der Insel Savaii will ich hier
versuchen.
Mit einem Halfcast, einem nothdürftig angelernten Assistenten beim
Botanisiren und Arbeiten zu Haus, und zwei Samoanern brach ich im
October 1894 von meinem Hauptquartier Matautu, wo ich wie überall
bei dem Agenten der deutschen Handels- und Plantagen-Gesellschaft
liebenswürdigste Gastfreundschaft und erfahrene Unterstützung genoss,
zu einer Tour nach den Höhen des nordwestlichen Kammgebietes auf.
Das Terrain steigt von der Küste aus dort allmählich an. Mein
Weg führte mich durch eine ca. 50 ha grosse Palmenpflanzung der
deutschen Gesellschaft nach °/, Stunden in den Busch; derselbe trägt in
soleher Höhe und Entfernung von der Küste noch keineswegs den
Charakter eines Urwaldes, wenn auch von mächtigen Bäumen — Hibiscus,
Maba, Inocarpus, Citrus, Gardenia, Fieus, Myristica, Rhus, Aglaja,
Laportea ete, — überdacht und von Lianen Entada, Mucuna, Cissus etc.
durchzogen. Er ist mit geringem Untergebüsch und spärlicher Strauch-
vegetation ausgefüllt. Vereinzelte Brotfruchtbäume beweisen auch, dass
Samoaner hier einst gehaust und Wohnplätze gehabt haben.
In einer Höhe von 120 m gelangt man, nach Süden vorgehend, auf
junges vulkanisches Gebiet, von gelblich-röthlicher Tuffrinde bekleidet,
spärlich bewachsen von Gleichenia diehotoma, Lycopodium cernuum,
vereinzelien Pandanus-,'Nelitris-, Morinda-, Böhmeria-Stauden. Nur selten
hat ein Rhus- oder Baum-Same schon genügend Boden gefunden, um sich
zu entfalten und seine Krone über das Ganze zu erheben. Tropische
Sonnengluth und schöne Rundblicke kämpfen um die Herrschaft über das
Gefühl und Behagen des Wanderers. Eine kahle, kegelförmig ab-
gerundete kleine Kuppe inmitten dieser Scenerie erhebt sich trostlos
aussehend in ihrer Opposition gegen die auf sie eindringende Vege-
tation,;, denn ihre Helferin, die Sonne, hat für einige Zeit den an-
rückenden Farnen und vorkämpfenden Moosen eine empfindliche
‚Niederlage beigebracht und das gelblich-braune Naturkleid des Hügels,
vielleicht des Vaters dieser Formation, mit einem Ueberkleid von
schwarz-grauen, verbrannten Farnen bedeckt. Doch der Kampf ist ein
ungleicher, und die Leichen der Genossen dienen den ringsum schon fest
(a Jahresbericht der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur.
fussenden Reserven immer von Neuem als Deckung gegen den sengenden
Bundesgenossen der kleinen Erhebung, die noch vor wenig Jahren in
ihrem mineralischen Kleid dessen Strablen begierig aufsog.
Noch eine Stunde landeinwärts gelangt man auf schmalem Pfade
durch einen weiteren Buschstreifen an eine Bananen- und Taropflanzung
der Eingeborenen, welche sich eine feuchte, von steilen Höhen begrenzte
Einsenkung mit fruchtbarem, tiefgründigem Schwemmboden geschickt
zu Culturzwecken ausgewählt und durch Gräben die von den Bergen
herabrieselnden und aus ihnen hervordringenden Quellen zu einer gleich-
mässigen Bewässerung erfolgreich benutzt haben. Ueppige Grasvegetation,
Paniceen, Cyperaceen, eine grasartige Commelina verdeckt jedoch die
Gräben, und vom Pfade abweichend, sitzt man sehr bald im Wasser
und hat Mühe, sich aus dem gelb-braunen Schlamm wieder herauszuarbeiten.
Nach starken Regengüssen sind derartige Thäler kaum passirbar. Einige
Cocospalmen und Brotfruchtbäume ' beschatten den Rastplatz der hier
zeitweise arbeitenden und erntenden Eigenthümer dieser Pflanzung,
Der lehmige Grund setzt sich fort an den angrenzenden Abhängen und
überdeckt völlig die Gesteinstrümmer und Lavagebilde. Es ist eine stets
glatte, schlüpfrige Thonerde, welche das Vordringen erschwert. Auf
ihr beginnt die Vegetation sich urwaldartig zu entfalten und beweisen
üppige Farne, Urticaceen (Elatostemma, Cypholopus) und Selaginellen,
von diehtem, blattreichem Gebüsch und mächtigen Bäumen doppelt be-
schattet, dass hier für das Gedeihen tropischer Ueppigkeit alle Be-
dingungen erfüllt sind.. — Die sich aus der vulkanischen Entstehung
ableitende Erscheinung, dass die allmählich ansteigenden Kämme nach
dem Centralstock des Inneren führen, erleichtert einerseits die Orientierung
und das Vordringen, andererseits durch die schroffen Seitenwände dieser
von tiefen Schluchten begrenzten und begleiteten Ausläufer den Ueber-
blick über die Vegetation, an den Abhängen und in den Abgründen. Eine
Aussicht über die weitere Umgebung ist jedoch stets ausgeschlossen. Es
giebt nur wenige Punkte im Inneren der Berge, an denen man durch Axt
und Messer sich Aussichts- und Orientirungspunkte schaffen kann; — es
sei denn mit Aufbietung der dazu erforderlichen Arbeitskräfte und Zeit.
Selbst das Erklettern von hohen Bäumen ist nur in seltenen Fällen ein
Hilfsmittel, dessen Anwendung man allerdings besser den Eingeborenen
überlässt, falls sie sich dazu bewegen lassen; denn selbst ihrer Gewandt-
heit im Klettern setzen die entweder dicht mit Epiphyten, Orchideen,
Farnen, Moosen, Flechten, kletternden Piperaceen, Araceen ete. bedeekten
oder schlüpfrigen, mächtigen Stämme oft unüberwindliche Schwierig-
_ keiten entgegen. Häufig muss mit Axt und Messer der Baum gefällt
werden, um seine botanischen Schätze zugänglich zu machen.
Wegen dieser Ursachen sind die Samoaner auch nur mit grosser
Mühe und Ueberredungskunst zu bewegen, in ihnen unbekanntes Gebiet
II. Abtheilung. Zoologisch-botanische Section. 75
vorzudringen. Das ihnen bekannte Land reicht aber mit wenigen Aus-
nahmen nicht weiter, als wohin die Jagd nach Tauben und verwilderten
Schweinen sie geführt hat; ihre Jagdfährten sind an den schiefen, glatten
Stengelschnitten, von dem von ihnen beständig benutzten Buschmessers
herrührend, erkennbar. Vor dem Verirren hat der Samoaner eine
unüberwindliche Furcht.
Die Jagd nach Tauben wird zu gewissen Zeiten, besonders im
September, wenn die Früchte des Rhus Tahitensis reifen und die Tauben
in grossen Mengen diese bis in das Küstengebiet hinabsteigenden
Waldbäume aufsuchen, en gros betrieben. Man findet dann unter einem
Rhus die Federn von 5—10 Tauben, die ein Schütze in wenigen Stunden
nacheinander mit der Schrotflinte heruntergeschossen und an der Stelle,
wo sie herabfielen, sofort abgerupft hat.
In einer Höhe von 500 m beginnen auf ebenerem, flach ansteigen-
dem Gebiet Niederholz, Sträucher und junge aufstrebende Bäume
seltener zu werden; der Wald selbst wird lichter, aber das hohe Laub-
gewölbe der Baumriesen ist dann um so dichter. Die alten Bäume haben
sich hier durch dichten Lichtabschluss das Monopol errungen, dem nur
Lianen, Farne, Epiphyten und Schmarotzer zu {rotzen vermögen. Riesige
Banyans mit winzigen Blättern und kleinen, erbsengrossen, scharlach-
rothen Fruchtständen, weit ausgebreiteter Krone und mächtigem Luft-
wurzelgewirr durchbrechen das dichte Laubdach von Spondias, Aglaja»
Maba, Disoxylon, Caraya, Gardenia, Fagraea, Eugenia, Alphitonia,
Acalypha ete. — Dichte Gebüsche von Parinarium bilden einen Wald
im Walde, den Boden verbergend unter dem dichten Gestrüpp ihrer
Naehkommen. Hier und dort rankt sich eine Caesalpinia zwischen den
Stämmen und an ihnen empor. Den Boden bedeckt ein Gewirr von
Wurzeln und Ausläufern der Lianen, jener gigantischen Baumkletterer
der Tropen. Gleich fingerdicken, braunen Strängen laufen sie hunderte
von Metern weit über Wurzeln und Steine dahin, um dann an einem
ihnen zusagenden Stamm sich hinaufzuschlängeln, dem Lichte zuzustreben
und Blätter und Blüthen zu treiben. Hier haben sie ihre ersten Stützen
bereits erwürgt und neuen Halt in schwindelnder Höhe gesucht; dort
haben sie von Baum zu Baum weiter ziehepd, durch die eigene, rasch
zunehmende Schwere ihre Träger gebrochen und hängen nun als stamm-
dicke, spiralig gewundene Taue tief herab.
Wird Dank der Terrainverhältnisse das oberste Laubdach dünner,
dann haben sich bald all die kleineren busch- und baumförmigen Vertreter
tropischer Vegetation in buntem Durcheinander eingefunden. Der Wald
'erhält durch sie einen abwechselungsreichen, farbenprächtigen Charakter.
Hier lässt eine baumförmige Maesa oder Ardisia, eine wilde Artocarpus-
Art oder eine Euphorbia ihre riesigen Blätter herabhängen, dort ist der
Boden dicht bedeckt mit prächtig duftenden langen Blüthen einer Fagraea
Be. Jahresbericht der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur.
und Gardenia oder den S cm langen gelben Staubfäden einer Barringtonia
mit faustgrossen Blüthen. An den Stämmen, auf den Aesten und Zweigen
führen Epiphyten und Parasiten ein behagliches Dasein. Da wimmelt
es von Orchideen mit winzigen weissen oder gelben Blüthen, von präch-
tigen feingefiederten Kletterfarnen — Davallien, Hymenophyllien, Tricho-
manes — und frischgrünen, wenig getheilten Polypodien. Zwischen
dem saftigen Grün, das die Aeste der Bäume und Sträucher verhüllt,
hängen lange Moosrasen und Lycopodien fluthend herab. Dort thront
ein riesiges Asplenium nidus mit seinen I—2 m langen ungetheilten
Blättern auf dem Ende eines abgestorbenen Astes, und hängt ein Ophio-
glossum pendulum mit meterlangen, spiralig gewundenen, 2—3 cm breiten
Blättern, grünen Bändern gleich, von demselben herab. — Diese Pracht
und Ueppigkeit aber der Blattentfaltung erreicht ihren Höhepunkt bei
den majestätischen Baumfarnen, welche bis 20 m hoch, vielfach all das
Untergebüsch stolz überragen und ihre wundervolle, von 2—3 m langen
Wedeln von zierlichster Anordnung gebildete Krone auf dünnem,
schwarzem Stamm graziös bewegen.
Und all diese Herrlichkeit, dieser üppige organische Reichthum
sprosst aus einer Schicht hervor, der man nicht die geringste Productions-
fähigkeit ansehen kann; denn vergeblich sucht man nach einer Erdkruste
oder humosen Schicht. Nichts als Steine, poröse, verbrannte, vielgestaltige
Basalttrimmer, locker und wirr ühereinander geworfen, die das Gehen
erschweren und die Schuhe mit erschreekender Geschwindigkeit ihrer
Auflösung entgegenführen, bilden die Erddecke, aus der all diese
Pracht und Fülle hervordringt. Tief unten aber, verborgen durch
dieses schwarze trümmerhafte Geröll, hat sich eine productive Nähr-
schicht für all das Leben über dem todten, mit elementarer Gewalt aus
seiner Ruhe gerissenen und verbrannten Gestein gebildet. Stein auf
Stein muss man entfernen, um an diese verborgenen Schätze zu gelangen.
Erst in erheblicher Tiefe findet man die jüngsten Spuren der hinabge-
spülten verwesten Vegetation, die selbst abgestorben, neues Leben er-
zeugt. Alles, was Schmarotzer, Pilze und Fäulniss dort oben verdorben,
reisst der Regen in diese verborgenen Tiefen hinab.
Bald ändert sich die Bodenoberfläche wieder, die Steine werden
seltener und man betritt wieder thoniges, feuchtes Gebiet. Oft wechselt
dieses ganz unvermittelt mit solchen Trümmerfeldern ab.
Um auf einen schneller ansteigenden, höheren Kamm zu gelangen,
ist eine tiefe Schlucht zu überwinden. Nach vergeblichen Versuchen,
deren Boden festen Fusses hinabsteigend zu erreichen, folge ich dem
_ Beispiel der Begleiter und erreiche, im Sitzen gleitend und die hindern-
den Stämme und Stauden mit den Händen als Lenkstangen benutzend,
schnell und sicher die Thalsohle. Meine Rückenansicht ruft erklärlicher
Weise bei den Samoanern grossen Beifall hervor. Ein kleiner Wasser-
audksiees
II. Abtheilung. Zoologisch-botanische Section. 77
lauf hat sich die Schlucht zu Nutze gemacht und um ihn haben sich
sattgrüne Farne, Selaginellen, Moos- und Lebermoosrasen geschaart und
üppige Matten aus der formenreichen Gattung Elatostema wechseln mit
jenen ab. Caladium, Peperomien, zierliche, weiss und gelb blühende
Cyrtandreen und das durch seinen Blattdimorphismus auffallende Asplenium
multilineatum sprossen dazwischen hervor. Mächtige Bambusgebüsche
versperren den Weg.
Nun aber heisst es, 100 m an einem schlüpfrigen, steilen Abhang
wieder hinaufzuklettern und den Höhenverlust wieder einzuholen. Nur
unter energischer Mitwirkung der Hände und Arme, welche jede
Pflanze und Baumwurzel als Halt benützen müssen, ist dies möglich.
Der neu erkämpfte Bergrücken lohnt aber die Mühe und weist sich
des in ihn gesetzten Vertrauens würdig. Als die Dämmerung gegen
4‘), Uhr beginnt, haben wir auf ihm ein erweitertes Gebiet - und eine
Höhe von 860 m erreicht, wo die Schluchten zu beiden Seiten sich
rasch heben und darauf schliessen lassen, dass wir uns dem Ausgangs-
punkt mehrerer Bergrücken nähern.
Ich lasse halten und das Nachtquartier vorbereiten. Schnell wird
ein Haus errichtet; vier im Rechteck stehende dünne Baumstämme werden
ausgewählt und durch Stangen verbunden, sodann werden zwei höhere
Stangen in der Mitte der beiden Schmalseiten in die Erde geschlagen,
ihre Spitzen wiederum durch einen Querstock in Verbindung gesetzt, so
der Dachfirst gebildet. Von beiden Seiten werden alsdann die
Dachflächen durch einige weitere mit Lianenausläufern oder Bananen-
fasern gefestigte Sparren angelegt und das Dach mit Musablättern
und Farnwedeln regensicher gedeckt. — In etwa 20 Minuten ist auf
diese Weise ein sicherer Schutz gegen Wind und Feuchtigkeit geschaffen ;
denn auch die Aussenwände sind durch Farnwedel gegen die Wind-
richtung abgeschlossen und der Boden des Hauses ist mit weichen
Todeawedeln gepolstert. Inzwischen hat auch mein Halfcast durch
schnelles Reiben mit einem Stück Apristicaholz auf altem, abgestorbenem,
weichen Hibiscusholz natürliches Feuer angefacht; denn starker Regen
während der letzten Stunden hat die Streichhölzer ihrer Zündkraft be-
raubt, und nachdem meine Begleiter ihre Fleischeonservenbüchse geleert
haben und diese nothdürftig ausgewaschen ist, kocht mir mein Adjutant
Charly aus einem Stück Bohnenwurst und Wasser eine warme Suppe,
die, mit einem Zwieback genossen, nach des Tages Arbeit ein will-
kommenes Mahl gewährt, dem sich später eine frisch erlegte Taube als
Nachtisch anschliesst.
Bald weicht der Tag der Nacht, der Regen hat aufgehört und durch
das Blätterdach, von dem noch die letzten Regentropfen herabfallen,
beginnen die ersten Sterne hindurch zu leuchten. In den Bäumen rings
herum stimmen Vögel, Cicaden und Grillen ihr Nachtlied an. Ueberall
78: Jahresbericht der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur.
regt es sich. Wenn das Feuer erlischt, fängt ein geheimnissvolles
Leuchten an. Hier ein matter, phosphoreseirender Schein, dort von einem
gefallenen Baum her strahlt ein intensiverer Lichtglanz, der heller und
heller werdend, je mehr die Nacht ihre Schatten ausbreitet, bald einem
Feuerschein gleicht. Diese Holztheile behalten auch im Hause noch
längere Zeit ihre Leuchtkraft und entfalten sie, sobald eine stark feuchte
Nacht dem sie verursachenden Pilz die nöthigen Bedingungen gewährt. —
Das Leuchten, welches auch im Nachtquartier selbst unter den Todea-
wedeln hervorblinkt, von verwesten Marattiastielen ausgehend, ist so
intensiv, dass man grossen Druck auf dicht darüber gehaltenem Papier
lesen kann.
Nachdem ich mein durchweichtes, mit Lehm bedecktes Wander-
costüm, bestehend in einem Wollhemd, einem Beinkleid und langen
Strümpfen, mit der ziemlich trockenen ähnlichen Nachtkleidung vertauscht
und mich in eine Decke eingehüllt habe, sehe ich, eine inzwischen
über glimmendem Holz getrocknete Cigarre rauchend, mit Behagen dem
sich bald einstellenden Schlaf und den Erlebnissen des nächsten Tages
entgegen.
Sobald früh die Schatten sich heben und eine Orientirung über das
Terrain möglich wird, verdrängt der Genuss von Thee mit Zwieback
und Marmelade die ersten unbehaglichen Gefühle, welche sich bei
Wiederanlegung des Abends gewaschenen und ausgewrungenen, feuchten
Costüms einstellen, Sodann wird zum Aufbruch geblasen, und weiter
geht es, zum Missfallen der Samoaner, die dem Kompass und Aneroid nicht
das rechte Vertrauen entgegenbringen wollen, in unbekanntes Gebiet.
Bald ist der vermuthete Krater erreicht, sein trockener, mit grossen
Lavablöcken übersäter Kessel durchsucht und wieder verlassen. Durch
einige Schluchten gelangen wir endlich zu einer Höhe von 1000 m
auf einen steilen Kamm mit nur einigen Fuss breitem Rücken und jäh
abfallenden Seitenwänden. Der Morgen ist herrlich klar, die Luft an-
senehm kühl, allerdings nicht nach Ansicht der Samoaner; denn sie
frieren bei 19° C. Von Westen her dringt in kurzen Unterbrechungen
ein dumpfes, donnerndes Geräusch herauf. Es ist das Branden des
Meeres gegen die Steilküste, welches bis hierher durch eine Entfernung
von mindestens 20 km zu vernehmen ist. Das Vordringen auf diesem
schmalen Bergrücken ist mit erheblichen Schwierigkeiten verbunden;
denn nur einer meiner Leute kann mit dem Messer in der Hand voraus-
gehen und durch das dichte verwirrte Gestrüpp von Freyeinetia, von
Gleichenia oceanica durchwachsen, einen Weg bahnen. Dafür aber
bietet mir das langsame Avanciren Gelegenheit, den geflochtenen
Botanisirbüchsen manche Neuheit einzuverleiben und eifrig Umschau auf
den Bäumen nach Epiphyten abzuhalten. — Mein erstrebtes Ziel sollte
ein Kratersee, der nach Angaben alter Samoaner in diesen Regionen zu
II. Abtheilung. Zoologisch-botanische Section. 79
vermuthen war, sein, und ich hoffte, ihn bis zum Nachmittage aufzu-
finden, wurde jedoch leider enttäuscht und sah mich genöthigt, dem
Drängen der Samoaner endlich zu folgen und nach kurzer Mittagsrast
und kalter Stärkung gegen 2 Uhr über die Rückzugsrichtung nachzu-
denken; denn meine Begleiter, denen schon recht unbehaglich zu Muthe
wurde, erklärten energisch, nicht länger als die vereinbarten drei Tage
aushalten zu wollen. Nur mit grosser Ueberredungskunst konnte ich sie
endlich bewegen, für den Rückweg eine andere Route zu wählen, nach-
dem ich durch Schlagen eines kleinen Durchblicks zur nördlichen Küste
hin ihnen die Möglichkeit der Ausführung in vorgeschlagener Richtung
zu beweisen versucht hatte. Das Heraufziehen dunkler Wolken machte
es mir schliesslich selbst erwünscht, aus diesem etwas unbehaglichen
Gewirr, wo anhaltender Nebel die Position sehr ungünstig gestalten
konnte, herauszukommen, und so verfolgten wir zunächst den -gebahnten
Weg bis zu einer Stelle, wo der Abfall des Kammes einen Abstieg
wenig bedenklich erscheinen liess. Derselbe nahm fast eine Stunde in
Anspruch und versetzte uns aus einer Höhe von 1230 auf 890 m mit zer-
rissenen Kleidern und stark beschundenem Körper in den Grund einer
schauerlich grossartigen Schlucht, aus der wir nun eilen mussten, einen
Ausweg und vor völliger Dunkelheit einen sicheren Platz für die Nacht
zu finden; denn das finstere Antlitz des Himmels verhiess für die Nacht
schlimmes Wetter und konnte leicht die Schlucht in kurzer Zeit zu
einem gefährliehen Giessbach gestalten. Meine Leute athmeten deshalb
erleichtert auf, als wir eine seitliche Wand erklimmen und auf einem
breiten Ausläufer des Centralkammes bereits im Dunkeln und bei be-
sinnendem Regen ein Schutzdach herrichten konnten. Die Vorsicht er-
wies sich sehr bald als werthvoll; denn schon nach Mitternacht drang
aus der Tiefe, der wir am Abend entronnen waren, das Geräusch ent-
eilender Wassermassen herauf, während ich Gelegenheit hatte, von
Neuem die Vorzüglichkeit unseres Hauses und insonderheit seines Daches
zu bewundern, das ohne Schaden 12 Stunden lang einem fürchterlichen
Gewitterregen trotzte.
Ich war den Samoanern nie so dankbar für ihre Aengstlichkeit und
Unlust, sich in fremde Gebiete zu wagen, als in dieser Nacht, die schon
in unserer geschützten Lage keineswegs zu den äusseren Annehmlich-
keiten gehörte; denn ein heftiger Windstoss, wie wir ihn in höheren
Regionen sicher öfter genossen hätten, würde uns immerhin in eine
wenig beneidenswerthe Lage versetzt haben. Bei andauerndem Regen
erreichten wir am Abend glücklich nach mancherlei Beschwerden die
Küste, als ich auch die Reserveschuhe bereits durch Bindfaden und Bast
nur noch sehr widerstrebend an meine Füsse fesseln konnte und deshalb,
noch 2 Stunden von meinem Endziel entfernt, ausharren musste, bis mir
mein Gastfreund am nächsten Morgen erbetene frische Fussbekleidung
80. Jahresbericht der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur.
schickte. Selten hat mir ein kräftiger Grog, für den ich die erforder-
lichen Ingredienzien von einem englischen Händler in der Nachbarschaft
noch glücklich am Abend erhielt, so gute Dienste geleistet, wie nach
dieser Tour. Auch meine Begleiter, die gegen die niedere Temperatur
in den Bergen äusserst empfindlich sind, erfreuten sich an der er-
wärmenden und stärkenden Wirkung und thaten ihr Bestes, um die
Reste unseres Proviants, ergänzt durch frisch geröstete Brotfrüchte,
nicht umkommen zu lassen; denn wir waren 12 Stunden ohne Unter-
brechung auf den Beinen gewesen und ausser einigen Zwiebacks, die
der Regen etwas erweicht hatte, war unser Magen mit einem flüchtigen
Morgenimbiss hingehalten worden.
Derartige Expeditionen, die natürlich als besondere Leistungen von
meinen Begleitern sehr schnell verbreitet und bekannt wurden, hatten
stets eine Steigerung des Widerwillens gegen Betheiligung an weiteren
Unternehmungen zur Folge, so dass ich froh war, wenn ich auf der
Insel Upolu mit Erlaubniss der Leiter der deutschen Pflanzungen mela-
nesische angeworbene Arbeiter als willige und brauchbare Träger an
Stelle der Eingeborenen benutzen konnte; obwohl auch sie angestrengte
Arbeit auf den Pflanzungen meiner Gesellschaft vorzogen, wenn sie die-
selbe einmal ordentlich genossen hatten.
Herr Chun hielt einen Vortrag:
Zur Biologie der pelagischen Süsswasserfauna.
Der Vortragende gab zunächst eine Uebersicht über die früheren
und neueren Untersuchungen (unter letzteren namentlich die Ergebnisse
von Zacharias am Plöner See berücksichtigend), soweit sie das perio-
dische Erscheinen und die quantitative Verbreitung pflanzlicher und
thierischer pelagischer Organismen betreffen. Er schilderte dann weiter-
hin die noch nicht veröffentlichten Ergebnisse von Hofer, dessen Studien
er im Herbste 1895 am Achensee beiwohnte. |
Hofer untersuchte die Vertheilung der Thierwelt im Bodensee,
Königssee, Starnberger-, Walchen- und Achsensee und berichtet nament-
lich über die horizontale, verticale und zonare Vertheilung des Planktons
in diesen Seen.
Mit Hilfe der Hensen’schen Planktonmethode stellt er fest, dass
die horizontale Verbreitung des Planktons im Bodensee eine gleich-
mässige ist, so dass die Abweichungen vom Mittel normalerweise nicht
über 25°, hinausgehen.
In Betreff der vertiealen Verbreitung findet Hofer auf Grund
von zahlreichen Stufen- und Schliessnetzfängen (im Gegensatz zu der
bisher allgemein verbreiteten Ansicht), dass die limnetische Thierwelt‘
in den tiefen Seen nicht in allen Schichten verbreitet vorkommt,
sondern dass sich unter einer oberflächlichen belebten, eine abyssale
Mir FREUEN EEE ER SL E
II. Abtheilung. Zoologisch-botanische Section. Ss
unbelebte Zone befindet. So reicht im Bodensee das Plankton nur
bis zu einer Tiefe von 30 m, ebenso auch im Starnberger und Königssee
nur bis 35 m Tiefe, im Achensee steigt dasselbe jedoch bis zu 70, im
Walchensee bis 85 m herunter.
Die Ursache dieser beschränkten verticalen Vertheilung setzt Hofer
in Beziehung mit dem Verhalten des Lichtes im Wasser, Er constatirte,
dass die Sichtbarkeitsgrenze während des Sommers im Bodensee, Starn-
berger- und Königssee in 5 bis 5'/, m Tiefe, dagegen im Achensee zu
gleicher Zeit bei 12 m, im Walchensee bei 14 m Tiefe liegt. Je durch-
sichtiger also ein See ist, um so tiefer steigt das Plankton in demselben
herab. Nach den Untersuchungen, welche von Forel im Bodensee mit
Chlorsilberplatten angestellt wurden, hat das Licht im Sommer bei einer
Tiefe von 30 m bereits soviel an Intensität eingebüsst, dass Chorsilber-
platten davon nicht mehr angegriffen wurden. Hofer nimmt deshalb
an, dass die untere Grenze für die Verbreitung des Planktons zusammen-
fällt mit demjenigen Grad der Dunkelheit, bei welcher Chlorsilberplatten
nicht mehr chemisch auf die jedenfalls nur sehr splärlich vorhandenen
blauen oder violetten Lichtstrahlen reagiren.
In einer kritischen Revision der in der Literatur vorliegenden
älteren Angaben über die verticale Verbreitung des Planktons weist
Hofer nach, dass seine Befunde in keinem Gegensatz mit den früheren
Untersuchungen stehen, sondern dass die wirklich zuverlässigen Beobach-
tungen von Weismann, Pavesi und Asper eigentlich schon zu dem-
selben Schluss hätten führen müssen.
In dem Kapitel über die zonare Vertheilung des Planktons be-
richtet Hofer, dass er in Uebereinstimmung mit Pavesi innerhalb der
belebten Zone die Gesammtmasse des Planktons keineswegs gleichmässig
vertheilt vorgefunden habe. Vielmehr findet er im Bodensee während
der Sommer- und Herbstmonate, dass in den alleroberflächlichsten
Schichten von 1—2 m Tiefe nur ganz geringe Mengen limnetischer Thiere
vorkommen (in 60 cbm Wasser ca. 0,1 cbem Plankton). Von hier ab
schwillt die Menge nach der Tiefe allmählich an, um im Bodensee
zwischen ca. 10 und 15 m ihr Maximum von ca. 15—20 cbem pro
60 cbm Wasser zu erreichen, fällt von da ab wieder langsam bis auf
30 m ab, um unter dieser Tiefe völlig zu verschwinden. Im Winter
ändert sich diese Art der Vertheilung völlıg, indem von der freien Ober-
fläche ab durch alle belebten Zonen eine ziemlich gleichmässige Ver-
breitung des Planktons zu beobachten ist.
Bei dieser zonaren Vertheilung verhalten sich die einzelnen das
Gesammtplankton zusammensetzenden Thiere sehr verschieden.
Hofer unterscheidet vier Gruppen. Er fand einmal Formen, wie
Diaptomus gracilis und Cyclops Leuckarii, welche zu keiner Zeit, auch
nicht im Sommer, in irgend einer Zone massenhafter vorkommen, sondern
1895. 6
2)
32. Jahresbericht der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur.
welche in allen belebten Schichten ziemlich gleichmässig vertheilt sind.
Die zweite Gruppe, nämlich die Räderthiere, wie Anuraea longispina.
Conochilus volvox, Anuraea cochlearis, ferner die meisten Daphniden (D,
hyalina, Daphnella brachyura, Bosmina lonyispina) hält sich vornehmlich in
den obersten und am meisten erwärmten Schichten des Wassers bis zu
15 m Tiefe auf. Die dritte Gruppe bilden Leptodora hyalina und
Bythotrephes longimanus, welche in mittleren Zonen, zwischen 7 und 18 m
leben, also die oberen warmen, wie auch die tieferen kalten Schichten
meiden. Zur vierten Gruppe gehören endlich Heterocope robusta und
Oyclops sirenuus, welche die tiefen und kalten Zonen von 15—25 m
besonders bevorzugen. Namentlich gilt dies von Heterocope, welche in
den oberen Sthichten bis 15 m nur spärlich verbreitet ist, während
Cyel. strenuus eine weitere Verbreitung besitzt, aber nach der Tiefe zu
unzweifelhaft viel massenhafter vorkommt.
Während des Winters ändert sich dieses Bild der Vertheilung sehr
' wesentlich. Zahlreiche Formen, wie Leptodora, Bythotrephes, Heterocope,
mehrere Daphniden und Räderthiere, verschwinden nach Ablage ihrer
Dauereier vollständig aus dem Plankton oder treten an Masse stark
zurück, so dass die Zusammensetzung desselben sehr viel einförmiger
wird. Die limnetische Thierwelt setzt sich dann wesentlich nur aus
Diaptomus gracilis, Cyclops strenuus, Cyclops Leuckarti, den Nauplien dieser
Copepoden und Bosmina longispina zusammen und alle diese Thiere er-
scheinen nun gleichmässig in der ganzen belebten Zone vertheilt.
Berücksichtigt? man die verschiedenen Temperaturverhältnisse
während des Sommers und des Winters, so geht aus diesen Be-
obachtungen hervor, dass die Thiere des Planktons so lange eine zonare
Vertheilung zeigen, als das Wasser thermisch geschichtet ist; wenn
dagegen, wie im Winter, die thermische Schiehtung des Wassers auf-
hört und dasselbe eine gleichmässige Temperirung von 4° C. erfährt,
dann erscheinen auch die Planktonthiere gleichmässig vertheilt und nicht
zonarisch geschichtet. Interessant ist es, dass das Winterplankton
vornehmlich aus solchen Thieren besteht, die auch im Sommer entweder
in allen Zonen leben (Diaptomus, C. Leuckarti) oder sich mehr im
kalten Wasser aufhalten, wie C. strenuus. Wenn Bosmina longispina
welche sich den Sommer über in warmen Wasserschichten aufhält,
dennoch im Winterplankton zu finden ist, also eine Ausnahme hiervon
macht, so rührt dies daher, dass diese Daphnide, wie bereits Weis-
mann hervorgehoben hat, sich während langer Zeiträume im Bodensee
nur noch parthenogenetisch fortpflanzt und keine befruchteten
Wintereier mehr bildet.
Trotz der augenfälligen Beziehungen zwischen zonarer Schiehtung
der Thierwelt und der Temperatur des Wassers glaubt jedoch
Hofer, namentlich mit Rücksicht auf das allnächtliche Aufsteigen
II. Abtheilung. Zoologisch-botanische Section. 83
auch der am tiefsten lebenden Formen (Heterocope robusta), den Einfluss
des Lichtes auf die zonare Vertheilung des Planktons keineswegs aus-
schliessen zu dürfen.
Die mitgetheilten Beobachtungen sind durch eine Reihe von Zahlen-
tabellen mit quantitativen Planktonangaben, sowie durch einige
graphische Darstellungen der verticalen Verbreitung erläutert. Ausser-
dem bringt der Verfasser einige speeiellere Beobachtungen über die
Tiefseefauna des Bodensees, von denen wir hier nur hervorheben
wollen, dass sich, unmittelbar über dem Boden schwebend, bis
in alle Tiefen herab ein Cyclops viridis im Bodensee vorfindet, welcher
mit zunehmender Tiefe sein Augenpigment verliert und bei ca. 100 m
‚ Tiefe blind ist, Hofer nennt denselben daher Cyclops viridis var. caecus.
Ebenso erwähnt der Verfasser einen von den Ichthyologen bisher über-
sehenen, den Fischern aber bekannten Tiefseesaibling (Salmo salvelinus),
welcher nur am Grunde des Bodensees (auch des Ammersees) vor-
kommt, also dieselbe Lebensweise wie der Kilch, Coregonus hiemalıs,
führt und sich durch seine minimale Grösse, seine einförmig braungelbe
Färbung auf dem Rücken und sein auffallend vergrössertes Auge als be-
sondere Localvarietät auszeichnet.
Im Anschluss an die hier mitgetheilten Befunde berichtete Herr
Chun über seine Untersuchungen an.den Augen der Polyphemiden. Er
schilderte genauer den Bau des Auges von Bythotrephes und hob hervor,
dass allen Beobachtern die Zweitheilung desselben in ein Front- und in
ein Ventralauge entgangen war. In dieser Hinsicht stimmt also das
Auge mit dem früher von ihm beschriebenen der pelagischen Tiefsee-
Schizopoden, speciell auch mit dem Auge der Phronimiden überein. Es
seheint sogar, dass bei marinen Polyphemiden (Podon und Evadne) das
Ventralauge zu Gunsten eines mächtig entwickelten Frontauges völlig
schwindet und dass die genannten Gattungen eine Parallele zu der
monströsen mysiden Arachnomysis mit ihrem allein persistirenden Front-
auge abgeben.
Sodann gab Herr Schube den folgenden Bericht:
Ergebnisse der Durchforschung der schlesischen Phanerogamenflora
im Jahre 1895,
zusammengestellt von E. Fiek und Th. Schube.,
A. Für das Gebiet neue Arten und Formen,
Ranunculus acer X repens Figert nov. hybr. Pflanze fast
durchweg anliegend behaart, mit kriechendem Ausläufer;
Grundblätter 3theilig, mit rhombischen Abschnitten, zum Theil aber
auch 3zählig und dann mit verkehrt-eiförmigen gestielten Blättchen,
die Blattfläche (besonders der Endblättchen) in den Blattstiel verlaufend,
6*7
S4- Jahresbericht der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur.
Blättehen und Abschnitte mit lanzettlichen Zipfeln , Blüthenstiele schwach
gefurcht; Kelchblätter anliegend; Früchtehen mit kurzem, gekrümmtem
Schnabel.
Liegnitz: auf der Siegeshöhe ein Exemplar (Figert!).
Von dem Aussehen eines R. acer ZL., zumal die unteren Theile
des Stengels und die Blattstiele anliegend bekleidet sind; die meist ge-
krümmten Schnäbel der Früchtchen würden indessen auf R.
polyanthemos deuten, wenn nicht solche auch bei R. acer vorkämen;
aber Ausläufer und die 3zähligen Blättchen, die allerdings nicht so
deutlich vom Blattstiel abgesetzt und auch kürzer gestielt sind, weisen
unzweifelhaft auf die Abkunft von R. repens hin.
Delphinium alpinum W. Kit. wird für Schlesien zwar schon
1843 von Grabowsky in seiner „Flora von Oberschlesien und dem Ge-
senke‘‘ S. 153 angegeben, aber nur als eine ihm offenbar als unwesentlich
erschienene Abänderung von D. elatum L., denn er sagt daselbst: „‚die
niedrige und behaarte Form: D. alpinum Kit. auf den Kämmen der
höchsten Berge“. In seiner Monographie der Gattung Delphinium (in
Engler’s Botanischen Jahrbüchern XX. Bd. 1895) führt nun Dr. E. Huth
das D. alpinum W. Kit. als besondere Species auf, die sich nach ihm
von D. elatum Z. hauptsächlich durch die Deckblätter*) unterscheidet.
Bei diesem sind die unteren Deckblätter verschiedenartig getheilt, die
mittleren eiförmig oder lanzettlich, die obersten lineal, bei jenem aber
sind sämmtliche Deckblätter schmal-lineal und ungetheilt.
Habituell dürften beide sich nicht auffällig unterscheiden, doch scheint
es, als ob die Blüthenstiele bei D. alpinum gewöhnlich aufrecht ab-
stehen und die Traube dadurch ein lockeres Aussehen erhält, während
sie bei D. elatum durch deren meist straffer aufrechte Stiele
schmäler und dichter aussieht. Ob jedoch die angegebenen Merkmale
sich als solche beständig erweisen werden und ob die Rehabilitirung
der Kitaibel’schen Fom als Art hinreichend begründet ist, müssen
weitere Beobachtungen lehren. |
Fundorte: Riesengebirge, im Kessel an der Kesselkoppe (Josefine
Kablik, Winkler ete.)!!; Glatzer Schneeberg im Wölfelsgrund
(Seliger ete.)!!, an beiden Orten mit D. elatum;, Gesenke an der Hock-
schaar (Engler), Kleinen Altvater (Herp. imp. Vindob.), Abhänge des
Kessels (Herb. Berol.).
+ Malcolmia maritima (L.) R. Br. Strehlen: Schreibendorf,
auf einem Acker (Eitner, $.)
*) Dr. E. Huth versteht unter Bracteen (Deckblätter) nur die Hochblätter am
Grunde der einzelnen Blüthenstiele, nicht die Stützblätter am Grunde der
Zweige, welche mehrere Blüthen tragen.
II. Abtheilung. Zoologisch-botanische Section. 85
Viola collina X odorata Gremblich (V. Merkensteinensis
Wiesb.) Goldberg: Geiersberg bei Neukirch auf der Süd- und West-
seite unter den Eltern (Pinkwart)!
Die vorliegende Kreuzung stellt sich dar als eine minderbehaarte
V. collina, die durch die kräftig wurzelnden Ausläufer zugleich ihre
Abstammung von V. odorata bezeugt. Blätter, namentlich die inneren
der Rosette, oben mehr abgerundet, ihre Bekleidung etwas anliegend
und nicht so dicht als an V. collina, die Nebenblätter breiter als an
dieser, am Rande und an den (kürzeren) Fransen sparsamer bekleidet
bis kahl; Blüthen etwa so gross als bei Y. odorata, soweit sich die
Färbung noch erkennen liess lila-violett, verhältnissmässig dunkel;
Samen meist verkümmert.
V. Riviniana Rchb. var. leucocentra Pinkwart. Goldberg: am
Wolfsberge, an der alten Chaussee bei Wolfsdorf, im Walde bei Stein-
berg, in einem buschigen Abhange beim Dorfe Geiersberg (P.)!, auch
an anderen Stellen der dortigen Gegend, aber bisher immer nur unter
Nadelholz.
Von dieser Form hat der Autor in der Deutschen botanischen
Monatsschrift (XIII. Jahrgang 1895, S. 105) eine ausführliche Be-
sehreibung gegeben, der er die Bemerkung beifügt, dass auch Professor
Ascherson sie als eine ausgeprägte Varietät bezeichnet habe.
V. arenaria DC. f. glabra Liegnitz: im Kuchelberger und
Neuroder Walde zerstreut (Figert!).
Nicht nur sind hier Stengel, Blatt- und Blüthenstiele, sondern auch
die Blätter obne jede Spur von Behaarung. Bei uns so noch nicht be-
obachtet und jedenfalls auch anderwärts sehr selten. Mit der V.
rupesiris Schmidt bo&m. anscheinend nicht übereinstimmend.
?-4) Spergularia salina Presi. Breslau: Wüste Plätze bei
Morgenau (Uechtritz 1884). Die Exemplare sind, im Gegensatze zu den
Angaben vieler Autoren, völlig drüsenlos, und deswegen wurden sie
wohl vom Finder für $. campestris (L.) Aschs. (= 8. rubra Presl)
v. glabrata Kab. gehalten; erst Ascherson erkannte dieselben bei dem
Studium der Spergularien des Herb. siles. richtig. Da der Boden, auf
dem die Pflanzen hier gewachsen, seinen Salzgehalt jedenfalls nur den
Auslaugungen des nahen Schuttes verdankt, so beruht dies Vorkommen
wohl nur auf gelegentlicher Einschleppung; doch gelingt es vielleicht
noch, die Art auf ursprünglich salzhaltigem Boden in der Provinz nach-
zuweisen. ($.)
Acer Pseudoplatanus L. v. Fieberi (Ortm.) Pax. Strehlen:
Rummelsberg (Schröder, $.).
86 Jahresbericht der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur.
Rosa gallica > rubiginosa (Reuter), deren Beschreibung Straehler
in der Deutschen bot. Zeitschr. 1895, $. 103 giebt, an der Siegeshöhe
bei Hohenfriedeberg (W. Scholz)!
— Viburnum Lantana L. am Gröditzberge ein Strauch auf einer
Mauer und andere Sträucher auf der Westseite im Walde, wo sie nicht
gepflanzt sein können (Pinkwart)! — Uebrigens schon früher einmal
(1878) ein Exemplar auf dem Kirchberge bei Landeshut von Höger
gefunden.
—+ Cnieus benedictus (L.) Gärtn. Greiffenberg: auf Feldern und
Gartenland bei Gross-Stöckigt mehrfach (Kruber)! Hier auch nach dem
Finder noch hin und wieder von den Landleuten als Arzneikraut gebaut.
—+ Convolvulus dahuricus Sims. Hirschberg: Hecken in Gotsch-
dorf bei Col. Kynwasser zwischen Sträuchern oberhalb des letzten
Hauses!! — Hierher gehören wohl auch die meisten Fundorte, die bisher
für C. sepium L. var. rosaceus DC. angegeben worden sind, von
welcher Form sich übrigens die oben bezeichnete, aus der Tatarei und
Sibirien stammende Species — wenigstens nach den bei uns gefundenen
Exemplaren — nur schwach unterscheidet. Die Bekleidung ist nicht
selten sehr unbedeutend und auch die Form des Blattgrundes, wie die
Länge der Vorblätter im Verhältniss zu den Kelchzipfeln geben keine
beständigen Merkmale ab, so dass eine sichere Bestimmung oft genug
auf Schwierigkeiten stösst.
+ Solanum rostratum Dunal. Diese in den letzten Jahren im
westlichen Deutschland mehrfach (vgl. Aschersons Mittheilungen in
Verh. Brandb. B. Ver. XXXV) beobachtete, aus Mexiko und Texas
stammende Art ist nunmehr auch bei uns eingeschleppt aufgefunden
worden. Glogau: am Oderufer (Scholz durch einen Schüler, $.); Breslau:
Poln.-Peterwitz (Jenner, $.).
—+ Lamium hybridum Vill. (L. incisum Willd.) ER auf
Gartenland in Gross-Walditz (Alt)! — Die vom Finder übersandten
Exemplare dieser, nach seiner Mittheilung am angegebenen Orte nur
sparsam vorkommenden und dort sicher nur zufällig verschleppten, Art
gleichen vollkommen solchen von Greifswald und aus Ostpreussen.
Ueber Kreuzungen von Arten der Gattung Polygonum hat E. Figert
in Kneucker’s Allgem. botan. Zeitschrift 1895, 8. 26 ff., einen aus-
führliehen Aufsatz veröffentlicht, aus dem ich das Vorkommen der für
Schlesien angegebenen Hybriden hervorhebe:
P. Hydropiper X minus an drei Stellen um Liegnitz, aber immer
sehr spärlich.
P. Hydropiper > mite Liegnitz: Oyas am Mühlenteiche; Breslau:
am Strauchwehr.
P. lapathifolium > minus Liegnitz: Sophienthal, einmal einige _
Exemplare. |
.
II. Abtheilung. Zoologisch-botanische Section. 37
P. lapathifolium X Persicaria an einem Feldgraben bei
Liegnitz. Ist nicht ganz unfruchtbar. (Diese wie alle vorhergehenden
von Figert entdeckt.)
Saliz (aurita X silesiaca) X Caprea Siraehler. Wüste-
waltersdorf: am Mühlenberge in der Nähe von Dorfbach (t. Straebler)!
— Ueber diese Form hat der Autor sich sehr eingehend in dem Artikel
„Zwei neue Weiden-Tripel-Bastarde‘‘ (Deutsche bot. Monatsschrift
XNHI. Jahrg., S. 129—131) ausgesprochen.
S. Caprea X pulchra Figert Liegnitz: Eisenbahnausschachtung
am Töpferberge, ein 2 Strauch (Fig)! — In der Allg. botan. Zeitschr.
1895, S. 2, hat der Entdecker Näheres über diese Hybride ver-
öffentlicht.
Carex atrata L. y rhizogyna Schur aın Fusse des Schneekoppen-
kegels bei der Riesenbaude (Prof. Sagorski in Mittheil. des Thür, bot,
Vereins, N. Folge II, IV, S. 55).
Als Varietät dürfte diese Abänderung, bei der das unterste Aehrchen
ausserordentlich lang gestielt ist und aus der Achsel eines der untersten
Blätter entspringt, kaum zu betrachten sein, zumal dergleichen Ab-
weichungen vom Typus nicht gar selten und zwar bei verschiedenen
Arten der Gattung Carex sind. Um nur einige derselben zu er-
wähnen, so sind z. B. im Herbar. siles. folgende Funde belegt:
C. acuta L. p.p. Chausseegraben bei Liegnitz (Gerhardt), Geiers-
berg (Wimmer), Weinberg bei Ohlau (Bartsch), Breslau: bei Spitzers
Badeanstalt und um Rothkretscham (Uechtritz), Dirschel (Heuser);
C. Goodenoughi Gay: Brotbaude, Hampelbaude (Gerhardt), Mittelberg,
Seifengrube (S.), Iserwiese (Krause), Kupferberg (Fiek), Lauskowe
(Schwarz), Katholisch-Hammer (Uechtritz), Breslau: Carlowitz, Wasch-
teiche, Neudorf (Uechtritz); €. rigida Gay: Schneekoppe (Stein), Elb-
wiese (Hoeger); C. flacca Schreb.: Proskau (Richter); CO. panicea Z,
Lissaer Wiesen, Canth: Neudorf (Uechtritz); ©. sparsiflora Steud.
Woerlichgraben ($.), Leiterberg (Wetschky), Mitteloppaquelle (Kuegler).
— (8.)
Blechnum Spicant (L.) With. var. serratum Wollaston Riesen-
gebirge: in der kleinen Grube an der Kesselkoppe ein Stock! ! — Diese
in Deutschland bisher nur einmal in der bayerischen Pfalz gefundene
Form ist von mir schon vor mehreren Jahren an dem angegebenen Orte
entdeckt und sogleich für eine individuelle Abänderung, nicht für eine
Varietät, gehalten worden. Immerhin ist sie wegen der scharf gezähnten
Fiedern der sterilen Wedel, die aber an den einzelnen Blättern ziemlich
verschieden auftreten, interessant.
88 Jahresbericht der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur.
B. Neue Fundorte.
Thalietrum aquilegifolium L. Tarnowitz: Stahlhammer (Wossidlo
und S.).
Th. minus L. Guhrau: Herrndorf (Nitschke, $.); Tarnowitz:
Segethwald (Wossidlo; auch schon Kutzi 1871, S.).
Pulsatilla vernalis (L.) Mill. Glogau: Alt-Strunz, zugleich mit
P. pratensis (L.) Mill. f. patula Pritzel. (Eitner, $.).
P. alpina (L.) Del., zweiblüthig. Koppenplan (Schneider, $.). —
Eine ähnliche Abnormität beobachtete ich an Anemone nemorosa Z.
bei Breslau (S.).
Anemone ranunculoides Z. Breslau: Weidenhof (Kirchhoff, $.).
Adonis flammeus Jacg. von Kirchhoff bei Wessig wiederauf-
gefunden ($.).
Ranunculus fluitans Lmk. Ruhland: im Schwarzwasser (Barber)!;
Bunzlau: Queis bei Thommendorf (ders.).
R. circinnatus Sibth. Reichenbach: oberer Dominialteich in
-Stoschendorf (M. Fiek)!
R. triphyllus Wallr. Landeshut: Wüsteröhrsdorf im Dorfbach bei
610 m (Alt)!
— R. Steveni Andrz. Bunzlau: Tämmer’s Wiese (Alt)!; Liegnitz
Gartenstrasse an der Promenade (Figert)!, Tümmler’s Brauerei am Eis-
keller, viel (ders.)!
R. sceleratus L. mit Schwimmblättern. Breslau: Waschteiche;
Gleiwitz: in Lehmlöchern (Eitner, 8.).
R. auricomus L. var. fallax W. Gr. Goldberg: bei Willmanns-
dorf (Pinkwart)!
R. bulbosus << polyanthemos Figert. Lüben: Krummlinde
(Fig.)!
Trollius europaeus L. Reichenbach: zwischen Diersdorf und
Gnadenfrei ($.).
+ Helleborus viridis L. Nimptsch: Langenöls (Eitner, S$.).
Aconitum variegatum Z., im Lissaer Walde seit Jahrzehnten ver-
misst, ist dort von Eitner wieder gefunden, zusammen mit Cephalanthera
Xiphophyllum (L. fil.) Reichb. (8.).
Nymphaea candida Presi. Hoyerswerda: Triebenteich bei
Hohenbocka, grosser Lugteich bei Sabrodt, Lugteich bei Klein-Partwitz
(Barber)!; Reichenbach O/L.: Nieder-Seifersdorfer Teiche (ders.)!
Nasturtium austriacum COrantz. Cosel: Wiesen am Wege nach
dem Stadtbahnhofe!!
Arabis arenosa (L.) Scop. Rietschen: Hammerstadt an der Bahn
nach Weisswasser (Thielscher)!; Annaschacht bei Charlottenbrunn (Figert)!
Breslau: Geuchberg bei Bruch (v. Haugwitz, $.); Tarnowitz: Blechowka
(Wossidlo), mit auffallenden Uebergangsformen zu A. Halleri L. (8.).
II. Abtheilung. Zoologisch-botanische Section. 89
Cardamine silvatica Lk. Ruhland: Guteborn im Thiergarten
(Barber); Bolkenhain: im Walde zwischen Seitendorf und Leipe sparsam!!;
Kupferberg: Bolzenschloss!! Schmiedeberg: am Jockelwasser, Bauden-
steig, Langwasserquellen, Eulegrund u. a. ($S.); Herrnstadt: Nieder-
Backen; Militsch: Fiedelberge bei Gr.-Lahse ($.), neu für die mittel-
schlesische Ebene.
©. pratensis L. v. paludosa Knaf. Trachenberg: Gross-Bargen
in einem tiefen sumpfigen Graben (Schwarz)!; Breslau: bei Hundsfeld
Baumann 1890)! — Die Pflanzen, namentlich vom erstgenannten Stand-
orte, sehr kräftig, bis 70 cm hoch, in der Tracht und durch die ge-
stielten, länglichen bis eiförmigen, stachelspitzig gezähnten Stengelblätter
lebhaft an C. amara L. erinnernd, auch wie diese aus den Blatt-
achseln Sprosse treibend, die hier zu wurzelnden Blattrosetten aus-
gewachsen sind, aber wegen der gelben Staubbeutel und der kurzen,
dieklichen Griffel zu C. pratensis L. gehörig. Uebrigens haben die
sämmtlichen vorliegenden, zur f. denitata R. u. Sch. (als Art) zu
ziehenden Exemplare verhältnissmässig viel verkümmerte Schoten, wie
auch die Blüthen nicht alle zur Entwickelung gelangt sind.
©. Opicii Presl var. glabra Uechtir. Riesengebirge: in der
Lomnitz unweit Krummhübel bei 605 m (M. Fiek)! Tiefster Standort
dieser Form,
C. trifolia L. Reinerz: Höllengrund (Eitner, S$.).
Dentaria bulbifera L. Jauer: Mochau (W. Scholz, 8.), Wölfels-
fall (Eitner, 8.).
Lunaria rediviva L. Schmiedeberg: Ruhberg ($.).
Teesdalea nudicaulis (L.) R. Br. Im Gebirge noch bei Greiffen-
berg: im Queisthale bei der Finkenmühle (Kruber)!; Weinberg bei
Warmbrunn!!
Thlaspi alpesire L. Patschkau: Oberwehr (Zwick, $.).
Coronopus Ruelli All. Ohlau: Baumgarten (Eitner, $.).
Viola canina X elatior. Für diese Kreuzung hat schon früher
Uechtritz ein von Krause bei Ransern gesammeltes Stück gedeutet; es
sind ihm dann aber, wohl mit Recht, an der Richtigkeit dieser Deutung
wieder Zweifel aufgestiegen. Recht gut aber halten die Mitte zwischen
den beiden genannten Arten Exemplare ein, die Eitner am Josefinen-
berge bei Althof sammelte ($.).
V. stagnina Kit. Hammerstadt bei Rietschen (Thielscher)! zweiter
Standort in der O/L.; Neuhof bei Jauer (W. Scholz)!; Waldwiesen
zwischen Maltsch und Leubus (Pinkwart)! Neumarkt: Gäbel ($.).
V. arenaria X canina (Lasch) Uechtr. Lüben: Neurode an
2 Stellen (Figert)!
90. Jahresbericht der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur.
V. arenaria X Riviniana (Lasch) Uechtr,. Lüben: Kaltwasser
(Figert)!, Neurode im Walde westlich der Chaussee (ders.)!
Viola arenaria DC. Tirachenberg: zwischen Grenzvorwerk und
Lauskowe (Nitschke, 8.); Rosenberg: zwischen Wendzin und Klein-
Lassowitz (Eitner, $.).
—+ Reseda lutea L. Görlitz: in der Ponte (Barber)!; Hirschberg:
Bahndamm gegen Fichberg (M. Fiek)! Breslau: Thiergartenstrasse
(Kirchhoff, $.). ;
Drosera intermedia X rotundifolia Camus. Hoyerswerda:
Holzteich bei Hohenbocka (Barber)!, Kroppen und Kaupenteich (ders.)!
D. rotundifolia >< anglica Schiede. Rybnik: Czerwionka
(Eitner, 8.).
Polygala amara L. var. austriaca (Crantz). Lüben: Wiesen
nördlich von Gross-Kotzenau nicht selten (Alt)!.
Gypsophila fastigiata L. Militsch: Gollkowe (8.), Rosenberg:
gegen Boroschan (Eitner, $.).
Tunica prolifera (L.) Scop. Bolkenhain: Bolkoburg (Richter, S.),
Würgsdorf ($.); Leschnitz: Roswadze (Eitner, 8.).
Dianthus deltoides L. f. albiflora. Zwischen Carolath und
Tschiefer (Heilwig)! Diese Form wegen der weissen ins Gelbgrüne
spielenden Kronblätter ohne röthliche Querzeichnung wohl nicht zu
D. glaucus L. gehörig.
D. superbus L. Militsch: zwischen Gollkowe und Sulmirschütz
(S.), Trachenberg: zwischen Woidnig und Heidchen (Nitschke und S$.),
Neumarkt: Gäbel ($.).
Silene gallica L. Reichenbach: Felder zwischen Rosenbach und
Habendorf (M. Fiek)! | |
8. chlorantha (W.) Ehrh. Namslau: zwischen Dammer und
Schwirz (Eitner, $.). |
+ 8. dichotoma Ehrh. Hirschberg: Kleefelder bei Hartau,
Boberstein, Jannowitz (M. Fiek)!!; Gottesberg; Reichenbach: zwischen
Jentschwitz und Schlaupitz, Weigelsdorf (M. Fiek); Schweidnitz: Ziegelei-
äcker vor Schönbrunn (Schöpke); Breslau: Oswitz (H. Limpricht, $.),
Rosenthal (v. Haugwitz, $.), Kattern (Kirchhoff, $.), Zimpel (Eitner, $.).
Silene Otites (L.) Sm. Breslau: Süsswinkel (H. Limpricht, $.).
Sagina apetala L. Haynau: um die Bielauer Ziegelei (Alt)!
Alsine viscosa Schreb. Sprottau: Kaltenbriesnitz (Pinkwart)!
Arenaria serpyllifolia L. v. leptoclados (Guss) Tarnowitz:
Naklo ($.). |
Stellaria pallida Pire. Glogau: Dalkauerhügel am Belvedereberg,,.
Bahndamm zwischen dem Bahnhofe und der Stadt (Pinkwart)!, Goldberg:
Lindenplatz (ders.)!; Kloster Leubus (ders.)!
If. Abtheilung. Zoologisch-botanische Section. 9]
S. Friesiana Ser. Bunzlau: Wehrauer Heide in den Sümpfen des
Eulenbades (Barber)!
S. crassifolia Ehrh. Liegnitz: Arnsdorf am kleinen und grossen
Grundsee (Figert)! — Durch diesen Fund wieder für das Gebiet ge-
sichert, da diese Art an dem 1849 von Lothar Becker entdeckten
Standort im Quaritzer Bruche noch nicht wieder gefunden worden ist.
Cerasiium brachypetalum Desp. Goldberg: Gottschlingberge
bei Niederau (Pinkwart)!
Elatine triandra Schrank. Reichenbach: am Baerteiche bei
Kittlitzheide unweit Habendorf (M. Fiek)!
Malva moschata L. Camenz: Hemmersdorf; Nimptsch: Tiefen-
see; Mittelsteine (Eitner, $.); Waldenburg: Neu-Weissstein (Leisner, $.);
Reinerz: Herrmannsbusch bei Hordis (G. Schube, $.).
Lavatera thuringiaca L. Jauer: Hertwigswaldau (W. Scholz)!
Hypericum pulchrum L. Lüben: Gross-Kotzenau im Hammer-
walde unter alten Kiefern an einer Stelle (Alt)! Zweiter Standort
im Gebiet und erster im eigentlichen Schlesien.
H. monianum L. Zobten: häufis am ‚„Curvenplatzwege‘“ ($.).
H. hirsutum L. Zobtenberg am Fusssteige nach Kl.-Silsterwitz ;
Sonnenkoppe im Eulengebirge um 900 m (M. Fiek)!, höchster Standort.
Oberglogau: Pfarrerlen (Richter, $.).
Geranium phaeum L. Schmiedeberg: Ruhberg, Hohenwiese ($.);
Ottmachau: Matzwitz (Zahn, 8.).
G. sanguineum L. Neumarkt: zwischen Saabor und Kadlau;
Reiehenbach: Lauterbach; Oels: Zucklauer Forst ($.).
G. pyrenaicum L. Gr.-Strehlitz: Reitbahn (Eitner, S.).
G. molle L. Glogau: Alt-Strunz (Eitner, $.); Militsch: Maliers;
Trachenberg: Radziunz ($.).
G. columbinum L. Reinerz: Schäferei (G. Schube, S$.).
Oxalis Acetosella L. mit violett-purpurnen Blüthen im Lieben-
thaler Walde (Kruber)!
+ DUlex europaeus L. Reichenbach: Ruhberg bei Faulbrück
(Sehöpke), Waldsaum oberhalb Schlaupitz (M. Fiek). An beiden Stellen
wohl ältere Anpflanzung. ö
Genista germanica L. f. inermis Koch. Gr.-Stein: nahe bei der
Wolfsschlucht ($.).
Cytisus nigricans L. Hoyerswerda: Heide bei Sablodt; Reichen-
bach O/L.: Attendorf; Bunzlau: Bahnstrecke bei Station Waldau
'(Barber).
C. capitatus Jacg. Reichenbach: Ruhberg bei Faulbrück
(Sehöpke), Lindenberg bei Eichberg (M. Fiek)!, bei Langseiffersdorf,
Jentschwitz, Lauterbach (ders.)!, zwischen Diersdorf und Gnadenfrei ($.).
92°. Jahresbericht der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur.
C. ratisbonensis Schäf. Tarnowitz: Stahlhammer (Wossidlo
und $.).
Ononis procurrens Wallr. Ruhland: Guteborn, Lipsa (Barber)!
am Dub bei Jannowitz (ders.). |
O. spinosa L. Guhrau: Triebusch (Nitschke, $.).
Anthyllis Vulneraria L. Oberglogau: Thomnitz (Richter, S.).
Trifolium praiense L. var. americanum Harz. Haynau: gegen
Birkfleck!; Liegnitz: Bärsdorf (Figert)!. Nach den Ausführungen Ascher-
sons (Verh. des bot. Ver, Pr. Brandenb. XXXV S. 135 ff.) hat diese
robuste Form des aus Amerika eingeführten, bei uns überall nur ver-
wilderten, Wiesenklees obigen Namen zu führen, von der sich die in
Schlesien noch nicht nachgewiesene var. villosum Wahlbg. (= v.
maritimum Marsson), der deutschen Küstenländer durch schmächtigeren
Wuchs und schmälere Blätter auszeichnet.
T. rubens L. Reichenbach: Langseiffersdorfer Forst (M. Fiek)!,
Höhen bei Olbersdorf (ders.)!
| T. striatum L. Breslau: Oswitz (H. Limpricht, 8.).
T. spadiceum L. Reichenbach O/L. Forellenwiesen bei Hilbers-
dorf (Barber)!; Jauer: am Wege nach Moisdorf (W. Scholz)!
Astragalus arenarius L. Namslau: zw. Gr.-Marschwitz und
Simmelwitz (Eitner, 8.); var. glabrescens Reichb. (völlig kahl!)
Militsch: Maliers (S.).
Ornithopus perpusillus L. Rosenberg: Radau (Eitner, $.); neu
für Oberschlesien.
Vicia silvatica L. Reinerz: am Kaiserweg bei 750 m
(G. Schube, S.).
V. sepium L. v. ochroleuca Basti. Oberglogau: Widrowitz
(Richter, $.).
Lathyrus Nissolia L. Breslau: Schwoitsch (Kirchhoff, 8.). —
Hier mit behaarter Hülse. |
L. tuberosus L. Breslau: Kapsdorf; Ohlau: Seifersdorf (8.):
L. paluster L. Trachenberg: Lauskowe (Nitschke, 8.).
+ L. latifolius L. Sophienau bei Charlottenbrunn unweit des
Annaschachtes (Figert)!
L. montanus Bernh. Lähn: Wald zwischen Lehnhaus und der
Tränke!!; Hirschberg: im Walde nördlich von Berthelsdorf gegen
Riemendorf!! Strehlen: Rummelsberg bei Gepversdorf (Eitner, $.),
Oels: Zucklauer Forst; Militsch: Maliers ($.).
Aruncus silvester Kostl. Nimptsch: an einem Bache östlich von
Neudeck!!; Gesenke: Ufer der Oppa bei Pochmühl!!, oberes Thessthal!!
Geum rivale L. v. pallidum Blytt. Neumarkt: Gäbel ($.).
G. urbanum X rivale Schiede. Schönau: zw. Kauffung und
Seifersdorf (G. Schneider, $.).
II. Abtheilung. Zoologisch-botanische Section. 95
Rubus nitidus W. u. N. bei Ruhland häufig; Reichenbach O/L.:
an den Attendorfer Teichen; Bunzlau: nur westlich des Queis in der
Wehrauer Heide bei Forsthaus Hosenitzbrand (Barber)! Neu für das
eigentliche Schlesien.
R. tomentosus Borkh. Leschnitz: gegen Lenkau (Eitner, $.).
Zweiter Standort in Pr.-Schlesien.
R. silesiacus Weihe. Bunzlau: Wehrauer Heide im Rev. Marien-
haus (Barber).
R. Koehleri W. u. N. Ruhland: Welschholzteich bei Jannowitz
und am grossen Dub, Raudenteich bei Hermsdorf, Hohenbocka am
Holzteich; Reichenbach O/L.: häufig; Bunzlau: Wehrauer Heide, Erlicht-
wiesen bei Tiefenfurt (Barber).
R. caesius X Idaeus Mey. Obernigk: gegen Jäkel (Eitner, $.).
Potentilla norvegica L. Reichenbach: Baer- und Schilfteich bei
Kittlitzheide (M. Fiek)!
P. recta L. Breslau: Pleischwitz; Gr.-Strehlitz: Reitbahn
(Eitner, S.).
P. canescens Bess. Auf Waldwegen westlich vom Gröditzberge
(Pinkwart)!; Reichenbach: Ruhberg bei Faulbrück (Schöpke).
P. Wiemanniana Gth. u. Schummel. Reichenbach: Ruhberg bei
Faulbrück zahlreich (Schöpke).
P. Tabernaemontani Asch. (= P. verna auct.) var. serolina
(Vill.) Löwenberg: Sirgwitz am Basaltbruch (Alt)!
P. aurea L. Riesengebirge: zwischen der Bismarekhöhe und
Petersdorf bei 725 m in Gesellschaft von Lathyrus montanus, Rubus
saxatilis, Orchis sambucina ete.!! Hier an einem isolirten, von
der zusammenhängenden Verbreitung der Pflanze ziemlich weit entfernten
Standorte.
P. procumbens Sibth. Reinerz: Fouque&weg; Militsch: Lahse,
Frauenwaldau ($.).
P. procumbens X silvestris (P. suberecta Zimmeter). Gold-
berg: zwischen Taschenhof und Steinberg (Pinkwart)!; Liegnitz: Riesel-
felder (Figert)!; Charlottenbrunn; Klein-Silsternitz am Geiersberge
(M. Fiek)! ü
Agrimonia odorata Mill. Ruhland: Kroppen, in Jannowitz häufig
(Barber)! Militsch: Politz; Goschütz: Brustawe ($.).
Rosa alpina L. Landeshut: bei Wüsteröhrsdorf (Alt)! Diese die
in meiner Flora als ß) globosa Siraehler bezeichnete Form, die aber
die eigentliche typische R. alpina darstellt, denn Linn€ sagt von den
Receptakeln „Fructus globosi“. während er die bei uns herrschende
Form mit eiförmigen bis länglich-flaschenförmigen Scheinfrüchten R,
pendulina nennt,
27 Jahresbericht der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur.
R. pomifera Herrm. Görlitz: an der Hochstrasse bei Koders-
dorf; Reichenbach O/L.: Wegränder bei Attendorf (Barber).
Cotioneaster integerrima Med. Gröditzberg: auf der Westseite
unterhalb des Gipfels (Pinkwart)! Nördlichster Standort im Gebiet.
Epilobium irigonum Schrank. Schmiedeberg: am Langwasser,
bei 750m (8.).
E. Lamyi F. Schz. Goldberg: Haaseler Kalkbruch (Pink wart)!
E. obscurum Schreb. Ruhland: im Hassbruch, bei Hermsdorf,
Lipsa; Reichenbach O/L.: Quellen des Arnsdorfer Wassers (Barber)!;
Bunzlau: Nieschwitz (Alt)!; Reichenbach i. Schl.: Ober-Peterswaldau,
Steingrund bei Langenbielau, Kittlitzheide, Habendorf (M. Fiek)!
E. parviflorum X roseum Krause Schlawa: am See (Ziesche&, S.).
E. obscurum X roseum (E. brachiatum Cik.) Hirschberg: am
Wege nach dem Hausberge!!
E. obscurum X palustre (E. Schmidtianum Rosik.) Ruhland:
Hermsdorf (Barber).
Circaea intermedia Ehrh. Reinerz: Paulsweg (G. Schube, 8.).
Montia rivularis Gmel. Ruhland: Quellgräben im Hassbruch
(Barber)!, bei Hermsdorf und Lipsa; Görlitzer Heide im Rev. Heide-
waldau (ders.)! Schmiedeberg: Baudensteig bei Forstlangwasser ($.).
Herniaria hirsuia L. Cosel: Sandfelder bei Roswadze (Wetschky).
Corrigiola litoralis L. Hoyerswerda: Dorfanger in Kühnicht
(Höhn); Görlitzer Heide am Eisenbahndamm bei den Zeisigbergen
(Barber).
Polycarpum teiraphyllum L. fil. Brieg: Frauenhain; Ohlau:
Jungwitz (Eitner, $.). /
Sempervivum soboliferum Sims. Schmiedeberg: Wolfshau (S.);
Reichenbach: Ruhberg (Schöpke, $.).
Ribes Grossularia L. Schweidnitz: Pantenmühle (Leisner, $.);
Reichenbach: Steinhäuser bei Langenbielau, zw. Diersdorf und Gnaden-
frei; Militsch: Dachsberg, Johannahöhe; Freyhan: Wälder bei Breschine
mehrfach, weit entfernt von menschlichen Ansiedelungen ($.).
R. alpinum L. Schmiedeberg: Forstlangwasser ($.).
R. nigrum L. Bunzlau: am Queis bei Thammendorf (Alt)!!
Greiffenberg: Harthe bei Stöckigt (Kruber)! er
Chrysosplenium oppositifolium L. Reichenbach O/L.: Löbens-
müh am Forellenbach (Barber)!; Greiffenberg: Wiesaer Busch (Kruber);
Riesengebirge: zwischer dem Mittelberge und den Granatenfelsen ($.).
Pimpinella Saxifraga L. var. dissecta (Reiz.) Bunzlau:
Queisthal bei Wehrau verbreitet (Barber); Glogau: zwischen Meschkau
und Quaritz (Pinkwart)! — var. rosea Metsch Liebau: am Aus-
gespann ($.).
II. Abtheilung. Zoologisch-botanische Section. 95
Oenanthe fistulosa L. Lüben: Gr.-Kotzenau (Alt)!; Steinau: auf
Kreischau zu (Pfeiffer)! Herrnstadt: zwischen Heidehen und Lauskowe
(Nitschke und S.).
Libanotis montana Craniz. Freiburg: Daumenberg bei Alt-
Liebichau (M. Fiek)!
Onidium venosum (Hoffm.) Koch. Neumarkt: Olschebruch ($.).
Meum aithamanticum Jacg. Nd.-Schreiberhau (H. Limpricht, $.).
Peucedanum Cervaria (L.) Cuss. Neumarkt: zwischen Saabor
und Kadlau (S.).
Laserpitium prutenicum L. v. glabrum Wallr. Reichenbach
Lauterbach (S.).
L. Archangelica Wulf. Gesenke: sehr häufig im Saugraben!!
Vielleicht ist dieser Fundort identisch mit dem von Grabowsky an-
gegebenen „am Fusswege nach Winkelsdorf“, der dann aber seiner
Unbestimmtheit wegen berichtist werden müsste.
Myrrhis odorata (L.) Scop. Schmiedeberg: am Langwasser, bei
600 m (S.).
Sambucus racemosa L. Trebnitz: zwischen Pollentschine und
Glauche zahlreich; Militsch: zwischen dem Waldkretscham und Gross-
Lahse ($.).
Linnaea borealis L. Herrnstadt: bei Königsdorf, unweit der
Provinzgrenze, eine ansehnliche Kolonie (Nitschke, S.).
Lonicera Periclymenum L. Greiffenberg: Thierscher Wald_bei
Mühlseiffen (Kruber)!; Goldberg: Laubwald beim „Hohen Grimm“
(Pinkwart)!! hier auch ein, an einer Eiche sich erhebendes
Stämmchen von fast 8 cm Umfang etwas über dem Boden.
L. Xylosteum L. Wald zwischen Lehnhaus und der ,„Tränke‘!!;
Nimptsch: Südseite des Pangelberges!!; Würbenthal: Oppaufer bei
Pochmühl!! Tarnowitz: Segethwald (Wossidlo, $.); Reichenbach: Stein-
häuser bei Langenbielau (S.).
Asperula glauca (L.) Bess. Breslau: Gräbschen (Heinzmann, $.);
hier, wie wohl überall im mittleren Gebiete, erst neuerdings ein-
gebürgert.
Galium COruciata (L.) Scop. Nimptsch: Hochwald (Remer, $.).
G. saxatile L. Greiffenberg: bei Rabishau, Finkenmühle im
Queisthal (Kruber)!
Valerianella carinata Lois. Nimptsch: grasige Abhänge bei
der Walkmühle mit V. olitoria Poll. (M. Fiek)!! Bisher spontan nur
im Vorgebirge gefunden.
Seabiosa Columbaria L. Militsch: Dachsberg ($.), zwischen
Rosenberg und Kreuzburg mehrfach (Eitner, $.).
Homogyne alpina (L.) Cass. f. multiflora Grab. _Seifen-
grube ($S.).
96° Jahresbericht der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur.
Petasites officinalis Mönch. Breslau: Skarsive ($.).
P. albus Gärtn. Im mittelschlesischen Hügellande auch bei
Reichenbach: am Lindenberge gegen Gross-Ellgut (M. Fiek).
Aster frutetorum Wimm. Steinau: Werder an der Oder auf
Preichau zu (Pfeiffer)!
Stenactis annua(L.) Nees. Breslau: Oswitz (Ziesche, S.), Kriptau,
Peiskerwitz ($.).
Solidago Virgaurea L. ist nach Schmula um Oppeln sehr
selten; nur an der Winske (8.).
— Rudbeckia laciniata L. Ruhland: an der Pulsnitz bei
Kroppen; Bunzlau: in Wehrau, an der Grossen Tschirne bei Mühlbock,
Tiefenfurth, Heiligensee (Barber). Breslau: Schmolz (Kirchhoff, S.).
Bidens radiatus Thuill. Reichenbach: Taborteich in Mittel-
Peilau (M. Fiek)!, hier auch eine Zwergform mit weniger zertheilten
Blättern, Grossteich!, Schäferteiche, Kretscham-Mühle, Schilf- und Baer-
teich in und bei Habendorf (ders.)!
Helichrysum arenarium (L.) DC. In den Gebirgsgegenden noch
im Queisthal bei Goldentraum (Kruber)!; Reichenbach: Ruhberg bei
Faulbrück (Schöpke).
Matricaria Chamomilla L. f. discoidea (nicht M. discoidea
DC.) Schweidnitz: vereinzelt bei Tunkendorf unter der gewöhnlichen.
M. discoidea DC. Reichenbach: Peilau, Güttmannsdorf, Langen-
bielau, Peterswaldau (Eitner, S.), auch in der Stadt (S.); Breslau:
Weide ($.).
Senecio crispalus DC. Tarnowitz: Segethwald (Wossidlo und S.).
S. aquaticus Huds. Elsterwiesen bei Ruhland (Barber)!
8. Fuchsi Gmel. Görlitz: Wald an der Hochstrasse bei Koders-
dorf, Arnsdorfer Forst (Barber)!; Niesky: an einem Waldgraben bei
Nappatsch (Thielscher)!, dieser bisher der nördlichste Standort im
Gebiet. Breslau: Süsswinkel; zw. Gäbel und Nimkau ($.).
Carlina acaulis L. Strehlen: Korschwitz ($.).
+ C. eriophorum (L.) Scop. Hirschberg: Alt-Kemnitz (Hacken-
berg t. Ziesche, $.).
C. rivulare Link. Ohlau: zw. Garsuche und Jeltsch (H. Lim-
pricht, $.).
C. acaule (L,) All. Bernstadt: Nieder-Schönau (Eitner, $.).
C. canum (L.) Mönch. Bolkenhain: Würgsdorf ($S.).
C. heterophyllum X palustre (O0. Wankeli Reich.). Landes-
hut: Rothenzechau östlich der Grundhäuser (Alt)!
0. oleraceum X palustre Schiede. Schmiedeberg: Hohen-
wiese, $.).
IT. Abtheilung. Zoologisch-botanische Section. 97
Carduus Personata Jacg. Bunzlau: bei Zahns Lache (Alt)!
Nördlichster, ganz in der Ebene gelegener Standort. Reinerz: an der
Weistritz bei dem Bade ($.).
Lappa macrosperma Wallr. Jauer: Moisdorfer Grund!!; Stein-
srund bei Langenbielau (M. Fiek).
Thrincia hirta Roth. Ruhland: am Dub bei Jannowitz, Welsch-
holzteich, Kaupenteich bei Kroppen, Hassbruch, Wohl’sche Wiesen ete.,
sehr häufig auch bei Hohenbocka (Barber)!
Scorzonera humilis L. Tarnowitz: Segethwald (Wossidlo und S.);
Militsch: zw. Frauenwaldau und Schlottau mehrfach ($.).
Hypochoeris radicata L. f. glabra. Wüstegiersdorf an der
Landesgrenze (Figert)! — Pflanze mit Ausnahme einiger am Rande
und an der Spitze der Grundblätter befindlichen Börstchen ganz kahl.
Chondrilla juncea L. Ruhland: am Bahnhofe, bei Kroppen, Gute-
born am Weinberge (Barber)!; nordöstlicher Theil der Görlitzer Heide
bei Heiligensee häufig (ders.)!; Bunzlau: Sandhügel am neuen Kirchhof,
Altöls (Alt)! Goldberg: Nieder-Vorwerk (Heinzmann, 8.).
Prenanthes purpurea L. Bunzlau: am Teufelswehr bei Wehrau
(Barber)! Nördlichster Standort der Pflanze überhaupt, nicht nur für
Schlesien.
Hieracium echioides Lumn. Brieg: zw. Schönau und Pramsen
(Eitner, S$.).
H, silesiacum Krause. Gesenke: in der Kriech gegen das
Schlössel (Wetschky)!
H. aurantiacum X Pilosella Näg. Riesengebirge: Forstlang-
wasser ($.).
H. praiense X Pilosella Wimm. (H. prussicum N. P. 2. Th.)
Liegnitz: Chaussee vor Rüstern hinter Raffels Vorwerk (Figert)!
H. caesium Fr. Dreisteine ($.).
H. barbatum Tausch. Wartha: Schöne Aussicht (Bänitz, 8.).
Phyteuma orbiculare L. Constadt: Simmenau, Reinersdorf
(Eitner, $.).
Campanula rapunculoides L. var. . parviflora Uechtr.
Hirschberg in Ober-Hermsdorf!! In der Tracht der ©, bononiensis L.
sehr ähnlich.
©. latifolia Z. Liebau: Michelsdorf ($.).
C. Rapunculus L. Namslau: zwischen Eckersdorf und Dammer
(Eitner, $.).
Vaccinium Myrtillus L. var. leucocarpum Wender. Bunzlau:
Wehrauer Heide im Rev. Mühlbock (Förster Andersch)!
V. Myrtillus x Vitis idaea (V. intermedium Ruthe). Bunzlau:
Wehrauer Heide (Barber)! [Herrnstadt: bei Königsdorf, unweit der
Linnaea-Stelle, doch schon auf Posener Gebiet (S.).]
1895, 7
98° Jahresbericht der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur.
Arctostaphylus Uva ursi (L.) Spr. Rietschen: Mochholzer
Revier mehrfach (Thielscher)! Militsch: zwischen Kuhbrück und
Maliers ($8.).
Ledum palustre L. Guhrau: Königsdorf (Nitschke, $.).
Pirola media Sw. Riesengebirge: bei Wolfshau gegen Krumm-
hübel (M. Fiek)! Wüsteröhrsdorf an einer Stelle gegen den Scharlach
spärlich (Alt)!; Bulengebirge: unterhalb der „Sieben Kurfürsten“
(M. Fiek).
Vinea minor L. Reinerz: am Wege zur Schnappe (G. Schube, $.);
Reichenbach: Lauterbach ($.).
Menyanthes trifoliata L. Breslau: Olschebruch bei Gäbel
(Frl. v. Gregory, S$.).
Limnanthemum nymphaeoides (L ) Link. Landsberg: Krzyzanowitz
(Eitner, 8.).
Gentiana Pneumonanthe L. Breslau: zwischen Rosenthal und
Carlowitz (v. Haugwitz, 8.). — f. albiflora Zobten: Waldsaum der
Oelsner Berge gegen Kl.-Silsterwitz (M. Fiek)! — f. latifolia Scholl.
Reichenstein (Ziesche, S$.).
G. eiliata L. Oppeln: Sackerau bei Gogolin (Eitner, $.).
G. Amarella L. subsp. uliginosa W. Guhrau: Herrndorf
(Nitschke, $.).
G. spathulata Baril. subspec. praecox J. Kerner. Landes-
huter Kamm: Rothenzechau bei den oberen Marmorbrüchen (Alt)!
Nach der Auseinandersetzung von J. Kerner (in Schedae ad floram
exs. austro-hung. 1893, $. 57 fi.) kann der von uns bisher gebrauchte
Name @. obtusifolia (Schmidt) Willd., Koch eic. nicht mehr angewendet
werden, weil er sich bei diesen und anderen Schriftstellern als Sammel-
name für alle oder mehrere Arten oder Rassen der Gentianen mit
stumpfen Stengelblättern (Gruppe der Aestivales A. u. J. Kerner der
Sect. Endotricha Fröl.) erwiesen hat. Statt des Namens @. obtusi-
folia Willd. stellen wir deshalb den Namen G. spathulata Bartl.
voran, weil dessen Autor damit G. spathulata (Bartl.) J. Kerner und
zugleich G. praecox A. und J. Kerner umfasst, wie die Tafel XCII
in Reichenbachs lconogr. Germ. I. 8. 78, wo er die Pflanze be-
schrieben hat, lehrt, denn dort stellt Fig. 195 jene, Fig. 196 und 197
diese Form dar. In der That sind auch beide habituell gar nicht zu
unterscheiden und das feine Merkmal der oft erst mit der Lupe festzu-
stellenden kurzen flaumigen Bekleidung des Randes und der Mittelnerven
der Kelchzipfel bei G..spathulata gegenüber den kahlen Kelchen von
G. praecox kann unseres Erachtens einen Artunterschied nicht be-
sründen. Indessen muss die G. praecox immerhin als eine östliche
Rasse aufgefasst werden, die von den Karpathen nach Nieder-Oesterreich
und den West-Sudeten verbreitet ist und bis zum Erzgebirge ausstrahlt,
II. Abtheilung. Zoologisch-botanische Section. 99
während die Verbreitung der G. spathulata von den nördlichen
Kalkalpen bis Thüringen geht. Sämmtliche für Schlesien bisher be-
kannten Angaben von Fundorten der Gentiana obtusifolia Willd.
(Eulengebirge, Heuscheuer, Charlottenbrunn, Landeshuter Kamm) be-
ziehen sich auf ein und dieselbe Form der G, spathulata Baril.
—+ Phacelia tanacetifolia Benth. Jauer: Aecker bei Poischwitz
(W. Scholz)!
— Polemonium eoeruleum L. Greiffenberg: Queisauen unterhalb
der Stadt zwischen Weidengebüsch (Kruber); im Dorfe Klessengrund
an Zäunen (ders.).
Convolvulus arvensis L. var. auriculatus Desr. Haynau: be
. Reisieht (Figert)!; Glogau: beim Quaritzer Heidevorwerk, hier nicht
ganz typisch (Pinkwart)!
Lappula Myosotis Mönch. Nimptsch: Mauern in Vogelgesang!!
und beim Dominium Lauterbach (M. Fiek)! Gaumitz ($.); Kattowitz:
Hohenlohehütte (Eitner, $.).
Omphalodes scorpioides (Haenke) Schrk. Nimptsch: Süd-
abhang des Pangelberges (M. Fiek)!!
Cynoglossum officinale L. Breslau: Süsswinkel (H. Limpricht, $.).
Cerinthe minor L. Breslau: Kl.-Tinz (S.).
Myosotis sparsiflora Mik. Am Nordrande ihrer Verbreitung in
Schlesien noch bei Bunzlau: unter Gesträuch in der Nähe des Wehres
mehrfach (Alt)!; Winzig: Berglehne bei Quallwitz (Pharmazeut
R. Schulz)!
—+ Lycopersicum esculentum Mill. Breslau: Fürstenbrücke (Bänitz,
S.), Zedlitz (S.).
Verbascum Blattaria L. Görlitz: Steinbruch am rechten Neisse-
ufer (Hennig jun.)!; Reichenbach: Strassenrand in Schlaupitz (M. Fiek)!
Breslau: Sachwitz, zwischen Poln.-Kniegnitz und Tschauchelwitz @.);
Kl.-Sägewitz (Eitner, $.).
V. nigrum X thapsiforme (V. adulterinum Koch). Ruhland:
am grossen Dub bei Jannowitz (Barber)!
Scrofularia alata Gilib. Breslau: Schleibitz (S.); Tarnowitz:
Neudeck (Wossidlo und 8.). ;
— Linaria Cymbalaria (L.) Mil. Nimptsch: Neudorf (Eitner, $.).
L. spuria (L.) Mill. Breslau: Poln.-Peterwitz ($.).
Lindernia Pyxzidaria All. Maltsch am Oderufer (Pinkwart)!
Veronica scuiellata L. var. pilosa Vahl. Ruhland: Sicker-
graben am Sorgeteich bei Guteborn!, am Raudenteich (Barber)!
V. montana L. Militsch: Hedwigsthal, Maliers, Lahse u. a. ($.).
V. bellidioides L. steigt in den Klüften an der Koppe bis fast in
die Melzergrube hinab (Liebig und 8). — Auch Juncus trifidus L.
ist bis zur Grube hinunter zu finden.
100 Jahresbericht der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur.
Y. Dilleni Crantz. Ruhland verbreitet (Barber)!; Bunzlau: Tillen-
dorfer Windmühle!, Alt-Oels (Alt)!; Haynau: Nieder-Reisicht (ders.)!;
Lüben: Gross-Kotzenau (ders.)!; Glogau: Sprottebruch bei Quaritz
(Pinkwart)!; im Hirschberger Thale — trotz der Schmalhausen’schen An-
gabe — fehlend und dort überall nur V. verna L. — Muskau (Hellwig);
Myslowitz (Unverricht); Pitschenberg; Trebnitz: Kath.-Hammer; Neu-
markt: Geuchberg; Breslau: Ransern, Pöpelwitz, Riemberg ($8.). —
Dürfte übrigens doch wohl nur als Form der V. verna aufzufassen
sein.
Melampyrum eristatum L. Neumarkt: Gäbel ($.).
Alectorolophus serotinus Schönheit ist im Gebiet von Ober-
schlesien bis zur Oberlausitz, wenigstens auf der linken Oderseite ver-
breitet; noch mehrfach um Ruhland und Hoyerswerda (Barber)!. Höchste
Standorte im Riesengebirge: am Wege von der Tannenbaude nach Forst-
langwasser bei 690 m!!; Bulengebirge: am Burgberge bei Peterswaldau
um 600 m!! — A. angustifolius (Heynh.) Gmel. ist nach den Unter-
suchungen v. Sternecks (Oestr. bot. Zeitschr. 1895) eine davon ver-
schiedene im südwestlichen Deutschland vorkommende Art.
Euphrasia coerulea Tausch. Haynau: zwischen Reisicht und
Birkfleck (Figert)! Erster Standort in der schlesischen Ebene.
E. gracilis Fr. Hoyerswerda: zwischen Schwarz-Kollm und dem
Steinteich!!; Köben: Fuchsberge bei Gurkau!!
E. minima Schleich. var. carpathica Freyn. Riesengebirge: an
der Kesselkoppe!!, Kiesberg!! '
Orobanche caryophyllacea Duby. Nimptsch: Südabhang des
Pangelberges, ziemlich zahlreich !!
— Mentha piperita L. Reichenbach: Dorfstrasse in Schlaupitz
(M. Fiek)!
Thymus Serpyilum L. var. pycnotrichus Uechtr. Mesch bei
Kontopp (Hellwig)!, Deutsch-Schwenten, Telegraphenberg bei Grünberg
(ders.)!; Köben: Fuchsberge bei Gurkau!!, überall + ausgeprägt.
Salvia verticillata L. Hoyerswerda: Sandgruben südlich der
Station Hohenbocka (Barber)!, hier natürlich nur verschleppt.
Salvia pratensis L. Neumarkt: Kadlau; Oels: Zucklauer Forst ($.);
Tarnowitz: vor Naklo (Wossidlo und $.).
Meliitis Melissophyllum L. Reichenbach: um den Schenkenstein,
Lerchenberg bei Olbersdorf (M, Fiek)!; Nimptsch: Wald östlich von
Neudeck!! |
Lamium maculatum L., weissblühend, Oberglogau: auf Garten-
land (Richter, $.). /
Galeopsis speciosa Mill. Reichenbach O/L.: am Forellenbach
bei Hilbersdorf (Barber); Kohlgrund bei Langenbielau (M. Fiek)!
Stachys germanica L. Nimptsch: Gaumitz ($.).
II. Abtheilung. Zoologisch-botanische Section. 101
St. arvensis L. Ruhland: Kartoffeläcker bei Guteborn (Barber)!;
Hoyerswerda: Felder bei Sabrodt (ders.)!
—+ Brunella alba Pall. Brieg: Bankau;, Zobten: Kl.-Silsterwitz
(Eitner, $.).
Teucrium Scordium L. Trachenberg: Gr.-Glieschwitz (Thielscher) !
Herrnstadt: Heidchen, Nd.-Backen u. a. (Nitschke, 8.).
Utricularia neglecia Lehm. Hoyerswerda: Hammerstadt bei
Rietschen (Thielscher)!; Reichenbach O/L.: Teichgräben bei Nieder-
Seifersdorf (Barber)!
U, intermedia Hayne. Ruhland: Mattuschka-Teich, Torflöcher
der Wohl’schen Wiesen; Hoyerswerda: Blunower Teiche; Tschirnewiesen
bei Altenhayn (Barber)!
U. ochroleuca R. Harim. KRuhland: Steigeteichmoor bei Kroppen
(Barber)!
U. minor L. Ruhland: Torflöcher der Wohl’schen Wiesen (Barber) !
Bunzlau: Pfarrbruch bei 'Thommendorf, Erlichtwiesen bei Tiefenfurth,
Tsehirnewiesenmoore bei Altenhayn, in KlI.-Schrems bei Mühlbock
(Barber)! Glogau: Alt-Strunz (Eitner, $.),
Primula offieinalis (L.) Jacg. Neumarkt: Gaebel ($.).
Hottonia palusiris L. floribus purpureis. Görlitzer Heide:
Waldsräben im Rev. Heidewaldau (Barber)!
Litorella juncea Bergius. Ruhland: Ausstiche südlich vom
Bahnhofe!, Holzteich; Hoyerswerda; Grosser Lugteich bei Sabrodt,
Boberholzwiesen- und Grosser Buchholzteich nördlich von Bergen (Barber) !
Plantago arenaria W. Kit. Glogau: am Wege von Meschkau
nach Neugabel zahlreich (Pinkwart)!, selten zwischen Meschkau und
Gustau (ders.).
— Salsola Kali L. Breslau: bei Zedlitz (Hillebrandt, $.).
Rumex thyrsiflorus Fingerhutt (= R. Acetosa L. var.
auriculatus Wallr.) dürfte im Gebiet ziemlich verbreitet sein, doch
scheint er im Vorgebirge noch nicht beobachtet. Niesky: in Jahmen
auf Grasplätzen!!; Bunzlau; Alt-Oels (Alt)!; Glogau: bei Meschkau
(Pinkwart); Goldberg: Chausseeränder bei den Brückenhäusern, beim
Waldschloss (ders.)!; Dyhrenfurt: östlich vom Bahnhofe!!; ‘um Breslau
nicht gerade selten (Uechtr.)!; Kalkfelder von Gogolin!! ete.
Nach dem Vorgange von Haussknecht, der in den Mittheil. des bot.
Vereins für Gesammt-Thüringen (1884 S. 58 ff.) für das Artenrecht
dieser Form eintrat, haben mehrere neuere Schriftsteller sich in gleichem
Sinne ausgesprochen. In der That kann man sie wohl für eine ebenso
‚gute Species erklären, wie R. arifolius All., die sich von R, AcetosaL.
nicht nur durch wesentlich spätere Blüthezeit, sondern durch ver-
schiedene Merkmale unterscheidet, die zum Theil beständig und a. a. O.
von Haussknecht ausführlich auseinandergesetzt sind.
102° Jahresbericht der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur.
R. alpinus L. Riesengebirge: Forstlangwasser ($.).
Polygonum Bistorta L. Breslau: Margareth (Kirchhoff, $.).
Daphne Mezereum L. Militsch : zwischen Maliers und Weissensee($.),
Euphorbia striceta L. Ohlau: Peisterwitz ($.).
Ulmus montana With. Greiffenberg: am Greiffenstein (Kruber);
Lähn: Lehnhausberg zahlreich!!, hier auch ein Baum beobachtet, der
zahlreiche 3lappige (in 3 Spitzen ausgezogene) Blätter trägt.
Urtica dioeca L. var. angustifolia Ledeb. Waldenburg:
Dittmannsdorf (Figert)!
Quercus sessiliflora Sm. v. mespilifolia Wallr. Wüstewalters-
dorf: im „Tilgner“ bei Wilhelmsthal (Schröder, S.).
Salix silesiaca Willd. Im nördlichen Theile des Löwenberger
Kreises an einem von Gr.-Walditz nach Hoblstein führenden Wege (Alt)!,
nach dem Finder gewiss nicht angepflanzt. Wie bei Thomaswaldau
merkwürdiges vereinzeltes Vorkommen in der Ebene,
S. Caprea L. Riesengebirge: dicht unter der Riesenbaude (Liebig, $.).
S. acutifolia X Caprea Figert. Schweidnitz: Styriusbrücke
(Schöpke)!
S. purpurea X repens Wimm. Hoyerswerda: Ausstiche bei
Hohenbocka (Barber)!
S. cinerea X aurita Wimm. Breslau: Göpperthain, Schaffgotsch-
garten (Bänitz, $.).
8. cinereaX viminalis Wimm. Breslau: Göpperthain (Bänitz, $.).
Populus iremula L. f. villosa (Lang). Liegnitz: Kuchelberger
Wasserwald (Figert)! Berge bei Heinrichau (Schröder, S.).
Alisma natans L. Ruhland: im städt. Torfbruch, todte Lachen
der Elsterwiesen, sehr häufig im Schwarzwasser (Barber)!, hier fast nur
mit linealen Schwimmblättern vorkommend; Hoyerswerda: Grosser Lug-
teich bei Sabrodt sehr häufig (Barber)! ;
Scheuchzeria palustris L. Bunzlau: Schaukelsümpfe an der
Grossen Tschirne bei Altenhayn (Barber)! |
Potamogeton polygonifolius Pourr. Bunzlau: Ober-Launze und
„Verlorner Graben“ bei Thommendorf, in der Grossen Tschirne, im
„Kleinen Schrems“ bei Mühlbock (Barber).
P. gramineus L. Reichenbach O/L.: Seifersdorfer Teiche (Barber)!
P. obtusifolius M.u. K. Ruhland im Torfbruch; Reichenbach O/L.:
Ullersdorf im Scheibeteich (Barber); Bunzlau: Alte See am Wehr (Alt).
P. irichoides Cham. u. Schldl. Glogau: Edelteich bei Meschkau
(Pinkwart)! a
Calla palustris L. Militsch: Maliers ($.).
Sparganium minimum Fr. Ruhland: Raudenteich bei Hermsdorf;
Hoyerswerda: Graben am Bürgerteich, Torflöcher bei Blunow (Barber)!
Breslau: Drachenbrunn (Eitner, $.).
ee er
II. Abtheilung. Zoologisch-botanische Section. 105
Orchis ustulata L. Steinau: Vorwerk Guhl (Pfeiffer)! Gleiwitz:
Wieschowa (Eitner, $.).
O0. coriophora L. Jauer: Wiesen bei Poischwitz (W, Scholz)!
Guhrau: Nd.-Backen (Nitschke, $.).
O. mascula L., reinweiss; Silberberg: Eckersdorf (Kemer, S.).
O. eambucina L. mit gelblichem Perigon, aber trübpurpurner,
schmal berandeter, gelblicher Lippe, am Hersteinberge bei Langenbielau
(M. Fiek)! Dürfte in dieser Färbung äusserst selten sein, wenigstens
giebt sie M. Schulze in seinen ‚Die Orchidaceen Deutschlands ete,“ (1394)
nicht an,
Platanthera viridis (L.) Lindl. Salzbrunn: gegen Sorgau (S.).
Cephalanihera Xiphophyllum (L. fil.) Reichb, Neumarkt:
Lüttwitzhöhe bei Kadlau (Frl. v. Gregory, 8.).
C. rubra (L.) Rich. Kreuzburg: Sausenberg (Eitner, S.).-
Epipactis violacea Durand. Beuthen: Goy (Eitner, S$.).
Listera cordata (L.) R. Br. Bunzlau: Rev. Gartenfurth der Wehrauer
Heide (Barber)!
Coralliorrhiza innata R. Br. Schmiedeberg: über Hohen-
wiese ($9.).
Gladiolus imbricatus L. Reinerz: Waldhaus (G. Schube, S.);
Breslau: Pleischwitz (Kirchhoff, $.).
Leueoium vernum L. Alt-Rauden (Pfeiffer)! Münsterberg: Mosch-
witz (Eitner, S.).
Galanthus nivalis Z. An der Sonnenkoppe im Eulengebirge in
einer Höhe von nahezu 950 m wohl höchster Standort (M. Fiek); Reinerz
Höllenthal (G. Schube, $.).
Lilium bulbiferum L. Freiwaldau: zwischen Ramsau und
Peterswald (Bänitz, $.).
Gagea minima (L.) Schult. Sibyllenort (Kirchhoff, S.).
Anthericum ramosum L. Militsch: Dachsberg ($.); Ba
Deutsch-Damno (Nitschke, $.).
Ornithogalum umbellatum L. Glogau: bei Dalkau auf Rainen
und in Getreidefeldern (Pinkwart)! Reinerz: @Quellenhaus bei der
Friedriehshöhe (G. Sehube, $.); Breslau: vor Lossen ($.).
-—- O. nutans L. Greiffenberg: Nieder-Wiesa (Kruber); Goldberg:
an der Katzbach bei Neukirch (Pinkwart)!
—+ 0. Boucheanum (Kunth) Aschs. Schweidnitz: Grasplätze bei
Teichenau (Schöpke).
Allium ursinum L. Militsch: zwischen Maliers und dem Caritte-
berge ($.).
Polygonatum officinale All. Oels; Zucklauer Forst; Militsch:
zwischen Schlottau und der Janigmühle (8.); Tarnowitz: Segethwald
(Wossidlo, 8.).
104 ° Jahresbericht der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur.
Colchicum autumnale L. Liebau: unweit des „„Ausgespanns“, bei
300 m (8.).
Juncus tenuis Willd. Bunzlau: Wehrauer Haide an der Wald-
strasse nach Siegersdorf, bei Bienitz (Barber)!; Waldwege westlich vom
Gröditzberge (Pinkwart)!; Breslau: Oswitzer Kirchhof (Dubian t. Ascher-
son, 8.); Carlowitz (Eitner, S$.).
J. Tenageia Ehrh. Station Hohenbocka; Hoyerswerda: Grosser
Lugteich bei Sabrodt; Reichenbach O/L.: bei den Nieder-Seifersdorfer
Teichen mit J. fuscoater (Barber)!
Luzula angustifolia (Wulf.) Garck. Reichenbach: Eichberge
bei Lauterbach (S.).
L. pallescens Bess. Glogau: Annaberg; Goldberg: südwestlich
vom Dorfe Steinberg!, Gottschlingberge (Pinkwart)!; Greiffenberg: Harthe
bei Stöckigt (Kruber)!; Reichenbach: Konradshöhe bei Langseiffersdorf
(M. Fiek)!; Nimptsch: östlich von. Neudeck!! Neumarkt: Lüttwitzhöhe
bei Kadlau ($.).
L. spicata (L.) DC. Seifengrube ($.).
Rhynchospora fusca (L.) R. u. Sch. Reichenbach OjL.: Atten-
teich bei Attendorf; Bunzlau: Thommendorf am Langefurth-Teich und
im Breiten Busch, Mühlbock, Tiefenfurth (Barber)!
Scirpus ovatus Roth. Ruhland: Niedelteich bei Hermsdorf, Barsch-
teich, bei Jannowitz (Barber)!; Niesky: Hammerstadt (Thielscher)!;
Reichenbach O/L.: Arnsdorfer Forst, Nieder-Seifersdorf, Attendorfer
Teiche (Barber)!; Reichenbach i. Schl.: Schilfteich und Bärteich bei
Kittlitzheide (M. Fiek)!
S. multicaulis Sm. Ruhland: Wohl’sche Wiesen, Mattuschkateich,
Holzteich bei Hohenbocka; Hoyerswerda: in grösster Menge am Bober-
holz-, Wiesen-, Grossen Buchholz- und Kleinen Baugatschteich nördlich
von Bergen (Barber)!
S. pauciflorus Lighif. Ruhland: im Sheischeichutenn bei Kroppen
bis 30 cm lang (Barber)! Hoyerswerda: am Bürgerteich nördlich der
Stadt (ders.).
8. Tabernaemontani Gmel. Goldberg: Tümpel in einem Basalt-
bruche des Wolfsberges (Pinkwart)! Breslau: Tschauchelwitz (8.).
S. maritimus L. Ruhland: Niedelteich bei Hermsdorf!; Reichen-
bach O/L.: Jänkendorfer Teiche bei Ullersdorf (Barber)!; Steinau: hinter
dem Damm’schen Schlossgarten (Pfeiffer)!
S. radicans X silvaticus Baenitz. Bunzlau: Zahn’s Lache (Alt)!
Zweiter Standort im Gebiet und erster im en
Schlesien.
Eriophorum vaginatum L. Neisse: Wirsbel (an Se):
Carex pulicaris L. Ruhland: Steigeteich bei Kroppen!; Reichen-
bach O/L.: feuchte Teichwiesen bei Nieder-Seifersdorf (Barber)!; Landes-
hut: Wüsteröhrsdorf auf Klose’s Wiese (Alt)!
II. Abtheilung. Zoologisch-botanische Section. 105
C. pauciflora Lightf. Bunzlau: Wehrauer Heide in Waldsümpfen
am Asselgraben (Barber)!
C. cyperoides L. Ruhland: Niedelteich bei Hermsdorf, Barsch-
teich und am Schwarzwasser bei Jannowitz (Barber)!; Hammerstadt bei
Rietschen (Thielscher)!: Reichenbach O/L.: Attendorfer Teiche (Barber)!;
Reichenbach i. Schl.: Berthelsdorf, Stoschendorf, Bär- und Schilfteich
bei Kittlitzheide (M. Fiek)!
©. ligerica Gay. Hoyerswerda: Zwischen Uhyst und Mohnau!;
Görlitzer Heide: Sandhügel bei Heiligensee (Barber)!
C. paradoxa Willd. Namslau: gegen den Stadtwald (Eitner, $.).
©. tomentosa L. Trachenberg: Gross-Bargen (Schwarz)!
C. moniana L. Glogau: Schliehtsberg der Dalkauer Hügel!
Goldberg: Haasel (Pinkwart)!; Reichenbach i. Schl.: Lerchenberg bei
Olbersdorf (M. Fiek)!
C. filiformis L. Ruhland verbreitet; Reichenbach O/L.: Atten-
dorfer Teiche (Barber); Bunzlau: breiter Bruch bei Thommendorf,
Heiligensee, Torfmoore an der Grossen Tschirne (Barber)!
Hierochloa odorata (L.) Wahlb. Steinau: Tümpel auf dem
‘Anger (Pfeiffer)!
Phleum Böhmeri Wib. f. interruptum Zabel. Namslau: Giesdorf
(Eitner, S.).
Oryza clandestiina A. Br. um Ruhland, Hohenbocka u. s. w.
verbreitet (Barber)!!; Reichenbach O/L. nicht selten (ders.); Reichen-
bach i. Schl.: Schlaupitz, M. Peilau, Teiche bei Habendorf, Weigelsdorf
(M, Fiek).
Calamagrostis villosa (Vill.) Mutel (= C. Halleriana DC.,
Ruhland: Kray bei Lipsa; Bunzlau: Wehrauer Heide häufig (Barber).
Kieferngehölz nordöstlich vom Wolfshainer Parke (Alt)!
C. epigea (L.) Roth var. Hübneriana (Rchb.) (= C. glauca
Rehb., nicht MB.) Trachenberg: Kiefernwald bei Kainowe (Schwarz),
Aira praecox L. Bunzlau: Queisthalränder bei Bienitz,
Thommendorf etc. häufig (Barber); Sprottau: Weg von Kaltenbriesnitz
nach Neugabel!; Goldberg: Gottschlingberge bei Niederau (Pinkwart)!
A. discolor Thuill. Hoyerswerda: sparsam nördlich vom Bürger-
teiche!, Kleiner Baugatschteich nördlich Bergen!, in ungeheurer Menge
im Grossen Lugteiche bei Sabrodt (Barber)!
A. flexuosa Z. Breslau: Süsswinkel ($.).
Avena fatua L. var. subsecunda Uechtr. Haferfelder bei Ober-
Langenbielau (M, Fiek)!
Melica uniftora Retzs. Auf der Südseite des Gröditzberges noch
vorhanden (Pinkwart)!; Goldberg: Steinberg bei Pilgramsdorf (ders.)!;
Reichenbach: Breitenstein bei Olbersdorf!, Lattigberg bei Langenbielau
(M. Fiek)!
8
106° Jahresbericht der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur.
-+- Eragrostis minor Host. Bahnhof Königszelt zw. den Geleisen
(Schöpke).
Poa pratensis L. var. anceps Gaud. Glogau: „Langer Sand“
bei Meschkau; Goldberg: bei Niederau (Pinkwart)!
Catabrosa aquatica (L.) P. B. Namslau: Paulsdorf (Eitner, $.).
Festuca distans (L.) Kunth. Goldberg: Haseler Kalkwerke zahlreich
(Pinkwart)!; auf dem Bahnhofe Königszelt und in dessen Umgebung
(M. Fiek)!
F. sciuroides Roth. Goldberg: Gottschlingberge bei Niederau!,
Südostseite des Wolfsberges!, östlich vom Geiersberge bei Neukirch
(Pinkwart)!
F. heterophylla Lmk. Glogau: Belvedereberg der Dalkaue
Hügel (Pinkwart)!; Goldberg: bei Taschenhof mit Viola mirabilis (ders.)!
Bromus commutatus Schrd. Bunzlau: Warthau, auf einer
Brache südlich der Stimmriche (Alt)!; Liegnitz: Aecker am Bruch
(Figert)!
B. asper Murr. Breslau: Süsswinkel ($.).
B. erectus Huds. Striegau: Bahndamm (Schöpke, $.); Reinerz
Paulsweg (G. Schube, $.).
Elymus europaeus L. Langenbielau: Tiefer Grund (Schöpke, S.).
Lolium multiflorum Lam. f. ramosum Kuntze. Oberglogau:
Thomnitz (Richter, $.).
Pinus uncinata Ram. Bunzlau: im Pfarrbruch bei Thommendorf
mehrfach höhere Stämme beobachtet, als in der Flora angegeben, denn
dort sind solche von 12 bis 15 m Höhe und einem Umfange von
reichlich 1,0 m vorhanden (Barber), vereinzelt, aber jedenfalls ursprünglich
im Asselgrabenmoor, Rev. Gartenfurth (Barber)!
Picea excelsa (Lam.) Link v. alpestris Brügg. ’Riesengebirge :
Forstkamm (8.).
Abies alba Mil. Ruhland: Thiergarten bei Guteborn und be-
sonders im Kray bei Lipsa (Barber)! Fu
Pilularia globulifera L. Hoyerswerda: häufig im Grossen
Lugteiche bei Sabrodt (Barber)!
Lycopodium complanatum L. subsp. anceps Wallr. Bunzlau:
Rev. Gartenfurtn der Wehrauer Heide (Förster Andersch t. Barber);
Bärmersgrund im Eulengebirge (M. Fiek)! Militsch: Gugelwitz (S.).
Equisetum maximum Lmk. var. serotinum A. Br. Sumpfige
Stellen des Zobtenwaldes oberhalb Kl.-Silsterwitz (M. Fiek)! —
v. breve Milde. Reinerz: Weistritzthal (Bänitz, $.).
E. pratense Ehrh. Gleiwitz: Rachowitz (Eitner, S.).
Botrychium matricarifolium A. Br. Gr.-Strehlitz: Warmuntowitz
(Eitner, $.). |
Polypodium vulgare L. Gogolin: Sackrauer Berg (Schmula, $.).
II. Abtheilung. Zoologisch-botanische Section. 107
Phegopteris Robertiana A. Br. Silberberg: Festungswerke
(Eitner, $.):
Phegopteris polypodioides Fee. Reichenbach O/L.: Arnsdorfer
Forst; Bunzlau: Wehrauer Heide an mehreren Stellen (Barber)! Militsch:
Hedwigsthal, Lahse (S.).
Aspidium cristatum (L.) Sw. Ruhland: Steigeteichmoor bei
Kroppen häufis (Barber)!; Haynau: Gehölz unweit des Reisichter
Schlosses (Alt)!
A. montanum (Vogler) Aschs. hHeichenbach O/L.: Arnsdorfer
Forst häufig, Mengelsdorfer Forst; Bunzlau: Wehrauer Heide im Rev.
Pechofen (Barber)!
A, Filix mas (L.) Sw. v. deorsolobatum Moore. Reinerz: am
Weissfloss (Bänitz, $.).
A. Thelypteris (L.) Sw. Breslau: Strachate (Kitner, $.).
Asplenium Serpentini Tausch. Reichenbach: Konradshöhe bei
Nieder-Langseiffersdorf!, Kuchenberg bei Schlaupitz (M. Fiek)!
A. Trichomanes L.. Gogolin: Sackrauer Berg (Schmula, S.).
Blechnum Spicant (L.) With. Lauban: Waldeck; Trebnitz:
zwischen Birnbäumel und Kl.-Ujeschütz (S.).
Allosorus erispus (L.) Bernh. Am Schneekoppenkegel gegen die
Melzergrube!! Schreiberhau: Hochstein (H, Limpricht, $.).
4
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Schlesische Gesellschaft für vaterländische Gultur.
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73. Il. Abtheilunge.
Jahresbericht. Naturwissenschaften.
1895. c. Section für Obst- und Gartenbau.
Bericht über die Thätigkeit der Section für Obst- und
Gartenbau im Jahre 1895.
Von Geh. Justizrath Biernacki,
erstem Secretair der Section.
Der Mitgliederbestand hat sich im Wesentlichen nicht geändert.
In den Verwaltungsvorstand trat an Stelle des im December 1894
verstorbenen Oberstabsarzt a. D. Professor Dr. Schröter der Apotheker
Mortimer Scholz.
In der Einrichtung des Versuchsgartens der Section wurde nichts
geändert.
An die Mitglieder der Section wurden, wie in den Vorjahren,
Sämereien unentgeltlich vertheilt im Preise von 150 Mk.
Die Leitung des Lesezirkels besorgte wie bisher der Apotheker
Mortimer Scholz.
Die Section hielt im Berichtsjahre acht Sitzungen, theils im Vereins-
lokale in der alten Börse, theils im Seetionsgarten ab, die aus Vorträgen,
Demonstrationen und Besprechungen ausgefüllt wurden; die ersteren
werden nachstehend dargestellt:
In der ersten Sitzung vom 21. Januar sprach der städtische
Promenadeninspector Richter über:
" Baumanpflanzungen in den Strassen.
Die Bäume in den Strassen dienen den Strassen und Promenaden
nicht allein zur Zierde und um Schatten vor sengender Sonne zu geben,
sondern auch in hygienischer Hinsicht spielen sie eine gewichtige Rolle,
da sie eine Menge Kohlensäure verarbeiten und somit die Luft ganz un-
gemein verbessern. Um nun eine einheitliche Strassenbepflanzung durch-
führen zu können, ist es vor allem erforderlich, dass die Stadtgemeinde
‚allein das Recht hat, Bäume in den Strassen zu pflanzen, eventuell dass
Bäume, welche bereits gepflanzt sind, in den Besitz der Gemeinde über-
gehen, welche auch deren Pflege übernimmt. In unseren östlichen Pro-
vinzen gehören nach dem Städtegesetz nur die Strassenkörper der Ge-
1895. 1
7;
) Jahresbericht der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur.
meinde, während die Fusswege längs der Häuser im Besitz der Grund-
eigenthümer sind, die jedoch für die Reinigung sowohl des Strassen-
körpers wie des Bürgersteiges Sorge zu tragen haben. Hieraus ergiebt
sich, was es von vorn herein für Schwierigkeiten macht, eine Strasse
einheitlich zu bepflanzen; jeder Hausbesitzer hat das Recht, Einspruch
zu erheben, und die Stadtgemeinde ist in einem solchen Falle nicht be-
rechtigt, selbst wenn alle anderen Besitzer zustimmen, Bäume vor seinem
Hause anzupflanzen. Andrerseits darf ein Hausbesitzer Bäume vor seinem
Hause pflanzen, auch wenn der Bürgersteig nach fachmännischem Urtheil
zu ‘schmal ist, z. B. bei 3,0 m Breite, ohne dass die Stadtgemeinde
Einspruch erheben kann, da der Strassenverkehr der Polizei unterstellt
ist. Ein Strassenbaum, namentlich im Innern der Stadt, erfordert aber
eine ununterbrochene regelmässige Pflege, bestehend im Auflockern des
Bodens, mindestens dreimaligem Giessen während des Sommers, und
Schneiden, Auslichten seiner Zweige zur Erzielung einer schönen Krone.
Alle diese Arbeiten müssen einheitlich durchgeführt und einer fortgesetzten
Controle unterworfen werden.
Bäume dürfen nur in denjenigen Strassen gepflanzt werden, welche
5 m breite Fusswege eventl. einen Promenadenweg inmitten vorsehen.
Sind Vorgärten vorhanden, so genügen 4 m Breite, doch darf die Strasse
alsdann keine Hauptverkehrsstrasse sein. Zur Erzielung schöner Strassen-
bäume sind folgende Punkte zu berücksichtigen: a. Genügende Entfernung
von den Gebäuden. b. Genügende Entfernung vom Strassendamm.
c. Ein mindestens 1 qdm grosser Baumkranz zur ständigen Luft- und
Nahrungszufuhr. d. Die Anpflanzung gesunder, kräftiger Bäume in den
geeignelsten Baumarten und ununterbrochene Pflege der Bäume.
a. Genügende Entfernung von Gebäuden. Ein normal ge-
wachsener, mittelgross werdender Baum braucht von seinem Stamm
3—4 m weit Platz, um sich entwickeln zu können. Wo nun der Bürger-
steig nicht 5 m Breite besitzt, werden bald Klagen und Gesuche der
Hausbewohner laut, welche ein theilweises Zurückschneiden sog. Kappen
der Baumkrone beanspruchen, da die Blätter und Zweige das Tageslicht
beeinträchtigen. Ein solches Kappen verursacht aber nicht allein ein
schlechtes Aussehen der so verstümmelten Bäume, sondern dieselben
gehen in der Regel in wenigen Jahren an schlechter Safteirkulation,
Pilzen u. s. w, zu Grunde. Es ist daher erwünscht, dass Bäume nicht
näher als 4 m von den Hausfronten gepflanzt werden. Sind Vorgärten
vorhanden, so dürfen die Bäume nie näher als 3 m von der Aussenmauer
entfernt sein, da sonst der Fussverkehr allzusehr verengt wird.
b. Genügende Entfernung vom Strassendamm. Die Aeste
der Bäume dürfen den Wagenverkehr der Strassen nicht stören, die
Strassenbeleuchtung darf durch sie nicht beeinträchtigt werden. Die
Laternen stehen gewöhnlich '/, bis ®/, m von der Bordkante entfernt,
x
II. Abtheilung. Obst- und Gartenbau-Section. 3
die Bäume dürfen nicht in dieselbe Reihe, sondern mindestens Y, m
hinter die Laternen nach den Häusern zu gepflanzt werden. Für die
Bäume bietet dieses Weiterabpflanzen von der Bordkante noch den Vor-
theil, dass die Wurzeln nicht so durch die Erschütterung des Wagen-
verkehrs leiden und dass auch mehr Platz zwischen Stamm und Bord-
kante gewonnen wird, um guten nahrhaften Boden einzufüllen, sodass
sich die Wurzeln auch nach der Strassenseite zu entwickeln und so die
Bäume auch widerstandsfähiger gegen die Stürme machen können. In
den letzten Jahren ist nun, um ein freudiges Gedeihen der Bäume zu
sichern, so verfahren worden, dass ein zusammenhängender Erdkoffer
von 2 m Breite und 1,50 m Tiefe aus nahrhaftem Ackerboden eingebracht
bezw. aufgesetzt worden ist, wo Bäume gepflanzt werden sollen.
e. Ein genügend grosser ungepflasterter Raum für die
Baumscheibe, in deren Mitte der Baum zu stehen kommt. Der für
die Pflanzgruben frei zu lassende Raum soll mindestens 1 qm be-
tragen und eine Umpflasterung desselben mit 10 cm grossen Granit-
würfeln erscheint am geeignetsten. Die Durchführung einer bestimmten
Form dieser Baumschüsseln wäre den Hauseigenthümern aufzuerlegen und
zwar kreisförmig, sobald die Bäume weiter als 1,5 m vom Bordstein
entfernt sind, was immer bei zwei Reihen von Bäumen für die den
Häusern zunächst liegenden der Fall sein wird, so z. B. auf der Kaiser
Wilhelmstrasse hinter der Augustastrasse, halbkreisförmig mit der offenen
Seite nach der Bordkante zu, wenn der Baum nur bis 1,5 m weit vom
Bordstein entfernt ist. Als Hauptsache für das spätere Gedeihen des
Baumes empfiehlt es sich, noch ehe der Fussweg befestigt wird, dafür
zu sorgen, dass jeder neu zu pflanzende Baum mindestens 3,5 ebm nahr-
haften Boden erhält, welcher eventuell aus dem Fahrdamme gewonnen
und ohne erhebliche Kosten auf den Fussweg herübergesetzt werden
kann. Noch besser allerdings ist es, wenn, wie schon vorn erwähnt,
_ ein zusammenhängender Erdkoffer von dem gewöhnlich in dem Fahr-
damme vorhandenen nahrhaften Boden hergestellt wird. Leider werden
zuweilen schon bestehende Baumreihen, welche vor der Bebauung an-
gepflanzt wurden, durch spätere Fusswegbefestigung zu Grunde gerichtet.
Die Gräbsehnerstrasse z. B. besass noch theilweise ganz kräftig ent-
wickelte Linden bis 30 cm Stammstärke, welche in dem urwüchsigen
Kräutereiboden reichlich Nahrung finden, leider werden aber fast sämmt-
liche Fusswege daselbst mit Cement- oder Asphaltestrich hergestellt,
sodass nicht allein das Eindringen von Niederschlägen verhindert, sondern
auch jeglicher Luftzutritt zu den Wurzeln abgeschlossen wird. Eine
zweite Ursache des Absterbens starker Bäume ist das Einschütten (Ver-
schütten), welches bei Neupflasterungen häufig durch Höherlegen des
Strassenprofils geschieht. Auf der 1000 m langen, mit vier Reihen Acer
dasycarpum bepflanzten Thiergartenstrasse sind streekenweise die Bäume
1*
4 Jahresbericht der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur.
bis 1 m tief verschüttet worden, Sie werden allerdings durch offen ge-
haltene Baumscheiben um den Wurzelhals einstweilen vor dem Vertrocknen
behütet, doch wird sich dies Offenhalten der Löcher auf die Länge der
Zeit nicht durchführen lassen. Auch hier wird ein allmähliches Ab-
sterben die Felge sein, sodass in wenig Jahren die schönste und einzige
vierreihige Allee nur noch theilweise vorhanden sein dürfte.
d. Die Anpflanzungen der geeignetsten Baumarten und
die ununterbrochene Pflege der Bäume. Es sollen nur solche
Baumarten angepflanzt werden, welche der trockenen Luft und dem
Rauche widerstehen und den Verwüstungen der Insekten wenig aus-
gesetzt sind. Für eine Fusswegbreite von —5 m eignen sich: Crataegus
oxyacantha nebst Varietäten, und Robinia Pseud-Acacia incomis, Kugel-
akazie; für Fusswege von 5—6 m Breite: Tilia euchlora (dasystyla)
+r Krimlinde, T. tomentosa, ungarische Silberlinde, T. alba, abendländische
Silberlinde, T. vulgaris, kleinblättrige Linde. (Nicht eignet sich bei uns
die grossblättrige Linde, Tilia platyphyllos, da sie sehr leicht von der
rothen Spinne befallen wird und häufig Anfang August schon blattlos da-
steht), ferner Ulmus montana, grossblättrige Rüster, U. montana gigantea
+r, U. vegeta, starkwüchsige Rüster +}, Aesculus Hippocastanum fl. pl.
Rosskastanie, A. rubicunda +}, Acer dasycarpum, Zuckerahorn, A. plata-
noides, Spitzahorn, A. plat. purpureum Reitenbachii, A. plat. Schwedleri,
A. Pseudo-Platanus, Bergahorn, A. Pseudo-Platanus fol. purpureis, A.
Späthii, Fraxinus americana, amerikanische Esche, Fr. juglandifolia;
e. Fusswege über 6', m: Platanus orientalis, Acer Pseudo-Platanus,
A. platanoides, Tilia dasystyla, Ulmus montana, U. mont. gigantea, U,
vegeta, Acer dasycarpum. Bäume, welche ausserhalb der Stadt und auf
den Oderdämmen zur Anpflanzung empfehlen, sind: Quercus peduneculata,
Qu. rubra, Qu. coceinea, Qu. palustris, Qu. tinetoria, Fagus silvatica,
F. silv. atropurpurea, . Liriodendron tulipifera. Die Pflanzweite der
Bäume unter sich würde bei den kleineren 4—5 m, bei den mittleren
6—7 m und bei den grossen 7—8 m betragen müssen.
Mit dem Pflanzen der Bäunie ist es aber allein noch nicht gethan,
sondern jeder Baum erfordert eine ununterbrochene Pflege: 1) ein
wenigstens in den ersten zehn Jahren nach der Pflanzung alljährlich
drei Mal zu wiederholendes gründliches Giessen der Bäume und ent-
sprechendes Auflockern der festgetretenen Erde in dem Baumkranze;
2) ein alljährliches, wenigstens in den ersten drei Jahren nach der
Pflanzung zu wiederholendes Zurückschneiden der sogenannten Jahres-
triebe und Ausdünnen der Krone.
Die Kosten der Anpflanzung eines Strassenbaumes mit
Aufwerfen eines Baumloches ohne zusammenhängenden Erdkoffer stellen
sich folgendermassen: Für ein Baumloch von 15 m Durchmesser und
II. Abtheilung. Obst- und Gartenbau-Section. 5
1 m Tiefe, 3,5 cbm schlechten Boden heraussetzen und mit angefahrenem
gutem Boden präpariren 1,50 Mk., 2 cbm guten beschaffen, anfahren
3,00 Mk., den schlechten Boden 2 cbm = 1 Fuhre abfahren 1,50 Mk.,
den Baum ankaufen, pflanzen, schneiden u. s. w. 3,00 Mk., ein Baum-
pfahl 0,50 Mk., ein Baumschutzkorb 1,25 Mk., zusammen 10,75 Mk.
Berlin stellt in seinen Promenadenetat 15,00 Mk. für jeden anzupflanzen-
den Baum ein, Paris aber 64 Fres. — 51,20 Mk.
Nirgends haben wohl gärtnerische Anpflanzungen mit so grossen
Schwierigkeiten zu kämpfen als die Baumanpflanzungen in den öffent-
lichen Strassen grosser Städte. Sind endlich die Mittel bewilligt, und
ist die Zustimmung der Hausbesitzer und Behörden erreicht, so heisst
es, den unterirdischen Feinden der Baumwurzeln aus dem Wege zu
sehen; Gas- und Wasserleitungen und in der letzten Zeit noch Telephon-
und Blektricitätskabel liegen unter den Fusswegen der Strassen; hierzu
treten noch die Hausanschlüsse, sodass häufig, wenn auch die nöthige
Breite für Baumpflanzungen vorhanden ist, doch davon abgesehen werden
muss. Der schlimmste Feind, und sicher den Tod herbeiführend, sind
Gasausströmungen. In der Späthschen Baumschule in Rixdorf sind die
weitgehendsten Versuche damit gemacht worden, und es hat sich ergeben,
dass Platanen, Kastanien, Linden und Eichen, auch jeder andere Baum
in kürzester Zeit vergiftet werden und absterben. Selbst im Winter,
in der Ruhezeit der Bäume, wirkt Leuchtgas tödtlich; die desinfieirten
Bäume machen wohl noch einen kümmerlichen Frühjahrstrieb, doch schon
im Juni stehen sie blattlos da, um nie wieder auszutreiben. Wird auch
der mit Gas geschwängerte Boden bei Neuanpflanzungen entfernt und
durch frischen Boden ersetzt, so hält dies nicht lange vor, noch in der-
selben Pflanzperiode ist das Erdreich wieder von Gas durchdrungen,
und der Baum stirbt ab. Ist es nicht möglich, die undichte Stelle im
Gasrohr zu finden, was in den meisten Fällen mit unendlichen Schwierig-
keiten verknüpf: ist, so muss auf weitere Ergänzung der Bäume ver-
zichtet werden. Ein anderer Uebelstand ist das Anfahren der Bäume,
wobei fast immer eine erhebliche Beschädigung des Stammes, häufig
aber auch ein vollsändiges Wegbrechen des Baumes und Pfahles statt-
findet. Auf nicht verkehrsreichen Strassen, besonders in der Nähe von
Brauereien und Schanklokalen, finden die Bäume einen sicheren Tod
durch Verunreinigungen. All diesen Uebelständen hat sich nun in den
letzten Jahren noch ein weiterer zugesellt, von dem zu befürchten ist,
dass er allmählich alle Strassenbäume tödten wird. Es ist dies das
. Streuen mit dem sogenannten gefärbten Viehsalz, welches das Schmelzen
des Schnees befördert. Es wirkt ebenso vernichtend wie das Leucht-
gas; die Bäume treiben zwar im Frühjahr nochmals aus, sterben jedoch
bald ab.
{or}
Jahresbericht der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur.
In der zweiten Sitzung vom 11. März wurde zunächst der
Kassenbericht vorgetragen und dem Kassenführer, Verlagsbuchhändler
M. Müller, Decharge ertheilt.
Demnächst trug der Apotheker Mortimer Scholz vor:
Ueber Verholzungen der Blüthenstengel einiger krautartiger Culturpflanzen.
Im Laufe des verflossenen Sommers und Herbstes beschloss ich ein
Augenmerk auf die Holzbildung resp. Verholzung der Blüthenstengel der
krautartigen Pflanzen zu richten, um so mehr, als ich wohl hoffen durfte,
dass auch diese bei weitem ausgebildeter sein würde, als in andern
für sie weniger günstigen Jahren.
Und in der That, ich hatte mich nicht getäuscht. Der einigermassen
aufmerksame Beobachter konnte in der herangetretenen Jahreszeit, gleich
mir, beispielsweise prachtvolle Exemplare unserer sogenannten Unkräuter
finden, in einem Stadium der Entwickelung und mit Verholzung der
Blüthenstengel, wie man sie ähnlich selten zu sehen Gelegenheit haben
dürfte. Waren nun bei ein- oder zweijährigen Pflanzen die
Witterungsverhältnisse des Frühlings- und Sommers zum allergrössten
Theil für ihre grandiöse Entwickelung massgebend, so trat bei aus-
dauernden, krautartigen Pflanzen zur etwaigen Erhaltung eines vor-
jährigen, bereits fructifieirten Blüthenstengels noch das milde Temperatur-
verhältniss hinzu, wie es der vorangegangene Winter von 1893 zu 94
aufwies, welches das Erfrieren der sich zufällig in geschützten Lagen
befindlichen betreffenden Theile verhinderte.
Um nun zunächst einige Beispiele aus der Gruppe der annuellen,
wildwachsenden Pflanzen anzuführen, Beispiele für ausnahmsweis
starke Entwiekelung, so wäre zu allererst die weisse Melde, Chenopodium
album zu nennen, von welcher ich im Sommer 1894 auf Schutthaufen
zerfallener Ziegelstücke Exemplare von ein und dreiviertel Meter Höhe
mit einem Stammdurchmesser von 4 Centimeter oder anderthalb Zoll
fand. Die Holzbildung bei diesen Pflanzen war sehr bedeutend, theil-
weise sogar eine vollständige. Grosse Entwickelung der Holzbildung
fand sich auch bei dem einjährigen schwarzen Nachtschatten Solanum
nigrum. Diese Pflanze, sowie der ausnahmsweise ebenso stark ent-
wickelte Ruttich, Polygonum lapathifolium, zeigten Dimensionen, die
geradezu staunenerregend waren; ich sah von beiden Pflanzen Exemplare
von einer Elle Höhe und ähnlich grosser seitlicher Ausdehnung. Die
Verholzung der sonst sehr weichen, saftigen Stengel war an der Basis
sehr oft eine fast vollständige. Von einjährigen, wilden Holzbildnern
wäre noch der Wegesenf, Sisymbrium officinale, zu nennen und das
Bilsenkraut, Hyoscyamus niger. Von ausgesprochen zweijährigen, wild-'
wachsenden Pflanzen beobachtete ich, stark und holzig entwickelt,
den Natterkopf, Echium vulgare, das Spinnenkraut, Senecio Jacobaea
II. Abtheilung. Obst- und Gartenbau-Section. 7
und den gelben und weissen Steinklee, Melilotus offieinalis und albus.
Von letzteren beiden gab es im Herbste 1894 Exemplare von 1'/, Meter
Höhe und den entsprechenden Dimensionen. Ein Ihnen vorzulegendes
Stengelstück, rein holziger Natur, zeigt getrocknet noch einen Durch-
messer von 4'), Centimeter, war aber frisch bedeutend dicker. Was
endlich die ausdauernden, krautartisen Pflanzen unserer Gegend anbetrifft,
so fanden sich viele nicht weniger entwickelt vor als die vorgenannten
ein- und zweijährigen. Ich mache hier nur auf die Klette aufmerksam,
Arctium Lappa, auf das behaarte Weidenröschen, Epilobium hirsutum,
auf das Herzgespann, unser dörfliches Unkraut, Leonurus Cardiaca, und
endlich auf den Rainfarrn, Tanacetum vulgare. Bei allen ist starke Ver-
holzung der Stengel wahrnehmbar; bei dem Rainfarrn ist dieselbe sogar
eine oft ganz vollständige, und das Mark in den Stengeln verschwunden.
Von ausdauernden, krautartigen, jedoch schon halb strauchförmigen
Pflanzen mit überwinterten vorjährigen Blüthenstengeln, bei denen eine
sehr dichte und vollständige Holzbildung zu bemerken war, sind zu ver-
zeichnen: die Schafgarbe, Achillea millefolium, die Rosenpappel, Malva
Aleea, und das Johanniskraut, Hypericum perforatum.
Fand sich nun, wie wir gesehen haben, die durch günstige Ver-
hältnisse hervorgerufene, bedeutende Entwickelung der wildwachsenden
Pflanzen unserer Gegend sehr geeignet zur vermehrten Bildung des Holz-
stoffes, so konnte diese Thatsache wohl in gleichem, ja in erhöhtem
Maasse bei der Klasse der Culturpflanzen wahrgenommen werden,
Bei einer Betrachtung dürfte es sich empfehlen, von ihrer Vege-
tationsdauer einstweilen abzusehen und sie, zunächst in natürliche
Familien gebracht, der Reihe nach aufzuzählen, selbstredend mit Aus-
schluss absoluter Vollständigkeit, da meine Plauderei nur als Skizze
gelten soll.
Beginnen wir mit den Gramineen. Unter diesen ist allein der
türkische Weizen, Mais oder Kukurutz, Zea-Mais zu nennen, welcher
in seinen unteren Schachtgliedern verholztes Zellgewebe aufweist. Von
Cannabinaceen zeigt der, gleich dem Mais einjährige, Hanf starke Ver-
holzungen. Ganz holzige Stammstücke, welche mir zu Gesicht gelangten,
hatten einen Durchmesser von 5 Centimeter im frischen Zustande, welcher
sich beim Trocknen jedoch auf 4 Centimeter reducirte. Von den zur
Familie der Chenopodiaceae gehörigen Runkelrübe und ihren Varietäten:
Mangold, Zuckerrübe u. s. w. wird der Blüthenstengel oft neun Meter
hoch und verholzt sich bedeutend, namentlich dort, wo er der Rübe
entspringt. Eine in unserer Gegend durch mehrere Culturpflanzen ver-
tretene Familie ist die der Korbblüthler, der Compositen. Wir finden
unter ihnen zunächst die Cichorie, Cichorium Intybus, welche indessen
auch wild häufig angetroffen wird. Der Blüthenstengel, namentlich der
angebauten Cichorie, verholzt ungemein und nimmt auch selbstredend
S Jahresbericht der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur.
ganz andere und viel bedeutendere Dimensionen an als der ihrer wild-
wachsenden Schwester. Eine andere Culturpflanze dieser Familie ist
der Kopf- oder Häuptelsalat nebst seinen vielfachen sich in Cultur be-
findliehen Varietäten. Die Verholzung des Kopfsalatstengels ist nicht
bedeutend und deutlich erkennbar nur an seinem untersten Ende. Beim
Eintrocknen der gewaltigen Saftfülle dieses Stengels verliert der-
selbe seine Rundung, indem er sich faltig zusammen zieht; das Holz
ist gelb und hart. An dieser Stelle seien zunächst noch Helianthus
tuberosus und des Helianthus annuus, der Topinambur und die Sonnen-
rose erwähnt. Der Erstere, welcher ausdauernd ist, bildet in den
Stengeln ein die Markschicht umgebendes, ungemein hartes, schmutzig
selbliches Holz, wohl das härteste unserer Stauden neben dem
des Rainfarrn. Weniger hartes Holz bildend, aber interessant durch
ihr ungemein starkes Wachsthum und die dabei eintretende mächtige
Holzbildung, mit dichten, deutlichen Markstrahlen, ist die einjährige
Sonnenrose, Helianthus annuus. Dass der Stengel zum Spazierstock zu-
rechtgeschnitten und als solcher, bemalt und lackirt, Verwendung findet,
ist nichts Neues. Ich selbst bin in der Lage trockne Querschnitte davon
vorzulegen, welche 7, ja selbst 10 Centimeter Durchmesser haben.
Wir beschliessen hiermit das Kapitel über die sich verholzenden Cultur-
pflanzen unter den Compositen und gehen zu denen der Familie der
Crueiferen über. Diese ist reich an derartigen Pflanzen und namentlich
ist es die Gattung Brassica, welche für uns besonders nutzenbringend
ist. Die Pflanzen der Gattung Brassica sind durchweg zweijährig,
werden aber sehr häufig nur einjährig cultivirt. Es sind dies: Brassica
Napus, der Raps; Brassica Rapa, die weisse Rübe; und endlich Brassica
oleracea, der Gemüsekohl, welcher in vielen Varietäten, als: Kopfkohl,
Wirsing, Rosen-, Blatt- und Blumenkohl, einen hedeutenden Artikel des
Anbaues repräsentirt. Hierher gehört auch eine andere Varietät des
Gemüsekohls, nämlich der Kohlrabi, Brassica oleracea var. gongylodes,
Bei Brassica Napus, dem Raps, finden wir den Blüthenstengel im
Herbste leicht verholzt und meist noch mit vorhandener Markröhre ver-
sehen. Bei den übrigen Brassicasorten verholzt der Blüthenstengel eben-
falls; jedoch haben wir bei den Varietäten der Brassica oleracea nicht
erst dessen Bildung abzuwarten; denn wir finden eine oftmals schon
ganz bedeutende Verholzung bereits am Strunk oder Stiele, welche ihnen
zum Halte dienen. Die Verholzung beginnt bei den stärkeren Wurzeln
und setzt sich ein Stück oberhalb derselben im Strunke fort. Sehr
schöne und dichte Verholzung zeigt namentlich der Rosenkohl. Das
Holz der Gemüsekohlarten ist feinfaserig, sehr dicht und schön goldgelb.
Sicherlich nimmt es bei vollständigster Austrocknung eine schöne Politur‘
an und es wäre ein Mobiliar davon, mosaikartig zusammengesetzt, gewiss
für Raritätenliebhaber etwas ganz besonderes. Beim Trocknen schwindet
a
II. Abtheilnng. Obst- und Gartenbau-Section. 9
das Holz — selbst nach längerer Zeit noch — durch den ganz all-
mählichen Verlust seines Wassergehaltes und des reichlich vorhandenen,
übel riechenden, schwefelhaltigen ätherischen Oeles, an welchem es noch
lange zu erkennen ist.
Wir gelangen nun zu den Umbelliferen, denen manche Culturpflanzen
angehören. Ich erinnere nur an den Kümmel, Sellerie, Fenchel und
Pastinak. Bei diesen Pflanzen zeigt der Stengel nur selten eine ge-
schlossene Verholzung, vielmehr bleibt er meistentheils röhrig und besitzt
nur eine am inneren Rande abgelagerte, verholzte Zellenschicht. Eine
ähnliche verholzte Zellenschicht findet sich, deutlich erkennbar, bei
der zu der Familie der Schmetterlingsblüthlern gehörigen Grossen- oder
Saubohne, Vicia Faba, deren Stengel sich auch an der Basis fast
niemals in Holz umwandeln, während man umgekehrt diese Er-
scheinung sehr ausgesprochen bei der gewöhnlichen Bohne,. Phaseolus
vulgaris, wahrnehmen kann. Der Stengel dieser Pflanze erscheint ein
kleines Stück oberhalb der Wurzel stets vollständig verholzt; höchstens
bleibt ein kleiner Hohlraum unausgefüllt. Schwach verholzt sich auch
die Lupine und zwar nur an der Basis des Stengels. Mit der Familie
der Malvaceen ist der Schluss meiner Skizze erreicht. Erwähnenswerth
ist in dieser Familie nur die einjährige Malva crispa, die manchmal
auch als Gemüsepflanze angebaut wird. Sie entflieht bisweilen den Gärten
und tritt oft ganz plötzlich in irgend einem Gemüsegarten auf, wo sie
sich bald etablirt und selbst in mässig gutem Boden ohne Pflege riesige
Dimensionen annimmt. Ich fand von ihr zuletzt im Lissaer Gemüse-
garten ein Exemplar von annähernd 2 Meter Höhe und bedeutender
Stammstärke. Der Stamm der Pflanze ist zwar stark mit Wasser ge-
füllt, hat aber namentlich im unteren Theile ein strahlich aufgebautes
Holzgerippe.
Als Sehlussbetrachtung erlaube ich mir noch zu bemerken, dass,
da die soeben besprochene Gemüsemalve und die bereits vorher er-
wähnte Sonnenrose wohl als die stärksten Holzbildner unter den ein-
jährigen Pflanzen unserer Gegend anzusehen sind, es wohl nicht zu den
Unmöglichkeiten gehören dürfte, beide bei grosser Anzucht als aushilfs-
weises Heizmaterial benützt zu sehen. Vielleicht kauft man späterhin
bei immer knapperem Waldbestande als Material zur Kohlenentzündung
statt Fichten- oder Kieferholz das Holz der Sonnenrose oder Malve.
In der vierten Sitzung am 10. Juni sprach Herr Landesbau-
inspector Sutter
"Veber die Düngung der Obstbäume und Fruchtsträucher sowie über das
von ihm construirte und patentirte Locheisen
unter Vorlegung desselben. Herr Sutter führte in seinem Vortrage
etwa Folgendes an:
10 | Jahresbericht der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur.
Dass die Ausnutzung aller zum Feldanbau nicht geeigneten Boden-
flächen für die Landwirthschaft durch Anpflanzung von Obstbäumen
und Fruchtsträuchern am einträglichsten werden kann, ist vielfach schon
nachgewiesen, doch erfordern auch die Obstpflanzungen ebenso, wie der
Bau von Feldfrüchten eine sorgsamere Pflege und namentlich eine bessere
Düngung.
In den letzten dreissig Jahren sind in Schlesien sowohl von dem
Communal -Verbänden, wie von einzelnen Besitzern schon bedeutende
Anpflanzungen von Obstbäumen an Strassen, in Gärten und Plantagen
ausgeführt worden, weil sich die Erkenntniss immer mehr Bahn
gebrochen hat, dass das Obst sowohl in rohem, wie gekochtem Zu-
stande, — sowohl für Erwachsene wie für Kinder und selbst für Kranke
— ein gesundes, wohlschmeckendes und leicht verdauliches Nahrungs-
mittel ist.
Auch ist die Conservirung des Obstes und die Herstellung von
Getränken daraus schon ein lohnender Erwerbszweig geworden und
könnten durch regelmässigere Obsternten auch viele Menschen beschäf-
tigt und dem Lande viele Millionen erhalten werden.
Und wie herrlich sieht eine Landschaft aus mit blühenden oder mit
Früchte tragenden Obstbäumen, namentlich an den Landstrassen.
Welches Glück und welche Zufriedenheit wird häufig in das Volks-
leben hineingetragen durch die Schaffung und Bebauung eines Haus- und
Fruchtgartens und wie erziehend und veredelnd wirkt die Bebauung
und Pflege des Gartens und der Pflanzungen auf die Erwachsenen und
die Kinder,
Unsere edelsten deutschen Fürsten haben den Obstbau zu fördern
gesucht, so z. B. Kaiser Karl der Grosse.
Der grosse Kurfürst hatte z. B. verordnet, dass bei jeder Ehe-
schliessung 6 Obstbäume gepflanzt werden mussten.
Aber auch Friedrich der Grosse und unser Kaiser Wilhelm I. und
Kaiser Friedrich haben den Obstbau sehr unterstützt.
Der Vortragende kann dies aus eigener Erfahrung bestätigen, indem
der Kaiser Friedrich i. J. 18387 noch als Kronprinz durch den landwirth-
schaftlichen Minister, Herrn Freiherrn von Lucius, Excellenz, die An-
nahme und Vertheilung einer von dem Vortragenden gezeichneten Plakat-
tafel für die Schulen: „Kurze Anleitung zur erfolgreichen Pflanzung
und Pflege der Obstbäume“, welche ich der Section schon früher bei
einem Vortrage vorgelegt habe, gewünscht hatte.
Unsere Herren Landwirthe in Schlesien betreiben im Allgemeinen
den Obstbau nicht mit solcher Vorliebe, wie diejenigen in Süd- und
West-Deutschland, weil sie der Ansicht sind, dass das Klima bei uns
dem Massenanbau von Obst nicht günstig, weil die Ernten zu unregel-
II. Abtheilung. Obst- und Gartenbau-Section. 11
mässig und unsicher und weil die Verwerthung des Obstes zu schwierig
und nicht lohnend genug sei.
Diesen Vorurtheilen haben schon mehrere hierzu berufene Pomo-
logen in der Provinz, wie z. B. der Königliche Gartenbau - Director
Haupt zu Brieg, auch durch Aufsätze in der Schlesischen Zeitung zu
begegnen gesucht und durch Beispiele von ganz ausserordentlichen Fr-
trägen von Öbstanlagen den Beweis geliefert, dass fast keine Frucht
so reichen Nutzen liefern kann, als wie der Obstbaum.
Auch der Vortragende hat schon in früheren Jahren durch An-
führung der jährlichen Obstpachterträge von den Chaussee - Bäumen,
welche er gepflanzt und gepflegt hatte, den Nachweis erbracht, dass das
Anlagekapital der gepflanzten Obstbäume sich im Durchschnitt auf 50
bis 94 Procent jährlich verzinst hat in den Kreisen Münsterberg und
Grottkau.
Wie Ihnen vielleicht bekannt geworden, — sind in mehreren
Kreisen Schlesiens die Obstrenten seither auch bedeutend gestiegen,
namentlich im Kreise Breslau, Strehlen, Nimptsch und Striegau.
Da ich in den mir durch das Vertrauen unserer Heimaths - Provinz
zur Verwaltung anvertrauten Bezirken meistens nur den Massen - Anbau
von Obstbäumen betreibe, so ist es mein Bestreben gewesen, auch nur
dafür geeignete Maassnahmen zu treffen, welche nicht zu grosse Kosten
für die Pflege der Bäume erfordern und doch schon sehr günstigen Bin-
fuss haben.
Wer aber auf hierzu geeigneten kleineren Flächen intensiven Obst-
bau rationell betreibt, und die Bäume sachgemäss pflanzt und pflest,
namentlich wenige und bessere Sorten, wie Gravensteiner, Weisser
Calville, Engl. Gold - Parmaine, Schöner von Booskop und Virginischer
Rosenapfel, — dürfte bei kaufmännischer Verwerthung reichlichen
Nutzen davon haben. Obgleich eine sehr grosse Einfuhr besteht, so ist
doch die Nachfrage nach guten Obst-Sorten alljährlich eine sehr starke
und der Preis ein hoher; aber es besteht bei uns der Fehler, dass zu
vielerlei Obstsorten angebaut werden und mit Neuheiten zu viel probirt
wird, statt sein Augenmerk nur auf gute, haltbare und der Nach-
frage entsprechende Sorten zu richten; diese werden stets willige Ab-
nehmer und zufriedenstellende Preise finden. Von besonderem Werth’
ist, dass man bei der Auswahl von Sorten auf klimatische und Boden-
verhältnisse Rücksicht nimmt, nur genügend erstarkte Stämmchen pflanzt,
wobei der Herbstpflanzung unbedingt vor der Frühjahrs- Pflanzung der
Vorzug zu geben ist.
Die erste Bedingung für das gute Gedeihen und den höheren Er-
trag einer Obstbaum-Anlage ist Folgende:
Die richtige Auswahl der für den bezüglichen Standort und Boden
passenden Obstsorte und die sorgfältige Vorbereitung einer angemessen
12 Jahresbericht der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur.
grossen Pflanzgrube, sowie die zweekmässige Füllung mit humusreichem
mit geeigneten Nährstoffen vermischtem Boden und eine richtige
nicht zu tiefe Pflanzung des Baumes,
Alsdann gehört zur Erzielung einer grösseren Ertragsfähigkeit des
Baumes seine alljährliche Pflege durch Aufgraben der Baumscheibe, das
Anstreichen mit Kalk und Jauche - Mischung und das Reinhalten des
Stammes von Moos und Ungeziefer, sowie der kunstgerechte Schnitt
der Krone durch Auslichten und Entspitzen der Aestehen, um recht viel
Fruchtholz zu erzielen und namentlich wenigstens eine einmalige Düngung
und öftere Anfeuchtung.
Die meisten unserer Obst-Pflanzungen in Schlesien leiden aber Noth
an der richtigen Pflege, sowie an der Ernährung und Schaffung von
Reservestoffen, welche jeder Baum bedarf, um die Kraft zum reichlichen
Ansatz von Blüthen und zur Erhaltung und Ausbildung von möglichst
vielen und vollkommenen Frückten zu haben.
Durch eine regelmässige gute Pflege und Düngung des Obstbaumes
kann derselbe aber auch ein hohes Alter erreichen uud alljährlich viel
Früchte liefern. Auch ist ein gut ernährter Baum gegen Frost und
allerlei Krankheiten mehr gesichert.
Und hiermit komme ich zur Besprechung des eigentlichen heutigen
Themas und zwar:
Die Düngung der Obstbäume und Fruchtsträucher, auch
der Weinstöcke, und die Beförderung ihrer Ertragsfähig-
keit besonders durch Anwendung des von mir erfundenen
und patentirten Locheisens, welches ich zu praktischen Versuchen
mit zur Stelle gebracht habe.
I. Dass die Obstbäume aber ebenso dringend einer besonderen
für die Erzielung vieler und wohlschmeckender, und gut ausgebildeter
Früchte nothwendigen Düngung bedürfen, ist bereits durch vielfache
Versuche ausser allem Zweifel gestellt.
Namentlich durch die Congress-Verhandlungen ides deutschen Pomo-
logen-Vereins während der allgemeinen grossen Obst- und Gartenbau-
Ausstellung zu Breslau im Herbst 1893 ist allgemein die grosse Wichtig-
keit der alljährlichen Düngung der Obstbäume anerkannt und der wunder-
bare Erfolg durch die selten schönen und grossen Früchte, welche
hervorragende Obstzüchter ausgestellt hatten, bestätigt worden.
In gleicher Weise wendet die Deutsche Landwirthschafts - Gesell-
schaft zu Berlin dieser Frage ein ganz besonderes Interesse zu und
haben verschiedene Pomologen und Chemiker sich eingehend mit Dün-
gungsversuchen für Obst- und Weinbau beschäftigt.
Obstbäume brauchen ähnliche Nährstoffe wie die Feldfrüchte und
zwar genügen im Allgemeinen Stickstoff, Kalisalz, Phosphorsäure und
Kalk.
ii. Abtheilung. Obst- und Gartenbau-Section. 13
Bei kalkarmem Boden ist aber ausser den vorstehenden Stoffen das
doppelte Gewicht von Kalk erforderlich.
II. Diese Düngung der Obstbäume wird jetzt wesentlich erleichtert
durch Anwendung des von mir erfundenen Locheisens,
Zur besseren Veranschaulichung über die nothwendige Vertheilung
der Bohrlöcher lege ich hiermit besondere vom Patent-Amte erforderte
Zeichnungen vor.
Die Aufnahme der Dahoztekre geschieht bekanntlich beim Baume
durch die Faserwurzein, welche sich bis in die Kronentraufe jedes
Baumes erstrecken, und welche in einer Tiefe von 30 bis 50 cm unter
der Erdoberfläche sich um den Baumstamm vertheilen. Früher hat man
mit schneckenförmigen Erdbohrern einzelne Löcher um den Baumstamm
mit grossem Zeit- und Kraftaufwande hergestellt, um die geeigneten
Dungstoffe an die Saugwurzeln zu bringen.
Durch Anwendung des von mir erfundenen Locheisens olher ist das
Lochstossen für einen mittelgrossen Baum mit Leichtigkeit und für den
Preis von 2 bis 3 Pfg. pro Baum (mit 10 Löchern) zu erzielen.
Ueber den Werth meines Locheisens will ich heute lieber das
Urtheil einiger unparteiischer Sachverständigen vortragen.
a. Herr Geheimer Regierungs-Rath, Professor Dr. Wilhelm Seelig
sagt in der Schleswig-Holstein’schen Zeitschrift für Obst- und Gartenbau
in Kiel vom October v. J. über das Locheisen Folgendes:
1. Das Sutter’sche Locheisen für Baumdüngung.
In den Verhandlungen des vorjährigen, zu Breslau abgehaltenen
Pomologen-Kongresses beschäftige man sich auch sehr eingehend mit der
so äusserst wichtigen Anwendung der Mineraldünger im Garten, be-
sonders im Obstbau.
Dabei wurde hervorgehoben, dass es bei den Obstbäumen, deren
Wurzeln bekanntlich sehr tief gehen, nothwendig sei, die meist schwer
löslichen Mineral-Dünger in eine entsprechende Tiefe zu bringen, wo sie
von den Saugwurzeln aufgenommen werden könnten.
In dem ganzen etwa dem Umfang der Baumkrone entsprechenden
Wurzelbereiche sollte man bis zu Y, Meter tiefe Gruben oder Löcher
machen, in welchen die Dungstoffe eingebracht würden, z
Herr Seelig sagt ferner:
Für diesen Zweck wies nun Herr Landes Bauinspector Sutter aus
Schweidnitz auf ein von ihm construirtes Werkzeug hin, welches bei
den seiner Aufsicht unterstellten Chaussee-Baumpflanzungen angewendet
sei und sich hier wohl bewährt habe.
Es besteht dasselbe in einer etwa 1 Meter langen 4 kantigen Bisen-
stange, welche am unteren Ende verstählt und zugespitzt, an dem
oberen mit einem soliden Quergriffe versehen ist. Bisher wandte man
14 Jahresbericht der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur.
wohl zur Herstellung der für die Baumdüngung dienenden Löcher Erd-
bohrer von etwa 8 cm Durchmesser an. Das Bohren von Löchern mit
diesen alten Werkzeugen ging naturgemäss sehr langsam und ist mit
mancherlei Schwierigkeiten und Nachtheilen verknüpft. Schon ein kleiner
Stein erweist sich oft als ein nur mit grosser Mühe, oder auch gar-
nicht zu überwindendes Hinderniss. Ebenso ist dieses mit grösseren
Baumwurzeln der Fall, welche der alte Bohrer auf seinem Wege antrifft.
Und es kann nicht ausbleiben, dass bei der Anwendung des Bohrers
viele Wurzeln abgerissen oder doch stark beschädiet werden.
Anders bei dem Sutter’schen Locheisen.
Dieses ist mit Leichtigkeit bis zu einer Tiefe von 50 oder selbst
60 Centimetern in den Boden einzustossen.
Bei leichtem Boden genügt die eigene Schwere des Eisens, um das-
selbe vermittelst eines kräftigen Stosses zu der gewünschten Tiefe ein-
dringen zu machen. Im schweren Boden kann man durch einige oben
auf das Eisen gegebene Schläge mit einem Hammer, oder einer Keule
nachhelfen. Kleine Steine und Wurzeln werden hierbei zur Seite ge-
drängt. Trifft man auf ein grösseres und nicht zu beseitigendes Hinder-
niss, so bedeutet es keinen erheblichen Zeitverlust, statt des versuchten
daneben ein neues Loch zu machen.
Von Wichtigkeit aber ist, dass bei diesem Verfahren Beschädigungen
der Baumwurzeln gar nicht, oder nur in unbedeutendem Grade vor-
kommen, indem die elastischen Wurzeln zur Seite gedrückt werden.
Hat man das Eisen bis zu der entsprechenden Tiefe eingestossen,
so arbeitet man vermittelst der als Griff dienenden Querstange nach 2
sich kreuzenden Richtungen seitwärts und hat auf diese Weise schnell
ein viereckiges Loch von 8 bis 10 Centimeter oberer Weite hergestellt,
in welches man schon eine ziemlich grosse Quantität flüssigen Düngers
einfüllen kann.
Wendet man den Dünger trocken an, so kommt ‚dieser sofort zu
einer bedeutenden Bodentiefe.
Bei dieser Art des Arbeitens wird auch der die Wände des Loches
bildende Boden nicht, wie es bei der bohrenden Bewegung der Fall ist,
verdichtet, sondern es entstehen in demselben feine Risse, welche die
Seitwärtsvertheilung der eingegossenen Flüssigkeit befördern.
Dieses neue Werkzeng fand in der Versammlung lebhaften Beifall.
Der Unterzeichnete stellte an den Erfinder desselben das Ersuchen,
ihm ein Exemplar desselben zugehen zu lassen. Dies erfolgte denn
auch, nachdem ein Erfindungspatent dafür erwirkt war.
Beim Gebrauche desselben stellte sich denn auch heraus, dass die
vom Erfinder hervorgehobenen guten Eigenschaften sich vollständig be-
stätigten.
ir
II. Abtheilung. Obst- und Gartenbau-Section. 15
In dem allerdings leichten Boden des Unterzeichneten war man im
Stande, binnen einer Minute 2 bis 3 Löcher zu der erforderlichen Tiefe
und Weite herzustellen.
Bei gemächlichem Arbeiten war es immerhin möglich, binnen zehn
Minuten 25 Löcher unter der Krone eines erwachsenen Apfelbaumes, eine
völlig genügende Zahl, zu beschaffen.
Es gehört also ein verhältnissmässig geringer Aufwand von Zeit
und Arbeit dazu, um eine ganze Obstpflanzung für die Aufnahme künst-
licher Düngemittel vorzubereiten.
Und die anf diese Weise hergestellten Löcher erwiesen sich als für
den beabsichtigten Zweck vollständig genügend.
Der Unterzeichnete fand sich durch diesen überraschend günstigen
Erfolg bewogen, das neue Werkzeug in der im Juli d. J. stattgehabten
General- Versammlung des Garten- und Obstbau-Vereins für die Provinz
Schleswig-Holstein vorzuzeigen und auf das Wärınste zu empfehlen.
Ebenso günstig wurde das Locheisen beurtheilt von A. Melz,
Redacteur des Schleswig-Holstein’schen Monatsblattes, und von Fr. Lucas,
Direetor des Pomologischen Instituts in Reutlingen.
Nun komme ich zur Aufzählung der zur Baumdüngung er-
forderlichen Düngstoffe.
Nach den bisherigen Erfahrungen der Wissenschaft werden folgende
Düngstoffe als die zweckmässigsten für Obstbäume empfohlen,
und richte ich mich hierbei nach den Aufzeichnungen des Provinzial-
Wanderlehr-Gärtners E. Lesser in Kiel in seinem Buche über die Pflege
des Obstbaues vom Jahre 1895 — Seite 45, 46 und 47.
Zur Düngung der Obstbäume sind hiernach im Allgemeinen zu
empfehlen:
1. Jauche, 2. Abtrittdünger, 3. Kompost und 4. künst-
licher Düuger. i
1. Die Jauche enthält, wenn sie ohne Wasserzusatz ist, in
100 Theilen nach Prof. Wolff’s Düngerlehre: 1,5 %, Stickstoff, 0,1 %,
Phosphorsäure und 4,9%, Kali. Je nach der Güte des dem Vieh ge-
botenen Futters wird sich der Gehalt der einzelnen Stoffe aber erhöhen
oder erniedrigen. Jedenfalls sind die in der Jauche enthaltenen Stoffe
leicht löslich und daher schnell wirkend.. Man wendet deshalb die
Jauche auch besonders da an, wo es sich darum handelt, schnelle
Wirkung zu erzielen, also bei Obstbäumen, die stark mit Früchten be-
setzt sind und wo man die an den Bäumen vorhandenen Früchte vor
dem vorzeitigen Herunterfallen, besonders in sehr trockener Zeit, be-
wahren will, dann wo man recht grosse vollkommene Früchte ernten
will und endlich bei solchen Bäumen, deren Holzwachsthum rasch
befördert werden soll. Da die Jauche vorzugsweise Kali-Stickstoff-Dünger
ist, so wirkt sie im Allgemeinen mehr auf den Holztrieb, als auf die
16 Jahresbericht der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur.
Fruchtbarkeit, und weil eine einseitige Düngung nicht rationell
ist, so muss in diesem Falle der Jauche die fehlende Phosphor-
säure durch Zugabe von künstlichen Düngmitteln oder Abtritt-
dünger zugesetzt werden. Mit einer Mischung von 10 Ltr. Jauche,
verdünnt mit 10 Ltr. Wasser und 1I—1", Klgr. Superphosphat (16 °/,),
erzielte ich sichere und gute Erfolge in einem Mittelboden. Dessen-
ungeachtet möchte ich aber doch kein Recept, welches für alle Fälle
passend ist, hiermit gegeben haben, da die Wirkung von der Boden-
beschaffenheit ungemein abhängig ist. Die Jauche muss im reinen Zu-
stande stets zur Hälfte mit Wasser verdünnt werden, wodurch eine
gleichmässigere Vertheilung der Nährstoffe im Boden stattfindet.
Diese durch obige Zusätze vorbereitete Jauche wird halb
mit Wasser verdünnt, wie oben angegeben, zur Düngung in Löchern
resp. Gräben so angewendet, dass man die Löcher mehrere Male hinter-
einander damit füllt, da die Nährtheile in die tieferen Bodenschichten
gebracht werden müssen.
2. Der Abtrittdünger enthält nach Prof. Wolff inel. Urin
5,5 %%, Stickstoff, 2,8 '/, Phosphorsäure und 2,0%, Kali. Ohne Urin
10,0 °/, Stickstoff, 10,9 %/, Phosphorsäure und 2,5 %, Kali. Wir ersehen
daraus, dass wir im Abtrittdünger einen Dünger haben, der reich an
Stickstoff ist, fast genügend Phosphorsäure, aber viel zu wenig Kali für
den Obstbaum enthält. Wir müssen also hier einen Kali-Zusatz geben,
wozu man Roh-Kainit verwendet.
Auch der Abtrittdünger wird zur Düngung, am besten wie die Jauche
zur Hälfte mit Wasser vermischt, verwendet.
Es empfiehlt sich überhaupt, nach solchen flüssigen Düngungen, die
am vortheilhaftesten vom Frühjahr bis Anfang Juni gegeben werden, im
Laufe des Sommers durchdringend zu giessen. Das Wasser gebraucht
der Baum sowohl zu seinem Lebensunterhalt, als insbesondere zum Lösen
der Nährstoffe. Es ist dies bei trockener Zeit um so mehr nötig, als
von einem Sommerregen im Allgemeinen nicht viel Feuchtigkeit zu den
tiefliegenden Wurzeln dringt.
Sollen die Bäume nicht einen sehr grossen Theil ihrer Früchte
fallen lassen, so ist eine grössere Bodenfeuchtigkeit, namentlich in den
tieferen Schichten unbedingt erforderlich, damit eine möglichst gleich-
mässige Nahrungs-Aufnahme stattfinden kann. Mi
3. Der Kompost; schon die Darstellung desselben durch Auf-
häufen von Abfallstoffen aller Art, denen man mineralische beifügen
kann, bietet gewissermaassen eine Garantie für den Gehaltreichthum an
Nährstoffen, so dass wir im Kompost einen Dünger haben, der, wenn
richtig zusammengesetzt, von grosser langanhaltender Wirkung ist.
Kompost wird bereitet, indem man auf eine Lage Erde die ver-
schiedensten organischen Stoffe (Unkraut, gefallenes Vieh, Asche,
Bü
Il. Abtheilung. Obst- und Gartenbau-Section. 17
Lumpen, Russ, Dünger etc.) sowie mineralische Stoffe (Kainit, Thomas-
phosphatmehl, Kalk etc.) bringt, dann wieder Erde, hierauf wieder orga-
nische etc, Stoffe.
Das Ganze wird im Laufe des Jahres einige Male umgestochen,
wobei man Kalkschutt oder gebrannten Kalk mit dazwischen mengen
kann, auch werden die Composthaufen vortheilhaft zeitweise mit Jauche
oder Abtrittdünger übergossen, was wesentlich zur Zersetzung der ein-
zelnen Stoffe beiträgt.
Den Kompostdünger bringt man am besten mit dem Boden, in dem
die Bäume wachsen, vermischt, wie oben angegeben, in die Baumgruben
und Bohrlöcher. Mit Ausnahme bei Frostwetter, kann diese Düngung zu
jeder Jahreszeit ausgeführt werden.
4. In neuerer Zeit haben, wie bei der Landwirthschaft, so auch
beim Obstbau die künstlichen Dungmittel grössere Beachtung ge-
funden und nicht mit Unrecht, da diese Dünger wirkungsvoll und
namentlich bei grösseren Anlagen am bequemsten anzuwenden sind.
Leider sind die für einen Obstbaum als zu einer vollen Düngung nöthig
bezeichneten Quantitäten bis jetzt noch sehr schwankend, da bisher
noch nicht genügend Erfahrungen vorliegen.
2'/, kg Kainit, 1Y, kg Chilisalpeter muss nach den Versuchen des
Herrn Lesser ein Baum, der ca. 25 qm Boden mit seiner Krone bedeckt,
alle 2—3 Jahre erhalten, je nachdem die Bodenverhältnisse sind.
Mit dem zunehmenden Alter muss auch das Düngerquantum ver-
mehrt werden. Thomasphosphatmehl und Kainit werden am besten im
Herbst in nach bereits angegebener Weise gebohrte Löcher gegeben und
dann diese mit Erde wieder angefüllt.
Kein anderes Gartengeräth aber ist zur leichten Herstellung der er-
forderlichen Bohrlöcher so geeignet, wie das Sutter’sche Locheisen,
Wenn man diesen Dünger ohne Bohrlöcher auf dem äusseren Um-
kreis unter die Baumkrone ausstreute, so muss man ihn durch tiefes
Umgraben in möglichste Nähe der Wurzeln bringen. Falls die Bäume
mit Grasnarbe umgeben sind, muss diese erst abgestochen und dann der
Dünger aufgestreut werden. Den Chilisalpeter giebt man am besten in
2 Dosen, je '/, kg, im Frühjahr oben auf, wenn kein Pflanzenwuchs
unter den Bäumen ist, sonst nach Entfernung der Grasnarbe etc.
Bei dem Lochstossen mit dem von mir erfundenen Locheisen ist aber
das Umgraben und das Entfernen des Grases nicht unbedingt nöthig.
4a. Professor Wagner in Darmstadt, der mehrfach Versuche
mit künstlichem Dünger bei Obstbäumen angestellt hat, empfiehlt
für einen einzelnstehenden Baum, dessen Krone etwa eine Bodenfläche
von 25 qm bedeckt, folgende Düngung:
189. |
[SS
8 > Jahresbericht der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur.
500 gr 'phosphat, oder
500 gı DORPSISUBEIR hosphat, oder ERBEN...
1400 gr 16 °/, Superphosphat, ;
2 oder 100 gr Chlorkalium,
400 gr Chlorkalium, en a
500 gr Chilisalpeter, st Ba
Ist der Holztrieb schwach und will man denselben stärken, so gebe
man im Mai eine nochmalige Düngung von 250—500 gr Chilisalpeter
pro 25 qm.
Für geschlossene Obstbaumbestände;
200 kg Doppelsuperphosphat oder 230 kg phosphorsaures Kali
550 kg 16 %, Superphosphat pro oder
160 kg Chlorkalium Hektar 40 kg Chlorkalium.
5. In dem Buche von Lucas: „Vollständiges Handbuch der
Obst-Kultur‘‘ (Verlag von Eugen Ulmer in Stuttgart, Preis geb, 6 Mk.)
wird zur Düngung für einen mittelgrossen Baum empfohlen:
250 gr ('), Pfund) phosphorsaures Kali und 250 gr ('/, Pfund) salpeter-
saures Kali.
Für einen grösseren und älteren Hochstamm:
1,5—2,5 kg Superphosphat, 1,5—2,5 kg schwefelsaures Kali, 1—2 kg
Chilisalpeter.
Für jüngere Bäume und Zwergobstbäume:;
0,3—0,7 kg Superphosphat, 0,5—0,7 schwefelsaures Kali, 0,2—0,5 kg
Chilisalpeter.
.
2
6. Bei all diesen Düngungen müssen die Phosphat- und
Kalidünger steis im Herbst, dagegen Salpeter im Frühjahr
angewendet werden.
Bei Anlage neuer Obstgärten empfiehlt Professor Wagner, jedem.
cbm Erde 600 er Thomasschlackenmehl beizumischen:
d. h. bei 100 cm tiefem Rigolen des Bodens auf eine Bodenfläche von
100 qm = 60 kg,
= 75 Nie - - - 2 - eine Bodenfläche von
-.100 qm = 45 kg,
- 50 : = = - = - eine Bodenfläche von
100 qm —= 30 kg.
Jedenfalls empfiehlt es sich, bei Neuanlagen auch gleich ein Quantum
Kali in Form von Kainit mit einzurigolen und möchte ich da empfehlen:
bei 100 cm tiefem Rigolen pro 100 qm Bodenfläche 100 kg,
Zu DZ z = NTSTWENS = on?
sa 0ibe 24 z Ai neriye z alsge
7. Oekonomierath Goethe inGeisenheim hat bei einer Neu-
anlage drei verschiedene Düngerkompositionen in Anwendung gebracht:
a. die Professor Fleischer’sche: auf einen Baum wurde gegeben
75 gr Chilisalpeter, 225 gr Kainit und 225 gr Thomasschlacke,
EN
II. Abtheilung. Obst- und Gartenbau-Section. 19
b. Professor Wagner’s älteres Recept: pro Baum 75 gr Chili-
salpeter, 100 gr Kainit und 100 gr Thomasschlacke,
e. Professor Wagner’s neueres Recept: pro Baum 66 gr
Chilisalpeter, 33 gr Kainit, 33 gr Thomasschlacke.
Am ersichtlichsten war der Erfolg bei dem Recept littr. b,
sowohl in leichtem, mittelschwerem und schwerem Boden,
Dieses letzte Recept habe ich auch in der von mir entworfenen
Düngungs-Anweisung empfohlen:
8. Professor Holdefleiss in Breslau empfiehlt als Düngung
für ein Jahr für einen mittelgrossen Baum:
a. 75 gr Chilisalpeler (Stickstoff), kann auch durch Jauche, Latrine,
Hornmehl, Fischguano ete. ersetzt werden,
. 75—100 gr gedämpftes Knochenmehl,
c. 100 gr Kainit,
d. !,—1 kg Kalk.
9. Dr. Martin Ullmann sagte in einem Vortrage, den er am
5. März 1894 im Gartenbauverein für Hamburg, Altona und Umgegend
gehalten hat: „Als ein recht geeigneter Kunstdünger für Obstbäume,
Beerensträucher, Weinreben und Rosen, erscheint ein Mischdünger mit
4°, Stickstoff, 8 °/, Phosphorsäure, 8 %, Kali. |
Ich will mit Absicht hierbei die Stickstoffsabe im Verhältniss zur
Phosphorsäure und Kaligabe als eine geringe berechnet wissen, weil eine
reichliche Ernährung mit Stickstoff verursacht, dass die Bäume viel Blatt-
aber wenig Tragknospen ansetzen und im Herbst wohl unreifes Holz,
aber nur geringwerthige, leicht zum Faulen geneigte Früchte hervor-
bringen. Für Obstbäume würden hiervon 2—2'), kg pro Baum im
Herbst und 1—1'/, kg im Frühjahr gegeben, eine ausreichende Düngung
sein, während man bei Beerensträuchern und Weinreben 5 kg auf
100 qm rechnet.
10. Der Gehalt an Nährstoffen der bei der Obstbaumdüngung
in Betracht kommenden künstlichen Dünger ist folgender:
a. Thomasschlackenmehl enthält 14—20 °/), im Wasser nicht
lösliche Phosphorsäure und ca. 50 °/, Kalk. Es muss dies Dung-
mittel daher immer trocken angewendet werden; die Phosphor-
säure wird durch die Bodenfeuchtigkeit allmählich gelöst.
. Superphosphat mit 14—20 °/, im Wasser löslicher Phosphorsäure-
e. Doppel-Superphosphat mit 36—40 °/, im Wasser löslicher
Phosphorsäure.
Beide Phosphorsäure - Dünger sind ihrer leichten Lösbarkeit
wegen sehr zu empfehlen, es tritt die Wirkung dieser Dünger
viel schneller ein, als bei dem ersten.
ad. Kainit enthält 12—13 °/, Kali.
e. Chlorkalium enthält 50 °/, Kali.
g*
30: Jahresbericht der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur.
f. Phosphorsaures Kali enthält 38 °/, wasserlösliche Phosphor-
säure und 26 %, Kali.
Salpetersaures Kali enthält 13%), %, Stickstoff und 44 %, Kali-
h. Chilisalpeter enthält 15%, %, Stickstoff.
Sie sehen aus den mitgetheilten 10 Düngungsarten, dass uns schon
eine reichliche Anzahl Düngemittel zur Verfügung stehen, und es wird,
wenn wir sie nur richtig anwenden, der Erfolg auch nicht ausbleiben.
Hieraus folgt, dass jeder Obstzüchter durch eine rationelle Düngung
zu einem grossen Theil die Rentabilität seiner Obstbäume bedeutend zu
erhöhen vermag.
Nach diesen Ermittelungen ist es jetzt durchaus nöthig, die Fach-
kenntnisse für eine rationelle Obstbaum-Pflege mehr zum Gemeingut des
Volkes zu machen, \
Als ein vorzügliches Mittel dazu erachte ich, dass die Obstbaum-
Kulturen, namentlich die den Gemeinden und Kommunen gehörigen, —
wie so manches Andere — anch von Seiten der Behörden veranlasst
und überwacht werden.
ua
Dies liesse sich leicht erreichen durch fachgemässe Ausbildung und
Anstellung von guten einfachen Baumwärtern, und zwar müsste jede
grössere Ortschaft einen solchen Mann erhalten.
In allen obstbautreibenden Ländern Europas erblickt man in der
rationellen Obstbaumpflege eine der ersten Grundbedingungen zur
Hebung des Obstbaues.
Wenn auch in vielen Fragen in Betreff des Obstbaues die Meinun-
gen öfters getheilt sind, so darf jedoch konstatirt werden, dass allerwärts
die grösste Binstimmigkeit herrscht, bezüglich der Nothwerdiskeit zu
einer besseren Baumpflege. Ä
Es handelt sich dabei allgemein nur noch um die Lösung der Frage:
Auf welchem Wege lässt die Einführung einer rationellen Baumpflege
sich am besten erzielen?
Im Hinblick auf die primitive Obstbaumpflege, auch in Schlesien,
möchte ich der Section daher die Frage vorlegen, ob sie nicht die Aus-
bildung von Baumwärtern, wie dies Herr Provinzial - Wanderlehrer
Lesser in seinem grossen Wirkungskreise in Schleswig-Holstein mit
Erfolg durchgeführt hat, als ihre Aufgabe ansehen wolle?
Es darf in Gärtnerkreisen die Befürchtung nicht eintreten, dass diese
Einrichtung dazu angethan sei, den Verdienst der Gärtner zu schmälern.
Diese Absicht liegt mir fern. Ich bezwecke durchaus nicht,
Gärtner heranzubilden, sondern Leute, welche im Stande sind, einen
hochstämmigen Obstbaum richtig zu pflanzen und zu pflegen.
Dagegen wird, hoffe ich, kein Berufsgärtner, viel weniger ein Obst-
baumzüchter. in dessen wohlverstandenem Interesse es liegt, wenn die
Bäume rationell gepflegt werden, etwas einzuwenden haben.
Mu u nn L ZE te. 1
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II. Abtheilung. Obst- und Gartenbau-Section. 31
Ich schliesse hiermit meinen Vortrag über die Düngung der
Obstbäume mit dem Wunsche, dass durch die heute gegebene An-
regung auch in unserer Heimath-Provinz Schlesien der Obstbau und die
rationelle Baumpflege, namentlich durch eine alljährlich wiederholte an-
semessene Düngung eine für die Landwirthschaft allmählich immer
lohnender werdende Erwerbs - Quelle werden möge, wie der Gemüse-
anbau es schon theilweise geworden ist, z. B. in Liegnitz.
Zwei Exemplare dieses Instruments schenkte Herr Sutter der
Section und empfing den Dank der Versammlung.
Privatdocent Dr. F. Rosen berichtet über eine bisher unbekannte
Rose, die er nachfolgend beschreibt:
Rosa virginiana Mill, hybrida. „Pauline Cohn“.
Sprosse schlank, 2—3 m hoch, glatt, drehrund, blaugrün bis
rothbraun, völlig unbewehrt, selten am Grund kleine, pfriemliche, wage-
recht abstehende Stacheln tragend. Aeste schlank, bogig, stets stachel-
und drüsenlos.
Blätter der mittleren Region mit sieben Blättchen; das unterste
Paar zurückgeschlagen, sehr klein, rundlich eiförmig, das zweite Paar
grösser, das dritte sowie das Endblättchen am grössten, eirundlich
(ce. 4'/), em lang, 3 em breit), nach vorn kaum zugespitzt. Alle Blättchen
vollständig kahl, matt-bläulichgrün, einfach gesägt, Spitzen schräg vor-
wärts geneigt. Blattstiel schwach drüsenhaarig, meist rothbraun; Neben-
blätter lang angewachsen, mit seitlich abstehender bogiger Spitze, am
Rande dicht drüsig bewimpert. — In der oberen Region, nahe den
Blüthen, sind die Blätter nur mit 2—1 Joch Seitenblättehen versehen,
grösser; die Nebenblätter sind hier etwas breiter.
Blüthen einzeln oder zu 2--3, gross (bis 10 cm Durchmesser),
anfangs glockenförmig, zuletzt weit schüsselförmig geöffnet, mässig ge-
füllt. Kelehblätter aus breitem Grunde ganz allmählich ausgezogen, an
der Spitze ohne blattartige Verbreiterung, an den Seiten ohne oder mit
kleinen Anhängseln, kurzhaarig mit zerstreuten Stieldrüsen, während der
Blüthe zurückgeschlagen, später aufrecht. Kronblätter breit, leuchtend
rosa, mittlere mit leichtem gelben Hauch. Staubblätter zahlreich, wohl-
ausgebildet. Griffel zahlreich unter einander frei, halb so hoch wie die
Staubblätter, wollig behaart. Fruchtbecher kreiselförmig, am Grunde
gerundet, in der Mitte eingeschnürt, nach oben verbreitert, wie der
Blüthenstiel völlig kahl und bläulich bereift. Früchte werden nicht
ausgebildet, da die Blüthen stets steril sind.
Von dieser Rose, welcher ich den Namen der Gattin des Breslauer
Professors der Botanik Ferdinand Cohn geben möchte, befindet sich ein
Exemplar unbekannter Herkunft in der pflanzenphysiologischen Abtheilung
32 Jahresbericht der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur.
des botanischen Gartens zu Breslau. Durch hohen, raschen Wuchs aus-
gezeichnet, von schlanker Tracht und vollständig winterhart, dürfte sie
sich als Spalier- und Boskettrose vorzüglich eignen; die riesige Fülle
der grossen Blüthen, das warme leuchtende Rosa derselben, machen die
„Pauline Cohn“ zu einer der schönsten Zierden des Gartens. Zudem
entwickelt sie die reiche Pracht ihrer Blüthen S—14 Tage früher als
die ungeheure Mehrzahl der übrigen Gartenrosen.
In der fünften Sitzung, am 19. August, wurde über Anträge
des vorgenannten Herrn Sutter debattirt, welche auf Hebung der
schlesischen Obsteultur abzielen. Zu einer Einigung gelangte man nicht
und wurden die gedachten Anträge weiterer Erwägung vorbehalten.
In der sechsten Sitzung, vom 23. September, sprach der
Dr. phil. Reinecke über:
„Die Nutzpflanzen Samoas und ihre Verwendung“,
ein Vortrag, der ein besonderes Interesse dadurch erregte, dass Herr
Dr. Reinecke selbst zwei Jahre auf den Samoa-Inseln gelebt hat.
Auf unserem Planeten giebt es nicht viele Gebiete, die durch ihre
Fruchtbarkeit und glücklichen klimatischen Verhältnisse ihren ursprüng.
lichen Bewohnern so mühelos alle Bedürfnisse befriedigen und alles
liefern, was sie als Naturvolk für einen sorgenlosen Genuss ihres Lebens
beanspruchen können, wie es die lieblichen Samoa-Inseln thun. Die
Natur hat alles aufgeboten, um von einem Menschenschlag, dessen Form-
vollendung und Veranlagung der Europäer bewundert, die Pflichten der
Arbeit, den Kampf um die Existenz fernzuhalten.
Diese Bevorzugung wissen die Samoaner aber auch iv vollem Maasse
zu schätzen und zu berücksichtigen; denn einerseits liegt ihnen nichts
ferner, als sich um ihren Lebenszweck und Unterhalt die geringste Sorge
und Mühe zu machen und ihren Körper durch Arbeit zu belasten; an-
dererseits aber haben sie auch wohl verstanden, mit lebhaftem Interesse
für alle ihnen zur Verfügung gestellten Gaben deren Werth und Zweck
zu ergründen, praktisch anzuwenden und auszunutzen. Ihr Leben, ihre
Sitten und Gebräuche sind daher auf das Innigste mit der Fauna und
Flora ihrer Heimath verknüpft. Fast alle Vertreter ihrer Thier- und
Pflanzenwelt sind ihnen bekannt, für alle haben sie Namen, welche viel-
fach schon die Charaktereigenschaften derselben ausdrücken. Für formen-
reiche Pflanzengattungen existiren Wortstämme, diese durch meist sehr
treffende Rpitheta ergänzt, bezeichnen dann die einzelnen Arten oder
Varietäten.
Von der Wurzel bis zur Blüthe und Frucht kennen sie die Eigen-
thümlichkeiten der Pflanzen und wissen sie zu verwenden und vielfach
durch geschickte und mannigfache Behandlung nutzbar zu machen.
II. Abtheilung. Obst- und Gartenbau-Section. 23
Die wichtigsten dieser Nutzpflanzen will ich mit ihrer Bedeutung
und Verwendung hier zusammenstellen.
Nahrungs- und Genussmittel liefernde Gewächse.
A. Bäume und Stauden.
Die Cocospalme. Cocos nucifera L. „niu“. !)
Das weitaus grösste Interesse der Samoaner dreht sich um die
Cocospalme, die in allen Theilen in ihrem Leben eine hervorragende
Rolle spielt.
Ohne irgend welche Ansprüche an Pflege und Aufsicht zu stellen,
treibt die abgefallene reife Nuss nach wenigen Monaten Spross und
Wurzeln, und durchdringt das diehteste Gestrüpp von Gras und Unkraut,
dem Licht zustrebend, mit ihren Blättern, um nach 6—8 Jahren bereits
als 2—3 m hoher Stamm die ersten Blüthen und Früchte zu treiben,
ganz gleich, ob der Keimling sich in festen Korallen oder Getseins-
massen, in lockerem, trockenem Sand oder in üppiger feuchter Erde
Halt und Nahrung erkämpfen muss, ob seine Jugendjahre die heissen
Sonnenstrahlen belästigen oder kühler Schatten seine früheste Entwiekelung
fördert.
Nur die eine Bedingung stellt die Palme für ihr Gedeihen und ihre
Leistungen: sie muss Seeluft, salzhaltige Seebrise athmen können. Wo
ihr diese abgeht, da stockt ihr Wachsthum schon nach vier bis fünf Jahren.
Daher erklärt sich auch die Schwierigkeit, Cocospalmen längere Zeit in
unseren Gewächshäusern zu halten.
Die ersten Früchte der jungen Palme sind werthlos, sie enthalten
nur geringe Mengen von Fruchtwasser und noch kein Endosperm. Die
eigentliche Ertragsfähigkeit beginnt im Allgemeinen mit neun Jahren, sie
steigt bis zum 15.—20. Jahre und hält dann, mit 30—40 Jahren all-
mählich nachlassend, bis in’s hohe Alter von 60— 80 Jahren aus.
Die Eingeborenen unterscheiden zahlreiche Varietäten, je nach
Grösse und Form; Geschmack des Fruchtwassers, Stärke des Endosperms,
Fasergüte und Geschmack der äusseren Schale.
Will ein Samoaner Cocosmilch trinken, dann wählt er sich die
geeignete Palme aus, welche gute „Niu vai“, d. h. Wassernüsse trägt,
reisst von dem Stamm der Böhmeria, des Pipturus oder auch Hibiscus ete:
in der Nachbarschaft ein Stück Rinde ab, schlingt es kreuzweise um
beide Füsse über die Spannen und hüpft, mit den Sohlen den Stamm
seitlich umfassend, in langen Sätzen hinauf zur Krone, um die zusagenden
Früchte abzudrehen und herunterzuwerfen. Dann reisst er mit Hilfe
eines in die Krde gestossenen, oben zugespitzten Pfahles die äussere
Schale ab und öffnet durch einige leichte Schläge mit dem Messer um
ı) Die Worte in „ “ sind die samoanischen Namen.
DA Jahresbericht der Schles. Gesellschaft für vaterl. Culiur.
das spitze Ende herum deckelförmig das natürliche Trinkgefäss, um
dessen Inhalt mit Behagen zu leeren. Das innen noch halbweiche
Endosperm wird dann mit dem Deckelstück aus der völlig gespaltenen
Schale als wohlschmeckender Leckerbissen herausgekratzt und ebenfalls
genossen. In abgefallenen, reifen Nüssen beginnen die Entwickelung des
Embryo und die Keimung bald wesentliche Veränderungen hervorzurufen.
Das Fruchtwasser, welches mit Beendigung des Endospermbildungs-
processes bereits seiner chemischen Beimischungen bar ist, wird zu=
nächst wieder von dem eindringenden Keimblatt, das sich zu einem
Saugorgan entwickelt, benutzt und bei fortschreitender Vergrösserung
dieser Einstülpung völlig verdrängt. Das Saugorgan füllt dann den
inneren Hohlraum aus, legt sich mit seiner leicht gelblichen äusseren
Zellschicht an das Endosperm an und saugt dasselbe bei stetig fort-
schreitender Zersetzung des fetthaltigen Nährgewebes in sein locker
schwammiges Gewebe auf, in welchem die Umsetzung der Fette des
Endosperms in Zucker fortschreitet. Dieser Zuckergehalt macht das
Saugorgan zu einem beliebten Leckerbissen. Der Werth des Endo-
sperms, wie sein Geschmack leiden allerdings fortschreitend hierunter,
und es bleibt schliesslich, wenn die junge Keimpflanze aus ihren jungen
Wurzeln erst selbständig ihren Unterhalt der Aussenwelt entnehmen
kann, nur noch ein schmieriger, gelblich weisser Rückstand übrig. Als
eigentliches Nahrungsmittel spielt das reife, feste Endosperm jedoch die
Hauptrolle. Mit einem spitzen Stück Holz fein herausgeschabt dient es
in der Kochkunst zur Darstellung verschiedener Gerichte, vermischt mit
junger süsser Cocosmilch oder mit Salzwasser, auch mit anderen Nahrungs-
mitteln und in Taro oder Bananenblättern gekocht oder leicht geröstet,
lassen sich recht wohlschmeckende Speisen daraus bereiten.
Das Endosperm dient ferner als Futter für Schweine, Hunde und
Hühner, die alle gleich grosse Neigung dafür zeigen. — Den Ein-
geborenen selbst aber erfüllt es noch ein grosses Lebensbedürfniss,
indem es, von dem Fruchtwasser befreit, sich verseift und schliesslich ölig
wird. Das ausgepresste Oel wird alsdann mit den wohlriechenden Blüthen
der Cananga odorata, der Hoja, Siegesbeckia, den aromatischen Knöllchen
eines Grases, dem Harz einiger Bäume etc. angesetzt und so parfümirt,
durch Bastfilter oder mattenartige geflochtene Pressen aus Hibiscusbast
tiltrirt und bei festlichen Gelegenheiten zum Einölen des Körpers benutzt,
um ihm Glanz und der Haut Geschmeidigkeit zu verleihen. Auch Be-
kleidungsstücke, die der Feuchtigkeit trotzen sollen, werden damit im-
prägnirt, :
Die auf diese Weise ihres Inhaltes entleerten unverletzten Samen-
schalen werden längere Zeit hindurch mit Wasser gereinigt und dienen
dann als Wasserbehälter und Trinkgefässe in den Häusern, indem man das
K eimloch mit einem Stöpsel aus trockenen Bananenblatttheilen verschliesst.
I
II. Abtheilung. Obst- und Gartenbau-Section. 95
Die obere (der Ansatzstelle gegenüberliegende) Hälfte der Schale dient
sorgfältig abpolirt als Kavabecher (vergl. p. 36).
Die äussere Fruchthülle enthält die feste Faser, aus welcher die
bei uns eingeführten widerstandsfähigen Decken gefertigt werden. Auch
hierfür giebt es besonders geeignete Varietäten mit grossen Nüssen
„niu afa“; die Samoaner flechten daraus Bindfaden, mit dem sie ihre
Häuser. und Canus festigen und binden, Fischleinen herstellen etec. !)
Das Pericarp einer Varietät ist stark zuckerhaltig und wird von Kindern
deshalb gern gekaut. Geringer Zuckergehalt seheint bei der Keimung
in allen Nüssen aufzutreten.
Die Blätter dienen in ihrer ganzen Länge von 4—6 m als pro-
- visorisches Dachmaterial; gespalten zur Anfertigung unverwüstlicher
Körbe und Jalousien an den Hauswänden, ferner als primitive Servir-
platten, zu je zwei Hälften dicht verflochten, auf ebener Erde ausge-
breitet. Die Spreiten allein, oder in Streifen getheilt, werden zu
festen Matten verflochten und ferner getrocknet als Fackeln bei nächt-
lichen Belustigungen und bei Fischfang benutzt. Die Mittelrippen
der Fiedern werden zu Haarkämmen, ‚‚sele ulu,‘“ in einer Ebene fest
aneinander gereiht, mit Cocosfaser verbunden. Ihre Festigkeit trotzt
erfolgreich dem dichten, verwachsenen Haar der Eingeborenen.
Das Herz der Krone, ‚,„taale“, d.h. die noch von den jüngsten
Wedeln dieht umschlossene weiche Knospe ist, wie das von vielen an-
deren Palmen, als Delikatesse bei den Eingeborenen sehr beliebt, und
wird auch von den Fremden, wie Spargel in holländischer Sauce oder
als Salat zubereitet, sehr geschätzt.
Der Stamm endlich bietet wegen seiner Länge bis 25 m und
gleichmässigen Festigkeit, sowie Ausdauer und Widerstandsfähigkeit
gegen Fäulniss ein willkommenes Material zur Ueberbrückung von Flüssen
und Sümpfen. Sein festes Holz liefert schöne Spazierstücke. Kurz es
giebt kaum einen Theil an der ganzen Cocospalme, der nicht in irgend
einer Weise den Bewohnern der Inseln nützlich, wenn nicht fast
unentbehrlich wäre. Dazu kommt noch, dass eine Palme ohne Unter-
brechung Blüthen treibt und Früchte entwickelt.
Seitdem die Cultur und Civilisation sich des palmenbewohnten
Tropengürtels bemächtist und den Werth der Cocosnuss erkannt und
schätzen gelernt hat, ist ihre Bedeutung zu einer hervorragenden
Wichtigkeit und Existenzfrage für Einzelne wie für ausgedehnte Unter-
nehmungen herangewachsen. Die Eingeborenen achten die Cocospalme
nun auch als indireetes Mittel zur Erfüllung neuer, ihnen durch die
Civilisation aufgedrängter Wünsche und Bedürfnisse, und sind mehr denn
!) Auf anderen Inseln werden Schilder, Panzer, Panzerhemden, Tanz-
masken etc. etc. aus der äusseren Fruchthülle resp. deren Fasern hergestellt.
26 | Jahresbericht der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur.
je bestrebt, möglichst hohe Erträge davon zu erzielen. Von Jahr zu
Jahr gewinnt die Copra, das getrocknete Endosperm, auf dem Welt-
markt grössere Bedeutung, je mehr sich die Technik in der Verwerthung
ihres Gehaltes an Oel und der Darstellung feiner Seifen, Oele sowie
Butter und weniger angefeindeten Genussmittel, Delikatessen und Futter-
mitteln aus den Rückständen ausbildet.
Die Cocospalmen resp. ihre Producte haben zur Urbarmachung weiter
Ländereien an den Küsten der Tropenländer geführt und dort den Pio-
nieren der Kolonisation bedeutenden Gewinn gebracht. Wo noch vor
wenigen Jahren hunderte von Hektaren fruchtbaren Landes ungemessen
für eine Flinte, eine Büchse oder einige Ballen Stoff von den ahnungs-
losen Eingeborenen an Weisse abgetreten wurden, da zahlt man jetzt
200—1000 Mark und noch mehr für einen Hektar mit der sicheren
Aussicht, dass die Erträge desselben die Kapitalsanlage gut verzinsen
und amortisiren werden. Tausende von Centnern Copra führen die
Segelschiffe jährlich von den Inseln fort nach französischen, deutschen
und englischen Häfen.
Der Brotfruchtbaum. Artocarpus incisa L. „ulu“.
Derselbe steht in seinem Werthe in gewisser Beziehung höher als
die Cocospalme; denn er liefert den Eingeborenen eine voluminöse,
Magen füllende Nahrung, und einer solchen bedürfen dieselben in her-
vorragendem Masse Nach Art, Form und Geschmack seiner 1—2'/, kg
schweren Früchte unterscheiden die Samoaner zahlreiche Varietäten. Es
giebt Früchte mit und ohne Samen, von runder und länglieher Form, von
trockenem, mehligem und feucht-seifigem Geschmack, Bäume mit tief
gelappten oder nur gezähnten Blättern in allen Uebergangsstadien. Hohen
Häuptlingen werden nur ganz bestimmte Varietäten vorgesetzt.
Der Brotfruchtbaum ist schon etwas anspruchsvoller, als die Palme.
Allerdings verlangt auch er keine Pflege, aber einen guten tiefgründigen
Boden und Feuchtigkeit.
Seine Früchte sind roh ungeniessbar. Sie werden im „Samoa-
Ofen“ erst in schmackafte Nahrung verwandelt. Dies geschieht der-
gestalt, dass im Freien oder im „Kochhause‘‘ — einer primitiven Hütte —
über Holzfeuer heiss gemachte Steine um und über die Fruchtstaude
gelegt, und diese dann sammt den darin eingebetteten Früchten mit
Blättern bedeckt werden, um ein rasches Abkühlen zu verhindern.
Wenn dann die Steine abgekühlt sind, sind auch die Früchte gar und
von einer gerösteten Aussenschicht umgeben. Warm, mit etwas Salz
genossen, schmecken sie recht angenehm, besonders an Stelle von Brot
mit Fleisch zusammen. Die Eingeborenen essen sie auch kalt, nur
einige Tage aufbewahrt, noch sehr gern. Wiederholte Erwärmung ist
unbeschadet dem Geschmack zulässig. — Sowohl die Früchte wie die
n
II. Abtheilung. Obst- und Gartenbau-Section. zu
Rinde enthalten ein gerbstoffhaltiges Harz, das, besonders Samoa-
Kinder und Mädchen mit Vorliebe kauen, dabei schnalzende Laute her-
vorrufend.
Wenn diese Passion mit sanitärer Absicht der Zahnpflege in Zu-
sammenhang steht. oder ihrem Einfluss die Pracht und Ausdauer der
Kauwerkzeuge der Samoaner zu danken ist, dann könnte das Brotfrucht-
harz geeignet sein, selbst die best reklamirten Mundwässer und Zahn-
pasten europäischer Geheimkünstler schnell zu verdrängen.
Das Holz des Brotfruchtbaumes ist von vorzüglicher Qualität,
Festigkeit und Ausdauer. Es liefert die Pfosten zu den Häusern der
Vornehmen und besonders zu den Versammlungs- und Berathungshütten,
für welche deshalb auch der Name ‚fale ulu‘* d. h. Haus aus Brot-
fruchtvaum üblich ist.
Durch die französischen Missionäre ist auch der Artocarpus inte-
grifolia Forst. „Jack fruit tree“ von Tahiti nach Samoa eingeführt.
Seine bis 15 kg schweren, an Stamm. und Aesten hängenden Früchte
erfreuen sich jedoch bei den Samoanern keiner besonderen Beliebtheit.
Hierin, wie auch in Betreff der meisten anderen von den Fremden
importirten Früchten und Obstsorten zeigt sich der Samoaner sehr konser-
vativ und seinen altbewährten eigenen Erzeugnissen treu.
Die Banane. Musa sapientum L. „fai“.
Diese ausgezeichnete Fruchtpflanze, welche durch ihre schöne,
fremdartige Form und Blattgrösse, sowie ihre enorme Ertragfähigkeit
die Bewunderung Alexanders d. Gr. auf seinem indischen Feldzug !)
und später das Staunen der ersten Forsehungsreisenden hervorrief, hat
Humboldt zu einer Berechnung ihres Werthes veranlasst. Dadurch
kam er zu dem Resultat, dass ein Stück Land, mit Bananen bepflanzt,
sechs Mal mehr Ertrag liefert, als eine ebenso grosse mit Weizen be-
baute Ackerfläche.
Auch für die Samoaner ist die Banane von höchstem Werthe. Sie
wird von ihnen kultivirt; denn sie ist erheblich anspruchsvoller als der
Brotfruchtbaum. Ihr sagt besonders ein feuchter Grund und von Bergen
abgeschlossenes, geschütztes sonniges Gebiet zu, die grössten Bananen-
pflanzungen findet man deshalb auch in den Bergen oder wenigstens in
einer gewissen Entfernung von der Küste auf quelligem Terrain. Wie
unsere Vorfahren und die Kolonisten in Gebieten, wo der Wald mit
seinen Holzschätzen gegenüber den Nahrungs- und Lebensbedürfnissen
noch nicht als verwerthbares Kapital, sondern lediglich als ein Kultur-
hinderniss, ein störender Bodenparasit in Betracht kommt, so bedienen
sich auch die Eingeborenen Samoas des Feuers als billigster und be-
!) Plinius Hist. nat. lib. XII. Cap. VI.
DO
RB Jahresbericht der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur.
u —
quemster Kraft, um geeignete Flächen in trockenen Zeiten ihren Zwecken
nutzbar zu machen und gleichzeitig noch aus der Liebich’schen Aschen-
theorie unbewusst Vortheil zu ziehen. Sie scheuen aber auch nicht die
Mühe, mit Axt und Buschmesser solche Plätze frei zu legen, um den
Ansprüchen der Bananenpflanzen gerecht zu werden. Ist der Boden von
Beschattung und Kräutern befreit und nöthigenfalls durch künstliche
Gräben entsprechend bewässert, dann werden junge Bananenschösslinge
zumeist in Reihen und Entfernungen von 2—3 m gepflanzt. Nach sechs
bis neun Monaten trägt die Pflanze Früchte in Bündeln von 100 bis
200 Stück, um danach wieder abzusterben unter Zurücklassung zahl-
reicher neuer Wurzelschösslinge.
Die Eingeborenen bevorzugen die unreifen Früchte, im Samoaofen
gekocht. Das von der Schale befreite Fruchtfleisch schmeckt dann süsslich-
mehlig. Für einen fremden Gaumen ist der aromatische Geschmack einer
frischen reifen Frucht von mittelgrosser Varietät entschieden angenehmer.
Wie unter allen Nutzpflanzen haben sich auch unter den Bananen zahlreiche
Varietäten durch die Cultur herausgebilde. Von der kleinsten 10 cm
langen und 3 em dicken Varietät mit intensiv orangegelber Schale und
röthlich-gelbem Fleisch, giebt es alle denkbaren Uebergangsstadien bis
zu der 17 cm langen und 5 cm dieken Frucht der Musa paradisiaca L.')
mit gerade aufgerichtetem mächtigem Fruchtstand.
Auch auf den Kulturländereien der Weissen fehlen Bananen-
anpflanzungen nicht; denn einmal war der Export nach Neu-Seeland
und Australien, wie er noch heute von den Fiji-Inseln und von Neu-
Caledonien in schwunghafter Weise betrieben wird, sehr einträglich und
ferner sind Bananen für die melanesischen Arbeiter ein werthvolles
Nahrungsmittel. Vor Jahren wurde auch der Export getrockneter Ba-
nanen nach unserem Continent versucht. Aber die hier dann auf alle
denkbaren Methoden wieder in möglichst natürliche Verfassung um-
gearbeiteten, mit Zucker und Essenzen versetzten, der Schale beraubten
Früchte haben wenig Anklang gefunden und im Allgemeinen bei uns
eine recht falsche Vorstellung von dem natürlichen Geschmack frischer
Bananen verbreitet.
In neuerer Zeit wird in Italien, in London und unseren Hafen-
städten und auch in Berlin zeitweise Gelegenheit geboten, Bananen
frisch vom Fruchtstand für 20—-30 Pf. das Stück zu erstehen und zu
kosten. Doch auch diese Proben sind wenig geeignet, den Ruf der Ba-
!) Der Art-Name rührt her von der orientalischen Legende, welche die
Banane statt des Feigenbaums als Baum des Guten und Bösen und seine Frucht :
als Ursache des Sündenfalls darstellt. Die riesigen Blätter dienten danach auch
Adam und Eva, als sie, sich schuldbewusst fühlend, nach dem Sündenfall die
Nacktheit ihres Körpers empfanden, dazu dieselbe zu verhüllen.
ii. Abtheilung. Obst- und Gartenbau-Section. 29
nanen zu erhöhen. Solche Fruchtstände können nur ganz unreif, wo-
möglich in halber Grösse abgenommen, die lange Seereise von einigen
Wochen überstehen, ohne völlig zu faulen und werden dann im Zustand
kläglicher Nothreife als ‚reife Bananen“ dem Publikum angeboten.
Dass bei uns aber die jetzt als Zierpflanzen so beliebt gewordene Musa
blüht und sogar völlig normal entwickelte, wohlschmeekende Früchte
reift, wie im vorigen Jahre im hiesigen Kgl. Botanischen Garten, ist
noch eine sehr vereinzelte Erscheinung,
Die Blätter der Bananen dienen den Eingeborenen in mehr-
facher Weise. Ihre kolossale Grösse und Spreitenlänge von 1—3 m
macht sie zu einem äusserst bequemen Deckmaterial für Schutzhütten
im Freien, 20—30 Blätter genügen, um fünf Personen sicheren Schutz
gegen Regen und Sonnenstrahlen zu gewähren. Den in den Pflanzungen
arbeitenden Jünglingen oder Mädchen — denn ihnen fällt diese Feld-
arbeit zumeist zu — bieten sie willkommenes Material zur Schonung ihres
gekauften Lendenschurzes aus Kattun etc., indem ein oder zwei längs
der Mittelrippe gespaltene Blätter um die Hüften gebunden, eine recht
natürliche sittsame Bekleidung darstellen. Zu diesem Zweck werden
die Blätter zuweilen besonders brauchbar und zweckmässig präparitt,
indem sie in ihrer ganzen Läuge langsam über ein Feuer oder heisse
Steine gezogen werden. Dadurch verlieren sie die Turgescenz und die
damit verbundene Neigung, sich längs der Seitennerven zu spalten.
Auf dieselbe Weise geschmeidig gemacht und gefestigt sind sie
auch als Ersatz für Packpapier bei Buschturen und regnerischem Wetter
überhaupt äusserst werthvoll und für lange Zeit ein sicherer Schutz
gegen die stärksten Tropengüsse, die, ohne sie zu erweichen oder zu
beschweren, an ihnen kraftlos abgleiten.
Endlich sei noch ihre Verwendung als Cigarettenpapier erwähnt,
worauf ich später zurückzukommen Gelegenheit haben werde.
Obstbäume.
Der Melonenbaum — Mammy apple — Carica Papaya L. „esi“.
Bei uns offieinell bekannt wegen des in seinem Milchsaft enthaltenen
Papayacin, ist als Baum mit seinem weichen Holz und bis 10 m hohen
Stamm im Küstengebiet und auf den Pflanzungen weit verbreitet. Die
melonenartigen, wie Cocosnüsse von der Krone an dem kahlen Stamme
herabhängenden Früchte enthalten ein angenehm schmeckendes Frucht-
fleisch und zahlreiche von verschleimter Pulpa eingehüllte schwärzliche,
nach Kresse schmeckende und riechende hanfsamenähnliche Samen.
Letztere werden von den Samoanern in Cocosmilch gekocht als Delicatesse
genossen. Die Blätter üben auf in sie eingehüllte Früchte und Fleisch-
stücke eine schnell fermentirende, peptonisirende Wirkung aus. Roh
und gekocht findet man das Fruchtfleisch häufig auf den Tischen der
Trader und Missionare.
30 - Jahresbericht der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur.
Die Apfelsine — Citrus aurantium L. „moli“
wissen die Samoaner sowohl ihres durststillenden, wie wohlschmeckenden
Saftes wegen sehr zu schätzen. Man begegnet Apfelsinenbäumen des-
halb im Küstengebiet sehr häufig. Diese süd- und westasiatische Frucht
wird nach unseren Begriffen auf Samoa in sehr verschwenderischer Weise
genossen: Man schält mit dem Messer die äussere gelbe Schale dünn ab,
schneidet die Spitze etwa thalergross weg und saugt dann den Saft
heraus, indem man die Frucht mit den Händen zusammenpresst. Die
tropischen Früchte sind besonders saftreich, während ihre Zellmembran
zäher und fester erscheint, als die der Mittelmeer-Apfelsinen. Eine der-
artig ausgedrückte Apfelsine gleicht einem der ihn abrundenden Luft
beraubten Gummiball.
Die Mango — Mangifera indica Z. — „mago“.!)
Die aromatischen Früchte dieses schönsten nach Samoa importirten
Schattenbaumes der Küstengebiete schmecken beim Genuss zuerst leicht
nach Terpentin, d. h. erinnern durch ihr Aroma daran, sind aber äusserst
saftig und wohlschmeckend und überall gleich beliebt. Sie gelten nach
der wundervollen indischen Mangostane — Garecinia Mangostana L. —
deren Genuss trotz vieler Versuche, die Früchte transportfähig und ge-
niessbar zu erhalten, der Königin von England versagt geblieben ist —
für die schönste Frucht der Tropen. In anderen Gegenden, R&union etc.,
wird der stärkemehlhaltige Same ebenfalls genossen und zur Stärke-
gewinnung benutzt.
Die Vi — vi apple — Spondias duleis Forst. „vi“.
Keine Frucht vermag die Genusslust der Samoaner, besonders bei
Kindern, in gleicher Weise zu reizen, wie diese. Schon allein das
Bewusstsein, eine ‚vi‘ zu essen, verleitet die jungen Eingeborenen — wie
bei uns die Kinder Aepfel und Birnen — diese Früchte unreif von den
Bäumen zu schlagen und zu werfen. Ihr Geschmack ist sehr angenehm,
aber durch die stachelartigen Auswüchse der Steinschale in das Frucht-
fleisch hinein wird der Genuss etwas beeinträchtigt. Gekocht schmeckt
das Fruchtfleisch unserem Apfelmus sehr ähnlich und wird auch in
dieser Zubereitung von den Fremden am meisten geschätzt. Dieser
Fruchtbaum ist jedenfalls auf den Inseln des Stillen Oceans heimisch.
Dafür spricht besonders eine ihm nahe verwandte, auf Samoa endemische
Form. '
Die Südsee-Kastanie — chest nut tree — Inocarpus edulis
Forst. — „ifi".
Die trockenfleischigen Früchte dieses eigenartigen Baumes mit
wunderbar gefurchtem Stamm werden geschält oder frisch geröstet und
!) Der Consonant g wird im Samoanischen wie weiches nasales ng gleich
dem französischen en ausgesprochen.
ie
F
II. Abtheilung. Obst- und Gartenbau-Section. 31
die Samenkerne dann gegessen. Der Geschmack erinnert in der That
an unsere echten Kastanien (Maroni). Sie erfreuen sich im tropischen
Australien besonderer Beliebtheit.
Katappa — Terminalia katappa L. — umbrella tree „Talie“.
Die Früchte dieses schönen Schirmbaumes, mit seinen etagenartigen,
üppigen Laubdächern werden von der faserig-fleischigen Frucht- und der
harten Steinschale befreit, und die so herausgelösten Samen roh gegessen.
Ihr Geschmack ist mandelähnlich.
Der Pandanus — Pandanus sp. „lau fala“.
Dessen troekene, wohlriechende, orangeröthliche Früchte auf anderen
Inselgruppen in Zeiten der Noth gekaut werden, spielen auf Samoa nur
als duftendes Material, zu Halsketten aufgereiht, eine Rolle, als Nahrungs-
mittel liefernder Baum ist er wohl auch den Samoanern bekannt, kommt
er aber nicht in Betracht. Wir werden ihm jedoch später als einem
sehr geschätzten Nutzbaume begegnen. —
Als Fruchtbäume erst in späteren Jahren durch die Fremden auf
Samoa eingeführt, verdienen noch erwähnt zu werden: die allgemein
beliebten Anona-Arten: A. squamosa L. und A. Cherimolia Mill. aus
dem tropischen Amerika, die Guave — Psidium Guajava Raddi. aus
Südamerika, die ostindischen Malay apple — Jambosa malaccensis
D.C., der virginische Sumach oder Essigbaum — Rhus ihyphinum,
die Butterfrucht — Persea gratissima Gärtn. aus Brasilien und last
not least die Citronen — Citrus medica Risso. — halb verwildert,
besonders schön als diehte Hecken verschnitten, und die Mandarine.,
Auch der Weinstock — Vitis vinifera L. fehlt nieht und um-
rankt die Häuser mancher Weissen mit mächtigen Reben, deren spär-
liches Laub jedoch deutlich zeigt, wie wenig wohl ihm in diesem
allzu gesegneten Klima ist und wie sehr ihm die heimathliche Winter-
rast fehlt. Die ruhelose Entwiekelung raubt ihm die Kraft und Lust,
Blüthen und Früchte zu treiben, und nur in sehr wenigen Fällen haben
künstliche Schlafmittel, wie längeres Eingraben des Stockes ete,, einige
kümmerliche Früchte zu zeitigen vermocht.
Einige auf Somoa einheimische wilde Muskatnuss-Arten —
Myristica sp. — haben keine weitere Beachtung gefunden.
Das Zuckerrohr — Saccharum officinarum Z. — „tolo“
sei hier noch erwähnt. Es ist wahrscheinlich von Fiji nach Samoa
gelangt, jetzt in feuchten Gegenden, besonders in Bananen- und Taro-
pflanzungen überall verbreitet. Durch Kauen der inneren Fasern, nach
Entfernung der äusseren verbasteten Schicht mit den Zähnen, und gleich-
zeitiges Saugen geniessen die Eingeborenen den süssen Saft mit ausser-
ordentlichem Eifer und Behagen. Selten fehlen Zuckerrohrstengel als
Reserve-Leckerbissen in den Hütten, oft benutzen Kinder einen Zucker-
33: Jahresbericht der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur.
rohrstab als Spazierstock, um ihn später den Gelüsten nach Süssigkeit
zu opfern.
Eine grössere, praktische Bedeutung hat das Zuckerrohr seiner
Blätter wegen, die, reitend über lange Stäbe einseitswandig geflochten,
für Samoahütten und auch Häuser der Fremden als thatch — „lau‘ —
wie in den Tropen allgemein, das beste Deckmaterial für die Dächer
liefern.
B. Krautige Pflanzen.
Einheimische Kräuter fehlen unter den Samoanischen Phanerogamen,
abgesehen von einigen wenigen dicotylen Gattungen und Monocoiyledonen
fast gänzlich. Die krautigen Nutzpflanzen haben erst mit der Civilisation
ihren Einzug’ gehalten, und sind auch im Wesentlichen Genussmittel der
Fremden geblieben. Für die Eingeborenen haben nur wenige Arten
dieser zumeist europäischen Culturgewächse eine Bedeutung erlangt.
Dies gilt speciell für einige Vertreter der Solanaceen und Cucurbitaceen.
Von ersteren erfreuen sich der Chilipfeffer — bird’s eye pepper —
Capsicum baccatum L. — als verschärfendes Surrogat für die Kava
und einige Solanum-Arten, zum Theil in der Südsee heimisch, wegen
der intensivrothen Beeren für frische Halsketten und Tanzgürtel ver-
wendet, besonderer Beliebtheit.
Der Kürbis — Cucurbita Pepo L. etc. — und die Wasser-
melone — Citrullus vulgaris Schrad. — werden weniger als direete
Nahrungspflanzen beachtet, als wegen ihres materiellen Werthes als
Handelsartikel für die Fremden.
In den Gärten der Fremden hingegen findet man viele Gemüsearten,
die lebhaft an die Heimath erinnern. Tomaten aller Varietäten,
Gurken, Melonen, die verschiedensten Kürbisformen, Erbsen,
Bohnen, Salat, Kraut, Oberrüben, Rettig, Radieschen, Mehr-
rettig, selbst Thymian, Estragon, und was mehr die Sehnsucht nach
heimathlichen Genüssen hierher verpflanzt und allmählich mit theils vor-
züglichem Erfolg acclimatisirt hat, beweisen, dass nicht nur der Träger
der Cultur, sondern auch die Culturpflanze sich in fremde Verhältnisse
zu schicken vermag, wenn es den Kampf um’s Dasein gilt.
Einer ganz besonderen Beliebtheit erfreut sich bei den Fremden die
Grenadilla-Frucht der Passionsblume — Passiflora edulis
Sims. — aus dem südlichen Amerika und Westindien wegen des aroma-
tischen, äusserst angenehmen Geschmackes des die Samenkerne bei der
Reife einhüllenden verschleimten Arillusgewebes. Dieser schlüpfrige, die
Fruchthöhle knapp zur Hälfte füllende Inhalt wird allgemein von den
Fremden als eine Delicatesse ersten Ranges betrachtet.
Die ansässigen Fremden knüpfen an ihren ersten Genuss seitens
uneingeweihter Besucher gern einen kleinen Scherz. Die ganze Frucht
I. Abtheilung. Obst- und Gartenbau-Section. 33
selbst sieht derartig appetitlich melonenähnlich aus, dass der Neuling
auch eine entsprechende Verwerthung vermuthet und meist nur um eine
halbe Frucht bittet. Der Gastgeber stellt daraufhin eine Frucht aufrecht
mit einem leichten Ruck auf seinen Teller und bietet dem Gast die
obere Hälfte an, aus der durch den Stoss sämmtliche Kerne sammt der
wohlschmeekenden Schleimhülle herabgefallen sind. Natürlich
versucht der auf diese Weise Missbrauchte in den meisten Fällen mit dem
Messer dem Fruchtfleisch zu Leibe zu gehen, bis er sieht, dass sein
Partner sehr bequem mit dem Theelöffel seine Hälfte verarbeitet und
dabei das Fruchtfleisch verachtet.
C. Knollen- und Wurzelgewächse.
Der Taro — Colocasia antiguorum Schoit. — „talo“ und. „taamu“
— Alocasia indica Schott.
Diese beiden riesigen, blattprächtigen Araceen aus dem tropischen
Asien gedeihen in feuchtem, tiefgründigem Boden und beanspruchen
eine gewisse, wenn auch geringe Pflege. Das Terrain wird für sie in
gleicher Weise vorbereitet, wie für die Banane, und meist findet man
auch Taro und Bananen im Inneren der Inseln zusammen angebaut.
Auch diese äusserst stärkemehlreichen Knollen werden aus Steck-
lingen gezogen. Bis zur Reife der Rhizome vergehen 6—12 Monate, je
nach Art und Grösse der Varietät. Die Rhizome erreichen vielfach ein
Gewicht von 1—10 kg, gewinnen jedoch nieht mit der Grösse an
Qualität. Je höher die Anpflanzungen und je sonniger sie gelegen, je
gleichmässiger sie von frischem Quellwasser durchzogen werden, desto
besser ist die Qualität, desto trockenstärkereicher werden die Knollen.
In frischem Zustand ist der im Taro, wie im taamu enthaltene Milch-
saft giftig und von scharf brennendem Geschmack; besonders gefürchtet
ist deshalb Alocasia costata „faga“. Ihre Knollen frisch zu essen, galt
in früheren Zeiten als schwerste Strafe für ein Vergehen oder besiegte
Feinde.
Die Rhizome resp. die Sympodien beider Feldfrüchte werden im
Samoaofen geröstet und nach Entfernung der braunen, leicht angebrannten_
Aussenschicht warm oder kalt gegessen. Dabei hat man Gelegenheit,
sich über den guten Appetit der Samoaner und die Geräumigkeit ihres
Magens zu wundern; denn sowohl von Brotfrucht, wie auch hiervon sind
2—3 kg in erstaunlich kurzer Zeit dem Magen einverleibt.
Während frische Knollen sich nur wenige Tage halten, bleiben sie
‚geröstet längere Zeit geniessbar.
Neue, nicht zu grosse stärkereiche Knollen vermögen Kartoffeln
‘vollkommen zu ersetzen, zumal die von Amerika, Neu-Seeland oder
1895. 3
34 Jahresbericht der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur.
Australien nach Samoa kommenden recht oft viel zu wünschen übrig
lassen. !)
Auch die jungen Blätter des Taro, frisch ebenso schauderhaft
brennend wie die Rhizome, schmecken zerschnitten mit junger Cocos-
milch in ein Stück Taroblatt gewickelt und mit Bananenspreite umhüllt
auf heissen Steinen gekocht, oder in der Küche der Fremden wie Spinat
zubereitet, recht angenehm. Dieses Samoagericht, „palusami‘, gilt als
eine Delicatesse und fehlt nie auf einem samoanischen Fest-Menu.
Aehnlich diesen Rhizomen ist der Werth und Geschmack auf Samoa
einheimischer Yam-(Dioscorea-)Arten — ,„ufi‘“ — mit verschiedenen
Ergänzungen, je nach der Qualität benannt; dieselben wachsen als
Schlingpflanzen wild im Busch des Inneren. Die oft kolossalen
Wurzelknollen dieser Gewächse stecken tief in der Erde und ihre Ge-
winnung ist deshalb nicht allzuleicht. Die Eingeborenen nehmen deshalb
zu ihnen auch nur ihre Zuflucht, wenn die sonstigen voluminösen Nah-
' rungsvorräthe auf ihren Pflanzungen durch lange Festlichkeiten?) oder
Kriege stark mitgenommen sind. Die Knollen werden gleich dem Taro und
!) Die Cultur der Kartoffel ist mehrfach auf Samoa versucht worden, hat
aber nie irgendwelche befriedigenden Resultate ergeben, da der ausgezeichnete
Boden im Verein mit dem Klima auf Kosten der Reserve-Knollen ein rasches Aus-
treiben von langen Sprossen und schnelles Absterben dieser üppigen Triebe
hervorruft.
2) Die Samoaner führen unter sich eine Art Nomadenleben, indem die Gast-
freundschaft, in ganz abnorm hohem Maasse entwickelt, häufige Besuche, nicht
nur Einzelner oder von Familien, sondern ganzer Ortschaften zeitigt. Der Impuls
zur activen Ausübung eines solchen, einer Auswanderung gleichenden Besuches
trägt nicht selten einen recht materiellen Charakter; oft entspringt er z. B. einem
zeitweiligen localen Mangel an Nahrungsmitteln. Tritt ein solcher in einer Ort-
schaft ein, dann wird eine „Malaga“, d. h. Verwandtenreise, beschlossen. Alle
Dorfbewohner bis auf alte Männer und Frauen und kleine Kinder schnüren ihr
Ränzel, d. h. packen einige Geschenke, feine Matten, Stoffe, Kava, Fische oder dergl.
in Körbe und Siapos (vergl. pag. 39), fangen vorher im Busch der Berge einige
Schweine und begeben sich wohlgemuth auf die Wanderschaft nach einem befreun-
deten Dorf, den Aeltesten die Aufsicht über die Jüngsten und die Pflanzungen
überlassend. Mit Freuden werden die Besucher, oft 100 oder noch mehr, von der
befreundeten Ortschaft empfangen. Nach Uebergabe der mitgebrachten Geschenke
treten die so Ueberfallenen als Gastgeber in ihre Rechte, und es beginnt nun eine
Reihe festlicher Tage, üppigen Schwelgens, ausgelassener Heiterkeit und Be_
lustigungen, wobei nicht eher aufgehört wird, als bis die durch eine Malaga
Geehrten sich auf demselben Standpunkt befinden, der bei ihren Gastfreunden die
Reiselust wach rief. Damit finden die Freuden ihren Abschluss. Inzwischen aber
haben sich die Vorräthe im verlassenen Dorfe wieder gemehrt, und die Expedition
kehrt dahin zurück, nun ihrerseits mit demselben Vergnügen einer Umkehrung des
Bildes entgegensehend. Auf diese Weise wird gewissermaassen ein ununter-
brochener Kreislauf des Verkehrs erzeugt, aber auch die Gastfreundschaft in
hohem Maasse cultivirt. ‘
I. Abtheilung Obst- und Gartenbau-Section. 35
iaamu zubereitet, schmecken ähnlich, nur weniger mehlig, und sind an
ihrer bläulichen Farbe leicht kenntlich.
Eine Dracaene —- Cordyline ‚ti‘ wird wegen ihrer süssen, knollig
verdickten Wurzeln besonders in trockenen Gegenden angepflanzt und
in guten Zeiten von der Kochkunst der Samoaner zu einem wohl-
schmeckenden Gericht aus Cocosmilch und Brotfrucht verwendet. In
schlechten Zeiten dienen die Wurzeln ebenfalls als Nahrungsmittel.
Die vielfach bunten röthlichen Blätter dieser kleinen Bäumchen
werden zur Herstellung von luftigen Tanzgürteln, ‚‚titi“, den Lenden-
schurz ersetzend, benutzt.
Durch die Missionare ist auch Manihot utilissima Pohl — „ufi
papalagi“, d. h. fremder Yam — in Samoa eingeführt, hat aber bei
den Eingeborenen ebenfalls keine besondere Werthschätzung gefunden.
Diese Thatsache ist bei der grossen Beliebtheit, welcher sich diese
Knollen sonst überall erfreuen, wohl auffallend, aber durch die Güte der
eigenen Landesproducte zu erklären.
Das Samoabrot — „masi“. Zu Zeiten des Ueberflusses, wenn die
Samoaner Mangel an vegetabilischer Nahrung zu erwarten haben, besonders
nach Beendigung der Regenzeit, pflegen sie allerhand Früchte: Brot-
frucht, Bananen, Taro, in Erdgruben, die mit Blättern von Bananen und
der Carica Papaya ausgelegt sind, einzulegen und dann wieder, mit
Blättern abgeschlossen, zuzudecken. So überlassen sie den Inhalt dieser
Speicher der Gährung, zu der die Caricablätter wesentlich fördernd bei-
tragen. Wenn der Gährungsprocess beendet, das Ganze sich gesetzt und
abgekühlt hat, dann ist das ‚‚masi“ oder Dauerbrot — der Name wird
jetzt auch für die sehr beliebten Schiffszwiebacks angewandt — fertig.
Je nach Bedarf werden die Gruben geöffnet. Der gesohrene Fruchtteig
wird dann entweder schon frisch gegessen oder zuvor geröstet.. Die
Masi-Saison macht sich in wenig angenehmer Weise dem Fremden durch
den penetranten Gährungsgeruch, der auf weite Entfernungen die Luft
und Häuser erfüllt, fühlbar. Er erinnert halb an den der Melasse eigen-
thümlichen, halb an den von Lohgerbereien ausgehenden Duft. Euro-
päischen Nasenschleimhäuten wird es schwer, sich daran zu gewöhnen.
Bei dieser conservirten Nahrung verschmerzen die Samoaner völlig
den Mangel sonst gewohnter Früchte, zuma! selbst in Zeiten des Ausfalls
derselben die See und der Wald ihnen den Tribut an Fischen, Tauben
und Schweinen nicht vorenthält, sondern noch in reichem Maasse sogar
für Abwechselung auf dem täglichen Speisezettel sorgt. —
Nun bleiben noch 2 specifische Genussmittel zu erwähnen: die
Kava und der Tabak. Die ‚„ava‘“-Staude — Piper methysticum Forst, hoch
in den Bergen heimisch, aber an der Küste nur sehr selten blühend,
enthält in ihrer Wurzel das Alkaloid, welches — als Methystiein bei uns
jetzt bekannt geworden — zur Darstellung des Nationalgetränkes der Süd-
3*#
Se Jahresbericht der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur.
a
see - Insulaner, der ,„Kava‘‘ dient, das sie aus der gekauten, zer-
klopften oder zerriebenen Wurzel durch Wasser auslaugen und durch
ein Bastbündel filtrirt aus Cocosnussschalen trinken.
Die Zubereitung dieses Nationalgetränkes der Südsee - Insulaner
ist bereits so vielfach beschrieben worden, dass ich hier nur kurz darauf
hinweisen will:
Der halboberirdische Wurzelstock einer 3—5jährigen Kava-Staude
wird zertheilt und in der Sonne getrocknet. Bei guter Qualität müssen
die Stücke an den Bruchstellen hell-weissgrau aussehen und frei von
schimmelhaftem Geruch sein. Ein oder mehrere solcher Stücke werden
dann in der früher allgemein üblichen Weise von Mädchen, Jünglingen
oder bei ganz’ besonderen Anlässen von Häuptlingen gekaut oder in
einem schüsselartig vertieften Basaltblock mit einem runden Steinstück
feingeklopft. In neuster Zeit wird vielfach das Reibeisen als bequemeres
Mittel zum Zweck benutzt. Die auf eine dieser drei Methoden zer-
' kleinerte Holzfaser wird alsdann in einer auf 4—12 Füssen stehenden
aus einem Stück geschnitzten Holzschüssel — Kava-bowle „tanoa‘“ —
mit Wasser einige Zeit lang durch Kneten mit den Händen vermischt
und ausgelaugt. Darauf werden in geschickter Weise mittelst eines
Bastfilters aus Hibiseusrinde die Holztheilchen entfernt. Der flüssige Rück-
stand in der tanoa behält nach dieser ausgezeichneten Filtration eine
hellbraune Farbe. In einer schön polirten oberen Schalenhälfte einer
Cocosnuss wird das Getränk alsdann den Gästen und männlichen Haus-
bewohnern nach Rang und Würde kredenzt. Die Austheilung wird mit
Aufrufen des jeweiligen Empfängers, bei officiellen Gelegenheiten stets
mit Aufruf von Namen und Titeln mit längerer Ansprache an den be-
treffenden Gast oder Häuptling verbunden. |
Der erste Genuss der Kava, besonders nach der alten Methode zu-
bereitet, ist für den Fremden ein zweifelhafter. Das Urtheil lautet
ziemlich einstimmig wenig schmeichelhaft für das Getränk: „ungefähr
wie Seifenwasser“! Der angenehme Nachgeschmack verleitet jedoch zu
neuen Proben, die dann schliesslich zu der Ansicht führen, dass die
Nachwirkung und vor allem die ausserordentlich durstlöschende Eigen-
schaft des braunen Gebräus wohl des ersten leichten Widerwillens werth
sei, zumal sich ersterer sehr bald gänzlich lest.
An dieser Stelle möchte ich die vielfach durch frühere
Erzählungen verbreitete Ansicht, dass dies Getränk be-
rauschend wirkt und dadurch seine Beliebtheit und Bedeu-
tung zu erklären sei, in Abrede stellen. Bei übermässigem
Genuss übt die Kava allerdings einen wahrnehmbaren Einfluss auf deu,
Organismus aus, der sich als abstumpfender Effect auf das Gehirn und
die Beine, sowie nach frischer ungetrockneter Kava als Kopfschmerz und
eine allgemeine Erschlaffung geltend macht. Von Kava betrunkene
MT
II. Abtheilung. Obst- und Gartenbau-Section. 37
Samoaner oder Fremde, denn gerade unter Letzteren giebt es ausser-
ordentliche Liebhaber dieses braunen Genussmittels, habe ich während
meines 2jährigen Aufenthalts unter dem Volke nie gesehen und ver-
geblich, darauf vorbereitet, auf ein Eintreten der Symptone beginnender
Betrunkenheit oder Berauschtheit gewartet. Die normalen Folgeerschei-
nungen hingegen habe ich deutlich wahrnehmbar nur an mir selbst be-
obachtet und verfolgt.
Der Tabak ‚utufaga“ hat auch bei den Samoanern sehr schnell
Eingang und Beliebtheit gefunden, und ist zu einem ihrer grössten Be-
dürfnisse und unentbehrlichsten Genüsse geworden. Auf seine Cultur
auf bestem Boden verwenden sie viel Sorgfalt. Selten fehlen Tabak-
pflanzen in der Nähe der Häuser und Wohnplätze. Die Eigenartigkeit
seiner Zubereitung und Art des Rauchens lassen darauf schliessen,
dass sie entweder sehr originelle Lehrmeister in beiden hatten
oder früher schon Raucher waren, als die Tabakpflanze nach ihren
Inseln gelangte. Die gut entwickelten ausgebildeten Blätter werden bei
gutem Wetter an Leinen aufgehängt in der Sonne oder im Hause unter
dem Dach angebracht — getrocknet, danach wieder leicht angefeuchtet
und fest zu mehr oder weniger dicken 20—40 cm langen Stäben auf-
gerollt. 4, 8 oder viele dieser sich nach den Enden zu verjüngenden Rollen
werden aisdann mit einem aus Hibiscusbast geflochtenen starken Bind-
faden, nachdem Pandanusblatthälften um das ganze Gebund in der
Längsrichtung gehüllt sind, äusserst fest umwickelt und zusammen-
geschnürt. In diesen Packeten macht der Tabak alsdann die Gährung
durch und nimmt eine dunkelbraune Farbe an.
Wenn genügend gelagert, wird er alsdann in Gebrauch genommen,
enthüllt, wieder getrennt, was oft ziemliche Kraftanstrengung erfordert,
und stückweise mit dem Messer abgeschnitten, aufgebraucht. Diese
letzte Nutzanwendung geschieht in der Weise, dass Blattstücke von dem
Abschnitt abgelöst, in kleinen Dosen auf slimmende Holzspähne für
einige Secunden zum Trocknen gelegt und dann in schmale etwa 4 cm
breite und 12 cm lange getrocknete Streifen von Musaspreite oder
lieber solchen einer Heliconia eingehüllt, sehr ähnlich unseren Ciga-
reiten, meist auf dem Oberschenkel gedreht werden. Ist diese Arbeit
— im Hause zumeist von Mädchen oder Frauen — besorgt so raucht die
Verfertigerin die Cigarette „selui‘ an einem glimmenden Spahn an und ;
präsentirt sie dann brennend dem Gast oder den anwesenden Häuptlingen.
Wenn die Samoaner jetzt nach der Erntezeit vor der feuchten
Jahreszeit der Tabak fertig präparirt haben, tauschen sie ihn gegen
Handels-Artikel auf den Stationen nnd in Läden der Weissen ein oder
verkaufen ihn für 1-3 Mark das Packet, um es später wieder mit er-
heblichem Preis- Aufschlag durch Kopra zurückzuerwerben. Sie geben
so den Vorrath, allerdings gegen erhebliche Gebühren, in Aufbewahrung,
Jahresbericht der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur.
os
[04]
II. Anderweitige Nutzpflanzen.
A. Material für Flechtarbeit.
a. Matten. Abgesehen von den bereits aus Cocoswedeln herge-
stellten groben Flechtarbeiten, bestehend in Essmatten, Hausvorhängen und
Körben, werden auch feinere Matten aus schmalen Streifen der Cocos-
fiedern geflochten.
Der Pandanus ‚‚laufala“ d. h. Mattenbaum) liefert das eigentliche
Material für die groben Gebrauchsmatten (,fala“) mit denen des
Steinfussboden in den Häusern bedeckt wird, um das Sitzen auf dieser
an sich etwas unangenehmen Unterlage zu ermöglichen. Mehrere
solcher läuferartiger Matten, je nach Bedarf, neben und übereinander aus-
gebreitet, eliminiren den Druck der kleineren Steinchen völlig und ge-
währen eine angenehme Decke.
Für solche Matten werden die frisch von den Bäumen herabge-
rissenen oder zerschnittenen Blätter des Pandanus zunächst in der Sonne
leicht getrocknet, danach wieder durch Anfeuchten geschmeidig gemacht,
von der Mittelrippe getrennt und in 1—2 cm breite Streifen zerlegt oder
gefaltet. Diese Streifen werden alsdann kreuzweis, von einer Ecke aus-
gehend, zu ,—2 m breiten und 4—6 ın langen oder anderweitig ge-
stalteten Matten fest und dicht verflochten.
Solche Matten sind von enormer Festigkeit und Ausdauer.
Feinere Matten werden aus den Blättern von Freycinetia oder
auch vou Pandanus caricosus Rumph. hergestellt.
Feine geschmeidige Matten mit breiten Streifen liefert die nach
mehrtägigem Liegen vorher getrockneter Blätter ganz oder in Streifen
abgezogene Epidermisschicht des Pandanus.
Auf dieselbe Weise werden dünnere und schmale, herab bis 2 mm
breite Streifen von einer Pandanusart „lauie‘“- Deckenblatt und von Frey-
cinetia- „‚eie“-Blättern für Herstellung der feinen und feinsten Matten
„ie toga‘“ d. h. „Tongadecken‘ präparirt. Schon allein das Einsammeln,
Trocknen, Wässern und Spalten des Materials und das Abtrennen der
Epidermis erfordert eine lange Zeit und viel Mühe und Sorgfalt. Auch
das Verflechten der feinen, zarten Streifen ist äusserst müksam und kunst-
voll und schreitet nur sehr langsam vor. Um ein Stück dieser feinen
Matten von etwa 40 gem. fertig zu stellen, ist sehr viel Material an
Blättern erforderlich und die Anfertigung einer grossen ie toga nimmt
in Folge dessen viele Monate, ja Jahre in Anspruch. Ihr Werth ist
unschätzbar. Nur durch einen glücklichen Zufall gelangt der Fremde in
den Besitz einer solchen feinen Matte. Käuflich ist eine gute ie toga
nicht unter 25 Doll., d. s. 100 M., zu erlangen, wohl aber fordern die
sie besitzenden Häuptlinge 100 Doll. und mehr dafür.
b. Körbe, Fächer. Aus den Blatt- und auch Epidermis-Streifen
der Cocospalme, des Pandanus von Freyeinetia und Hibiscusbast ver-
II. Abtheilung. Obst- und Gartenbau-Section. 39
stehen die Samoaner in bewunderungswürdiger Mannigfaltigkeit geschmack-
volle leichte aber feste Körbehen in allen Grössen und ebenso praktische
wie zierliche Fächer für den eigenen Gebrauch, sowie in neuerer Zeit
zum Verkauf an Fremde herzustellen.
B. Bekleidungstoffe.
Aus der breitgeklopften und durch die Stärke der Knollen von
Tacca pinnatifid«a Forst — „‚masoa‘‘ aneinandergeklebten Bastschichten
von Böhmerien und Pipturus gewinnen die Samoaner ihre gewöhn-
lichen Stoffe ‚‚tapa‘“ oder ‚„siapo“, die vor dem Einzug der Civilisation
ihre wesentlichsten primitiven Kleidunssstücke lieferten. Diese Bast-
stoffe, welche sie in Stücken von ungeheurer Grösse anfertigen, werden
auf geschnitztem Holz ‚„papa“ oder auf mit Cocoszwirn und -Bindfaden
benähten Unterlagen mit braunrothen Mustern versehen und dann noch
gelb, roth oder schwarz in verschiedenen Schattirungen mit Holzstäben
bemalt. Ä
Diese Stoffe erfüllen noch weitere Bedürfnisse. Sie dienen als
Moskitonetze und Hüllen für werthvolle Gegenstände etc.
Aus der Bastfaser des Cypholophus macrocephalus Wedd.
„faupata“ werden durch mehrfaches Waschen und Bleichen derselben werth-
volle Ziegenfellen ähnliche feine Decken ‚‚ie sina“ d.h. „weisse Decke‘
geflochten, die als Unterlagen und Lendenschurz bei festlichen Gelegen-
heiten eine grosse Rolle spielen. Diese Decken werden wie die ie toga
nicht für den Verkauf gefertigt, sind aber durch Zwischenhändler für
30—80 M., wenn auch schwierig, zu erlangen.)
Der Hibiscus tiliaceus L. ‚‚fau“ hat für die Eingeborenen der
paeifischen Inseln als Nutzbaum grossen Werth. Die äussere Bastschicht
seiner Rinde wird zur Anfertigung von Bindfaden, Leinen, Oelpressen etc.
benutzt, die inneren hellen Schichten, in Streifen spiralig aufgerollt oder
gefiochten, dienen als Franzen der Tanzgürtel „tt“. — Aus dem Bast
besonderer Varietäten werden fellartige braune Lendenschurze ‚‚titi fau“
gewonnen, welche Tänzer bei besonderen Gelegenheiten tragen. !)
C. Nutzhölzer.
Samoa besitzt unter seinen Waldbäumen viele, welche in verschie-
dener Beziehung werthvolles Holz liefern. Glücklicherweise erschweren
die Terrainverhältnisse deren rationelle Ausnutzung seitens der Fremden,
sonst stände zu befürchten, dass die Axt sehr schnell die stolzesten
») Alle diese alten typischen, ethnologischen Stücke werden von Tag zu Tag
seltener, ihr Affectionswerth bei den Eingeborenen sinkt, und sie wissen sehr wohl,
dass der Tauschwerth der Gegenstände in einem sehr ungünstigen Verhältniss zur
Zeit und Mühe der Anfertigung steht, und, dass sich der Gewinn durch Kopra
erheblich schneller und leichter erzielen lässt.
40 Jahresbericht der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur.
Zierden des Urwaldes vernichtet haben und Lücken in das dichte
smaragdgrüne Gewand der Inseln reissen würde.
Sowohl in Bezug auf Festigkeit, Gewicht, Dauerhaftigkeit, wie auf
Färbung sind alle Abstufungen vorhanden. Vom leichten weissen, jungen
Hibiseus und der Erythrina indiea Lam. bis zum dunkelbraunen, unspaltbaren
eisenfesten Holz der Afzelia bijuga A. Gr., Casuarina und einer Ebenacee
fehlt es kaum an Uebergangsstadien. Dazu kommt der regelmässige kerzen-
srade Wuchs und die hohe Krone der meisten Stämme. Für alle Be-
dürfnisse ist Material vorhanden, und die Fremden haben schon mehr
denn einmal auf ausführbare Mittel gesonnen, um sieh diesen Schatz
nutzbar zu machen.
Die an Unvergänglichkeit grenzende Dauerhaftigkeit einiger Holz-
arten, wie das. der Afzelia bijuga, einer Casuarina und Gareinia sowie
des Calophyllum, Artocarpus ete. erinnert unwillkürlich an die Mumien-
särge der alten Aegypter, deren Holz von der Sycomore (Ficus Syco-
morus L.) Jahrtausende hindurch dem Zahn der Zeit getrotzt hat. —
Auch die Samoaner pflesten früher den Körper hochstehender Familien-
mitglieder zu mumifieiren und, in Bananenblätter und Baststoffe gehüllt,
in ausgehöhlten Baumstämmen oder Kriegscanus aufzubewahren. Durch
die Missionare ist dieser alte Brauch fast verdrängt, wenn auch noch
nicht ganz ausgerottet. Nur zweimal bot sich mir Gelegenheit, letzte
Spuren von ihm zu konstatiren. In beiden Fällen aber zeigte man mir
keine Mumien, sondern in Decken und Matten eingewickelte Skelette,
verpackt in genähte Holzkisten aus rohen Brettern des Brötftuckibalfiale
Die darin aufbewahrten Knochenüberreste stammten nach Aussage der
Angehörigen von. Häuptlingen, die längere Zeit im Grabe gelegen hatten
und dort skelettirt waren.
Eine besonders praktische Bedeutung hat das Holz abgestorbener Aeste
. und Stämme der Erythrina indieca Lam. bei den Samoanern erlangt.
Es dient in den Häusern als ausdauernder Zunder, als Feuerspeicher,
da es die Eigenthümlichkeit besitzt, ohne Flammen aufkommen zu lassen,
angezündet ganz langsam weiter zu glimmen und zu verkohlen.
In den Schluchten und Flussthälern stösst man häufig auf dichte Bam-
busgebüsche (Bambusa vulgaris Schrad.), deren oberarmstarke Triebe
früher, als noch nicht die Kopra, sondern das bereits ausgepresste Oel
exportirt wurde, als Sammel- und Transportgefässe für dasselbe von
den Eingeborenen in sehr einfacher Weise verwendet wurden, indem die
Querwände der Knoten bis auf die unterste durchstossen wurden. —
Ausgespaltene Internodialstücke dienen noch heute als Rasirmesser,
wo sie nicht bereits durch Glasscherben oder moderne Instrumente ver-
' drängt sind. Die Ränder solcher Bambussplitter sind ausserordentlich _
scharf und dem stumpfen Handwerkszeug eines civilisirten Friseurs sicher
vorzuziehen. — Bei der allgemein üblichen Cireumeision tritt das Bambus-
II. Abtheilung. Obst- und Gartenbau-Section. 41
messer noch heute ziemlich unbestritten in seine Rechte. — Aus
dünneren Bambustrieben stellen die Eingeborenen sehr sinnig Löffel her,
indem sie ein Stück mit dem Messer herausspalten, sodass das Inter-
nodium mit seiner Querwand das eine Ende des hohlen Stückes ab-
schliesst. Nachdem die scharfen Kanten noch mit dem Messer entfernt
sind, vermag ein solches Stück Bambus bei einigermaassen sachgemässer
Benutzung sehr wohl einen Löffel zu ersetzen.
Die Fremden errichten sich mit Vorliebe luftige Bambushäuser,
deren Wände aus gespaltenen, breitgeklopften, hübsch und dicht ge-
flochtenem Bambus hergestellt‘) und durch Holzpfosten gefestigt sind.
Diese mattenartigen Wände gestatten der Brise Zutritt in das Innere,
jedoch nicht dem Regen. Ein diehtes Dach aus Zuckerrohrblättern hält
erfolgreich den wärmenden Einfluss der Sonnenstrahlen ab. Besonders
die in Missionszwecken auf Samoa lebenden Mormonen, leben in solchen
billig und schnell herstellbaren Häusern.
D. Farbpflanzen.
In Bezug auf Farben waren die Samoaner scheinbar von jeher nicht
besonders anspruchsvoll. Es hängt dies vielleicht damit zusammen, dass
die Natur selbst ihnen wenig Anregung zur Ausbildung der Farben-
empfindung in der Farbenpracht der Flora bietet, denn auffallend bunte
oder intensiv gefärbte Blüthen sind selten. Die weisse, gelbe, gelblich-
grüne Farbe ist vorherrschend, scharfe Farbencontraste und mehrfarbige
Blüthen fehlen fast gänzlich. Die kolossale Ueppigkeit der Blattent-
wickelung findet mit wenigen Ausnahmen auf Kosten der Blüthenpracht
statt,
Die hauptsächlichsten Farbentöne, welche die Eingeborenen an-
wenden, sind gelb bis schwarz; alle Zwischen-Nuancen dieser beiden
Grundfarben gewinnen sie mit wenigen Ausnahmen durch Mischung der-
selben Stoffe. |
Die schwarze Farbe stellen sie sich aus Russ durch Verbrennen
von Lichtnussöl (Aleurites moluccana ‚‚ama‘‘) her, welchen sie
auffangen und mit Cocosöl verreiben. Gelben Farbstoff ‚„lega“ bietet
ihnen das Rhizom der Curcuma longaL. „ago“, deren Farbstoff sie mit
ockerfarbiger, vulkanischer, fein zerrieberer Erde mischen. Diese beiden
Grundstoffe alsdann in verschiedenen Verhältnissen gemischt, ergeben die
häufigsten vorkommenden Schattirungen von gelb, gelbhraun, schwarz-
braun bis schwarz. Mit diesen Farben drucken und bemalen sie ihre
„tapa‘“ oder ‚„siapos“.
!) Derartige Verwendung des Bambus ist aus Asien besonders seit den älte-
sten Zeiten bekannt und interessant an den Pagoden Indiens, speciell Siams, wo
Bambusgeflechte nicht nur als Schutz, sondern in verschiedenen Variationen der
Anfertigung auch als Schmuck der kunst- und geschmackvollen Tempel dienten
42 Jahresbericht der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur.
Die in anderen Pflanzen, wie Morinda, Cordia, Bixa etc, ent-
haltenen Farbstoffe spielen keine wesentliche Rolle.
E. Gift- und Arzneipflanzen.
Specifisch giftige Pflanzen sind auf Samoa wenig vertreten. Wohl
enthalten zahlreiche Gewächse Alkaloide und auch schädlich auf den
Organismus wirkende Substanzen, wie besonders einige Euphorbiaceen,
darunter Phyllanthus simplex Relz., ferner Barringtonia speciosa Linn.,
Tephrosia piscatoria Pers., die ausgezeichnete Betäubungsmittel für Fische
liefern und deshalb zu deren Fang benutzt werden, indem die zer-
klopften Rindentheile, Blätter oder Samen, in Bananenblatt gewickelt,
dort in das Meer, besonders unter Felsen, gesenkt werden, wo reiche
Beute zu erwarten steht.
Wenn die Eingeborenen starke Gifte in vernichtender Absicht auf
Menschen oder Thiere — mit Vorliebe auf wachsame Hunde — an-
wenden wollen, so nehmen sie ihre Zuflucht zu solchen Fischen,') die
an sich giftig sind, oder in ihren Verdauungsorganen starke Gifte bilden.
Für die Gelehrten in der Heilkunst hingegen bietet die Vegetation
mannigfache Schätze, und das Studium natürlicher „Geheimmittel‘ hat
dieselben der geheimnissvollen Sprache des Waldes erfolgreich abge-
lauscht. Die wenigen Auserwählten unter dem Volke beiderlei Geschlechts
wissen die ihnen gewährte Bevorzugung und das Vertrauen der Bäume
und Pflanzen wohl zu schätzen und geheim zu halten. Es ist ausser-
ordentlich schwierig, viel darüber aus ihnen herauszubekommen. — Sie
wenden innerlich und äusserlich Heilmittel an. Erstere in Form von
Getränken durch Auslaugen der betreffenden verfeinerten Rinde, Holz-
theile oder Blätter in Wasser; letztere als Einreibungen oder Com-
pressen, als Augenwasser etc. — Die sachgemässe Anwendung und
Wirksamkeit einiger solcher Medieinen und Einreibungen ist nicht in
Abrede zu stellen. Die häufigsten Krankheitserscheinungen sind fieber-
hafter Natur, Hautausschläge oder Augenentzündungen, Organische
Leiden sind relativ selten. Dahingegen begegnet man häufig Fällen von
Elephantiasis in wahrhaft ungeheurem Maasse.
Die am häufigsten und erfolgreichsten angewandte Pflanze von
antifebriner Wirksamkeit ist Premna Tahitensis Schauer und Olerodendron
inerme R. B. („aloalo atai“), deren Blätter als Decoct eingenommen werden.
Gegen Augenentzündungen, eine Blennorrhoe, besonders bei Kindern
häufig und mit hässlicher Eiterung verbunden, wird ein Decoct von
!) Vertreter aus der Familie der Sclerodermen (Balistes- und Ostracion-Arten)
— die riffbewohnenden Dascyllus-, Pomacentron- und Glyphidodon- und besonders
eine Myliobatisart.
II. Abtheilung. Obst- und Gartenbau-Section. 43
Terminalia-Blättern, womit Siapostoff getränkt ist, aufgelegt oder auch
Oel aus dem Samen des Calophyllum inophyllum L. eingeträufelt.
Bei Zahnschmerzen, einer allerdings seltenen Erscheinung, werden
die fein zerriebenen Blätter des Polypodium dilatatum Wall. hinter dem
Ohre aufgelest. Eine interessante Erscheinung, da sie mit unseren
vulgären Anschauungen und Methoden sich deckt.
Als äusserliche Arznei, besonders gegen Ausschläge und Hautwundeny
spielen einige Flechtenarten, besonders Usnea articulata Hoffm. — ‚limu
mea‘‘ — gekaut aufgelegt, eine grosse Rolle, und diese mit Gährungs-
und Fäulnisserregern künstlich infieirten Breie scheinen in der That eine
reinigende Wirkung auf den Organismus und heilenden Einfluss auszu-
üben. Asepsis scheint eben nur eine moderne Nothwendigkeit für einen
durch die Cultur degenerirten Organismus zu sein. Dies fällt in beson-
derem Maasse bei der sehr ähnlichen Wundbehandlung auf. Dass An-
wendung von Antisepsis auch bei den Samoanern die Heilung befördert
und beschleunigt, widerspricht dieser Annahme noch nicht, dass aber
die Natur dieser Naturkinder nicht nur den natürlichen Infectionskeimen,
sondern auch den künstlich zugeführten Fermenten und Bacterien zu
widerstehen vermag, das könnte sie in hohem Grade stützen.
Das Vertrauen der Samoaner auf ihre Heilkünstler verliert sich stetig
mehr zu Gunsten des Ansehens der ärztlichen Vertreter der Civilisation.
III. Die Cultur und Culturpflanzen auf Samoa.
Der Schwerpunkt erster kaufmännischer und colonisatorischer Inter-
essen auf allen Südsee-Inseln concentrirte sich auf die Cocospalme;
ihrem Gedeihen auf ausgedehnten Flächen zu Nutzen möglichst hoher
Erträge wurden schon in den fünfziger Jahren von den Pionieren im
Stillen Ocean der einst weltberühmten Hamburger Firma J. C. Godeffroy
und Sohn die ersten rationellen Pflanzungen auf Samoa angelegt, und
die Erbin dieses Handelshauses, die „Deutsche Handels- und Plantagen-
Gesellschaft der Südsee-Inseln zu Hamburg“, setzte die Colonisations-
bestrebungen in musterhafter Weise fort.
Mit Hilfe Hunderter von melanesischen Arbeitern, für diese Zwecke
angeworben, wurden grosse Flächen von Urwald, Busch und Unkraut
befreit und Baumwolle als Vorarbeiter vorausgeschickt, um dem jungen
Boden schon Erträge abzugewinnen, bis die zwischen die Baumwoll-
stauden gepflanzten Cocospalmen diese Aufgabe übernahmen. So sind
im Laufe der Jahre ca. 3000 ha Land urbar gemacht worden.
Die Baumwolle lieferte schnell und dauernd die besten Erträge und
zeichnete sich durch vorzügliche Qualität auf dem Markte aus. Durch
Maschinen wurde sie von den Samen befreit, in grosse Ballen verpackt
und so von den Segelschiffen nach Europa gebracht.
44 Jahresbericht der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur.
Seit mehreren Jahren sind die Pflanzungen der ungünstigen, un-
sicheren politischen Verhältnisse wegen nicht mehr vergrössert worden,
Die jüngsten Palmen-Neuculturen stehen kurz vor dem Beginn der
Erträge, und die Baumwolle ist deshalb aus ihrem Dienst auf Samoa
entlassen worden, ausgerissen oder abgeschlagen, und die keineswegs
geringe Arbeit des Jätens der Cocosanlagen beginnt mit ihrer Entfernung.
Die abgefallenen reifen Cocosnüsse werden von den Arbeitern, den
„Eseljungen“, in bestimmten Zeitintervallen zusammengesucht, mit dem
langen Buschmesser angespiesst und in Körbe aus Eisengeflecht geworfen,
welche je ein Esel auf beiden Seiten des Rückens trägt. Die Cocos-
palmen stehen, wie alle Culturpflanzen auf den Plantagen, in geraden
Reinen. Parallele Wege durchkreuzen die Pflanzungen und nach ihnen
werden die Nüsse durch die Esel getragen, dort in Haufen zusammen-
geworfen und dann von Ochsenwagen auf die Stationen oder direct zu
den Copradarren geführt. Dort werden sie mit der Axt aufgespalten.
Unter einem grossen Schutzdach schneiden Weiber und weniger kräftige
Männer den Kern heraus. Die frische Copra gelangt dann auf Draht-
horden in die Trockenkammern der Darre, aus denen sie nach 18 bis
24 Stunden wohl getrocknet, leicht geröstet, als fertige Handels-Copra
in die Copra-Schuppen überführt, dort aufgespeichert und s. Z. auf
Segelschiffe verladen wird. Neben dieser Darren-Copra wird wie von den
Eingeborenen auch auf den Pflanzungen noch Sonnen-Copra getrocknet.
Diese Methode tritt jedoch durch die grösseren Schwierigkeiten, welche
aus der dauernden Beaufsichtigung, der Gefahr des Nasswerdens durch
plötzliche Regenschauer und durch den mehrtägigen Trockenprocess
erwachsen, immer mehr zurück gegenüber dem äusserst einfachen,
schnellen und geregelten, sowie auch billigen Betrieb der künstlichen
Trocknung, der dadurch wesentlich vereinfacht wird, dass das beste und
billigste Heizmaterial die Cocosschalen selbst sind.
Die Samoaner sind bisher noch auf das Sonnen - Trockenverfahren
angewiesen; doch es steht zu erwarten, dass unter günstigen Aussichten
die Abnehmer ihrer Produete Darren für Native-Copra errichten werden,
um dadurch viele Uebelstände und Schäden, die durch ungleichmässiges
Trocknen, Feuchtwerden und Beimengung von Steinen entstehen, zu
eliminiren.
Die Samoaner würden mit der Abgabe einer erheblichen Arbeit
allerdings auch geringere Bezahlung in den Kauf nehmen müssen.
Die für trockene Copra bisher an die Eingeborenen bezahlten Preise
schwanken je nach den Conjuncturen zwischen 3 und 6 Pf. pro Pfund.
Eine Cocosnuss repräsentirt für sie somit, da sie ca. 1 ubis Pfund
Copra enthält, einen ungefähren Werth von 1 ct. = 4 Pf. und eine
Palme, die im Jahre 100 Nüsse trägt, einen Zinswerth von 4 Mark.
II. Abtheilung. Obst- und Gartenbau-Section. 45
Im allgemeinen Durchschnitt ist das jedoch etwas zu hoch gegriffen;
immerhin aber ergiebt die Fortsetzung dieser Rechnung, welche einem
guten Lande mit volltragenden Palmen entspricht, als Ertrag eines Hektar,
auf dem wieder hoch gerechnet 180 bis 200 Palmen stehen, die Summe
von 740 bis 800 Mark. Jedenfalls giebt es unter den Cocosbeständen
der Samoaner Flächen, für welche dieses Exempel zutreffend ist.
Die Kaffee-Cultur, welche lange Jahre hindurch sehr gute Erträge
brachte und durch ihre Producte den Samoa-Kaffee auf dem Markte
durch ausgezeichnete Qualität sehr beliebt machte‘), hat leider durch den,
schon vielen Unternehmungen verhängnissvoll gewordenen Kaffeerost:
Hemileia vastatrix Bet. Br. seit einigen Jahren sehr gelitten, die Kaffee-
krankheit hat arge Verwüstungen auf der Kaffeepflanzung angerichtet;
doch scheint die Hoffnung auf einen neuen Aufschwung auf Grund um-
fangreicher Versuche berechtigt zu sein.
Auch der Cacao gedeiht in bester Weise; aber 2a ihm stehen
in den zu einer wahren Landplage gewordenen Ratten’) und fliegenden
Füchsen (Pieropus Samoönsis) gefährliche Feinde gegenüber, deren Be-
kämpfung mit allen Mitteln betrieben wird. Den Ratten kommt sehr
das Bedürfniss der Cacaobäume nach Schatten zu Gunsten; denn am
Erklettern der Fruchtbäume durch Schutzvorrichtungen verhindert,
kriechen sie auf die Schattenbäume und lassen sich von diesen auf die
Cacaobäume herabfallen, um so zu den Früchten zu gelangen, die sie
völlig ausfressen.
Ausser diesen Culturpflanzen sind umfangreiche Versuche mit Thee,
Zimmet, Vanille, Manihot Glaziovii ete., von der Deutschen Gesell-
schaft angestellt worden, und sie haben fast in allen Fällen das Resultat
ergeben, dass Samoa ddr meisten Nutzpflanzen heisser und warmer aa
ausserordentlich zusagt.
Alle bisherigen Versuche und Erfolge im Anbau von Nutzpflanzen
auf den Samoa-Inseln, fast ausnahmslos von Deutschen, insonderheit der
Deutschen Handels- und Plantagen-Gesellsehaft ausgehend, berechtigen
zu der sicheren Erwartung, dass die Inseln, ganz abgesehen von ihrer
wichtigen Lage für handelspolitische und strategische Zwecke, unter
einer einheitlichen und geordneten Verwaltung eine grosse Zukunft haben.
Y) In unseren Colonieen gilt Samoasaat als beste Qualität für Neuculturen.
2) Wie die Ratten, so verdankt Samoa der Civilisation auch alle anderen schä-
digenden Errungenschaften, ganz abgesehen von Infectionskrankheiten ete. Am
meisten muss dies hinsichtlich der auch dort recht unangenehmen Moskitos, Fliegen
und ähnlichem Menschen und Thieren lästigen Ungeziefer verwundern. Die Mos-
kitos sind nach Aussage der ersten Missionare den Samoanern früher unbekannt
gewesen und erst als Larven im Wasser von Schiffen nach den Inseln gelangt.
Die Fliegen haben sich erst so recht eingefunden, als der Viehbestand der Deutschen
Plantagen-Gesellschaft geschaffen war.
46 | Jahresbericht der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur.
Möge deshalb der mit Sehnsucht von unseren Landsleuten erwartete
Augenblick nieht mehr fern sein, in dem die deutsche Flagge nicht mehr
über einem deutschen Consulat und auf zahlreichen Booten der Ein-
geborenen, sondern über ganz Samoa weht.
In der siebenten Sitzung vom 29. October hielt der Apotheker
Dr. Tsehaplowitz aus Königshütte einen Vortrag über:
Bestrebungen im deutschen Gärtnerstande.
Die Angehörigen jedes Zweiges dieses Standes streben ganz allgemein
in verschiedener Weise danach, in eine bessere Lage zu kommen. Der
Stand will einerseits sowohl die allgemeine als auch die wissenschaftlich-
technische Bildung besonders der jugendlichen Mitgenossen auf eine höhere
Stufe bringen, andererseits aber auch allen Genossen in ihrer oft
sedrückten Lage helfen; er will den Erwerb, also die Productionsfähig-
keit des Gewerbes erhöhen. Verlangt aber schon der Unterricht materielle
Opfer, so heischt der andere Theil des Programmes vorläufig noch weit
mehr materielle Mittel. Während der Staat gärtnerische Institute und
Lehranstalten verschiedener Art errichtet und möglichst unterstützt, ge-
schieht zur Hebung der materiellen Noth recht wenig. Es soll hier
nicht von unserer, aller inländischen Production schädlichen Gesetzgebung,
welche allen Import begünstigt, allen Export unterdrückt, nicht von
Handelsvertrag und Goldwährung die Rede sein, sondern ich möchte
hier vor allen Dingen darauf hinweisen, dass zur Erhöhung der Erwerbs-
fähigkeit die Technik ganz wesentlich gehoben werden müsste. Unter
der gärtnerischen Technik verstehe ich die vollständige Behandlung der
Pflanze von der Aussaat an bis zur Ernte — einschliesslich selbstver-
ständlich der Boden- oder Erdbehandlung — also z. B. auch das Ver-
pflanzen, Schneiden, Giessen, Besonnen, Spalieren, Düngen u. s. w., kurz
Alles, was in jeglicher Art des Betriebes mit der Hand oder mit
Maschinen-Arbeit vollführt wird. Diese Technik ist aber selbstverständ-
lich nur dann zu heben, wenn der Praktiker die Cultur-Ansprüche jeder
Pflanze genau kennen würde; aber bis jetzt ist ja selbst die Wissen-
schaft noch nicht einmal so weit, dieselben angeben zu können. So
z. B. ist auf dem Gebiete der Pflanzenernährung noch sehr Vieles un-
gelöst. Viele Praktiker scheinen zu glauben, dass nichts leichter sei,
als durch einfache Versuche der Sache näher zu kommen, auch sind von
einigen Seiten solche Versuche angestellt worden, allein das Ende oder
ein Ziel ist noch nicht erreicht.
Es sind besonders folgende Punkte noch zu bearbeiten:
1. Wir wissen zwar, welche Stoffe, aber nicht wieviel derselben
von jedem einzelnen eine bestimmte Pflanzenart gebraucht. (Nähr-
stoffverhältniss.)
II. Abtheilung. Obst- und Gartenbau-Section. 47
2. Wir wissen nicht, welchen Antheil der in bestimmten Formen
vorhandenen oder zugeführten Stoffe eine Pflanze aufzunehmen
vermag.
3. In welcher Differenz schwanken Bedürfniss und Aufnahme?
Es entspann sich eine lebhafte Debatte, welche sich schliesslich für
Anstellung von Versuchen in dieser Richtung aussprach.
Zu erwähnen bieibt noch, dass die Section im Berichtsjahre
1. einen Ehrenpreis von 50 Mark für die in Beuthen stattgehabte
September-Ausstellung des Gartenbauvereins des oberschlesischen
Industriebezirks stiftete,
2. 30 Mark für den Winterunterricht der gärtnerischen Fortbildungs-
schule des Breslauer Gärtnervereins bewilligte.
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Schlesische Gesellschaft für vaterländische Gultur.
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73. II. Abtheilung.
Jahresbericht. Geschichte u. Staatswissenschaften.
1895. a. Historische Section.
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Sitzungen der historischen Section im Jahre 1895.
Am 17. Januar sprach unter dem Vorsitze des Geh. Regierungs-
Rathes Prof. Dr. Reimann Herr Prof. Dr. Kaufmann
Ueber die letzten beiden Bände des Werkes „Die Begründung des
Deutschen Reiches‘ von H. von Sybel.')
Während sich unsere heutige Geschichtsforschung immer mehr in
Einzelfragen und zwar häufig in ganz unfruchtbare vertieft und hierbei
den Blick über den Zusammenhang der Dinge verliert, ist es, so führte
‘ Redner aus, mit Freuden zu begrüssen, dass einer unserer ersten Ge-
schichtsforscher in formvollendeter Weise uns die Zusammenfassung und
Darstellung eines ungeheuer schwierigen Gebietes aus der neuesten
Geschichte bietet. Schmerzlich ist es zu bedauern, dass Heinrich von
Sybel für den 6. und 7. Band die Benutzung der Acten des Auswärtigen
Amtes entzogen worden ist. Es bleibt dadurch eine ganze Anzahl von
Fragen ungelöst, und gerade den Gegnern der deutschen Politik wird es
dadurch erleichtert, grundlose Verdächtigungen zu erheben, wie nament-
lich, Bismarck habe den Krieg von 1870 absichtlich herbeigeführt, zu
dem Zwecke habe er die spanische Candidatur aufgebracht. Trotz jenes
Mangels hat aber Sybel unsere Kenntniss von der Geschichte jener Zeit
erheblich gefördert. Er zerstört die Legende, dass Bismarck, weil er
der inneren Schwierigkeiten, des anschwellenden Partieularismus und
Radicalismus, nicht Herr werden konnte, eine Ableitung durch einen
Krieg gesucht habe, und weist nach, dass er im Gegentheil im Parla-
ment viele Erfolge erzielt hat, so dass die Thronrede am Schluss der
Session sich recht befriedigt von den erzielten Erfolgen erklärte. Vor-
züglich schildert ferner v. $. die französischen Verhältnisse vor Ausbruch
des Krieges. Auch über die Haltung Oesterreichs bringt v. 8. neues
Licht. Redner ging nun im Einzelnen auf die Frage ein, ob Bismarck
!) Anmerkung. Die von Delbrück in den Preussischen Jahrbüchern, 1895,
Octoberheft besprochene Literatur konnte in dem Vortrage noch nicht benutzt
werden.
1895.
Er Zu
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) Jahresbericht der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur.
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den Ausbruch des Krieges herbeigeführt habe, und wies alle derartigen
Anschuldigungen als unhaltbar zurück, vielmehr sei von Olivier, dem
Manne mit dem leichten Herzen, und von Gramont der Krieg provoeirt
worden. Ebenso beleuchtete er die Emser Depesche und ihre Redigirung
durch Bismarck. Bismarck sah wohl die Nothwendigkeit einer Abrech-
nung mit Frankreich, aber die Verantwortusg für den Ausbruch des
Krieges war für ihn etwas Furchtbares.. Hätte er ihn herbeiführen
wollen, hätte er nicht kleine Fallen, wie die spanische Candidatur zu
stellen brauchen, sondern reichlich bei der Luxemburger Frage Gelegen-
heit gehabt, wo er der allgemeinen Entrüstung in Deutschland gegen
Napoleon die Zügel einfach schiessen zu lassen brauchte, statt sich mit
ganzer Brust dem Strome entgegenzuwerfen und den Vorwurf der Feig-
heit auf sich zu nehmen. Zum Abgeordneten Völk sagte er, als dieser
ihn deswegen befragte: Glauben Sie nicht, dass es mir leicht geworden
ist, aber ich habe ein Herz, ich habe die Schrecknisse des Krieges
gesehen. — Die Verdienste des 6. Bandes sind nicht geringer. Sybel’s
Kunst ist die Beschränkung in der Auswahl, die sichere Beherrschungi
des Stoffes, die glänzende Charakteristik ohne Unterschied der Partei-
stellung.
Am 23. März las unter dem Vorsitze des Prof. Dr. Krebs Herr
Prof. Dr. Bauch über
Die Anfänge des Studiums der griechischen Sprache und Literatur
in Norddeutschland.
Der Vortrag knüpfte sich an die Geschichte der Universitäten an,
wegen des grossen Umfanges des Themas konnten aber nur Erfurt und
Wittenberg in den Kreis der Besprechung gezogen werden. Mit
Erfurt wurde begonnen, weil hier, zuerst in ganz Deutschland, auch die
Druckerpresse für das Griechische dienstbar gemacht wurde. Als erster
Anreger von Druckwerken und erster Lehrer des Griechischen fand
Nieolaus Marscaleus Thurins und ebenso seine einschläglichen
Schriften eingehende Berücksichtigung. Desgleichen wurden die Drucke
Wolfgang Schenck’s, Paul’s von Hachenborg und die aus Mar-
schalk’s eigener Hausdruckerei, soweit solche bekannt sind, inhaltlich
und typographisch behandelt.
In Wittenberg wurde Marschalk ebenfalls der erste Lehrer des
Griechischen, wie er dort auch 1503 das erste Griechisch druckte. Nach
ihm lehrten der Sonderling Conradus Thiloninus Philymnus und
der Augustiner Johann Lang, bis 1518 endlich Melanchthon eintrat,
der das Griechische über die Rudimente erhob.
III. Abtheilung.. Historische Section. 5)
Am 22. April hielt Geh, Rath Prof. Dr. Reimann einen Vortrag
Ueber die Schwierigkeiten, welche sich dem Präsidenten Washington 1793
bei Aufrechthaltung des Friedens entgegenstellten.
In dem Kriege, der damals zwischen England und Frankreich aus-
gebrochen war, hielt es die Bundesregierung für nothwendig, eine strenge
Neutralität zu beobachten, und sie erliess deshalb eine Bekanntmachung
an die Bürger der Vereinigten Staaten. Mit ganz anderen Absichten
kam nicht lange darauf ein neuer Gesandter, G en&t, vom Conventgeschickt,
hierher. Gleich in Charleston, wo er landete, wandelte er weggenommene
englische Fahrzeuge in französische Kaperschiffe um, bemannte sie mit
Franzosen und Amerikanern und liess sie dann auf Raub in See stechen.
Indem er dann zu Lande nach Philadelphia reiste, ward er überall be-
geistert aufgenommen. Zahlreiche demokratische Gesellschaften bildeten
sich und fassten Beschlüsse zu Gunsten Frankreichs, die oppositionelle
Presse forderte den Gesandten auf, fest in seinem Bestreben zu bleiben,
und so glaubte Gen&t, dass das amerikanische Volk hinter ihm stünde;
er beharrte auf seinen Absichten und hoffte die Mitwirkung der Ver-
einigten Staaten in dem Kriege gegen England noch zu erlangen. Er
gerieth dadurch in einen Streit mit der Bundesregierung, die endlich in
Paris seine Abberufung verlangte. Das geschah denn auch, und er würde
das Schaffot bestiegen haben, wenn nicht Washington die Hand zu
seiner Festnahme versagt hätte, Ferner erlitten die Amerikaner schwere
Verluste auf dem Ocean. Ihre Kauffahrteischiffe wurden von Engländern
und Franzosen nach dem alten oder dem neuen Seerechte, wie es ihnen
passte, weggenommen und der neutrale Handel ganz erheblich gestört.
Auch der Dey von Algier schickte seine beutegierigen Schaaren gegen
die Amerikaner, elf Fahrzeuge geriethen in ihre Gewalt, und etwa
100 Bürger der Vereinigten Staaten schmachteten in elender Sklaverei.
Endlich der Krieg, welchen die Bundesregierung mit den nordwestlichen
Indianern führte, dauerte weiter fort; zwar schickte der Präsident auf
ihren Wunsch Bevollmächtiste zu gütlicher Unterhandlung zu ihnen, aber
die Gesandten wurden nicht vorgelassen, sondern die Indianer beriethen
lange für sich und fragten endlich, ob der Ohio als Grenze anerkannt
werden könnte. Die Bevollmächtigten mussten das verneinen. Darauf
brachen die Indianer die Unterhandlung ab, die eigentlich gar nicht an-
gefangen hatte.
So endete das Jahr 1793 recht traurig für die Vereinigten Staaten.
Inzwischen war der Congress zusammengetreten, und im Hause der Re-
präsentanten besass diesmal die antiföderalistische oder republikanische
Partei eine, wenn auch sehr geringe Mehrheit, die darauf ausging, den
Handelsverkehr mit England zu schmälern und mit Frankreich stark zu
erweitern. Lange Verhandlungen fanden darüber statt, und die Gemüther
1*
Rt Jahresbericht der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur.
a
der beiden Parteien erhitzten sich gegen einander. Da gelangte die Nachricht
von einer empörenden britischen Rücksichtslosigkeit nach dem Sitze der
Bundesregierung. Bereits am 6. November 1793 hatten die Befehlshaber
der Kriegs- und Kaperschiffe die Weisung erhalten, alle Fahrzeuge, die
nach den französischen Colonien eine Ladung führten, oder dort be-
frachtet worden wären, vor ein britisches Admiralitätsgericht zur Ab-
urtheilung zu bringen. Erst Ende des Jahres wurde der amerikanische Ge-
sandte in London davon in Kenntniss gesetzt, und im März 1794 kam
die Meldung nach Philadelphia. Nun schien es wirklich, als müsste das
Schwert gezogen werden, und die Frage Krieg oder Friede? bildete das
Tagesgespräch. Zum Glück gelangten nach einiger Zeit bessere Nach-
richten an die Bundesregierung. Am 9. Januar hatte der englische
Minister Grenville dem amerikanischen Gesandten mitgetheilt, die
Weisungen vom 6. November 1793 seien aufgehoben und durch neue
vom 8. Januar 1794 ersetzt worden, er hatte ferner den Wunsch aus-
gesprochen, in freundlichem Einvernehmen mit den Vereinigten Staaten
zu leben. Diesen Bericht schickte der Präsident am 4. April an den
Congress. Die Weisungen vom 8. Januar 1794 waren lange nicht so
schlimm, wie die vom 6. November 1793, denn sie liessen den directen
Verkehr zwischen den französischen Colonien in Westindien und den
Vereinigten Staaten frei, und die Worte, mit denen Grenville die Meldung
begleitet hatte, liessen eine friedliche Verständigung hoffen. Aber das
Haus der Repräsentanten dachte anders. Es zog eifrig einen Antrag in
Betracht, welchen der hitzige Antiföderalist Clark am 7. April einbrachte:
aller Handelsverkehr mit den Erzeugnissen des Bodens und Gewerb-
fleisses von Grossbritanien und Irland sollte so lange aufhören, bis die
Engländer die nordwestlichen Forts dem Friedensvertrage gemäss ge-
räumt und Entschädigung für die völkerrechtswidrig weggenommenen
amerikanischen Schiffe gezahlt hätten. Aber der Präsident liess sich
dadurch von seinem Wege nicht abführen. Er beschloss einen beson-
deren Gesandten nach London zu schieken, um dadurch aller Welt seine
Friedensliebe zu zeigen, und er wählte für diesen hohen Zweck einen
der trefflichsten Männer der Union aus, den Präsidenten des Ober-
bundesgerichts, John Jay. Er zeigte das am 16. April dem Senat an,
der nun drei Tage berieth, bevor er seine verfassungsmässig erforderliche
Zustimmung gab.
Hierauf könnte die Sendung erfolgen. Aber das Haus der Re-
präsentanten ärgerte sich über den Schachzug des Präsidenten. Es ver-
handelte weiter über den Antrag Clark’s und nahm ihn an, jedoch mit
einer jetzt nothwendig gewordenen Aenderung, dass der Abbruch des
Handels erst mit Beginn des Monats November erfolgen sollte, wenn bis
dahin keine Einigung über die zwei Punkte zu Stande gekommen wäre,
Im Senate nahm gerade die Hälfte der Mitglieder den Beschluss des
II. Abtheilung. Historische Section. 5
andern Hauses an. Eine Stimme mehr, und er wurde Gesetz. Aller
Wahrscheinlichkeit nach würde die Sendung Jay’s dadurch erfolglos ge-
worden sein, Wie aber die Dinge lagen, musste der Vicepräsident den
Ausschlag geben. Er leitet der Verfassung gemäss die Verhandlungen
des Senats und stimmt nur mit, wenn diese Körperschaft gleich getheilt
ist. John Adams aber brachte den Beschluss des andern Hauses zu
Falle, J. Jay konnte nach London segeln, ohne eine Drohung mitzunehmen,
und es gelang ihm, einen annehmbaren Vertrag dort abzuschliessen,
Der Friede blieb erhalten.
Am 12.December hielt unter dem Vorsitze des Prof. Dr, Krebs,
Herr Prof. Dr. G. Bauch folgenden Vortrag:
Der humanistische Dichter George von Logan.
Ein Beitrag zur Literaturgeschichte des schlesischen
Humanismus.
Unter den hochgestellten Männern, die im deutsch-polnisch-ungarischen
Osten durch ihre Gunst fördernd den Wiedererweckern classischer
Bildung zur Seite gestanden haben, nimmt einen hervorragenden Platz
der Bischof Johann V. Thurzo von Breslau ein. ') Wie sein Vorgänger
auf dem bischöflichen Stuhle Johann IV. Roth, der in der Geschichte
des deutschen Frühhumanismus eine Rolle spielte, ?) literarisch selbst
feingebildet, war es ihm bei der den Bildungsbestrebungen seiner Zeit
zugewendeten Gönnerschaft nicht wie so manchem andern wesentlich um
die Weihrauchwolken der Schmeichelei zu thun, er empfand an dem
Umgange und in der Begünstigung von Gelehrten und strebsamen jungen
Leuten eine wahre und echt fürstliche Freude. °) Durch sein Entgegen-
kommen erhielt die 1504 von Hieronymus Gürtler von Wildenberg in
Goldberg gegründete Partieularschule, die bald als Pflanzstätte der
neueren Bildung ins Leben getreten war, erst ihre dauernde Lebens-
fähigkeit,*) seine Liberalität ermöglichte dem von armen Eltern
stammenden hervorragendsten schlesischen humanistischen Dichter und
hochgeschätzten Geschichtsschreiber der Besitzergreifung Ungarn’s
!) Die Literatur über Johann Thurzo bei G. Bauch, Caspar Ursinus Velius, der
Hofhistoriograph Ferdinand’s I. und Erzieher Maximilian’s II., Budapest 1886, 8.
2) Neue Angaben über Johann IV. Roth findet man in Hermann Schedel’s
Briefwechsel, Bibliothek des literarischen Vereins in Stuttgart, CXCVI, Tübingen
1893, und bei M. Hermann, Albrecht von Eyb, Berlin 1893, passim.
®2) Von der ursprünglichen Grabschrift sind (heut eingemauert in Breslau,
Martinistrasse 9), gerade nur die Worte erhalten: DOCTRINAE IPSI EXQVISITAE
ET [DOC]TORVM QVOS MAGNA LIBERALITATE PROSEQVEBATUR VNICO
PATRONO STANIS: TVRSO OLOMVCEN. EPVS ET IOHAN: TVRSO PLESNAE
DOMIN: [FRA]JTRES FRATRI CHARISS: EX TES: MOES. P.
4) G. Bauch, Der Begründer der Goldberger Partieularschule Hieronymus
Gürtler von Wildenberg, 23.
De Jahresbericht der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur.
durch das Haus Habsburg Caspar Ursinus Velius aus Schweidnitz die
literarische Laufbahn ') und seine milde Hand unterstützte auch die
ersten wissenschaftlichen Studien des jungen unbemittelten Edelmanns
George von Logau, des zweiten Vertreters der Hochrenaissance in
Schlesien, und gestattete ihm damit die freie Entfaltung seines nicht ge-
wöhnlichen Talentes.
Das Leben Logau’s ist zuletzt von Aschbach in der Geschichte der
Wiener Universität?) und, nicht bloss nach dem geringen Umfange der
Biographie, ungenügend behandelt worden. Wir wollen daher hier ver-
suchen, die recht verworren überlieferten Schicksale dieses Mannes, auf
neue Forschungen gestützt, aufzuhellen, seine literarische und poetische
Entwickelung und die sich daran knüpfenden Beziehungen zu verfolgen;
seine wenig zu Tage liegende Thätigkeit im königlichen Dienste bei
Ferdinand I. und die Wirksamkeit als katholischer Prälat und Kämpfer
für den Katholieismus kann unserer Aufgabe gemäss nur gestreift
werden.
George von Logau ging aus einer alten, damals in mehrere Zweige
gespaltenen, heute noch blühenden schlesischen Adelsfamilie hervor, die
in der zweiten Hälfte des XVI. Jahrhunderts der Breslauer Diöcese in
Caspar von Logau (1562—1574) einen gelehrten, allerdings nach der
Auffassung seines Kapitels kirchlich lauen, Fürstbischof?) gab, und der
auch der geschätzte Epigrammendichter Friedrich von Logau angehört.
Auf dem väterlichen Gute Schlaupitz im alten Fürstenthume Schweidnitz,
im heutigen Kreise Reichenbach um die Wende des XV. Jahrhunderts
als Sohn des 1541 gestorbenen George von Logau ‘) geboren, begann
er seine akademischen Studien in Krakau; wir vermuthen, dass er im
Sommerhalbjahr 1514 dort unter dem Namen Georgius Georgij de Swednyez
in das Album eingetragen worden ist. Im Jahre 1515 schon verdiente
er sich die poetischen Sporen, °) indem er zu dem von seinem Lehrer
Valentin Eck aus Lindau verfassten und dem königlich polnischen Ge-
heimschreiber Jodocus Ludovicus Decius gewidmeten De arte versificandi
opusculum im Verein mit seinem Commilito und Landsmanne George
Werner aus Patschkau und anderen Zöglingen Eck’s ein empfehlendes
Gedicht zusteuerte; Eck gab ihm das Lob „optimae indolis adolescens“.
Er nennt sich hier Georgius Logus Nisenus, die Namensform Logus hat
er dann für immer festgehalten, das Nisenus geht vielleicht auf den Ort
seiner ersten Schulbildung, Neisse, zurück.
!) G. Bauch, Caspar "Ursinus Velius, a. a. O.
?) Zweiter Theil, Die Wiener Universität und ihre Humanisten, 330.
®) J. Jungnitz, Die Grabstätten der Breslauer Bischöfe, 22.
?2) J. Sinapius, Schlesische Curiositäten, I, 608, 609.
°) G. Bauch, Rudolphus Agricola Junior, 20.
III. Abtheilung,. Historische Section. 7
Schon in Krakau dürfte er von Johann Thurzo unterhalten worden
sein, da der kinderreiche Vater (er hatte sechs Söhne und sechs Töchter),
dem Sohne nicht allzuviel zureichen konnte, sicher genoss er des Bischofs
Unterstützung in Wien, von wo 1516 im März schon sein Freund und
Mitschützling Caspar Ursinus über ihn an den Bischof berichtete !) und
um ein nothwendig gewordenes Kleid für ihn bat. „Georgius Logus,‘
sagt hierbei Ursinus, ,„‚wird von seinen Lehrern, denen die Begabung des
Jünglings Bewunderung erregt, sehr geliebt,“ Die Hoffnung des Ursinus,
dass Logau einmal dem Bischof die Sehnsucht nach Erasmus von Rotter-
dam ersetzen würde, ist allerdings nicht voll erfüllt worden, Ursinus
führte den ihm anvertrauten jugendlichen Freund auch in die lebhaft
angeregte wissenschaftliche Welt der Wiener Hochschule ein. In die
Matrikel der Universität ist Logus erst im Juni eingeschrieben worden,
kurz nach ihm, im Juli, erscheint darin sein Freund, der nachmalige un-
garische Palatin Thomas Nadasdy.
Schon im März 1516 gab Logus in Wien mit einem gewandten
empfehlenden Ogdoastichon eine Sammlung älterer und neuerer, meist
aus Italien herrührender christlichen Dichtungen und die apokryphen
Briefe des Pilatus und Lentulus über Christus heraus: Contenta in Libro.
Hieronymi Paduani Jesuida de Christi passione. Bap. Marchi. Palauieini
de flenda cruce. Lact. Firmiani Christus a eruce hominem alloquens.
Ceeilii Cipriani de ligno erueis carmen. HElegia in Hierusalem. Raphaelis
'Zouenzonii in Christi Passionem. Aeneae Syluii de eadem carmen.
Philippi Beroaldi de passionis dominieae die. Lactantii Firmiani de
Resurreetione dominica. Decii Ausonii precatio matutina ad Deum
Jo. Piei Mirandulani ad Deum Elegia deprecatoria. Paeanes beatae Vir-
sinis ex Franc. Petrarcha. Tipherni deprecatoria ad Virginem. Oratio
ad beatam uirginem. Bap. Rhegiensis Episcopi ad uirginem oratio.
Carmina uaria de morte. Epistola Pilati de Jesu Christo ad Claudium,
Lentuli Epistola de Christo ad Senatum Romanum. Josephi de Christo
testimonium. Hieronymus Vietor impraessit Viennae Austriae, Expensis
Leonardi & Lucae Alantsee Anno Christi. 1516. Mense vero Martio.
4° Die Paeanes beatae Virginis von Petrarca, deren Uebersetzer
M. Denis nicht kannte und die er daher Logau zuzuschreiben nicht ab-
geneigt war, sind von Philippus Beroaldus in das Lateinische über-
tragen; ?) eigene Arbeit Logau’s sind nur die vier Distichen,
Eine Publication, bei welcher Logus mitwirkte, waren zwei Ge-
dichte des Schweizers Joachimus Vadianus aus St. Gallen, die Ecloge
!) Breslau, Stadtbibliothek, Rehdiger’sche Briefsammlung V, 93. Abgedruckt
in Schlesien’s Vorzeit in Bild und Schrift, 56. Bericht, 210.
2) Denis, Wien’s Buchdruckergeschichte, 156. Vgl. Orationes et Carmina
Baroaldi (!). O. ©. u. J. 4°,
RR Jahresbericht der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur.
Faustus und die Elegia de insignibus familiae Vadianorum. ') Hierzu
schrieb er Ende 1516 oder Anfang 1517 einige empfehlende Verse an
den Leser. Vadian hatte seit Kurzem den Lehrstuhl der Rhetorik inne,
und Logus war sein Schüler. Da Ursinus mit Vadian eng befreundet
war, wurde auch das Verhältniss zwischen Vadian und Logus ein näheres,
Und so finden wir auch bei der im März 1517 erschienenen und von
Vadian besorgten Ausgabe des Liber meteororum von Joannes Jovianus
Pontanus ?) eine Lobelegie des Logus. Denselben Dienst, poetische Ara-
besken zu dem Buche eines anderen zu schaffen, leistete er 1517 mit
Vadian, Janus Hadelius, Philippus Gundelius, Udalrieus Fabri, Matthaeus
Paulinus und Michael Alcophorus zusammen dem geschäftlichen Ama-
nuensis des Johannes Cuspinianus Johann Gremper bei seiner Ausgabe
der Uebersetzung des Georgius Trapezuntius von Gregor’s von Nyssa
Leben des Moses.°) Von Logus allein poetisch eingeführt, druckte $in-
grenius in diesem Jahre Claudian’s drei Bücher vom Raube der Proserpina:
Cl. Claudiani Aegyptii, Poetae insignis, Libri de raptu Proserpinae tres,
emendatissime impressi, Cum eiusdem Poetae uita in calce apposita.
Impressum Viennae Pannoniae per Joannem Singrenium, Expensis suis,
Anno. M. D. XVII. 4°.
Nachdem sich Ursinus im Herbst 1516 wieder in seinen Dienst bei
dem Cardinal Matthäus Lang begeben hatte, setzte sich sein Freund
Rudolf Agricola der Jüngere die von Ursinus Vadian zugedachte Auf-
gabe, eine Gesammtausgabe der Gedichte des Ursinus zu veranstalten, *)
und der junge Logau durfte ihm dabei zur Hand gehen und einige
empfehlende Verse beifügen. Ursinus war mit der Ausführung dieses
Freundesdienstes nicht ganz einverstanden, er hatte an der Auswahl der
Gedichte und der Correetheit des Druckes mancherlei auszusetzen und
hätte gern Einzelnes vorher noch gefeilt, aber er hatte doch die stolze
Freude, einen grossen Theil seiner Dichtungen in einem Bändchen ver-
einigt zu sehen. Und er war nicht undankbar. Als er Anfang 1518
in der Umgebung Johann Thurzo’s in Neisse weilte, erlangte er von dem
milden Herrn für Logau 30 Dukaten, die sogleich zu Vadian wanderten. °)
Vadian sollte dem jungen Manne das Geld nach und nach aushändigen
und über die Verwendung wachen, zuerst aber sollten die Schulden
1) Denis, 169. Breslau, Stadtbibl.
?2) Denis, 167.
®) Denis, 176. Breslau, Univ.-Bibl.
4) Casparis Vrsini Velii Silesii Epistolarum et Epigrammatum liber lectu dig-
nissimus, et iam primum in lucem editus. Impressum Viennae Austriae per Joannem
Singrenium. Expensis verö honesti viri Joannis Meczker. O. J. 4%. Das auf Per-
gament gedruckte Widmungsexemplar für Johann Thurzo, jetzt auf der Breslauer,
Stadtbibliothek, hat Ursinus eigenhändig durchcorrigirt.
°) E.Arbenz, Die Vadianische Briefsammlung der Stadtbibliothek in St, Gallen
I, 133.
III. Abtheilung. Historische Section. 9
Logau’s getilgt oder wenigstens zum grösseren Theile bezahlt werden.
Er bat Vadian zugleich, es Logau an nichts fehlen zu lassen und ihm
beizustehen, er werde, so lange er bei dem Bischofe sei, immer etwas
für jenen herauslocken, damit er sein Leben in Wien angemessen ge-
stalten könne.
Die klingende Gabe Thurzo’s war von einem schmeichelhaften Briefe
des Bischofs an Vadian begleitet. ‘) Er sprach den Wunsch und die
Hoffnung aus, Vadian, Georgius Tannstetter Collimitius, den Mittelpunkt
der Sodalitas litteraria Viennensis, und den Italiener Richardus Bartho-
linus, Ursinus’ Collegen im Dienst bei Lang und Dichter der Austrias,
die ihm durch die Gespräche mit Ursinus schon gute Bekannte seien,
persönlich kennen zu lernen, und wünschte seinem Schützling (alumno
nostro) Logus Glück zu dem an Gelehrsamkeit wie in Lebensführung
gleich ausgezeichneten Lehrer Vadian und dankte diesem für die Sorgfalt,
die er dem von ihm nach Wien zum Studium gesendeten Jünglinge für
seine wissenschaftliche und sittliche Bildung zuwende. Er legte ihm
Logau nochmals ans Herz und fügte einen Gruss an alle „‚Collimitianer“
bei. Vadian und Logau statteten ihren Dank an den freundlichen Gönner
in der bald darauf erschienenen Ausgabe des Pomponius Mela°?) von
Vadian ab, Vadian im Commentar, Logau in einem Beigedicht.
Im Jahre 1519 begab sich Logus zu längeren Studien nach Italien,
Thurzo und der schlesische Edelmann George von Luxau von Carlsberg,
seinVetter, königlich böhmischer Geheimschreiber und später Ferdinand’s I.
Rath und deutscher Prokanzler für Böhmen, gewährten ihm die Mittel
zur Welschlandsfahrt.°) Bologna war sein erstes Ziel.‘) Hier fand er
seinen Landsmann George Sauermann aus Breslau’), der 1513/14 das
Rectorat beider Juristenuniversitäten mit Ehren verwaltet hatte, und
den Nürnberger Philippus Obermaier, der dasselbe in glänzender Weise
1519/20 führte, auch Julius von Pflug, den nachmaligen Bischof von
Naumburg, und mit ihm zur selben Zeit kam Johannes Rosinus, der
dann als königlicher Rath sein Amtsgenosse wie sein Freund wurde. °)
Pflug, Rosinus und Logus nennt der berühmte Lazarus Bonamieus in
D) E. Arbenz I, 132.
2) Pomponii Melae Hispani de situ orbis libri tres ete. Wien, Joh. Singrenius
1518. Breslau, Univ.-Bibl.
3) Hendecasyllabi. Georgio Loxano, affini suo.
4) Acta nationis germanicae Vniversitatis Bononiensis, Edd. E. Friedlaender und
C. Malagola, z. J. 1519.
5) G. Bauch, Ritter Georg Sauermann, Breslau 1885, 10. Dort ist zu corri-
giren, dass Sauermann 1513 Rector war. Der Streit, den er beilegte, war durch
zwei Sicilianer veranlasst. Acta z. J. 1513.
6) Acta 1513, Philippus Obermayr; 1517 Novb. Dns. Julius Pflugk Misnen.; 1521
D. Joannes Rosinus. Hendec. Philippo Obermario.
W .: Jahresbericht der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur.
einem Briefe an deren Freunde Marius Savornianus und Benedietus
Rhambertus zusammen, !) sie waren wohl alle seine Schüler wie der
Mähre Adrian von Wilhartitz, ?) der als vierter zur Freundeszahl gehört,
und der Bergamaske Lucius Petreius Zanchus?); diese beiden bezeichnet
Logus als seine Mitschüler bei Bonamieus. Mit hohem Lobe gedenkt
Logau noch nach Jahren eines anderen Lehrers, des von Johann Meizler
und Johann Hess ebenso verehrten Romulus Amasaeus, bei dem er lernte
und wohnte. *) In diesem Contubernium schloss er Freundschaft mit
dem Polen Johann Zbonski. Er näherte sich auch anderen Mitgliedern
der internationalen Studentenschaft Bologna’s, und die freundlichen Be-
rührungen mit den Ungarn Thomas Nadasdy, Wardai und Calnai wurden
ihm später noch förderlich.°) Ein Gedicht auf das Landgut seines
Bologneser Freundes Johannes Felesinus Ceredola °) ist ein Zeichen,
dass er ebenso mit den Italienern Fühlung suchte, er eignete sich in
Italien auch die Kenntniss der Landessprache an. Seine Studien er-
streckten sich bei diesem ersten Aufenthalte jenseits der Alpen, wie
man nach seinen Lehrern schliessen darf, noch in erster Linie auf die
classische Literatur, auf die lateinische wie auf die griechische. Als
seinen Lehrer im Griechischen erkennt man Bonamicus aus den metri-
schen Uebersetzungen, die er später herausgab,’) und er sagt auch, dass
er bei diesem die besten lateinischen und griechischen Autoren ge-
hört habe. °)
Selbstverständlich hat er hier erst recht gedichtet, ausser Freundschafts-
gedichten ?) schuf er hier seine ersten erotischen Gedichte, und diese
haben vor vielen anderen von seinen Dichtungen, die oft Schülerarbeiten,
Nachahmungen der Alten, bestellte Leistungen, conventionelle Phrasen
ohne dichterisch-originalen Werth sind, den Vorzug voraus, dass sie
ursprünglich und von Gefühl eingegeben, also wirklich poetisch sind,
wenn sie auch der Angesungenen gewiss unverständlich bleiben mussten.
Mit Zbonski verehrte er dieselbe Schöne, sie hiess vielleicht Lusiella. '°)
1) Epistolae clarorum virorum selectae de quam plurimis optimae, Venetüs
1568, 2a u. 3a.
2) L. Bonamicus an G. Logus, 1.März 1526. Hinter Hendec.
®) Lucii Pertrei Zanchi Bergomatis, Poemata varia, O. O. u. J., Widmung. S.
weiter unten.
*) Pontius Paulinus. Joannis Zbonski Musica. S. weiter unten. '
5) Hendec. Ad Thomam a Zalahaza ep. Agriens. epistola.
6) Hendec. De rure Joannis Felesini Bononiensis, cui Ceredolae nomen.
”) Am Ende der Hendec. stehen griechische Verse mit der Uebersetzung von
. Bonamicus, Obermair und Logus.
2) Widmung von L. Petrei Zanchi Poemata varia.
°) Ursinus schickte er als Freundschaftszeichen von Bologna einen Horaz.
Hendec. Ad Vrsinum suum. Caspar Vrsinus Velius Logo suo.
10) Hendec. Ad Lusiellam.
III. Abtheilung. Historische Section. 11
In ansprechenden Versen versetzte er sich in die schlesische Heimath,
wo seine Jugendliebe Lyeinna, ein Edelfräulein, lebte.) Der Winter
weckte die Erinnerung an sie, er sehnte sich danach, sie als Jägerin
wiederzusehen; ihr Bild verliess ihn nieht, wenn er in die Saiten griff,
glaubte er sie zierlich tanzend vor sich zu erblicken. In einem anderen
Gedichte?) beklagte er sich und das Schoosshündehen Lyeinna’s, das seine
Rüden, als er von glücklicher Jagd heimkam und sich ihr nahte, um ihr
die Beute zu bringen, vor seinen und ihren Augen zerrissen hatten.
In dem ersten Gedicht an Lycinna spricht er die Absicht aus, im
kommenden Frühling seine Studien zu beenden und nach der Heimath
zu eilen, und er hat dies in der Folge wohl wirklich gethan oder viel-
leicht thun müssen wegen des Todes von Johann Thurzo (1520), denn
wir vernehmen, °) dass er 1525 seit drei Jahren in Italien sein soll, und
das erklärt sich ungezwungen, wenn er etwa 1521 über die Alpen
zurückging, um sie 1522 wieder zu überschreiten. Man erhält so auch
die Zeit, die es ihm ermöglichte, neue Beziehungen anzuknüpfen und
sich neue Hilfsquellen zu öffnen. Papst Clemens VII. sagt in einem
Breve vom 24. November 1525 an den jungen König Ludwig II. von
Ungarn,*) dass dieser Logau drei Jahre in Italien mit jährlich 200 Gold-
gulden — was ganz unglaublich erscheint — unterstützt habe, und
Stephan Brodaries, der Bischof von Syrmien und Kanzler des ungarischen
Reiches, wird Anfang 1526 von Rom aus Logau’s Freund genannt. °)
Der Mann, der hier in Ungarn Logau die Wege ebnete, ist wohl kein
anderer gewesen, als Bischof Stanislaus Thurzo von Olmütz, der dem
jungen Manne auch sonst seinen verstorbenen Bruder in vollem Umfange
zu ersetzen suchte; Logau °) dankte auch ihm für Unterstützung in Italien.
Im Jahre 1524 ist Logau wieder in Bologna nachweisbar, ) aber
bald ging er weiter nach Rom, wo er, durch Jugend und Talent empfohlen,
offene Arme und freudige Anerkennung fand. Seit 1520 lebte hier,
von der römischen Gesellschaft hochgeschätzt, als kaiserlicher Procurator
George Sauermann,°) und dieser brachte ihn in Berührung mit deutschen
Landsleuten, aber auch mit der römischen Gelehrten- und geistlichen
Aristokratie. Ein Mittelpunkt dieser Kreise war trotz seiner deutschen
!) Hendec. Ad Lycinnam.
2) Hendec. De catella mortua Lycinnae.
®) Hendec. Breve Clemens’ VII, 24. Novbr. 1525.
*) A. a. O.: Is (Logus) nobis narravit se triennium iam in Italiae gymnasiis
literis operam dedisse, adiutum liberalitate et munificentia Se. T. quod ei annuum
subsidium ducentorum aureorum constituisses, etc.
>) A. a. O. Paulus Jovius an Stephan Brodarics, Rom, IV. Id. Januarij 1526,
und Georg Sauermann a. denselb., Rom, 11. Jan. 1526.
6) Hendecasyllabi. Stanislao Tursoni episcopo Olomucensi, Inc.: Agnosco.
?) Acta z. J. 1524.
®) G. Bauch, Ritter Georg Sauermann, 25.
19% Jahresbericht der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur.
Herkunft der Luxemburger Johann Goritz, der hier wohllautend in
Janus Coritius umgetauft worden war.!) Die Akademiker, die Herren von
der Universität, dominirten, aber auch alles, was von Schöngeistern in
Rom vorhanden war, hielt bei Coritius Verkehr, ein kleinerer Cirkel,
Römer und Deutsche, der sich Sodalitas Coritiana hiess, schloss sich
enger zusammen. dCoritius hatte 1512 in San Agostino der hl. Anna
einen Altar errichtet, Raphael hatte ihn mit Gemälden geziert und Andrea
Sansovino hatte dafür ein Meisterwerk, die sitzende Gruppe der hl. Anna
und Maria, geschaffen. Alljährlich feierte nun Coritius das Fest der hl.
Anna durch einen Gottesdienst und ein Gastmahl, das er seinen Freunden
in seiner am Forum Trajan’s gelegenen Vigna gab. Die Geladenen
statteten ihren Dank mit Versen auf die hl. Anna, Coritius und den
Bildner ab, die sie überall im Garten anhefteten. Diese Gedichte
sammelte Coritius sorglich, aber er gab sie gegen die Erwartung der
Diehter nicht heraus, bis sie ihm Blossius Palladius zu diesem Zwecke
entwendete und 1524 als „ersten römischen Musenalmanach“ unter dem
Titel Coryeiana drucken liess. Von Logau, der sich den Coritianern
anschloss, steht zwar kein Gedicht in der Sammlung, doch haben sich
Verse erhalten, ?) worin auch er Coritius schilt, dass er wie ein hab-
gieriger Fabeldrache die poetischen Reichthümer für sich behalte, und
schon auf den Mercur anspielt, der sie ihm listig entfremden werde; er
war also ein Mitwisser des Palladius. In der Sodalitas lernte er wohl
auch Jovius, Bembus und Sadoletus kennen. Paulus Jovius aus Como
hatte längst sein grosses Geschichtswerk unter der Feder, im Kreise
des Coritius las er den sachkundigen Freunden die beendeten Abschnitte
vor, und Logau bat ihn voll Bewunderung, doch endlich damit an die
Oeffentlichkeit zu treten.) Jovius hat das bekanntlich nicht gethan und
1527 im Sacco di Roma einen grossen Theil seines Werkes eingebüsst,
den er dann nicht mehr wiedergeschaffen hat. Von dem Verkehr mit
Pietro Bembo zeugen Verse Logau’s, die Bembo’s Erzbild von Alfonso
loben und zutreffend jenen als Ciceronianer preisen.) Ansprechend sind
Verse an Jacopo Sadoleto, °) die trotzdem, dass sie als Elogium gefasst
sind, ein echtes, richtiges Bild des Gefeierten als Schriftstellers, Dichters,
sittenreinen und gütigen Mannes geben. Sauermann vermittelte auch den
Umgang Logau’s mit dem römischen Dichter und Gelehrten Pietro
!) G@. Bauch, Caspar Ursinus, 13; L. Geiger, Vierteljahrsschrift für Cultur und
Literatur der Renaissance I, 145; Gregorovius, Gesch. der Stadt Rom im M.-A.
VIII, 138, 285, 324, 595.
2) Hendec. Joanni Coritio.
3) Hendec. Ad Paulum Jovium Novocomenseni historicum.
®) Hendec. Zwei Gedichte: In effigiem P. Bembi.
°) Hendec. Ad Jacobum Sadoletum.
II. Abtheilung. Historische Section. 13
Mellini, !) dem Bruder jenes Celso Mellini, der einst den belgischen Ge-
lehrten und Erzeiceronianer Christoph Longolius, der wegen seiner Lob-
reden auf Rom und Italien das römische Bürgerrecht erhalten hatte,
wegen älterer missliebigen Aeusserungen über Rom in Nachahmung der
Alten auf dem Capitol in Gegenwart Leo’s X. der Majestätsbeleidigung
angeklagt hatte. ?)
Durch Sauermann, Bembo und Sadoleto erschloss sich Logau auch
der Zugang zu andern kirchlichen Würdenträgern. Sauermann war trotz
seiner Stellung als kaiserlicher Procurator mit dem französisch gesinnten
Datar und Bischof von Verona Giammatteo Ghiberti, dem Vertrauten des
Papstes, befreundet. Logus wanderte mit seinem Landsmanne zu Ghiberti
nach Tivoli, wo dieser den Dichtern ein gastfreies Haus hielt, und er
bekennt in einem Dankgedichte, wie bereit Ghiberti ihm auch sonst be-
hilflich gewesen sei.°) Einen Gönner erwarb Logus auch an dem Erz-
bischofe von Capua Nicolaus von Schomberg.*) Bewundernde Zeilen an
die Cardinäle Pompeo Colonna, Alessandro Farnese und Cibo °) beweisen,
dass er auch in so hohe Regionen drang; Farnese durfte er fromme
Verse vorlesen. Ja, Logus erhielt selbst Zutritt zu Papst Clemens VII.,
auch diesem durfte er seine Kenntnisse und seine Kunst vorführen, und
der heilige Vater schenkte ihm eigenhändig als Gunstbeweis eine Gemme
mit dem Bilde des Sokrates.°) Logau hat das, was er Sauermann ver-
dankte, niemals vergessen, wie denn der schönste Zug seines Wesens
die aufrichtige Dankbarkeit war; hier besang er den Freund und seine
Werke in einem Gedichte an den natürlichen Sohn Sauermann’s Julius
Clemens, ’) später, nach seinem traurigen Ende, errichtete er ihm Denk-
mäler und Epitaphien in der Heimathsstadt.
Wegen der kriegerischen Lage in Italien dachte Logau, als der
Winter 1525 heranrückte, an die Heimkehr, in Gedichten nahm er von
seinen Förderern und Freunden Ghiberti, Cibo, Schomberg, Jovius, Bem-
bus und Sadoletus Abschied und liess sich auch von einem und dem andern
mit Empfehlungen ausstatten.°) Ein von Sadoleto gegengezeichnetes Breve
!) Hendec. Petro Mellino.
2) G. Bauch, Ritter G. Sauermann, 21.
®) Hendec. Tybur ad Matthaeum Gybertum Episcopum Veronensem. Joanni
Matthaeo Giberto episcopo Veronensi. Ad Joannem Mattheum Gibertum episcopum
Veronensem.
*) Hendec. Nicolao a Schonberg Archiepiscopo Campano.
5) Hendec. Pompeio a Columna Cardinali, Cardinali Fernesio, Cardinali Cibo.
6) Hendec. Brief Georg Sauermann’s an Steph. Brodaries, Rom, 11. Jan. 1526.
In Socratis effigiem achati insculptam natiuis coloribus. Aliud in eandem effigiem.
7) Hendec. Julio Clementi Sauromano Georgii Sauromani filio suavissimo.
&) Alle diese Briefe hinter den Hendecasyllabi. Sie datiren vom November
1525 und Januar 1526,
14 Jahresbericht der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur.
Clemens’ VII. an König Ludwig II. von Ungarn leste diesem seinen ge-
lehrten und dichterisch hochbegabten Unterthanen, dem er schon seine
Gunst gewährt hatte, warm ans Herz. P. Jovius empfahl ihn, den die
Akademiker in Rom und der Papst wegen des Adels seiner Verse in
Ehren gehalten hätten, der ferneren Unterstützung des Bischofs Stanislaus
Thurzo, damit er wieder nach Rom zurückkehren und durch Ghiberti ein
geistliches Amt erreichen könnte. In demselben Sinne schrieb Jovius
an Brodaries, und auch Sauermann richtete an Brodaries die Bitte, er
möge doch, soviel in seinen Kräften stehe, dafür sorgen, dass der
hoffnungsreiche junge Mann nicht den Lauf seiner Studien im letzten
Stadium abbrechen müsste.
Logau begab sich zuerst nach Schlesien, das hübsche Gedicht an
seine Zwillingsschwestern, die Freude der Eltern und Brüder, ') die
Verse auf einen Brunnen, den er in Schlaupitz reinigen liess, ?) ein Epi-
sramm auf die neue Burg Karl’s von Münsterberg in Frankenstein °®) und
eine Hausinschrift für den herzoglichen Leibarzt Johann Kopp *) dürften
in dieser Zeit entstanden sein. Hr suchte aber auch bald seine
Empfehlungsbriefe nutzbar zu machen, er ging nach Ungarn, und Brodaries,
der Erzbischof Ladislaus Szalkai von Gran, der päpstliche Nuntius An-
tonio Baro dal Borgo sollten ihm, wieder mit Stanislaus Thurzo und
George von Luxau, für weitere Studien in Italien, in Rom, Unterstützung
gewähren. °) Die furchtbare Katastrophe von Mohaces (29. August 1526)
brachte seinen Hoffnungen in Ungarn ein jähes Ende. Die Epitaphien,
die er für Ludwig II. und seinen Erzieher Bornemissa schrieb, °) galten
auch seinen eisenen Wünschen.
Logau hatte gehofft, sobald sich die kriegerischen Wetterwolken in
Italien verzogen haben würden, wieder dorthin zurückzukehren, ’) und
sein Lehrer und Freund Lazarus Bonamicus hatte ihm seine Freude
darüber ausgedrückt, °) aber die Jahre 1526 und 1527, die das ent-
scheidende Vorgehen des Kaisers gegen den Papst brachten, waren nicht
dazu angethan, einen Deutschen zu friedlichen Zwecken nach Rom zu
ziehen, und so blieb Logau in Deutschland, doch nicht, um dort seine
Studien zu vollenden, er trat als Secretair in die Dienste Ferdinand’s
von Oesterreich.°) Wenn er auch dem kaiserlichen Gesandten Antonius
t) Hendec. Ad Sorores.
2) Hendec. In fonteis, quos in rure paterno purgandos curaui.
?®) Hendec. In arcem Caroli prineipis Silesii.
*) Hendec. In aedeis Joannis Coppi medici.
°) Hendec. Stephano Broderico.
°) Hendec. Epitaphium Ludouici Pannoniae et Bohemiae Regis. Epitaphium
Bornamissae.
?”) Hendec. P. Jovius an Steph. Brodaries, Rom, IV. Id. Jan. 1526.
®) Hendec. L. Bonamicus an G. Logus, 1. März 1526.
°) In der Widmung der Hendee, an Ferdinand I. unterschreibt er sich: Aulicus,
IM. Abtheilung. Historische Section. 15
Mendoza ') dafür dankt, dass er ihn dem Könige bekannt gemacht und
diesen für ihn gewonnen habe, so dürfte doch auch hier wieder Stanislaus
Thurzo, der den heimkehrenden Schützling wieder liebreich aufgenommen
hatte, ?) die Hand im Spiele gehabt haben.
Im Gefolge des Königs betrat er im Frühjahr 1527 Breslau. °)
Ferdinand kam von der Krönung in Prag, um in Breslau die Huldigung
der Schlesier entgegenzunehmen.*) Logau suchte auch hier wieder An-
knüpfung. Dem Bischofe Jacob von Salza schickte er Gedichte und
entschuldigte deren bisweilen laseiven Inhalt damit, dass auch der
Pontifex Caesar die Verse Catull’s gelesen habe.°) Der Bischof, sandte
ihm dafür, als er krank lag, reichlich Wild.°) Ein Gedicht, das er von
Wien aus nach Breslau richtete,’) zählt seine Breslauer Freunde auf:
Stanislaus Sauer, Salixius, Balthasar von Promnitz, Johann Metzler und
Vincentius Hortensius. Sauer, Doctor des canonischen Rechtes, war
nach Frömmigkeit, Gelehrsamkeit und Charakter eine Zierde des Dom-
kapitels;®) der gelehrte Jurist und Gräeist Dr. Johann Metzler ist eine
auch aus der Stadtverwaltung rühmlich bekannte ‚Persönlichkeit, °) 1534
wurde er Rathsältester und Landeshauptmann; Promnitz, der Schüler
Melanchthon’s, von 1539 ab Bischof von Breslau, war wohl damals schon
Canonieus zu St. Johann; !°) Vincentius Hortensius oder Gärtner, ein
Jugendfreund Logau’s, !!) war Notar der bischöflichen Kanzlei und bald
Kanzler des Bischofs. '?) Weniger bekannt ist unter seinem humanistischen
Namen Salixius der einflussreiche und thatkräftige Domherr Nicolaus
Weidener;'?®) da er zugleich humanistischer Poet gewesen ist, wollen
wir bei ihm etwas verweilen.
Die sonst überlieferten Angaben über seine Person und seinen
Bildungsgang erhalten eine erwünschte Ergänzung, aber eine recht wenig
vortheilhafte Beleuchtung durch ein Document in den Breslauer Stadt-
t) Hendec. Antonio Mendossae.
2) Hendec. Stanislao Tursoni ep. Olom. Ine.: Agnosco.
®) Hendec. Ad Vratislauiam Silesiae metropolim.
2) Kastner, Archiv I, 53; N. Pol, Jahrbücher II, 48.
°) Hendec. Ad Jacobum a Salza episcopum Vratislauiensem. Ad eundem.
6) Hendec. Ad Jacobum episcopum Vratislauiensem.
7) Hend. Ad amicos.
®) C. Otto, De Johanne V. Turzone, episcopo Weratislauiensi commentatio, 18;
G. Bauch, Caspar Ursinus Velius, 10, Schles. Zeitschrift XXX, 153, 160; M. Hanke,
De Silesiis indigenis eruditis, 211.
9) Schles. Zeitschrift XVII, 297.
10) Kastner, Archiv für die Geschichte des Bisthums Breslau I, 38. Im
_ October 1528 als Canonieus erwähnt.
11) Hendec. Ad Vincentium Hortensium.
12) Kastner, Archiv I, 34, 68.
=» Oltto,.a a OA
16. Jahresbericht der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur.
büchern, !) seine Enterbung durch seine Mutter. ‘Wir können leider den
Thatbestand nicht mehr nachprüfen, da über die Persönlichkeit der
Mutter nichts bekannt ist, der Inhalt bietet jedoch nach mehreren Seiten
manches Merkenswerthe. Sexta post Jacobi Apostoli 1513 erschien vor
dem Rathe mit Paul Meisner, ihrem zu dieser Sache gekornen Vor-
munde, die Wittwe des Kretschmers Nicolaus Weidener, um ihr Testament
zu bestellen. Sie besass aus ihrer Ehe zwei Kinder, Nicolaus, den Dom-
herrn, und Frau Dorothea Blödyn. Der Vater hatte jedem Kinde 100
Goldgulden hinterlassen, und der Sohn hatte dieses Erbtheil vollständig
aufgebraucht. Die Mutter sagt nun in ihren Bestimmungen: „Zum
dritten gebe ich in meinem leczten Willen menniglichen (zu) wissen
und zu erkennen, das ich meinem Sone ubir alle sein vaterlich Gutt ge-
hulffen habe, biss er zu seinem pristerlichen Stande und Wirden
khommen ist. Also nemlich habe ich en zur Neissen mit Czerunge und
aller Notdorfit ezwe Jar ausgehalden, zu Cracau ein Jar, ezu Rohme
funff Jar, drei Jar in Hungern, zu Leipezk drei Jar. Und habe em alle
Cleyder, wie ein Thumher haben sal, gekoufft, alles umb mein aigen
Geldt. Und das ich es vff meinen Gewissen nicht lassen wil, so steht
er mich thausent Gulden als wol als ein Heller, ehr ich en ezum
Stande eines Thumhern gebracht habe. Zum vierden ist das mein Beger
und Wille: Dweil ich meynen Vortrawen zu meinem Sone Hern Niclas
Weidener, Thumherrn zu Sandt Johannes zu Breslaw, gehabt habe und
bey em gewest bin siben Viertel Jar und mich umb meine Guttat und
mutterliche Trew, so ich em mannichfeldig beczaiget habe, voracht hat
und so ubel gehalden, das ich habe von em mussen weichen und czihen,
so sal er mit dehme, was er mich steet, biss ich en zu sulcher Herlichkait
bracht habe, vorgenuget sein“ ete.
In den Einträgen des Stadtbuches wird Weidener stets nur Magister
genannt, später war er auch Doctor des canonischen Rechts. In Leipzig
ist er im Sommer 1505 als Meissner durch ein Versehen statt als Polonus
intitulirt, schon dort war er Canonicus und studirte er canonisches Recht,
aber auch Humaniora. Im Winter 1506/7 begab er sich, der Pest aus-
weichend, für fast fünf Monate nach Erfurt.?) Als Johannes Rhagius
im Winter 1507/38 nach Leipzig kam, und für seine Vorlesungen sieben
Briefe des hl. Hieronymus?) mit einer gegen die einseitigen Poeten,
aber noch schärfer gegen die scholastischen Theologen gerichteten Vor-
rede herausgab, da trug mit Hieronymus Emser, Ulrich von Hutten,
!) Breslau, Stadtarchiv, Libri signat. 1513. Zweiter Eintrag Secunda die ad
vincula Petri 1513. Secunda ante Bartholomei apostoli hat Magister N. Weidener
das mütterliche Testament „wideruffet und geuncrefftiget“. Ein zweiter Protest
von ihm: Sexta post Egidij.
2) Michaelis 1506 Matrikel: Nicolaus Weidener canonicus Frieslariensis (!).
®) @. Bauch im Archiv für Literaturgeschichte XIII, 7.
II. Abtheilung. Historische Section. 17
Vitus Werler aus Sulzfeld, Valerian Seyfried aus Sulzfeld und Sebastian
von der Heyde (Mirieianus) aus Königsberg auch Nicolaus Weidener ')
ein empfehlendes Gedicht, worin er Hieronymus über die Historiker und
Redner stellte und den Erklärer Rhagius lobpries, bei.
Viel später erinnerte er sich seines Pleetrums wieder, er ergriff es
zum Kampfe für den Katholieismus. Im Jahre 1529 veröffentlichte der
heftige Gegner Luther’s Johann Cochläus seinen Septiceps Lutheranus
gegen die sächsische Visitation, ?) und dieser umfangreichen Schrift sind
Luther feindliche Verse von Nicolaus Salixius (Weidener), Johannes
Hasenbergius, Philippus Neander, Johannes Eyander, Balbinus Judex,
Gregorius Sotosa, Volfgangus Leo, Joachimus Mirieianus, Jacobus Albius
und Henningus Pyrgallius (und F. R. J. ?) beigegeben. Salixius eröffnet
den Reigen mit scharfen Distichen auf die sieben Köpfe, in einem
zweiten Gedichte wirft er Luther seine frechen Angriffe gegen die
sächsischen Herzöge vor.
In demselben Jahre hat Philipp Melanchthon (Speier, April 1529)
seine Vorrede zu Daniel”) an den König Ferdinand I. gerichtet und eine
die Vorrede paraphrasirende poetische Epistel der Germania an den
Fürsten angehängt. In der Praefatio fordert er, nachdem er das letzte
Danielische Reich, das die Heiligen unterdrücken soll, auf die Türken
gedeutet hat, den König auf, ein Coneil zu veranlassen oder wenigstens,
wenn die unruhigen Zeiten das nicht zuliessen, einige rechtschaffene
und gelehrte Männer zu autorisiren, die Dogmen zu prüfen, damit die
Lehre Christi dem Volke rein geboten und die Eintracht hergestellt
werde. ,Non suscepi hie,“ fährt er fort, ,„euiusguam defensionem. $i
quis Evangelii praetextu seditiones excitat, si imperia prineipibus abrogat,
si in alienas possessiones invadere, si diripere sacerdotum facultates co-
natur, det sceleris poenas.. Tantum hoc oro, ut in tanta varietate dog-
matum ratio ineatur, per quam ita restituatur concordia, ut ambiguae
mentes etiam sanentur.‘“ Wenn dann durch den König die Tumulte be-
seitigt, die darniederliegenden Wissenschaften aufgerichtet wären, so
schliesst das Gedicht, würde Ferdinand kräftig und mit Erfolg die Türken
angreifen können,
2) Im Druck fälschlich N. Weydeman genannt. Die Ausgabe in Dresden,
Königl. Bibl.
2) Septiceps Lutherus, ubique sibi, suis scriptis, contrarius, in Visitationem
Saxonicam, per D. D. Joa. Cocleum, editus. Lypsiae Impressit Valentinus Schu-
mann, Anno post Christum natum, M. D. XXIX. X. Maias Calendas. 4°. Breslau
Stadt-Bibl.
3) Praefatio ad Regem Ferdinandum in Danielem. Autore Philippo Melanch.
M, D. XXIX. O. O. 8°, Breslau, Stadt-Bibl.
189. 2
2:
18 Jahresbericht der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur.
Auf die prosaische und die poetische Widmung antwortete Weidener
mit einem Catholicum carmen ad Philippum Melanehthonem. ') Er warf
Melanchthon vor, dass er zu spät zur Vernunft komme, als noch das
Christenvolk einträchtig in der wahren Religion war, da hätte es die
Muhamedaner nicht zu scheuen brauchen. Luther und Melanchthon
hätten die Zwietracht geschaffen, die gotteslästerlichen und tempel-
schänderischen Seceten hervorgerufen und die humanen Studien zu Waffen
des Kampfes gegen die Religion gemacht. Auch ein Coneil könne nichts
nützen, es sei nur ein übelangebrachter Scherz der Protestanten, ein
solches von dem Könige und den Fürsten zu verlangen, da sie das
eanonische Recht und die alten Dogmen verwürfen, als ob nur in ihnen
selbst allein alle Weisheit wäre. Ein zweites Gedicht, eine Klage der
Religion, richtete er an den König. Diese zählt alle Ketzereien der
Reformatoren und der neuen Secten auf und bittet ihn um seine Hilfe.
Ein drittes kürzeres Gedicht an Deutschland droht für die Abschüttelung
der römischen kirchlichen Gesetze mit der türkischen Knechtschaft.
Der Wiener Propst, Paul von Oberstein, liess die metrisch und in-
haltlich nicht ungewandten, heftigen Verse mit einer zustimmenden Vor-
rede an den Verfasser (Augsburg, Idib. Novemb. 1530) drucken.
Weidener starb in hohem Alter um 1555 als Cantor zu St. Johann.?)
Er blieb sein ganzes Leben mit Logau ein eifriger Vertheidiger der
katholischen Kirche. —
Nach dem Besuche in Breslau ging Logau nach Krakau, vielleicht
mit Luxau, der fast ein Jahr als königlicher Gesandter dort blieb.°)
Im Mai 1527 hatte Erasmus von Rotterdam an König Sigismund I. von
Polen geschrieben, und diesen Brief gab Stanislaus Hosius, dem Vice-
kanzler Bischof Petrus Tomicki von Krakau gewidmet, heraus.*) Joannes
Langus Silesius lieferte hierzu ein Epigramm in magnum illum Erasmum
Roterodamum, und bei dem Bilde des Erasmus am Ende des Druckes
befinden sich lobende Verse von Stanislaus Hosius, Leonardus Coxus
Anglus und Georgius Logus. Der Brief erregte übrigens am Hofe Fer-
dinand’s grossen Anstoss, weil Erasmus darin vom Streite inter Ferdi-
nandum et Joannem „Ungariae regem‘ gesprochen hatte.’) Bewundernde
!) Nicolai Weidner Canoniei Wratislauien. Catholicum carmen, ad Philippum
Melanchthonem. O. O. u. J. 4°. Das Datum unter dem Gedicht M. D. XXXI. soll
XXIX heissen. Nürnberg, Germ. National-Museum.
2) Kastner, Archiv I, 279.
®) C. Ursinus, De bello Pannonico, 58.
*) Des. Erasmi Roterodami epistola ad Inelytum Sigismundum Regem Po-
loniae ete. mire elegans, in*qua horum temporum conditionem graphice describit.
Cracouiae per Hieronymum Vietorem. Anno domini Millesimo quingentesimo ui-
gesimo septimo. 4°. Breslau, Univ.-Bibl.
?) G. Bauch, Caspar Ursinus, 55. Gemeint ist Johann Zapolya,
III. Abtheilung. Historische Section. 19
Distichen richtete Logau an die von den Polen keineswegs geliebte
Königin Bona Maria und ähnliche an ihren Sohn Sigismund August. ')
Für Justus Ludovicus Decius gab er das Vaterunser und das Glaubens-
bekenntniss in Hexametern wieder. ?)
Den Krieg, der ihn aus Italien vertrieben hatte, sollte er bald in
nächster Nähe sehen. Eins seiner Gedichte über die kommenden
kriegerischen Unternehmungen Karl’s V. in Italien gegen den „treulosen“
Franzosen und Ferdinand’s in Ungarn ?) verspricht hohe Thaten beider
Brüder. In dem schönen Herbste 1527 machte sich Ferdinand auf, um
von Ungarn Besitz zu ergreifen. Am 3. November wurde er feierlich
in Stuhlweissenburg gekrönt. Der Hofhistoriograph Caspar Ursinus hielt
eine glänzende Festrede von der Kanzel, Logus, der der Feierlichkeit
ebenfalls beiwohnte, begleitete die Rede im Druck ') mit einem Gedichte,
das den Eindruck der wohlgesetzten Worte schildert. Er vergass auch
nicht, aus den Witterungserscheinungen, schweres Unwetter in der
Nacht und darauf strahlender Morgen am Krönungstage, das Beste für
Ferdinand’s Regierung, leider erfolglos, zu prophezeien, wie er vorher
den heiteren Herbst als himmlische Gunst für Ferdinand ausgelegt hatte.°)
Ferdinand besass zwar nun die Krone, doch das ungarische Reich
war zum srossen Theile in der Hand des dann auch von den Türken
unterstützten nationalen Gegenkönigs Johann Zapolya, gegen diesen
Kronenräuber schleuderte auch Logus seine poetischen Geschosse. °)
Zapolya, der Verräther seines Vaterlandes, stammt aus Verräthergeschlecht
und hat selbst König Ludwig bei Mohacs verrätherisch im Stiche ge-
lassen. Ein diebischer Wolf umschleicht er vom Walde her die Ställe
und flieht vor dem Löwen Ferdinand feig in das Dunkel des Waldes
und in seine Höhle zurück. Triumphirend wird die Niederlage Zapolya’s
!) Hendec. Ad Bonam Mariam Sarmatiae Reginam. Sigismundo Augusto, in-
elyti Regis Sarmatiae filio et principi Lithouaniae.
2) Hendec. Preces ad Deum. Christianae relligionis Symbolum. Justo Ludo-
uico Decio. Auch Ursinus (A. a. O., 49) hat auf Bitten des Decius das Vaterunser
poetisch behandelt und Erasmus hat für denselben eine prosaische Paraphrase
geschrieben. Opp. III, col. 1759.
®) Hendec, De motibus bellieis Imperat. Caes. Caroli et Ferdinandi Pannoniae _
et Bohemiae Regis. Ad Carolum Caesarem Augustum. De eodem. Ad Regem
Ferdinandum. Ad eundem. Ad eundem.
*) Hendec. In Orationem C. Ursini Velii. Druck der Rede, Wien 1527. Breslau,
Stadt- und Univ.-Bibl., Wien, Hof-Bibl.
°) Hendec. Ad Ferdinandum Pannoniae et Bohemiae Regem. Ad eundem in
Pannoniam cum exercitu profectum. Ad eundem, cum ei diadema imponeretur.
6) Hendec. In Joannem Zapoliensem, Regnum Pannoniae per vim et scelus
affeetantem. De Joanne Zapoliensi ad Tockai arcem profligato. In Joannem Za-
poliensem. In eundem.,
9#
20. Jahresbericht der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur.
bei Tokai durch Nicolaus von Salm besungen, die Ferdinand freien Weg
zur Krone bereitet hatte.
Der Dichter benutzte natürlich die Poesie auch jetzt wieder als
Werkzeug zur Gunstgewinnung und nebenbei zu anständiger Bettelei.
Loxanus ging er um ein neues Pferd für sein gefallenes an. ') Stanislaus
Thurzo hatte ihm für den Feldzug die Rüstung geschenkt, er sollte auch
mit warmer Winterkleidung aushelfen.?) Alexius Thurzo,°) den jün-
geren Bruder, der die Familie in Ungarn zu hoher Stellung erhob, so-
wie Johann, ‘) den jüngsten Bruder, reihte er dem Kataloge seiner
Gönner ein. Neue Gönner suchte er unter den ungarischen Grossen;
unter Berufung auf Nadasdy, Wardai, Kalnai, dass er stets ein Freund
der Ungarn gewesen sei, beklagte er sich bei dem Kanzler Bischof
Thomas Zalahasi von Erlau,°) dass die Ungarn ihn vernachlässigten,
und bat ihn, der ihm schon werkthätige Hilfe geleistet hatte, aufs neue
um Unterstützung auch bei anderen Grossen. Das Lob von Zalahasi’s
Neffen, des von Georg Werner unterrichteten Martin Kecheti, °) ging
ebenfalls an des Bischofs Adresse. Den Erzbischof Paul von Gran
pries er als würdigen Nachfolger des hochgebildeten Diehtermäcens
Ladislaus Szalkai.”) Dem Schatzmeister Bischof Nicolaus Gerendi von
Siebenbürgen gratulirte er zu der vom König erlangten Inful.°) Von
älteren Freunden traten ihm hier entgegen Thomas Nadasdy°) und sein
alter Lehrer Valentin Eek, den er zugleich mit Georg Werner besang, '')
weil es ihren Bemühungen zuzuschreiben war, dass die oberungarischen
Bergstädte treu zu Ferdinand hielten. Auch den Siebenbürger Hadrian
Wolfhard, eine Wiener Bekanntschaft, begegnete er jetzt wieder. '')
Ferdinand kehrte 1528 nach Oesterreich zurück, und Logau blieb
jetzt kurze Zeit in Wien. Als Caspar Ursinus seine Monosticha'?) er-
scheinen liess, gab Logau ein Lobgedicht auf Ursinus und den Kanzler
Ferdinand’s Bernhard von Gless, Bischof von Trient, bei, und Johannes
Rosinus besang das Dichterpaar Ursinus und Logus. In Wien traf zu
*) Hendec. Georgio Loxano affıini suo. a
?) Hendee. Ad Stanislaum Tursonem episcopum Olomuc. Ine.: Turso meae.
?) Hendec. Ad Alexium Tursonem.
*) Hendec. Joanni Tursoni.
°) Hendee. Ad Thomam a Zalahaza Episcopum Agriensem Epistola.
°) Hendec. Martino Kechetino episcopi Agriensis nepoti.
”) Hendec. Paulo Strigoniensi archiepiscopo.
®) Hendec. Ad Nicolam Gerendi episcopum Albensem.
°) Hendec. Ad Thomam Nadasdenum.
ı°) Hendec. Ad. G. Vernerum et Valentinum Eechium.
!!) Hendec. Hadriano Volfhardo.
12) Hoc in libello haec continentur. Monosticha Regum Italiae, Albanorum, .
Romanorum, et virorum illustrium, tum Caesarum usque ad nostram aetatem. etc.
Wien, J. Singrenius, 1598, 4°, Breslau, Dom-Bibl, u. Stadt-Bibl,, Wien, Hof-Bibl,
III. Abtheilung. Historische Section. 91
dieser Zeit noch ein schlesischer Landsmann Antonius Niger oder Mela
aus Breslau ein, Logau begrüsste ihn als neue Zierde der Heimath. !)
Poetische Freundschaft zu gegenseitigem Lobe schloss er mit Johann
Ludwig Brassicanus, ?) auch der Jurist Victor Gamp °) wurde ihm lieb.
Der König verlegte im April sein Hoflager nach Mähren, in Znaim
hielt er einen Landtag, der sich mit der Türkengefahr und den religiösen
Wirren des Landes beschäftigte. Wenn aus Rücksicht auf die politischen
Verhältnisse die Lutheraner ungekränkt blieben, so wurde um so schärfer
gegen die Wiedertäufer und die Zwinglianer eingeschritten. Ursinus,
Rosirus und Logus, die mit dem Könige gekommen waren, lieferten
Verse zu den von Johann Faber in Znaim gegen die „Katabaptisten“
. gehaltenen und Stanislaus Thurzo gewidmeten Reden zum Lobe Faber’s
und Thurzo’s.*) Johann Zwolski, einst Schüler des Konrad Celtis in
Wien und jetzt als Domherr in Olmütz Anhänger der Reformation, ver-
kehrte mit Ursinus und Logau.5) Im Laufe des Jahres wurde Logau
nochmals von Ferdinand nach Mähren geschickt.°) Diesen beiden Auf-
enthalten entsprosste eine Reihe von Gedichten an Stanislaus Thurzo
und an die mährischen Freunde, an den Arzt Thurzo’s Mathias Auctus
aus Krakau, ’) nachmals Stadtphysikus in Breslau, an den Prokanzler
von Böhmen und Propst zu Olmütz Dr. i. u. Wenzel von Wilhartitz
und an Hadrian von Wilhartitz. ”)
In Mähren erkrankte Logau schwer. Die erzwungene Musse in der
Genesung benutzte er dazu, seine Dichtungen zu sammeln und zu feilen,
in Wien setzte er, immer noch nicht ganz hergestellt, bei Ursinus diese
Thätigkeit fort,®) und so entstand unter Mitwirkung von Ursinus und
Rosinus die erste Gesammtausgabe seiner Gedichte: G. Logi Silesii ad
inelytum Ferdinandum, Pannoniae et Bohemiae Regem inuictissimum
Hendeecasyllabi, Elegiae, et Epigrammata. Viennae Pannoniae Hieronymus
Vietor $Silesius exeudebat Mense Maio M. D. XXIX. 4°.)
!) Hendec. Ad Antonium Melam. Schles. Zeitschrift XVI, 180.
2) Hendec. Ad Janum Lucium Brassicanum,
3) Hendec. Ad Victorem Gamp Jureconsultum.
*) Denis, 267. Hendec. Ad Stanislaum Tursonem ep. Ol. Inc,: Turso pater.
Ad eundem, Joanni Fabro.
5) Janus de Zuola an Joh. Hess, Towatschau, 15. Apr. 1528. Bresl. Stadt-
Bibl. Rhedig. Briefe V, 78.
6) Widmung der Hendecasyllahi.
?) Hendec. Mathiae Aucto medico. J. L. Brassicanus, Ad potentiss... Regem
Ferdinandum e Bo&mis redeuntem, Carmen congratulatorium, ©. O. u. J, #2:
'D. Mathiae Aucto Medico Thursonis. Dort auch Gedichte auf Ursinus, Antonius
Mela, G. Werner und G. Logus.
8) Widmung der Hendecasyllabi an Ferdinand.
°) Breslau, Stadt-Biblioth., Wien, Hof-Bibl. Das Breslauer Exemplar trägt
am Ende die eigenhändige Widmung: Matheo Logo Consobrino suo Georg: Logus.
992. Jahresbericht der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur.
Das Buch ist mit der Entschuldigung der langen Dienstunfähigkeit
und der Bitte um eine Beihilfe zu einem neuen Aufenthalte in Italien
dem Könige Ferdinand gewidmet (Wien, 10. Mai 1529). Der Inhalt der
Dichtungen hat uns bis hierher meist als der Faden unserer Darstellung
gedient. Das zweite Buch, die Elegien, ist dann wieder noch Bernhard
von Gless und das dritte, die Epigramme, dem königlichen Rathe Grafen
Gabriel Salamanca von Ortenburg dedieirt.
Will man ein Urtheil über die hier vereinigten Leistungen Logau’s
abgeben, so muss man das grosse formale Geschick unbedingt anerkennen,
wenn vielleicht auch die Hendecasyllaben ihm zwangloser als die an-
deren Metra gelangen, aber das Talent war ursprünglich nicht nur ein
formales, die Liebesgedichte und manches Freundschaftsgedicht schon
beweisen das, der Missbrauch der Leichtigkeit, sich metrisch auszudrücken,
und das Urtheil der Zeit, die Rhetorik als Poesie ansah, wenn sie nur
in ein carmen doctum gefasst war, und endlich die reiche Anerkennung,
die seine Verse: Logau eintrugen, haben jedoch zum Schaden der Natür-
lichkeit und Weiterentfaltung bei dem Dichter Eitelkeit und Selbst-
senügsamkeit hervorgerufen: das Talent ging in die Breite und ver-
flachte, statt in die Tiefe und in die Höhe auszuwachsen. Grössere
Aufgaben, wie Franeiseus Faber sie sich stellte, hat Logau sich nicht
gesetzt. Die Eitelkeit zeigt sich auch darin, dass er die italienischen
Empfehlungsbriefe den Poesien anhängte.
Von diesen Gedichten besitzt die Königliche und Universitätsbibliothek
in Breslau ein Prachtexemplar !) auf Pergament in etwas reichlichem
Format, wie es scheint, Logau’s eigenes Exemplar. Ein Vorblatt trägt
auf der ersten Seite in ovaler Fassung auf graublauem Grunde das in
Wasserfarben gemalte Porträt des Dichters im Brustbilde halblinks ge-
wendet. Die Arme sind übereinander geschlagen, eine enganliegende
haubenartige Kopfbedeckung verhüllt Haare und Ohren, eine weite
schwarze, pelzbesetzte Sammetschaube umschliesst den Körper. Das
Gesicht erscheint früh gealtert, die grossen, etwas vorstehenden dunklen
Augen blicken ziemlich blöde, die Nase ist stark 'entwickelt, das Unter-
gesicht tritt vor und ist von einem schon stark ergrauenden, nicht sehr
dichten Vollbarte umgeben. Ueber dem Bilde steht: Georgius a Logau
Protonotarius Apostolieus Canonicus $. Johannis et Praepositus 8. Crueis
Wratislav. und unten liest man: Talis erat, cum lustra octo et sex
volveret annos || Rite dei mystes, Aonidumque Logus.
Wenn auch die Jahreszahl fehlt, so sehen wir ausser nach den
Titeln schon aus den Lebensjahren, dass das Bild einer späteren Zeit
als 1529 angehört. Es ist für einen Vergleichenden kaum glaublich,
!) Geschenk des Canonicus Professor Jos. Ign. Ritter. Steht unter den
Cimelien.
III. Abtheilung. Historische Section. 23
dass zu diesem Bilde das lebenswahre Oelporträt Logau’s von einem
unbekannten Meister im schlesischen Provinzialmuseum ') die Vorlage
gewesen sein soll. Hier ist das gesund gebräunte Gesicht nicht so alt,
die Augen stehen nicht vor, der Bart ist diehter und nur leicht ergraut
aber die Kleidung und die Haltung sind dieselben und ein Zettel unten
trägt dasselbe Distichon. Abweichend sind hier nur der grüne Lorbeer-
kranz um das Haupt und der landschaftliche Hintergrund.
Die Rückseite des Vorblattes hat: Nummus in honorem Georgii
Logi eusus, die Abbildung der beiden Seiten einer Medaille, deren Avers
das nach links blickende bärtige lorbeerbekränzte Profil des Dichters
bietet mit der Umschrift: G. Logus Silesius Poeta et Eques Germanus.
Der Revers hat die im Profil nach links schauende Flora, sie hält ein
Füllhorn vor sich.
Das nun folgende Titelblatt ist neu gesetzt mit demselben Wortlaut
und ganz in Gold gedruckt. Das Wappen Ferdinand’s I. darunter ist
bunt ausgemalt wie das Logau’sche auf der vorletzten Seite. Ebenso
neu und zwar in der schönen Cursivschrift Vietor’s gesetzt und in Gold-
druck ausgeführt sind auf der Kehrseite des Titels die empfehlenden
Verse des Ursinus. Auch die Widmungen an Gless und Ortenburg sind
golden gedruckt, doch nur die letzte ist wieder neu in Cursive gesetzt,
Sonst stimmt dieser Druck mit den anderen vollständig überein.
Im Jahre 1530 ging Logau mit dem Könige zu dem Reichstage
nach Augsburg. In Linz traf der König mit seiner Schwester, der ver-
wittweten Königin Maria von Ungarn, zusammen, ihr Vertrauter Nicolaus
Olah war ein Freund von Logau.?) Olah hatte grosses Gefallen an dem
heiteren und liebenswürdigen Wesen Logau’s. Von der dienstlichen Ver-
wendung Logau’s in Augsburg ist uns nichts bekannt, nur von seinem
Umgange haben wir Nachricht. Als Gesandter des polnischen Königs
war der Staatsmann und humanistische Dichter Johannes Dantiscus
(Flachsbinder aus Danzig) anwesend. Ursinus, Cornelius Duplieius
Scepperus und Logau verkehrten mit ihm freundschaftlich, und der be-
rühmte Dichter Helius Eobanus Hessus, der für kurze Zeit von Nürnberg
herüberkam, lernte das Vierblatt schätzen. Logus erwarb das Lob des
anerkannten Poeten.°) Er erhielt auch Zugang zu Anton und Raimund
Fugger und wurde mehrfach zu den reichen Festmählern zugezogen, die
die Brüder vornehmen und gelehrten Männern in ihren wohlgepflegten
!) Gemälde 213. Aus städtischem Besitz, früher im Maria - Magdalenen-
Gymnasium. Herr Directorialassistent Dr. Becker machte mir freundlichst das Bild
‘ für nähere Betrachtung zugänglich.
2) Ohlah Miklos, Levelezese 48. Olah an Ursinus, Linz, 25. Febr. 1530.
3) F. Hipler, Beiträge zur Gesch. des Humanismus aus dem Briefwechsel des
Johannes Dantiscus, 5, 11.
= a Jahresbericht der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur.
Gärten veranstalteten.‘) Als Logau dann endlich die Möglichkeit wurde,
seinen Herzenswunsch, eine neue Studienreise nach Italien, zu erfüllen,
gab ihm Anton Fugger durch seinen Procuristen und Vetter George
Hermann Empfehlungen an seine Procuratoren in Venedig mit, die ihn
darauf in Geldsachen äusserst entgegenkommend behandelten.’) Die
Reise trat er wohl erst 1531, wiederum unterstützt von Stanislaus
Thurzo und George von Luxau, an;°) sein Ziel war diesmal Padua und
der Zweck der Abschluss seiner juristischen Studien und die Promotion
zum Doctor legum.‘) Auf dem Wege erwarb er die Gönnerschaft des
Abtes Valentin Bierer zu St. Lamprecht in Steiermark. °)
In Padua hielten sich zu dieser Zeit seine alten Freunde Lazarus
Bonamieus und Petrus Bembus auf, und er schloss sich diesen wieder
auf das engste an. Ursinus hatte seinem Freunde Bonamieus Logau auf
das angelegentlichste in einer poetischen Epistel empfohlen, °) auch
einem andern suchte er ihn nahe zu bringen, obgleich er selbst erst
Verbindung mit diesem suchen musste, dem später in Brüssel so einfluss-
reichen und gehassten Niederländer Viglius van Aytta aus Barrahuys
bei Zwichem in Friesland, ”) der von Frankreich, Döle, Avignon und
Bourges, schon als Doctor mit den ihm anvertrauten Zöglingen Heinrich
und Quirinus Rehlinger, den Schwestersöhnen des Anton Fusger, und
Johann George Hermann, dem Sohne George Hermann’s, nach Padua ge-
kommen war, um hier weiter zu studiren und zu lehren. Auf die
freundlichen Briefe des Ursinus antwortete Viglius in eingehender Weise
und sagte von Logau, dass er wegen seiner herrlichen Geistesgaben bei
allen Gelehrten sehr angenehm sei; er hätte aber ehrlich hinzufügen
müssen: „ausser bei mir‘, denn er war Logau herzlich gram. In Padua
war das Centrum der italienischen Ciceronianer, Bonamieus und Bembus
waren ihre Häupter, Erasmus aber war ihr literarischer Gegner, und
Viglius war ein eifriger Partisan des Erasmus. Daher war Zwichem
über Logau höchst ungehalten, als dieser, wenn er sich auch nicht
öffentlich gegen Erasmus aussprach, doch die Italiener so hoch stellte,
wie das der Erasmianer Viglius nicht zugestehen wollte; für Logau und
!) Widmung zu Poetae tres egregü. S. weiter unten.
VNA. 722,0, £
®) A.a.O. Ursinus an Olah, Innsbruck, 21. November 1531. Levelezese, 168.
*) Mit diesem Titel in den Kapitelsacten genannt bei Kastner, Archiv I, 84.
>) Epistolae scholasticae Joannis Musleri ac suorum discipulorum, 24, Hiernach
verkehrte Logau in Padua mit Musler. Neues Lausitzisches Magazin, 46. Bd., 209.
6) Abgedruckt hinter Elegia Joannis Silesij u. hinter Pontius Paulinus. S.
‘ weiter unten.
”) Alles, was wir hier von Logus und Zwichem anführen, steht bei C. P.Hoynck
van Papendrecht, Analecta Belgica I, 1, 1; II, 1, 59, 61, 79, 89, 105, 106, 109, 113,
118, 120, 128, 138, 144.
6
II. Abtheilung. Historische Section. 29
Viglius spielte dabei auch noch das abweichende Urtheil über die Rolle
des Erasmus in den religiösen Streitigkeiten mit; Logau fand als strenger
Katholik wie Johann Eck und andere an Erasmus durchaus nicht alles
lobenswerth. Viglius, der in der Folge ebenso streng wie Logau denken
lernte, wagte es nicht, in Padua gegen den &Aoyos offen vorzugehen,
und schüttete dafür seine Galle in den vertrauten Briefen an Erasmus
aus; er lässt keinen guten Faden an jenem und verdächtigt übelwollend
jede seiner Aeusserungen, selbst bei dem eigenen Landsmanne Logau’s,
bei Anselmus Ephorinus aus Friedeberg in Schlesien, der mit dem Sohne
des Krakauer Patriziers Severin Boner Johann nach einer Reise durch
Deutschland, bei der er Melanchthon in Erfurt kennen gelernt‘) und in
Basel die Freundschaft des Erasmus gewonnen hatte, in Padua zu medi-
ceinischen Studien vor Anker gegangen war, suchte er ihn herabzusetzen.
Logau hatte von diesen Manövern hinter seinem Rücken gar keine
Ahnung, er war sogar der Lobredner Zwichem’s bei Bembus.?) Um
Logau zu ärgern, zeigte ihm Viglius die Widmung des Erasmus zum
XXXVIIN. Psalm an Stanislaus Thurzo, durch die Mittheilung hiervon
machte er jedoch Erasmus, der soviel auf Herrengunst gab, wenn er
das auch nicht Wort haben wollte, Kopfschmerzen, denn er fürchtete
der &Aoyog könnte ihm bei diesem Gönner schaden, und Ursinus, an den
er sich umgehend wendete, um einen etwaigen Streich abzuwehren,
musste ihn erst über die edle Denkweise Thurzo’s beruhigen. °) Als
Logau im Herbst 1532 mit Bonamiceus auf die Nachricht von dem vor-
zeitigen Tode des berühmten Juristen und Gräcisten Gregorius Haloander
aus Zwickau nach Venedig eilte, um durch die Aufnahme eines Inventars
zu verhindern, dass die Bibliothek des Verstorbenen zerstreut würde,
begleitete auch diesen wissenschaftlichen Freundesdienst Viglius mit
hämischen Bemerkungen. Noch hässlicher aber ist der Klatsch, den er
als Berieht über eine längere Reise Logau’s im Jahre 1533 auftischt.
Dieser wird im April schon sehnlichst von vielen, nicht nur von Lands-
leuten, sondern auch von Bembus, Bonamicus und anderen Gelehrten,
deren Freundschaft er genossen und in deren Rechnungsbüchern er
seinen Namen als Souvenir zurückgelassen hat, erwartet. Er schreibt
bisweilen von kirchlichen Beneficien und einträglichen Stellungen und
speist damit vorläufig seine Gläubiger ab. Noch im August ist er in_
Y) Landeshut, Wallenberg-Fenderlin’sche Bibliothek Ms. 1, 1, 196. Ans. Epho-
rinus an Ph. Melanchthon, Krakau, 1.Juni 1559. Eobanus Hessus empfahl Epho-
rinus an Erasmus. Vrgl. die hier folgenden Opp. II, col. 1404, 1457.
2) Deriderii Erasmi Roterodami Opera omnia, Lugduni Batav. 1703, III, col.
1452. P. Bembus an Erasmus, Padua, 29. Aug. 1532.
®) J. F. Burscher, Spicilegia autographorum, X, 14. Ursinus an Erasmus
Innsbruck, 26. Juni 1532. Trotzdem liess Erasmus Logus durch Franeiscus Rupilius
grüssen, Freiburg, 8. Sept. 1533. Opera III, col. 1474.
IE. Jahresbericht der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur.
Rom auf der Pfründenjagd, aber wohl erfolglos, da bei Zwichem die
Nachricht eingetroffen ist, dass er am Körper und am Beutel schwer
erkrankt sei, während er in Padua doch „‚ganz seiden“ war. Wir wissen
nicht, wann Logau wieder in den Dunstkreis Zwichem’s eingetreten ist.
In Rom wurde er mit dem jungen deutschen Gelehrten Johannes Lu-
eretius Aesiander ') bekannt und erhielt von ihm eine Abschrift von Gratius
De venatione, von M. Aurelius Nemesianus Cynegeticon und von Ovid’s
Fragment De piseihus, die er von einem alten Codex in langobardischer
Schrift, ?) den Accius Syncerus Sannazarius aus Frankreich nach Italien
gebracht hatte, genommen und Logau zur Edition überliess. Logau
begab sich im Januar 1534 nach Venedig und übergab die Autoren mit
einigen ähnlichen Beigaben Paulus Manutius, dem Sohne des Aldus, zum
Druck. Sie gelangten sofort unter die Presse und erschienen, dem Anton
Fugger gewidmet, im Februar: Hoc volumine continentur Poetae tres
egregij nunc primum in lucem editi, Gratij, qui Augusto Prineipe floruit,
de uenatione Lib. I. P. Ouidij Nasonis Halieuticön liber acephalus.
M. Aureliji Olympij Nemesiani Cynegeticön Lib. I. Eiusdem carmen bu-
eolicum. T. Calphurnij Sieuli Bucolica. Adriani Cardinalis uenatio.
Venetijs, in aedibus haeredum Aldi Manutij, et Andreae soceri, M.D.
XXXIIII, Mense Februario. 8°.°) Die ersten drei didaktischen Gedichte
sind wirklich hier in ihrer Editio princeps. Logau setzte ausser der
Dedication dem Drucke ein poetisches Vorwort und Gedichte an den
päpstlichen Gesandten bei Ferdinand I. Petrus Paulus Vergerius und an
Georgius Loxanus*) als an Jagdfreunde voran. Die ganze Publication
wurde noch in demselben Jahre am Sitze der Fugger, in Augsburg,
nachgedruckt. °)
Im Verlaufe des Jahres 1534 begab sich Logau nach dem Norden,
nach Wien an den königlichen Hof.°) In dieser Zeit hatte George von
Luxau eine Augsburgerin Katharina Adler, die später zur Umgebung
der Philippine Welser gehörte, geheirathet, und Logau versäumte diesen
Anlass nicht, seinem hilfsbereiten Vetter seine Dankbarkeit zu beweisen;
indem er einen ganzen Cyklus von (23) Dichtungen an Katharina ver-
öffentlichte: In laudem Catharinae Aquilae Augustanae, Philippi filiae,
!) M. Denis vermuthet, dass dies Johannes Albrecht Widmannstalt sei. Wien’s
Buchdruckergeschichte, 101, 634.
2) Dieser Codex befindet sich jetzt in Wien.
3) Breslau, Univ.-Bibl. Zweite Ausgabe Breslau Univ.- und Stadt-Bibl.
*) Dem Georgius Loxanus widmete Joachimus Camerarius, Leipzig 1556, den
Hippocomieus. ® |
5) Dem Titel ist nur zugesetzt: Per uirum egregium Georgium Logum Sile-
sium. Excusum Augustae Vindelicorum in offieina Henriei Steyner, XX. die mensis
Juli. Anno M. D. XXXIHl 8°.
°) Widmung zu den Gedichten an C, Aquila. Datum Wien, 8. Dechr. 1534,
III. Abtheilung. Historische Section. 97
Georgii Loxani Silesii eoniugis. O. O.') u. J. 4° Luxau hatte, aus
Augsburg vor der Pest flüchtend, seine Gemahlin auf der seinem An-
verwandten dem königlichen Schatzmeister Johann Löbel gehörenden
und von diesem neu hergestellten Burg Grein am Donaustrudel zurück-
gelassen. Daran knüpft der Dichter an, er preist die Burg, Löbel, Luxau
und in überreicher Weise Katharina, auch deren Schwester Mariana
übergeht er nicht. Ein Verliebter könnte nicht soviel Reize an seiner
Auserwählten entdecken, als Logau an Katharina zu besingen weiss.
Das Herrlichste an ihr ist nächst Schönheit und Keuschheit ihr Gesang,
und so wird Katharina auf Greinburg zum lieblichen Gegenbilde der
Heine’schen Lorelei und der antiken Sirenen.
Unter Luxau’s Augen waren die Gedichte entstanden, Luxau sah
auch bei seinem Vetter die Gedichte eines Italieners, die jener aus Italien
mitgebracht hatte, sie gefielen ihm und er bot die Mittel zum Druck,
es war naheliesend, dass sie ihm nun auch gewidmet wurden (Wien,
10. Decemb. o. J.), es sind: Lucii Petrei Zanchi Bergomatis poemata
varia. 0.0.°) u.J. 4°. Zanchus gehörte einer Bergamasker Familie °)
an, die zur Zeit 200 waffenfähige Männer aufbringen konnte, sein Vater
Paolo Zanchi, ein Anhänger der Venetianer und um seine Vaterstadt
wohlverdient, war selbst literarisch gebildet und Poet, er unterrichtete
seine Söhne mit deren Lehrer Jovita Rapieius aus Brixia zusammen und
brachte Petrus nach Rom in die Familie des Cardinals Augustinus
Triuleius. Logau hatte Petrus, der sich schon mit 17 Jahren an ein
grammatisches Werk gewagt hatte und schon damals Dichter war, 1522
in Bologna bei gemeinsamen Studien unter Bonamicus genauer kennen
gelernt, er erneuerte bei dem letzten Besuche Italiens die Freundschaft,
und da er Petrus 1531 in Venedig vergeblich zur Herausgabe seiner
Dichtungen zu bewegen versucht hatte, verschaffte er sich in Abwesenheit
des Petrus durch dessen Bruder Julius, *) mit dem er sich ebenfalls be-
!) Dresden, Königl. Bibl. Druckort ist nicht Wien, sondern Augsburg.
2?) Breslau, Stadt-Bibl., Wien, Univ.-Bibl. Der Druckort ist hier ebenfalls Augs-
burg und nicht Wien.
®) Pauli Zanchi Bergomatis iurisconsulti, Ad illustrissimum Venetiarum senatum
pro Bergomatibus congratulatio. Iovitae Rapicii Brixiani oratio, in funere eiusdem
Pauli Zanchi habita. Venetiis, MDLXI; Lilii Greg. Gyraldi Ferrarien. Opp. II, 415;
Pauli Manutii epistolarum lib. XIV, lib. IV, ep. 28. Basilii Zanchi Berg. verborum
latinorum ex variis authoribus epitome. Eiusdem verborum, quae in Marii Nizolii
observationibus in Ciceronem desiderantur Appendix. Rom 1541. Basilii Zanchi
Berg. epithetorum commentarii. Rom 1541. Basilii Zanchi Berg. etc. in omnes
S. Seripturae libros Notationes. Köln 1602.
®*, Oder vielmehr Pamphilus? Mit dem Ordensnamen Johannes Chrysostomus.
Er schrieb unter anderem: Panegyrieus ad Carolum V. Romanorum Imp. 1538
O0. O. und Venedig 1560. Von der ersten Ausgabe besitzt die Breslauer Stadt-
Bibl, einen Pergamentdruck, der zweite Druck Breslau, Stadt-Bibl. u. Univ.-Bibl.
183)
Gere Jahresbericht der Schles. Gesellschaft für vaterl. Culiur.
freundet hatte, die Abschrift, die er nun edirte. Petrus Zanchus trat
später wie seine Brüder Julius und Pamphilus in den Orden der regu-
lirten Chorherrn vom Lateran, und unter dem Mönchsnamen Basilius
sind alle seine Werke erschienen. Die von Logau gedruckten Dichtungen
findet man in der 1555 von Johann Oporinus in Basel hergestellien Ge-
sammtausgabe !) im IV., V. und VI. Buche wieder, aber nicht unver-
ändert. Das Gedicht bei Logau In Leonem X. Pont. Max. Tiberinus ist
um fünf einleitende Hexameter länger als in der Baseler Ausgabe Lib. IV
No. 3; die Ecloga Damon, in qua defletur mors Celsi Melini patrieii
Romani, heisst bei Oporin Lib. V Ecloge 3 Damon, sive Balthasar
Castalio, sie ist entsprechend umgewandelt; das Gedicht In Franeiseum
Molsam Mutinensem ist durch Umarbeitung geworden, Lib. VI No. 1,
zu In Gabrielem Altilium; das von Logau unter dem Namen des Vaters
Paulus Zanchus abgedruckte Gedicht Elegia de obitu Narni et Hesteriae
amantum steht, Lib. VI No. 9, unter Basilius’ Werken. Dieser Elegie
hat wegen Aehnlichkeit des Arguments Logau noch eine Elegie des
sonst unbekannten Juristen Cornelius von Feltre an einen Selbstmörder
aus unglücklicher Liebe folgen lassen. Er hatte mit Cornelius in Padua
verkehrt. Ein poetisches Vor- und Nachwort bittet Zanchi und Cornelius
um Entschuldigung wegen der Veröffentlichung ihrer Werke.
Im Jahre 1535 ist Logau wieder in Italien. In Padua traf er noch
Anselmus Ephorinus und seinen Zögling Johann Boner. Mit diesen unter-
nahm er eine Reise, die sie über Rom bis nach Neapel führte.) Sie
besuchten dort das Grab Vergil’s, die Grotte der Sibylle von Cumae,
den Golf von Bajae, Misenum, den Lueriner See, Puzzuoli und waren
zugegen, als Kaiser Karl V. im December, von der glücklichen Einnahme
von Tunis zurückkehrend, hier mit Jubel empfangen wurde. Sie wohnten
auch dem glänzenden Einzuge Karl’s im April 1536 in Rom bei. An-
selmus Ephorinus wurde hier von Karl in den Adelstand erhoben. °)
Logau hat in der Folge mit einem heroischen Epigramm auf die (nicht
ungetrüble) Zusammenkunft des Kaisers mit Papst Paul III. (Alessandro
Farnese) einen italienischen, wohl von ihm selbst ‘geschriebenen Brief
veröffentlicht, der die Pracht des Einzuges, die Inschriften der Triumph-
bogen u. A. wiedergiebt: Ordine, pompe, apparati, et ceremonie, della
solenne intrata: di Carlo V. Imp. sempre Aug. nella citta di Roma.
DO i
!) Basilij Zanchij Bergomatis poematum libri VIII. Laurentii Gambarae Brixiani
poematum libri IH. Basileae. 1555. 8°. Breslau, Stadt-Bibl.
2) Pontius Paulinus, Ad Neapolim. Ad Sepulchrum Virgilii. De Caesare Carolo.
Joanni Bonero.
®) Pontius Paulinus und Krakauer Epigramme, In doctoris Anselmi Ephorini
insignia. i
*, Nürnberg, German. National-Museum.
TREE
II. Abtheilung. Historische Section. 29
Ueber die kaiserliche Expedition nach Afrika war George von Luxau
ein Brief von Aloysius Armerius aus dem Lager bei Goletta (XVII. Cal.
Sept. 1535) zugegangen, auch diesen hat Logau wohl nach seiner Rück-
kehr in Wien herausgegeben: Aloysii Armeri, de Golleta et Tuneto
expugnato deque rebus ab inuictissimo Carolo V. Romanorum imperatore
in Affrica foelieiter gestis epistola. Viennae Pannoniae per Joannem
Singrenium. O. J. 4°.)
1537 hielt sich Logau in Breslau auf. Er setzte in diesem Jahre
seinem ersten Gönner Johann Thurzo ein Epitaph.?) Ein Zeichen seiner
dankbaren Gesinnung war auch das Epitaph, das er 1538 seinem Freunde
George Sauermann, geschmückt durch das aus Rom heimgebrachte Porträt,
in der Kreuzkirche errichtete.°) Auf diesem Freundschaftsdenkmale
nennt sich Logau mit seinen Titeln: Protonotarius Apostolieus, Im-
peratoris et Pontifieis Autoritate Comes Palatinus, Canonicus $. Johannis,
Praepositus 8. Crucis Wratislauiensis, Canonieus Budissinensis. Auf
einem zweiten Denksteine, den er Sauermann im Dome weihte,*) setzt
er noch hinzu Consiliarius Regius. Da er sich in seinen gedruckten
Schriften niemals die Titel seiner Aemter beilegt, kann man nicht an-
geben, wenn er diese erlangt hat. Nur das sagt er 1540, dass er durch
Luxau’s Vermittelung Custos und durch den König Propst $. Crueis ge-
worden sei. Er nennt sich auch niemals poeta laureatus, obgleich er
dies sicherlich gewesen ist. °)
Im Jahre 1538 ging er wieder an den Hof des Königs und blieb
bis tief in das Jahr 1539 dort, °) Die Hofgeschäfte erlaubten ihm, sich
auch am literarischen Leben zu betheiligen. Er selbst gab Ende 1538
oder Anfang 1539 wieder eine politische „Zeitung“ heraus, einen Brief,
den Eleutherius Magnesius Epidaurius aus Venedig (VII. Idus Decemb.
1538) an George von Luxau über den Schiffbruch, der eine türkische Flotte
mit Chaireddin Barbarossa an Bord im Adriatischen Meere betroffen
hatte: De Tureicarum et Barbarossae Triremium naufragio nuper in
sinu Hadriatico facto. Epistola.. O. O. u. J. 4°.) Das Unglück des
1) Breslau, Stadt-Bibl. Das Exempl. trägt die eigenhändige Widmung: Huma-
nissimo d. Nicolao Salixio Canonico Vratislauien. G. Logus d. d.
2) J. Jungnitz, Die Grabstätten der Breslauer Bischöfe, 18, 19. Hendeec.
Joannis Tursonis episcopi Vratislauiensis Epitaphium.
®) M. Hanke, De Silesiis indigenis eruditis, 201.
Zr. au 0.,.202
°) Dafür spricht der Kranz auf seinem Porträt und auf der oben beschriebenen
Medaille, und P. Jovius nennt ihn (Elogia doctor. viror., Basel o. J., 293): sodalem
meum cum laurea signiferum. Dagegen lässt sich nicht nachweisen, was auch
von ihm erzählt wird, dass er Erzieher der königlichen Prinzen gewesen sei.
6) Vrgl. die Briefe bei Joannis Langi Silesii ad Jesum Christum ete. contra
Turcas elegia.
”) Neisse, Pfarr-Bibliothek,
30 Jahresbericht der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur.
Glaubensfeindes verwebte er auch in sein Weihnachts- und Neujahrs-
gedicht für König Ferdinand. ')
Als am 5. März 1539 Caspar Ursinus in räthselhafter Weise seinen
Tod in der Donau gesucht und gefunden hatte, traten seine Schüler und
Freunde für ihn ein. Die Klagen und beschönigenden Darstellungen des
Selbstmordes von Johannes Rosinus, Johann Alexander und Johann
Ludwig Brassicanus, Johann Lange und George von Logau vereinigte der
königliche Geheimschreiber Adamus Carolus in der Zusammenstellung:
Elegia Joannis Langi Silesij, de miserabili fato Casparis Vrsini Velij Si-
lesij, Poetae Oratoris & Historiei Regij. Joannis Rosini Naeniae.
Georgij Logi Threni. Jo. Alexandri & Joannis Ludouici Brassieanorum
Epigrammata. Casparis Vrsini Velij Epistola ad Lazarum Bonamicum
Carmine. Lazari Bonamiei Responsum item Carmine. Viennae Pannoniae
in aedibus Joannis Singrenij. M. D. XXXIX. 49.2)
Derselbe Adam Carolus gab 1539 heraus: Joannis Langi Silesii,
ad Jesum Christum Dei filium, pro Christianis contra Turcas elegia,
Viennae Pannoniae in aedibus Joannis Singrenij. Anno M. D. XXXIX, 4°.)
Johannes Rosinus und Logau gaben carmina commendatieia bei, die
Carolus zum Drucke aufforderten, und Logau, den Lange gebeten hatte,
der Censor seines Gedichtes zu sein, stellte hinter die lange Elegie noch
eine eigene Elegie Ad mentem bonam et concordiam pro christianis Prin-
eipibus G. Logi $Silesii votum.
Seinem Freunde Johann Lange erfüllte er auch noch einen andern
Wunsch. In Breslau hatte der tüchtige Reetor zu St. Elisabeth Andreas
Winkler eine Druckerei eingerichtet, und Lange suchte ihn bei diesem
Unternehmen zu unterstützen. Bei einem kurzen Besuche in Wien liess
er sich zu diesem Zwecke von Logau zu Johann Alexander Brassieanus
führen und erhielt von diesem für Winkler: Doctiss. viri Pomponii
Laeti Grammatica. Vratislaviae, Ex noua officina typographica Andreae
Vincleri, iam primum ad utilitatem omnium studiosorum in lucem aedita.
1539..81.9)
Im Jahre 1540 ging George von Luxau in königlichen Geschäften
nach Krakau, und Logau begleitete ihn, nach langen Jahren kam dieser
wieder hierher. Er erneuerie hier die früheren Bekanntschaften mit
Johann Zbonski, mit Ephorinus, der ihm in Erkrankung mit ärztlicher
!) Pont. Paulinus. Ad. Ferdinandum Romanorum et Pannoniae Bohemiaeque
Regem etc. pro Natali Christi et foelici ineuntis anni auspieio. Dort auch ähnliche
Verse an die Königin Anna und an die Erzherzöge Maximilian und Ferdinand.
2) München, Hof- u. Staats-Bibl., Schlettstadt, Rhenana, Wien, Hof-Bibl,
®) München, Hof- u. Staats-Bibl.
*) Breslau, Univ.-Bibl.
III. Abtheilung. Historische Section. 31
Hilfe beistand,!) mit Johann Boner ”,) und Severin Boner, der Kastellan
von Bieez und Praefect der polnischen Salinen war, nahm ihn mit nach
Wieliezka und fuhr mit ihm in die Gruben ein, die Logau, aber nicht
gleichwerthig mit Celtis besang. °) Unter den Grossen des Reiches ragte
damals in Krakau der Palatin von Krakau und oberste Marschall von
Polen Peter Kmyta hervor, er streute auch diesem poetischen Weihrauch
und schrieb Epitaphe für seine Gemahlin Anna von Gorka, die Tochter
des Lukas von Gorka.*) Dem Kastellan von Krakau Johann von Tarnow
schenkte er unter Bezugnahme auf seine platonischen Studien ein Marmor-
bild des Plato, das er aus Rom mitgebracht hatte.°) Den König Sigis-
mund August feierte er als Bärenjäger.°) Den grösseren Theil dieser
Gedichte liess er noch in Krakau drucken: G. Logi Silesii epigrammata
aliquot Cracouiae lusa. Excussum Cracouiae per Hieronymum Vietorem.
M. D. XXXX. iij. Febr. 4°.)
Eine ähnliche Sammlung von Gedichten muss er in Prag veröffentlicht
haben, denn Thomas Mitis sagt 1563 in der Dedication von Bohuslaus
Hassenstein’s von Lobkowitz Opusculum de miseria humana°) an den
königlichen Obersthofmeister Johann von Lobkowitz, an den kaiserlichen
Kämmerer Ladislaus von Lobkowitz und an den Hauptmann von Gross-
Glogau Christoph Hassenstein von Lobkowitz: Exeitauit tandem nobis
Deus Martinum Collinum, Joannem Orpheum cum Vito Traiano fratre,
Joannemque Schentygarum (quos ideo hie prae aliis non paucis nomino,
quia praedicantur a doctissimo vate Georgio Logo Silesio) etc,
Die in Krakau entstandenen Epigramme, auch einige dort ungedruckte,
gab Logau nochmals in einer George von Luxau gewidmeten Sammlung
heraus, die 1541 in Breslau erschien: Pontii Paulini viri sanetissimi
doetissimique tres psalmi primus, secundus & cxxxvi. in uersus mystica
interpretatione adiecta luculentissime redacti. Hiusdem ad Deum preecatio
matutina. Precatio ad Deum patrem & christianae religionis Sanctiones
quod Symbolum Apostolorum uocant. Item Psalmus Ixxxx. in uersus
\) Epigrammata. Praestantissimi et elegantissimi herois Joannis Zbonski musica.
Auch bei Pontius Paulinus.
?) Pont. Paulinus. Joanni Bonero.
®) Epigr. Ad magnificum d. d. Severinum Bonerum Castellanum Biezensem et
salinarum regni Poloniae praefectum etc. De Salinis Wieliezensibus.
*) Pont. Paulinus. Petro Cmytae. Annae a Gorka, Lucae a Gorka filiae,
eiusdem coniugis epitaphia.
°) Epigr. Ilustri et Magnifico heroi Joanni comiti a Tarnow, Castellano Craco-
viensi. In effigiem Platonis. :
6) Epigr. Inclyto et magnanimo Sigismundo Augusto regi Poloniae inuictissimo,
”) Königsberg, Univ.-Bibl.
°) Breslau, Stadt-Bibl,
32 Jahresbericht der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur.
hexametros redacta. Authore G. Logo Silesio. Item eiusdem Elegiae
& Epigrammata aliquot. G.Vrsini Velij Silesij ad Lazarum Bonamieum
Bassianatem epistola.. Lazari ad eundem responsio. Vratislaviae M. D.
LXI. (So für XLI.). Vratislaviae, apud Andream Vinglerum. Anno Dni
M. D. XLI.. Mense Febru. 4°. ')
Mancher alte Bekannte von uns taucht hier wieder auf wie die reli-
giösen Gedichte an Justus Ludouicus Decius und Verse an Ferdinand I.
und seine Gemahlin, an Stanislaus Thurzo und Georgius Loxanus. Aus
früherer Zeit rührt wohl auch der für Anton Fugger in Hexametern
übersetzte Psalm her, selbst die Bologneser Studienzeit, der erste Auf-
enthalt in Rom und die Lobgedichte auf Catharina Aquila sind in Wieder-
holungen vertreten, und ebenso haben die Gedichte von der letzten
italienischen Reise hier ihren Platz gefunden. Er scheint ausser den
Wiedergaben alles, was noch nicht die Presse gesehen hatte, rück-
schauend hier aufgehäuft zu haben, so eine Inschrift für das Haus des
George Hermann in Schwaz, Verse an den Prinzenerzieher Johann Hasen-
berg in Leitmeritz, an Herzog George von Liegnitz und Brieg mit einer
Sanduhr, an den König Ferdinand, die Königin Anna und an die könig-
lichen Kinder, auf den königlichen Gärten in Prag, an Loxanus, seine
Gemahlin und den Sohn Ferdinand, an Christoph Gendorf, auf die Hoch-
zeit des Grafen Nicolaus Salm, der die Stieftochter des Alexius Thurzo
heimführte, und den Schluss bilden Epitaphe auf Stanislaus Thurzo,
Jakob von Salza, Aceius Syncerus Sannazarius, Johann von Schwarzberg,
George Sauermann und den Präfeeten von Gran Hieronymus von Lasko.
Am Ende sind als Anhang die uns schon bekannten poetischen Episteln
von Ursinus und Bonamicus gegeben. Die Sammlung, die den Eindruck
eines poetischen Testamentes macht, bietet wieder Anhalt zu einer Kritik,
die auch hier wieder zu Gunsten der älteren Schöpfungen ausfällt, bei
den jüngeren kommt vielmehr die Manier und die conventionelle huma-
nistische Phrase zum Vorschein. Die Stücke des Pontius Paulinus oder
Ausonius sind wohl als beabsichtigte Folie zu fassen. Die Epitaphien
dieser Ausgabe und der von 1529 sind, soweit sie Ungarn betreffen,
übergegangen in die von Hieronymus Vietor herausgegebenen Trauer-
gedichte: Pannoniae Luctus. quo prineipum aliquot et insignium vjrorum
mortes, aliique funesti casus deflentur. Hieronymus Vietor Cracouiae
excudebat Anno M. D. XLIIII. 8°.) |
König Ferdinand I. vermäblte am 7. Mai 1543 seine Tochter Elisa-
beth an den König Sigismund August von Polen. Diesem Ereigniss
!) Breslau, Stadt-Bibl.
?) Breslau, Univ.-Bibl., Fürstenstein, Hochbergische Bibliothek.
Ill. Abtheilung. Historische Section. 33
[et
weihte Logau, der hiernach in Krakau war, eine kleine Publication,
4 Gedichte auf 2 Blättern‘): De Regina Elisabethe (!) Ferdinandi Roma-
norum Regis Fila. Am Ende steht: Georg. Log. F. Hie. Vie. J. 4°.
Die Prophezeiung, dass der Ehe eine lange Reihe von Nachkommen
entspriessen würde, traf nicht ein, denn Elisabeth starb schon am
15. Juni 1543 in Litthauen.
Der dem Alter zuwandernde Dichter wollte auch noch mit kirchen-
politischen Werken, offenbar mit katholisch-irenistischen Schriften, auf
beide Parteien einwirken, im Jahre 1548 dachte er daran. Bischof
Balthasar Promnitz von Breslau?) verwandte sich unter Betonung der
eigenen Approbation als Ordinarius der Diöcese für ihn, Neisse, 29, Mai
1548, bei Andreas Winkler mit dem Ansuchen: „‚aliquot opuscula
atque sermones in conuentione seu dieta imperii Augustae habitos‘“ von
Logau zu drucken, ob das dann geschah, ist unbekannt und sehr zweifel-
haft. Der Regensburger Reichstag von 1548 war der, der den Pro-
testanten das Interim zudachte.
Eine Reise zu Hofe 1551°) brachte die letzten uns erhaltenen Verse
Logau’s, empfehlende Zeilen zu: Rerum Moscouiticarum Commentarij
Sigismundi Liberi Baronis in Herberstain, Neypers, & Guettenhag.
Basileae, ex offiecina Joannis Oporini, Anno Salutis humanae M. D. LI.
Mense Julio. Fol.
Am 11. April 1553 starb George von Logau in Breslau. Er hatte
sich selbst seine Grabschrift in der Kreuzkirche gestiftet.) Die Evan-
selischen sahen in ihm einen der schlimmsten Feinde ihrer Confession,
einer von ihnen hat ihm einen hasserfüllten Nekrolog geschrieben.’) —
In dieser Sitzung wurden ferner die beiden Secretaire wiedergewählt
und ihnen als dritter der Universitäts-Professor Dr. Kaufmann zu-
sesellt.
!) Dresden, Königl. Bibl.
2) Breslau, Stadtarchiv, Scheinich 375.
°®) N. Weidener an Hieronymus Rupertus, Breslau, die S. Caeciliae 51. Landes-
huter Bibl. Ms. 1, 1, 197.
*®) J. Sinapius, Schles. Curiositäten I, 609.
°) Vrgl. Grünwald’s Chronik z. J. 1553. Majoratsbibl. zu Dieban.
189. 3#
Jahresbericht der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur.
34
Kurfürst Friedrich I. von Brandenburg -
Friedrich II. Albrecht Elisabeth
zes. Erseesuysressrenenm coa) Ludwig II. v. Brieg b) Wenzel I. v. Teschen
Ursula Johann Rriedriche "Sic mund Sa
ssiHeinnich,v.s em Zn coSophia v. Polen co Magdalena Hedwig
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Karll. oachım |}. 7205 Sophia, Anna, Albrecht,Johann Johann Magdalena FriedrichI. v. Liegnitz
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Valentin cob) Sophia v. Brand.
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coBarbara oJoh.Georg
v. Brand. v. Brand.
..
v.Liegn. v.Brieg
Quellen und Literatur:
Für den folgenden Vortrag, der nur eine kurze Zusammenfassung der Ergebnisse bildet, sind in erster Reihe die Correspon-
denzen und Acten des Markgrafen Georg von Brandenburg benutzt worden, sodann meine einschlägigen Arbeiten, welche auch über
die Provenienz der Archivalien Aufschluss geben. Die Einleitung zu meiner Arbeit „Aus der Mappe eines Hohenzollern“ I enthält eine
übersichtliche Zusammenstellung der Literatur. Endlich verweise ich noch auf die „Schles. Lehns- und Besitzurkunden‘“ ed. Grünhagen
u. Markgraf, und Grünhagen, Geschichte Schlesiens.
1il. Abtheilung. Historische Section. 35
In der allgemeinen Sitzung am 3. December 1894 hielt Herr
Dr. phil. Louis Neustadt einen Vortrag über:
Die ältesten Ansprüche der Hohenzollern auf Schlesien.
Unser Schlesien hat sich unter allen Grenzlanden vielleicht am
spätesten der Germanisation erschlossen und hat den Kampf um dieselbe
länger als andere Lande durch Jahrhunderte zu führen gehabt. In diesem
schweren Ringen, bedrängt von Polen und Czechen, ohne Hilfe vom
Reiche, einzig und allein auf sich angewiesen, hat es trotz alledem sein
Deutschthum behauptet und sich als eine feste Grenzmark deutscher
Cultur erwiesen. Es gab wohl ein Moment in der Geschichte des
Landes, in dem die schlesischen Fürsten durch eine Anlehnung am Reiche
einen Rückhalt zu finden hofften gegen den Anprall des Slaventhums
vom Osten. Das war der folgenschwere Schritt, als sie 1327 und in
den folgenden Jahren ihre Fürstenthümer dem böhmischen Könige
Johann zu Lehen gaben. Wohl fanden sie eine Zeit lang unter dem
Hause Luxemburg Ruhe, Sicherheit und Frieden. Aber die grossen
Erwartungen, welche eine berechnende Politik an diese Verbindung zu
knüpfen berechtigt war, erfüllten sich nicht. Die wilden Kämpfe, welche
Böhmen unter den letzten beiden Luxemburgern erfüllen, der Sieg des
Czechenthums über das Deutschthum, womit das fünfzehnte Jahrhundert
abschliesst, mussten auf Schlesien, dessen Schicksal nunmehr ganz an
das der Krone Böhmen gekettet war, den nachhaltigsten Eindruck
hinterlassen. Die Czechisirung begann über Oberschlesien auch schon
nach Niederschlesien hinauszugreifen, und was dem Czechenthum abhold
war, fiel dem Polenthum in die Arme. Es war eine Zeit, in der
deutsche Sprache und Sitte Gefahr liefen, aus Schlesien zu weichen,
Da ist es denn wiederum als eine günstige Fügung zu betrachten,
dass, während im Südosten schon schlesische Gebietstheile an Polen
fallen, von Norden und Süden her ein deutsches Fürstengeschlecht festen
Fuss fasst, dessen Mission es geworden ist, unser Heimathsland dem
Deutschthum für die Dauer zu erhalten.
Noch ehe die Hohenzollern zur Herrschaft in den Marken gelangten,
hatte man dort ein Gefühl für die Wichtigkeit einer engeren Verbindung
besessen, auf welche die natürliche Lage die beiden Oderlande, Branden-
burg und Schlesien, verweisen. Schon im 12. Jahrhundert hatten die
Askanier Verschwägerung gesucht mit den alten schlesischen Herzögen.
Schon der erste Breslauer Herzog Wladislaw Il!) war mit einer Tochter
Albrechts des Bären verheirathet, und auch eine Doppelheirath hat beide
+) 1153. Grotefend, Stammtafeln I, 1.
36° Jahresbericht der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur.
Fürstengeschlechter verbunden.') Die Hohenzollern fanden also bereits
Verbindungen vor, deren Pflege ihre Sorge ward. Stammte doch der
Kaiser, von dem Markgraf Friedrich die Mark als Reichslehen empfing,
aus dem Hause Luxemburg, an welches sich vor einem Jahrhundert die
schlesischen Fürsten aufs Engste angeschlossen hatten. Schon der erste
Hohenzoller suchte diese Fürsten auch mit seinem Hause zu verbinden.
Kaum dass er in dem neuen Lande sich befestigt hatte, verheirathete er
1420 seine Tochter Elisabet mit dem Herzog Ludwig II. von Liegnitz-
Brieg. Sie ist die Stammmutter der beiden schlesischen Fürsten ge-
worden, die eine Hauptrolle in der Geschichte der berühmten Erb-
verbrüderung spielen, welche die Piasten mit den Hohenzollern aufs
Engste verknüpft hat.
Als Herzog Ludwig Il. von Brieg nach 16jähriger Ehe starb (1436)
und die brandenburgische Elisabet eine neue Ehe einging, wiederum mit
einem schlesischen Herzog, Wenzel I. von Teschen, nahm sich Kurfürst
Friedrich II. von Brandenburg der beiden verwaisten Töchter, Magdalena
und Hedwig, seiner Nichten, als Vormund an und verheirathete sie nicht
lange darauf an schlesische Fürsten, Magdalena an den Herzog
Nikolaus I. von Oppeln, dessen Sohn Johann eben der letzte Herzog
von Oppeln ward, und dessen Tochter Magdalena II. durch Heirath
Herzog Johann’s des Jüngern von Ratibor die Mutter des letzten Herzogs
von Ratibor, Valentin, wurde. Die zweite Tochter der brandenburgischen
Prinzessin Hedwig ist durch die Ehe mit Johann von Lüben die
Mutter des Herzogs Friedrich’s I, die Grossmutter Friedrich’s IJ. von
Liegnitz geworden, des Stifters der Erbverbrüderung mit den Hohenzollern.
Während so die ersten beiden brandenburgischen Kurfürsten aus
hohenzollernschem Stamme die Fäden spannen, hat weit bedeutungsvoller
schon der dritte Kurfürst in die Entwickelung der schlesischen Geschichte
eingegriffen. Albrecht, vielleicht der fähigste politische Kopf unter den
ersten Hohenzollern und seinen Zeitgenossen an Voraussicht und Be-
gabung weit überlegen, hat ja durch seine Erbfolgeordnung, welche die
Theilbarkeit der Lande nach bestimmten Prineipien regelte, sein Haus
vor dem jammervollen Schicksal bewahrt, dem so viele deutsche Fürsten-
häuser, vor allem Sachsen, anheimfielen. Er ist aber auch im Weiteren
der Schöpfer eines politischen Testamentes geworden, das fast alle die
grossen Gesichtspunkte aufstellt, welche seine Nachkommen unverrückt
!) Das. 1, 42 u.48
Otto der Lange von Brandenburg
IT Ti ne en;
Mechthildis Otto
co» Heinrich IV. co vor 1298 Hedwig,
(1279) T. Heinr. V.
H. IV. u H. V. w. Vettern.
II. Abtheilung. Historische Section. 37
im Auge behalten und so an der künftigen Grösse ihres Hauses gearbeitet
haben. Durch ihn kamen auch die ersten schlesischen Gebiete für die
Dauer an Brandenburg freilich unter allmählicher Loslösung von ihrem
schlesischen Mutterlande, Er hatte von seinen 11 Töchtern zwei an
schlesische Herzöge verheirathet, die älteste Ursula wurde die Gattin
eines Sohnes des Böhmenkönigs Georg Podiebrad, des Herzogs Heinrich 1.
von Münsterberg (1467). Ihr Sohn Karl I. von Münsterberg ist dann
später der Schwiegervater des Markgrafen Georg von Brandenburg ge-
worden, des Begründers der Erbverbrüderung zwischen Hohenzollern
und Piasten. Durch eine zweite Tochter, Barbara, erwarb Kurfürst
Albrecht den ersten Anspruch auf ein schlesisches Fürstenthum. Hier
tritt das Hausinteresse so in den Vordergrund, dass selbst die eheliche
Verbindung demgegenüber ganz zurücktritt. Denn Barbara hat den ihr
angetrauten Gatten niemals zu sehen bekommen; 8 Jahre war sie, als
sie verlobt wurde, 12 Jahre, als ihr Gatte, der letzte Herzog von Glogau,
Heinrich XI., ins Grab sank (1476). Einige Jahre darauf (1482) fielen
die Bezirke von Krossen, Züllichau, Sommerfeld und Bobersberg an
Brandenburg, mit dem sie seitdem vereint blieben. Dieser Erfolg war
wesentlich dadurch erzielt worden, dass der Kurfürst die 12jährige
Barbara gleich nach dem Tode ihres Scheingatten noch einmal dem
Böhmenkönige Wladislaw antrauen liess. (Grünhagen, Gesch. Schles. I,
328. 340. 345.) Der Verbindung ist die Scheidung einige Jahre darauf
gefolgt (1500), aber Albrecht zwang dadurch den Gegner Wladislaws,
König Matthias von Ungarn, zur Anerkennung seiner Anrechte auf die
Glogauischen Gebiete.
Andere Heirathsprojeete, die Albrecht noch vorhatte, wie die Ver-
ehelichung seiner Nichte mit Herzog Johann von Ratibor (1477) und
seiner jüngsten Tochter Anastasia mit dessen ältestem Sohne Nicolaus
(1498) sind nicht zu Stande gekommen.!) Erst einem seiner Enkel ist
es geglückt, diese Heirathspolitik fortzuführen und auf Grund derselben die-
jenigen Ansprüche zu begründen, welche man gemeinhin als die ältesten
Anrechte der Hohenzollern auf Schlesien bezeichnet. Markgraf Georg
von Brandenburg hat das politische Erbe des alten Albrecht angetreten
und ist mit seiner Politik den Jahrhunderten weit vorausgeeilt, freilich
auch bei Erfüllung derselben von seinem eigenen Hause im Stich ge-
lassen worden. Mit seinen weitausschauenden Plänen hat er fast das
ganze Gebiet der Politik umspannt, dessen Erledigung erst viel späteren
Zeiten beschieden war; er ist der Träger und Mittelpunkt vor Allem
der schlesischen Ansprüche geworden, mit denen wir uns hier zu be-
schäftigen haben. Es empfiehlt sich im Interesse der Klarheit, diese
!) Minutoli, das kais. Buch p. 349. Berliner k. Hausarchiv B. E. I, 587/88,
938,
8 Jahresbericht der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur.
[se]
Ansprüche historisch zu entwickeln und zur Beurtheilung Georgs einiges
voranzuschicken.
Kurfürst Albrecht hatte seinem älteren Sohne Johann die Marken
übergeben, in dem fränkischen Stammlande folgte ihm der jüngere
Friedrich, zuerst gemeinsam mit seinem Bruder Sigismund, nach dessen
Tode 1497 allein regierend. Friedrich erfreute sich eines reichen
Kindersegens, nieht weniger als 13 Kinder, 8 Söhne, 5 Töchter, wuchsen
am Ansbacher Hofe heran. Die Kinder alle im eigenen Lande zu ver-
sorgen, hinderte das Hausgesetz des Vaters, hinderte vor Allem die stete
Finanznoth, aus welcher der allzeit kriegs- und turnierlustige Fürst
nicht herauskam, Unsummen verschlangen insbesondere die Kriegszüge,
auf denen er Kaiser Maximilian begleitete. Freilich gelang es ihm da-
durch zwei seiner Söhne in kaiserlichen Diensten unterzubringen, den
ältesten Sohn, Kasimir, als Statthalter in Oesterreich, einen jüngeren,
Johann, am spanischen Hofe, die andern traten, wie es die Sitte jener
Zeit bei jüngeren Fürstensöhnen war, in geistliche Dienste. Auch der
zweite, Georg, war anfangs für eine Pfründe bestimmt worden, da winkte
dem kriegerischen Sinne des jungen Mannes, der dem Vater schon
wiederholt in kaiserlichen Feldzügen gefolgt war, eine passendere Stelle.
Markgraf Friedrich hatte eine polnische Prinzessin zur Frau, eine
Schwester des Königs Wladislaw von Böhmen und Ungarn. Die Brüder
seiner Frau schuldeten ihm noch immer die Mitgift. König Wladislaw
wollte sich erkenntlich zeigen, indem er 1505 einem Neffen Versorgung
an seinem Hofe versprach. Friedrich schickte den 21jährigen Georg
nach Ofen. Bald fand sich für den stets freigebigen Wladislaw eine
gute Gelegenheit sein Wort einzulösen. Wenige Monate vorher war der
Sohn Königs Matthias gestorben, Johann Corvin, der reichste Gross-
grundbesitzer Ungarns, mit Hinterlassung einer jungen. Wittwe, der
Gräfin Beatrice Frangipani. Wladislaw verschaffte seinem Neffen mit
der Hand dieser Frau zugleich den grössten Latifundienbesitz des
Reiches (1509 Febr.), allerdings auch den unauslöschlichen Hass der
mächtigsten Magnatenfamilie, der Zäpolya’s, die selbst durch eine
Heirath sich in den Besitz der reichen Erbschaft Corvin’s zu setzen ge-
hofft hatten. Die Gütermassen Georgs waren bald gefährdet durch
einen förmlichen Raubkrieg der Zäpolyas.. Der Versuch einer Ver-
söhnung durch den Plan einer Heirath von Georgs Schwester Margarethe
mit Johann Zäpolya misslang. Georg trug sich deshalb mit dem Ge-
danken seinen ungarischen Besitz allmählich zu veräussern und sich in
dem Lande anzusiedeln, auf das ihn schon die Politik seines Grossvaters
Albrecht gewiesen hatte.
Hier in Schlesien konnte Georg nicht als Ausländer, nicht als -
Fremder betrachtet werden. Er brachte bereits die vortrefflichsten
Verbindungen mit ins Land. Zu den wenigen noch regierenden Fürsten
III. Abtheilung. Historische Section. 39
stand er in verwandtschaftlichem Verhältniss. Der Verschwägerung des
brandenburgischen Hauses mit den Herzögen von Teschen, Liegnitz und
Oppeln ist bereits gedacht worden, die Herzöge von Münsterberg waren
seine leiblichen Vettern, Liegnitz und Oppeln, Münsterberg und Teschen
wieder unter einander verschwägert, der Herzog von Ratibor ein Neffe
des letzten Herzogs von Oppeln. Das Erbe dieses letzten Piasten von
Oppeln war auch der Gegenstand seines Interesses.
Herzog Johann hatte nach dem Tode seines Vaters (1476) das
Herzogthum Oppeln anfangs gemeinsam mit seinem jüngeren Bruder
Nikolaus regiert, als das unglückliche Ende desselben ihn 1497 zum
alleinigen Herrscher machte. Unter den wenigen selbständigen Fürsten,
die Schlesien damals noch aufzuweisen hatte, machte er eine rühmliche
Ausnahme. Er war ein milder und toleranter Fürst, der bei seinen
Unterthanen beliebt war, ordnungsliebend und sparsam. Von der all-
gemeinen Verschuldung, unter der die schlesischen Fürsten jener Zeit
und ihre Lande mit ihnen litten, hatte er sich freizuhalten gewusst,
daher er für sie eine beliebte Anleihestelle wurde, die sie geschickt
auszunutzen verstanden. Auch der allzeit geldbedürftige König Wladislaw
hat mehr als eine Anleihe bei ihm aufgenommen. Während bei den
andern schlesischen Fürsten Land und Leute wie die Waare Besitzer
wechselten, oder als Pfandobjecte herumgingen, hielt Johann das von
seinen Vätern ererbte Fürstenthum gewissenhaft beisammen, suchte viel-
mehr im Laufe der Jahre mit den ersparten Schätzen noch diejenigen
Landestheile zurückzuerwerben, die unter seinen Vorfahren dem Fürsten-
thum entfremdet waren, durch benachbarte Gebietstheile seine Lande
zu vergrössern. So bekommt er als Pfand 1509 Münsterberg, kauft
1506 Kreuzburg und Pitschen von Friedrich v. Liegnitz, 1521 Oderberg
von Ratibor. Nun war er der letzte seines Stammes und ohne jede
Leibeserben. Kein Wunder, dass die in den ärgsten Finanznöthen be-
findliehen schlesischen Fürsten ihre Augen lüstern auf das sorgsam
zusammengehaltene Erbe Johann’s richteten, kein Wunder, dass der arme
König Wladislaw, der nicht einmal seine Kutscher und Stallknechte
bezahlen konnte, vergnügt schon bei Lebzeiten des Herzogs aus der
Vergebung seiner Lande Kapital zu schlagen suchte. Aber freilich
hatte der vorsichtige Fürst schon frühzeitig über die Nachfolge verfügt. _
Als er kurz nach dem Tode seines Vaters 1478 seine Schwester
Magdalena an den Herzog Johann den Jüngeren von Ratibor ver-
heirathete, hatte er durch gegenseitigen Erbvertrag mit ihm die Nach-
folge geregelt. Der Schwager war 1493 gestorben, die Schwester ihm
1501 im Tode gefolgt. Von ihren 3 Söhnen waren die beiden älteren
1506 kurz hintereinander mit Tode abgegangen. Auch das Herzogthum
Ratibor ruhte nur auf den zwei Augen Valentins, Der Neffe war das
gerade Gegenstück zum Oheim. Er war mit einem Buckel zur Welt
40 Jahresbericht der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur.
gekommen, auch sonst leidend, aber er hielt nicht einmal Haus mit
seinem gebrechlichen Körper. Bei Spiel und Gelage verbrachte er
seine Tage, er war ein vollendeter Wüstling und galt weit und breit
als ein Verächter weiblicher Tugend und Ehre. Man gab nicht viel auf
das Leben des jungen Mannes, der gegen sich selber wüstete. Man
rechnete nur noch mit dem Heimfall Oppelns an die Krone. Des
Königs jüngster Bruder Sigismund war damals der mächtigste Fürst in
Schlesien. Ihn hatte Wladislaw mit der Landeshauptmannschaft beider
Schlesien uud der Lausitzen ausgestattet und ihm zwei erlediste Fürsten-
thümer, Glogau und Troppau übergeben. Jetzt begnadete er ihn auch
mit der Anwartschaft auf Oppeln. Da starb der König von Polen, und
Sigismund wurde auf den erledigten Thron seines Bruders berufen.
Jetzt, am 5. ‘September 1507, versprach König Wladislaw seinem
Neffen Georg von Brandenburg urkundlich die Nachfolge im Herzogthum
Oppeln, er hielt es nicht einmal für nöthig, des Ratiborers in der Ur-
kunde zu gedenken. Aber inzwischen hatte Sigismund, der zur Thron-
besteigung nöthig Geld brauchte, die Anwartschaft auf Oppeln weiter
gegeben an seinen Nachfolger in der Landeshauptmannschaft, den Herzog
Kasimir von Teschen, der wiederum Stücke des Fürstenthums (Ober-
slogau und Krappitz) an seinen Neffen, den Herzog Bartholomäus von
Münsterberg, abtrat (30. März 1510). Das war der Anfang eines regel-
rechten Handels mit dem Erbe von Oppeln, das nunmehr am ungarischen
Hofe wie eine Waare behandelt wurde, die man in den ewigen Finanz-
nöthen an den Meistbietenden aber niemals zum letzten Male losschlug.
Die Situation wurde verwickelter, als der König, der seinen Neffen, den
Brandenburger, durch die reiche ungarische Heirath für versorgt hielt,
zweien böhmischen Herren, denen er grosse Summen Geldes schuldete,
Zdenek Lew von Rozmital und Wenzel Sternberg, ein Privilegium auf
Oppeln-Ratibor ausstellte. Dies liess sich jedoch der Markgraf Georg
keineswegs gefallen, zumal die Lage für ihn in Ungarn durch die be-
drohlichen Raubzüge der ungarischen Magnaten eine je länger je mehr
unerquickliche wurde.
Aber auch der Herzog von Oppeln bekam Wind von den hinter
seinem Rücken abgeschlossenen Verträgen. Da er durchaus nicht ge-
sonnen war, über sein Eigen von fremder Seite noch bei seinem Leben
verfügen zu lassen, nahm er die Anwesenheit des Königs in Breslau
wahr, um sich von ihm das freie Verfügungsrecht über seine Lande
auszubedingen. Es war der reine Hohn auf des Königs Wort, als
Wladislaw wenige Wochen darauf dem Herzog von Teschen seine
. Rechte auf Oppeln bestätigte. Jetzt fing auch Valentin an den Ernst
der Situation zu begreifen, er liess sich den alten Erbvertrag, den sein
Vater mit Oppeln abgeschlossen hatte, vom Könige bestätigen. Die
Unsicherheit, in der Oheim und Neffe sich den neuen Anwärtern gegen-
III. Abtheilung, Historische Section. 41
über bedroht fühlten, führte beide nunmehr dem Manne in die Arme,
der von allen Anwärtern jedenfalls als der einflussreichste erschien, dem
Markgrafen Georg, dem Neffen des Königs. Er machte ihnen den Vor-
schlag, ihn als dritten in den alten Erbvertrag aufzunehmen dergestalt,
dass er unter Anerkennung ihres gegenseitigen Erbvertrages als der
letzte Erbe beide beerbe. Für den Fall, dass der Neffe den Oheim
überleben würde, liess sich der kluge Georg auch noch in einem zweiten
Vertrage von Valentin einen Theil der Erbschaft verschreiben. Der
König hing unter Beides sein Siegel. Dieses Vertragen der 3 Fürsten
brachte sofort eine Coalition der anderen Anwärter zu Stande. An
Sternbergs Stelle trat jetzt der Herzog Friedrich von Liegnitz als Be-
werber auf, mit ihm Kasimir von Teschen und der böhmische Oberstburggraf
Zdenek Lew von Rozmital. Sie einigten sich auf zwei Hälften der Beute,
von denen Kasimir als der älteste Anwärter die eine erhalten, die zweite
den beiden anderen gemeinsam zufallen sollte; dafür aber. Kasimir noch
einmal dem Herzog Bartholomäus von Münsterberg seine Ansprüche auf
Oberglogau und Krappitz sichern musste, nur auf eine kurze Spanne Zeit,
denn zwei Jahre darauf (1515) verungliückte Bartholomäus in der Donau,
ohne Leibeserben zu hinterlassen.
So lagen die Verhältnisse, als König Wladislaw starb. Hatte der
verstorbene König zu Allem, was die hohen Herren von ihm verlangten,
in seiner Finanznoth und Willensschwäche bene gesagt in Ungarn und
in Böhmen dobrze, so wurde der 10Ojährige Ludwig, der jetzt zur Re-
sierung gelangte, völlig ein Spielball der Parteien. Der Brandenburger,
der schon 1512 zu seinem militairischen Erzieher vom alten König be-
stell worden war,. erhielt von ihm auf dem Sterbebette die Vormund-
schaft über den unmündigen König gemeinsam mit dem Ungarn
Bornemissa.
Diese Machtstellung äusserte bald ihre Wirkung. Wenige Wochen
nach dem Tode des Königs näherten sich die Herzöge von Liegnitz und
Tesechen dem Brandenburger und schlossen mit ihm vorläufig einen
Vertrag, wonach sie sich gegenseitig Rath und Hilfe in Sachen der
Oppeln’schen Herrschaft zusicherten. Nicht wenig mochte zu dieser An-
näherung das neue Verwandtschaftsverhältniss beigetragen haben, in
welehes der Liegnitzer Herzog durch Heirath einer polnischen Prinzessin,
einer Tante Georg’s von Brandenburg, zu diesem das Jahr vorher getreten
war (1515). Die weiteren Versuche Kasimir’s von Teschen, auf Neben-
wegen selbstständig zum Ziel zu gelangen durch Aufnahme einflussreicher
Personen in die Anwartschaaft, wie des polnischen Kanzlers Szydloviecki
und des böhmischen Hofmeisters Bretislaw zu Swihaw, oder durch Anrufen
desKaisers seine Stellung zu befestigen, verriethen nur die innere Schwäche
derselben. Bald bot ihm der junge Valentin von Ratibor Anlass zum
Einschreiten. Nachdem er bei Spiel, Trunk und Weibern sein Vermögen
u, Jahresbericht der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur.
um die Ecke gebracht hatte, versuchte er auf unredlichem Wege zu
Gelde zu gelangen. Ein gewisser Georg Kduolniez und andere desselben
Gelichters wurden aufgegriffen und bekannten im Gefängniss, Falsch-
münzereien für Herzog Valentin verübt zu haben. Herzog Kasimir befand
sich seit 1515 im Besitz eines Privilegs, das ihm die Strafen für Landes-
beschädiger zusicherte. Aber gerade dies persönliche Interesse an der
Sache schadete ihm. Der Markgraf verlangte von König Ludwig verbrieft
den Heimfall Ratibors, falls der Herzog sich von seiner Schuld nicht
werde frei machen können. Es war der letzte Versuch Kasimir’s, selbst-
ständige Politik zu treiben, vor dem aufgehenden Gestirn des Branden-
burgers musste er erbleichen.
Während Georg am ungarischen Hofe sich eine Stellung erobert
hatte, war es auch den anderen Brüdern gelungen, ihre Lage zu ver-
bessern. Eben war der älteste, Kasimir, eine Verbindung mit einer
bayrischen Prinzessin eingegangen, eine jüngere Schwester, Elisabeth,
hatte einen Markgrafen von Baden geheirathet. Man trug sich im bran-
denburgischen Hause mit neuen Heirathsplänen. „Dass Du in guter
Hoffnung bist, etlich Schwestern zu verheirathen,“ schreibt Georg seinem
Bruder Kasimir, ‚wär fürwahr sehr nöthig, denn sie nimmer Kinder
sein und Du Dich nun auch verheirath hast, weisst Du wohl, dass selten
Einigkeit zwischen solchen Freulein ist... . . Darum hab Fleiss und
schau, dass man sie verheirath.“ Und an Fleiss wurde nichts gespart.
Als die Brüder zur Hochzeit Königs Sigismund von Polen im Frühjahr
des Jahres 1518 in Krakau zusammentrafen, wohin Kasimir im Auftrage
Kaiser Maximilian’s die Braut, Bona Sforza von Mailand, geleitet hatte,
wurden neue Fäden gesponnen. Hier fand sich auch Herzog Friedrich
von Liegnitz ein, der Schwager des Königs von Polen, jetzt Wittwer
von seiner Jung verstorbenen Gattin. Mit ihm schlossen die Brandenburger
eine Heirathsberedung. Am 14. November fand die Hochzeit zu Liegnitz
statt. Sophia, die Schwester des Brandenburgers, heirathete Friedrich;
sie ist die Mutter der beiden Kinder geworden, Georg’s und Sophia,
welche später die berühmte Doppelverbindung mit dem kurbrand. Hause
eingegangen sind. Auch den grimmen Herzog von Teschen schlugen
die Fesseln der Liebe in Bande. Auch er war Wittwer schon 22 Jahre.
Aber nicht für den Alten war die brandenburgische Prinzessin
bestimmt. Anna heirathete am 1. December 1518 seinen Sohn, den
jungen Herzog Wenzel von Teschen. Ihr Eheglück war ein be-
grenztes, noch nicht 6 Jahre nach der Hochzeit starb ihr Gatte. Diese
Doppelverbindung beseitigte den letzten Widerstand von schlesischer
Seite gegen die brandenburgische Anwartschaft auf Oppeln, sie
musste Georgs Stellung in Schlesien ungemein befestigen und stärken. .
Auch dem wenig begehrenswerthen Herzog Valentin von Ratibor
machte Georg Aussicht auf eine seiner Schwestern und erwirkte
III. Abtheilung. Historische Section. 43
dadurch von ihm die Aufnahme seiner ev. Nachkommenschaft in die
Erbverträge. König Ludwig ertheilt dem neuen Vertrag, wie allen
vorangehenden, seine Bestätigung mit ungarischem und böhmischem Siegel,
Die Gunst des einen noch ausstehenden schlesischen Fürsten, des Herzogs
Karl von Münsterberg erringt sich Georg dadurch, dass er Herzog
Valentin veranlasst, die zur Oppeln’schen Erbschaft gehörige Pfandschaft
auf Münsterberg fahren zu lassen, und auch seinerseits darauf verzichtet.
Aber aus der Heirath Valentin’s wurde nichts. Die ihm zugedachte
Schwester Georg’s war die älteste, Margarethe. Sie war schon einmal,
10 Jahre vorher, für eine politische Ehe ausersehen, als Georg in
Ungarn durch Johann Zäpolya bedrängt ward und eine Besserung des
Verhältnisses von einer Familienverbindung mit diesem Magnaten erhoffte.
Der stolze Mann, der nach des Königs Tochter trachtete und schon die
Hand nach dem ungarischen Throne ausstreckte, hatte der Brandenburgerin
den Rücken gewandt. Jetzt war Margarethe 36 Jahre alt, aber selbst
die in allen ihren Hoffnungen getäuschte alte Dame wollte nichts von
dem wüsten Herzog wissen, über dessen Tugenden ihr die Schwester
vom Teschener Hofe ganz seltsame Mittheilungen zu machen wusste.
Sie schrieb ab. Georg hatte nur bitteren Spott dafür: „Wenn sie keinen
solchen haben will,‘ schrieb er seinem Bruder, ‚‚muss sie früh aufstehen,
zu Krakau, sagt man, habe man die Wahl.“ Valentin rächte sich, er
schloss nunmehr die weibliche Nachkommenschaft aus, wie er vorgab,
um nicht die Herzöge von Liesnitz und Teschen, die Georg’s
Schwestern zu Frauen hatten, an seinem Erbe theilnehmen zu lassen.
Sein Hass gegen Kasimir von Teschen, der ihm eben erst nach der
Ehre getrachtet, loderte auf und auch die Schuld, die Kasimir durch
Enthauptung des Oheims von Oppeln auf sich geladen, konnte Valentin
noch immer nicht verwinden. Aber auch ein solcher Schachzug konn
den Gang, den die Dinge nahmen, nicht mehr aufhalten.
Georg konnte sich bald darauf dem österreichischen Hause sehr
nützlich zeigen, als es sich um die Kaiserwahl handelte. Das Haus
Brandenburg verfügte über 2 Kurstimmen, die märkische und die Mainzer,
und Georg ging nach Frankfurt als Gesandter des Königs von Böhmen.
Unzugänglich allen Einflüsterungen und Bestechungen der französischen
Gesandten und selbst seinem Vetter Joachim gegenüber, hielt er treu
zur Sache Maximilian’s und seines Enkels. Karl V. hatte seine Wahl
dem Hause Brandenburg zu verdanken. Das musste auch seine Rück-
wirkung auf die Brandenburger äussern. Zuerst zeigte es sich am
spanischen Hofe, an dem ein jüngerer Bruder, Johann, sich aufhielt. Karl
verlieh ihm die Würde eines Generalstatthalters in Spanien und gab
ihm zur Frau die Wittwe des Königs Ferdinand d. Kathol,, Germaine
de Foix. Johann hat wiederholt Gelegenheit gehabt, seinen Einfluss zu
Gunsten seiner Brüder in Schlesien und Preussen geltend zu machen,
44 Jahresbericht der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur.
Aber freilich fing diese Machtstellung auch schon an bedrohlich zu
werden. Da war zuerst der König Sigismund von Polen, der selbst
seinem Schwestersohne, dem Markgrafen Albrecht, 1511 zum Hoch-
meistersitze in Preussen verholfen hatte und nun, als derselbe die
Huldigung dauernd verweigerte, die schlimme Erfahrung machte, welch’
unbequemer Nachbar ein Brandenburger sei, zumal er guten Grund zu
der Annahme hatte, dass Albrecht wirksame Unterstützung von seinen
Brüdern, insbesondere dem Markgrafen Georg, erhalte. Königs Sigismund
beklagte sich am ungarischen Hofe, dass von dort aus Soldtruppen nach
Preussen zogen zum Kriege gegen Polen. Er hatte ein lebendiges In-
teresse, zu verhindern, dass nun an einer anderen Grenze seines Reiches
sich wieder ein Hohenzoller festsetze und im Grenzlande zu Macht und
Ansehen gelange. Er liess es daher nicht an Warnungen in Ofen fehlen
und suchte auch den alten Herzog von Oppeln gegen Georg einzunehmen.
Aber hier war jeder Versuch vergeblich. Desto grösseren Erfolg erzielte
er, als 1520 nach dem Tode des Bischofs Johannes Turzo Georg einen
Bruder, Johann Albrecht, bei der Candidatur um den Breslauer Bischofs-
sitz unterstützte und auch den Papst Leo X., in dessen Diensten sich
zwei seiner Brüder befanden, für seinen Bruder zu gewinnen suchte.
Der Papst erlag dem Drängen des Domkapitels, das sich ganz unter dem
Einfluss der böhmischen Stände zeigte.
Den böhmischen Ständen war das Emporkommen oder das Eindringen,
wie sie es bezeichneten, des Brandenburgers in ein böhmisches Kronland,
als welches sie Schlesien fort und fort ansahen, ein Dorn im Auge
gewesen. Seitdem Schlesien während der Kämpfe unter Wladislaw und
Matthias von Böhmen an Ungarn verpfändet worden war, hatte der Streit
über die Zugehörigkeit des Landes zwischen beiden Reichen niemals
geruht, auch dann nicht, als die Jagellonen durch Personalunion beide
Reiche verbanden. Verschärft wurde der Streit durch die Eifersucht der
böhmischen Stände auf die Rechte der Krone und durch die Vermischung
derselben mit ständischen Ansprüchen. Unter diesen Verhältnissen haben
die Schlesier den Jagellonen überhaupt nicht formell gehuldigt. Praktische
Bedeutung erhielt nun diese Frage, wenn ein nichtschlesischer Fürst
Erwerbungen in Schlesien machte. Insbesondere waren die Böhmen gegen
jede Uebertragung von Lehen an Reichsfürsten, weil sie durch diese eine
Entfremdung und Loslösung von der Krone fürchteten. Bei Georg kam
noch hinzu, dass er als eingesessener ungarischer Magnat auch bereit
war, den Huldigungseid der ungarischen Krone zu leisten. So bildete
sich denn auf bLöhmischem Boden der erste nachhaltige Widerstand gegen
die Ansprüche des Markgrafen, zumal der einflussreichste Mann in Böhmen,
der Oberstburggraf Zdenek Lew v. Rozmital sich durch die enge Verbin- ,
dung Georg’s mit den Herzögen von Liegnitz und Teschen, seinen ur-
sprünglichen Mitbewerbern um das Oppeln’sche Erbe, von diesen über-
II. Abtheilung. Historische Section. 45
vortheilt wähnte. Er machte auch aus seinem Unwillen kein Hehl.
Herzog, Johann suchte sich demgegenüber den Schutz des auch in Böhmen
einflussreichen Herzogs Karl von Münsterberg zu sichern, indem er sich
dazu bequemte, ihm von der auf dessen Herzogthum lastenden Pfand-
summe 15000 Fl. zu erlassen. Georg selbst suchte den böhmischen
Öberstburggrafen in seiner schlesischen Herrschaft Poln.-Wartenberg auf,
um ihn zu gewinnen, wie es scheint, ohne dauernden Erfolg. Georg
hielt es jedenfalls für rathsam, von Herzog Johann die Vergünstigung, zu
erwirken, dass schon beim Leben des Alten ihm und Valentin die
Erbhuldigung in seinen Landen geleistet und die Landestheilung unter
ihnen, als den beiden einzigen Erben, schon jetzt vorgenommen werde;
die Städte Cosel, Gleiwitz und Beuthen sollte Valentin voraus haben,
desgleichen Johann allen Besitz an Geld und Werthsachen. Der Alte
gad zu alledem seine Zustimmung. Noch in demselben Jahre erlag
der junge Herzog von Ratibor den Folgen seiner Lebensweise und auch
Herzog Johann fing an zu kränkeln. Nun setzte der Oberstburggraf im
böhmischen Landtage den Beschluss durch, dass der Herzogs von Oppeln
aufgefordert werde, seinen Unterthanen zu befehlen, nach seinem Tode
nur dem Könige und der Krone Böhmen, keinem Anderen zu huldigen.
Den Rath der Stadt Breslau ersucht er, ihn bei seinen Rechten auf
Oppeln zu unterstützen. Demgegenüber fordert König Ludwig die Städte
Schlesiens und der Lausitz und den Bischof von Breslau auf, Georg in
allen seinen Rechten gegen Jedermann zu schützen, erneuert die alten
Erbverträge zwischen Brandenburg und Oppeln und erklärt alle ent-
gegenstehenden Verträge auch in Zukunft für ungültig. Die Hauptaction
aber wird im Frühjahr und Sommer 1522 in der böhmischen Landes-
hauptstadt geführt, in die sich der König mit seiner jungen Gemahlin
und mit seinem ganzen Hofstaate zur Krönung begiebt. Hier erscheint
auch der Markgraf Georg mit seinen Brüdern Kasimir und Albrecht,
hier erscheinen alle bisherigen Anwärter auf das Oppein’sche Erbe, die
Herzöge Friedrich von Liegnitz und Kasimir von Teschen, auch der
Oberstburgsraf Zdenek Lew von Roämital. Zuerst wird dieser von den
beiden Herzögen mit seinen Ansprüchen abgefunden durch Zusicherung
der aufihn entfallenden Summe von 13333 Fl. Georg erhält seine alten An-
rechte nunmehr von dem „geschworenen König vonBöhmen“ bestätigt, dann-
erklären auch die beiden Herzöge ihren Verzicht auf das Erbe gegen eine
Entsehädigung von 40000 Fl., zahlbar nach dem Tode des Herzogs von
Oppeln. Georg ist der unbestrittene alleinige Inhaber aller Anrechte
auf die Herzogthümer Oppeln und Ratibor. Jetzt tritt er mit diesem
Erbe an den Herzog Friedrich II. von Liegnitz heran, mit dem ihn in
den letzten Jahren die engste Freundschaft verbunden, mit dem er die
intimsten Fragen der brandenburgischen Hauspolitik besprochen, mit dem
er gemeinsam seinem Bruder Albrecht von Preussen in seinen Nöthen
46 . Jahresbericht der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur.
geholfen hat. Mit ihm und seinem Hause will er sich aufs Engste ver-
knüpfen. So schliesst er mit ihm am 2. Juni 1522 zu Prag eine Erb-
verbrüderung für sich und seine weltlichen Brüder Kasimir und Johann
— die anderen Brüder waren in geistlichen Diensten — und deren
Erben. Danach sollen beim Aussterben aller ihrer Nachkommenschaft
ihre schlesischen Fürstenthümer an Herzog Friedrich von Liegnitz und
seine männlichen Leibeserben fallen, beim Aussterben Herzogs Friedrich
und seines Mannesstammes die Herzogthümer Liegnitz-Brieg an die
Brandenburger kommen, sogar, wenn dieser Fall vor dem Tode des
Herzogs von Oppeln einträte. Die Töchter sollten mit Geld abgefunden
werden. In einer besonderen Urkunde versprechen die Brandenburger
beim Anfall von Oppeln die freie Herausgabe der Gebiete von Kreuz-
burg und Pitschen. |
Der Prager Tag hat eine weltgeschichtliche Bedeutung erlangt durch
diese Erbverbrüderung zwischen Hohenzollern und Piasten. Es ist die
erste Erbverbrüderung, die sie geschlossen haben, geschlossen und aus-
_ gegangen von den fränkischen Hohenzollern, und von ihnen auch wiederum
übertragen auf die spätere, berühmtere, welche die Kurlinie 1537 mit
denselben Piasten geschlossen hat. Aber die Prager Erbverbrüderung
ist ihr Ausgangspunkt, ihr Muster und Vorbild geworden.
Die Herzöge von Liegnitz erhalten Tags darauf, am 3. Juni, von
Neuem die Bestätigung ihrer alten Privilegien vom Könige.
Doch die böhmischen Stände ruhen nicht. Noch einmal kommt ein
Rückschlag. Sie ängstigen den alten Herzog von Oppeln. Sie erfinden
eine Satzung Kaiser Carls IV., wonach kein Reichsfürst je ein Stück
von Böhmen erhalten solle. Sie bereiten einen furchtbaren Schlag gegen
den Markgrafen vor. Er ist als königlicher Commissarius von Prag
nach Schlesien geschickt worden, um den Schweidnitzer Münzaufstand
zu unterdrücken. Während er Schweidnitz belagert, rückt ein Heer der
böhmischen Stände zum Entsatz heran unter Führung seines Todfeindes,
des Hauptmanns der Fürstenthümer Schweidnitz-Jauer, Caspar Gotsch;
Georg erhält in aller Form seine Abberufung vom König. Der Hass der
böhmischen Stände richtete sich gegen die schlesischen Erwerbungen des
Markgrafen. Schon dachte Georg an Gewalt, er schickte seinen getreuen
Hauptmann Peter vom Königsfeld mit Geschütz nach Oppeln zum Herzog,
„Aber“, schrieb er seinem Bruder, „wenns ihm ans Geld geht, geht’s ihm
an die Seel’, ich muss mit ihm umgehen, wie mit einem weichen Bi“,
Jedenfalls liess sich Herzog Friedrich vom Oberstbursgrafen seine Privi-
legien über Oppeln jetzt. aushändigen. Dann verschaffte sich Georg von
‘ Kaiser Karl einen an den Pfalzgrafen gerichteten Schutzbrief gegen alle
seine Gegner, Bevor dies Schreiben eintraf, hatte König Ludwig schon
dem Ansturm der böhmischen Stände weichen und die Erklärung abgeben
müssen, kein schlesisches Fürstenthum der Krone Böhmen zu entfremden.
II. Abtheilung. Historische Section. 47
Das Herzogthum Oppeln war besonders in der Urkunde erwähnt
worden.
Die dem Markgrafen sehr wohlgesinnte Königin Maria suchte ihn zu
entschädigen durch eine Verschreibung von 1000 Fl. jährlich auf die
Schweidnitzer Münze.
Aber der König ermannt sich im folgenden Jahre, nimmt selbst die
Zügel der Regierung in die Hand, die Partei des Oberstburggrafen wird
gestürzt, Herzog Karl von Münsterberg wird Landeshauptmann des
Königreichs und Stellvertreter des Königs. Der neue Landtag verleiht
dem Markgrafen Georg das Erbrecht auf seine Herzogthümer, der Mark-
graf erhält eine Abschrift des Landtafelbeschlusses in böhmischer Sprache
‘ und in deutscher Uebersetzung. Nun erlangt er Alles von seinem König.
Der König bestätigt von Neuem seine alten Rechte und die Verzichts-
urkunden der anderen Anwärter, verschreibt ihm vorläufig einen Jahres-
gehalt von 2000 Fl. aus dem königlichen Schatze. Dann ertheilt er ihm
die Erlaubniss, in Schlesien Lehen oder Eigengüter an sich und sein Haus
zu bringen. Tags darauf beglaubigt er noch einmal urkundlich, dass die
böhmischen Stände den Markgrafen Georg als schlesischen Fürsten an-
erkannt haben.
Georg hat nicht erst die günstige Entscheidung abgewartet. Der
Unermüdliche trägt sich schon lange mit dem Gedanken eines directen
Ankaufs eines schlesischen Fürstenthums. Er hört, dass die Herrschaft
Jägerndorf käuflich ist und er verhandelt zugleich für seinen Bruder
Kasimir mit den Besitzern, Georg von Schellenberg und seinen Söhnen.
Noch bevor der Kauf perfect wird, hat das Königspaar ihm schon
anderweitig die Möglichkeit verschafft, sich als einen Landsassen und
schlesischen Fürsten zeichnen zu dürfen. Der alte Herzog Johann wird
veranlasst, dem Markgrafen Schloss und Stadt Oderberg zu übergeben
und ihm zu gestatten, den Titel eines Herrn zu Ratibor zu führen. Am
14. Mai 1523 wird auch der Kaufvertrag über Jägerndorf-Leobschütz
abgeschlossen. Den Kaufschilling brachte er auf durch Verkauf
eines Theils seiner ungarischen Güter an den Ban von Croatien. Der
Kauf wird am 3. Juli durch den König bestätigt, von ihm noch ergänzt
dureh eine Schenkung der königlichen Herrschaft Freudenthal und der
Steuereinnahme in der Herrschaft Jägerndorf. Noch einmal macht sich
der Aerger der unterlegenen Partei Luft. Peter von Rosenberg, Lew
von RoZmital und ihr Anhang legen auf einer Separatconvention zu
Sellezanech Verwahrung ein gegen die letzten Beschlüsse des Landtags. Es
war vor der Hand ein Schlag ins Wasser. Jedenfalls war die Erbitterung
der gegnerischen Partei eine starke. Der König von Polen liess den
Markgrafen warnen, auf der Hut zu sein, da ihm seine Feinde nach dem
Leben trachteten. Er rieth ihm, in Verbindung mit Karl von Münsterberg
Mn. Jahresbericht der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur.
sich mit den Parteien zu vertragen. Insoweit der Rath den Münster-
berger anging, befolgte ihn Georg. Seit 1510 Wittwer und ohne Erben,
hatte er sich seit der Liegnitzer Erbverbrüderung wieder mit dem Ge-
danken einer neuen Heirath befreundet. Schon im Laufe des Jahres 1523
war er der Sache näher getreten; die Herzöge von Liegnitz und Oppeln
richteten seine Aufmerksamkeit auf eine der Töchter Karl’s von Münster-
berg, die damals erst 15jährige Hedwig. Nachdem er im Frühjahr 1524
den Besitz von Jägerndorf angetreten und im Herbst die Erweiterung
der alten Erbverträge auf seinen Bruder Kasimir und dessen Erben vom
Könige erlangt hatte, folgte er dem Rathe der befreundeten Fürsten und
begehrte die Tochter des Münsterbergers zum Weibe. Von dem mit
Glücksgütern nicht gesegneten Herzog wünschte er, wie die Ehepakten
sagen, weder Geld noch Gut, sondern Lieb’ und Freundschaft. König
Ludwig verlieh ihm bald nach der Hochzeit das Münzrecht für Schlesien,
Aber er stand nicht still, sein Sinn war weiter auf Befestigung und
Vermehrung des’ schlesischen Besitzes gerichtet. Einige Nachbargebiete
erregten sein Interesse, Gräfenberg, ferner Freistadt an der mährischen
Grenze wegen seines Weines; er gedachte es gegen seine ungarische
Besitzung Huniad einzutauschen. Endlich erhielt er auch noch die
Herrschaft Beuthen vom König auf 2 Leibeserben. Dann wiederum war
er mit dem Gedanken beschäftigt, die Prager Erbverbrüderung mit
Liegnitz nun zu erweitern, auf seiner Seite durch Aufnahme der in-
zwischen erworbenen Herrschaften Jägerndorf, auch der Herzog von
Liegnitz hatte inzwischen neue Fürstenthümer erworben, Steinau, Raudten
und Wohlau, ferner Herrnstadt und Rützen. Auch seine neuerworbenen
Lande suchte er einzurichten, den Bergbau, die Wasserkunst zu be-
fördern, erliess Verordnungen gegen die Vertheuerung der nothwendigen
Lebensmittel und suchte von den früheren Besitzern verpfändete Gebiete,
wie Leobschütz und Bauerwitz, wieder einzulösen.
Man darf wohl sagen, dass in dem Jahrhundert, welches
verflossen war, seitdem die Hohenzollern zu einer Macht-
stellung in Deutschland berufen worden, und auch noch
Jahrhunderte später das Haus Brandenburg niemals eine so
achtunggebietende Stellung besessen im Reiche Es ist
schon darauf hingewiesen worden, welches Gewicht die brandenburgischen
Stimmen bei der Kaiserwahl des Jahres 1519 in die Waagschale warfen.
Aber nicht bei der Kurlinie lag gerade die Stärke des Hauses.
Die traditionelle Politik der Hohenzollern im 16. Jahrhundert führte die
fränkische Linie. Während zwei Brüder, Kasimir und Johann, am
österreichischen und spanischen Hofe zu einflussreichen Stellungen em-
porgestiegen waren, hatte ein dritter eben dem Hause ein neues Terri-
torium gewonnen. Im Nordosten des Reiches hatte Albrecht der
Hochmeister sein Ordensland in ein Herzogthum verwandelt durch Hilfe
III. Abtheilung. Historische Section. 49
und Mitwirkung eben des Bruders, der als die Seele der gesammten
Hauspolitik der fränkischen Hohenzollern jener Tage zu betrachten ist.
Auf dem Ringe zu Krakau hatte Georg Namens seines Hauses die Mit-
belehnung für Preussen empfangen. Dieser Georg aber erfreute sich jetzt
mehr denn je der höchsten Gunst des Königspaares; durch innige
Familienbande mit allen schlesischen Fürsten verknüpft, hatte er in Er-
weiterung; der alten Erbverträge mit Oppeln, zuletzt durch Erbverbrüderung
das alte Piastenhaus von Liegnitz dauernd mit seinem Hause verbunden,
neue Herrschaften errungen. Während von Norden her die Kurlinie ihren
Einzug in das benachbarte Fürstenthum Glogau gehalten, rückte die
fränkische Linie jetzt von Süden her in Schlesien ein. Es war gar nicht
abzusehen, wann das ganze Herzogthum an die Hohenzollern fallen würde.
Der alte Herzog von Oppeln ging seinem Ende entgegen, Liegnitz und
Teschen ruhten auf zwei Augen, war noch Münsterberg, dessen Fürsten stets
bereit waren, wie die anderen kleinen Herren, ihr Land für Geld los-
zuschlagen. |
Georg stand auf der Höhe seiner Macht. Da traf ihn zuerst ein
Schlag, der vom eigenen Hause ausging. Die Kurlinie hatte an der
Machtentwickelung der fränkischen Hohenzollern keinen besonderen An-
theil genommen, jetzt war sie mächtig genug, sie in ihr Schicksal
hineinzuziehen. Auf dem Schlachtfelde von Pavia sank die franzosen-
freundliche Politik des Kurfürsten Joachim in Trümmer, Mehr denn je
war die niedergeschlagene Kurlinie zu einer Ohnmacht im Reiche ver-
urtheilt. Jetzt folgte Schlag auf Schlag. Der einflussreiche Markgraf
Johann, der den gefangenen König von Frankreich in seiner Residenz
Valeneia im Auftrage des Kaisers aufgenommen hatte, wurde wenige
Wochen darauf von einem tödtlichen Fieber hinweggerafft. Das folgende
Jahr verschlangen die Sümpfe von Mohäcs den zwanzigjährigen König
von Ungarn, Georg’s Rückhalt und Stütze. In Ungarn gelangte Georg’s
Todfeind, Johann Zäpolya, zur Regierung. Freilich erwarben sich die beiden
fränkischen Markgrafen Kasimir und Georg berechtigte Ansprüche auf Dank
von Oesterreich, als sie gegenüber anderen Throncandidaten, vornehmlich
dem jetzt den Brandenburgern sehr wohlgesinnten König von Polen, die
Wahl des Erzherzogs Ferdinand in Böhmen durchsetzten. Aber Dank
vom Hause Habsburg fanden auch die Hohenzollern nicht. Der Habs-
burger war doch nicht so gemüthvoll wie der Jagellone, auf so schöne
Landschaften in Schlesien ohne Weiteres zu verzichten und dabei Gefahr zu
laufen, dieMacht des brandenburgischen Hauses, das sich in seiner Kurlinie
eben noch so feindlich gezeigt hatte, zu einer unüberwindlichen Höhe zu
steigern. Noch bevor Ferdinand Gelegenheit fand, der schlesischen Frage
näher zu treten, wurde Georg der letzten Stütze beraubt, im Kampfe
für Ferdinand starb sein ältester Bruder Kasimir in Ungarn. Der Tod des
Bruders, der die geheimsten Fragen der Hauspolitik mit ihm ausgetauscht,
189. 4
3%
50 Jahresbericht der Schles. Gesellschaft fur vaterl. Cultur.
der die Verbindung mit der Kurlinie unterhalten und seiner Politik
einen wirksamen Rückhalt am österreichischen Hofe gegeben hat, war
am schwersten zu verwinden. Wohl stehen in der Politik Personen und
Zustände unter dem unmittelbaren Einfluss weltgeschichtlicher Katastrophen.
Aber schliesslich trägt doch Jeder selbst und in erster Reihe die Schuld
seines Schicksals. Dass die tragische Schuld des Hohenzollern
sein Idealismus gewesen, welcher der vom krassesten
Egoismus getragenen Interessenpolitik des österreichischen
Haues hat weichen müssen, wird uns die Persönlichkeit
Georg’s wohl sympathischer gestalten, die Schuld aber auch
mit historischer Unerbittlichkeit bei ihm selber suchen.
Es giebt wohl wenig Personen in der Geschichte, bei denen
historische und poetische Gerechtigkeit so zusammen-
fallen, wie bei diesem Hohenzollern.
Während Georg an den Grenzen des Reiches seine Hauspolitik be-
trieb, hatte sich in Deutschland jene weltgeschichtliche Entwickelung
vollzogen, die das deutsche Reich in zwei Heerlager getheilt und der
deutschen Politik seitdem ihre Signatur gegeben hat. Georg hatte daran
den lebendigsten Antheil genommen. Er war der erste Hohenzoller
gewesen, der Verbindungen mit Luther angeknüpft hat. Schon 1522
nimmt er seine Partei offen am böhmischen Hofe und redet ihn in einem
Briefe an als den „‚Hasser aller Lügen“. Er hat mit Luther den Gedanken
der Verwandlung des deutschen Ordenslandes in ein weltliches Herzog-
thum weiter entwickelt und verwirklicht. Als dann die ersten Verfolgungen
der Evangelischen ihrer Lehre wegen in Ungarn, Böhmen und Schlesien
ausbrachen, erwies er sich als ein fester Hort der Bedrängten. Seine
Ueberzeugung, verbunden mit seinem offenen geraden Wesen rissen ihn
weiter, brachten ihn in die engste Verbindung mit den evangelischen
Fürsten, mit deren Häusern schon alte Erbeinungen sein Haus verknüpf-
ten. Er unterzeichnet als einer der ersten die Protestation von Speier,
er führt die Reformation durch in seinen fränkischen und schlesischen
Landen, er erscheint auf dem Reichstag zu Augsburg mit dem vollen
Brustton eines ehrlichen Protestanten. Bekannt ist, wie er vor dem
erschreekten Kaiser Karl hinkniet, er wolle sich lieber den Kopf abhauen
lassen, als vom Evangelium weichen; und hier besteht sein Charakter
die Feuerprobe. Herrlich sind die herzlichen Briefe zu lesen, in denen ihn
seine junge Frau von Schlesien aus bestärkt, in seinem Glauben nicht
zu wanken. Die katholischen Stände des Reiches setzen ihm hart zu,
vornehmlich seine brandenburger Vettern, sie stellen ihm vor, man werde
ihn auch aus seinen fränkischen Heimathlanden jagen. ‚‚Ich muss es Gott
befehlen,“ war seine Antwort.
So trat denn ein, was unvermeidlich war. Georg kannte nur sein
Recht und seinen Glauben. Aber in den Fragen der grossen Politik
II. Abtheilung. Historische Section. dl
geben den Ausschlag ganz andere Momente. Was wollte es nützen,
dass er in einer ausführlichen Denkschrift, die er mit Beilage seiner Pri-
vilesien dem Druck übergab, alle Betheiligten noch einmal über seine
wohlerworbenen Rechte aufklärte. Das wohlverstandene Interesse des
Hauses Habsburg setzte dem Rechte die Gewalt entgegen und wusste
sich dabei sehr gut durch die angeblichen Rechte der Krone Böhmen
zu decken. Schon auf dem Prager Tage von 1528 hatte Ferdinand den
alten Herzog von Oppeln gezwungen, seinen Erbvertrag mit dem Branden-
burger zu widerrufen. Nur die grosse Noth, in der er sich Zäpolya
gegenüber in Ungarn befand, und die Furcht vor einer Verbindung seines
Gegners mit Ständen des Reiches, veranlassten ihn, dem Hohenzollern
einen halben Vergleich anzubieten.
Noch einmal zu Prag, am 17. Juni 1531, musste Georg erscheinen
Hier wurde der Friede geschlossen. Dem Markgrafen wurde nur als
rechtmässig zuerkannt eine Summe von 183333 Gulden, die auf die
Herzogthümer Oppeln-Ratibor verschrieben ward. Bis zur Abzahlung
derselben sollte Georg die Herzogthümer als Pfandbesitz erhalten, ferner
Oderberg für 3, Beuthen für 2 männliche Leibeserben; das Recht auf
Jägerndorf blieb unangetastet. Bald darauf sank der greise Fürst von
Oppeln ins Grab (1532 März 27).
Aber die weltbezwingenden Ideen haben sich niemals in der Geschichte
mit Gewalt unterdrücken lassen. Der Hohenzoller ruhte nicht. Soviel
sah er ein, dass unter dem Druck der Verhältnisse für ihn und die
fränkische Linie seines Hauses die beengende österreichische Politik
keinen Raum mehr freiliess,
Noch war ja die Erbverbrüderung mit Liegnitz vorhanden, eine Be
stätigung derselben von Ferdinand war jetzt nicht zu erlangen. So sann
er denn mit seinem Schwager Friedrich, wie er derselben auf anderem
Wege Geltung verschaffen könnte. Beiden lag jetzt mehr noch als
früher daran, ihre Lande an gesinnungsverwandte Fürsten fallen zu sehen.
Da bot der Tod des Kurfürsten Joachim I. (1535) Anlass zu Anknüpfungen
mit der Kurlinie. Joachim II. und sein Bruder Hans waren der neuen Lehre
zugethan. Der Markgraf trieb nunmehr die Verhandlungen unermüdlich.
Auf einem Familientage zu Frankfurt a./O. (1536) kam man überein, die
Erbverbrüderung auf die Kurlinie zu übertragen. Das Jahr darauf wurde
sie abgeschlossen. Eine Doppelhochzeit verband das Kurhaus Branden-
burg mit den Piasten von Liegnitz,. Ein neuer Gewaltact Ferdinands
(1546) erklärte auch diesen Vertrag für ungiltig, aber die Kurlinie hat
ihre Verträge niemals herausgegeben, ihre Giltigkeit niemals bestritten.
Der Markgraf Georg erlebte die Cassation nicht mehr, er starb am
27. December 1543.
Wofür er gekämpft und gerungen, ist nicht ohne Werth geblieben
für den Aufbau des grossen „preussischen Reiches deutscher Nation“,
52 | Jahresbericht der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur.
Dafür sorgten schon die Habsburger selber, welche die brandenburgische
Herrschaft in Jägerndorf wiederum durch Gewalt 1623 beseitigten,
gerade ein Jahrhundert nach ihrer Begründung, beim Aussterben der
Piasten in Liegnitz 1675 die Lande einzogen und die späteren Hohen-
zollern schnöde hintergingen. Dafür sorgten aber auch die kräftigen
Hohenzollern, welche den Antagonismus gegen Oesterreich vom Markgrafen
als sein politisches Testament empfingen im Verein mit der hehren Mission,
Vorort zu sein im Kampfe für die Freiheit der Lehre und des Glaubens.
Dies Testament haben sie kthn im Auge behalten und auf diesen
Grundpfeilern des modernen Staates das neue deutsche Reich erstehen
lassen.
— 4
sehlesische Gesellschait für vaterländische Cultur.
Zeyps ae)
73. II. Abtheilung.
Jahresbericht. Geschichte u.Staatswissenschaften.
1895. b.Staatswissenschaftliehe Section.
SEEN are 8°)
Sitzungen der Section für Staats- und Rechtswissenschaft
im Jahre 1895.
In der ersten Sitzung, welche am 9. Januar unter dem Vorsitz
des Professors Dr. Elster in der Alten Börse stattfand, sprach Herr
Bergrath Gothein, Syndicus der Breslauer Handelskammer, über
Die Productionsverhältnisse der Edelmetalle.
Der Vortragende behandelte zuerst unter Polemik gegen den Wiener
Geologen Süss die Zukunft des Goldes; die starke Zunahme der Gold-
production in den letzten Jahrzehnten widerspreche der Behauptung, dass
das Gold sich wegen seiner Seltenheit nicht als Währungsmetall eigne.
Wenn Süss von einer allmählichen Ersehöpfung der Goldvorräthe spreche,
so sei das nur bezüglich des Waschgoldes richtig. Da dies meist ober-
_ flächlich gelagert in alten Flussbetten gefunden werde, sei die Gewinnung
leicht, mithin der Abbau schnell, doch dürfte eine genauere geologische
Erforschung der Erde auch noch viele Goldseifen ergeben. Die Wasch-
gold-Produetion, welche nur noch einige 20 pCt. der gesammten Pro-
duetion betrage, falle nieht mehr wesentlich ins Gewicht. Das Berggold
nehme vielmehr die bedeutendste Stelle ein, und sowohl die zahlreichen
grossen Funde der letzten Jahrzehnte, wie die stelig fortschreitende
Technik, welche einen immer tieferen Abbau ermögliche, liessen kaum
die Besorgniss für eine absehbare Erschöpfung der Goldlagerstätten zu.
Was die Zukunft des $Silbers anlange, so sei — wenn nicht ein
Steigen des Silberpreises eintrete — wohl der Höhepunkt als erreicht
anzusehen, da die Gewinnung in den Hauptsilberdistrieten Nordamerikas
(Nevada, Montana) kostspieliger zu werden beginne. Das Schwanken
des Silberpreises störe zwar den internationalen Verkehr in weitem Um-
fange, und die nach Silberländern exportirenden Staaten würden durch
das Fallen des Silberpreises empfindlich geschädigt, aber dieses Fallen
habe doch eine Grenze, da das $Silberangebot durch Einstellung zahl-
reicher Werke abnehme. Andererseits würde auch jede erhebliche
Steigerung des Silberpreises eine Wiederaufnahme eingestellter Werke
und damit einen neuen Preisdruck zur Folge haben. — Schliesslich sei
der Begriff: „ausreichend‘‘ als Währungsmetall ein sehr dehnbarer; die
1895, ı
Ryan Jahresbericht der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur.
e
Frage, ob das Gold ais Währungsmetall der gesammten Erde ausreichen
werde, sei allerdings für absehbare Zeiten zu verneinen, weshalb man
eben die Währungsverschiedenheit als eine unvermeidliche Nothwendig-
keit hinnehmen müsse. Eine Aenderung unserer gegenwärtigen Währungs-
verhältnisse sei im Uebrigen nieht zu empfehlen. —
In der zweiten Sitzung am 11. März hielt Herr Rechtsanwalt
Dr. Neisser einen Vortrag über |
die Reform der Unfallversicherung.
Nach kurzer historischer Einleitung und prineipieller Würdigung
der der Arbeiterversicherungsgeseizgebung zu Grunde liegenden Gedanken,
ging der Vortragende zunächst auf den im vergangenen Sommer im
„Reichsanzeiger“ veröffentlichten „Entwurf eines Gesetzes, betreffend
Abänderung der Unfallversicherungsgesetze“ ein. Die grundsätzlichen
Neuerungen, die dieser Entwurf bringt, beträfen zunächst die Voraus-
setzungen der Versicherung. Der Begriff des Betriebsunfalles habe in
der Praxis zu unzähligen Streitigkeiten und Zweifeln Anlass gegeben.
Es sei deshalb gerechtfertigt, dass der Entwurf wenigstens in einem
Punkte Wandel schaffen wolle, indem er die häuslichen und persönlichen
Dienste, zu denen der Arbeiter neben seiner Beschäftigung im Betriebe
von seinem Arbeitgeber herangezogen werde, in die Unfallversicherung
einbezieht. Indessen sei diese Erweiterung nicht ausreichend, wie Redner
des näheren darlegt. Im Anschluss hieran geht derselbe auf die Frage
ein, ob es socialpolitisch richtig sei, dass die Versicherungsgesetzgebung
bei dem engen Begriffe des „Unfalles‘“ im engeren Sinne stehen bleibe,
ob nieht vielmehr auch solche, die durch sogenannte Betriebskrankheiten
arbeitsunfähig geworden, Anspruch auf Fürsorge erheben könnten. Redner
hält es für unerlässlich, dieser grossen Frage ungeachtet der nicht zu
verkennenden Schwierigkeiten gesetzgeberisch näher zu treten. Bezüg-
lich des Personenkreises der Versicherten billigt der Vortragende die
Einbeziehung der Enkel und die Erleichterung der Erlangung von Ascen-
dentenrente, wogegen er die Einbeziehung der Geschwister für bedenk-
lich erachtet und die vom Entwurfe vorgeschlagene Verkürzung der
jugendlichen Verletzten durchaus missbilligt. Völlig ungangbar ist der
Weg, der zwecks Ausfüllung der Lücke zwischen Abschluss des Heil-
verfahrens und Ablauf der dreizehnten Woche vom Entwurfe eingeschlagen
sei. Denn die diesbezügliche Vorschrift des Entwurfes, nach welchem
die Krankenkassen berechtigt seien, solchen Verletzten, bei denen schon
vor Ablauf der dreizehnten Woche das Heilverfahren abgeschlossen,
Erwerbsunfähigkeit aber zurückgeblieben sei, eine der Hälfte des orts-
üblichen Tagelohnes entsprechende Rente auf Kosten der Berufsgenossen- ,
schaften vorschussweise zu gewähren, muss zu einem fortwährenden
Kriege zwischen Krankenkassen und Berufsgenossenschaften führen und
II. Abtheilung. Staatswissenschaftliche Section. 3
die Arbeiter zur Einlegung von unbegründeten Berufungen geradezu
provociren. Eine maasslose Vermehrung der Berufungen würde auch die
weitere Bestimmung des Entwurfs zur Folge haben, nach welcher Rechts-
mitteln gegen Abänderungsbescheide gemäss $ 65 U.-V.-G. eine auf-
schiebende Kraft beigelegt werden solle. Ueberhaupt habe der Entwurf
bei der Umgestaltung des Verfahrens keine glückliche Hand gehabt.
Weder die Verkümmerung des Reeurses zur Revision, noch die
Verkleinerung der Schiedsgerichte, noch endlich die Einführung der
mündlichen eontradietorischen Verhandlung vor den Feststellungsorganen
der Genossenschaft seien glückliche Griffe. Insbesondere werde die
letztere nur dem Winkeleonsulententhum Vorschub leisten. Im Ganzen
. und Grossen, so resumirte der Vortragende sein Urtheil, bedeute der
Entwurf keinen nennenswerthen legislatorischen Fortschritt, er enthalte
im Einzelnen manche dankenswerthe Neuerungen, verrathe aber an an-
deren erheblichen Punkten Unbekanntschaft mit dem Gang und den
Bedürfnissen der Praxis. — Bezüglich des zweiten der im Sommer ver-
öffentlichten Entwürfe, des Entwurfes eines Gesetzes, betreffend Er-
weiterung der Unfallversicherung, welcher durch Einbeziehung aller noch
nicht versicherten Betriebsklassen die Krönung des Gebäudes der Unfall-
versicherung darstellen solle, schloss sich der Verfasser dem allgemeinen
Urtheil, welches eine strengere Prüfung der Bedürfnissfrage, als sie die
Motive vornehmen, verlangt, im Ganzen an. Die Einbeziehung eines
grossen Theiles der Handwerker, insbesondere der Bauhandwerker, er-
achtet auch er für unerlässlich, die Ausdehnung auf das Handelsgewerbe
für überflüssig und schädlich. An der Hand der Schweizer Unfallstatistik
erörterte er die Frage der von dem Entwurfe abgelehnten Einbeziehung
der Dienstboten in die Unfallversicherung, die er für nothwendig er-
achtet. Die von dem Entwurfe intendirte territoriale Organisation der
neu der Unfallversicherung hinzutretenden Bevölkerungskreise hält er für
eine unnütze weitere Complication des Ganzen der Versicherungsgesetz-
gebung. Er empfiehlt, soweit dies irgend thunlich, Angliederung an
bestehende oder Schaffung neuer Berufsgenossenschaften, die er für viel
tauglieher zur Verwaltung der Unfallversicherung erachtet, als bureau-
kratische, territoriale Gebilde. Damit geht der Vortragende über zu
einer erschöpfenden Erörterung der Frage, ob und inwieweit das in der
Litteratur und in der öffentlichen Discussion häufig und mit steigendem
Eifer ausgesprochene Verlangen nach Centralisation und Vereinfachung
der gesammten Socialversicherung begründet sei. Während er Verein-
fachungen innerhalb der einzelnen Zweige für wünschenswerth erachtet,
perhorreseirt er den Gedanken einer Verschmelzung der Versicherungs-
zweige selbst. Weder eine Risicogemeinschaft der Krankenkassen mit
den grösseren Versicherungsverbänden, noch eine Verkuppelung von
Unfall- und Invaliditätsversicherung erscheine angezeigt. Die letzteren
I z Jahresbericht der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur.
beiden Versicherungsarten beruhten auf durchaus verschiedenen social-
politischen Grundgedanken. Eırstere sei collectivistisch, letztere indivi-
dualistisch konstruirtt. Wolle man beide verschmelzen, so müsste man
bei der Invaliditätsversicherung mit dem Prineip der Aequivalenz von
Leistung und Gegenleistung brechen, man müsste ohne Rücksicht auf
Beitragsleistung und Dauer der Zugehörigkeit Normal-Invalidenrenten
in der Höhe der Unfallrenten gewähren, wodurch unberechenbare Mehr-
kosten entstehen müssten, von denen es zweifelhaft sei, ob sie nicht
nutzbringender für andere socialpolitische Zwecke, wie etwa die Ver-
sicherung gegen Arbeitslosigkeit, aufgewendet werden könnten. Aber
auch organisatorische Bedenken schwerster Art ständen der Verschmel-
zung im Wege. Da man nicht alle Betriebe berufsgenossenschaftlich
organisiren könne, so bliebe nur der entgegengesetzte Weg, die Berufs-
genossenschaften überhaupt zu beseitigen. Dieser Weg sei für eine
verständige Gesetzgebung nicht gangbar, denn die Berufsgenossenschaften
hätten sich durchaus bewährt. Der Vortragende bekämpft an der Hand
der Statistik und durch Vergleichung mit den Ergebnissen der öster-
reichischen Unfallversicherung und der Privatversicherungsinstitute die
oft widerlegte, aber immer wieder nachgesprochene Legende von der
kostspieligen berufsgenossenschaftlichen Verwaltung und geht auf die
Leistungen der Berufsgenossenschaften, insbesondere auf dem Gebiete
des intensiven Heilverfahrens und der Unfallverhütung, näher ein. Er
sucht darzulegen, dass solche Leistungen von einer bureaukratischen
Verwaltung nicht zu erwarten stünden. Nirgends sei die Herrschaft der
Schablone so wenig an dem Platze, wie auf dem Gebiete der Unfall-
versicherung. Da überdies die einzigen Kreise, welche wirklich Anlass
zur Beschwerde über die gegenwärtige Organisation hätten, weil sie ihnen
schwere persönliche und finanzielle Lasten auferlegt, die .Betriebsunter-
nehmer sich mit Einmüthigkeit und Entschiedenheit gegen die Beseiti-
gung der berufsgenossenschaftlichen Selbstverwaltung wehren, so habe
man gewiss keinen Anlass, uferlosen Centralisationsprojeeten näher zu
treten. Socialpolitische Aufgaben enthielten auch ‘technische Probleme
und könnten deshalb zweckentsprechend nur gelöst werden durch An-
wendung der Maxime, der alle technischen Errungenschaften verdankt
seien, der Maxime der Arbeitstheilung. Man solle nicht die gesunde
Entwickelung der einzelnen Aeste der Arbeiterversicherung dadurch stören,
dass man sie künstlich aufeinanderpfropfe, dass man den einen Ast zwinge,
sich den abweichenden Entwickelungsbedingungen des anderen anzupassen.
Dann erst, wenn der Beharrungszustand erreicht, wenn man im Stande
sein wird, die wirthschaftlichen Folgen der Socialversicherung vollständig
zu überschauen — dann erst wird es Zeit sein, dem Gedanken der Ein- .
heitsversicherung näher zu treten. Verfrühte Einheitsgelüste könnten nur
schädlich wirken. Nur die Einfachheit sei von Werth, aus der das
-
III. Abtheilung. Staatswissenschaftliche Section. 5
Mannigfache wirklich hervorgehe, sehr vom Uebel die andere, die nur
gelte, wenn man die Thatsachen einfacher zuschneide als sie sind. —
An den Vortrag knüpfte sich eine anregende Debatte, die besonders die
Frage der Einbeziehung der Betriebskrankheiten zum Gegenstand hatte.
In der dritten Sitzung am 4. December unter dem Vorsitz des
Staatsanwalts Dr. Keil hielt Professor Dr. Elster einen Vortrag über
die Versicherung gegen Arbeitslosigkeit.
Der Vortragende ging einleitend auf die mancherlei Maassnahmen
ein, welche zu einer Verringerung und einer Abnahme der Arbeitslosig-
keit zu führen geeignet seien, wie z. B, in erster Linie auf den weiteren
Ausbau der Arbeiterschutzgesetzgebung, auf die innere Kolonisation,
dann auf die Schaffung von Asylen für Obdachlose u. a. m., wobei es
sich vielfach jedoch nur um Einrichtungen handele, durch welche das
äusserlich Unangenehme der Arbeitslosigkeit der Gesellschaft aus den
Augen gerückt werde. Weiter seien auch zweifellos die Arbeits-
Vermittelung und der Arbeitsnachweis von grosser Bedeutung; doch,
wenn auch alle diese Bestrebungen in vortrefflichster Weise glückten,
und die Arbeitslosigkeit wirklich abnehme, aus der Welt geschafft
werde sie dadurch nicht; gewisse Ursachen, aus denen sie entstehe,
blieben weiter wirksam. Frage man nun nach diesen Ursachen, so
müsse man — abgesehen von den durch Tod des Unternehmers,
Fabrikbrände etc. hervorgerufenen Arbeitsstörungen — vor allem
auf die Schwankungen im Arbeitsbedarf bei der Saisonindustrie (Bau-
gewerbe, Buchdruckergewerbe u. a. m.) hinweisen, welche viel grösser
seien, als man gemeiniglich annehme. Unsere Kenntniss von dem
Umfange der Arbeitslosigkeit sei zwar in Folge des Mangels an einer
zuverlässigen Statistik leider nur gering, Bei der Berufszählung im
Juni d. J., und auch bei der jüngsten Volkszählung habe man allerdings
die Arbeitslosen mitgezählt, doch seien dies gewissermaassen nur Moment-
aufnahmen von dem augenblicklichen Zustande, wie er im Juni und im
December herrschte; für später seien diese Zählungen möglichenfalls
von Nutzen, für jetzt aber kämen sie noch nicht in Betracht, da ihre
Ergebnisse noch nicht bekannt seien. Wiehtiger sei die bez. Statistik_
der gewerkschaftlichen Verbände, In Bezug auf die Frage, was
man bisher zur Versicherung der Arbeitslosen gethan habe, wies
Redner hin auf die Thätigkeit der Hirsch - Duncker’schen Gewerk-
vereine und der socialdemokratischen Gewerkschaften. Auch andere
Verbände ete. hätten neuerdings Versuche angestellt. Besondere Be-
achtung verdienten die neuesten schweizerischen Maassnahmen (Bern,
St. Gallen, Basel-Stadt). Mit der freiwilligen Versicherung könne man,
so suchte der Vortragende des Näheren darzulegen, jedoch Befriedigendes
6 Jahresbericht der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur.
nicht erreichen. England, wo man besonders den Grundsatz der Selbst-
hilfe vertrete, habe von seinen acht Millionen Arbeitern nur °/, Millionen
versicher!! Man dürfe. auch nicht unbeachtet lassen, dass in den
Gewerkvereinen und Gewerkschaften nicht einmal die eigentliche Fabrik-
industrie, sondern mehr als das alte Handwerk vertreten sei. Es bliebe
also als weitere Methode die Zwangsversicherung zu berücksichtigen.
Doch auch hier stellten sich zwei schwer überwindliche Schwierigkeiten
in den Weg. Wie wolle man zunächst jedesmal feststellen, ob un-
verschuldete Arbeitslosigkeit vorliege? Denn nur solche könne doch bei
der Versicherung in Betracht kommen. Dies sei ausserordentlich schwer.
Wie solle man sich z. B. bei Arbeitslosigkeit in Folge von Arbeitsein-
stellung verhalten? Im Falle eines Strikes sei es in sehr vielen Fällen
unmöglich, festzustellen, wo die Schuld liege. Zahle man dann prineipiell
die Versicherungsgelder aus, so stelle man sich — vielleicht unberechtigt —
auf Seiten der Arbeiter, zahle man sie nicht aus, wie z. Z. in dem Ge-
setzentwurf für Basel-Stadt geplant sei, so nehme man für die Arbeitgeber
gegen die Arbeitnehmer Stellung. Die zweite Schwierigkeit sei die, dass
der Zwang zur Annahme nachgewiesener Arbeit sich wohl bei Gewerk-
vereinen durchführen lasse, schwerlich aber bei grossen umfassenden
Arbeitsversicherungen, weil diese aus den verschiedensten Kategorien
von Arbeitern bestehen. Er, Redner, müsse aus diesen Gründen auch
die eigentliche Zwangsversicherung in grossem Maassstabe für undurch-
führbar erklären, während er dagegen hinweisen wolle auf ein Project
von Schanz-Würzburg. Schanz wolle zwar auch einen Zwang, aber nicht
den Versicherungszwang, sondern den individuellen Sparzwang,
derart, dass der Arbeitnehmer in der Regel 20 Pf. wöchentlich, der
Arbeitgeber 10 Pf, zahle. Dieses Sparguthaben, welches einer Sparkasse
zu überweisen sei, bleibe des Arbeiters Eigenthum, aber gesperrt, bis
es die Höhe von 100 Mark erreicht habe. Was über 100 Mark gespart
werde, unterstehe der freien Verfügung des Arbeiters; im Falle von
Arbeitslosigkeit höre die Sperrung auf, und zwar solle der Arbeiter,
wenn sein Guthaben unter 70 Mark beträgt, wöchentlich 5 Mark, wenn
es zwischen 70 und 100 Mark beträgt, wöchentlich 7 Mark, und wenn
es 100 Mark erreicht hat, wöchentlich 8 Mark entnehmen können. Prof.
Elster meinte, dass dieses Project viel Verlockendes habe, weil es die
verschuldete Arbeitslosigkeit (Strike) von der unverschuldeten nicht unter-
scheide und auch der individuellen Freiheit grösseren Spielraum lasse,
als die Zwangsversicherung. Doch sei es nicht zureichend, weil im
Jahre nur etwa 15 Mark gespart würden, die Höchstsumme von 100 Mark
‚also erst in 6 bis 7 Jahren erreicht würde. Mit dem individuellen
Sparen könne man demnach allein nicht auskommen; daher sei das
Hinzutreten von Unterstützungsgeldern aus dazu bereitliegenden Staats-
fonds zu jener Sparsumme unbedingt erforderlieh. Die ganze Organi-
II. Abtheilung. Staatswissenschaftliche Section. 7
sation, die Redner des Näheren darlegt, lasse sich zweckmässig mit
Hilfe der Post (Postsparkassen) durchführen. An die Ausführungen des
Redners schloss sich eine lebhafte und längere Discussion an, an der
sich ausser dem Vortragenden der Generaldireetor Dr. Rüdiger, Director
Dr. Neefe, Staatsanwalt Dr. Keil, Redacteur Witschewsky, Rechts-
anwalt Dr. Neisser u. a. m. betheiligten.
Für die Mitglieder der Section ist ein besonderer staats- und rechts-
wissenschaftlicher Lesezirkel begründet worden. In Umlauf kamen im
Jahre 1895 folgende Zeitschriften und Bücher:
1. Jahrbücher für Nationalökonomie und Statistik.
2. Jahrbuch für Gesetzgebung, Verwaltung und Volkswirthschaft im
Deutschen Reiche.
Zeitschrift für Social- und Wirthschaftsgeschichte.
Zeitschrift für die gesammte Staatswissenschaft.
Archiv für sociale Gesetzgebung und Statistik.
Archiv für öffentliches Recht.
Zeitschrift für die gesammte Strafrechtswissenschaft.
Preussische Jahrbücher.
Bayerische Handelszeitung (Beilage zur Münchener „Allgemeinen
Zeitung“).
10. Handwörterbuch der Staatswissenschaften. 1. Ergänzungsband,
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sehlesische Gesellschaft für vaterländische Gultur.
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73.
Jahresbericht. Nekrologe.
1895.
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Nekrologe auf die im Jahre 1895 verstorbenen Mitglieder
der Schlesischen Gesellschaft für vaterl. Cultur.
rriedrich Oskar Otto Beck, Kaufmann und Königlicher Lotterie-
Colleeteur zu Breslau, wurde am 23. December 1823 zu Potsdam als
Sohn des dortigen Kaufmannes Carl Beck und dessen Ehefrau Karo-
line, geb. Grieben, geboren. Er besuchte die dortige Realschule und
erledigte auch daselbst seine kaufmännische Lehrzeit. Im Jahre 1848
kam er nach Breslau und zwar zuerst als Agent, dann aber errichtete
er unter der Firma Beck u. Ziekursch ein kaufmännisches Geschäft,
das nach Austritt des Theilhabers seit 1884 unter der Firma Beck u.
Sohn bis heut fortgeführt wurde. Seine kaufmännische Begabung, sein
rastloser Fleiss und seine liebenswürdigen persönlichen Eigenschaften,
verbunden mit dem Glücke, das alle seine Unternehmungen begleitete,
stellten die Firma bald in die erste Reihe der Breslauer Handelswelt.
infolgedessen erhielt er 1876 die Königliche Lotterie-Collecte und bei
Einrichtung der Handelskammer wurde er als Handelsrichter bestellt;
auch wurde ihm beim Scheiden aus diesem Ehrenamte für seine Ver-
dienste der Rothe Adlerorden IV. Klasse verliehen. Der Breslauer
Stadtverordneten-Versammlung gehörte er längere Zeit als Mitglied an,
auch war er Schatzmeister des Taubstummen-Instituts und Vorstands-
mitglied des Zoologischen Gartens. Hier in Breslau verheirathete er
er sich 1854 mit seiner ersten Gemahlin Sophie, geb. Schreiber, und
als diese, die ihm zwei Kinder geschenkt hatte, 1864 starb, vermählte
er sich 1866 mit der jüngsten Schwester derselben, Lydia, geb. Schreiber,
die ihn mit drei Kindern beschenkte. Er starb am 9. Januar 1895 nach
nur kurzer Krankheit am Gehirnschlage und wurde auf dem Friedhofe
von St. Maria-Magdalena begraben. Seit 1880 hai der Verstorbene der
Schlesischen Gesellschaft als wirkliches Mitglied angehört.
Dr. med. Carl Oito Becker, praktischer Arzt in Liegnitz, wurde
am 21. August 1854 zu Liegnitz geboren. Er war der Sohn des bereits
im Jahre 1856 verstorbenen Predigtamts-Candidaten Otto Becker aus
Nieolstadt und dessen Ehefrau Louise, geb. Lange. Seine Schulbildung
1895, "a
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2 Jahresbericht der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur.
erhielt er auf dem städtischen Gymnasium zu Liegnitz, das er mit dem
Reifezeugniss cum laude verliess, um zuerst in Tübingen, dann in Breslau
Mediein zu studiren. In Breslau promovirte er als Dr. med. auf Grund
seiner Dissertation „„Zur Aetiologie des Unterleibs-Typhus.“ Becker war
ein begeisterter Student und gehörte der Burschenschaft Arminia an.
Nach gut bestandener Staatsprüfung genügte er seiner Militärpflicht als
Militärarzt beim Königs-Grenadier-Regimente zu Liegnitz und wurde
später zum Stabsarzte ernannt. Im Jahre 1880 liess er sich in Liegnitz
als Arzt nieder, erfreute sich bald einer grossen Praxis und bekleidete
unter anderen Ehrenämtern auch das eines Stadtverordneten. In erster
Ehe, der fünf Kinder entstammen, war er mit Käthe Jarmer, in zweiter
Ehe mit Else Siemon, Tochter des zu Liegnitz verstorbenen Justizraths
Simon, verheirathet. Er starb am 10. Mai 1895, tief betrauert von
seiner Wittwe und seinen sieben unmündisen Kindern. Unserer Ge-
sellschaft hat der Verstorbene seit 1886 als auswärtiges Mitglied
angehört.
Johann Andreas Bock, Apotheker und Fabrikbesitzer zu Breslau,
wurde am 30. November 1806 zu Bielitz in Oesterreich-Schlesien als
der Sohn des dortigen Tuchfabrikanten Johann Bock und dessen Ehe-,
frau Anna Eleonore, geb. Krischke, geboren. Von 1812—1819 be-
suchte er die dortige Stadtschule. Darauf wurde er wegen Kränklichkeit
von den Eltern zum Pastor Kupferschmied in dem nahegelegenen Dorfe
Weichsel in Pension gegeben, der auch die weitere Ausbildung leitete.
Die Frucht des dortigen zweijährigen Aufenthaltes war neben der
Kräftigung des Körpers eine tief sittliche, ernste, religiöse Lebens-
auffassung, und unerschütterliches Gottvertrauen, das ihn in allen Lagen
seines reich bewegten Lebens immer begleitet hat. Schon Ende des
Jahres 1819 starben ihm beide Eltern. Der verwaiste Knabe wurde
Östern 1821 von seinem Onkel, dem Kaufmann Friedrich Gottlieb
Krischke in Breslau, welcher seiner Zeit die Hospital-Apotheke der
Stadt-Breslau geschenkt hat, als Pflegesohn angenommen. Als der Pflege-
vater nach einigen Jahren starb, sorgte dessen Wittwe für die weitere
Ausbildung des jungen Bock. Derselbe trat am 15. April 1822 als Lehr-
ling in die hiesige Hospital-Apotheke ein und conditionirte daselbst noch
von Ostern 1827—1328 als Apothekergehilfe. Darauf besuchte er 1328
bis 1829 das pharmaceutische Institut der Universität Jena. Von 1829
bis 1831 eonditionirte und studirte er in Berlin, wo er auch das Staats-
examen als Apotheker erster Klasse mit den besten Zeugnissen bestand.
Nachdem er kurze Zeit in Bernburg als Gehilfe thätig war, kehrte er,
im Jahre 1832 nach Breslau zurück, um wieder als Gehilfe in die
Hospital-Apotheke einzutreten, deren Verwaltung er später leitete, bis
er im Jahre 1839 die Apotheke auf dem Hintermarkte in Breslau käuflich
Nekrologe. 3
erwarb. Infolge schwerer Erkrankung verkaufte er dieselbe im Jahre
1844. Durch einen Aufenthalt in Karlsbad völlig hergestellt, erwarb er
im Oktober 1845 eine Apotheke in Berlin, die er jedoch sehon im April
1846 wieder verkaufte, um nach Eichberg im Kreise Schönau über-
zusiedeln, wo er als Miteigenthümer der dortigen Papierfabrik thätig
war. Im September 1852 kehrte er nach Breslau zurück, wo er bis
zu seinem Tode bleibenden Wohnsitz nahm. Im Jahre 1853 wurde er
Theilnehmer der Papierfabrik des Herrn Stadtrath von Korn, mit dem
er sich zu einer offenen Handelsgesellschaft unter der Firma Korn u.
Bock vereinigte. Aus dieser Verbindung schied er erst 1892, obgleich
er infolge Krankheit sich schon längere Zeit nicht mehr thätig be-
- theiligen konnte. Mit regstem Interesse und wärmster Theilnahme wid-
mete er sich während der in Breslau durchlebten Decennien allen öffent-
lichen Angelegenheiten. Er bekleidete zahlreiche Ehrenämter, war über
25 Jahre Mitglied der Stadtverordneten-Versammlung, Mit-Curator der
städtischen höheren Mädchenschule und der Hospital-Apotheke, ausserdem
war er als Kirchenrath thätig.. Die vortrefflichsten Eigenschaften ver-
einigten sich in seiner Person. Tief sittlicher Ernst und grösste Pflicht-
treue waren bei ihm mit der Fähigkeit eines edlen Lebensgenusses
und einer Lebensfreudigkeit verbunden, die er sich in jeder Lebenslage
bis in sein hohes Alter bewahrte. Seine stete Zufriedenheit und sein
festes Gottvertrauen liessen ihn auch die schweren Schicksalsschläge,
als ihm seine theuersten und liebsten Angehörigen frühzeitig in den
Tod vorangingen, mit Ergebenheit und demüthigem Sinne ertragen.
Er starb gottergeben am 2. März 1595. Der Schlesischen Gesellschaft
hat der Verstorbene bereits seit 1854 als wirkliches Mitglied angehört.
Dr. med. Jacob Gottstein, Professor an der Universität Breslau,
wurde am 7. November 1832 als Sohn des Kürschnermeisters Joel Gott-
stein zu Lissa i. P. geboren. Mit zwölf Jahren kam er auf das König-
liche katholische Matthiassymnasium in Breslau, welches er 1853 mit
dem Zeugniss der Reife verliess. Er studirte darauf an der Breslauer
Universität Mediein und löste als Student die Preisaufgabe „De Bichatii
vi historica.“ Nach absolvirtem Staatsexamen liess er sich als praktischer
Arzt in Breslau nieder, wandte sich aber bald dem speciellen Studium
der Kehlkopf- und Ohrenkrankheiten zu. Er nahm als Arzt an den Feld-
zügen von 1866 und 1870 Theil und habilitirte sich 1872 als Privat-
docent der medieinischen Facultät an der Universität Breslau, doch erst
1838 erhielt er den Titel eines Universitätsprofessors. Er starb am
10. Januar 1895 in Breslau. Der Schlesischen Gesellschaft hat der Ver-
storbene seit 1866 angehört und in den Jahresberichten finden sich
Referate über folgende von Gottstein in der medicinischen Section ge-
haltene Vorträge;
1*
EN Jahresbericht der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur.
Eine von ihm ausgeführte Exstirpalion von 7 Kehlkopfpolypen. 43, Jahresb.
(1865) S. 151 u. 152.
Ein Kranker, der an einem Kehlkopfpolypen leidet. 44. J. (1866) |
Sals2} |
Kehlkopfabseesse und ein von ihm behandelter Fall. 44. J. (1866)
S. 182 u. 183.
Ein von ihm laryngoskopisch beobachteter Fall von häutiger Bräune.
45. J. (1867) 8. 181.
Pathologische Beiträge zur Helmholtz’schen Hypothese von den Ton-
empfindungen. 46. J. (1868) S. 201—203.
Eine von ihm ausgeführte Operation eines Kehlkopfpolypen bei einem
4jährigen Knaben. 46. J. (1868) S. 207.
Vorlegung eines bei einem Kinde von 1'/, Jahren entfernten Sequesters.
58. J. (1880) p. 21.
Gottstein zählte zu den ersen Vertretern seines Faches. Sein Lehr-
buch der Kehlkopfkrankheiten, das vier Auflagen erlebte und ins
Französische, Englische und Russische übersetzt wurde, ist allgemein
als das Beste seiner Art anerkannt worden. Er war Mitarbeiter an der |
Zeitschrift für Ohrenheilkunde von Moos. Seine Publikationen erschienen
hauptsächlich in medieinischen Zeitschriften und in einem von Herrn
Dr. Richard Kayser für diesen Nekrolog zusammengestellten Verzeich-
nisse werden folgende Arbeiten des Verstorbenen aufgeführt:
1. Ueber intralaryngale Löslichkeit von Croupmembrane. Medic. Centralzeit. 1867
9. Klinische und kritische Beiträge zur Ohrenheilkunde. Arch. für Ohrenheilk, |
1869. 1
3. Ueber den feineren Bau der Schnecke. Habil.-Schrift 1862. i
4. Ueber Ozaena und eine einfache Behandlungsmethode. Berl. klin. Wochenschr. |
1878. ;
5. Ueber den Werth der Inhalationen. Bresl. ärztl. Zeitschr. 1889.
6. Beitrag zum Asthma idiosyncraticum. ibid. 1881.
7. Ueber verschiedene Formen von Rhinitis. Berlin. klin. Wochenschr. 1881.
8. Ueber den Meniere’schen Lymphomeneomptes. Zeitschr. f. Ohrenh. 1880.
9. Ueber Gehöraffectionen im Verlauf der acuten Exantheme. Arch. f. Ohrenh.
1881.
10. Die temporäre trockne Tamponade der Nase. Berl. klin. Wochenschr. 1882.
11. Rhinopathologische Streitfragen. Deutsch. med. Wochenschr. 1882.
12. Neue Röhrenzangen für Operationen im Kehlkopf. Berlin. klin. Wochenschr.
1883.
13. Stellung der Laryngologie in Deutschland. Centralbl. f. Laryngol. 1885.
14. Zur Operation der aden. Vegetationen im Nasenrachenraum. Berlin. klin.
Wochenschr. 1886.
5. Zur Lokalbehandlung der Larynxtuberkulose. Bresl. ärzt Zeitschr. 1888.
6. Zur Diognose und Therapie des Kehlkopfkrebs. Deutsch. med. Wochenschr. .
1890.
17. Lehrbuch der Kehlkopfkrankheiten. Wien 1884. II. Aufl. 1888. III. Aufl. 1889.
IV. Aufl. 1893.
Nekrologe. 5
Dr. med. Paul Gühmann wurde am 23. September 1857 zu
Breslau geboren, besuchte von 1867 ab das hiesige katholische Matthias-
Gymnasium und von 1869—70 das Realgymnasium zum heiligen Geist;
1870 kehrte er auf das Matthias-Gymnasium zurück, das er im October
1877 mit dem Zeugniss der Reife verliess. In demselben Jahre liess er
sich an der Universität Breslau zum Behufe des medieinischen Studiums
immatriculiren und gehörte dieser Hochschule ununterbrochen bis zum
Jahre 1881 an. Im Winter-Semester 1881/82 absolvirte er das medi-
‚einische Staatsexamen und im August 1834 wurde er zum Doctor medieinae
promovirt. Schon auf der Universität war bei Gühmann eine besondere
Vorliebe für das Studium der Augenheilkunde hervorgetreten. Daher
bewarb er sich nach beendigtem Staatsexamen um eine Assistenten-
stellung an einer Augenklinik. Er fand dieselbe Ende 1882 an der
Klinik des Schlesischen Vereins zur Heilung armer Augenkranker zu
Breslau und bekleidete diese Stellung bis zum Jahre 1886. Im October
1886 siedelte er nach Frankfurt a/O. über, um sich als Augenarzt nieder-
zulassen; doch kehrte er von dort 1889 nach Breslau zurück und trat
hier in seine frühere Stellung als Assistenzarzt an der genannten Klinik
wieder ein. Leider endete der Tod schon am 18. Mai 1895 das hoff-
nungsreiche Leben. Unserer Gesellschaft hat der Verstorbene seit 1892
angehört.
Theodor Heinrich, Kaufmann in Breslau, wurde hierselbst am
15. April 1837 als Sohn eines Gasthofbesitzers geboren. Er besuchte
die Realschule zum heiligen Geist und entschied sich für die kaufmännische
Laufbahn. Hier in Breslau erlernte er die Handlung und gründete im
Jahre 1865 ein kaufmännisches Geschäft (Gummiwaaren- und Leder-
maschinenriemen-Fabrik) unter der Firma Heinrich & Otto, das schnell
emporblühte und als das erste seiner Art am hiesigen Handelsplatze
berühmt wurde. Nach dem Tode des Theilhabers wurde er alleiniger
Inhaber der Firma. 1870 verheirathete er sich mit Fräulein Martha,
geb. Wulle, mit welcher er 25 Jahre in sehr glücklicher Ehe lebte, aus
der 7 Kinder hervorgingen. Nachdem er längere Zeit kränklich gewesen
war, entwickelte sich bei ihm ein Lungen- und Kopfleiden. Ein
Aufenthalt zu Meran in Tirol brachte ihm die gewünschte Heilung nicht; _
er verstarb auf der Rückreise von dort während der Bahnfahrt zu
Reichenbach im Voigtlande am 3. Juni 1895 und ruht auf dem Magda-
lenen-Kirchhofe in Breslau. Der Schlesischen Gesellschaft hat der
Entschlafene seit 1890 als wirkliches Mitglied angehört.
Dr. med. Otto Janicke, Königlicher Sanitätsrath und dirigiren-
der Arzt des Augusta-Hospitales zu Breslau, wurde am 8. August 1850
zu Laurahütte O/S. als Sohn des bereits verstorbenen Hütten - Rendanten
6 Jahresbericht der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur.
Rudolf Janicke und dessen Ehefrau Louise, geb. Fitzner, geboren. Nach-
dem er den ersten Unterricht an einer Privatschule daselbst genossen
hatte, kam er 1859 auf das Gymnasium nach Gleiwitz 0/8., ging jedoch
1865 auf das Maria-Magdalenen-Gymnasium zu Breslau, wo er 1870 die
Reifeprüfung bestand. Am 20. Juli trat er als Einjährig Freiwilliger in
das 1. Posensche Infanterie-Regiment Nr. 13 ein, machte den deutsch-
französischen Feldzug mit, aus dem er im Herbste 1871 als Vice-Feld-
webel zurückkehrte. Im October desselben Jahres bezog er die Univer-
sität Breslau, um Mediein zu studiren, wo er 1874 sein Physicum machte.
Zur Fortsetzung seiner Studien ging er 1875 nach Würzburg, wurde
hier 1576 auf Grund seiner Dissertation: „Zur Casuistik des Istenes
in Folge von Careinom der Pankreas“ zum Dr. med. promovirt und
bestand hier in demselben Jahre das Staatsexamen. Jetzt kehrte er
nach Breslau zurück, wurde Assistenzarzt am hiesigen Allerheiligen-
Hospitale und hatte nach dem Tode des damaligen Leiters im Jahre 1830
viel Aussicht, als dirigirender Arzt für dasselbe gewählt zu werden,
was jedoch in Anbetracht seiner Jugend von verschiedenen Seiten bean-
standet wurde. In seinen militairischen Verhältnissen wurde er am
29. September 1876 zum Assistenzarzt II. Klasse der Reserve und am
27. Juli 1880 zum Assistenzarzt I. Klasse der Landwehr ernannt, am
8. Januar wurde ihm auf seinen Antrag der Abschied bewilligt. Im
Jahre 1880 errichteten Dr. Janicke und Dr. Kuschbert eine chirur-
gische und Augenklinik, welche bis zum Jahre 1882 bestand, als Dr.
Janicke zum dirigirenden Arzte des vom Vaterländischen Frauen-
Vereine begründeten Augusta-Hospitals gewählt wurde. Das Ansehen,
welches diese Krankenanstalt in weiten Kreisen geniesst, die ausser-
ordentlich grosse Frequenz der damit verbundenen Poliklinik, sie sind
Dr. Janicke’s Verdienst. Mit besonderem Eifer widmete sich dort der
vielbeschäftigte Mann auch der Ausbildung des Pflegematerials.. Damit
hat er sich ein allgemeines Verdienst insofern erworben, als die von ihm
herangebildeten Augusta-Schwestern für die ambulante Krankenpflege in
unserer Stadt fast unentbehrlich geworden sind. Sein weiteres Werk
war die Anregung zur Errichtung des Kinderhospitals Bethlehem, deren
ärztliche Oberleitung er auch beibehielt. Schon die erste bescheidene
Niederlassung der Kraschnitzer Schwestern in Breslau, der kleinen An-
stalt, die nur wenige arme Pfleglinge beherbergen konnte, hat Dr.
Janicke in selbstlosester Weise ärztlich berathen und dieses Institut -
dabei so trefflich gefördert, dass es sich zu einer Anstalt entwickelt hat,
die dem Bedürfniss in. vollem Maasse entspricht. Janicke war, so.
charakterisirt ihn Professor A. Buchwald, einer der edelsten Menschen,
die ich kennen gelernt. Eine durchweg vornehme, feine Natur, die
Jeder, der mit ihm in Berührung kam, lieb gewinnen musste. Ein vor-
trefflicher Freund, ein braver Sohn und guter Bruder, mit Recht der
Nekrologe. a
Stolz seiner ganzen Familie. (Er blieb unvermählt, seinem Hausstande
stand seine Schwester, die verwittwete Frau Dr. David vor.) Ein
wenig zurückhaltend und doch in jeder Beziehung anziehend. Selten
hat ein Mann es verstanden, in seiner Wissenschaft durch eigene Kraft,
durch unermüdlichen Fleiss, durch absolute Zuverlässigkeit und Gewissen-
haftigkeit sich das Ansehen unter seinen Collegen und das unbedingte
Vertrauen in so hohem Grade zu erwerben wie Janicke. Bedingungslos
konnte man sich Janicke, dem bedeutenden Chirurgen mit der sicheren
Hand, anvertrauen. Alt und Jung, Hoch und Niedrig, Arm und Reich
hing an dem Manne mit gleicher Liebe und mit gleichem Rechte. Wo
Janicke wirkte, wehte der Geist der Humanität und der Segen blieb
nicht aus. Für alle ärztlichen Vereinsinteressen hatte er ein warmes
Herz; er war Mitglied der Aerztekammer für die Provinz Schlesien,
Vorstandsmitglied und Ehrenrath des Vereins der Aerzte des Regierungs-
Bezirks Breslau. Im Jahre 1892 wurde Janicke zum Königlichen
Sanitätsrath ernannt. — Mitten in seiner Schaffenskraft stehend, wurde
er am 21. October 1895 durch einen sanften Tod aus seiner reich ge-
sesneten Thätigkeit abgerufen. Er starb an den Folgen des Typhus, die sein
Körper, der durch eine im Jahre 1883 durchgemachte schwere Blutver-
siftung widerstandsloser geworden war, nicht überwand. So betrauert
ist wohl selten ein Mann worden, als der viel zu früh dahingeschiedene
Janicke. Ihm wurden viel ehrliche Thränen nachgeweint. Auf seinem
Sarge, der auf dem Friedhofe von St. Maria-Magdalena beigesetzt wurde,
vereinigten sich .die Palmenzweige der Wohlhabenderen mit den ver-
einzelten Rosen der Armen. Seine Freunde und Verehrer sammelten
ein Kapital von 15000 Mark zur Begründung einer Stiftung, welche
seinen Namen tragen soll. Unserer Gesellschaft hat der Verstorbene
seit 1880 als wirkliches Mitglied angehört und in den Jahresberichten
finden sich Referate über folgende Vorträge, die er in der medicinischen
Section gehalten hat:
Ueber Aktinomykose der Menschen mit Kranken-Demonstration. 66. J.
(1888) p. 241.
Osteoplastische Resection des Fusses nach Wladimiroff-Mikuliez. 67. J.
(1889) p. 24.
Angeborene doppelseitige Patellar-Luxation 1. e. p. 26.
Demonstration einer intrauterin entstandenen Unterschenkelfractur 1. e.
p- 29.
Ueber Mixoedem mit Demonstration eines einschlägigen Falles. 68. J.
(1890) p. 19.
In früheren Jahren arbeitete er, soweit ihm dies seine knappe Zeit
gestattete, als Referent für das Centralblatt für Chirurgie. Ueberhaupt
ist der persönlich so anregende Chirurg schriftstellerisch wenig thätig
gewesen. Es finden sich in der Litteratur:
S Jahresbericht der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur.
Janicke: Zur Casuistik der angeborenen chirurgischen Erkrankungen des
Menschen. (Breslauer ärztl. Zeitschrift von 1889.)
Janicke und Neisser: Exitus letalis nach Erysipel-Impfung bei inoperablem
Mamma-Careinom etc. (Centralbl. für Chirurgie 1884.)
Buchwald und Janicke: Ueber Darmeysten (Entera Kysteme) als Ursache eines
completen Darmverschlusses.
Dr. Eauard Kabierske, am 8. Februar 1819 zu Neisse geboren,
entstammte einer Lehrerfamilie. Der Vater war über 50 Jahre Rektor
der katholischen Mädchenschule daselbst, der Grossvater amtirte die
gleich lange Zeit in Rauske, einem Dorfe bei Striegau.
Die Elementar- und Gymnasialbildung genoss der Verblichene in
den Schulen seiner Heimathstadt, welche er 1840 mit dem Zeugniss der
Reife verliess, um sich gleich seinem älteren Bruder (CarlKabierske,
Arzt in Oppersdorf bei Neisse) in Breslau dem Studium der Mediein zu
widmen. Am 20. Januar 1845 promovirte er mit einer Arbeit über die
künstliche Frühgeburt und liess sich nach absolvirtem Staatsexamen im
folgenden Jahre ‘als Arzt in Breslau nieder. Hier verblieb er bis
an sein Lebensende, nachdem es auch ihm vergönnt war, gleich seinem
Vater und Grossvater, sein 50jähriges Amtsjubiläum zu feiern und in
gleicher Weise durch die Verleihung des Rothen Adlerordens ausge-
zeichnet zu werden. Sein tadelloser Charakter, sein ungemein liebens-
würdiges und humorvolles und doch energisches Wesen, seine unermüd-
liche Treue und Hingabe an seine Pflichten, sein Wissen und seine Er-
fahrung, seine feste und ruhige Hand befähigten ihn hervorragend als
Arzt. Dergestalt gelang es ihm leicht, einen grossen Patientenkreis zu
gewinnen, der weit in die Provinz hineinreichte, und der voller Ver-
trauen an ihm hing. Als Arzt huldigte er der homöopathischen Be-
handlungsweise, für die er in Breslau besonders wirkte, als er im Jahre
1866 ein städtisches Choleralazareth als Oberarzt übernahm und nach
homöopathischen Grundsätzen verwaltete. In der Zeitschrift für Homöo-
pathie (Leipzig) sind manche Aufsätze von ihm niedergelegt und mancher
seiner Vorträge abgedruckt, die er in der Gesellschaft homöopathischer
Aerzte Breslaus gehalten hat. Mit ihm schied ein guter Mensch und
ein trefflicher Arzt. Er starb am 21. Juni 1395. Der Schlesischen
Gesellschaft hat er seit 13859 als wirkliches Mitglied angehört.
Dompropst Joh. Bapt. Wilhelm Kayser, Doctor der Theologie
und Philosophie, wurde am 1. October 1826 zu Geseke in Westfalen
als Sohn eines Mühlenbesitzers geboren. Nachdem er bis zum voll-
endeten 14. Lebensjahre “die Volksschule besucht hatte, half er dem
Vater 2 Jahre in der Mühle und begab sich erst im Herbste 1842 auf
das Gymnasium zu Paderborn, das er im Herbste 1347 mit dem Reife-
zeugniss verliess. Um Philosophie und Theologie zu studiren, besuchte
Nekrologe. )
er ein Jahr die Akademie zu Münster, dann 2'/, Jahre die Universität
Bonn, wo er Ostern 1851 als Dr. phil. promovirte. Nachdem er noch
'„ Jahr die philosophisch-theologische Lehranstalt besucht hatte, wurde
er im Herbste 1851 als Alumnus in das bischöfliche Clerical- Seminar
zu Paderborn aufgenommen, wo er am 4. September 1852 die Priester-
weihe empfing. Mitte November begab er sich, mit einem Staatsstipen-
dium ausgerüstet, nach Breslau, um hier seine Studien fortzusetzen,
Doch veranlasste ihn der Tod des Vaters, im Juli 1854 in die Heimath
zurückzukehren, um den Nachlass für die Mutter und 10 Geschwister zu
ordnen. Von October 1854 bis Juli 1829 war er Professor an der
philosophischen Abtheilung des bischöflichen Seminars zu Paderborn
Vorsitzender des Diöcesan-Kunstvereins und stellvertretender Vorsitzender
des Paderborner Dombau-Vereins, auch wurde er 1867 zum Mitgliede
des Reichstages gewählt. Vou 1869 bis 1878 war er Director des
Lehrer-Seminars zu Büren und von 1878 bis 1883 wirkte er als Pro-
vinzial-Schulrath in Danzig. Durch königliche Ernennungs-Urkunde vom
31. Mai 1882 und die päpstliche Provista vom 14. Novemher 1832 wurde
ihm die Dompropstei zu Breslau verliehen, wo seine Installation am
31. März 1883 erfolstee Am 4. August 1386 ernannte ihn die Univer-
sität Breslau zum ordentlichen Honorar-Professor der theologischen
Facultät. Im Jahre 1854 wurde Kayser wirkliches Mitglied der Schle-
sisehen Gesellschaft für vaterländische Cultur, der er seit 1891 als
Mitglied des Direetoriums angehörte. Auch war er Mitglied der Pro-
"vinzial-Commission zur Erforschung und zum Schutze der Denkmäler der
Provinz Schlesien. Dem Vereine für Geschichte und Alterthum Schlesiens
und dem Vereine für das Museum schlesischer Alterthimer gehörte er
als eines der eifrigsten Mitglieder und lange Zeit als zweiter Vorsitzender
an. Er war seit 1833 Mitglied des Verwaltungsraths der Schlesischen
Blinden-Unterriehts-Anstalt, Mitglied des Vereines katholischer Kaufleute
Breslaus, Ehrenmitglied des katholischen Studentenvereines Unitas etc.
In den letzten Jahren war sein Gesundheitszustand nicht mehr befrie-
digend, deshalb legte er seine Aemter als Rath der Geheimen Fürst-
bischöflichen Kanzlei und als Consistorialrath nieder, widmete aber auch
weiterhin seine Fürsorge den ihm als Curator unterstellten geistlichen
Genossenschaften. Sein am 31. Juli 1895 erfolgtes Hinscheiden erregte
in den weitesten Kreisen aufrichtiges Bedauern, das in der grossen Be-
theiligung bei der Bestattungsfeier einen deutlichen Ausdruck fand; seine
irdische Hülle wurde in die Dombherrengruft der Todtencapelle des
Domes versenkt. Der Verstorbene hatte wiederholt grössere Reisen
nach Italien, Frankreich, England, Russland bis in den Kaukasus gemacht.
Wissenschaft und Kunst, die kirchlichen Hymnen zumal und die Kirchen-
baukunst, waren seine Lieblingsgegenstände. Von seiner Gelehrsamkeit
zeugen seine Schriften, davon seien erwähnt: „Die Patroclikirche zu
0) Jahresbericht der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur.
Soest‘‘ (1863), „Vier wissenschaftliche Vorträge“ (1865), „Vier andere
Vorträge“ (1866), „Anthologia hymnorum latinorum‘‘ (1865), „Der heilige
Sturmi‘ (1866), „Ueber den sogenannten Barnabasbrief‘‘ (1866), „‚Schatz-
kammer des Doms zu Minden‘ (1867), „Physik des Meeres“ (1873),
‚„Kehrein’s Ueberblick der Geschichte der Erziehung‘‘ (9. Aufl, 1890),
und besonders die in wissenschaftlichen Kreisen als sehr bedeutende
Arbeit allgemein anerkannten „Beiträge zur Geschichte und Erklärung
der älteren Kirchenhymnen“, 2 Bände (2. Aufl. 1881/86).
Paul von Kulmiz, Dr. phil. und Rittergutsbesitzer auf Conrads-
waldau bei Saarau, wurde am 8. November 1856 zu Schweidnitz ge-
boren. Nach Abgang vom Gymnasium zu Schweidnitz widmete er sich
1Y, Jahr der Technik und bezog darauf im Herbste 1856 die Universität
Breslau, um durch 7 Semester Philosophie und speciell Chemie zu
studiren. Darauf promovirte er an der Universität Leipzig auf Grund
ssiner Dissertation „Ueber das Methstannäthyl und dessen Verbindungen“
zum Dr. phil. Im Jahre 1860 übernahm er die Leitung verschiedener
technischer Anlagen in der von seinem Vater gegründeten Marienhütte
bei Saarau, die sich von Jahr zu Jahr immer grossartiger entwickelte
und deren chemische Faprikate heut Weltruf besitzen. Die letzten Jahre
seines Lebens verlebte er schwerleidend grösstentheils auf seiner Villa
in Arnsdorf im Riesengebirge, wo ihn am 27. November 1895 der Tod
von seinen Leiden erlöste. Unserer Gesellschaft hat der Verstorbene
seit 1864 als auswärtiges Mitglied angehört.
Ferdinand Lindemann, Bürgermeister von Jauer, Ehrenbürger
der Städte Pyritz und Jauer, wurde am 25. November 1820 in Alt-Damm
in Pommern geboren, woselbst sein Vater Friedrich Lindemann als
Böttehermeister lebte. Seine Mutter Eleonore war eine geb. Mäder.
Als Knabe besuchte er die Bürgerschule seines Geburtsortes und
trat bald nach erfolgter Confirmation bei dem Maeistrat in Alt-Damm
zur Ausbildung im Subalterndienst ein. In Folge seines Fleisses eignete
er sich sehr schnell geschäftliche Gewandtheit an und zeichnete sich
durch Pünktlichkeit aus. Deswegen übertrug man ihm vor seinem voll-
endeten 20. Lebensjahre die Kassengeschäfte des Amtsbezirkes Köstin
(Regierungs-Bezirk Stettin) und stellte die Verwaltung des gesammten
Bezirkes seit dem 1. Januar 1842 unter seine selbständige Leitung. Im
Jahre 1845 wurde er als Domainen-Actuar nach Schwedt berufen, gab
dieses Amt aber bereits. im Januar 1847 auf, um als Kämmerer und
' Beigeordneter nach Greifenberg i/Pom. zu gehen. In dieser Stellung fiel
ihm fast ausschliesslich die Leitung der Verhandlungen zu, die die '
Gründung eines Gymnasiums am dortigen Orte bezweckten. Er führte
sie mit gutem Erfolge durch; im Jahre 1852 erstand in Greifenberg das
Nekrologe. 11
Gymnasium. Der hierdurch befestigte Ruf seiner Gewandtheit und Ge-
schäftskunde veranlasste 6 Jahre später seine Wahl zum Bürgermeister
der Stadt Pyritz i/Pom., woselbst die städtischen Behörden gleichfalls
eine höhere Lehranstalt ins Leben zu rufen wünschten. Hier trat er
sein Amt 1858 an und, Dank seiner Energie, konnte das ersehnte Gym-
nasium bereits ein Jahr später eröffnet, bald darauf zu seiner Unter-
bringung ein stattliches Gebäude errichtet werden. Später schuf er in
Pyritz noch die Gasanstalt. Schon im Sommer 1864 trat von Jauer aus
der Ruf an ihn heran, hier den Posten als Bürgermeister einzunehmen,
Er leistete diesem Rufe Folge und verwaltete sein Amt 31 Jahre lang
zum Segen für die Stadt, deren Entwickelung er nach allen Seiten hin
förderte. Seiner Wahl hatte wiederum der Wunsch zu Grunde gelegen,
Jauer ein Gymnasium zu verschaffen. Der ‚alte Gymnasial-Agitator“,
wie Geh. Rath Wiese ihn bezeiehnend nannte, machte sich, nachdem er
im August 1864 in genannte Stadt übergesiedelt war, frisch ans Werk
und Michaelis 1865 konnte die Anstalt ihre ersten Zöglinge aufnehmen,
1868, inzwischen dureh Secunda und Prima vervollständigt, in das ihr
inzwischen erbaute Haus einziehen. Alle drei von ihm ins Leben ge-
rufenen Anstalten gingen später in staatliche Verwaltung über.
Wie der Vorbildung für höhere Lebensberufe, galt seine unablässige
Fürsorge auch der Pflege der städtischen und der Volksschulen, die sich
unter ihm hoben und mehrten.
Daneben vernachlässigte er andere Interessen keineswegs. Durch
ihn erhielt Jauer auf seinem Markte und einer grossen Zahl seiner
Strassen vortreffliches Pflaster, er bewirkte den Bau einer Kaserne und
sicherte der Stadt dadurch ihre Garnison, er betrieb den Bau eines
Schlachthauses, gab der Stadt ihre Wasserleitung und unterstützte ge-
meinnützige Vereine, insbesondere die freiwillige Feuerwehr, aus
städtischen Mitteln. |
Auf seine Anregung wurden im Jahre 1866 hier Reserve-Lazarethe
eingerichtet, in denen Verwundete von den böhmischen Schlachtfeldern
in beträchtlicher Zahl Aufnahme und Pflege fanden, 1870 der Vater-
ländische Frauen-Verein begründet, dessen Schriftführer er 12 Jahre lang
war, und der unter seiner thätigen Mitwirkung seit 1382 eine Waisen-
anstalt ins Leben rief, für die 1894 ein eigenes Haus erbaut werden
konnte.
Wie reiche Anerkennung seinem langjährigen und vielseitigen Wirken
in Jauer gezollt wurde, zeigte sich bei der Feier seines 50jährigen
Amtsjubiläums am 31. December 1891. Zu demselben wurde ihm, der
den Rothen Adler-Orden 4. Kl. bereits besass, der Kronen-Orden 3. Kl.
mit der Schleife verliehen.
Den Grundzug seines Wesens bildete ein rastloser Trieb nach Fort-
bildung und das Streben, seine Kenntnisse zu vervollständigen und zu
2°. Jahresbericht der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur.
vertiefen. Hierauf verwendete er, durch schnelle Auffassung und scharfen
Verstand begünstigt, unablässigen Fleiss. Nur so wurde es ihm möglich,
sich hervorragende Gesetzkunde und seltene Geschäftsgewandtheit anzu-
eignen; sie nach allen Richtungen hin für Staat, Kirche, Schule, Kreis
und Stadt zu bethätigen, fand er reiche Gelegenheit. Daneben zeichnete
ihn Pflichttreue und Gewissenhaftigkeit aus. Sein liebenswürdiges, stets
gleichmässig freundliches Entgegenkommen gewann ihm Aller Herzen.
Seine joviale Gemüthsanlage und sein sanguinisches Temperament halfen
ihm oft über Schwierigkeiten und unausbleibliche Unannehmlichkeiten
hinweg,
Er starb am 6. August 1895, eine Wittwe hinterlassend, mit der
er 43 Jahre in glücklicher Ehe gelebt hatte. Der Schlesischen Gesell-
schaft hat der Verstorbene seit 1892 angehört.
Von seinen 2 Söhnen starb der ältere, ein talentvoller junger Mann,
als Gerichts-Referendar. Sein jüngerer Sohn, Stabsarzt in Berlin, ist
z. 7. zum Dienst in das Kriegs-Ministerium einberufen.
| Professor Noss,
Dr. ‚med. Samuel Meyer, Königlicher Sanitätsrath und Bahn-
physieus in Breslau, wurde am 24. Juni 1821 zu Gross-Glogau als Sohn
des Kaufmanns Johann Meyer und dessen Gattin Karoline, geb. Munk,
geboren. Nach Absolvirung des Gymnasiums seiner Vaterstadt bezog
er im Jahre 1840 die Universität Berlin, um nach dem Vorbilde seines
berühmten Oheims Professor Munk, Mitglied der Akademie francaise,
Philosophie und orientalische Sprachen zu studiren. Nachdem er hier
fünf Semester der philosophischen Facultät angehört hatte, ging er im
Jahre 1842 zur medicinischen über, studirte noch ein Jahr in Berlin,
sing dann nach Breslau, wo er seine medieinischen Studien fortsetzte
und wo er am 31. October 1846 auf Grund seiner. Dissertation: „De
morbis e eultura et conditione sociali profectis“ zum Dr. med. promovirt
wurde. Im Jahre 1847 als Arzt approbirt, bekleidete er in Breslau
längere Zeit das Amt eines städtischen Armenarztes, dann das eines Bahn-
arztes an der Freiburger Bahn. Im Jahre 1873 erhielt er von der
Königlichen Eisenbahn - Direction Breslau seine Bestallung als Bahn-
physicus. Dieses Amt, dem er fortan seine volle Kraft widmete, ver-
waltete er in segensreichster Weise bis zum 1. April 1895, wo ihn zu-
nehmende Kränklichkeit nöthigte, es niederzulegen. Dr. Meyer, der in-
zwischen zum Königlichen Sanitätsrathe ernannt worden war, verstand
es, mit grösster Gewissenhaftigkeit und Pflichttreue seines Amtes zu
'walten, andererseits aber verband er hierbei Wohlwollen und Humanität
in reichstem Maasse. Er war ein vortrefflicher College, ein aufrichtiger
Freund, für Viele ein stets bereiter Helfer und Rathgeber, dabei ein
Dichter von Gottes -Gnaden. Seine zahlreichen Dichtungen, zumeist Ge-
Nekrologe. 13
legenheits- und Festgedichte, erfreuten sich in weitesten Kreisen der
allgemeinsten Anerkennung. So wurde ihm für sein Festgedicht zur
Begrüssung der Königin Augusta bei deren Einzuge in Breslau am
11. November 1861 die goldene Medaille für Kunst und Wissenschaft
verliehen. Sein Festlied „Bismarck als Arzt, Wundarzt und Geburts-
helfer‘‘, das zu der im September 1874 in Breslau tagenden Versammlung
der Naturforscher und Aerzte gedichtet wurde, sowie sein Festgedicht
auf Galilei fanden ungetheiltesten Beifall; letzteres wurde ins Italienische
übertragen und an die Spitze der Festschrift zur Feier des 300jährigen
Geburtstages Galilei’s gesetzt.
Ideale Lebensauffassung, aufgebaut auf dem Fundamente uneigen-
nütziger Menschenliebe und edler Begeisterung für das wahrhaft Schöne
und Gute, tiefes Mitempfinden mit dem Leid Anderer, reichen poetischen
Sinn, gepaart mit köstlichem, herzerquickendem Humor — .das waren
die Grundzüge seines Wesens, Wegen dieser Eigenschaften genoss der
kleine, schlichte, anspruchslose Mann eine wohlverdiente Popularität,
deshalb waren an seinem 70. Geburtstage, den er noch in erfreulicher
Frische beging, die Glückwünsche seiner Freunde und Verehrer (Meyer
war unvermählt geblieben) schier zahllos. An diesem Tage widmete
die „Breslauer Zeitung‘“ dem Jubilar einen ausführlichen Feuilletonartikel,
in dem auch einige Proben seiner Dichtungen mitgetheilt wurden. In
den letzten Jahren seines Lebens wurde Dr. Meyer von schweren Leiden
heimgesucht, von denen ihn ein sanfter Tod am 22. December 1895 er-
löste. Der Schlesischen Gesellschaft hat der Entschlafene seit 1887 als
wirkliches Mitglied angehört.
Dr. Felix Georg Reinhard Peck, Museumsdirector der „Natur-
forschenden Gesellschaft“ in Görlitz, wurde am 3. Februar 1823 in
Görlitz geboren, wo sein Vater städtischer Steuer-Einnehmer war. Hier
besuchte er das Gymnasium bis Prima und trat dann als Lehrling in
die Struve’sche Apotheke ein. Nachdem er 1848 das Staatsexamen als
Apotheker in Berlin bestanden hatte, conditionirte er in verschiedenen
Orten, bis er im Jahre 1855 nach Görlitz zurückkehrte. Hier fand er
bald reiche Gelegenheit, sein naturwissenschaftliches Wissen praktisch
zu verwerthen, denn als die Naturwissenschaftliche Gesellschaft im Jahre
1860 ihr neugebautes Haus bezog, wurde Peck zum Inspector der Samm-
lungen und zum Verwalter der Bibliothek bestallt. Seinem Fleisse,
seiner Umsicht, Kenntniss und Thatkraft verdankt es die Gesellschaft,
dass ihre Sammlungen aus recht bescheidenen Anfängen zu einem wohl-
geordneten naturhistorischen Museum angewachsen sind, das nach Um-
fang und Reichhaltigkeit zu den Besten unseres deutschen Vaterlandes
gezählt werden darf. Das Museum war seine Welt, sein Stolz und seine
Freude; durch dasselbe hat er sich selbst ein dauerndes Denkmal gesetzt,
1 Jahresbericht der Schles. Gesellschaft für vater]. Cultur.
——
Auch leitete er bis zum Jahre 1872 das chemische Laboratorium der
landwirthschaftlichen Versuchsanstalt zu Görlitz, bis 1886 die Verwaltung
des dortigen Botanischen Gartens und bis 1839 die Pflege der meteoro-
logischen Station. In Anerkennung dieser Verdienste wurde er 1873
beim Feste des 50jährigen Bestehens der Naturforschenden Gesellschaft
von der Universität Breslau zum Dr. phil. hon. causa ernannt, eine Aus-
zeichnung, die ihn wie keine zweite erfreut hat. Peck war correspon-
direndes Mitglied der Schlesischen Gesellschaft, vieler wissenschaftlichen
Vereine des In- und Auslandes und Ehrenmitglied der beiden gelehrten
Gesellschaften in Görlitz. Peck blieb unvermählt, lebte mit seiner Mutter
bis zu deren Tode 1871 zusammen, um ihr als dankbarer Sohn alle Opfer
zu vergelten, die ihr bei dem frühen Tode des Gatten die Erziehung
von acht Kindern auferlegt hatte. Vorahnend schliesst er seinen Museums-
bericht über das Jahr 1894 mit den Worten: ,‚Möge ein Stillstand in
der Erweiterung der Sammlungen, auf deren Besitz die Gesellschaft
gewiss stolz sein kann, nie eintreten.“ Peck starb am 28. März 1895
infolge einer Brustfell-Entzündung.
Er war ein Mann mit einem harmlos-kindlichen Gemüthe, schlicht
und gerade, theilnehmend und treu, leutselig im Verkehr mit Jedermann,
emsig, fleissig, von umfassendem Wissen in allen drei Naturreichen, daher
wie geboren zu der Stellung, die sein Leben völlig ausfüllte,
Dr. med. Friedrich Cari Theoder Roeder, Geh. Sanitätsrath
in Deutsch-Lissa, wurde am 23. December 1819 zu Gottow in der Mark
Brandenburg als der Sohn des Bergfactors Theodor Roeder und dessen
Ehefrau Johanna, geb. Bliewert, geboren. Seine Schulbildung erhielt er
in Breslau, wohin der Vater versetzt wurde, auf dem Elisabeth- und später
auf dem Matthias - Gymnasium, letzteres verliess er im März 1841 mit
dem Zeugniss der Reife. Darauf studirte er in Breslau, Halle und
Berlin Mediein. An der Universität Berlin promovirte er am 7. Decem-
ber 1844 zum Doctor medieinae und von dieser medieinischen Facultät
wurde ihm bei seinem 50jährigen Doctorjubiläum auch das Doetordiplom
erneuert. Nachdem er im Jahre 1845 die medieinische Staatsprüfung
bestanden hatte, genügte er dort seiner Militärpflicht bei den Garde-
Kürassiren und liess sich darauf 1846 als praktischer Arzt in Deutsch-
Lissa nieder, wohin seine Eitern verzogen waren. Hier erlangte er
bald eine ausgedehnte Praxis, der er bis zu seinem Ende oblag. 1859
verheirathete er sich mit Pauline Pohl, Tochter des Gutsbesitzers Gottlob
Pohl auf Olleck und Leszez bei Thorn. Im Jahre 1872 wurde er aus-
wärtiges Mitglied der Schlesischen Gesellschaft. Seit den siebziger
Jahren war er Vorstandsmitglied des Vereins der Konservativen aller
Schattirungen des vereinigten Neumarkter und Breslauer Landkreises,
Ueber 20 Jahre gehörte er zur Hilfskasse für Aerzte Breslaus, deren
Nekrologe. 15
Sitzungen er mit grösstem Interesse, trotz des Opfers an Zeit, regel-
mässig beiwohnte, Anfang der achtziger Jahre wurde er in die neube-
sründete Breslauer Aerztekammer und als Delegirter der Centralhilfs-
kasse der Aerzte Deutschlands in Berlin gewählt. Dieser Körperschaft
gehörte er als Mitbegründer und Aufsichtsrath in hingebenster Weise an
und versäumte keine der im Mai in Berlin stattfindenden Vorstands-
sitzungen. In seinem ärztlichen Berufe wirkte er unermüdlich als selbst-
losester Freund der Menschheit, ausgezeichnet durch stets gleiche Güte
und Bescheidenheit gegen Jedermann. Daher wurde ihm auch eine Fülle
von Liebe und Ehrungen aus allen Kreisen zu Theil, wie es sich be-
sonders bei seinem Doector-Jubiläum am 7. December 1894 zeigte. Bei
dieser Gelegenheit wurde er auch durch Verleihung des Rothen Adler-
ordens IV. Klasse ausgezeichnet, Anfang der siebziger Jahre war ihm
der Charakter als Sanitätsrath und im September 1885 der Charakter als
Geheimer Sanitätsrath verliehen worden,
Am 18. März 1895 ereilte ihn mitten in seiner angestrengten Thätig-
keit ein leichter Schlaganfall, der ihn jedoch nicht in seinem Berufe
sonderlich hinderte. Er prakticirte unausgesetzt bis zum 10 April, als
sich ein schweres Herzleiden einstellte, dem er nach hartem Kampfe am
20. Mai 1895 erlag.
Moritz Spiegel, Steindruckereibesitzer in Breslau, geboren am
13. März 1825 in Breslau, war zuerst Schriftsetzer. Als solcher be-
theiligte er sich während eines mehrjährigen Aufenthalts in Berlin in
ausgedehntem Maasse an der politischen Bewegung des Jahres 48, was
ihm auch Ausweisung und Freiheitsstrafe eintrug. Er kam nach Breslau
zurück, gründete ein lithographisches Institut, und gab eine täglich er-
scheinende in liberalem Geiste redigirte Zeitung, das „‚Schlesische
Morgenblatt“. heraus, die er jedoch nach mehrjährigem Bestehen ein-
gehen liess. Fortan betheiligte er sich nicht mehr activ am politischen
Leben, sondern widmete sich ganz seinem kaufmännischen Berufe. Er
gründete ein photographisches Atelier, und als er nach vieljährigem Be-
stehen auch dieses aufgab, widmete er sich ganz besonders mit Hilfe
künstlerischer Kräfte der Anfertigung von Adressen und Diplomen und
verstand es, bald seinem Institute einen Ruf in ganz Deutschland zu ver-
schaffen. Er erlag einer Lungenentzündung am 21. Juni 1895.
_ Unserer Gesellschaft hat er seit 1868 als wirkliches Mitglied an-
gehört; er besuchte fleissig die Allgemeinen Versammlungen und die
Sitzungen der hygienischen Section und war ein ständiger Begleiter
unserer Wanderversammlungen.
Siegmund Steinfeld, Banquier in Liegnitz und Subdireetor bei der
Filiale der Breslauer Wechslerbank daselbst, wurde am 11. October 1834
16 re Jahresbericht der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur.
als Sohn des Kaufmanns Salomon Steinfeld und dessen Ehefrau Friederike,
geb. Schneck, in Ober-Glogau O.-S. geboren. Es besuchte bis zum
13. Jahre die Elementarschule seiner Vaterstadt und trat Ostern 1848
in das Gymnasium zu Ratibor ein, das er Ostern 1853 mit dem Matu-
ritätszeugnisse verliess, um sich dem kaufmännischen Berufe zu widmen,
Er ging Ostern 1853 nach Berlin und fand dort in der von David Hanse-
mann geleiteten Direction der Disconto-Gesellschaft als Eleve Aufnahme.
Hier blieb er auch als Gehilfe, bis er 1858 in das Banquiergeschäft von
Louis Pollack in Liesnitz als Commis berufen wurde. 1865 erhielt er
die Prokura für dieses Geschäft, die er bis 1872 führte. In diesem
Jahre erwarb die Breslauer Wechslerbank die Firma und der Ver-
storbene leitete diese Filiale bis zum 1. April 1882. Seit dieser Zeit
lebte er als Privatmann in Liegnitz bis zu seinem Tode am 14. Februar
1893. Er verheirathete sich im Jahre 1366 mit Bianca, geb. Warten-
berger, und nach deren Tode im Jahre 1870 mit Gertrud, geb. Levy;
aus diesen beiden Ehen war er Vater von 8 Kindern. Unserer Gesell-
schaft hat der Verstorbene seit 1886 als auswärtiges Mitglied angehört.
Hermann Werner, Apotheker in Breslau, wurde am 4. Januar
1830 in Trachenberg geboren, wo sein Vater Castellan auf dem Schlosse
des Fürsten von Hatzfeld war. Den ersten Unterricht empfing er auf der
Elementarschule seiner Vaterstadt, dann besuchte er das Königliche
katholische Matthiasgymnasium zu Breslau. Hierorts erlernte er auch die
Pharmacie bei Apotheker Laube; dann erledigte er seine pharmaceutischen
Studien auf der Universität Berlin, wo er im Jahre 1855 das Staats-
examen als Apotheker bestand. Nachdem er noch einige Jahre als
Gehilfe conditionirt hatte, erwarb er die Apotheke in Rawitsch, die er
wieder verkaufte, um im Jahre 1863 die altberühmte „Naschmarkt-
Apotheke“ am Ringe in Breslau käuflich zu übernehmen. Noch in dem-
selben Jahre wurde er wirkliches Mitglied der Schlesischen Gesellschaft;
hier hat er sich innig der Botanischen Section angeschlossen, deren
Sitzungen er regelmässig besuchte. Oft hielt er hier längere Vorträge,
wiederholt machte er kürzere Mittheilungen über seine Beobachtungen
und stets betheiligte er sich rege an den Discussionen. Jeden Winter
vereinigte er die Mitglieder der botanischen Section und Freunde der
Botanik zu einer botanischen Abendgesellschaft in seinem trauten Heim,
wo er im Verein. mit seiner liebenswürdigen Gemahlin den Gästen un-
vergessliche Stunden bereitete. Voll und ganz den Pflichten seines
Berufes sich hingebend, "brachte er doch den Forschungen und Fort-
schritten der Wissenschaft das thätigste Interesse entgegen und bei
seiner hohen geistigen Begabung fand er immer noch Musse, sieh mit
regem Sinne und feinem Verständnisse in verschiedene Kunstgebiete zu
vertiefen. Leutselig im Wesen, war er auch der liebenswürdigste, durch
Nekrologe. 17
launigen Humor ausgezeichnete Gesellschafter, dabei eine tief religiöse
Natur und der vortrefflichste Gatte und Vater.
Von seiner steter Hilfsbereitschaft zeugen die vielen Ehrenämter,
die er im öffentlichen Leben bekleidete. Lange Jahre war er Vor-
sitzender des Vorstandes der Bürger-Versorgungsanstalt, Mitglied des Cura-
toriums der Allerheiligen-Hospitalapotheke, Vorsitzender des Vereins der
Breslauer Apotheker, Mitglied des- Verwaltungsrathes des Breslauer
Consumvereins, Vorstandsmitglied des Vincenz-Vereins und Kirchenvor-
steher der Mauritiusgemeinde. Allen diesen Ehrenämtern stand er mit
unermüdlieber Pflichttreue und grösster Gewissenhaftigkeit vor. 1893
verkaufte er seine Apotheke, um sich fortan ausschliesslich seinen Ehren-
ämtern, zu denen 1895 noch das eines Mitgliedes des Direetoriums der
Schlesischen Gesellschaft getreten war, in der hingebensten Weise zu
widmen. Im Spätsommer 1895 begab er sich zum Kurgebrauche nach
Warmbrunn, wo er Anfang September an einer Blinddarmentzündung
erkrankte. Nach l4tägigem Krankenlager wurde er auf seinen Wunsch
nach Breslau zurückgebracht, wo er noch eine Woche schwerkrank
darniederlag, bis der Tod am 27. September 1895 das Leiden endete.
Seine sterblichen Ueberreste wurden auf dem alten Mauritiuskirchhofe
hier dem Schoosse der Erde übergeben. Der Verstorbene war zweimal
verheirathet. Nach dem Tode der ersten Frau, mit der er in kinderloser
Ehe lebte, verheirathete er sich 1872 mit Fräulein Agnes Tschirschnitz
aus Schneidemühl, die er als trauernde Wittwe mit 2 erwachsenen
Söhnen und einer Tochter zurückliess,
Allen, welche die Zusammenstellung dieser Nekrologe durch Mit-
theilung von Lebensnachrichten förderten, inbesondere den Herren:
Primärarzt und Professor Dr. A. Buchwald, Dr. med. Eugen
Kabierske, Dr. med. Richard Kayser, Dr. med. Ernst Ma-
lachowski, Sanitätsrath Dr. E. Stern, sämmtlich in Breslau, Professor
Noss in Jauer und Sanitätsrath Dr. Süssbach in Liegnitz, sei hiermit
für ihre Bemühungen herzlicher Dank abgestattet.
K. 6. Limpricht.
41 >
Druck von Grass. Barth & Comp. (W. Friedrich) in Breslau.
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Sa
T Einzelne schrifien. ES er
Zwei Reden, gehalten von dem Reg.-Quartiermstr. Müller und Prof, Gesch bei der
Feier des Stiftungstäges‘der Gesellschaft zur Beförderung der Ba un
Schlesiens, am 17. December 1804, 8°, 48 Seiten. * £
und an. sämmtliche -Schlesier, von Reetor Reiche, 1809. ERH ‚32 8. BUT.
Oeffentlicher Actus der 'Schles. Gesellschaft f. vaterl. Cultur, gehalten. am 19. Dechr |
Feier ihres Stiftungsfestes. 8%. 40 S. Kr
Joh. George Thom as, Handb. d. Literaturgeschichte Y Schlesien? 1824. 89, 32 8.
Preissehrift. ;
Beiträge zur Entomologie, verfasst von den Niteliadern der 'entom. Ben mit 17 pt 29,
Die schles, Bibliothek der Schles: Gesellschaft v. K. 6. Nowack. 8°. 1835 'oder später erschie
Denkschrift der Schles. Gesellschaft zu ihrem 50jähr. Bestehen, enthaltend die Geschieh
...„.Sehles. Gesellschaft und Beiträge zur Natur- und Geschicht skunde Schlesi a
Mit 10.lithogr. Tafeln. 4%. 2828.
Dr.J. A.Hoennicke, Die Mineralquellen. der Provinz Schlesien, 1857. 80, 1668
Dr. J. 6. Galle> Grundzüge der schles. Klimatologie, 1857.40, 1278. °
Dr. J. ‚Kühn, Die zweckmässigste ee des Rindvichs, 1859, 89, 242. 8 ge se
Dr. Ferd. Römer, Die ost, Fauna der a Diluvialgeschiebe von 1 Sade
in Schlesien, mit 6 lithogr. u./2 Kupfer- Tafeln. 1861. 40. 208...
Lieder zum Stiftungsfeste der ertpundlonkschilh, ‚und botanischen Section der Schle
als Manüseript gedruckt. 1867.- 8°, 92 S: ER z
Verzeichniss, der in .den Schriften ‚der 'Schles. Beselschaik: ‘von 18041868 i ce en
Aufsätze in alphab. Ordnung von Letzner. 1868, Wa
Fortsetzung der in den Sehriften der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur BR =
enthaltenen Aufsätze, geordnet nach den Verfassern in alphab. Ordn. von Dr,
General-Sachregister der in den Sehriften der Schles, ‘Gesellschaft -für vaterl. Cult
bis.1876 incl., gr Aufsätze, geordnet in alphab. Folge. von 4
: :.2, Periodische Schriften. Eu
" Verhandlungen der Gesellschaft £. Naturkunde u. Industrie Schlesiens,. 87. Ba; L
° Bft. 2, 112,8. 1806. *Desgl, Bd> II, 1. Heft. 1807. 2 2%
Correspondenzblatt ‚der Schlesischen‘ Gesellschaft für: yaterländisehe Cultur, 4:
“Jahrg. I, 1810, 36 8. | Jahrg, II, 1812, 96 Ss ‚| Jahrg, V.
e -I, 811,°do; A v, 1813, Hit. In2jeaeh. ge
Correspondenz der- Schles..Gesellschaft £. "vaterl. -Oultur. 8°. Bd. I; 362 1
1820... Desgl. Bd. II (Heft 1), 80 S. mit Abbild,, 1820.
Bulletin De a LE een: ge Serien: Gesellschaft 1-1, 1823,
i „de. sie, 182
an, 180, A th, 2048.11,368,
„1851, 194 Seiten. St.
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2 55 1808.218 Seit, 8
„..1843..26°% Ko Le Abhandl, 69
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1845. 165° ", Rs. nebat]
3 R 528, meteorol. Beob.|, /
20282, 1846, 320 Seit.4°. nebst
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Date Due
APR 15 1936