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Full text of "Jahresberichte für neuere deutsche Literaturgeschichte"

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JAHKESBERICHTE 


PÜE 


NEUERE 


DEUTSCHE  LITTERÄTÜReESCHICHTE 


UNTER  STANDIGER  MITWIRKUNG  VON 


J.  BOLTE,  W.  CEEIZENACH,  G.  J^LLINGEK,  E.  ELSTER,  L.  GEIGER,  0.  HARNACK, 
A.  HEUSLER,  G.  KAWEKAU,  K.  KEHRBACH,  K.  KOCHENDOERFFER,  A.  KOESTER, 
E.  KUEHNEMANN,  RUD.  LEHMANN,  R.  M.  MEYER,  V.  MICHELS,  F.  MUNCKER, 
E.  NAUMANN,  0.  PNIOWER,  A.  REIFFERSCHEID,  G.  ROETHE,  A.  SAUER, 
P.  SCHLENTHER,  ERICH  SCHMIDT,  A.  E.  SCHOENBACH,  EDW.  SCHROEDER, 
G.  STEINHAUSEN,  PH.  STRAUCH,  V.  VALENTIN,  M.  VON  WALDBERG,  0.  F.  WALZEI;, 
A.  VON  WEILEN,  H.  WELTI,  R.  M.  WERNER 

HERAUSGEGEBEN 
VON 

JULIUS  ELIAS,  MAX  HERRMANN,  SIEGFRIED  SZAMATÖLSKI. 


ERSTER  BAND  (JAHR  1890). 


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STUTTGART. 

G.  J.  GÖSCHEN'SCHE  VERLAGSHANDLUNG. 

1892. 


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i_7ie  neue  deutsche  Litteratur,  so  reich,  so  blühend  und  mannigfaltig,  nahm 
sich  meist  überall  in  den  Geschichtswerken  wie  ein  steriles  Feld  aus,  auf  dem  nichts 
zu  erbeuten  war;  denn  hier,  wo  aus  den  Quellen  unmittelbar  zu  forschen  und  zu 
urteilen  war,  wo  noch  kein  vermittelnder  Forscher  die  Urteile  an  die  Hand  gab,  hier 
wusste  sich  niemand  zu  helfen."  So  schrieb  Gervinus,  als  er  im  Jahre  1835  seine 
„Geschichte  der  poetischen  National -Litteratur  der  Deutschen"  herausgab.  Diese 
damals  nur  allzu  begründete  Klage  ist  in  unseren  Tagen  völlig  gegenstandslos  geworden: 
deim  schnell  wie  nur  irgend  eine  der  modernen  Naturwissenschaften  ist  die  Beschäftigung 
mit  der  neueren  deutschen  Litteratur  zur  Wissenschaft  geworden,  und  zumal  mit  der 
Erfüllung  des  deutschen  Einheitstraumes  nahm  sie  kräftigen  Aufschwung.  Seit  jener  Zeit 
ist  die  Gleichberechtigung  dieser  jüngsten  Geisteswissenschaft  mit  anderen  Gebieten  der 
Forschung  äusserlich  dadurch  anerkaiuit  worden,  dass  man  für  ihre  Vertreter  an  den 
Hochschulen  eigene  Lehrstühle  errichtete.  Dem  entsprechend  nimmt  die  litterarische 
Bethätigung  von  Jahr  zu  Jahr  an  Ausdehnung  zu;  umfassende  Darstellungen  werden 
unternommen,  ganz  besonders  aber  regt  sich  der  Eifer  für  den  Anbau  der  Einzelgebiete, 
die  durch  Monographien  und  Quellenerneuerungen  zugänglich  gemacht  werden. 

Die  selbständig  gewordene  Wissenschaft  bedarf  selbständiger  Organe,  um  ihr 
Dasein  zu  bekräftigen  und  sich  ihre  Entwicklung  zu  sichern.  Nun  besitzt  zwar  die 
neuere  deutsche  Litteraturforschung  Zeitschriften,  die  durch  Darstellungen  und  einzelne 
Recensionen  produktiv  wirken,  dagegen  fehlt  es  an  der  notwendigen  Ergänzung,  das 
heisst,  an  einem  kritisch  berichtenden  Organ,  das  über  die  Fortschritte  auf  dem 
Gesamtgebiete  unserer  schon  von  dem  modernen  Specialisierungstrieb  erfassten  Wissen- 
schaft periodisch  unterrichtet.  Der  Ersatz,  den  das  in  der  „Zeitschrift  für  deutsches 
Altertum"  seit  längerer  Zeit  durch  Prof.  Philipp  Strauch  veröffentlichte  „Verzeichnis 
der  auf  dem  Gebiete  der  neueren  deutschen  Litteratur  erschienenen  wissenschaftlichen 
Publikationen"  geboten  hat,  durfte  trotz  schätzenswerter  Eigenschaften  doch  nur  als 
vorläufiges  Auskunftsmittel  betrachtet  werden,  wie  gelegentlich  schon  Prof.  August  Sauer 
für  eine  Erweiterung  des  Planes  eintrat;  beschränkte  die  Arbeit  sich  doch  durchaus 
auf  eine  Liste  der  Erscheinungen  und  zwar  nur  derjenigen,  welche  die  Litteratur  seit 
Opitz  betreffen.  Jenem  allseitig  schwer  empfundenen  Mangel  sollen  endgültig  die 
„Jahresberichte  für  neuere  deutsche  Litteraturgeschichte"  begegnen,  deren  ersten  Band 
wir  hiermit  vorlegen. 

Verschiedene  Nachbargebiete  konnten  ähnlich  geartete  Unternehmungen  als 
Muster  gewähren.  Lidessen  kam  doch  die  Mehrzahl  für  uns  nicht  in  Betracht,  weil  die 
einen  sich  als  blosse  Aneinanderreihung  von  Recensionen  geben  durften,  die  andern 
sich  im  wesentlichen  auf  bibliographische  Darstellung    beschränken  mussten;    auch    der 

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IV 

zum  kleinen  Teil  stoffverwandte  „Jahresbericht  über  die  Erscheinungen  auf  dem  Gebiete 
der    germanischen  Philologie"    steht    als    wissenschaftlicher    catalogue    raisonne   unsem 
Zielen  durchaus  fern.     Es  bUeb  J.  Jastrows  vorzüglich    organisierter  „Jahresbericht  für  I 
Geschichtswissenschaft"   als  wegweisendes  Vorbild;    darüber  hinaus   jedoch  dürfen  wir  ; 
eine    reichere     und     charakteristischere    Darstellung    bieten,     da    uns    nicht    wie   jenes 
Werk  der  Raummangel  fortwährend  zur  Beschränkung  nötigt.     So  soll   denn  durch  die 
„Jahresberichte  für  neuere  deutsche  Litteraturgeschichte"  in  übersichtlich  angeordneten 
und  innerhch  zusammenhängenden  Abschnitten    festgestellt  werden,    welche  Leistungen 
nicht  nur  in  Büchern,  sondern  auch  in  Aufsätzen,  Artikeln  uiid  Kritiken  hervorgetreten  | 
sind,  und  was  sie  enthalten  an  Neuem  und  Wertvollem. 

Wenn  man  nun  ferner  erwägt,  dass  die  Litteraturgeschichte  auf  die  Teilnahme 
weiter  Kreise  mehr  rechnen  kann  als  die  übrigen  Fachwissenschaften,  so  dürfen  die 
neuen  Jahresberichte  darauf  zählen,  dass  sie  nicht  nur  dem  strengen  Specialisten  ein 
Hand-  und  Hilfsbuch,  ein  Quellenwerk  für  jetzt  und  immer  bilden  werden,  sondern 
dass  sie  auch  dem  Schulmann,  dem  populären  Schriftsteller  und  dem  Studenten  als  ein 
unentbehrlicher  Leitfaden  gelten  und  besonders  dem  gebildeten  Publikum  Anregung 
und  Genuss  gewähren  können.  Ihnen  allen  wird  hier  alljährlich  ein  aus  der  Einzel- 
forschung zusammengesetztes,  lebenerfülltes  Mosaikbild  der  deutschen  Litteraturgeschichte 
geboten. 

Zuversichtlich  hoffen  wir,  dass  schon  der  erste  Band  den  bedeutenden  praktischen 
Nutzen,  ja  die  Unentbehrlichkeit  des  neuen  Unternehmens  überzeugend  darthun  wird. 
Man  wird  künftighin  sich  nicht  mehr  vergeblich  nach  einem  geeigneten  Eülirer  durch 
das  w^eitgedehnte  Eorschungsfeld  umsehen,  in  mühsamen  und  doch  nicht  vollständigen 
Kollektaneen  das  verstreute  Material  zusammenstellen,  nach  schwer  zugänglichen  und 
doch  vielfach  mangelhaften  Bücherkatalogen  und  entlegenen  Zeitschriften-  und  Zeitungs- 
bänden greifen  müssen,  in  denen  so  oft  wertvolles  litterarisches  Gut  wie  vergraben 
liegt.  Doch  über  diesen  Sammeldienst  hinaus,  der  den  ganzen  Stoff  ungeschieden  auf 
eine  Stelle  trägt,  hat  das  neue  Organ  die  wichtigere  Aufgabe  zu  erfüllen,  einerseits  das 
Wertlose  als  solches  zu  kennzeichnen  und  dem  Arbeitenden  viele  unfruchtbare  Mühe  zu 
ersparen,  andrerseits  in  kritischem  Referate  das  Neue  und  Fördernde  der  behandelten 
Schriften  und  Aufsätze  scharf  herauszuheben. 

Nicht  minder  zuversichtlich  aber  hoffen  wir,  dass  neben  dem  praktischen  Nutzen 
für  den  Leser  auch  der  ideale  Nutzen  für  die  Wissenschaft  nicht  ausbleiben,  dass  unser 
receptives  Organ  sich  in  bestimmtem  Sinne  auch  als  ein  produktives  erweisen,  dass  der 
Sammelpunkt  früherer  Forschung  fort  und  fort  den  Ausgangspunkt  für  neue  Forschung 
bilden  werde. 

Um  so  hoch  gesteckten  Zielen  zustreben  zu  dürfen,  schien  es  uns  unbedingt, 
erforderlich,  den  Bericht  über  jedes  Einzelgebiet  in  die  Hand  des  zuständigen  Fach- 
mannes zu  legen;  denn  nur  dem  wird  man  das  Recht  der  Entscheidung  über  Gut  luid 
Schlecht,  über  Alt  und  Neu  zuerkeinien,  der  sein  Urteil  aus  der  Quelle  reicher  und 
ausgiebiger  Specialkenntnisse  zu  schöpfen  vermag.  Andrerseits  aber  musste  die 
Redaktio;i  bestrebt  sein,  auf  die  einheitliche  Gestaltung  des  Gesamtbildes  ganz 
besonders  hinzuwirken  und  die  im  Beginne  unvermeidlichen  formellen  Unterschiede  der 
Berichte  nach  Möglichkeit  auszugleichen.  Unberührt  blieb  dagegen  die  innere  geistige 
Mannigfaltigkeit  der  einzelnen  Teile,  die  allein  ein  vollkommen  parteiloses  Gesamt- 
urteil anzubahnen  vermag.  Hieraus  ergiebt  sich  schon,  dass  auch  in  Hinsicht  auf 
die  Raumverteilung  unbedingte  Gleichheit  nicht  erstrebt  werden  kann  und  soll;  auch 
wird  die  verschiedene  Bedeutung,  welche   die    einzelnen    Berichtsfelder   für    das  Ganze 


haben,  Unterschiede  im  Umfang  immer  gerechtfertigt  erscheinen  lassen:  Methodik  etwa  und 
Poetik  wird  stets  mehr  Platz  beanspruchen  dürfen  als  z.  B.  Kulturgeschichte,  selbst  dann, 
wenn  für  diesen  Abschnitt  das  Material  sich  vollständiger  als  dieses  Mal  wird  zusammen- 
bringen lassen. 

Solche  Mängel  der  Stoffsammlung  werden  übrigens  in  Zukunft  immer  weniger 
hervortreten,  da  die  Eedaktion,  unabhängig  von  der  bibliographischen  Thätigkeit  der 
einzelnen  Mitarbeiter,  eine  systematisch  durchgeführte  Sammelarbeit  ins  Werk  gesetzt 
hat.  Pur  den  vorliegenden  Jalu-gang  sind  wir,  wenigstens  in  Bezug  auf  den  zweiten 
Halbband,  Herrn  Prof.  Strauch  für  die  Ueberlassung  seiner  ungedruckten  Bibliographie 
des  Jahres  1890  zu  aufrichtigem  Danke  verpflichtet,  den  wir  auf  seinen  stülen  Mitarbeiter, 
Herrn  Dr.  G.  Wolff,   ausdehnen. 

Aber  auch  hinsichtlich  ganzer  Abschnitte  hatten  wir  für  das  erste  Jahr  mit 
Schwierigkeiten  zu  kämpfen.  Unser  Goetheteil,  der  überhaupt  nur  eine  vorläufige  Organi- 
sation erfuhr,  hat  durch  Gustav  von  Loepers  Tod  einen  besonders  schweren  Verlust 
erlitten,  zumal  Herr  Prof.  Ludwig  Geiger  nur  einen  raschen  Ersatz  bringen  konnte.  An 
des  erkrankten  Karl  Redlich  Stelle  trat  Herr  Prof.  Erich  Schmidt,  um  über  die  Lessing- 
forschung der  Jahre  1890/1  im  zweiten  Bande  zu  berichten.  Ebenso  wird  Herr  Dr.  Heusler 
im  nächsten  Jahre  ein  Doppelkapitel  über  Metrik  liefern.  Der  Beitrag  des  Herrn  Prof. 
Edward  Schröder  über  Geschichte  der  neuhochdeutschen  Sclu-iftsprache  ist  nicht  fertig 
geworden.  Unter  den  für  das  nächste  Jahr  vorbereiteten  Veränderungen  sind  hervor- 
zuheben die  Abtrennung  eines  besonderen  Kapitels  für  die  Theatergeschichte  des  letzten 
Zeitraums,  das  die  Herren  Dr.  Paul  Schienther  und  Dr.  Heinrich  Welti  besorgen  werden, 
und  die  Übernahme  eines  eigenen  Grillparzerberichts  für  die  Jubiläumslitteratur  diirch 
Herrn  Prof.  August  Sauer.  Vor  allem  aber  hoffen  wir,  dass  fernerhin,  nachdem  Mit- 
arbeiter, Redaktion  und  Druckerei  sich  dem  eigenartigen  Betriebe  angepasst  haben, 
der  zeitliche  Abstand  zwischen  Erscheinungsjahr  und  Bericht  sich  mehr  und  mehr 
verringern  wird. 

Die  formale  Gesamtanlage  der  Berichte,  die  durch  einige  dem  Schlüsse  des  ganzen 
Bandes  angefügte  Bemerkungen  im  einzelnen  erläutert  wird,  läuft  auf  eine  strenge 
Scheidung  des  Textes  und  der  Schriftentitel  hinaus,  so  dass  die  Lektüre  der  Darstellung 
durch  keine  Aeusserlichkeiten  gestört  wird  und  andrerseits  die  bibliogi'aphischen 
Angaben  in  den  Anmerkungen  unter  dem  Texte  abgeschlossen  und  in  genauer  Uebersicht- 
lichkeit  bei  einander  sind,  Bedeutend  erleichtert  wird  die  Benutzung  des  Werkes  ferner 
durch  ein  jedem  Jahrgang  beigegebenes,  in  gleicher  Vollständigkeit  von  keinem 
verwandten  Unternehmen  gebotenes  Doppelregister,  das  auch  verstreute  und  doch  zu 
einander  gehörige  Porschungsresultate  zusammenrückt;  deutlicher  vielleicht  noch  als  das 
allgemeine  Lihaltsverzeichnis  werden  diese  Listen  zeigen,  dass  auch  die  Vertreter  anderer 
Wissenschaftsgebiete  nicht  selten  mit  Nutzen  zu  unseren  Jahresberichten  greifen  werden. 
Der  Stoff  als  solcher  ist  in  drei  den  grossen  litterarischen  Epochen  entsprechende  Haupt- 
gruppen geteilt,  die  in  sich  wieder  nach  Litteraturgattungen  geschiedene  Untergruppen 
umfassen  und  daneben  führende  Geister  besonders  herausheben.  Voran  aber  stellt  sich 
ein  allgemeiner  Abschnitt,  der  im  Anschluss  an  einen  Bericht  über  Methodenlehre  und 
allgemeine  Litteraturgeschichte  die  zu  unseren  Studien  gehörigen  Teil-  und  Grenzwissen- 
schaften in  acht  Kapiteln  behandelt:  zur  Geschichte  der  neuhochdeutschen  Schriftsprache, 
der  Metrik  und  der  germanischen  Philologie  gesellen  sich  Kulturgeschichte,  Unterrichts- 
geschichte und  ein  Bericht  über  das  Schrift-  und  Buchwesen;  das  Kapitel  „Poetik" 
wird  die  ältesten  und  die  modernsten  Bestrebungen  auf  ästhetischem  Gebiete  berücksichtigen, 
und   ein  eigener  Abschnitt,    betitelt    „Litteratiu-    in    der    Schule"    wird    eingehend    und 


VI 

aufmerksam  die  Fortschritte  begleiten,  welche  eine   weite  Kreise   aufrührende  Zeitfrage 
ihrer  Lösung  entgegenführen. 

Und  so  wird  denn  in  unseren  Bänden  Jahr  um  Jahr  die  gesamte  Geschichte 
der  neueren  deutschen  Litteratur  sich  aufrollen:  von  der  Mitte  des  fünfzehnten  Jahr- 
hunderts an,  da  die  mittelalterliche  Welt  abstirbt  und  die  frische  Volkstümlichkeit  des 
Bürgertums  in  Verbindung  mit  dem  Humanismus  und  Gutenbergs  umwälzender  Kunst 
die  moderne  Litteratur  hervorbringt,  bis  zu  unseren  Tagen,  da  sich  auch  wieder  wie  so 
manches  Mal  im  Verlauf  der  Zwischenzeiten  ein  Neues  regen  will.  Denn  wir  dürfen 
mit  dem  Dogma  brechen,  dass  die  Torschung  nur  bis  zum  Tode  Goethes  führe:  die 
Forschung  schreitet  über  diesen  Markstein  hinaus  in  sicheren  Bahnen  weiter,  und  ihre 
Wege  sind  die  unsrigen. 

Berlin,  am  18.  Oktober  1892. 

W.  Matthäikirchstr.  4. 


JULIUS  ELIAS.     MAX  HERRMANN.     SIEGFRIED  SZAMATOLSKL 


Inhaltsverzeichnis. 

Erster  Halbband. 

I.    Allgemeiner  Teil. 


1.  Litteraturgeschichte.   Von  Dr.  Max  Herrmann,  Privatdocent  an  der 

Universität  Berlin,  und  Dr.  Siegfried  Szamatölski  in  Berlin  .     .       S.     1 — 8 

Methodisches  N.  1.  —  Studium  N.  6.  —  Gesamtdarstellungen  N.  8.  —  Verschiedenes  N.  13.  — 

2.  Geschichte    der    deutschen    Philologie.     Von    Regierungsrat  Dr. 

Anton  E.  Schönbach,  Professor  an  der  Universität  Graz     ...       S.  8 — 13 

^Prähistorische  Zeit":  Schilter  und  Seherz  N.  1;  Heliandforschung  N.  4.  —  Die  Brüder  Grimm:  Briefwechsel  mit 
Benecke  N.  5 ;  Jakob  G.s  Kleinere  Schriften  Bd.  8  N.  6.  —  K.  H.  G.  v.  Meusehach  N.  6a.  —  Lexikographie :  das  Deutsche  Wörter- 
buch N.  7;  Andreas  Schmeller  N.  10;  Verschiedenes  N.  11.  —  Wilhelm  Scherer  N.  16.  —  Wilhelm  Crecelius  N.  18.  —  Linguistik: 
August  Schleieher  N.  19.  —  Litterarhistoriker:  Johannes  Scherr  N.  20;  Julian  Schmidt  N.  21;  Richard  Gosche  N.  22.  — 

3.  Poetik  und  ihre  Geschichte.     Von  Dr.  Richard  Maria  Werner, 

Professor  an  der  Universität  Lemberg S.  13 — 36 

Geschichte  der  Poetik  und  Aesthetik:  Sacer  N.  3.  —  Gottsched  und  die  Schweizer  N.  4.  —  Gravina 
N.  6.  -  Kant  N.  11.  —  Schiller  N.  15.  —  Aesthetik  seit  Kant  N.  16.  -  Grillparzer  N.  18.  —  Lotze  N.  20.  —  Vischer  N.  22. 

—  Deduktive  Poetik:  Theoretische  Arbeiten  N.  25.  —  Praktische  Zwecke  N.  32.  —  Induktive  Poetik:  Historisch- 
psychologische Methode  im  allgemeinen  N.  35.  —  Physiologie  der  Lyrik  N.  36.  —  Dramatische  Charaktere  N.  42.  —  Moderne 
Aesthetik  und  ihre  Ergebnisse  für  die  Poetik:  Methode:  die  evolutionistische  Theorie  N.  57.  —  Aesthetik  und 
Naturwissenschaft  N.  61.  —  Aesthetik  und  Grammatik  N.  64.  —  Ergebnisse:  Allgemeines  N.  68 ;  Schön  und  hässlich  N.  70; 
das  ästhetische  Gefallen  N.  82.  —  Das  Genie  N.  84;  das  dichterische  Schaffen  N.  88.  —  Einzelne  Begriffe:  Geschmack- 
voll N.  100;  Stilvoll  N.  101;  Allgemein  menschlich  N.  103;  AUegorisch  N.  109;  Tragisch  N.  111;  Tendenziös  N.  112;  Plagiat 
N.  117.  —  Der  Naturalismus  N.  118.  — 

4.  Schrift-  und  Buchwesen.     Von  Dr.  Karl  Kochendörffer,  Kustos 

an  der  Universitätsbibliothek  Marburg S.  37 — 44 

Schrift wesen:  Paläographie  und  Verwandtes  N.  1.  —  Stenographie  N.  3.  —  Handschriftenkataloge  N.  5.  — 
Autographen  N.  10.  —  Buchwesen:  Erfindung  des  Buchdrucks  N.  15.  —  Buchdruckergeschichte  N.  32.  —  Inkunabeln  N.  49. 

—  Bibliotheken  N.  53.  —  Bibliographie  N.  75.  —  Buchhandel  N.  90.  —  Bucheinband  N.  105.  — 

5.  Kulturgeschichte.     Von  Dr.  Richard  M.   Meyer,  Privatdocent  an 

der  Universität  Berlin S.  44^ — 54 

Aufgabe.  —  Allgemeine  Kulturgeschichte:  Allgemeine  Darstellungen  N.  1.  —  Sachlich  spezialisierte  Ar- 
beiten N.  7.  —  Sachlich  und  zeitlich  spezialisierte  Arbeiten  N.  11.  —  Mythologie  und  Volkskunde  N.  13.  —  Angewandte 
Kulturgeschichte  N.  39.  —  Spezielle  Kulturgeschichte:  Tiere  und  Pflanzen  N.  54.  —  Sitten,  Feste  und  Gebräuche 
N.  59.  —  Lokalstudien:  grössere  Gebiete  N.  74;  Städte  N.  84;  geistliche  Stiftungen  N.  94;  Stadt-  und  Landadel  N.  100;  Ein- 
zelnes N.  102.  —  Ständisch  spezialisierte  Arbeiten  N.  108.  —  Persönlichkeiten  N.  119.  —  Schlusswort.  — 

6.  Geschichte    des    Unterrichtswesens.     Von  Dr.   Karl  Kehrbach 

in  Berlin S.  55—66 

Geschichte  der  Pädagogik:  Gesamtdarstellungen  N..1.  —  Methodik  N.  4.  —  Einzelne  Pädagogen  und  ihre 
Theorien  N.  7.  —  Diesterweg  N.  31.  —  Prinzenerziehung  N.  53.  —  Geschichte  der  Unterriohtsanstalten:  Urkunden- 
publikationen: Schulordnungen  N.  55.  —  Matrikeln  N.  69.  —  Darstellungen:  Universitäten:  Gesamtgeschichte  N.  61; 
Einzelbeiträge  N.  66.  —  Akademien  N.  73.  —  Gymnasien  N.  74.  —  Volksschulen  N.  90.  — 

7.  Die  Litteratur  in  der  Schule.    Von  Dr.  Rudolf  Lehmann,  Ober- 

lehrer am  Luisenstädtischen  Gymnasium  zu  Berlin S.  67 — 77 

Allgemeines  und  Methodologisches:  Allgemeines  über  die  Ziele  des  Unterrichts  N.  1.  —  Methodik  N.  4.  — 
Methodische  Erläuterungsschriften  N.  6.  —  Programme  N.  8;  Zeitschriften  N.  14;  Versammlungsberichte  N.  18.  —  Hilfs- 
mittel für  den  Unterricht:  Lesebücher  und  Anthologien  N.  23.  —  Schulausgaben  N.  33.  —  Hilfsmittel  für  die  Präparation 
N.  77.  —  Leitfaden  für  Litteraturgeschichte  und  Poetik  N.  80.  — 


VIII  Iiihaltsverzeiclmis. 

8.  Geschichte    der    neuhochdeutschen    Schriftsprache.     Von    Dr. 

Edward  Schröder,  Professor  an  der  Universität  Marburg. 

S.  Bd.  2  der  JBL. 

9.  Geschichte     der    Metrik.      Von    Dr.    Andreas    Heusler,    Privat- 

docent  an  der  Universität  Berhn. 

S.  Bd.  2  der  JBL. 


IL    Von  der  Mitte  des  15.  bis  zum  Anfang  des 
17.  Jahrhunderts. 


1.  Allgemeines.    Von  Dr.  Max  Herrmann,  Privatdocent  an  der  Uni- 

versität Berlin,  und  Dr.  Siegfried  Szamatölski  in  Berlin    .     .         S.  78 — 86 

Allgemeine  Geschichte  N.  1.  —  Bibliographisches  N.  12.  —  Wissenschaft  und  Kunst  N.  17.  — 

2.  Lyrik.     Von  Dr.  Georg  Ellin ger,  Oberlehrer  an  der  6.  Städtischen 

Realschule  zu  Berlin S.  86 — 91 

Geistliche  Lyrik:  Gesangbücher  N.  1.  —  Einzelne  Lieder  N.  6.  —  Biographien:  Rutilius,  Sattler,  Schalling 
N.  10.  —  Meistergesang:  Puschmanns  Meistergesangbuch  N.  13.  —  Biographien:  Schechuer,  Schilher,  Schleich  N.  14.  — 
Weltliche  Lyrik:  Volkslied:  Gesamtcharakteristik  N.  17.  —  Einzeluntersuchung  N.  19.  —  Sammlungen  N.  23.  —  Einzel- 
beiträge: Reine  Volkslieder  N.  24;  Totentanz  N.  32;  erzahlende  Lieder  N.  35;  geschichtliche  Lieder  N.  36.  —  Stoifgruppen  N.  38.  — 
Unbekannte  Ausgaben  N".  40.  —  Kunstmässige  Lieder  N.  43.  —  Gesamtbeurteilung  N.  46.  — 

3.  Epos.     Von    Dr.    Philipp    Strauch,    Professor    an    der   Universität 

Tübingen S.  91—98 

Heldensage:  Siegfriedslied  N.  1.  —  Höfischer  Roman:  FUetrer  N.  3.  —  Geschichtliehe  Dichtung:  Schwabenkrieg 
N.  6.  —  Erzählung:  Rosenblüt  N.  7;  H.  t.  Sachsenheim  N.  9.  —  Legende:  Genovefa  N.  12;  S.  Nemo  N.  13.  —  Schwank- 
bücher: Kalenberger,  Peter  Leu  N.  15;  N.  Fuchs  N.  16.  —  Reinke  de  Vos  N.  17.  —  Michael  Lindener  N.  19.  —  Fischart 
N.  20.  —  Volksbücher :  Schildbürgerbuch  N.  25 ;  Faustsage  N.  26.  — 

4.  Drama.    Von  Dr.  Johannes  Bolte,  Oberlehrer  am  Königstädtischen 

Gymnasium  zu  Berlin S.  98 — 101 

Allgemeines  N.  1.  —  Mysterien  N.  6.  —  Fastnachtspiel  N.  10.  —  Einzelne  Dramatiker:  Schweiz  N.  11;  Hessen, 
Sachsen  (Lutherstücke)  N.  16;  Schwaben,  Franken  (Hans  Sachs),  Bayern,  Württemberg  N.  25;  Oesterreich  N.  37;  Nieder- 
deutschland N.  40.  —  Musik  N.  47.  — 

5.  Didaktik.     Von  Dr.  Gustav  Roethe,   Professor  an  der  Universität 

Göttingen S.  101—108 

Geistliche  Didaktik:  Auswahl  N.  1.  —  Dichtungen  N.  3.  —  Prosa  N.  7.  —  Weltliche  Didaktik;  Gedichte 
aus  dem  15.  Jh.  N.  11.  —  Sprüche  und  Sprichwörter  N.  14.  —  Satire  N.  25.  —  Kalender,  Arzneibücher,  Erdbebenlitteratur 
N.  35.  —  Loosbücher  und  Rätsel  N.  42.  —  Moralisten  N.  44.  —  Dürer  N.  46.  —  Lereheimer  N.  47.  — 

6.  Luther.     Von  Dr.  Gustav  Kawerau,    Professor  an  der  Universität 

Kiel S.  108—116 

Ausgaben  N.  1.  —  Neue  Funde:  Glossen  zu  Augustinus  N.  8.  —  Traktate,  Thesen,  Predigten  N.  9.  — 
Werke:  Briefe  N.  13.  —  Streitschriften  N.  14.  —  Taufliturgie  N.  17.  —  Lieder  N.  18.  —  Thesen  N.  20.  —  Bibelübersetzung 
N.  23.  —  Schriftauslegung  N.  29.  —  Katechismus  N.  30.  —  Verhältnis  zu  Zeitgenossen  und  Zeitfragen:  Fürsten 
N.  33.  —  Humanisten  N.  35.  —  Armen-  und  Gesundheitspflege  N.  38.  —  Socialpolitik  N.  41.  —  Bibel  und  Kirche  N.  42.  — 
Gesamtbeurteilung:  Angriffe  im  allgemeinen  N.  45.  —  „Selbstmord"  N.  66.  —  Abwehr  N.  70.  —  Luther  und  Goethe  N.  73.  — 

7.  Reformationslitteratur.     Von  Dr.  Victor  Michels  in   Göttingen     S.  117 — 121 

Allgemeineres:  Gesamtdarstellungen  N.  1.  —  Unterströmungon  N.  9.  —  Lokal  Umgrenztes:  Nürnberg 
Wertheim  u.  a.  N.  20.  —  Preussen  N.  34.  —  Darstellungen  unter  litterarisehen  Gesichtspunkten:  Katechismus- 
litteratur  N.  35.  —  Der  christliche  Ritter  N.  37.  —  Einzelne  Wortführer:  Protestanten:  Melanchthon  N.  38;  Zwingli  und 
Oekolampadius  N.  45;  Mathesins  N.  47;  Bugenhagen  N.  50;  Rothmann,  Andreae  u.  a.  N.  56.  —  Katholiken:  Murner  N.  66; 
Eraser  N.  69;  Wimpina  N.  71;  Cochlaous  N.  73.  — 

8.  Humanisten  und  Neulateiner.    Von  Dr.  Max  Herrmann,  Privat- 

docent an  der  Universität  Berlin,  und  Dr.  Siegfried  Szamatölski 

in  Berlin S.  121—136 

Allgemeines:  Lokale  Gesichtspunkte  N.  2;  Leben  N.  5;  Wissenschaft  N.  6.  —  Erasmus  N.  20.  —  Reuchlin  N.  21. 
-  Kutten  N.  24.  —  Lyrik  N.  30.  —  Epos  N.  41.  —  Drama  N.  48.  —  Didaktik  N.  55.  — 


I 


Inhaltsverzeichnis.  IX 

Zweiter  Kalbbaud. 

III.  Vom  Anfang"  des  17.  bis  zur  Mitte  des  18.  Jahrhunderts. 

1.  Allgemeines.     Von  Dr.  Alexander  Reifferscheid,  Professor  an  der 

Universität  Greifswald S.  1 — 8 

Politische  und  wirtschaftliche  Verhältnisse  N.  1.  —  Geistesleben  N.  6.  —  Gesellschaftliche  Zustände:  Gespräch- 
spiele N.  8;  die  Frauen  N.  9.  —  Poetischer  Stil  N.  12.  — 

2.  Lyrik.     Von  Dr.  Max  Freiherrn   von  Waldberg,   Professor   an  der 

Universität  Heidelberg S.  8 — 15 

Bibliographisches  N.  1.  —  Aelteres  Volkslied:  Fortleben  N.  2.  —  Uebergang  in  das  Kunstlied  N.  20.  —  Kuust- 
dichtung  der  Renaissancelyriker:  Opitz  N.  26.  —  Fleming  N.  28.  —  Simon  Dach  N.  33.  —  Andreas  Tscherning  N.  34. 

—  Petrus  Mederu3  N.  35.  —  J.  Eist  und  Georg  Strube  N.  36.  —  Georg  Greflinger  N.  39.  —  H.  H.  Scher  N.  40.  —  David 
Schirmer  N.  41.  —    W.  Seherifer  v.  SeherfFeustein  N.  42.   —   Ph.  v.  Zeaen    N.  43.  —  J.  H.  Schein  N.  44.  —  Schwieger  N.  45. 

—  Antike  Motive  N.  46.  —  G.  W.  Saeer  N.  47.  —  Geistliche  Lyrik:  Christoph  Jäger  N.  48.  —  M.  Rinckhart  N.  49.  — 
Paul  Gerhard  N.  51.  —  Friedrich  Spee  N.  52.  —  M.  Schirmer,  J.  H.  Schellenbauer,  G.  B.  Scharff,  ,1.  Schaitberger  und  J.  G. 
Schärft"  N.  53.  —  J.  L.  v.  Caprivi  N.  58.  —    Die   zweite    schlesische    Schule    und    ihre   Gegner:  Graf  Hrandis  N.  60. 

—  Ch.  Günther  N.  61.  —  J.  S.  Scholze  (Sperontes)  N.  62.  —  Das  Volkslied  im  17.  und  beginnenden  18.  Jh.:  Jahr- 
marktslied N.  63.  —  Historische  Lieder  N.  64.  —  Volkslieder  vom  Doktor  Faust  N.  65.  — 

3.  Epos.         Von  Dr.  Julius  Elias  in  Berlin S.  15—18 

Zur  Amadis-Litteratur  N.  1.  —  Der  Romeo  und  Julia-Stoff  N.  2.  —  Flugblätter  N.  4.  —  Simplicius  Simplieissimus, 
Herzog  Anton  Ulrich,  Sibylla  Ursula  von  Braunschweig  N.  8.  —  Georg  Strube  N.  10.  — 

4.  Drama.     Von  Dr.  Wilhelm  Creizenach,  Professor  an  der  Universität 

Krakau S.  18—25 

Biblisches  Drama  und  Totentanz  N.  1.  —  Englische  Komödianten  und  Hamlet  in  Deutsehland  N.  4.  —  Opitz  als 
Dramatiker  N.  7.  —  Aufführungen  in  Königsberg,  Dresden  und  Bern  N.  9.  —  Christian  Reuter  N.  16.  —  Hallmann  N.  17.  — 
Frisch  N.  18.  —  Theatergeschichte  einzelner  Städte:  Rostock  und  Stuttgart  N.  19.  —  Hamburger  Oper  N.  21.  —  Beziehungen 
zum  Ausland  N.  23.  —  Volksschauspiel  vom  Doktor  Faust  und  Puppenkomödien  N.  26.  —  Komische  Figur  N.  32.  —  Ober- 
ammergauer  Passionsspiel  N.  37a.  — 

5.  Didaktik.     Von  Dr.  Julius  Elias  in  Berlin S.  25—32 

Religiöse  Bestrebungen:  Leibniz  und  Antoinette  Bourignon  N.  1.  —  Zinzendorf  N.  2.  —  Sprachgesell- 
schaften: Zesen  N.  7.  —  Pegnesischer  Blumenorden  N.  8.  —  Satiriker:  Moscherosch  N.  10.  —  Lauremberg  N.  12.  — 
Schupp  N.  13.  —  Abraham  a  St.  Clara  N.  15.  —  Streit  der  drei  Brüder  N.  19.  —  Nicotianische  Policei  N.  20.  —  Epigramma- 
tiker: Grob  N.  23.  —  Wernicke  N.  24.  —  Verschiedenes:  Sprichwörter  N.  25.  —  Anekdoten  N.  30.  —  Reisebiicher  N.  31.  — 


IV.  Von  der  Mitte  des  18.  Jahrhunderts  bis  zur  Gegenwart. 

1.  Allgemeines.     Von    Dr.   Gustav  Roethe,    Professor  an  der  Uni- 

versität Göttingen S.  33 — 54 

Allgemeines:  Litteraturgeschichte  N.  1.  —  Moderne  Belletristik  N.  4.  —  Anthologien  N.  8.  —  Politische 
Geschichte  N.  10.  —  Geschichte  geistiger  Strömungen:  Allgemeines  N.  15;  NationalgefUhl  N.  22;  Philosophie  N.  27; 
Religiöses  N.  32.  —  Einzeldarstellung  und  Einzelf  ors  chuug:  Methodische  Bemerkungen  N.  34.  —  Gesammelte 
Aufsätze  N.  39.  —  Quellen:  Autographen  und  Handschriften  N.  44;  Briefwechsel  N.  49;  Selbstbiographien  N.  56.  —  Lokale 
Litteraturgesehishte :  Oesterreich  und  Wien  N.  64;  SUddeutschland  und  Schweiz  N.  67;  Norddeutschland  N.  71;  Berlin 
N.  77,  Juden  N.  80.  —  Zeitungen:  Allgemeines  N.  85;  Biographien  von  Publizisten  N.  90.  —  Friedrich  der  Grosse  N.  96.  — 
Beziehungen  zu  fremden  Litteraturen:    Antike  N.  108;  Franzosen  N.  109;   Engländer  N.  123;   Dänen  N.  128;   Ungarn  N.  129.  — 

2.  Lyrik.     Von   Dr.  Richard  Maria  Werner,   Professor  an  der  Uni- 

versität Lemberg S.  55 — 74 

Anakreontik  N.  1.  —  Uz  N.  4.  —  Gleim  N.  5.  —  Ewald  N.  7.  —  Chr.  E.  v.  Kleist  N.  8.  —  Karsch  N.  12.  — 
G.  D.  Hartmann  N.  16.  —  Bernold  N.  17.  -  Claudius  N.  20.  —  Bürger  N  30.  —  Schubart  N.  40.  —  Matthisson  N.  48.  — 
Sammlungen  N.  53.  —  Hebel  N.  57.  —  Körner,  Schenkendorf,  Arndt,  Folien  N.  61.  —  Kerner  N.  76.  -  Mörike  N.  80.  — 
Chamisso  N.  91.  —  Gaudy  N.  97.  —  Rückert  N.  99.  —  Platen  N.  125.  —  Schack  N.  126.  —  Freiligrath  N.  128.  —  Lenau  N.  136. 

—  Grillparzer  N.  141.  —  Zedlitz  N.  143.  —  Anastasius  Grün  N.  150.  —  Leitner  N.  156.  —  Frankl  N.  163.  —  Feuchtersieben 
N.  168.  —  J.  Mauthner  N.  170.  —  Wickenburg  N.  172.  —  Tiroler  Dichtung  N.  173.  —  Gilm  N.  179.  —  Pichler  N.  182.  — 
Droste-Hülshoff  N.  184.  —  Spitta  N.  190.  —  Gerok  N.  199.  —  Hoffmann  von  Fallersieben  N.  208.  —  Schneckenburger  N.  215a. 

—  Cornelius  N.  216.  —  Scheftel  N.  217.  —  A.  Stöber  N.  220.  —  F.  Th.  Vischer  N.  223.  —  Richard  Leander  N.  224.  —  Greif 
N.  227.  —  Klaus  Groth  N.  229.  —  Lingg,  Träger,  Liliencron  N.  231.  —  Volkslied  N.  235.  — 

3.  Epos.     Von  Dr.  Oscar  F.  Walzel  in  Wien S.  75—82 

Allgemeine  Darstellungen  N.  1.  —  Geliert  N.  7.  —  Klinger  N.  9.  —  Schlenkert  N.  12.  —  Bürger  N.  13.  — 
Heinse  N.  17.  —  Voss  N.  21.  -  Meyern  N.  27.  —  Jean  Paul  N.  28.  —  H.  v.  Kleist  N.  40.  —  Schilling  N.  48.  —  E.  T.  A.  Hoffmann 
N.  49.  —  Hegner  N  53.  -  Ch.  v.  Schmidt  N.  62.  —  Hauff  N.  66.  —  Folien  N.  76.  —  Rückert  N.  83.  —  Gotthelf,  Auerbach 
Schirges  N.  88.  -  Ferdinand  Schmidt  N.  92.  —  Holtei  N.  94.  —  Scheffel  N.  96.  -  Keller  N.  99.  —  Scherr  N.  103.  — 
Meissner  104.   —   Schlichtkrull,  Wildermuth  N.   109.   —  Reuter  N.    112.   —   Schirmer  N.   120.  —  Hamerling,   Heller   N.  121. 

—  Winterfeld,  Schindler  N.  130.  —  Soheurlin,  H.  v.  Schmidt  N.  132.  —  Schack  N.  134.  —  Heyse,  Ebner  -  Eschenbach, 
Fontuno  N.  135.  — 


X  Inhaltsverzeichnis. 

4.  Drama.     Von    Dr.  Alexander  von  Weilen,    Privatdocent    an    der 

Universität  Wien S.  82—95 

Geschichte  des  Dramas:  Gottsched  und  seine  Zeit:  J.  E.  Schlegel  N.  1;  Hamburgische  Dramatiker  N.  6.  — 
Sturm  und  Drang:  Gemmingen  N.  8;  Leisewitz  N.  10;  Gotter  N.  12;  Lenz  N.  14;  H.  F.  Möller  und  Schink  N.  15.  —  Shake- 
speare in  Deutschland  N.  17.  —  Heimich  von  Kleist  N.  22.  —  Iramermann,  Grabbe,  Schenk,  Pocci,  J.  von  Voss,  Eochlitz, 
Kotzebue  N.  43.  —  Neuere  Zeit:  Dingelstedt,  Schauffert,  Rüge,  Ludwig,  Wehl,  Puttlitz  u.  a.  N.  68.  —  Oesterreichische 
Dramatiker:  Wiener  Volksbühne,  Hensler  N.  34;  Raimund,  Nestroy  N.  97;  Schreyvogol,  Halm  u.  a.  N.  108;  Grillparzer  N.  111; 
Hebbel  N.  130;  Bauernfeld,  Anzengruber  N.  135.  —  Musikalisches  Drama  N.  139.  —  Puppenspiel  und  Volksschauspiel  N.  143. 
—  Theatergeschichte:  Allgemeines  N.  151;  Schröder,  Ackermann,  F.  L.  W.  Meyer  N.  106;  Hamburg  N.  170;  Mannheim 
N.  173;  Köln  N.  174;  Berlin  N.  175;  München  N.  184;  Wien  usw.  N.  191.  —  Dramaturgisches  N.  203.  — 

5.  Theatergeschichte.     Von  Dr.  Paul  Schienther,    Redakteur  der 

Vossischen  Zeitung  in  Berlin,  und  Dr.  Heinrich  Welti  in  Berlin. 

Vgl.  Bd.  2  der  JBL. 

6.  Didaktik.     Von  Dr.  Eugen  Kühnemann  in  Berlin ,    .       S.  95 — 105 

■  Zeit  des  Rationalismus:  Haller  N.  1;  Mendelssohn  N.  2;  Kampf  für  die  Juden  N.  13;  Abbt  N.  15;  Nicolai  und 
Gerstenberg  N.  16;  Westenrieder  N.  18;  Creuz  N.  20.  —  Pädagogik:  Kant  N.  21;  Philantropinismus :  Basedow,  Salzmann  N.  24 ; 
Pestalozzi  N.  32.  —  Uebergangszeit:  Förster  N.  40:  Lichtenberg  N,  44;  Moritz  N.  49;  F.  L.  W.  Meyer  N  51.  —  Die  neue 
deutsche  Bildung:  Kant  und  Schiller  N.  52;  F.  A.  Wolf  N.  54;  W.  v.  Humboldt  N.  55;  Joh.  v.  Müller  N.  59.  —  Bewegungen 
unseres  Jahrhunderts:  Geschichtsphilosophie  N.  61;  Politik:  König,  Kolb  N.  73.  — 

7.  Klopstock.    Von  Dr.  Pranz  Muncker,  Professor  an  der  Universität 

München S.  106—107 

Biographie  N.  1.  —  Verhältnis  zur  Musik  N.  6.  —  Odenpoesie  N.  7.  — 

8.  Wieland.     Von  Dr.  Pranz  Muncker,  Professor  an  der  Universität 

München S.  107—109 

Neue  Funde:  Gedichte  N.  1;  Autocharakteristik  N.  2;  Briefe  N.  5.  —  Ausgaben  N.  12.  —  Forschung:  Geron 
N.  16;  Nachlass  des  Diogenes  N.  17.  — 

9.  L  es  sing.     Von   Dr.   Erich   Schmidt,    Professor  an  der  Universität 

Berlin. 

Vgl.  Bd.  2  der  JBL. 

10.  Herder.     Von    Dr.    Ernst    Naumann,     Oberlehrer    am    Priedrich- 

Wilhelms-Gymnasium  zu  Berlin S.  109 — 111 

Biographisches  N.  1.  —  Geistesleben:  Humanitätsprinzip  N.  3;  Verhältnis  zum  Schulwesen  N.  5;  germanistische 
Studien  N.  6.  —  Werke:  Predigt  N.  9;  neue  Funde  N.  10.  — 

11.  Goethe. 

a.  Allgemeines.     Von  Dr.  Ludwig  Geiger,  Professor  an  der 

Universität  Berlin S.  111—116 

Goethe:  Stellung  in  der  Weltlitteratur  und  im  geistigen  Leben  unserer  Zeit  N.  1.  —  Verhältnis  zur  Philosophie 
und  Pädagogik  N.  11;  zur  Bibel  N.  18;  zu  den  Juden  N.  20;  zur  Politik  N.  24;  zur  Renaissance  N.  26;  zur  bildenden  Kunst 
und  zu  Künstlern  (.Goethebildnisse)  N.  27;  zur  Musik  N.  40;  zum  Ausland  N.  44.  —  Goethewissenschaft  und  Goethe- 
verehrung: Ausland  N.  50.  —  Goethegesellschaft  (Archiv,  Museum,  Goethehaus)  N.  55.  —  Sammelwerke  N.  66.  —  Ausgaben 
N.  73.  —  Denkmale,  Feste  usw.  N.  81.  —  Komposition  N.  92.  — 

b.  Leben.     Von    Dr.   Ludwig  Geiger,    Professor  an  der  Uni- 

versität Berlin S.  116—122 

Vorbemerkung.  —  Autobiographisches:  Dichtung  und  Wahrheit  N.  1.  —  Campagne  in  Frankreich  N.  14.  — 
Tagebücher  N.  15.  —  Briefe  N.  18.  —  Biographie:  Gesamtdarstellungen  N.  35.  —  Biogniphisclie  Einzelheiten  N.  38.  — 
Familie  N.  62.  —  Frauen  N.  84.  —  Beziehungen  zu  Zeitgenossen  N.  91.  — 

c.  Lyrik.     Von  Dr.  Otto  Pniower  in  Berlin S.  122—128 

Ausgaben  N.  1.  —  Neue  Funde:  An  das  Klavier  N.  3.  —  Ghasel  auf  den  Eilfcr  N.  4.  —  Vierzeiler  für  Rosine 
Htftdel  N.  5.  —  Strassburger  Zeit:  Sesenhoim  N.  8.  —  Hoidenröslein  N.  11.  —  Frankfurter  Zeit:  Mädchens  Held  N.  15. 
—  An  Schwager  Kronos  N.  16.  —  Herbstgefllhl  N.  19.  —  Weimarer  Zeit:  Ilmenau  N.  21.  —  Zueignung  N.  21a.  —  Die 
Braut  von  Korinth  N.  22.  —  Sehnsucht  N.  23.  —  Sonette  N.  24.  —  Schweizerliod  N.  25.  —  West-Östlicher  Divan  N.  27.  — 
Zwischen  beiden  Welten  N.  30.  — 

d.  Epos.    Von  Dr.  Ludwig  Geiger,  Professor  an  der  Universität 

Berlin S.  128—130 

Epen  in  Versen:  Reineke  Fuchs  N.  —  AchiUeis  N.  3.  —  Hermann  und  Dorothea  N.  4.  —  Prosaerzählung: 
Werther  N.  16.  —  Kleinere  Erzählungen  N.  21.  —  Romane:  Allgemeines  N.  22;  Wahlverwandtschaften  N.  23;  Wilhelm 
Meister  N.  25.  — 


Inhaltsverzeichnis.  XI 

e.  Drama.     Von   Dr.   Erich    Schmidt,    Professor  an   der  Uni- 

versität Berhn S.  131—138 

Ausgaben  N.  1.  —  Laune  des  Vorliebten  N.  2.  —  Menteur  N.  3.  —  Shakespeare  N.  4.  —  Götz  von  Berlichingon 
N.  <>.  —  Clavigo  N.  13.  —  Hanswursts  Hochzeit  N.  14.  —  Stella  N.  14b.  —  Egmont  N.  15.  —  Iphigenie  in  Delphi  und  Nausikaa 
N.  17.  —  Iphigenie  in  Tauris  N.  18.  —  Tasse  N.  28.  —  Opern,  Grosskophta,  Natürliche  Tochter,  Pandora  N.  29a.  —  Ueber- 
setzungen  und  Gelegeuheitsstücke  N.  31a.  —  Faust:  Allgemeines  N.  32;  Urfaust  N.  41;  Fragment  N.  43;  erster  Teil  N.  45; 
zweiter  Teil  N.  54.  — 

f.  Didaktik.     Von  Dr.  Otto  Harnack  in  Rom S.  138—141 

Philosophie  N.  1.  —  Bibel  und  Luther  N.  6.  —  Ethische  Ansichten  N.  9.  —  Sprüche  in  Prosa  N.  12.  —  Litteratur- 
und  Kunstbetrachtung  N.  14.  —  Naturforschung  N.  19.  — 

12.  Schiller.     Von    Dr.   Albert  Köster,    Professor  an  der  Universität 

Marburg S.  141—151 

Biographisches:  Vollständige  Biographien  N.  1.  —  Einzelbeiträge:  Jugendzeit  N.  5;  Mannheimer  Jahre  N.  7; 
Aufenthalt  in  .Jena  N.  9;  Verkehr  mit  Zeitgenossen  N.  30.  —  Briefwechsel  N.  37.  —  Werke:  Gesamtausgaben  N.  47.  — 
Prosascliriften:  Recensionen,  historische,  philosophische  Abhandlungen  N.  52  —  Gedichte:  Allgemeines  N.  60;  Einzelnes:  Don 
Juan  und  Rosaraunde,  Gang  nach  dem  Eisenhammer,  Lied  von  der  Glocke,  (Guckkastenmaiin,)  Hero  und  Leander,  Kampf  mit 
dem  Drachen,  (Auf  J.  S.  Kerner,)  Künstler,  Orpheus,  Spaziergang  N.  68.  —  Dramen:  Räuber  N.  87;  Fiesco  N.  93;  Kabale  und 
Liebe  N.  96;  Don  Carlos  N.  99;  Wallenstein  N.  106;  Jungfrau  von  Orleans  N.  114;  Teil  N.  131;  Uebersetzungon  und  Entwürfe: 
Martinuzzi,  Demetrius,  Braut  der  Hölle  N.  142.  —  Verschiedenes  N.  155.  — 

13.  Romantik.     Von  Dr.  Oscar  F.  Walzel  in  Wien S.  151—158 

Allgemeines  N.  1.  —  Aeltere  Romantik:  Schlegelscher  Kreis:  Friedrich  Schlegel  N.  5;  August  Wilhelm 
Schlegel  N.  10;  Schelling  N.  13;  Caroline  Schlegel,  Dorothea  Schlegel  und  Philipp  Veit  N.  15.  —  Savigny  N.  20.  —  Tieck 
N.  22.  —  Schleiermacher  N.  25.  —  Hölderlin  N.  30.  —  Jüngere  Romantik:  Heidelberger  Kreis:  Arnim  N.  32;  Brentano 
N.  40;  Zimmer  N.  42.  —  Schwaben:  Uhland  N.  43;  Waibliuger  N.  48.  —  Norddeutsche:  Ernst  Schulze  N.  62;  Charlotte  Stieglitz 
N.  59;  Eichendorff  N.  64.   —  Schlippenbach  N.  69.  — 

14.  Das  junge  Deutschland.     Von  Dr.   Ernst  Elster,    Professor  an 

der  Universität  Leipzig S.  158 — 167 

Allgemeines  N.  1.  —  Heine:  Gesamtcharakteristik  N.  6:  Sarkasmus,  Verhältnis  zur  Religion  N.  10; 
Verskunst  N.  13.  —  Loben:  Einzelnes  N.  14;  Briefe  N.  25;  Verhältnis  zu  Spitta,  zu  den  schwäbischen  Dichtern  N.  27.  — 
Werke:  Ausgaben  N.  29;  Uebersetzangen  N.  37 ;  Untersuchungen  (Heimkehr,  Im  wunderschönen  Monat  Mai,  Bimini)  N  41.  — 
Börne  N.  45.  —  Gutzkow  N.  49.  —  Kühne  N.  50.  —  Dingelstedt  N.  53.  — 

Autorenregister S.  168 — 175 

Sachregister S.  175—191 

Verlegerregister • S.  191 — 193 

Siglenregister S.  194—196 

Bemerkungen  für  den  Gebrauch S.  196 


JAHRESBERICHTE 


FUB 


NEUERE 

DEUTSCHE  LITTER ATURGESCHICHTE 


(JAHR  1890.) 

ERSTER  HARBBAND. 


I.  A.11  gemeiner  Teil. 

1,1 

Litteraturgeschichte. 

Max  Herrmann  und  Siegfried  Szamatolski. 

Methodisches  N.  1.  —  Studium  N.  6.  —  Gesamtdarstellungen  N.  8.  —  Verschiedenes  N.  13.  — 

Die  immer  weiter  sich  ausdehnende  Thätigkeit  auf  dem  Gebiet  der  Litteratur- 
geschichte fülirte  naturgemäss  zu  einer  Vertiefung  in  die  Prinzipien  dieser  Wissenschaft. 
So  zeigt  schon  das  erste  Berichtsjahr  die  Anfänge  einer  regen  Erörterung  methodischer 
Fragen.  Ein  Stück  von  einem  Rechenschaftsbericht  über  die  Thätigkeit  des  Litterar- 
historikers  liefert  Eugen  Wolff^);  er  hat  freilich  in  dem  Titel  „Das  Wesen  wissen- 
schaftlicher Litteratiu'betrachtung"  einen  viel  zu  stolzen  Namen  gewählt.  Seine  Arbeit 
ist  in  ihrer  Anlage  polemischer  Art:  der  V£  schlägt  seine  Schlachten  gegen  die  Ver- 
treter der  übrigen  Wissenschaftsgebiete  und  gegen  das  „gebildete"  Publikum,  um  die 
Litteraturgeschichte  einerseits  gegen  den  Vorwurf  der  Unwissenschaftlichkeit,  andrer- 
seits gegen  die  Beschuldigimg  zu  verteidigen,  dass  sie  die  unbefangene  Freude  an  der 
Dichtiing  zerstöre.  So  ist  die  Schrift  nicht  sowohl  für  den  Litterar historiker  als  für 
den  Nichtlitterarhistoriker  berechnet,  vnid  die  Folge  davon  ist,  dass  von  den  beiden 
Zweigen,  in  welche  die  theoretische  Betrachtung  einer  Wissenschaft  sich  teilt,  der  En- 
cyklopädie  und  der  Methodologie,  hier  nur  die  erstere  in  Betracht  gezogen  wird:  nur 
das  Was,  nicht  das  Wie,  nur  die  Probleme,  nicht  die  Mittel  zu  ihrer  Lösung  können 
den  Nichtfachmann  interessieren.  Von  dieser  Beschränkung  abgesehen  meint  W.  nun 
wohl  eine  ideale  Wissenschaftstheorie  aufzustellen,  die  für  immer  Gültigkeit  haben  soll ; 
in  Wahrheit  liefert  auch  er,  ohne  es  selbst  zu  wissen,  dem  Zug  der  Zeit  zur  Induktion 
seinen  Tribut  und  giebt  nur  eine  Darstellung  des  gegenwärtigen  Betriebes  der  Litteratur- 
geschichte. Auf  diese  Weise  verliert  die  Schrift  freilich,  so  wie  sie  der  Vf.  aufgefasst 
haben  will,  bedeutend  an  Wert:  denn  die  Geschichte  unsrer  Wissenschaft  ist  noch  viel 
zu  klein,  um  einigermassen  genügendes  Matei'ial  für  eine  normative  Theorie  induktiver 
Art  zu  bieten,  und  schwerlich  z.  B.  wird  das  Wesen  wissenschaftlicher  Litteraturbetrach- 
tung  sich  für  alle  Zeit,  wie  es  hier  geschieht,  darauf  beschränken,  dass  das  ein- 
zelne Litteraturwerk  zergliedert  und  eingeordnet  wird.  Auf  der  andern  Seite  gewinnt 
die  Arbeit  durch  diese  Eigentümlichkeit  ein  eigenes  zeitgeschichtliches  Literesse:  sie 
giebt  nüchtern  und  korrekt  ein  unverdächtiges  Bild  des  gegenwärtigen  Durchschnitts- 
betriebes unserer  Wissenschaft,  einen  Reisebericht  über  das  behagliche  Treiben  in  ge- 
wohnten Fahrwassem,  in  denen  so  selten  jemand  zu  neuem  und  eigenem  Kurse  sich 
aufrafft.  Philologisch,  historisch  und  „ästhetisch"  hat,  so  erklärt  W. ,  der  Litterar- 
historiker  das  einzelne  Litteraturwerk  zu  untersuchen,  —  von  diesen  drei  idealen  For- 
derungen entzieht  W.  dann  wirklichkeitsgetreu  den  ästhetischen  Gesichtspunkt  der 
eigentlichen  Besprechung;  mit  ein  paar  allgemeinen  Andeutungen,  die  ganz  unorganisch 
zwischen  historische  Gesichtspunkte  untergeordneter  Art  eingestreut  sind,  ist  nichts  an- 
zufangen. Der  moderne  Litterarhistoriker  ist  zunächst  Philolog,  im  engeren  Sinn: 
er  übt  Textkritik  und  Quellenkritik,  d.  h.  er  spürt  nach  einer  möglichst  ursprüng- 
lichen Fassung  eines  Werkes,  er  untersucht  die  Zuverlässigkeit  zeitgenössischer 
Angaben  und  Urteile,  die  sich  auf  das  Werk  beziehen,  und  bedenkt  vor  allem,  dass  es 
der  Sieger  ist,  der  die  Geschichte  schreibt.  Die  alsdann  einsetzende  Hauptthätigkeit' 
des  Litteraturforschers,  die  liistorische,  bezweckt,  die  Entstehung  des  einzelnen  Litteratur- 
denkmals  zu  untersuchen  und  zunächst  diejenigen  Momente  zu  erkennen,  die  der  Dichter 
überkommen  hat.  Hier  spricht  W.  von  der  Quellenuntersuchung,  indem  auch  er  sich 
zum  Wortführer  der  jetzt  bereits  überall  verkündeten  Reaktion  gegen  die  auf  diesem 
Gebiete    geübte,     leider    wohl     unvermeidliche     Planlosigkeit     macht     und     dafür     ent- 


I)   Eugen    Wolff,   D.  Wesen   wissenschaftlicher   Litteraturhotrai-htung.     Kiel    u.   Leipzig,   Lipsius    &    Tischer. 
Jl'.L.     I.  1 


2  1,1:  Herrmann  und  Szamatölski,  Litteraturgeschichte. 

schlossenerer  Ausdehnung  auf  das  Feld  der  Nachbarkünste  und  auf  das  Gebiet  der  in- 
direkten Quellen  das  Wort  redet,  unter  denen  er  besonders  die  litterarische  Tradition 
allgemeiner  Art  und  den  Geist  der  Zeit,  den  gesamten  in  die  Entstehung  des  Werkes 
hineinspielenden  Kulturzustand,  namhaft  macht.  Bei  der  Besprechung  des  zweiten  Teiles 
der  historischen  Forschung,  der  diejenigen  Momente  aussondern  soll,  die  der  Dichter 
aus  eigenen  Mitteln  hinzugethan  hat,  spielt  dann  auch  das  Schlagwort  „Psychologisch" 
eine  Rolle;  aber  freilich  weiss  W.  genau  so  wie  die  Mehrzahl  der  Litterarhistoriker 
noch  nichts  Rechtes  damit  anzufangen.  Einmal  soll  der  Forscher  sich  fragen:  „aus 
welcher  Ursache. und  zu  welchem  Zweck  hat  der  Dichter  sein  Werk  geschaffen?",  ferner 
soll  er  das  Leben  des  Dichters  zur  Erläuterung  seiner  Poesie  heranziehen  und  umge- 
kehrt; aber  zu  wenig  seien  bisher  z.  B.  die  Gesetze  der  Vererbung  klar,  als  dass  man 
mit  Taine  aus  Rasse,  Sphäre  und  Zeitgeist  das  Wesen  des  Schriftstellers  mit  Sicher- 
heit ableiten  könne,  und  die  deutsche  Litteraturforschung  gehe  daher  eher  einen  um- 
gekehrten Weg.  Neben  allerhand  Einzelheiten  (lüer  kommen  zumal  Scherersche  Finger- 
zeige zu  ihrem  Recht)  wird  dann  besonders  die  Notwendigkeit  betont,  den  Charakter 
des  Dichters  zu  untersuchen,  der  dem  Charakter  seiner  Dichtung  durchaus  analog  sei; 
zur  Erkenntnis  des  dichterischen  Seelenlebens  müsse  der  Forscher  mit  einem  eigenen 
reichen  Seelenleben,  mit  Selbstbekenntnissen  des  Dichters,  Tagebüchern,  Briefen  usw., 
und  mit  einer  möglichst  intimen  Kenntnis  der  Lebensumstände  ausgerüstet  sein,  in  denen 
sich  der  Dichter  bei  der  Abfassung  des  untersuchten  Werkes  befand.  Endlich  ist  fest- 
zustellen, welche  Wirkung  dieses  Werk  auf  Kritik,  Publikum  und  Litteratur  geübt 
hat.  An  die  Thätigkeit  des  Litteraturgeschichtsforschers  schHesst  sich  die  des  Litteratur- 
geschichtsschreibers ;  W.  erörtert  sie,  indem  er  darüber  handelt,  ob  Anmerkungen  usw. 
zweckmässiger  unter  oder  hinter  den  Text  gestellt  werden.  Den  Schluss  der  Schrift 
bildet  eine  Auseinandersetzung  über  die  Abgrenzung  der  deutschen  Litteraturgeschichte 
gegen  die  Weltlitteratur  und  die  Litteratur  der  Gegenwart  einerseits,  der  gesamten 
Litteraturgeschichte  gegen  die  übrigen  historischen  Fächer  andrerseits;  nach  des  Vf. 
Ansicht  steht  unter  diesen  die  Sprachgeschichte  der  Litteraturgeschichte  innerlicli  be- 
sonders fern.  — 

Einige  theoretische  Gesichtspunkte  erörtert  auch  Pniower^)  in  seinem  Ver- 
such, „alte"  und  „neue"  Litteraturgeschichte,  nach  dem  verlockenden  Vorgange  der  „neuen" 
Rechtswissenschaft,  scharf  einschneidend  gegen  einander  zu  charakterisieren.  Der  „alten" 
Litteraturgeschichte  erkennt  P.  vor  allem  das  eine  Bestreben  zu,  den  geistigen  Gehalt 
der  Dichtungen  klarzulegen,  die  sittliche  Litention  des  Dichters  festzustellen,  die  Idee 
seines  Werkes  herauszuschälen.  Dabei  seien  die  künstlerischen  Momente  wie  auch  die 
geschichtlichen  Beziehungen,  insbesondere  der  Zusammenhang  mit  unbedeutenderen 
Werken,  vernachlässigt  worden.  Den  Umschwung  zur  „neuen"  Litteraturgeschichte  leitet 
P.  aus  dem  Einfluss  der  klassischen  Philologie  und  der  Naturwissenschaften  her:  jene 
habe  durch  Männer  wie  Karl  Lachmann  und  Otto  Jahn  gelehrt,  die  Gegenstände  der 
Untersuchung  nach  den  verschiedensten  Seiten  zu  beleuchten  und  dadurch  eine  Feinheit 
der  Methode  auszubilden,  mit  der  man  aus  bisher  unbeachteten  Dingen  fruchtbare  Er- 
gebnisse gewinnen  könne.  Von  den  Naturwissenschaften  her  sei  die  Frage  nach  der 
Entstehung  der  dichterischen  Produkte  gekommen,  die  man  nunmehr  nach  dem  Muster 
der  chemischen  Analyse  durch  die  Erforschung  der  Motive  erledige.  Auch  die  Prüfung 
der  Kunstmittel  soll  erst  nach  dem  Muster  naturwissenschaftlicher  Analysen  unternommen 
worden  sein.  Als  Meister  des  fast  fertigen  .Baues  einer  solchen  „neuen"  Litteratur- 
geschichte macht  der  Vf  Goedeke,  Scherer  und  Erich  Schmidt  namhaft.  Für  die  „alte" 
Litteraturgeschichte  muss  man  sich  selbst  die  Namen  suchen:  neben  den  Rosenkranz, 
Vischer  doch  auch  die  Lessing,  Herder,  Goethe,  Schiller,  Humboldt  und  endlich  die 
Gervinus  und  Hettner.  Der  blosse  Klang  dieser  Namen  erinnert  daran,  dass  die  angeb- 
lichen Merkmale  der  „neuen"  Litteraturgeschichte  durchaus  nicht  so  neu  sind  inid  an- 
drerseits die  wirkliche  neue  Litteraturgeschichte  sich  weit  zahlreichere  und  grössere 
Aufgaben  stellt.  Ein  gründlicher  historischer  Ueberbhck  wie  der  von  Erich  Schmidt  in 
seiner  Wiener  Antrittsrede  hat  das  längst  dargethan  und  auch  dankbar  anerkannt,  wie 
die  letzte  Epoche  mit  allen  früheren  in  innigem  Zusammenhang  steht.  —  Will  man  ein- 
mal mit  ungefügen  Schlagwörtern  eine  Scheidung  der  Epochen  vornehmen,  so  wird  man 
von  den  eben  zuletzt  genannten  Namen  avisgehen  müssen.  Hierzu  kam  in  einer  Be- 
trachtung über  die  Beziehungen  der  Litteratvirgeschichte  zur  Kulturgeschichte  natur- 
gemäss  Groth^),  der  sich  dabei  auf  ein  Wort  LermoliefFs  beruft:  „Man  benutzte  zuerst 
die  Kunstwerke  in  der  Wissenschaft  als  Illustration  für  jeweilige  ästhetische  Theorien, 
dann  als  unterhaltendes  Bilderbuch  der  Kulturgeschichte,  schliesslich  zur  Kunstwissen- 
schaft als  exakter  Wissenschaft."  Eine  ähnHche  Entwicklung  zeige  sich  in  der  Litteratur- 
geschichte.    Die  dogmatisch-ästhetische    oder  die  rein  moralisierende  Betrachtiingsweise 


24  8.   M.  0,80.  —  2)  0.  Pniower,  D.  neue  Litteruturgesch. :  FrB.  1,  S.  289— 92.  —  3)  E.  Groth,  Kulturgesch.  u.  Litteratur- 


1,1:  Herrmann  und  Szamatolski,  Litteraturgeschichte.  3 

ging  in  iiiiserm  Jli.  zur  kultvirgeschichtlichen  über,  gegenwärtig  liat  sie  in  Deutscliland 
überwiegend  eine  philologische  Richtung,  in  Frankreich  eine  positivistische  und 
psychologische  eingeschlagen.  Für  Deutschland  gesteht  der  Vf.  Gervinus  und  Hettner 
das  Verdienst  zu,  eine  tiefer  gehende  Betrachtungsweise  eingeführt  zu  haben,  indem 
sie  die  politischen  und  kulturgeschichtKchen  Voraussetzungen  für  das  geistige  Leben 
eines  bestimmten  Zeitabschnittes  zu  ergründen  suchten,  über  dem  Kunstwerke  nicht 
den  Künstler  vergassen,  den  Werdegang  des  Genies  bis  in  die  geheimsten  Trieb- 
federn verfolgten  und  die  litterarischen  Strömungen  nicht  nach  dem  alten  klassischen 
Fahrwasser  beurteilten,  priesen  oder  verdammten,  sondern  in  deren  Eigentümlichkeiten 
die  notwendige  Folge  einer  beständig  wechselnden  Kunst-  und  Lebensauffassung  er- 
kannten. Bei  seinen  Ausführungen  über  dies  Verhältnis  der  Litteraturgeschichte  zur 
Kultiirgeschichte  geht  G.  von  dem  Satz  des  neuerdings  in  Deutschland  mehrfach  ge- 
nannteii  französischen  Kritikers  Emile  Hennequin  aus:  „Une  htterature  exprime  une 
nation,  non  parce  qua  celle-ci  l'a  produite,  mais  parce  que  celle-ci  l'a  adoptee  et  ad- 
miree,  s'y  est  complue  et  reconnue."  G.  hält  es  für  unmöglich,  von  einer  Htterarischen 
Strömung,  einer  Dichtung  oder  einem  Kunstwerk  auf  den  allgemeinen  Charakter  und 
die  herrschenden  Kulturverhältnisse  eines  ganzen  Zeitabschnittes  einen  sicheren  Rück- 
schluss  zu  ziehen.  Wenngleich  er  den  Positivisten  ausdrücklich  die  Bedeutsamkeit  der 
Rasse,  der  Vererbxing  und  des  Milieu  zugesteht,  betont  er  doch  den  schöpferischen 
Trieb,  die  neugestaltende  Kraft,  das  grosse  Geheimnis  der  Persönlichkeit  als  das  Merk- 
mal, das  den  Dichter  aus  dem  Rahmen  und  den  herrschenden  Anschauungen  seiner  Zeit 
heraushebt.  Nicht  aus  den  unsterblichen  Werken  grosser  Geister  sollen  die  wechselnden 
Bilder  der  einzelnen  kulturgeschichtlichen  Perioden  konstruiert  werden,  sondern  aus  den 
vorübergehenden  Erzeugnissen  des  Zeitgeschmackes,  aus  den  Tendenzwerken  und  Kritiken, 
aus  den  Streitschriften  und  Satiren,  aus  den  Machwerken  der  litterarischen  Klopffechter 
und  Modegötzen.  Li  den  verschollenen  Litteraturwerken  liegt  also  das  eigentliche 
Arbeitsfeld  des  Kulturhistorikers.  —  Dieselbe  Grenzwissenschaft  ist  es,  die  Lemmer- 
mayer^)  in  seiner  Philippika  gegen  die  moderne  Litteraturgeschichte  als  Allheilmittel 
für  alle  Schäden  preist:  litterarische  Kleinigkeitskrämerei  und  staubtrockene  Systematik, 
Dilettantismus  und  Alexandrinismus,  den  oberfiächHchen  Schulbetrieb  und  das  seichte  Salon- 
geschwätz hofft  er  verschwinden  zu  sehen,  wenn  die  Litteraturgeschichte  als  „intellek- 
tuelle Kulturgeschichte"  aufgefasst  und  betrieben  wird.  — 

Ganz  abseits  vom  Wege  geht  Wetz 5),  indem  er  eine  Art  von  Litteratur- 
forschung  verkündet,  die  eigentlich  Litteratur-Gescliichte  nicht  mehr  ist,  wenngleich  er 
sie  selbst  vergleichende  Litteraturgeschichte  nennt.  Obwohl  seine  Programmrede  durch 
viele  neue  und  gute  Stellen,  die  nicht  gut  und  neu  sind,  stark  geschädigt  wird,  verdient 
sie  trotzdem  eine  ausführliche  Darstellung  wegen  des  ihr  eigenen  reformatorischen 
Dranges,  der  sich  alsbald  in  eine  tüchtige,  den  JBL.  freilich  nicht  zufallende  Leistung 
umsetzt.  Zunächst  grenzt  W.  den  Begriff  „vergleichende  Litteraturgeschichte"  enger  ab, 
als  es  im  gewöhnlichen  Sprachgebrauch  geschieht.  Unter  Ausschluss  der  iniiversal- 
historischen  und  internationalen  Litteraturforschung  erkennt  er  die  eigentliche  ver- 
gleichende Litter aturforschung  nur  in  denjenigen  Untersuchungen,  die  durch  Vergleichung 
den  Charakter  ganzer  Epochen  vmd  Litteraturen  oder  auch  nur  einzelner  ihrer  bedeut- 
samsten Vertreter  zu  bestimmen  unternehmen,  dann  auch  in  jenen,  welche  von  ver- 
schiedenen Dichtern  behandelte  Stoffe  in  Parallele  stellen  und  dadurch  hoffen,  manches 
zur  Erkenntnis  der  Eigenart  der  betreffenden  Dichter,  mittelbar  auch  wohl  ihrer  Littera- 
turen beizutragen.  Die  beiden  erstgenannten  Zweige  stellt  er  dem  letzten  als  historische 
Disziplinen  der  analytisch-kritischen  gegenüber,  als  Litteraturgeschichte  schlechtweg  der 
vergleichenden  Litteraturgeschichte.  Während  jene  den  Gang  der  litterarischen  Ent- 
wickelung  verfolgt  und  die  Faktoren  ermittelt,  welche  darauf  von  Einfluss  waren,  kommt 
es  dieser  vielmehr  einzig  darauf  an,  durch  Vergleichung  analoger  Erscheinungen  unter 
einander  in  das  innerste  Wesen  jeder  einzelnen  einzudringen,  die  Gesetze  zu  entdecken, 
welche  die  Aehnlichkeiten  wie  die  Verschiedenlieiten  bewirkt  haben,  wobei  eine  intime, 
wenn  auch  mehr  in  die  Tiefe  als  in  die  Breite  gehende  Vertrautheit  mit  mehreren  Litte- 
raturen vorausgesetzt  wird.  Dadurch,  dass  sie  sich  nicht  mit  der  Feststellung  der  That- 
sachen  begnügt,  sondern  auf  ihre  in  der  geistigen  Beschaffenheit  der  Nationen  hegenden 
Ursachen  zurückgeht,  wird  sie  psychologisch  und  von  Wert  für  die  Kenntnis  der  Volks- 
charaktere. Sodann  behandelt  W.  das  Verhältnis  der  vergleichenden  zu  der  ästhetischen 
Litteraturgeschichte  und  Aesthetik.  Stimmt  sie  auch  mit  dieser  darin  überein,  dass  sie 
nicht  liistorisch  ist  und  auf  eine  Charakteristik  litterarischer  Hervorbringungen  ausgeht, 
so  steht  sie  doch  darin  zu  ihr   in    entschiedenem  Gegensatze,    dass    der  vergleichenden 


gesch.:  Grenzb.  49,3,  S.  540—51.  —  4)  F.  Lemmerraay er,  Gedanken  über  Litteraturgesch.:  Dioskuren.  19,  S.  181/7.  — 
5)  W.  Wetz,  Shakespeare  v.  Standpunkt  d.  vergleiehenden  Litteraturgesch.  1.  Band:  D.  Menschen  in  Shakespeares  Dramen. 
Worms,  Reiss.  XX,  579  S.  M.  7,20.  (Einleitung  [S.  1—43] :  Ueber  Begriff  u.  Wesen  d.ygl.  Litt.-Gesch.)  I  [A.  Schröer:  EnglSt.  16, 
S.  282/9;  Proescholdt:  LBlGRPh.  12,  S,  402/5;  Ldw.  Pr.  LCBl.  1891,  S.  1531/2;  L.  Fränkel:  BLU.  S.  664/5.  A.  Döring: 

1* 


4  1,1:  Herrmann  und  Szamatölski,  Litteraturgeschichte. 

Litteraturgeschichte  die  ästhetischen  Begriffe  nicht  etwas  Gegebenes,    sondern  vielmehr 
etwas  erst  zu  Suchendes  sind.    Sie  wird  das  ganze  Gebiet  der  Litteratur  durchforschen, 
um  in  der  Masse  der  verzeichneten  Formen  der  Aesthetik  das  Material    zu   liefern,    das 
es  dieser  ermöglichen  wird,  sich  zum  Rang  einer  wahren  Wissenschaft  zu  erheben.     Die 
vergleichende  Litteraturforschung  unterscheidet    sich  von  der  ästhetischen  weiterhin  da- 
durch,   dass    sie  sich  nicht  wie  diese  mit  der  Feststellung    ästhetischer  Thatsachen    be- 
gnügt, sondern  sie  zu  erklären  svicht    und    zwar  nicht  aus  einer  beliebigen  Psychologie, 
vielmehr  nur  aus  der  des  Dichters.    Von  einer  solchen  Exaktheit  der  Methode  verspricht 
sich  W.  als  Folge    auch    eine  Exaktheit    der  Bezeichnung:    die    gewöhnliche  Litteratur- 
geschichte verfügt  da,    wo    sie    litterarische  Erscheinungen  charakterisieren  will,    immer 
nur  über  ein  schwankendes,  von  Zufälligkeiten  nicht  freies  Verfahren;  die  vergleichende 
Litteraturgescliichte  wird    dagegen   allmählich  dahin  gelangen  können,    dass    sie    an  Be- 
stimmtheit und  Schärfe  der  Ausdrucksweise   mit  den  Naturwissenschaften    zu  wetteifern 
vermag.     Die  vergleichende  Litteraturgeschichte    steht   der  gewöhnlichen  nicht  feindlich 
gegenüber:    das  Ideal  der  Litteraturgeschichte  würde  eine  Verbindung  der    beiden  sein, 
die  auch  thatsächlich  meist,  mehr  oder  minder  atisdrücklich,  angestrebt  wird.     W.  redet 
jedoch    einer  vorlävifigen  Trennung  das  Wort,    damit    die  vergleichende  Richtung    ihren 
Beruf,    den  Schwächen  der  vergleichenden  Partien    in    den    litterarhistorischen  Arbeiten 
und  der  Geringschätzung  aller  sogenannten  ästhetischen  Litteraturbetrachtung  abzuhelfen, 
in  prinzipieller  Weise  zur  Ausübung  bringe.     W.  hält  wenig  davon,    durch  verschiedene 
Dichter    bearbeitete  Stoffe    einer    durchgeführten  Vergleichung    zu    unterwerfen,    da    die 
Vergleichung  nur  Mittel  sein  soll  und  die  Gefahr  unbedachter  Verallgemeinerungen  droht: 
durchgefüln-te  Vergleichungen  fördern  weniger  unsere  Kenntnis,    als  sie  zur  Erläutening 
schon  gewonnener  Resultate  dienen.     Ergebnisreicher    scheinen  W.  Untersuchungen    an 
verschiedenen    eigentlichen    Bearbeitungen  Eines    Dichtwerkes.     Bei    dieser  Gelegenheit 
erkennt  er  einen  Berührungspunkt  mit  der  internationalen  Litteraturgeschichte  an.    Auch 
die  politische  Geschichte,    die  Entwickelung  der  bildenden  Künste  und  der  Philosophie, 
die    allgemein    kulturgeschichtlichen   Momente    können    der    analytisch-kritischen  Unter- 
suchung dienen.    Dagegen  bekämpft  W.  heftig  den  Einfluss  der  Philologie,  die  mit  Un- 
recht ihren  Beruf,  den  Lihalt  und  die  Bedeutung  von  Sprach-  und  Litteraturdenkmälem 
möglichst  allseitig  aufzuhellen,    daliin    erweitert  habe,    das  geistige  Leben    eines  Volkes 
nach  allen  Richtungen  zu  durchforschen    imd  darzustellen.     Wie    die  Geschichte,  Alter- 
tumskunde, Kunstwissenschaft   und  Religionsgeschichte    sich    einem    ungesunden  Ueber- 
wiegen  philologischer  Interessen    und    einer    rätselhaften  Ueberschätzung    philologischer 
Leistungen  entzogen  hätten,    so   müssten  sich  Sprach-  und  Litteraturgeschichte  von  der 
Philologie  befreien.    W.  bestimmt  mit  Gröber  der  Philologie  als  das  Gebiet  ihrer  eigen- 
sten Thätigkeit  „die  unverstandene  oder  unverständlich   gewordene  Rede  und  Sprache". 
Sprach-  und  Litteraturgeschichte  haben  mit  einander  nur  das  rohe  Material,  nicht  einmal 
das  Objekt  der  Forschung  gemein  und  sind  kaum  so  nahe  unter  einander  verwandt  wie 
etwa    die  Litteraturgeschichte    mit    der    politischen    und   Religionsgescliichte.     Deutsche 
Sprachgeschichte    und    englische   Litteraturgeschichte    sind    keine    selbständigen  Fächer, 
wozu  sie  das  Zusammenfassen  in  Einzelphilologien   macht,    sondern    es    giebt    nur    eine 
Wissenschaft  der  Sprachgeschichte   und  nur  eine  Wissenschaft  der  Litteraturgeschichte, 
deren  Gesetze    stets    dieselben   bleiben,    um  welche  Nation    es    sich    auch    handle.     Die 
Aufgaben  des  Sprachforschers  und  des  Litterarhistorikers  sind  durchaus  verschieden  und 
bedürfen  zu  ilirer  Lösung  einer  durchaus  verschiedenen  Methode.    Man  müsse  also  schei- 
den die  Sprachgeschichte,  welche  Spracherscheinungen  historisch  erklärt,  die  Philologie, 
die  Form  und  Bedeutung  jedes  Wortes  und  jedes  Satzes    eines  Denkmals    und    danach 
den  Inhalt  des  Ganzen  feststellt,  und  endlich  die  Litteraturgeschichte,  die  den  Gang  der 
litterarischen  Entwickelung  und  das  Wesen  litterarischer  Erscheinungen  darlegt.    Wemi- 
gleich  die  letzte  auf  die  Hilfe  der  Philologie  nicht  ganz  verzichten  wird,  will  es  W.  doch 
zweifelhaft  erscheinen,    ob    der  Weg    des  Litterarhistorikers    statt    durch    unsere    philo- 
logischen Seminare,  wo  er  textkritischen  und  sprachlichen  Uebungen  obliegt,  nicht  besser 
durch  die  psychiatrische  Klinik  führe,    wo  er  bei  der  Beobachtung    krankhafter  Seelen- 
zustände  tiefere  Blicke    in    das  normale  Seelenleben    thun    könne.     Selbst  Ethnographie 
erscheint  ihm  zweifellos  nützlicher  für  die  Litteraturgescliichte  als  Sprachgeschichte  und 
Philologie.     Nur    aus    praktischen  Rücksichten    seien    die  Ausschnitte    aus    heterogenen 
Wissenschaften  unter  dem  bequemen  Sammelnamen  „Philologie"  vereinigt   und  auch  an 
den  Universitäten  meist  in  eine  Hand  gelegt:  in  Wirklichkeit  haben  wir  meistens  Sprach- 
forscher, die  nebenher  die  Litteraturgeschichte  vertreten,  oder  Litterarhistoriker,  welche 
sich  auf  ihre  Weise  mit  der  Sprachgeschichte  abfuiden.     Um    so    eindringlicher    predigt 
W.  dem  vergleichenden  Litterarhistoriker  gegen  alle  Kompromisse:  er  soll  sich  bei  sei- 
nen Forschungen  nur  von  solchen  Rücksichten  leiten  lassen,  die  sich  aus  der  Beschaffen- 
heit seiner  Aufgaben  ergeben,  und  den  nachhaltigsten  Widerstand  entgegensetzen,  wenn 
man  ihm  Gesetze  aufiiötigen  will,    die  man  von  anderswoher  mechanisch    axif  sein  Fach 


1,1:  Herrmann  und  Szamatolski,  Litteraturgeschichte.  5 

überträgt.  Zum  Schkiss  dieser  Auseinandersetzung  mit  der  Philologie  erhebt  W.  gegen 
sie  auch  den  Vorwurf,  dass  sie  an  dem  Siege  der  Litteraturgeschicliten  über  die  Litte- 
ratur  hauptsächlich  Schuld  trage.  Auch  habe  sie  nur  Nachteile  gebracht  für  diejenigen 
Aufgaben,  welche  die  vergleichende  Litteraturgeschichte  zu  lösen  hat:  die  eingehenden 
Aristoteles-  und  Lessingstudien  haben  die  Kenntnis  des  Wesens  der  Tragödie  um  keinen 
Schritt  gefördert,  wohl  aber  sehr  viel  gehemmt.  Diese  rastlosen  Bemühungen  zu  Ehren 
gi'osser  Toten  stärken  und  stützen  immer  wieder  eine  Autorität,  deren  Unzulänglichkeit 
fiu'  diesen  besonderen  Zweck  offen  eingestanden  werden  sollte,  schieben  fertige  Meinungen 
zwischen  den  Beobachter  und  die  Thatsachen  und  stören  so  die  Unbefangenheit  und 
Richtigkeit  seines  Sehens.  W.  schliesst  seine  Abhandlung  mit  einem  Ueberblick  über 
die  Anfänge  und  Entwickelung  der  vergleichenden  Litteraturgeschichte:  anhebend  von 
Perraxilt  inid  Lamotte,  bespricht  er  Diderots  und  Groethes  Verdienste;  bedingt  nennt 
er  die  Romantiker,  erkennt  dagegen  in  Herder  und  Schiller  diejenigen,  auf  deren  Schul- 
tern alle  spätere  vergleichende  Litteraturgescliichte  stehe  und  deren  Ziele  von  der  deut- 
schen Litteraturgeschichtsschreibvnig  nie  ganz  vergessen  worden  seien.  Den.  bedeutend- 
sten epochemachenden  Litterarhistoriker  der  letzten  Jahrzehnte,  dessen  Methode  die 
meisten  entwicklungsfälligen  Keime  zu  einer  erfolgreichen  Weiterbildung  der  Wissen- 
schaft in  sich  vereinigt,  sieht  W.  in  Taine,  über  den  die  vergleichende  Litteratur- 
geschichte mir  in  der  Beachtung  des  ästhetischen  Moments  hinauskommen  könne.  Wenn 
Taine  die  vergleichende  Methode  auch  nur  anwende  als  äusseres  Mittel,  um  seinen 
Franzosen  die  englische  Litteraturgeschichte  näher  zu  rücken,  so  habe  er  doch  wie 
niemand  vorher  verstanden,  dasjenige  in  einer  Litteratur  uns  zum  Bewusstsein  zu  bringen, 
was  ihr  eigenstes  Wesen  ausmacht  und  für  sie  im  Gegensatz  zu  anderen  Litteraturen 
charakteristisch  ist.  So  entwickelt  Taine  vor  allem  auch  die  Psychologie  der  Dichter,  ihre 
Auffassung  von  den  Menschen  mid  den  Leidenschaften  und  weist  diese  in  einer  Unter- 
suchung ihrer  dichterischen  Gestalten  nach.  —  In  einer  fast  ausschliesslich  sich  auf  den 
methodologischen  Teil  beschränkenden  Rezension  des  Buches  wendet  sich  A.  Schröer 
gegen  W.c  „vergleichende  Litteraturgeschichte",  die  er  als  analytische  Litteraturlehre  oder 
kurz  Analytik,  falls  sie  sich  von  geschichtlicher  Behandlung  trennt,  eben  der  nach  W.s 
Ausspruch  „glücklich  abgethanen  ästhetischen "  Litteraturgeschichte"  zurechnet.  S. 
leitet  W.s  Priiizipienlehre  her  aus  der  berechtigten  Abneigung  gegen  vielfach  herrschende 
Verirrungen  in  der  litterarhistorischen  Forschung,  die  jedoch  nicht  sowohl  in  dem  Wesen 
der  strengen  Methode  echt  pliilologischer  Forschung  notwendig  ihren  Ursprung  habe,  als 
vielmehr  in  der  individuellen  Unzulänglichkeit  und  Einseitigkeit  oder  auch  freiwilliger 
Selbstbescln-änkung  der  einzelnen  Arbeiter.  Die  Exaktheit  für  seine  analytische  Methode 
könne  W.  viel  eher  bei  den  Iristorischen  Wissenschaften  als  bei  den  naturwissenschaft- 
lichen Disziplinen  lernen,  vor  deren  Ueberschätzung  besonders  liinsichtlich  der  ein- 
gestandenermassen  unfertigen  Psychologie  S.  eindringlich  warnt.  So  wenig  der  Sprach- 
wissenschaftler ein  jahrelanges  Studium  der  descriptiven,  vergleichenden  und  pathologischen 
Anatomie  \md  Psychologie  benötige,  müsse  der  Litterarhistoriker  psycliiatrische  KUniken 
besuchen:  was  beide  von  den  bezüglichen  Hilfsdisziplinen  brauchten,  sei  bald  erlangt. 
W.  fordere  von  uns,  die  geschichtlich  gewordenen  Voraussetzungen  unserer  Litteratur- 
betrachtung  aufzugeben  und  mit  allem  von  Anfang  zu  beginnen,  d.  h.  die  Litteratur- 
wissenschaft  als  solche  zu  suspendieren  und  Psychologie  und  abstrakte  Aesthetik  zu 
treiben,  ohne  dass  er  zeigt,  wie  wir  darnach  wieder  zur  Litteratur  überzugehen  hätten. 
Was  psychologisch  menschlich,  was  menschlich  schön  ist,  wäre  doch  nur  wieder 
empirisch,  d.  h.  geschichtlich  zu  bestimmen,  und  ein  solcher  Bruch  mit  aller  unserer 
bisherigen  Erkenntnis,  ein  nochmaliger  Aufbau  wäre  nur  dann  eine  berechtigte 
Forderung,  wenn  wir  bisher  auf  unzuverlässiger  Empirie  d.  h.  ungescliichtHch  aufgebaut 
hätten.  Einen  solchen  Beweis  glaubt  S.  eher  gegenüber  einem  Psychologen  und  Aesthetiker 
wie  Kuno  Fischer  als  einem  Pliilologen  aufbringen  zu  können:  jener  gebe  nur  eine  aus 
abstrakter  Psychologie  und  Aesthetik  gewobene  Analyse  mit  beiläufiger  Anlehnung  an  ein 
konkretes  Litteraturdenkmal.  W.  stehe  thatsächlich  auf  dem  Boden  der  Philologie,  indem 
er  Shakespeares  Charaktere  nach  konkreten  psychologischen  und  ästhetischen  Erfahrungs- 
sätzen darstellt.  Sein  ganzer  Kampf  gegen  die  Philologie  erscheine  wie  eineDonquixoterie:  W. 
bekämpfe  gewisse  Einzelheiten,  die  er  irrtümlich  für  die  Philologie  ansieht,  und  stürme 
mit  heiligem  Zorn  gegen  Eigentümlichkeiten  vor,  die  gar  nicht  der  Philologie,  sondern 
der  absoluten  Aesthetik  zukommen.  Praktisch  bleibe  W.  auf  halbem _  Wege  stehen:  er 
operiere  zwar  geschichtlich  psychologisch  und  ästhetisch,  aber  nicht  litteratur-geschicht- 
lich  psychologisch  und  ästhetisch.  S.  lobt  W.  lebhaft  und  ehrhch  und  erhofft  für  ihn 
eine  Wiedergeburt  im  Geist  der  Philologie.  — 

Auf  das  Wesen  der  Litteraturwissenschaft  kommt  auch  Machule^)  zu  sprechen, 
freilich  von  einem  völlig  andern,  von  einem  praktischen  Standpunkte  aus:  gelegentlich 
einer  Erörtervnig  über  das  Studium  der  deutschen  Philologie.  An  der  Hand  von  sta- 
tistischem Material   sucht  er  nachzuweisen,    dass  das  gegenwärtige  System    der  Prüfung 


6  1,1:  Herrmann  mid  Szamatölski,  Litteraturgeschichte. 

für  das  Oberlehrerexamen,  in  dem  die  Beherrscliiing  von  drei  oder  vier  philologischen 
Fächern  verlangt  werde,  vom  TJebel  sei:  denn  dieser  Forderung  vermöge  nur  etwa  ein 
Zehntel  der  Kandidaten  ganz  zu  genügen,  wälirend  die  übrigen,  und  darunter  nicht 
immer  die  unwürdigsten,  oft  genug  ihre  ganze  Existenz  vernichtet  sehen  oder 
wenigstens  die  so  notwendige  pädagogische  Ausbildung  den  lähmenden  Nachprüfungen 
zum  Opfer  bringen  müssen ;  schlimmer  aber  noch  sei  die  unvermeidhche  Oberflächlichkeit, 
der  bei  der  Unmöglichkeit,  so  hochgespannten  Anforderungen  innerlich  zu  genügen,  der 
gesamte  Lehrerstand  anheimfalle.  Viel  wirksamer  könnte  man  die  Tüchtigen  von  den 
Untüchtigen  sondern,  wenn  man  vielmehr  tieferes  Eindringen  in  ein  Fach,  höchstens 
in  zwei  Fächer  verlangte;  mit  der  deutschen  Pliilologie  wäre  nach  M,s  Ansicht  nicht 
eine  Nachbarphilologie,  sondern  stets  die  Geschichte  zu  vereinigen.  Um  zu  erweisen, 
dass  die  eindringende  Beschäftigung  mit  einem  philologischen  Fache  die  Studienzeit 
schon  beinahe  überlaste,  hat  der  Vf.  nun  auch  eine  theoretische  Auseinandersetzung 
über  den  Umfang  der  deutschen  Philologie  geliefert,  die  er  am  liebsten  als  deutsche 
„Volkswissenschaft"  oder  „Geisteswissenschaft"  in  weitestem  Sinne  der  Worte  fassen 
möchte,  und  dazu  eine  eigene  Einteilung  des  Gesamtgebiets  beigesteuert,  die  der  Litte- 
raturbetrachtung  im  besondem  eine  eigentümliche  Stellung  zuweist.  Das  Leben  des 
Einzelnen  und  der  Gesamtheit  zeige  zwei  Seiten,  eine  ideale  oder  theoretische,  auf 
Denken  und  Erkennen,  und  eine  materielle  oder  praktische,  auf  Wollen  und  Thun  be- 
gründete Seite.  Die  erste  begreife  die  sprachlichen  und  die  künstlerischen  Erzeugnisse 
eines  Volkes  in  sich.  Es  ergeben  sich  hieraus  zwei  Gebiete.  In  dem  einen  werde  die 
Sprache  und  alles,  was  in  der  Sprache  seinen  Ausdrixck  findet,  Religion,  Volksweisheit, 
Wissenschaft,  Litteratur,  behandelt,  in  dem  andern  die  Künste.  Das  dritte  Gebiet  um- 
fasse das  praktische  Thun  des  Volkes,  das  dadurch  Erzeugte  und  die  Regeln  und  Be- 
scliränkungen,  denen  das  Thun  des  Einzelnen  im  Interesse  der  Gesellschaft  unterworfen 
wird.  Das  erste  Gebiet  sei  das  der  Philologie  (im  engeren  Sinne  des  Wortes),  das 
zweite  das  der  Kunstwissenschaft,  das  dritte  das  der  Kidturwissenschaft.  Die 
äusserliche  Auffassung,  die  in  Bezug  auf  die  von  M.  wesentlich  als  Laut-  und 
Flexionslehre  vorgeführte  Sprachwissenschaft  zu  Tage  tritt,  weiss  die  Unterord- 
nung der  Litteraturgescliichte  und  ihre  grundsätzliche  Trennung  von  der  Ge- 
scliichte  der  übrigen  Künste  nicht  zu  motivieren.  Dass  liier  ein  Philolog  spricht,  der 
nicht  bis  zum  Litterarhistoriker  sich  fortgebildet  hat,  zeigt  sich  auch  darin,  dass  über 
das  Studium  der  Litteraturgeschichte  dem  Studenten  eigentlich  nichts  gesagt  wird,  es 
wird  ihm  vielmehr  in  dem  die  „Geschichte  der  Litteratur"  betreffenden  Abschnitte  nur 
geraten,  er  solle  sich  wesentlich  mit  den  Klassikern,  mit  Lessing,  Herder,  Schiller, 
Goethe,  Luther,  Walter,  Gottfried,  Wolfram,  Nibelungen  und  Gudrun  beschäftigen;  ein 
viel  gebrauchtes  Bild  nicht  eben  geschmackvoll  weiter  ausmalend  empfielilt  M.  dann, 
nicht  nur  die  „sonnenumstrahlten  Höhen",  sondern  auch  die  „Thäler"  zu  betrachten,  in  diesen 
aber  sucht  er  nicht  die  für  eine  Zeit  charakteristischen  Durchschnittserscheinungen, 
sondern  die  Türme,  die  sich  aus  der  Masse  der  im  Thal  gelegenen  Häuser  erheben,  die 
Erscheinungen  zweiten  Ranges,  die  nahe  an  die  der  ersten  Stufe  heranreichen:  Hartmann, 
Hütten,  Hans  Sachs,  Fischart,  Klopstock,  Wieland.  AusdrückHch  aber  warnt  er  vor  zu 
eingehender  Beschäftigung  mit  den  Meisterwerken  der  benachbarten  Litteraturen :  „wer 
vielerlei  Brunnen  trinkt,  verdirbt  sich  unheilbar  den  Magen."  — Zudem  rein  praktischen 
Zweck  der  Vorbereitung  ftir  das  Doktor-  und  Staatsexamen  erörtert  Zimmer'')  z.T.  auf 
Grundlage  „der  anerkannt  vorzüglichen  akademischen  Vorträge  berühmter  und  gesuchter 
Professoren"  einige  Hauptpunkte  der  Litteraturgeschichte,  um  dann  seine  Ergebnisse  in 
einer  angefügten  Liste  dem  Studierenden  sorgsam  wieder  abzufragen.  — 

Minder  rege  als  der  Eifer,  die  methodischen  Grundlagen  unserer  Wissenschaft  zu 
untersuchen,  ist  gegenwärtig  das  Bestreben,  Gesamtdars'tellungen  der  deutschen 
Litteraturgeschichte  oder  ihres  neueren  Teiles  zu  liefern.  Wenn  wir  uns  den  Grund- 
sätzen der  JBL.  entsprechend  auf  abgeschlossene  Werke  beschränken,  so  ist  aus  dem 
Berichtsjahr  eigentlich  nur  zu  melden,  dass  Vilmars^)  Litteraturgeschichte  einen  neuen 
Beweis  ihrer  unverwüstlichen  Lebenskraft  durch  Vorlegung  ihrer  23.  Auflage  geliefert 
hat,  zu  der  der  jetzige  Herausgeber  Adolf  Stern  einige  bibliographische  Nachträge  und 
ein  paar  zeitgeschichtliche  Ergänzungen  seines  zuerst  1886  der  22.  Auflage  beigegebenon 
Anhanges  „Die  deutsche  Nationallitteratur  vom  Tode  Goethes  bis  zur  Gegenwart"  bei- 
steuert. —  K.  Weiss ö)  hat  sein  inmitten  zwischen  Kultur-  und  Litteraturgeschichte  sich 
bewegendes  Buch,  in  dem  die  geläufigsten  Handbücher  und  Gesamtdarstellungen  zu 
einem  patriotischen  Festgeschenk  verarbeitet  sind,  in  zweiter,  unveränderter  Auflage  er- 


I 


ASNS.  86,  S.  96— 101.] I  —  6)  P.  Machulo,  Bemerkungen  Ober  d.  Studium  d.  deutschen  Philologie  u.  d.  Prüfungsordnung 
fttr  d.  höhere  Lehramt.  (Aus  e.  Vortrage.)  Leipzig,  Rossberg.  28  8.  M.  0,60.  —  7)  11.  Zimmer,  Grundfragen  aus  d.  Ge- 
biete d.  Grammatik  u.  Litt.-Gesch.  Mit  e.  Tabelle  d.  bist.  Consonantonontwicklung  t.  Indogerm.  bis  z.  Nhd.  Als  Vorbereitung  z. 
Doktor-  u.  Staatsexamen  zusammengest.  Leipzig,  Rossborg.  IV,  53  S.  u.  1  Bl.  M.  1,00.  —  8)  A.  F.  C.  Vilniar,  Gesch.  d. 
deutschen  Nationallitt.   23.   yerm.  Aufl.    Mit  e.  Anh.:    „D.  deutsche  Nationallitt.  t.  Tode  Goethes  bis  z.  Gegenwart'  v.  Adolf 


errmann  und  iSzamatölski,  Litteratürgeschichte. 

scheinen  lassen.  —  In  zweiter,  verbesserter  Auflage  liegt  das  Quellenbuch  zur  Ge- 
schichte der  Neuzeit  von  Schilling  lo)  vor,  das,  zumal  für  die  älteren  Jhh.,  in 
grossem  Umfange  litterarische,  auch  poetische  Denkmäler  in  recht  sauberer  Wiedergabe 
heranzieht.  —  Den  Versuch,  die  Entwicklung  der  gesamten  deutschen  Litteratur  in  Ge- 
stalt eines  Stromes  mit  seinen  Zuflüssen  graphisch  darzustellen,  hat  Flaischlen  ^i) 
unternommen;  er  erwähnt  freilich  nicht,  dass  er  damit  nur  ins  Litterarhistorische  über- 
trägt, was  für  das  Gebiet  der  allgemeinen  Gescliichte  seit  Jalirhunderten  mehrfach  unter- 
nommen wurde.  In  lobenswertem  Freimut  setzt  er  dagegen  in  der  beigegebenen  Einleitung 
die  Schwierigkeiten  auseinander,  die  das  Gelingen  seines  Experiments  eigentlich  ganz  un- 
möglich machen :  eine  absolute  Lösung  wäre  wissenschaftlich  nur  in  detailliertester  Spezial- 
zeichnung  und  eine  solche  hinwiederum  nur  auf  Gnmd  endgültig  abgeschlossener  Resultate 
umfassendster  Quellenforschung  denkbar;  geistige  Bewegungen  lassen  sich  nicht  in  absolute 
Zahlen  grenzen;  wirklich  vollständig  wäre  die  Arbeit  erst,  wenn  sich  ihr  rechts  und  links  eine 
ähnliche  Darstellung  wenigstens  der  französischen  und  englischen  Litteratur  anschlösse ;  dem 
einzelnen  Dichter  seine  richtige  Stellung  innerhalb  des  Flusses  anzuweisen,  muss  dem  über- 
lassen bleiben,  der  sich  des  näheren  damit  beschäftigt  hat.  Man  kann  diese  treffende  Selbst- 
kritik des  Vf  nur  unterschreiben,  und  leicht  wäre  es,  die  Schwierigkeitspunkte  noch  stattlich 
zu  vermehren.  Bei  einer  graphischen  Darstellung  muss  die  stets  bedenkliche  Frage,  wie  weit 
der  Begriff  „Litteratur"  zu  fassen  sei,  geradezu  als  unlösbar  sich  herausstellen.  Vor 
allem  aber  kaini  der  Vf.  trotz  des  redlichsten  Eifers  niemals  seine  an  sich  gewiss  höchst 
beachtenswerte  Absicht  erreichen:  dem  Volke  ein  Bild  der  litterarischen  Gesamtent- 
wicklung zu  liefern,  die  es  neben  der  Einzelbetrachtung  nicht  aus  dem  Auge  verHeren 
soll,  —  das  hier  vorgelegte  Bild  prägt  sich  niemals  ein:  Scherers  Wellentheorie,  auf 
die  sich  F.  ausdrücklich  beruft,  erfüllt  (man  mag  im  übrigen  über  sie  denken  wie 
man  will)  diesen  Zweck  weit  eher,  weil  sie  der  Phantasie  freien  Spielraum  lässt, 
während  F.  seinem  eigenen  Geständnis  zufolge  nicht  umhin  konnte,  die  Gestalt  und  den 
Lauf  des  Flusses  recht  willkürlich  zu  fixieren  und  so  dem  Beschauer  ein  schwerlich 
gelungenes  festes  Bild  aufzudrängen.  Die  Entschlossenheit,  mit  der  F.  trotz  alledem 
und  alledem  an  die  Bewältigung  seiner  interessanten  Aufgabe  ging,  hätte  ein  besseres 
Ergebnis  verdient,  als  dass,  wie  es  thatsächlich  geschehen  ist,  die  Praxis  jene  theo- 
retischen Erwägungen  bestätigte  und  dass  jene  zeichnerischen  Schwierigkeiten  die  Ent- 
stehung bedenklich  vieler  und  arger  Fehler  zur  Folge  hatte,  die  man  schwerlich  der 
Unkenntnis  des  Vf.  zur  Last  legen  darf.  Auf  einer  Insel  z.  B.,  die  von  dem  Haupt- 
strom und  den  beiden  Mündungsarmen  des  humanistischen  Nebenflusses  umschlossen 
wird,  stehen  die  Namen  Caspar  von  der  Ron,  Clara  Hätzlerin  und  Ulrich  Fuetrer;  Her- 
mann von  Sachsenheim  ist  zwischen  Gerhard  Groot  und  den  Humanismus  gestellt,  Püte- 
rich  und  Steinhöwel  gruppieren  sich  um  die  Ufer  des  Zuflusses  „Italienische  Novellistik", 
zwischen  Geiler  und  Brant  sind  Eyb,  Wyle  und  der  Pfaff  vom  Kaienberg  geschoben, 
die  Ausbildung  der  nhd.  Schriftsprache  soll  1410  beginnen  und  etwa  1522  vollendet 
sein.  Die  Jalu-eszahl,  zu  der  der  Name  eines  Dichters  gestellt  ist,  soll  den  Höhepunkt 
seines  Schaffens  bezeichnen:  da  steht  nun  Hans  Folz  |,beim  Jahre  1458,  Agricola  bei 
1468,  Püterich  bei  1475,  Geiler  bei  1483,  Eyb  und  Wyle  bei  1485,  Reuclüin  bei  1478, 
Erasmus  bei  1492,  Wickram  bei  1535,  Melissus  bei  1560,  Adam  Puschmann  bei  1562, 
Spee  bei  1625,  Ziegler  bei  1678,  Neuldrch  bei  1692  usw.;  das  Eulenspiegelbuch  wird 
mechanisch  ins  Jahr  1515,  die  Tellsage  ins  Jahr  1578  gesetzt,  und  die  englischen  Ko- 
mödianten finden  sich  etwa  beim  Jahre  1568.  Diese  herausgerissenen  Beispiele  werden 
genügend  beweisen,  dass  trotz  des  anerkennenswerten  Bemühens  des  Vf.  seine  Leistung 
leider  eher  geeignet  ist,  dem  Benutzer  schon  gewonnene  Kenntnisse  zu  verwischen  als 
neue  Klarheit  zu  verschaffen.  Trotzdem  hat  das  Werk  durch  die  verlockende  Grund- 
idee uild  die  schöne  Ausstattung,  die  ihm  der  Verleger  gegeben  hat,  eine  Fülle  lobender 
Rezensionen  und  viele  Käufer  gefunden.  —  Die  zweite  zur  Erzielung  kurzer  Ueber- 
sichten  vielbenutzte  Methode  wählt  Brodbeck  12)^  indem  er  auf  12  bedruckten  und  30 
unbedruckten  Seiten  die  Poesie  aller  Völker  in  Tabellen  darstellt.  Der  vierte  Abschnitt, 
zwei  Seiten  umfassend,  gilt  den  Germanen;  B.  zerlegt  sie  in  die  Deutschen,  zu  denen 
er  auch  die  „stammverwandten"  Russen  und  Schweden  sowie,  zwischen  beiden,  die 
Ungarn  rechnet,  und  in  die  „mehr  westlichen"  Engländer.  Näheres  über  seine  Dar- 
stellung zu  sagen,  lohnt  nicht  der  Mühe ;  die  Wissenschaftlichkeit  des  Vf.  —  w.  Docenten 


Stern.  Marburg,  Elwert.  XIV,  730  S.  M.  7,00.  —  9)  Karl  Weiss,  Marksteine  deutscher  Kultur  u.  Litt.  2.  Aufl. 
Leipzig,  J.  Baedeker.  IV,  484  S.  M.  3,60.  —  10)  M.  Schilling,  Quellenbuch  z.  Gesch.  d.  Neuzeit.  F.  d.  oberen 
Klassen  höherer  Lehranstalten  bearb.  2  verb.  Aufl.  Berlin,  Gaertner.  XVI,  496  S.  M.  5,00.  (Beigegeben  sind  dieser  Aufl.  d. 
Uebersetzungen  d.  fremdsprachl.  StUeke  [auch  einzeln  zu  beziehen  =  M.  0,80].)  —  II)  C.  Flaischlen,  Graphische  Litt.-Tafel. 
D.  deutsche  Litt.  u.  d.  Einfluss  fremder  Litteraturen  auf  ihren  Verlauf  v.  Beginn  e.  schriftlichen  Ueberlieferung  an  bis  heute  in 
graphischer  Darstellung.  Stuttgart,  Göschen.  40.  8  S.  n.  1  Tafel.  M.  2,00.  |[K.:  LCBl.  1891,  S.  244,  Nation».  7,  S.  632; 
Deutsche  Dichtung  8,  S.203;  Schrooter:  BLU.  S.  489-90;  Deutschi.  1,  S.  624;  AZg".  138;  TglRs  ".  151;  Ellinger:  NatZg. 
N.  350;  Bund  S.  N.  23;  Roediger:  ASNS.  80,  S.  415,6  (ablehnend).] |  —  12)  A.  Brodbeck,  D.  Poesie  aller  Völker  in  Form 
ganz    kurzer  Uebersichten.    Esslingen,   Lung.    4fi.   21    ungezählte   BU.    M.   0,60.    |[BLU.    S.  303;  Bohemia  ».  N.  53;  Deutsche 


8  1,1:  Herrmann  nnd  Szamatölski,  Litteraturgeschichte. 

für  Philosophie  und  Aestlietik  an  der  Kgl.  Technischen  Hochschule,  sowie  für  Kiinst- 
mythologie  und  Litteraturgescliichte  an  der  Kgl.  Kunstschule  zu  Stuttgart  —  mag  durch 
folgenden  Satz  charakterisiei't  werden,  der  etwa  die  Hälfte  dessen  darstellt,  was  B.  über 
das  deutsche  Drama  zn  sagen  hat:  „Hauptvertreter  ist  Göthe  und  Schiller;  Göthe,  der 
1773  Göz  von  Berlichingen  dichtete,  ferner  Iphigenie,  frei  nach  Euripides;  Egmont; 
Tasso;  Faust  (grandioses  phantastisches  Drama  mit  Dr.  Faust,  Gretchen,  Mephisto  als 
Hauptpersonen).  Vor  allem  aber  ist  Friedrich  Schiller  Vertreter  der  historischen  Tra- 
gödie; er  hat  3  Perioden  durchgemacht:  zuerst  das  wilde  Stück:  Die  Räuber  (1781); 
sodann  das  kosmopolitische  Freiheitsdrama:  Don  Carlos;  drittens:  Trilogie  Wallenstein; 
Maria  Stuart;  Jungfrau  von  Orleans;  Braut  von  Messina;  Teil  (1804).  —  Seitdem  giebt 
es  viele  Dramen."  ; — 

Angereiht  seien  hier  verschiedene  Arbeiten,  die  zum  allgemeinen  Betrieb  der 
Litteraturgescliichte  gehören.  Den  Anteil  der  Frauen  an  der  deutschen  Litteratur  sucht 
Frommel^^)  jn  ainen  historischen  Ueberblick  einzuzeichnen  und  behandelt  oder  erwähnt 
dabei  aus  der  neueren  Zeit  u.  a.  Olympia  Morata,  Katharina  von  Greiffenberg,  Sibylla 
Schwarz,  die  fürstlichen  Kirchenliederdichterinnen  des  17.  Jh.,  die  Gottschedin  und  die 
Karschin,  endlich  die  Frauen  der  klassischen  und  der  romantischen  Periode.  —  Bech- 
steins  bekannte  Ruhmeshalle  hat  Gaedertz  i^)  in  vier  Halbbänden  neu  bearbeitet  und 
fortgeführt.  Die  hauptsächlichste  Aenderung  hat  die  Auswalil  der  Bilder  betroffen:  von 
den  alten  sind  150  geblieben,  150  neue  sind  hinzvigekommen.  Die  jedem  Bilde  beigegebene 
kurze  Charakteristik  im  Lapidarstil  strebt  in  erster  Linie,  die  Begeisterung  jugendlicher  Leser 
zu  entzünden,  daher  können  auch  die  Ungenauigkeiten  im  einzelnen  hier  übergangen  werden. 
Dagegen  verdient  betont  zu  werden,  dass  in  dem  von  G.  oitierten  Goetheschen  Wort 
„Die  Unterhaltung  mit  einem  geliebten  Bilde,  selbst  weini  es  unähnlich  ist,  hat  was 
Reizendes"  die  Konzession  nicht  als  Bedingung  gefasst  werden  darf:  die  Holzschnitte 
(das  ist  allerdings  keine  Neuerimg,  sondern  nur  der  beibehaltene  Brauch  der  älteren 
Auflagen)  zeigen  einen  verständnislos  glättenden,  philiströs  idealistischen  Verschö- 
nerungstrieb, den  wir,  besonders  für  die  ältere  Zeit,  verwöhnt  durch  die  Veröffentlichungen 
des  Groteschen  und  Hirthschen  Verlages,  bei  historischen  Bildern  störend  empfinden. 
Immerhin  mag  auch  hierdurch  das  Werk  nur  dem  wissenschaftlichen  Arbeiter,  weniger 
dem  jugendlichen  Verehrer  entwertet  erscheinen.  —  Als  herrliches,  dem  Litterarliistoriker 
unentbehrliches  Meisterwerk  der  Ikonogi-aphie  sei  vorläufig  nur  erwähnt  die  Sammlung 
von  W.  V.  Seidlitzi^).  —  Unter  Hinweis  auf  unser  Vorwort  werden  hier  verzeichnet 
der  von  der  Berliner  Gesellschaft  für  deutsche  Philologie  herausgegebene  Jahresbericht 
der  germanischen  Philologie !*>),  Strauchs^'')  Bibliographie  für  die  Litteratur  seit  Opitz 
und  ihre  Besprechung  von  Sauer  1^)^  Vorarbeiten  für  unsere  „Jahresberichte  für  neuere 
deutsche  Litteraturgeschichte".  — 


1,2 

Geschichte  der  deutschen  Philologie. 

Anton  E.  Scliönbach. 

„Prähistorische  Zeit":  Schilter  und  Scherz  N.  1;  Holiandforschuiig  N.  4.  —  Die  Brtlder  Grimm:  Briefwechsel  mit 
Bcnccke  N.  5;  Jakob  G.s  Kleinere  Schriften  Bd.  8.  N.  6.  —  K.  H.  6.  v.  Meusebach  N.  6a.  —  Lexikographie:  das  Deutsche  Wörter- 
buch N.  7;  Andreas  Schmeller  N.  10;  Verschiedenes  N.  11.  —  Wilhelm  Scherer  N.  16.  —  Wilhelm  Crecelius  N.  18.  —  Linguistik: 
August  Schleicher  N.  19.  —  Litterarhistcriker :  Johannes  Scharr  N.  20;  Julian  Schmidt  N.  21;  Richard  Gosche  N.  22.  — 

Es  ist  noch  nicht  lange  her,  dass  von  einer  „Geschichte  der  deutschen 
Philologie"  gesprochen  werden  darf;  das  Buch  Rudolf  von  Raumers  (1870)  hat  ihr 
zuerst  eine  selbständige  Bearbeitung  zugewandt,  und  das  Grimmjubiläum  (1885)  hat  mit 


Dichtung  8,  S.  151.]  |  —  13)  W.  Frommel,  Dichterinnen  aus  Deutschlands  Vergangenheit.  Beil.  z.  44.  JB.  d.  Lehr-  u. 
Erz.-Anstalt  v.  Erhardt  in  Heidelberg.  Heidelberg,  Posner.  S.  17—30.  —  14)  300  Bildnisse  u.  Lebensabrisso  berühmter 
deutscher  Männer.  Begonnen  \.  L.  Bechstein.  Neu  bearb.  u.  fortgef.  v.  K.  Tb.  Gaedertz.  D.  Porträts  gezeichnet  u. 
geschnitten  v.  H.  BUrkner.  5.  verb.  u.  verm.  Aufl.  Leipzig,  Wigand.  o.  J.  8  ungez.,  300  gez.,  1  ungez.  S.  M.  10,00.  |[LCB1. 
S.  1566.]  1  —  15)  XX  Allgeraeines  historisches  Porträtwerk.  Eine  Sammlung  von  600  Porträts  der  berühmtesten  Personen  aller 
Stände  seit  1300  bis  ca.  1840.  Phototypien  nach  den  besten  gleichzeitigen  Originalen  nach  Auswahl  von  Dr.  W.  v.  Seidlitz. 
MUochon,  1884—90.  Verlagsaiistalt  f.  Kunst  u.  Wissenschaft.  6  Bde.  Fol.  M.  300,00.  —  16)  Jahresbericht  über  d.  Erscheinungen 
auf  d.  Gebiet  d.  germ.  Phil.  her.  v.  d.  Gesellschaft  f.  deutsche  Phil,  in  Bertin.  11.  Jg.  (1889).  Leipzig,  Reissner.  396  S.  M.  8,00. 
|[Lyon:  ZDU.  4,  S.  196/7.]|  —  17)  Ph.  Strauch,  Verz.  d.  auf  d.  Gebiet  d.  neueren  deutschen  Litt,  in  d.  J.  18889 
«rsch.  wissonsch.  Publl. :  ADA.  16,  S.  145-220,  384—456.  —  18)  A.  Sauer,  E.  JB.  f.  neuere  deutsche  Litt.-Gesch.:  ZUG.  4,  S.  146,8. 


1,2;  A.  E.  Schönbach,  Geschichte  der  deutsclien  Philologie.  9 

seiner  Thit  von  Eiiizelschriften,  Briefveröifentlichungen  und  dgl.  die  Teilnahme  dafür 
so  in  rinss  gebracht,  dass  seit  einigen  Jahren  sogar  an  verschiedenen  deutschen  Uni- 
versitäten Vorlesungen  darüber  gehalten  werden.  Das  Jahrhundert  geht  zu  Ende,  das 
diese  Wissenschaft  entstehen  sah,  denn  icli  denke,  alle  stimmen  darin  überein,  dass 
1819  das  Erscheinen  von  Jakob  Grimms  „Deutscher  Grammatik"  ihre  Geburtsstunde  be- 
zeichne. Was  vorauf  liegt,  ist  zumeist  verwoi'renes,  wenngleich  an  sich  wohlgemeintes 
und  rühmenswertes  Bemühen.  Wir  wollen  auch  heute  noch  alles  dankbar  in  Ehren 
halten,  was  in  früherer  Zeit  von  Einzelnen  mit  oft  unsäglicher  Anstrengung  gesammelt, 
erklärt,  untersucht  worden  ist  und  was  für  Jakob  Grimm  den  schmalen  Boden  bereitete. 
Allein  erst  mit  dem  Jahre  1819  schliesst  die  sozusagen  „prähistorische  Zeit"  der  deut- 
schen Philologie,  Zusammenhang  und  Ordrmng  kommt  in  den  aufgehäuften  Schutt  und 
in  die  leblose  Masse  des  Stoffes;  aus  einem  vaterlandsfrohen  aber  fahrigen  Dilettantis- 
mus, aus  Nebenarbeiten  und  Trödelwerk  erhebt  sich  die  neiie  Wissenschaft.  — 

Ueber  den  germanistischen  Arbeiten  des  17.  Jh.  i )  waltete  im  allgemeinen 
ein  ungünstiger  Stern.  Weder  die  ausgebreitete  Gelehrsamkeit  Johann  Schilters  noch 
der  rieiss  von  Johann  Georg  Scherz  sind  an  ihr  Ziel  gelangt.  Schilter,  über  den  Eisen- 
hart-) geschrieben,  erlebte  die  Veröffentlichung  des  „Thesaurus  Antiquitatum  Teutoni- 
carum"  nicht.  Das  „Glossarium  Germanicum  medii  aevi"  von  Scherz,  den  Martin^)  be- 
handelt, ist  erst  ein  Menschenalter  nach  seinem  Tode  durch  Oberlin  zum  Druck  gebracht 
wordeii.  Beide  Bücher  gehören  zu  den  wichtigsten  Hilfsmitteln,  die  Jakob  Grimm 
vorfand.  — 

Mit  wie  vielen  Hindernissen  die  Veröffentlichung  altdeutscher  Schriftwerke  einstens 
zu  ringen  hatte,  dessen  gewährt  insbesondere  die  Gescliichte  der  Heliandforschung 
ein  traiu'iges  Zeugnis,  wie  sie  jetzt  durch  Hedler'*)  in  einer  etwas  dürftigen  Dissertation 
bis  zur  Ausgabe  Schmellers  beschrieben  worden  ist.  Eine  ganze  Reihe  von  Gelehrten, 
die  mit  Eccard  beginnt  und  bis  zu  dem  Münchener  Bibliothekar  Josef  Scherer  sich  er- 
streckt, hat  danach  getrachtet,  eine  Ausgabe  dieser  Dichtung  zu  veranstalten,  die  wir 
zu  den  allerwichtigsten  Sprachdenkmälern  rechnen,  jedoch  vergebens.  Jakob  Grimm 
selbst  musste  bei  seinen  grammatischen  Studien  sich  lange  Zeit  hindurch  mit  geringen 
Bruchstücken,  ungefähr  einem  Sechstel  des  Werkes  begnügen,  bis  ihm  das  Ganze  in 
Schmellers  sorgfältiger  Bearbeitung  vorlag.  Die  trefflichen  und  bis  jetzt  noch  nicht 
überflüssigen  Beigaben  der  Schmellerschen  Edition  mochten  für  das  lange  Harren  ent- 
schädigen; jedenfalls  verkennt  H.  in  seltsamer  Weise  die  Stellung  v.  d.  Hagens 
innerhalb  der  deutschen  Philologie,  wenn  er  von  seinen  Bemerkungen  zum  Heliand 
sagt:  „Alles  beweist  einen  sichern  kritischen  Blick  und  genaues  Verständnis  der  Sache, 
so  dass  es  fast  bedauerlich  erscheint,  dass  er  sein  Heraiisgebertalent  nicht  auch  an  dieser 
Dichtung  bewährt  hat."  — 

Mitten  in  die  Werkstatt  der  werdenden  Wissenschaft  führt  uns  der  Brief- 
wechsel zwischen  den  Brüdern  Grimm  vxnd  G.  F.  Benecke,  die  letzte  Publikation 
Wilhelm  Müllers^)  und  zugleich  eine  der  bedeutendsten  aus  den  schon  sehr  zahlreich 
veröffentlichten  Korrespondenzen.  Es  sind  70  Briefe  Jakobs  von  1808 — 29  und  7  Briefe 
Wilhelms  von  1811 — 25  abgedruckt,  mit  Anmerkimgen  und  einem  Register  versehen. 
Der  Herausgeber  hat  in  seinen  einleitenden  Worten  aiif  die  Bedeutung  dieser  Briefe 
und  a\if  einzelne  interessante  Stellen  hingewiesen;  in  der  That  empfängt  man  beim  Lesen 
der  Sammlung  mit  einer  Frische,  wie  sie  sonst  nur  die  Jugendbriefe  der  Brüder  selbst 
ausströmen,  die  Eindrücke  von  all  dem  Lernen  und  Finden,  dem  täglichen  Wachsen  der 
Kenntnisse,  dem  überaus  raschen  Fortschritt  der  Arbeitenden,  die  ihre  Studien  in 
schönster  Gemeinschaft  mit  dem  Freunde  in  Göttingen  betreiben.  Die  Anfänge  des  im 
Laufe  der  Jahre  immer  enger  sich  schliessenden  Verhältnisses  knüpfen  sich  an  Beneckes 
Stellung  als  Beamter  der  reichen  Göttinger  Bibliothek:  er  wird  nicht  müde,  Anfragen 
zu  beantworten,  Bücher  zu  schicken,  er  kauft  auch  eigens  Werke,  deren  die  Brüder  be- 
dürftig sind,  so  dass  man  wohl  sieht,  die  Grimms  verdankten  seiner  Fördervmg  in  die- 
sem Betrachte  ungemein  viel;  es  wäre  ihnen  ohne  seine  Hilfe  schwer  geworden,  sich 
den  nötigen  Büchervorrat  zu  beschaffen.  Man  mag  iibrigens  jetzt,  wo  der  Forschung 
alle  Arten  von  Quellen  und  Behelfen  so  bequem  zurecht  gemacht  sind,  in  diesen  Blättern 
oft  genug  und  nicht  ohne  Rührung  Stellen  finden,  aus  denen  erhellt,  wie  schwer  es 
damals  war,  auch  das  notwendigste  Material  und  selbst  dieses  nicht  anders  als  zeit- 
weilig zusammenzubringen.  Welche  Listen  (und  zwar  umsonst)  ersinnen  die  Brüder 
Grimm,  um  dem  neidischen  v.  d.  Hagen  die  aus  Göttingen  entliehenen  „Kämpadater" 
zu  entreissen,    die    sie  für  ihre  Eddaausgabe  brauchen.     Wie    lange    muss  zuweilen    ge- 


I)  X  A.  So  ein,  Altdeutsche  Studien  im  17.  Jh.:  Alemannia.  17,  S.  269-71.  (Auszüge  aus  Wagenseil,  De  civitate 
Norimbergensi.)  —  2)  Eisenhart,  Johann  Schilter:  ADB.  31,  S.  266/8.  —  3)  E.  Martin,  Johann  Georg  Scherz:  ib.  S.  138/9. 
—  4)  A.  Hedler,  Gesch.  d.  Heliandforsch,  v.  d.  Anf.  bis  zu  Schmellers  Ausgabe.  E.  Beitr.  z.  Gesch.  d.  germ.  Philologie.  Phil. 
Diss.  Rostock,  Adlers  Erben.  48  S.  —  5)  Briefe  d.  Brüder  Jakob  u.  Wilhelm  Grimm  an  Georg  FriedrichBcnccko  aus  d.  Jahren 
1808-1829,  mit  Anm.  her.  von  Wilhelm  Müller.     Göttingen,  Vandenhoeck  u.  Kuprecht.  1889.  XII,  188  S.  M.  4,00.  | [St ein- 


10  1,2:  A.  E.  Schönbach,  Gescliichte  der  deutschen  Philologie. 

wartet  werden,  bis  ein  ersehntes  und  eben  in  die  Arbeit  eingreifendes  Buch  ankommt! 
Wie  manches  Werk  muss  man  um  teures  Geld  auf  gutes  Glück  kaufen,  ohne  zu  wissen, 
ob  man  es  dann  auch  wirklich  benutzen  kann!  Wie  spärlich  sind  die  Gelegenheiten, 
wissenschaftliche  Aufsätze  kleineren  Umfanges  drucken  zu  lassen,  fast  nur  in  Rezensionen 
können  die  Brüder  los  werden,  was  sich  bei  ihnen  aufsammelt;  darum  begrüsst  auch 
Jakob  die  Erschliessung  der  „Wiener  Jahrbücher  der  Litteratur"  so  dankbar  (8.  164). 
Man  versteht  bei  diesen  Zuständen,  wie  es  durchaus  erforderlich  war,  gleichzeitig  ver- 
schiedene Arbeiten  in  Gang  zu  haben:  musste  die  eine  stocken,  weil  es  an  Stoff  und 
Hilfsmitteln  gebrach,  so  koinite  die  andere  einstweilen  vorwärts  rücken.  Freilich  lag 
alles  Altdeutsche  so  "\del  näher  beisammen  als  heutzutage.  —  Vor  allem  fällt  in  diesen 
Briefen  Jakob  Grimms  ins  ungeheure  ausgedehnte  Belesenheit  einmal  wieder  auf.  Das 
erste, '  was  er  darin  von  Benecke  verlangt,  sind  altenglische  Dramen  wie  die  „Dodsley 
Collection",  Massinger,  Fletcher,  und  ob  auch  sein  Gedankenaustausch  mit  Benecke  sich 
nach  und  nach  auf  das  Mittelhochdeutsche  einengt,  so  bleibt  doch  seine  Lektüre  gleich 
umfassend  und  erstreckt  sich  auf  alle,  selbst' die  anscheinend  entlegensten  Bücher,  aus 
denen  er  sich  irgendwelchen  Gewinn  für  seine  Studien  verspricht.  —  Es  versteht  sich  von 
selbst,  dass  die  Briefe  für  die  Charakteristik  der  Brüder,  vornehmlich  Jakobs,  und  ihre 
Arbeitsweise,  ihr  Verhältnis  zu  den  Mitforschern,  für  die  Kenntnis  ihrer  Anschauungen 
über  die  Zeitereignisse  reiche  Belehrung  spenden.  Einiges  möge  hier  ausgehoben  werden. 
Wie  klar  sich  Jakob  von  allem  Anfang  ab  über  v.  d.  Hagens  Eigenart  und  Mängel  ge- 
wesen ist,  zeigt  schon  der  erste  Brief  von  1808.  Die  Beziehungen  zu  Docen,  anfangs 
etwas  gespannt,  wurden  allmählich  besser.  Sehr  eingehend  bemühten  sich  die  Brüder 
um  die  Dichtungen  der  Tiersage  und  planten  grosse  Ausgaben;  weniges  davon  ist  wirk- 
lich zu  stände  gekommen,  in  Jakobs  Hauptwerken  erkennt  man  seine  Vertrautlieit  mit 
der  Sache.  Der  Einfluss  der  litterarhistori sehen  Forschungen  Walter  Scotts  auf  diese 
früheste  Thätigkeit  der  Brüder  Grimm  ist  doch  grösser  gewesen  als  man  ihn  sonst 
schätzte.  Die  „Altdeutschen  Wälder"  sind  ihr  rechtes  Schmerzenskind,  und  sie  haben 
nicht  geahnt,  dass  diese  armseligen  grauen  Bände  in  späterer  Zeit  den  antiquarischen 
Kostbarkeiten  zugezälilt  werden  würden.  Ueber  den  poetischen  Wert  der  alten  Denk- 
mäler besitzt  Jakob  ein  sicheres  Urteil,  so  ist  ihm  z.  B.  die  Trefflichkeit  von  Wernhers 
„Marienleben"  nicht  zweifelhaft  (S.  73).  Nur  für  jene  erste  Zeit  wird  noch  gelten,  was 
Jakob  (S.  86)  über  seine  und  des  Bruders  Arbeiten  sagt:  „Den  Schwanritter  habe  ich 
nicht  herausgegeben,  sondern  Wilhelm  hat  ihn  besorgt.  In  dergleichen  Fällen  pflegt 
zwar  jeder  des  andern  Arbeit  durchzulesen  und  seine  Anmerkungen  und  Verbesserungen 
vorzuschlagen,  allein  es  hängt  vom  Herausgeber  ab,  was  er  davon  brauchen  will."  Be- 
sonders lehrreich  sind  Jakobs  Briefe  von  1818/9  für  die  Vorgeschichte  der  Grammatik. 
Welche  Schwierigkeiten  bereitete  es,  die  alten  Wortformen  überhaupt  festzvistellen,  z.  B. 
das  Personalpronomen  zu  bestimmen,  und  erst  die  Lautgesetze!  Die  Begeisterung  für 
die  Sache  entlockt  ihm  (S.  107)  den  Satz:  „Bloss  die  Naturgeschichte  hat  einen  solchen 
Stoff  wie  die  Grammatik."  Die  jetzt  in  manchen  unserer  Seminare  heimisch  gewordene 
Uebung,  aus  dem  Neuhochdeutschen  ins  Altdeutsche  übersetzen  zu  lassen,  empfiehlt 
Jakob  (S.  113).  Ueber  seine  Grammatik  sagt  er  (S.  121)  die  schönen  Worte,  die  zum 
Teil  in  Scherers  Vorrede  zur  zweiten  Auflage  seiner  „Geschichte  der  deutschen  Sprache" 
wiederklingen:  „Thiersch  hat  völlig  recht,  nur  nicht,  dass  er  dabei  leider!  ausruft,  denn 
dass  alle  echte  und  den  menschlichen  Geist  würdig  beschäftigende  Arbeiten  niemals  fertig 
werden,  das  ist  ja  eben  etwas  Erfreuliches.  Eine  Aufgabe  ganz  lösen  heisst  mit  anderen 
Worten:  ihr  ein  beschränktes  Ziel  setzen.  Je  höher  man  hinauf  steigt,  desto  mehr 
flachen  sich  die  niederen  Stufen  ab,  die  man  früher  erstieg,  und  Sätze,  die  uns  jetzt  in 
der  Grammatik  neu  und  bedeutend  vorkommen,  werden  künftig  zu  den  trivialen  gehören." 
Dass  Jakob  auf  Lachmanns  Anregung  hin  die  mittelhochdeutschen  Reime  systematisch 
gesammelt,  untersucht  und  erst  aus  ihnen  die  Bestimmung  der  älteren  Vokalquantitäten 
gewonnen  hat,  steht  nun  fest  (S.  124  ff.).  Für  Beneckes  Einsprache  ist  er  dankbar  (S.  137). 
Schmellers  Anfänge  begrüsst  er  mit  Freuden  (S.  146).  Hübsch  spricht  er  über  seine  Art 
(S.  154):  „Ich  lese  hastiger  in  stetem  Bezug  aufs  einzelne,  Sie  ruhiger  und  den  Sinn  des 
Ganzen  mehr  im  Auge.  Sie  sind  offenbar  kritischer,  ich,  ob  ich  gleich  viel  von  Kritik 
schwätze,  würde  doch  (so  ist  für  „noch"  zu  lesen)  gewaltig  in  die  Enge  geraten,  wenn 
ich  nach  meiner  Manier  ein  Gedicht  herausgeben  sollte."  Die  grossartige  Weise,  in  der 
Lachmann  (nach  S.  165)  seine  auf  der  Reise  zu  stände  gebrachten  Abschriften  den  mit- 
forschenden Freunden  zur  Verfügung  stellt,  wird  die  Gegenwart  wundern,  in  der  sich 
die  Leute  wissenschaftliche  Aufgaben  mit  ängstlichem  Eifer  wegschnappen.  Dass  Jakob 
(S.  104)  den  undeutschen  Ursprung  von  „klar"  und  „fein"  kannte,  hat  Steinmeyer  bereits 
vermerkt  (ZDA.  34,  S.  282).  — 

Gewährt  uns  dieser  Briefwechsel  die  schätzbarste  Einsicht  in  die  Anfänge  der 
deutschen  Philologie,  so  überschauen  wir  in  dem  achten  und  Schlussbande  der  „Klei- 
neren   Schriften"  Jakob  Grimms**)   die    gesamte    Thätigkeit    des    Gründers    imsrer 


1,2:  A.  E.  Schöllbach,  Geschichte  der  deutschen  Pliilologie.  11 

Wissenschaft  wie  mit  Einem  Bhcke.  Die  darin  vorgelegte  Nachlese,  der  auch  ein  Re- 
gister für  die  Bände  6 — 8  beigefügt  ist,  verdanken  wir  der  Sorgfalt  Ippels.  Den 
Hauptteil  nehmen  die  Vorreden  ein,  politische  Aufsätze  und  Erklärungen  zur  Tages- 
geschichte  folgen,  denen  nacli  der  Besprechung  im  LCBl.  noch  ein  merkwürdiges 
Inserat  der  „Vossischen  Zeitung"  nachzutragen  sein  wird,  worin  Jakob  Grimm 
Ende  April  1848  zur  Besetzung  Jütlands  aufforderte:  die  Juten  müssten  als  ihrer  Hei- 
mat entfremdete  Deutsche,  ähnlich  wie  die  Elsasser,  dem  Reiche  wieder  angegliedert 
werden.  Man  sieht  aus  der  Sammlung,  mit  welch  achtsamer  und  unentwegter  Vater- 
landsliebe die  Brüder  an  allem  Teil  nahmen,  was  Deutschlands  Wohl  berührte.  Nach 
einer  kleinen  Zusammenstellung  persönlicher  Notizen  schliesst  der  Band  mit  einem 
Anliang.  Es  geht  nicht  an,  hier  hervorzuheben,  was  in  diesen  Aufsätzen,  die  zum 
Teil  aus  recht  selten  gewordenen  Drucken  zusammengebracht  sind,  unsre  Auf- 
merksamkeit fesselt.  Manches  könnte  mit  Nutzen  auf  die  Gegenwart  bezogen 
werden,  so  wenn  sich  Jakob  Grimm  wider  künstlich  ersonnene  Sprachen,  wider  Ab- 
teilungen in  der  Poesie  wehrt,  Aenderungen  im  Lutherschen  Bibeltext  tadelt  und  mehr- 
mals gegen  das  Ereindwörterunwesen  auftritt.  Einzelne  in  dem  Bande  verstreute  Be- 
merkungen mögen  der  heutigen  Forschung  noch  dienen.  Seine  protestantisch-antikatho- 
lische Ueberzeugung  hat  Jakob  Grimm  selten  so  scharf  ausgedrückt  wie  in  der  Rezension 
von  Candidus,  „Der  deutsche  Christus"  (S.  391).  Wie  die  Stücke  aus  verschiedenen 
Jahrzehnten  da  nebeneinander  gedruckt  stellen,  sieht  man  deutlich,  dass  die  übertriebene 
Bilderfülle  in  Jakob  Grimms  Sprache  der  ersten  Zeit  später  einschwindet  und  einem 
massvollen  Gebrauche  Platz  macht.  — 

In  diesem  Bande  ist  (S.  508 — 41)  mit  reichlichen  Nachträgen  aus  J.  Grimms 
Handexemplar  die  berühmte  Meuseb  ach  sehe  Rezension  des  zweiten  Teiles  der  Grammatik 
wieder  abgedruckt  und  erweckt  das  Andenken  an  den  „seltenen  und  seltsamen"  Mann, 
dem  die  Erneuerung  des  Studiums  deutscher  Litteratur  des  16.  und  17.  Jh.  so  vieles  zu 
danken  hat.  Seinem  Gedächtnis  sollte  die  Lebensbeschreibung  gewidmet  werden,  die 
der  verstorbene  Oberschulrat  K.  Schwartz  ♦''i)  in  Wiesbaden  nach  Meusebachs  Tage- 
büchern und  nach  vielen  mündlichen  Mitteilungen  alter  Freunde  verfasst  liatte;  sie  tritt 
jetzt  nur  in  den  Auszügen  ans  Licht,  die  der  Nassauische  Geschichtsverein  davon  ver- 
öffentliclit.  Kniipfen  diese  Bericlite,  besonders  für  Meusebachs  späteres  Leben,  für  seine 
Bibliothek  und  seine  litterarische  Thätigkeit,  an  die  bekannten  Schriften  Wendelers  und 
die  gedruckten  Briefsammlungen  an,  so  sind  doch  manche  interessante  Einzelzüge  dem 
Charakterbilde  beigefügt  und  vornehmlicli  Meusebachs  erste  Jugend  sowie  die  zu  Dilleii- 
burg  und  Koblenz  verbrachten  Jahre  (1803 — 19)  werden  hier  eingehender  als  zuvor  be- 
schrieben. Dadurch  erhalten  diese  Mitteilungen  einen  über  die  lokale  Bedeutung  der 
„Annalen"  hinausgehenden  Wert,  nicht  zum  geringsten  vielleicht  auch  deswegen,  weil 
kaum  sonst  wo  der  Versuch,  Jean  Pauls  Ideale  und  Sonderbarkeiten  in  die  praktische 
Lebensführung  zu  übertragen,  ein  so  gutes  und  für  die  Wissenschaft  segensvolles  Ende 
genommen  haben  wird.  — 

Während  des  letzten  Lebensabschnittes  der  Brüder  Grimm  stand  die  Arbeit  am 
„Deutschen  Wörterbuch"  ■?)  im  Vordergrunde  ihrer  Thätigkeit.  Sie  zu  scliildern  unter- 
nahm der  Berufenste,  M.  von  Lexer^),  in  seiner  Würzburger  Rektoratsrede,  nachdem 
er  in  grossen  Zügen  die  Entwicklving  der  neuhochdeutschen  Lexikographie  überhaupt 
beschrieben  hat.  Er  schöpft  dabei  hauptsächlich  aus  dem  Briefwechsel  zwischen  den 
Brüdern  und  Salomon  Hirzel,  ihrem  Verleger,  den  er  zum  grösseren  Teile  dann  ver- 
öfFentliclit  9-'-''').  Diese  Briefe  berühren  alle  Fragen,  die  bei  der  Ausarbeitung  des  grossen 
Nationalwerkes  in  Betracht  kommen.  Dass  die  Auszüge  aus  Schriftstellern  für  das 
Wörterbuch  „immer  mit  unmittelbarem  Bezug  auf  das  zunächst  vor  Augen  schwebende 
Material"  gemacht  sein  sollen,  wünscht  Jakob;  über  die  Notwendigkeit  lateinischer 
Erklärungen  lässt  er  sich  aus.  Seine  oft  bewährte  Gabe  politischer  Prophezeiung 
bestätigen  die  Aeusserungen  auf  S.  250.  Hirzels  nie  ermüdende  Freundlichkeit 
strebt  dahin,  besonders  Jakob  die  schwere  Last  zu  erleichtern,  er  drängt  vorsichtig, 
aber  unablässig  und  wird  erst  dann  lebhafter,  wenn  er  meint,  das  Scheitern  des  Unter- 
nehmens fürchten  zu  müssen,  das  doch  für  sehi  Geschäft  ein  grosses  Wagnis  bedeutete. 
Andrerseits  ist  Jakob  Grimms  Zögern  und  sein  Wunsch,  anderen  Arbeiten  sich  widmen 
zu  dürfen,  begreiflich  genug.  Es  kam  nie  zu  einer  wirklichen  Verstimmung  zwischen 
beiden  Männern,  nur  zu  ruhigen  Auseinandersetzungen,  und  nichts  giebt  ihrer  lauteren 
Gesinnung  ein  ehrenvolleres  Zeugnis  als  die  beiden  letzten  grossen  Briefe  in  L.s  erster 


meyer:  ZDA.  34,  S.  33;  Heinzel:  ZOG.  41,  S.  441/2.]]  —  6)  J.Grimm,  Kleinere  Schriften  8. 15d.  (=  Vorreden,  Zeitgeschieht- 
liches  u.  Persönliches.)  Gütersloh,  Bertelsmann.  XI,  611  S.  M.  12,50.  |[LCB1.  S.  1340/1.]  |  (Her.  v.  E.  Ippol.)  -  6a)  Karl 
Hartwig  Gregor  v.  Meusehach.  Lobensnachrichten  v.  Dr.  K.  Schwartz.  Für  d.  Annalen  boarb.  v.  F.  Otto:  AnnVNassauG. 
21/2,  S.  43-76,  1—64.  (Dazu  2  Stammtafeln.)  —  7)  X  Mühlhausen,  Gesch.  d.  Grimmschen  Wörterbuches:  ZDU. 
4,  S.  85,7.  —  8)  M.  V.  Loxor,  Z.  Gösch,  d.  neuhochdeutschen  Lcxikograiihie.  Kektoratsrede.  Würzburg,  Stürtz.  4".  32  S. 
31.  1,00.  —  9)  X  id.  Z.  Gesch.  d.  deutschen  Wörterbuches:  ADA.  16,  S.  220—64.  -  9a)  id.,  Nachlese  aus  d.  Briefwechsel  zw. 


12  1,2:  A.  E.  Öchönbach,  Geschichte  der  deutschen  Pliilologie. 

Sammlung  (N.  82  u.  83).  Heute  muss  man  doch  sagen,  dass  zwar  das  „Deutsche  Wörter- 
buch" olme  die  Brüder  Grimm  niemals  in  seiner  jetzigen  Gestalt  und  Ausdehnung  zu 
stände  gekommen  wäre,  dass  aber  die  deutsche  Philologie  doch  einen  schweren  und  nie 
einbringlichen  Verlust  dadurch  erlitten  hat,  dass  Jakob  zwanzig  Jalire  lang  sich  haupt- 
sächlich ans  Wörterbvich  gefesselt  sah.  Es  tiberläuft  den  Leser  heiss,  wenn  er  im 
48.  Briefe  die  Liste  der  Unternehmungen  überblickt,  die  Jakob  noch  1857  plante,  in  die 
ja  überdies  manche  ältere  und  stets  mit  Sorgfalt  gepflegte  Vorhaben  wie  das  eines 
Buches  über  „Deutsche  Sitten"  gar  nicht  eingereiht  sind.  Hätten  wir  nur  die  Syntax 
vollendet  erhalten!  Aber,  wie  Jakob  ein  andermal  schreibt:  „trahunt  sua  quemque  fata".  — 

Auch  Andreas  Schmellers  köstliches  „Bayrisches  Wörterbuch"  ist  durch  die 
Ungunst  der  Zeit  aufs  schlimmste  gehemmt  worden;  die  letzten  Teile  wurden  in  der 
ersten  Auflage  knapp  zusammengerückt  und  vieles  weggelassen.  Da  hat,  wie  beim 
„Deutschen  Wörterbuch",  schliesslich  nur  die  Staatshilfe  Erneuerung  und  Eortführung 
des  Werkes  ermöglicht.  Zur  Herstellung  der  zweiten  Auflage  des  „Bayrischen  Wörter- 
buches" konnte  Jakob  Grimm  noch  selbst  mitwirken;  sein  anderer  Wunsch,  Schmeller 
möclite  ein  Denkmal  in  München  erhalten,  ist  bis  zur  Stunde  nicht  erfüllt  und  wird  es 
auch  schwerlich  werden,  so  lange  die  Bayern  von  Schmellers  Verdiensten  (und  denen 
des  Kaspar  Zeuss)  niclit  mehr  wissen,  als  sie  trotz  Ludwig  Steubs  laviten  Klagen  vor 
vierzig  Jahren  wussten.  Der  Artikel  Edward  Schröders  i*^)  kann  darüber  ausreichend 
belehren.  Es  fehlt  aber  trotz  der  löblichen  Bestrebungen  von  Nicklas  noch  an  einer  guten, 
durchgreifenden  Biographie  Andreas  Schmellers,    sie    muss   erst  geschrieben  werden.  — 

Dem  alten  „sassischen"  Schellerii),  dem  Grubenhagener  Lexikographen  Scham- 
bach 12)  und  seinem  späteren  Nachfolger  Schülerin)  suclien  die  Artikel  der  „Allge- 
meinen deutschen  Biographie"  gerecht  zu  werden.  Daniel  Sanders  i*)  nimmt  sich  sein 
Lob  lieber  voraus,  und  das  Heft  kennzeichnet  seinen  Vf.  so  deutlich,  dass  es  überflüssig 
ist,  ein  Wort  hinzuzufügen.  — 

Was  Uns  sonst  an  Mitteilungen  aus  dem  Leben  älterer  Germanisten  vorliegt, 
ist  dürftiges).  Dagegen  haben  wir  über  den  früh  geschiedenen  Wilhelm  Seh  er  er  zwei 
Arbeiten  zu  erwähnen,  das  Buch  von  Bascli  und  einen  Aufsatz  Edward  Scliröders, 
auch  K.  Burdachs  sorgsames  Verzeichnis  von  Scherers  Schriften  ist  noch  zu  nennen. 
Baschiß)  sondert  sein  Buch  in  fünf  Kapitel.  Das  erste  skizziert  im  Anschluss  an  Ru- 
dolf von  Raumer  die  Geschichte  der  deutschen  Philologie;  das  zweite,  überschrieben 
„Les  idees  generales  de  Scherer",  sucht  die  Hauptgedanken  in  Scherers  Lebensarbeit 
festzulegen:  Determinismus  als  Grundanschauung,  Verwertving  der  Liduktion  in  allen 
Bezirken  der  Forschung.  Die  drei  übrigen  Abschnitte  beschäftigen  sich  mit  den  Büchern 
Scherers,  die  nach  B.  als  seine  Hauptwerke  angesehen  werden  müssen:  die  Litteratur- 
geschichte,  die  Poetik,  die  Geschichte  der  deutschen  Sprache.  B.  systemisiert  etwas  zu 
viel  und  hat  sich  doch  zu  wenig  im  Altdeutschen  umgethan,  wie  manche  Verstösse  be- 
weisen, er  hätte  sonst  die  „Poetik"  nicht  so  überschätzen,  die  Einzeluntersuchungen  Scherers 
nicht  so  gering  anschlagen  können.  Aber  er  bemüht  sich  redlich,  vorurteilslose  Kritik 
zu  üben,  die  Bedeutung  Scherers,  seine  Vorzüge  und  Schwächen  riclitig  zu  beurteilen.  — 
Von  einer  sehr  viel  intimeren  Sachkenntnis  geht  Edward  Schröder  i'')  in  seiner  vor- 
trefflich geschriebenen  Biographie  aus  und  ersetzt  den  von  Bascli  etwas  weit  gezogenen 
universalhistorischen  Rahmen  durch  genaueres  Eingehen  auf  Scherers  Entwicklung  und 
Persönlichkeit.  So  darf  man  also  hoifen,  dass  Scherers  Wirken  allgemach  nicht  mehr 
aus  dem  Fanatismus  einer  Partei  heraus,  sondern  mit  allseitig  abwägender  Gerechtigkeit 
werde  gewürdigt  werden.  — 

Dem  fruchtbaren  Leben  und  Schaffen  von  Wilhelm  Crecelius  ist  durch 
Harless^^)  im  Auftrage  des  Bergischen  Geschichtsvereins  eine  Biographie  nebst 
einem  Schriftenverzeichnis  gewidmet  worden.  Das  rechte  Idealbild  eines  tüchtigen 
Lokalhistorikers,  ist  Crecelius  doch  darüber  noch  weit  hinaiisgewachsen  und  hat,  wie 
die  lange  Reihe  seiner  Beiträge  zu  verschiedenen  Zeitschriften  zeigt,  eine  gesegnete 
Thätigkeit  in  der  Sammlung  und  sorgfältigen  Bestimmung  von  Handschriften  \ind 
Fragmenten,  in  der  Erörtennig  von  vielem  entfaltet,  was  einst  Hoffraann  von  Fallers- 
leben  mit  glücklichem  Ausdruck  „Findlinge"  getauft  hat.  Besonders  jedoch  wandte 
Crecelius  seine  Studien  der  niederdeutschen  Sprache  zvi  inid  ihren  Grenzdialekten;  seine 
Bestrebungen  sollten  sich  in  einem  „Oberhessischen  Wörterbuch"  zusammenfassen, 
das,  wie  es  heisst,  im  Manuskript  vollendet  ist  und  wohl  als  schönstes  Denkmal  für 
den  Geschiedenen  auch  veröffentlicht  werden  wird.  — 


d.  Brüdern  Grimm  u.  Salomon  Hirzel :  ZDA.  35,  S.  237— 54.  —  10)  Edward  Sehröder,  J.  Andreas  Schmeller:  ADB.  31,  786-92. 
—  II)  id.,  Karl  Fr.  A.  Scheller:  ib.  S.  1—3.  —  12)  H.  PrOhle,  Oeorg  S.  Scharabach:  ib.  30,  S.  561—70.  —  13)  Krause, 
Karl  Christian  Schiller:  ib.  31,  S.  250/1.  —  14)  D.  Sanders,  Aus  d.  Werkstatt  e.  Wörterbuchschreibers.  Plaudereien.  Berlin, 
Lüstonöder.  1889.  XX,  54  S.  M.  1,50.  (Vorher  erschienen  1888  im  Maiheft  v.  N&S.)  —  15)  X  I--  Geiger,  Aus  Wilhelm 
WackernagelH  Jugend:  ZVLR.  NF.  3,  S.  358/9.  (E.  Brief  Phil.  Wackernagels.)  —  16)  V.  Basch,  Wilhelm  Scherer  et  la  Philo- 
logie allemande.  Paris-Nancy,  Berger-Lovrault  et  Cie.  1889.  148  8.  |[Hauffen:  '/AUi.  41,  S.  1014/5.]|  —  17)  Edward  Schröder, 
Wilhelm  Scherer:  ADB.  31,  S.  104-14.  —  18)  W.  Harless,  Z.  Erinnerung  an  Wilhelm  Crecelius:  ZBergGV.  25,  S.  I— XXXVIl.  — 


1,2:  A.  E.  Schönbach,  Geschichte  der  deutschen  Philologie.  13 

Mit  voller  Liebe  und  von  der  gründlichsten  Kenntnis  des  Menschen  und  der 
Sachen  ausgerüstet  hat  Johannes  Schmidt  i^)  das  Leben  von  August  Schleicher 
beschrieben.  Die  phänomenale  Begabung  luid  Leistungsfähigkeit  dieses  ausserordent- 
lichen Mannes  tritt  in  der  Biographie  aufs  klarste  hervor,  gleichermassen  die  noch  jetzt 
in  verschiedenen  Teilen  der  Linguistik  wirkenden  und  geltenden  Ergebnisse  seiner  For- 
schung und  die  Eigenart  seiner  Methode.  Dass  seine  unausgesetzte  Arbeit  so  wenig 
durch  äussere  Erfolge  gelohnt  wurde,  dass  er  sterben  musste,  bevor  die  vergleichende 
Sprachwissenschaft  ilu^en  festen  Rang  an  den  deutschen  Universitäten  gewann,  das  wirft 
einen  tragischen  Schatten  auf  dieses  Gelehrtenleben.  — 

Ueber  Johannes  Scherr  bringt  Mähly^o)  einen  hixbschen  Aufsatz,  in  dem 
dieser  Sonderling  und  barocke  Schriftsteller  geschildert  wird,  dessen  klobige,  aber  von 
grimmer  Ehrlichkeit  eingegebene  Schreibweise  man  in  der  Litteraturgeschichte  eher  als 
in  seinen  halbpoetischen  Essays  und  am  wenigsten  in  einigen  treiflichen  Erzählungen 
(z.  B.  „ßosi  Zurflüli")  missen  möchte.  — 

Julian  Schmidt  erfährt  eine  sehr  ausführliche  Darstellung  durch  Constantin 
Rössler^i)^  in  der  aber  begreiflicherweise  gerade  die  uns  wichtige  Seite  der  litterar- 
historischen  imd  ästhetischen  Kritik  weniger  berücksichtigt  wird  als  die  politische 
Thätigkeit.  Julian  Schmidts  Einfluss  war  durch  ungefähr  anderthalb  Jahrzehnte  sehr 
gross  und  in  der  zweiten  Hälfte  der  sechziger  Jahre  auf  seiner  Höhe;  wie  er  auf  0 ester- 
reicher, z.  B.  avif  Wilhelm  Scherer,  wenngleich  nicht  ohne  scharfen  Widerspruch,  ge- 
wirkt hat,  verdiente  einmal  besonders  beschrieben  zu  werden.  Er  selbst  hat  sein  Haupt- 
werk, die  „Geschichte  der  deutschen  Litteratur  im  19.  Jh."  nachmals  zerschlagen  und 
durch  synchronistische  Verschachtelung,  die  er  für  wissenschaftlich  hielt,  alle  Fortdauer 
der  Geltung  sich  verdorben.  Nur  aus  den  ersten  Auflagen  des  Werkes  versteht  sich 
die  Bedeutxmg  dieses  Mannes,  und  dann  wieder  aus  den  späteren  Serien  von  „Bildern 
aus  dem  geistigen  Leben",  in  denen  seine  grosse  Gabe  schärfster  und  eindringlichster 
Charakteristik,  ging  sie  auch  bisweilen  voii  ganz  falsch  gewählten  Punkten  aus,  sich 
doch  ausgezeichnet  bewährte.  — 

Von  Ereunden  ist  dem  verstorbenen  Richard  Gosche  ein  Buches)  gewidmet 
worden,  das  ausser  einer  warm  geschriebenen  Lebensskizze  und  einer  kurzen  Würdigung 
der  Arbeiten  Gosches  auf  dem  Gebiete  der  orientalischen  Philologie  noch  dreizehn  Auf- 
sätze über  sehr  verschiedene  Gegenstände  der  Litteratur  und  Kunst  enthält.  In  der 
deutschen  Philologie  wird  Gosches  Andenken  viel  mehr  durch  seine  Begründvmg  der 
ersten  ausschliesslich  litterarhistorischen  Zeitschrift  fortleben  denn  durch  seine  eigene 
Forsclmng  und  Darstellung.  Die  Vorzüge  seiner  Essays  sind  avich  in  dieser  kleinen 
Sammlung  nicht  zu  verkennen:  geschickte  Disposition,  klares  Urteil,  kluge  Einfälle, 
ruhige  Erörterung,  durch  Bilder  geschmackvoll  unterbrochen,  treffende  Parallelen  sicher- 
ten dem  gewandten  Redner  grosse  populäre  Erfolge.  Seine  Gaben  scheinen  insbesondere 
die  eines  guten,  über  ein  ungeheures  Wissen  gebietenden  Journalisten  gewesen  zu  sein, 
strenger  und  anhaltender  Arbeit  an  geschlossenen  Problemen  versagte  sich  seine  Kraft. 
Dass  er  aber  zuerst  den  Gedanken  einer  vergleichenden  Litteraturgeschichte  hegte,  ihn 
durch  eigene  Thätigkeit  zu  verlebendigen  strebte  und  dafür  in  weitesten  Kreisen  An- 
hänger warb,  das  soll  ihm  unvergessen  bleiben.  — 


1,3 

Poetik  und  ihre  Geschichte. 

Richard  Maria  Werner. 

Geschichte  der  Poetik  und  Aesthetik:  Sacer  N.  3.  —  Gottsched  uni  die  Schweizer  N.  4.  —  Gravina 
N.  6.  —  Kant  N.  11.  —  Schiller  N.  15.  —  Ae.sthetik  seit  Kant  N.  16.  —  Grillparzer  N.  18.  —  Lotze  N.  20.  —  Visclier  N.  22. 
—  Deduktive  Poetik:  Theoretische  Arbeiten  N.  25.  —  Praktische  Zwecke  N.  32.  —  Induktive  Poetik:  Historisch- 
psychologische  Methode  im  allgemeinen  N.  35.  —Physiologie  der  Lyrik  N.  36.  —  Dramatische  Charaktere  N.  42.  —  Modern« 
Aesthetik  und  ihre  Ergebnisse  für  die  Poetik:  Methode:  die  evolutionistische  Theorie  N.  57.  —  Aesthetik  und 
Naturwissenschaft  N.  61.  —  Aesthetik  und  Grammatik  N.  64.  —  Ergebnisse:  Allgemeines  N.68;  Schön  und  hässlich  N.  70 
das  ästhetische  Gefallen  N.  82.  —  Das  Genie  N.  84;  das  dichterische  Schaffen  N.  88  —  Einzelne  Begriffe:  Geschmack- 
voll N.  100;  Stilvoll  N.  101;  Allgemein  mensclilich  N.  103;  Allegorisch  N.  109;  Tragisch  N  111;  Tendenziös  N.  112;  Plagiat 
N.  117.  —  Der  Naturalismus  N.  118.  — 

Die  Poetik,  die  Lehre  von  der  Dichtkunst,  ist  ein  Teil  der  Aesthetik,  mag  diese 
nun  wie  immer  verstanden  werden.    Die  Untersuchung  der  Mittel,  deren  sich  die  Dicht- 


19)  Johannes  Schmidt,  August  Schleicher:  ADB.  31,  S.  402—16.  —  20)  J.  Mähly,  Johannes  Scherr:  ib.,  S.  125—30.  — 
21)  C.  Rössler,  H.  Julian  A.  Schmidt:  ib.  S.  751—68.—  22)  Richard  Gosche.  Erinnerungsblatter  für  seine  Freunde.  Bio- 
graphie u.  ausgew.  Aufsätze  (mit  e.  Portr.  in  Steindruck).  Halle  a/S.,  Hendel.  XXXX,  120  S.  (Biogr.  S.  V— XXXV  v. 
A.  Fränkel;  R.  G,    l.  Orientalist  S.  XXXVI— XXXIX  v.  Georg  Ebers.)- 


14  1,3:  R.  M.  Werner,  Poetik  und  ihre  Geschichte. 

knnst  zur  Erreichung  ihres  Zieles  bedient,  der  Wirkungen,  die  sie  liervorbringt,  ihrer 
Art  und  ilvres  Wesens  geht  parallel  den  Untersuchungen  über  Mittel,  Wirkungen,  Art 
und  Wesen  der  übrigen  Künste;  unter  Aesthetik  aber  verstehen  wir  die  vergleichende 
Zusammenfassung  aller  dieser  Untersuchungen  zu  Einem  Ganzen,  mag  auch  die  Methode 
bei  den  einzelnen  Aesthetikern  eine  grundverschiedene  sein.  Die  ältere  Aesthetik  suchte 
das  Gemeinsame  der  Künste  in  Einem  Begriffe,  den  sie  nun  im  einzelnen  durchführte  — 
Fechners  „Aesthetik  von  oben"  — ,  die  neuere  Aesthetik  dagegen  geht  den  umgekehrten 
Weg,  möchte  zuerst  die  Einzeluntersuchungen  abschliessen,  um  dann,  wenn  dies  ge- 
schehen sein  wird,  die  Zusammenfassung  vorzunehmen  und  das  Einigende  der  Künste 
zu  erforschen;  Fechner  nannte  sie  darum  die  „Aesthetik  von  unten".  Beide  Methoden 
werden  jetzt  neben  einander  angewendet,  nicht  von  denselben  Forschern,  sondern  von  ver- 
schiedenen Schulen.  Natürlich  ist  die  Trennung  aber  keine  so  vollständige,  dass  nicht 
die  eine  von  der  anderen  manches  zu  lernen  vermöchte.  Auch  die  Poetik  kann,  wenn 
sie  richtig  getrieben  wird,  die  Lehren  der  älteren  Aesthetik  nicht  völlig  ausser  Acht 
lassen;  gewisse  Erkenntnisse  wurden  gewonnen,  die  genutzt  wei'den  dürfen,  wenn  sie 
sorgfältig  auf  ihre  Richtigkeit  geprüft  werden.  Deshalb  muss  auch  ein  Bericht  über  die 
neuen  Erscheinungen  auf  dem  Gebiete  der  Poetik  vielfach  hinübergreifen  in  jenes  der 
Aesthetik,  nicht  bloss,  um  zu  erfahren,  was  diese  über  Dichtkunst  im  speciellen  lehrt, 
sondern  um  sich  klar  zu  machen,  wie  viel  sich  aus  den  Erkenntnissen  über  die  Kunst 
im  allgemeinen  für  ihre  besondere  Kunst  lernen  lasse.  Die  Eigenart  der  älteren  Aesthetik 
brachte  es  naturgemäss  mit  sich,  dass  die  einzelnen  Forscher  meist  mit  Einer  Kunst 
oder  mit  einigen  genauer  vertraut  waren,  die  übrigen  Künste  dann  nur  streiften  oder 
zum  Teil  mit  Hilfe  befreundeter  Forscher  sich  nahezubringen  suchten;  man  denke 
Fr.  Vischers  und  seines  Verhältnisses  zur  Musik.  Dass  dabei  die  Dichtkunst  von  den 
meisten  Aesthetikern  eingehender  gewürdigt  wurde,  lag  in  der  Natur  der  Sache;  werden 
wir  doch  von  Jugend  an  mit  den  Erzeugnissen  dieser  Kunst  genauer  vertraut  als  mit 
den  Werken  der  anderen  Künste.  Unser  Bericht  muss  der  ästhetischen  Werke  so  weit 
gedenken,  als  sie  für  die  Poetik  Wichtigkeit  haben.  Besonders  das  18.  Jh.  zeigt  uns 
eine  lebendige  Wechselwirkung  zwischen  Dichtkunst  inid  Aesthetik;  mehrere  von  un- 
seren deutschen  Dichtern  sind  auch  auf  ästhetischem  Gebiete  thätig,  vielleicht  sogar 
ausschlaggebend,  wenn  auch  E.  von  Hartmann  diesen  „Popularästhetikern"  gegenüber 
den  „wissenschaftlichen  Aesthetikern"  keinen  Wert  zuerkennt.  Kann  man  sich  aber 
Lessing  und  Scliiller  aus  der  Geschichte  der  Aesthetik  liinwegdenken,  ohne  Lücke,  ohne 
Verlust;  kann  man  andrerseits  aus  ihrem  Leben  die  Beschäftigung  mit  der  Aesthetik 
streichen,  ohne  einen  charakteristischen  Zug  ihres  Wesens  zu  vernachlässigen?  Schillers 
Untersuchungen  sind  so  gut  wie  ausschliesslich  der  Dichtkunst  gewidmet,  aber  nur  zu 
verstehen,  wenn  man  sie  im  Zusammenhang  mit  der  Kantschen  Philosopliie  betrachtet, 
aus  der  sie  hervorgewachsen  sind.  Deshalb  muss  die  Poetik  der  Werke  gedenken,  die 
sich  mit  der  Kantschen  Aesthetik  beschäftigen,  wenn  dies  auch  nur  in  einem  liistorischen 
Kapitel  geschehen  kaiin.  — 

Geschichte  der  Aesthetik  und  Poetik,  i)  Die  „Nützlichen  Erinnerungen 
wegen  der  Deutschen  Poeterey"  (Alten  Stettin  1661)  von  Sacer  charakterisiert  von  Wald- 
berg 2-3).  Sacer  steht  zwar  auf  dem  Boden  der  Renaissancepoetik,  folgt  Opitz,  Hars- 
dörfter,  Rist,  Tscherning,  Schottel  u.  a.,  ist  aber  einer  der  Ersten,  die  gegen  die  allzu- 
häufige Verwendung  der  Diminutiva  im  Reim  auftraten,  durch  die  Plavius  (ADB.  26, 
S.  268)  so  berüchtigt  war;  doch  polemisiert  er  auch  gegen  Opitz,  Fleming  und  Zesen 
wegen  ihrer  Fehlgriffe.  Scharf  fällt  er  einerseits  über  Hans  Sachs,  andrerseits  über 
den  Purismus  her;  zu  meisterhafter  Satire  erhebt  er  sich  aber  in  der  Pseudonymen 
Schrift  „Reime  dich  oder  ich  fresse  dich  ....  von  Hartmann  Reinholden"  (Noi'dhausen 
1673).  Sein  Hauptvorzug  ist  die  Begünstigung  erlebter  Dichtung  gegenüber  der  un- 
wahren, innerlich  hohlen  Gelegenlieits-,  Konversations-  und  banausischen  Poesie  seiner 
Zeit;  dadurch  steht  er  ganz  isoliert  auf  einem  damals  neuen  Standpunkte.  W.  glaubt, 
die  Sprache  der  Schrift  könnte,  wenn  auch  nicht  direkt,  auf  ältere  spanisclie  Muster 
zurückgeführt  werden.  Sacer  wird  hier  günstiger  beurteilt  als  von  Borinski,  wodurch 
Gervinus'  Darstellung  bestätigt  erscheint.  — 

Li  fördernder  Weise  hat  Seuffert*)  die  beiden  Arbeiten  von  Servaes  und 
Braitraaier  über  Gottsched  und  die  Schweizer  besprochen,  indem  auch  er  vor  allem 
ein  gerechteres  Urteil  fällt;  er  misst  die  Bedeutung  Bodmers  und  Breitingers  sorg- 
faltig ab  und  bestimmt  das  Wesen  beider  gewiss  richtig.  Treffend  verteidigt  er  Gott- 
sched   gegen   die  übertreibende  Herabsetzung    durch  Braitmaier,    indem    er    sowohl    die 


•)  XX  Frischs  Schulspiel  v.  d.  falschen  Dicht-  u.  Reimkunst.  Her.  v.  L.  H.  Fischer.  (S.  u.  III,  4  N.  18.)  — 
2)  XM.  Freiherr  V.  Waldberg,  Martin  Kinckhart:  ADB.  30,  S.  74/6.  (Sein  ^^Summarischer  Discurs  oder  Durch-Gang, 
von  Teutschen  Versen,  Fuss-Tritten  vnd  rornehmsten  Keim-Arten  oder  Teutsche  Prosodia"  (1645  vor  d.  Katecliismusliedern) 
nur  kurz  erwähnt,  es  sind  „metrische,  v.  wenig  Selbständigkeit  zeugende  Lehren".)  —  3)  id.,  ö.  W.  Sacer:  ib.  S.  111/3. 
(S.  u.  111,2  N.  2«.)  —  4)  li.  Seuffert,    Servaes,    D.    Poetik  Uottscheds    u.  d.  Schweizer,  u.  liraitmaior,  Gesch.  d.  Poetischen 


I,B:  R.  M.  Werner,  Poetik  und  ihre  Geschichte,  15 

„Cri tische  Dichtkunst"  im  allgemeinen  würdigt,  als  einzelne  Teile  der  Gottschedschen 
Wirksamkeit  heraushebt;  so  werden  scharf  und  klar  die  Widersprüche  in  Gottscheds 
Ansichten  erklärt  durch  den  Nachweis,  dass  Gottsched  als  Rationalist  in  der  Poetik 
realistisch  sein  musste,  während  er  zugleich  als  Anhänger  der  höheren  Kinistform,  des 
strengeren  Stiles,  ein  idealistisches  Prinzip  vertrat;  da  er  den  Realismus  nicht  auf  die 
Auffassung  beschränkte,  sondern  avif  die  Erscheinung  ausdehnte,  komite  die  Vereinigung 
der  beiden  Prinzipien  nicht  gelingen.  S.  betont  eben  die  Notwendigkeit,  die  Er- 
scheinungen ohne  Voreingenommenheit  liistorisch  zu  erfassen  und  ohne  Uebertreibung 
an  einander  zu  messen;  er  findet,  Braitmaier  habe  die  Schweizer,  Mendelssohn  ebenso 
überschätzt,  als  er  Gottsched,  Meier,  Nicolai  unterschätzt.  Ueberhaupt  trägt  S. 
einige  methodische  Bedenken  vor,  die  nicht  eigentlich  für  die  Poetik  allein  wichtig  sind, 
so  über  Briefwechselpublikationen  und  ihren  Wert,  über  die  Bedeutung  von  Kompendien, 
über  litterarliistorische  Stellung.  Eür  uns  kommt  aber  vor  allem  die  Ausführung  über 
die  Regel  und  ihre  Wichtigkeit  in  der  Kunst,  über  den  Verstand  als  Regulator  der 
Phantasie  in  Betracht.  Noch  sei  erwähnt,  dass  Wielands  Stellung  innerhalb  der  Ge- 
schichte der  Poetik  kurz,  aber  ausreichend  gekennzeichnet  wird.  So  hat  S.  die  Lücke 
ausgefüllt,  die  tadelnd  u.  a.  auch  Griicker^)  erwähnt  hatte.  — 

Den  Zweck,  uns  die  Ansichten  eines  wenig  bekannten  Aesthetikers  zu  ver- 
mitteln, hat  sich  die  Arbeit  von  Reich**)  vorgesetzt;  sie  behandelt  den  in  Italien  auch 
als  Aesthetiker  angesehenen  Juristen  Gravi  na  eingehender,  als  es  dvu-ch  H.  von  Stein 
geschah.  R.  giebt  zuerst  eine  Lebensgeschichte  Gravinas;  dieser  war  am  18.  Eebr.  1664 
zu  Rogiano  in  Calabrien  geboren,  bezog  1681  die  Universität  Neapel  und  kam  1688  zu 
bleibendem  Aufenthalte  nach  Rom,  wo  er  als  Professor  am  6.  Jan.  1718  in  den  Armen 
seines  Adoptivsohnes  Metastasio  starb.  Hauptsächlich  gehen  uns  drei  Schriften  Gra- 
vinas an:  „Discorso  sopra  l'Endimione  di  Erillo  Cleone"  (Rom  1692),  „Della  Ragion 
Poetica  Libri  Due"  (Rom  1708)  und  „Della  Tragedia  Libro  uno"  (Neapel  1715);  der 
von  H.  von  Stein  behauptete  Einfiuss  Shaftesburys  auf  Gravina  besteht  thatsächlich  nicht. 
Gravinas  Stellung  ist  bedingt  durch  seine  Zeit  und  seine  Erziehung;  er  vertritt  einen 
durchaus  nicht  einseitigen  Klassizismus  gegenüber  dem  Marinismus  •'a)  j  er  ist  angewidert 
von  der  Modepoesie  und  findet  das  Heilmittel  in  der  Rückkehr  zvir  Einfachheit  und 
Natürlichkeit  der  Griechen  und  Römer,  die  man  aber  nicht  sklavisch  nachahmen  dürfe. 
Er  bedeutet  also  die  Forderung  der  Natürlichkeit  im  Gegensatze  zur  Unnatur  der  zeit- 
genössischen Werke.  R.  nimmt  nun  Gravinas  Hauptwerk  Kapitel  für  Kapitel  durch, 
um  von  Zeit  zu  Zeit  Beifall  oder  Tadel  auszusprechen;  wir  vermissen  leider  die  histo- 
rische Erfassung  auch  hier  und  wundern  uns  über  Deklamationen  wie  S.  25  f.  die  Auf- 
fassung der  Einheit  der  Zeit  in  der  Tragödie  betreffend,  oder  über  so  ganz  den  Zu- 
sammenhang störende  Beispiele  gleich  denen  S.  27.  Den  carattere  di  negligenza,  den 
Gravina  vom  Dichter  verlangt,  könnten  wir  doch  historisch  erläutern,  man  denke  der 
„künstlichen  Unordnimg".  Wir  müssen  solche  Unebenheiten  und  manche  feuilletonistischen 
Wendungen  in  den  Kauf  nehmen,  weil  wir  durch  R.  in  Gravina  wirklich  einen  vielfach 
weitausschauenden  Geist  kennen  lernen.  Schon  dass  er  nicht  einseitig  die  Nachahminigs- 
theorie  vertritt,  dass  er  zwischen  Aehnlichkeit  und  Gleichheit  unterscheidet,  hebt  ihn 
hervor.  Seine  Ansichten  über  Homer  zeigen  gesunden  Sinn ;  er  folgert  aus  dessen  Epen, 
dass  der  Dichter  weder  ganz  Gute  noch  ganz  Schlechte  darstellen  solle,  fi:-eilich  mit  der 
merkwürdigen  Ausnahme,  jene  höchstens  dann,  wenn  sie  durch  besondere  göttliche 
Gnade  gebessert  wären.  So  mischt  sich  Richtiges  und  Falsches  auch  sonst  in  Gravinas 
Ansichten.  R.  macht  darauf  aufmerksam,  dass  Gravina  die  Poesie  fast  schon  im  Sinne 
Hegels  als  sinnliche  Erscheinung  der  Idee  auffasst  und  ähnlich  wie  Schopenhauer  ihren 
Nutzen  darin  sieht,  die  Erkenntnis  der  Idee  zu  erleichtern.  Gravina  steht  aber  ganz 
auf  dem  Boden  des  Nützliclikeitsprinzips,  die  Poesie  hat  für  ihn  die  Aufgabe,  unter 
sinnlichen  Bildern  Keime  der  Weisheit  auszusäen,  die  Gesetze  der  Nation  und  die  Gottes 
zu  lehren  und  zur  Religion  sowie  zur  Ehrenhaftigkeit  anzuspornen;  zwar  ahnt  er  die 
Wichtigkeit  der  Phantasie,  aber  er  kommt  bei  sehier  Ablehnung  des  Marinismus,  als  der 
entfesselten  PhantasiewilLkür,  wie  R.  wahrscheinlich  macht,  zu  seiner  platten  Auffassung. 
Im  einzelnen  entwickelt  Gravina  manchen  ansprechenden  und  anregenden  Gedanken, 
verrät  auch  eine  gewisse  Selbständigkeit,  so  z.  B.  wenn  er  gegen  die  Autorität  des 
Aristoteles  ankämpft,  wobei  er  sogar  leidenschaflhch  wird.  Leider  glaubte  R.  die  An- 
sichten Gravinas  über  die  Tragödie  nicht  ausführlich  darlegen  zu  dürfen,  um  den  Um- 
fang seiner  Studie  nicht  zu  sehr  zu  erweitern;  auch  giebt  er  jene  Ansichten  des  Kunst- 


Theorie  u.  Kritik  v.  d.  Diskursen  d.  Maler  bis  auf  Lessing:  GGA.  S.  24—44.  -  5)E.  Grucker,  Braitmaier,  Gesch.  d.  poeti- 
schen Theori«  u.  Kritik:  KCr.  30,  S.  395/9.  —  6)  E.  Reich,  Gian  Yineenzo  Gravina  als  Aesthetiker.  E.  Beitr.  z.  Gesch. 
d.  Kunstphil.:  SBAkWienP''.  120  N.  11,  S.  1-74.  Wien,  Terapsky.  74  S.  M.  1,40.  |[Fritz  Sehultze:  DLZ.  11,  S.  1306/7.]| 
(Auch   als    Sonderabdr.    erschienen.)    -    6a)   (ill,  1    N.  12).    -   7)  X  A.    Er.,   M.    Dessoir,   K.   Ph.    Moritz   als   Aesthetiker: 


16  1,3:  R.  M.  Werner,  Poetik  und  ihre  Geschichte. 

Philosophen  nicht  wieder,  die  er  für  ganz  veraltet  und  die  Mühe  einer  Wiederbelebung 
nicht  lohnend  hälf^-^oj.  _ 

H,  Falke nheim^i)  versucht  darzustellen,  wie  sich  die  Aesthetik  Kants  ent- 
wickelte; zu  diesem  Ende  legt  er  zuerst  Kants  Lehren  in  seiner  vorkritischen  Periode 
dar,  wie  sie  sich  unter  dem  Einflüsse  Rousseaus  imd  der  Engländer  gebildet  hatten. 
Charakteristisch  erscheint  F.  für  Kants  Aesthetik  in  dieser  Epoche,  dass  die  Moral  nur  als 
eine  Abart  der  Aesthetik  betrachtet  und  dass  die  Regeln  über  Schönheit  und  Sittlich- 
keit aus  einem  Gefühle  abgeleitet  werden,  das  zwar  universell  und  allen  Menschen 
gemeinsam,  aber  in  seiner  Aeusserung  völlig  subjektiv  und  individuell  ist.  Schon  stehen 
das  Schöne  und  das  Erhabene  neben  einander.  Dann  zeigt  F.,  wie  Kant  die  Aesthetik 
als  Wissenschaft  verwirft,  weil  sie  keine  synthetischen  Urteile  a  priori  enthalte,  sondern 
ihre  Urteile  nur  auf  dem  Wege  der  Beobachtung  gewinnen  könne;  ihre  Erfahrungs- 
begriffe sind  daher  zufällige,  sie  vermag  darum  mit  der  Erkenntnis-  und  Sittenlehre 
nicht  gleichgestellt  zu  werden.  Scharf  wendet  sich  nun  Kant  gegen  Baumgarten,  den 
„trefflichen  Analysten",  und  verwirft  die  bisherige  Aesthetik,  ohne  eine  neue  dafür  zu 
schaffen.  Doch  ergiebt  sich  ihm  später  die  Möglichkeit  einer  kritischen  Aesthetik,  und  F. 
macht  klar,  wie  dies  gelang:  es  musste  untersucht  werden,  ob  die  menschliche  Vernunft 
ein  transscendentales  Prinzip  besitze,  das  sich  ziim  Geschmack  verhalte,  wie  Raum  und 
Zeit  zur  Anschaiumg,  wie  die  reinen  Verstandesbegriffe  zum  Erkennen,  wie  die  moralischen 
Ideen  zum  Begehren.  Erkenntnis  ist  ohne  die  Verstandesbegriffe,  moralisches  Handeln 
ohne  Freiheit  nicht  möglich;  giebt  es  ein  Prinzip,  das  aUein  die  allgemeingiltige 
ästhetische  Vorstellungsart  ermöglicht?  F.  legt  nun  dar,  wie  Kant  dieses  Prinzip  der 
reinen  Vernunft  fand.  Eigen  ist  ihr,  von  dem  durch  die  Erfalu-ung  gebotenen  Bedingten 
zu  dem  jenseits  aller  Erfahrung  liegenden  Unbedingten  fortzuschreiten,  dieses  Unbedingte 
ist  daher  ein  apriorischer  Vernunftbegriff;  solche  Begriffe  nun,  die  in  der  Vernunft 
liegen,  aber  die  Erfahrung  übersteigen,  heissen  Ideen,  und  da  sie  von  aller  Erfahrung 
unabhängig  sind,  transscendentale  Ideen;  sie  sind  der  Vernunft  ebenso  natürhch,  wie 
dein  Verstände  die  Kategorien,  dürfen  sich  aber  nicht  auf  Gegenstände  der  Erfalirung, 
sondern  nur  auf  den  Verstand  richten,  also  nicht  konstitutiv,  sondern  regulativ  sein. 
Das  Unbedingte  wird  nicht  diu-ch  die  Erfahrung  geboten,  sondern  von  der  Vernunft 
postuliert,  es  ist  also  ein  Vemunftbegriff,  den  wir  in  die  Natur  hineintragen,  demnach 
nicht  objektiv,  sondern  subjektiv.  Die  regulativen  Ideen  lassen  sich  in  Gestalt  von  drei 
Gesetzen  aussprechen:  der  Gleichartigkeit  oder  Homogenität,  die  hinter  der  Mannigfaltig- 
keit die  Einheit  sucht,  der  Spezifikation,  die  zu  jeder  Verschiedenheit  kleinere  Verschieden- 
heiten sucht,  und  der  Affinität  oder  Kontinuität,  die,  beide  zusammenfassend,  überall 
eine  unendliche  Reihe  vorbindender  MittelgHeder  sucht.  Eine  solche  zweckmässige 
Naturbetrachtung  nimmt  zwischen  den  beiden  anderen  apriorischen  Erkenntnisarten,  der 
theoretischen  und  der  praktischen,  eine  Mittelstellung  ein.  Damit  war  ein  Thema 
für  eine  ganz  neue  apriorische  Form  der  Vernunft  entdeckt,  olme  dass  Kant  jetzt  schon 
an  eine  systematische  Ausführving  ging,  d.  h.  es  war  die  Möglichkeit  einer  Aesthetik 
als  Wissenschaft  erwiesen,  aber  diese  Wissenschaft  von  Kant  noch  nicht  angegangen. 
F.  verfolgt  nun  behutsam  und  scharf  ausblickend  den  Weg,  den  Kant  einschlug,  bis  er 
im  ersten  Teile  der  „Kritik  der  Urteilskraft"  sein  System  der  Aesthetik  entwickelte.  Die 
Frage  musste  sein,  wie  das  Unbedingte  als  Ursache  des  Bedingten  gedacht  werden,  mit 
anderen  Worten,  wie  die  Freiheit  Ursache  der  Notwendigkeit  sein  könne.  Das  ist  nur 
möglich,  wenn  die  Erscheinungen  nicht  Dinge  an  sich,  sondern  Vorstellungen  sind,  die 
nach  empirischen  Gesetzen  zusammenhängen.  Wir  erhalten  also  eine  doppelte  Kausalität. 
Die  Wirkung  ist  frei  hinsichtlich  ihrer  Ursache,  naturnotwendig  hinsichtlich  ihrer  Er- 
scheinung. Nun  nennen  wir  das  Gesetz,  nach  dem  eine  Ursache  wü^kt,  ihren  Charakter; 
jedes  Subjekt  der  Sinnenwelt  hat  also  einen  doppelten  Charakter,  einen  empirischen, 
wodurch  seine  Handlungen  als  Erscheinungen  nach  Naturgesetzen  mit  anderen  Erschei- 
nungen verknüpft  sind,  und  einen  intelligiblen,  wodurch  es  zwar  Ursache  der  Erschei- 
nung, aber  ausserhalb  der  Sinnlichkeit,  darum  nicht  selbst  Erscheinung  ist.  Zur  V^er- 
deutlichung  zieht  Kant  die  menschliche  Freiheit  herbei:  alle  mensclilichen  Handlungen 
lassen  sich  aus  den  ihnen  vorhergehenden  Bedingungen  als  notwendig  erkennen;  aber 
vieles  sollte  nicht  geschehen  sein,  was  nach  dem  Laufe  der  Naturgesetze  geschehen  ist. 
Wir  kommen  zu  einer  Idee  der  sittlichen  Handlungen,  während  den  sinnlichen  Erschei- 


LCBl.  S.  325/6.  (Ref.  hebt  d.  Mangol  an  liistorischen  Kenntnissen  liorvor,  indem  er  zugleich  Vertrautheit  mit  Winckolmann 
bei  d.  im  Übrigen  sehr  freundlicli  behandelten  Vf.  vennisst.)  —  8)  XX  Robert,  La  poätique  de  Racine,  ttude  sur  le  systemo 
dramatique  de  Racine  et  la  Constitution  de  la  trag^die  fran9aise.  Paris,  Hachette.  IX,  362  S.  Fr.  7,50.  |  [RCr.  30,  S.  432/5.]  | 
—  9)  X  Th.  Rucktaschel,  Einige  arts  po^tiques  aus  d.  Zeit  Ronsards  u.  Malherbes.  E.  Beitr.  z.  Gesch.  d.  französ. 
Poetik  d.  16.  u.  17.  Jh.  Diss.  Leipzig  1889.  76  S.  —  10)  XX  0.  Edler,  Darstellung  u.  Kritik  d.  Ansicht  Lessings  über 
d.  Wesen  d.  Fabel.  (=  Fejjtschr.  z.  350j.  Jubelfeier.)  Herford,  evang.  Gymn.  23  S.  —  II)  H.  Falko  nh  ei  m,  I).  Ent- 
stehung   d.     Kantischen    Aestliotik.      Heidell).    Diss.     liurlin,    Speyer   &    Peters.      VI,    64  .S.     M.   2,00.     [[Krone  nberg:  BLU. 


1,3:  R.  M.  Werner,  Poetik  \mä  ihre  Geschichte.  17 

nungen  stets  andere  Erscheinungen  zu  Grunde  liegen.  Diese  Idee,  das  Sittengesetz, 
kann  nicht  aus  der  Erfalirung  hergeleitet  werden.  Die  wissenschaftliche  Moralphilosophie 
muss  den  Inhalt  des  Sittengesetzes  feststellen.  Dieses  tritt  dem  menschlichen  Willen 
gegenüber,  weil  sein  Gebot  unbedingt  und  unter  allen  Umständen  gilt  und  nicht  von 
zufälligen  Nützlichkeitsrücksichten  abhängt,  als  kategorischer  Imperativ  auf,  er  ist  sich 
Selbstzweck  und  er  ist  nicht  von  aussen  empfangen,  sondern  vom  Willen  sich  selbst 
gegeben,  also  autonom.  Nur  Willensfreiheit  ermöglicht  das  Sittengesetz.  Es  kommt 
nun  darauf  an,  das  Vermögen  der  Freiheit  zu  erforschen  und  als  Bedingung  des  Sitten- 
gesetzes darzuthun;  das  geschieht  in  der  „Kritik  der  praktischen  Vernunft".  Sie  erweist 
die  menschlichen  Handlungen  ihrem  Gesamtcharakter  nach  zugleich  als  frei  und  als  not- 
wendig, nur  jedes  in  einem  anderen  Sinne.  Die  Handlungen  eines  Menschen  wären  bei 
genauester  Kenntnis,  da  wir  dann  alle  seine  Triebfedern  zu  durchschauen  vermöchten, 
gerade  wie  eine  Sonnenfinsternis  vorausberechenbar,  trotzdem  würden  wir  sie  als  gute 
oder  böse  beurteilen,  d.  h.  wir  betrachten  sie  nur  als  Erscheinungen  nach  dem  Gesetze 
der  Notwendigkeit,  als  Ding  an  sich  aber  nach  der  Freiheit.  Kant  folgert  daraus,  dass 
das  Vermögen  der  Freiheit  in  Wahrheit  existiert,  es  fragt  sich  nur,  wie  sich  die  Frei- 
heit zur  Sinnenwelt  verhalte.  Der  kategorische  Imperativ  hatte  dem  Willen  nicht  das 
Streben  nach  Glückseligkeit  als  sein  begehrenswertes  Ziel  gezeigt,  sondern  die  Pflicht- 
erfüllung, die  Tugend  ist  der  Sieg  der  Pflicht  über  die  Neigung.  Die  Tugend  liegt  der 
Glückseligkeit  zu  Grunde,  die  Freiheit  der  Natur;  der  empirische  Charakter  ist  dem  in- 
telligiblen,  die  spekulative  Vernunft  der  praktischen  unterworfen,  das  ist  der  Primat 
der  praktischen  Vernunft.  Diesem  Gedanken  geht  Kant  dann  in  seinen  geschichts- 
philosophischen  Aufsätzen  weiter  nach  und  führt  ihn  so  weit,  dass  nun  die  Frage  nach 
der  natürlichen  Zweckmässigkeit  in  der  „Kritik  der  Urteilskraft"  erwogen  werden  kann. 
Dem  Prinzip  der  natürlichen  Zweckmässigkeit  entspricht  nicht  der  Verstand,  sondern 
nur  die  Urteilskraft,  die  aber  reflektierend  sein  muss,  nicht  bestimmend,  weil  die  theo- 
retische Erkenntnis  sich  mxc  auf  das  Gebiet  der  empirischen  Erscheinungen,  nicht  auf 
die  Welt  der  jenseits  ihrer  Grenzen  liegenden  Zwecke  beziehen  kann.  Die  reflektierende 
Urteilskraft  hat  also  die  Natur  als  zweckthätig  vorzustellen.  Wir  betrachten  die  Welt 
so,  als  ob  in  ihr  eine  Vernunft  gleich  der  unsrigen  wirkte,  die  Erfahrungsobjekte,  die 
dem  reinen  Verstand  als  zufällig  erscheinen,  so,  dass  sie  eine  denkbare  gesetzliche  Ein- 
heit in  der  Verbindung  des  Mannigfaltigen  enthalten.  Nun  fühlen  wir  uns  erfreut,  wenn 
wir  einen  Gegenstand  als  zweckmässig  betrachten  können.  Empfinden  wir  die  Wirkung 
eines  Gegenstandes  auf  uns  als  zweckmässig,  so  erweckt  das  ein  Gefühl  der  Lust, 
und  wir  schreiben  einem  solchen  Gegenstande  daher  Schönheit  zu.  Seine  Zweckmässig- 
keit ist  in  diesem  Falle  ganz  auf  dem  subjektiven  Eindrucke  begründet  und  hat  mit  der 
Bestimmung  des  Gegenstandes  nichts  zu  thun.  Die  ästhetischen  Urteile  wollen  keine 
Bestimmung  hinsichtlich  der  Beschaffenheit  der  Gegenstände  treffen,  sondern  zeigen  nur 
die  Harmonie  zwischen  Anschauung  und  Begriff,  zwischen  Einbildungskraft  und  Ver- 
stand. Sie  sind  also  durchaus  subjektiv.  Die  ästhetische  Urteilskraft  oder  der  Ge- 
schmack ist  das  Vermögen,  das  Gefühl  von  Lust  und  Unlust  mit  der  Vorstellung  der 
Objekte  zu  verknüpfen.  —  Mit  diesen  Ausführungen  besclxliesst  F.  seine  Darstellung, 
die  niu"  die  Entstehung,  nicht  die  Ausführung  der  Kantschen  Aesthetik  bezweckte; 
er  entwickelt  nur  mit  möglichster  Uebersichtlichkeit,  wie  sich  Kants  Aesthetik  in  das 
Ganze  der  kritischen  Pliüosophie  einordnet  und  einen  wesentlichen  Bestandteil  in  ihr 
bildet;  er  will  sie  weder  im  Zusammenhange  mit  der  Entwickelung  der  Aesthetik  über- 
haupt, noch  in  ihrer  Eigenart  im  besonderen  darstellen.  Die  erste  Aufgabe  hat  in  be- 
deutsamer Weise  Cohen^^^  gelöst,  dessen  Arbeit  aber  zeitlich  nicht  mehr  in  den  Rahmen 
dieses  Berichts  fällt;  C.  hat  überdies  die  Kantsche  Aesthetik  kritisch  zu  beleuchten 
gesucht.  —  Einen  ähnlichen  Zweck  13)  setzt  sich  die  Arbeit  Nicolais^*).  Sie  führt 
zuerst  aus,  dass  Kants  Disposition  in  seiner  „Kritik  der  Urteilskraft"  aUzu  mecha- 
nisch jener  in  der  „Kritik  der  reinen  Vernunft"  nachgebildet  worden  sei,  woraus 
Inkonsequenzen,  Wiederholungen,  Unklarheiten  und  Widersprüche  folgten.  Dann  wendet 
sie  sich  dem  Inhalte  zu  und  macht  hauptsäclilich  zwei  Einwendungen:  dass  Kant  erstens 
dem  sinnlichen  Charakter  des  Schönen  nicht  gerecht  werde,  und  zweitens,  dass  er  zu 
schwanken  scheine,  ob  das  Schöne  objektiv,  d.  h.  an  den  Gegenständen  bezüglich  ihrer 
Form  haftend  oder  nur  subjektiv,  d.  h.  eine  lediglich  in  unserm  geistigen  Vermögen 
begründete  Betrachtungsweise  sei.  N.  nimmt  nun  im  zweiten  Teile  seiner  Schrift  die 
„Kritik  der  Urteilskraft"  unter  genauer  Angabe  ihres  Inhalts  paragraphenweise  durch, 
so  zwar,  dass  jedesmal  einem  Referate  die  Besprechung  folgt.  Für  uns  kann  es  sich 
nur  darum  handeln,  N.s  Kritik  einzelner  Punkte  von  Kants  Aesthetik  kennen  zu  lernen. 


S.  680/l.]|  12)  Hermann  Cohen,  Kants  Begründung  d.  Aesthetik.  Berlin,  DUmmler.  1889.  XII,  433  S.  M.  9,00.  |[Th. 
Ziegler:  DLZ.  12,  S.  3— 7.]|  —  13)  XX  M.  Massonius,  Ueber  Kants  transcendentale  Aesthetik.  E.  krit.  Untersuchung. 
Leipzig,   Fock.     XI,    178   S.    M.   2,40.    —    14)   W.   Nicolai,   Ist    d.   Begriff  d.  Schönen    bei   Kant    konsequent   entwickelt? 

2 


JBL.    I. 


18  1,3:  R.  M.  Werner,  Poetik  und  ihre  Gesclüchte. 

So  findet  er  Kants  Ablehnimg  des  Eeizes  für  das  Schöne  zu  rigoristisch,  da  der  Reiz, 
sparsam  angewendet,  im  Kunstwerk  ein  notwendiges  Beförderungsmittel  für  die  ästhetische 
Betrachtung  sei;  er  billigt  also  Kants  Trennung  von  Angenehm  und  Schön  im  allge- 
meinen, meint  nur,  sie  sei  unnötig  scharf,  da  besonders  Licht-  und  Klangeflfekte  einen 
sinnlichen  E,eiz  auszuüben  vermöchten,  der  „interesselos"  ist.  Ebenso  bestreitet  N.  die 
Berechtigung,  freie  und  fixierte  Schönheit  zu  scheiden  und  nur  jener  eine  reine  ästhetische 
Wirkung  zuzusprechen,  weil  auch  die  fixierte  Schönheit  als  Ganzes  genommen  rein 
ästhetische  Lust  im  Gefolge  habe,  andrerseits  die  freie  Schönheit  auch  intellektuelles 
Wolilgefallen  durcli  Symbolisierung  zu  erregen  vermöge.  N.  betont  ferner  nachdrück- 
lich, dass  die  Unterscheidmig  von  Normalidee  und  Ideal  nicht  glücklich  sei,  da  nach 
Kant  nur  der  Mensch  in  der  Kunst  allgemein  und  positiv  gefallen  könnte,  nicht  aber 
andere  Objekte,  was  den  Thatsachen  widerspreche.  Der  Vf.  macht  ferner  darauf  auf- 
merksam, dass  Kant  bald  dem  Naturschönen,  bald  dem  Kunstschönen  höheren  Wert 
zuspreche  imd  ihre  Wesensgleichheit  verkenne.  Gegen  die  Einteilung  der  einzelnen 
Künste  nimmt  er  entschieden  Stellung,  indem  er  sich  der  Gliederung  in  bildende  und 
fortschreitende  Künste,  die  sein  Lehrer  Glogau  im  Abriss  der  plülosophischen  Grund- 
wissenschaften (2,  S.  353  if.)  vertritt,  anschliesst;  zu  den  bildenden  rechnet  er  demnach: 
Arcliitektur,  Plastik,  Malerei;  zu  den  fortschreitenden:  Mimik,  Dichtkunst  und  Musik. 
Der  Anhang  behandelt  das  Erhabene;  an  der  Scheidung  von  Erhaben  und  Schön  nimmt 
N.  eigentlich,  keinen  Anstoss,  wie  denn  überhaupt  dieses  Kapitel,  als  nicht  streng  zum 
Thema  gehörig,  allzu  flüchtig  ausgeführt  wurde;  ihm  erscheint  nur  die  Gliederung  des 
Erhabenen  in  das  Mathematisch-  und  das  Dynamisch-Erhabene  nicht  ganz  richtig,  weil 
beide  keine  sich  ausschliessenden  Gegensätze  bilden;  er  möchte  lieber  das  Erhabene  der 
Natm-  und  das  Erhabene  des  Geistes  einander  entgegenstellen.  Die  Polemik  gegen  Kant 
ist  mit  Bescheidenheit  vorgetragen,  erweckt  aber  den  Eindruck  des  Subjektiven,  weil 
die  Beweisführung  nicht  zwingend  ist.  Ganz  versäumt  hat  N.  die  Rücksichtnahme  auf 
die  Einwendungen,  die  schon  längst  gegen  Kants  Aesthetik  vorgebracht  wvirden,  wie  er 
auch  nur  an  zwei  oder  drei  Stellen  (S.  52  und  83)  auf  die  Geschichte  der  Aesthetik 
bezüghch  Philosophie  eingeht.     Von  Schiller  wird  gar  nicht  gesprochen,  i*»)  — 

Schillers  Aesthetik  hat  Gustav  Zimmermanni^)  dargestellt,  so  zwar,  dass 
er  zuerst  Schillers  Ethik  nach  drei  Perioden  der  Ruhe,  des  Kampfes  und  des  Friedens 
behandelt,  dann  Schillers  Verhältnis  zur  Plastik,  Malerei  und  Musik  darlegt,  um  sich 
liierauf  der  Lehre  vom  Schönen  zuzuwenden.  Hier  geht  er  teils  historisch,  teils  kon- 
struktiv vor,  schweift  ab,  um  moderne  Erkenntnisse  zu  nutzen,  vor  allem  um  zu  zeigen, 
dass  bei  Schiller  Theorie  und  Praxis  nicht  identisch  seien;  an  dem  objektiven  Begrifie 
des  Schönen,  den  Schiller  gefunden  zu  haben  glaubte  (Kallias),  wird  er  später  selbst 
wieder  irre.  Mit  Tomaschek  nimmt  Z.  eine  Unklarheit  Schillers  in  der  Auöassung  der 
„Form"  an.  Und  so  folgt  er  noch  oft  anderen  Gewährsmännern,  wodurch  seine  Dar- 
stellung sehr  an  Klarheit  verliert;  dazu  kommt  ein  deklamatorischer  Stil,  der  einer 
solchen  Untersuchung  fremd  sein  sollte.  Er  giebt  einen  Durchschnitt,  keine  Entwicke- 
lung  der  Scliillerschen  Ansichten  über  die  Offenbarungsformen  des  Schönen  in  der  Natur 
und  im  Gemüt  des  Menschen,  macht  dabei  auf  den  Unterscliied  von  Antik  und  Modern 
aufmerksam  und  sucht,  Scliillers  Winken  folgend,  das  festzustellen,  was  die  Neuen  allem 
auszeichnet,  vor  allem  die  Liebe.  Kurz  wird  das  Wesen  der  Kirnst  betrachtet,  das  in 
der  Jfreude,  im  Glücklichmachen  bestehe,  in  einer  Vereinigung  von  Spiel  und  Ernst. 
Das  Schlusskapitel  möchte  Scliillers  Stellung  zu  Philosophie  und  Religion  erfassen,  um 
zugleich  Lehren  für  das  Leben  daraus  zu  ziehen.  Die  Schrift  hat  nicht  den  richtigen 
Titel,  es  wird  nicht  so  sein-  Schillers  Aesthetik  als  seine  Wichtigkeit  für  die  ästhetische 
Erziehung  gekennzeichnet.  Mit  solchen  Sclu-iften  wird  unsere  Kenntnis  der  Aesthetik 
kaum  gefördert.  — 

Die  Entwickelung  der  Aesthetik  seit  Kant,  die  v.  Hartmann  behandelt 
hatte  ^ö^,  wiu'de  wenigstens  nach  der  einen  Seite  liin  mit  grösserer  Ausführlichkeit,  aber, 
wie  Diltheyi'')  hervorhebt,  weniger  fördernd  von  Seidl  neu  bearbeitet;  D.  tadelt 
die  unklare  Einleitung  und  nimmt  am  subjektiven  Geschmacksiu"teil  wie  an  der  ganzen 
Idee  einer  Zweiteilung  des  ästlietisch  Wirksamen  Anstoss.  — 

Ueber  Grillparzer  als  Aesthetiker  hat  E.  Reiches)  ein  merkwürdiges  Büch- 
lein geschrieben,  dessen  Methode  nicht  zu  billigen  ist.  Die  Aeusserungen,  die  Grill- 
parzer zu  verschiedenen  Zeiten    aus  verscliiedenen  Anlässen    that,    werden   in    eine  Art 

Diss.  Kiel,  Fiencke.  1889.  VI,  100  S.  M.  2,00.  -  14a)  X  K-  Philippson,  D.  ästhetische  Erziehung.  E.  Beitr.  z.  Lehre 
Kants,  Schillers  u.  Herbarta.  l'rogr.  Magdeburg,  Kdiiig-Wilhelm-Gymn.  4".  34  S.  —  15)  Gustav  Zimmermann,  Versuch  e. 
Schillerschen  Aesthetik.  Studie.  Diss.  Leipzig,  Teubuer.  188i>.  136  S.  M.  2,00.  |  [LCBl.  S.  1380/1  (lobend).J  |  —  16)  X 
Ologau,  V.  Ilartmann,  1).  deutsche  Aesthetik  seit  Kant:  ZPhilos.  96,  S.  282-92.  —  17)  D[ilthoyJ,  Seidl,  Z.  Gesch.  d.  Erhaben- 
heitsbegriftes  seit  Kant :  LCBl.  S.  8-10.  —  18)  E.  Reich,  Grillparzers  Kunstphilosophie.  Wien,  Manz.  VI,  146  S.  M.  2,40. 
|[y.  Knauer:  Presse,  N.  72;  Oarri6re:  AZg»;  0.  Haruack:  PrJbb.  65,  S.  247;  Grenzb.  49,  S.  151;  Backhaus: 
Archiv  3,  S.  «0;  M.  Necker:  DeutschZg.  N.  6482;  Deutschi.  1,  S.  308—10;  Bertz:  BLU.  8.  523/4;  E.  Kueke:  FZg. 
N.  127;  A.  Klaar:  Bohemia  N.  15;  VossZg.  N.  143;  U.  M.  Werner:  DLZ.  12,  S.299-300;  E.  Kilian:  DBühnengen.  19,  S.  265/7.J|    - 


1,3:  R.  M.  Werner,  Poetik  und  ihre  Geschichte.  19 

von  System  gebraclit,  das  Zustimmung  oder  Widerspruch  begleitet;  natürlich  kommt 
dabei  ein  sein-  bxnites,  kein  einheitliches  Ganze  zu  Stande;  doch  hat  R.  auf  eine  wich- 
tige Seite  von  Grillparzers  Persönlichkeit  hingewiesen,  manches  hervorgehoben,  was  der 
Dichter,  seiner  Zeit  voraneilend,  klar  erkannte,  und  vor  allem  durch  eine  Sammlung  der 
Aeusserungen  eine  bequemere  Benutzung  des  Materials  ermöglicht;  im  Anscliluss  an 
sein  Heft  wurde  darvim  Grillparzers  Stellung  zu  verschiedenen  Fragen  der  Aesthetik 
behandelt.  Ohne  Rücksicht  auf  R.  hat  Für  st  ^9)  in  fördernder  Weise  Grillparzers 
Verhältnis  zum  Realismus  dargestellt.  — 

Ueber  Lotzes  Aesthetik  hat  sich  Röhr 20)  verbreitet,  um  zu  zeigen,  wie  sich 
bei  Lotze  ein  Kompromiss  zwischen  der  idealistischen  oder  begrifflich  logischen  und 
der  psychologischen  Aesthetik  einstellt;  vorangeschickt  ist  eine  kurze  Darstellung  der 
allgemeinen  Ansichten  Lotzes  über  das  Schöne,  welche  darauf  hinausläuft,  dass  Lotze 
zwei  Sätze  nebeneinander  stelle,  die  sich  eben  nicht  vereinigen  lassen:  das  Schöne  sei 
subjektiv  als  Eindruck,  objektiv  als  „absoluter  Wert".  Die  Frage  müsse  sein,  wie  ein 
Wert  auf  uns  wirke,  „den  wir  aucli  dann  anerkennen,  wenn  er  nicht  auf  uns,  sondern 
auf  andere  günstig  wirkt" ;  sie  zu  beantworten,  habe  Lotze  eigentlich  nie  unternommen, 
er  meinte  nur,  beim  Anblick  der  schönen  Erscheinung  „erinnere"  sich  der  Beschauer 
der  Idee,  deren  Abbild,  Analogon  oder  Symbol  die  Erscheinung  ist.  Trägt  so  die  Asso- 
ziation zur  Schönheit  bei,  so  fasste  sie  Lotze  doch  anders  als  Fechner,  was  R.  klar 
durchführt.  Dann  wendet  sich  R.  in  der  Einzelbetrachtung  der  Arten  des  Schönen  dem 
Verhältnis  von  den  direkt  dm-ch  die  Erscheinungen  erregten  und  den  Erinnerungsgefühlen 
zu,  mn  nachzuweisen,  dass  Lotze  zwei  Stufen  des  Eindrucks  annehme,  wovon  die  erste 
als  dauernder  Besitz  der  Aesthetik  zu  betrachten  sei,  nämlich  dass  es  gewissen  Formen 
als  Formen,  ohne  dass  sie  etwas  bedeuten,  durch  ein  unvordenklich  grundloses  Schick- 
sal gegeben  sei,  unser  Wohlgefallen  zu  erregen,  wobei  aber  unerforscht  bleibt,  warum 
gerade  diese  Formen  diese  Gefühle  hervorrufen.  Die  zweite  Stufe  (der  Würde)  dagegen 
erregt  R.s  Bedenken,  weil  er  glaubt,  Lotze  habe  seiner  eigenen  Forderung  nicht  Genüge 
geleistet,  es  komme  darauf  an,  dass  dem  Hinzugedachten  etwas  in  der  Erscheinung  ent- 
spreche. Scharf  hat  so  R.  das  ästhetische  Werk  Lotzes  geprüft,  ohne  dabei  das  Be- 
deutsame der  Leistung  zu  verkennen.  2i)  — 

Ein  liebenswürdiges  Lebensbild  des  Aesthetikers  Vis  eher  verdanken  wir 
Lang22);  in  geschickter  Weise  sind  Biographie  und  Charakteristik  mit  einer  Würdigung 
der  Hauptarbeiten  vereinigt,  und  so  tritt  die  Persönlichkeit  des  Menschen,  des  Gelehrten, 
des  Lelu-ers  und  des  Dichters  klar  vor  Augen.  Es  ist  dabei  natürlich,  dass  sich  die 
Studie  zugleich  der  Zeitgeschichte  zuwendet;  hat  doch  Vischer  so  vielfältig  in  die  deut- 
schen Verhältnisse  eingegriffen.  Was  im  besonderen  Vischers  Aesthetik  angeht,  sucht 
L.  aus  den  Lebensverhältnissen  des  Autors  eine  Erklärung  für  ihr  Wesen,  ihre  Vorzüge 
wie  Mängel;  um  dem  Vorwurfe  frivoler  Leichtigkeit  in  der  Behandlung  seiner  Wissen- 
schaft zu  begegnen,  den  er  hatte  hören  müssen,  hat  er  es  sich  und  anderen  sauer  ge- 
macht. Je  weiter  er  in  der  Arbeit  fortschritt,  desto  lästiger  wurde  ihm  der  Zwang  der 
hegelisch-scholastischen  Methode;  halb  wider  Willen  hat  er  das  Werk  im  feststehenden 
Rahmen  zu  Ende  geführt,  denn  er  hatte  längst  begonnen,  sich  von  Hegel  zu  befreien. 
Das  Bleibende  des  Werkes  sieht  daher  L.,  gewiss  mit  Recht,  in  dem  reichen  Detail, 
den  feinen  Charakteristiken  und  Urteilen  und  in  der  dialektischen  Durchdringung  der 
ästhetischen  Begriffe.  23-24)  — 

Deduktive  Poetik.  Von  gi'össeren  theoretischen  Arbeiten  ist  auf  diesem 
Gebiete  nicht  viel  zu  sagen.  Das  beliebte  Handbuch  Lemckes25)  hat  die  sechste  Auf- 
lage erlebt,  deren  Charakter  von  den  früheren  Ausgaben  nicht  abweicht,  im  einzelnen 
aber  vielfach  Rücksicht  auf  moderne  Zustände  und  Verhältnisse  nimmt.  Der  erste  Band 
mit  dem  Sondertitel:  „Begriff  und  Wesen  der  Aesthetik.  —  Das  Schöne  in  der  Natiu-", 
handelt  von  den  allgemeinen  ästhetischen  Begriffen,  hierauf  vom  Naturschönen,  während 
der  zweite  Band,  „Die  Kunst"  überschrieben,  zuerst  das  Gemeinsame  der  Künste  dar- 
stellt, um  sich  dann  der  Einzelbetrachtung  der  Künste  zuzuwenden.  Der  letzte  Abschnitt 
ist  der  Dichtkunst  gewidmet;    dieses  Kapitel    geht   uns  zunächst  an,    obwohl  selbstver- 


19)  K.  Fürst,  D.  Kunsttheoretiker  GriUparzer  u.  seine  Stellung  z.  Realismus.  (=  Ber.  über  d.  Lese-  u.  Redohalle  deutscher 
Studenten  in  Prag.)  Sonderabdr.  13  S.  —  20)  J.  Röhr,  Kritische  Untersuchungen  über  Lotzes  Aesthetik.  Diss.  Halle. 
44  g.  _  21)  XX  Ewert  Wrangel,  Eduard  von  Hartmanns  estetiska  System  i  kritisk  belysning.  (=  Acta  Universitatis 
Lundensis  I.  philosophi,  srprakvet.  3.  26  (1889-90).  Lund,  Berlingska  Boktryckeri-och  Stilgjuteri-Aktiebolaget.  4«.  IV,  127  S. 
—  22)  W.  Lang,  Von  u.  aus  Sehwaben.  Gesch.,  Biogr.,  Litt.  6.  Heft.  Stuttgart,  Kohlhammcr.  212  S.  M.  2,50. 
(S.  135—212.)  —  23)  XX  Jlse  Frapan,  Vischer-Erinnerungen.  Aeusserungen  u.  Worte.  E.  Beitr.  z.  Biogr.  Fr.  Th.  Vischers. 
Mit  e.  Portr.  V.s  Stuttgart,  Göschen.  VII,  191  S.  M.  3,00.  -  24)  F.  Barta,  Ueber  d.  auf  d.  Dichtkunst  bezüglichen  Aus- 
drücke bei  d.  römischen  Dichtern.  2.  Gedicht.  Progr.  Linz  a/D.,  Staatsgymn.  35  S.  (Vf.  sammelte  d.  technischen  Ausdrücke 
d.  Römer  fUr  „Gedicht",  wobei  er  auf  Aehnlichkeiten  in  d.  modernen  Litteraturen,  besonders  d.  deutschen  Rücksicht  nimmt,  in 
derselben  Weise  wie  in  e.  Progr.  d.  J.  1889  für  „Dichten"  u.  „Dichter".  -  25)  C.  Lcmcke,  Aesthetik  in  gemein-verstandl. 
Vorträgen.  6.  aufs  neue  durchgearb.  u.  verb.  Aufl.  2  Bde.  'Leipzig,  Seemann.  VIII,  IV,  642  S.  M.  10,00.  |[Gegenw. 
S.   334.]|  —    26)   E.  Hallier,   D.   Aesthetik    auf  natürl.    Grundl.    u.  ihr  Einfluss   auf  unser  Kulturleben:   AZgB.   jj.    124.  - 

2* 


20  1,3:  R.  M.  Werner,  Poetik  und  ihre  Geschichte, 

ständlich  auch  das  übrige  vielfach  die  Dichtung  berücksichtigt.  Als  wesentlich  an  L.s 
Auseinandersetzung  kann  bezeichnet  werden,  dass  er  aus  den  Mitteln,  deren  sich  die 
Dichtkvmst  bedient,  und  dem  Ziele,  das  allein  sie  zu  erreichen  vermag,  Tolgerungen  für 
sie  zieht;  er  entwickelt  also  vorzüglich  Regeln,  Vorschriften,  an  die  sich  der  Dichter  zu 
halten  hat;  das  gehört  aber  in  die  Technik  der  Dichtkunst,  nicht  in  die  Aesthetik. 
Zudem  kommt  nun  ins  Ganze  ein  Zwang,  da  L.  selbst  die  Einzelheiten  zvi  kon- 
struieren sucht,  von  den  Elementen  der  Sprache,  den  Lauten,  ausgehend  allmählich  zum 
Euss,  zum  Vers,  zw  Strophe  usw.  aufsteigt  und  jedesmal  ihren  Charakter  ästhetisch  zu 
erkennen  sucht;  solche  Konstruktionen  erscheinen  aber  willkürlich,  da  uns  bisher  noch 
alle  Mittel  fehlen,  um  die  ästhetischen  Werte  dieser  Dinge  zu  bestimmen.  Die  Lehren 
werden  als  Thatsachen  vorgetragen,  wodurch  alles  einen  ganz  verstandesmässigen  An- 
strich erhält,  zumal  L.  mitunter  auch  dvu-ch  die  gewählten  Ausdrücke  falsche  Vorstel- 
lungen erwecken  kann;  so  wird  z.  B.  gesagt,  die  Griechen  hätten  das  Mass  der  Längen 
und  Kürzen  zur  Bildung  von  Versen  „erwählt"  (S.  531);  muss  dies  nicht  falsch  verstanden 
werden?  Die  Gliederung  der  Dichtkunst  in  Epik,  Lyrik  und  Drama  trifft  L.  darnach, 
ob  die  äussere  oder  innere  Welt  oder  ihre  Durchdringung  ergriffen  wird.  Diesen  Ein- 
teilungsgrund verleugnet  aber  L.  dann  selbst,  weil  er  eben  nicht  beizubehalten  ist;  der 
Vf.  verlangt  z.  B.  auch  vom  Epos,  dass  es  Aeusseres  und  Inneres  verbunden  zu  zeigen 
habe,  also  Charakterschilderung  bieten  solle,  oder  bemerkt  von  der  Lyrik,  dass  auch 
hier  Aussenwelt  und  Innenwelt  einander  bestimmen,  so  dass  oft  nicht  zu  entscheiden 
ist,  wo  jene  oder  diese  Art  vorherrscht;  beim  Drama  billigt  er  den  Satz  des  Aristoteles, 
dass  es  im  allgemeinen  denselben  Inhalt  hat  wie  das  Epos:  eine  durch  menschliche 
Handlung  sich  gestaltende  Begebenheit.  Damit  ist  sein  Einteilungsgrund  einfach  auf- 
gehoben ;  auch  folgert  L.  nicht  etwa  aus  seinem  Prinzip  Wesen  und  Darstellungsart  der 
einzelnen  Dichtungsgattungen.  Im  einzelnen  erhalten  wir  zum  Teil  treffliche  Beob- 
achtungen, freilich  mehr  negativer  als  positiver  Art,  besonders  für  Epos  und  Lyrik, 
während  das  Drama  etwas  kurz  abgethan  wird.  Getragen  ist  die  ganze  Darstellung  von 
dem  festen  Glauben  an  die  Sieghaftigkeit  der  Kunst;  warme  Begeisterung,  zuversicht- 
liche Hoffnung  spricht  aus  jedem  Worte,  nur  tritt  oft  der  bewundernde  Ausruf  an  die 
Stelle  klarer  Erkenntnis,  die  Begeisterung  an  die  Stelle  der  Erwägung.  Wo  es  nötig 
erscheint,  sind  kurze  historische  Uebersichten  gegeben,  so  beim  Drama.  Im  allgemeinen 
ist  die  Haltung  mehr  poptdär  als  gelehrt,  darum  aber  auch  freier  vom  Schulmässigen.  — 
Wir  gewinnen  bei  Lemcke  die  Ueberzeugung,  dass  in  dieser  konstruktiven  Weise  nevie 
Aufschlüsse  kaum  mehr  zu  gewinnen  sind,  was  eben  zvir  induktiven  Aesthetik  geführt 
hat.  Einen  anderen  Weg  als  diese  möchte  H all i er 26)  einschlagen;  er  verlangt  als  Vor- 
läuferin einer  neuen  Aesthetik  zuerst  eine  Aesthetik  des  Natiu-schönen,  wobei  er  zu- 
gleich über  Naturnachahmung  und  künstlerische  Reproduktion  handelt.  Er  geht  von 
Vischer  aus,  von  dem  er  eine  interessante  mündliche  Aeusserung  mitteilt:  „Ja  damals, 
als  ich  meine  Aesthetik  schrieb,  war  ich  noch  Stock-Hegelianer;  jetzt  sollte  etwas  ganz 
anderes  aus  dem  Buche  werden."  Leider  kam  die  geplante  Umarbeitung,  zu  der  H. 
seine  Hilfe  angeboten  hatte,  nicht  zu  stände,  und  der  eigene  Versuch  Halliers^'?)  zur 
Lösung  der  Aufgabe  knüpft  daher  an  Vischers  berühmte  Darstellung  an.  Port  ig  hat  ein 
vernichtendes  Urteil  über  das  Werk  gefallt.  —  Bei  aller  Anerkennung  ist  auch  Borins- 
kis28)  Stellung  gegenüber  den  Ansichten  Baumgarts  ablehnend,  namentlich  verwirft 
er  das  teleologische  Prinzip,  das  sich  bei  Baumgart  „unmerklich  aber  tiefgreifend" 
überall  in  die  Kunst  einschleicht.  Baumgart  ist  ein  schroffer  Aristoteliker,  und  ein 
grosser  Teil  seines  Werkes  richtet  sich  gegen  die  Bernayssche  Interpretation  der  Ka- 
tharsis als  „medizinische  Entladung".  B.  streift  die  Erage  nur,  glaubt  aber,  der 
Satz  selbst  sei  nicht  anfechtbar,  höchstens  die  Eolgerungen.  Interessant  ist  der  Nach- 
weis, dass  schon  vor  Bernays  Fr.  v.  Raumer  in  seinem  historischen  Taschenbuche 
(N.  F.  3,  S.  186)  die  Möglichkeit  der  Bernaysschen  Interpretation  zurückwies,  obwohl 
er  durchaus  kein  „philologischer  Schnüffler"  gewesen  sei;  sie  könne  darum  weder  so 
„willkürlich",  noch  so  „wunderlich"  sein,  wie  Baumgart  meint.  29-31)  — 

Auf  dem  Standpunkte  der  gesetzgebenden  Aesthetik  steht  von  Berger=*2j^  ob- 
wohl er  die  philosophische  Aesthetik  verwirft;  hauptsächlich  aber  verfolgt  er  prak- 
tische Zwecke  mit  Rücksicht  auf  Theater  und  Theaterdichtung.  Das  Buch  ist  aus 
Vorlesungen    hervorgegangen    und    zerfällt    in    eine  Reihe    von    fünfzehn    unzusammen- 


27)  XX    id.    Aesthetik    d.    Natur.        Stuttgart,    Enke.       XII,    400    S.     M.    10,00.        |  [Portig.:     BLÜ.     S.    613.]|     - 

28)  K.  Borinski,  H.  Bauragart:  Handbuch  d.  Poetik:  ZVLR.  3,  S.  165/7.  —  29)  X  F.  aiesinsj,  D.  Ausgang 
d.  Königs  Oedipus  v.  Sophokles  u.  d.  Aristotelische  Katharsis.  (=  Commentationes  Fleckeisenianae.)  Lci|./.it,',  loubner. 
III,  300  S.  M.  6,00.  —  30)  X  L- Volkmann,  1).  tragische  Hamarti»  b.  Lessing.  Festschr.  Jauer,  Guercke.  IX,  127  S.  M.3,60. 
—  31)  X  t.'.  Huemer,  D.  Genesis  d.  Entschlu.sses  in  d.  Tragödien  d.  Euripides  u.  Sophokles  oder  Über  d.  objektiven 
Charakter  d.  griechischen  Tragödie.  E.  ästhet.  Studie.  Progr.  Leipzig,  Fock.  1889.  76  S.  M.  1,20.  |[S.  Mekler: 
DLZ.  11,  S.  706/9.] I  (D.  Rec.  betont,  dass  d.  Charakterzeichnung  b.  ILicinti,  Goethe,  Grillparzer  nicht  A.  einzig 
massgebende  sei,  dass  es  darura  nicht  angehe,  nach  ihrer  Art  d.  antiken  l»raiiMri  y.ii  beurteilen.)  —  32)  A.  I"  iw  i  lierr 
T.  Berger,  Drainaturgiseho  Vorträge.    Wien,  Konegcn.    3  Bll.,  26(5  .S.   M.  4,00.    |U'-  Si^rvaes:   DLZ.    12,  S.  '.nr,;  ,1.  Kctkel: 


1,3:  R.  M.  Werner,  Poetik  nnd  ihre  Geschichte.  21 

^hängenden  Abschnitten,  von  denen  sechs,  meist  sehr  anregend  und  aufsclilussreich,  ein- 
zehae  Dramen  besprechen.  Weniger  gUicklicli  sind  die  allgemeinen  Kapitel  geraten. 
B.  unterscheidet  aufführbare  und  Buchdramen,  erkennt  aber  auch  eine  Bucherzählung 
und  eine  Buchlyrik,  jene,  die  man  sich  nicht  wirkhch  erzählt,  diese,  die  man  sich  nicht 
wirklich  gesungen  denken  kann;  da  sich  nun  Bucherzählung  und  Buchlyrik  Geltung  er- 
kämpften, Buchdrama  jedoch  nicht,  folgert  er,  dass  die  Aufführung  ein  integrierender 
Bestandteil  des  Dramas  sei  und  handelt  eingehend  über  die  Aufführung,  die  Ausstattung 
inid  ähnliches  Aeussere  vom  Standpunkte  des  Dramaturgen,  nicht  des  Aesthetikers. 
Deshalb  denkt  er  auch  an  die  Möglichkeit,  das  Dramatisieren  so  zu  lehren,  wie  das 
Zeichnen,  Malen  usw.  Dieser  Gedanke  hat  etwas  Bestechendes,  obwohl  B.  die  Schwierig- 
keiten der  Durchführung  nicht  verkennt  imd  wohl  weiss,  dass  bei  manchen  Dramatikern 
der  Mangel  an  Bühnenkenntnis  durch  ein  traumartiges  Schaffen  ersetzt  luid  aufgewogen 
werde.  Die  „Mache"  hat  überhaupt  die  grösste  Beachtung  gefunden,  ja  B.  geht  so  weit, 
dass  er  hauptsächlich  das  Studium  der  Mache,  nicht  die  Folgerung  allgemeiner  und 
abstrakter  Regeln  aus  diesem  Studium  für  wertvoll  erklärt.  Einmal  sagt  B.  ausdrück- 
lich, ihn  muteten  die  Versuche,  das  geheimnisvolle  Wesen  des  Dramatischen  in  eine 
Formel  zu  fassen,  wie  die  Versuche  der  Schildbürger  an,  das  Sonnenlicht  in  Krüge  zu 
schöpfen  und  in  sinnreich  konstruierten  Mausfallen  zu  fangen.  Er  verwirft  darum  Frey- 
tags  Beschreibung  und  giebt  nur  an,  was  von  jedem  poetischen  Werke  verlangt  wird: 
das  Spannende  inid  das  Erregen  von  Gefühlen;  das  ist  aber  nicht  das  Besondere  des 
Dramatischen.  Grossen  Nachdruck  legt  B.  mit  vollem  Recht  auf  das  „Mengegefühl" 
und  verlangt  darum  als  eine  Vorbedingung  für  die  Aesthetik  des  Dramas  die  Lösung 
der  Frage,  welche  psychischen  Veränderungen  das  Individuum  durch  das  nahe  Zusammen- 
sein mit  Vielen  erleidet;  schon  Scherer  führte  das  Publikum  in  die  Poetik  als  Faktor 
ein.  Als  Zweck  des  Dramas  sieht  auch  B.  die  Darstellung  des  Psychischen  durch 
Physisches  an,  und  was  er  über  die  beiden  Möglichkeiten  sagt,  gleichsam  von  innen 
oder  von  aussen  zu  beobachten,  ist  überzeugend,  aber  auf  die  verschiedenen  Dichtungs- 
arten nicht  angewendet,  weil  er  sich  nur  an  das  Drama  hält  und  höchstens  Ausflüge  in 
andere  Wissensgebiete  macht.  Zu  einer  vielbehandelten  Frage  der  Gegenwart  nimmt 
B.  Stellung,  nämlich  zum  Naturalismus ;  er  unterscheidet  treffend  Naturalismus  der  Form 
und  Naturalismus  des  Gehaltes,  jenen  bestreitet  er  für  das  Drama,  da  sich  Rede  und 
Mimik  auf  der  Bühne  von  jener  im  Leben  unterscheiden  müssen.  B.  leugnet,  dass  der 
Natui'alismus  des  Gehaltes  notwendig  pessimistisch  sein  müsse,  weil  nicht  bloss  die 
schlechten  wirklichen  Absichten  des  Menschen  zu  seiner  Natur  gehören,  sondern  auch 
die  guten,  die  er  sich  vorspiegelt.  Der  pessimistische  Naturalismus  könne  kein  Drama 
schaffen.  Damit  sind  wir  bei  einem  weiteren  wichtigen  Punkte,  bei  der  poetischen 
Gerechtigkeit,  mit  der  sich  zwei  Vorlesungen  beschäftigen.  B.  unterscheidet  gewiss 
richtig  eine  echte  und  eine  konventionelle  poetische  Gerechtigkeit,  jene,  die  hervorgeht 
aus  der  Ueberzeugung  des  Dichters  vom  Walten  eines  Schicksals  im  Menschenleben, 
diese,  welche  sich  dieses  Kunstgriffs  nur  bedient,  weil  es  einmal  in  der  Tragödie  so 
hergebracht  ist.  Aber  B.  ist  nicht  bis  zu  voller  Klarheit  durchgedrungen.  Er  verlangt 
einmal  vom  Dichter  ein  richtiges  sittliches  Urteil:  dass  er  uns  nichts  als  gut  hinstellt, 
was  nicht  gut  ist,  uns  nicht  zumutet,  für  oder  gegen  die  falsche  Seite  Partei  zu  nehmen. 
Zugleich  fordert  er,  dass  jedem  Charakter  im  Drama  das  Schicksal  zugewogen  werde, 
das  er  verdient;  dann  fühlten  wir  uns  gleichsam  als  Mitwisser  von  Gottes  Weltplan. 
Weiter  aber  leugnet  er,  dass  jedes  Drama  eine  Variation  über  das  Thema  „Alle  Schuld 
rächt  sich  auf  Erden"  sein  solle,  und  schwankt  zwischen  ethischer  Auffassung  und  mo- 
ralischer unentschieden  hin  und  her,  während  er  doch  eine  bloss  ästhetische  völlig  ver- 
wirft. Nur  rehgiöse  Ueberzeugung  vermöge  eine  Tragödie  hervorzubringen,  da  sie  aber 
unserer  Zeit  fehlt,  ist  eben  eine  moderne  Tragödie  unmöglich.  Er  wendet  die  Frage 
nach  der  poetischen  Gerechtigkeit  im  Drama  lieber  so:  Soll  der  Dichter  im  Drama  die 
Menschen  und  den  Weltlauf  so  darstellen,  wie  er  in  Wirklichkeit  ist,  oder  soll  er  auf 
der  Bühne  gewisse  Forderungen  verwirklichen,  welche  Gemüt  und  Vernimffc  an  die 
Menschen  und  den  Weltlauf  stellen?  Er  steht  zwar  für  die  zweite  Möglichkeit  ein, 
muss  aber  dann  doch  zugeben,  dass  nicht  bei  allen  Personen  des  Dramas  Schuld  und 
Sühne  sich  einstellen.  —  Treffend  bemerkt  Emil  Wolf £33),  dass  nicht  die  Einzelerschei- 
nung, sondern  das  Ganze  in  Betracht  zu  ziehen  sei,  dass  darum  die  Frage  nach  der 
tragischen  Wirkung  eines  Dramas  von  derjenigen  der  poetischen  Gerechtigkeit  getrennt 
und  diese  nur  in  negativem  Sinne  entschieden  werden  müsse.  Wir  vermögen  uns  nicht 
zur  Höhe  des  absoluten  Geistes  zu  erheben,  vor  dessen  Auge  kein  Rätsel  existiert,  das 
rehi  Natürliche  und  das  Sittliche  als  Einheit  erscheinen.  Wir  kennen  diese  Einheit 
noch  nicht,  darum  vermöge  sie  der  tragische  Dichter  auch  nicht  an  jeder  Einzelerschei- 
nung zu  zeigen,    sondern  nur  durch  den  Abschluss,    den  er  dem  Ganzen  giebt.  —  Und 


I5LU.    S.  689— 91.]|    —   33)  Emil   Wolff,    Ueber   poetische   Gerechtigkeit:    HambCorr".    N.  33.    S.  257-61.    —    34)  K.  M. 


22  1,3:  R.  M.  Werner,  Poetik  und  ihre  Geschichte. 

Werner"'"^)  verweist  darauf,  dass  in  vielen  alten  und  neuen  Dramen  zwischen  S])ieler 
und  Gegenspieler  eine  Figur  oder  eine  Gruppe  von  Figuren  steht,  die  als  Opfer,  als 
Einsatz  des  Spieles  erscheint;  von  ihrer  Schuld  ist  überhaupt  nicht  die  Rede,  obwohl' 
häufig  nach  ihr  die  Tragödie  benannt  wird.  So  lassen  sich  v.  Bergers  allgemeine  Auf- 
stellungen über  das  Drama  überhaupt  kaum  billigen,  während  er  im  einzelnen  häufig 
überzeugend,  immer  anregend  die  Dramen  bespricht;  vor  allem  für  Grillparzer  als  Dra- 
matiker haben  diese  Vorträge  Wichtigkeit.  ■''*''-'')  — 

Induktive  Poetik.  Obwohl  nun  während  der  letzten  Jahrzehnte  in  der  kunst- 
wissenschaftlichen Forschung  die  historische  Methode  sich  reicher  Pflege  erfreute,  so 
bricht  sich  doch  mehr  und  mehr  die  Ueberzeugung  Bahn,  dass  damit  nicht  alles  gethan 
sei.  Zwar  haben  alle  Fragen  nach  dem  Aiisgangspunkt  einer  künstlerischen  Form  oder 
Idee,  nach  der  Stufenreihe  ihrer  Entwicklung,  nach  den  mannigfachen,  materiellen  wie 
geistigen  Momenten,  die  auf  den  Künstler  oder  ein  kunstübendes  Volk  von  aussen  ein- 
gewirkt haben,  für  das  Verständnis  der  Kunst  gewiss  die  allerhöchste  Bedeutung,  aber 
ihre  Beantwortung  löst  nicht  das  Problem  der  Kunst.  Die  einzelnen  Kunstwerke,  wie 
die  ganze  Entwicklung  der  Kunstproduktion  und  Kunstanschauung  eines  Volkes  miiss 
als  das  Produkt  zweier  Faktoren  angesehen  werden,  jenes  historischen  und  eines  psycho- 
logischen oder  ästhetischen.  Diese  historisch-psychologische  Methode  im  all- 
gemeinen rechtfertigen  in  ihrer  Ankündigung  von  Beiträgen  zur  Aesthetik  Lipps  und 
Werner 35).  Wie  ein  Kunstwerk,  eine  Kunst-  oder  Geschmacksrichtung  aus  den  histo- 
risch gegebenen  Elementen  hat  werden  können,  ist  nur  auf  dem  Boden  und  aus  der 
Natur  des  menschlichen  Gemütes  und  Geistes  zu  verstehen.  Die  Aesthetik  hat  also  zu 
fragen,  wie  es  kommt,  dass  ein  Künstler  oder  ein  Volk  gewisse  historische  Elemente 
auftiimmt  und  verwertet,  vermöge  welcher  Gesetzmässigkeit  der  menschlichen  Natur  die 
Entwicklung  unter  den  verschiedenen  äusseren  Bedingungen  verschieden  sich  vollzieht, 
wie  überhaupt  die  historischen  Momente,  gegebene  Formen,  vorhandene  und  neuauf- 
tauchende Stoffe,  Techniken,  Zwecke,  kulturhistoiische  Ideen  usw.  fruchtbar  werden 
und  zu  einem  bestimmten  künstlerischen  Ergebnisse  zusammenwirken  können.  Durch 
Beantwortung  solcher  Fragen  dient  die  Aesthetik  der  historischen  Betrachtung  zur  not- 
wendigen Ergänzung,  und  vermag  auch  zum  Bewusstsein  zu  bringen,  worauf  für  uns 
die  Wirkung  des  Kunstwerkes  beruht.  Nicht  Konstruktion,  Spiel  mit  Begriffen,  schnell- 
fertigen  Aufbau  von  Systemen  setzt  sie  sich  zum  Ziel,  sondern  Verständnis  des  Schönen, 
wo  immer  es  sich  findet,  seiner  Elemente,  der  Arten  ihres  Zusammenwirkens,  der  inneren 
Gründe  für  sein  Dasein  und  seine  Entwickhing.  Man  könnte  diese  Aesthetik  der  ver- 
gleichenden Anatomie  und  Physiologie  an  die  Seite  stellen,  aus  der  das  gemeinsame 
Gesetz  des  Organismus  wie  die  Gesetzmässigkeit  seiner  Differenzierung  für  die  Kunst 
deutlich  werden  soll.  Untersuchungen  in  diesem  Sinne  sollen  die  „Beiträge  zur  Aesthe- 
tik" bringen.  — 

Zuerst  erschien  das  Werk  Werners 86),  das  sich  im  wesentlichen  als  eine  Phy- 
siologie der  Lyrik  giebt.  Die  Bedingungen  und  Modalitäten  der  Entstelmng,  die 
verschiedenen  Formen  des  Werdens  und  der  Entwickelung  werden  für  das  lyrische  Ge- 
dicht mit  grösstmöglicher  Sorgfalt  dargestellt.  Es  soll  gezeigt  werden,  wie  die  äusseren 
Eindrücke  vom  Dichter  verarbeitet  werden,  um  sie  zum  Kunstwerk  umzugestalten;  so 
weit  dies  überhaupt  durchführbar  ist,  wird  an  der  Hand  von  Beispielen  der  Weg  ver- 
folgt, welchen  das  lyrische  Gedicht  von  seinen  ersten  Anregungen  bis  zu  seiner  end- 
lichen Gestaltung  zurücklegen  muss.  Dabei  bedient  sich  der  Vf.  naturwissenschaftlicher 
Ausdrücke  und  zieht  das  Entstehen  neuer  Individuen  zum  Vergleiche  herbei.  Er  hätte 
gut  daran  gethan,  in  gleicher  Weise  auch  die  gebräuchliche  Terminologie  der  Psycho- 
logie beizubehalten.  Nach  W.  sind  beim  dichterischen  Prozesse  folgende  Stadien  zu 
beobachten:  1)  das  Erlebnis;  so  wird  alles  genannt,  was  die  dichterische  Thätigkeit  an- 
regt; W.  unterscheidet  äusseres  und  inneres  Erlebnis,  Gefühls-  und  Gedankenerlebnis, 
direktes  und  indirektes  Erlebnis  und  gliedert  darnach  die  lyrischen  Gattungen.  Sicht- 
lich tritt  das  Bestreben  zu  Tage,  die  lyrischen  Gedichte  nicht  nur  in  grosse  Gruppen 
zu  teilen,  sondern  auch  feinere  Differenzen,  etwa  wie  die  Botanik  die  Pflanzen  gliedert, 
zu  beachten;  in  mehreren  Tabellen  wei'den  die  lyrischen  Gattungen  von  einander  ab- 
gehoben. Mehrere  Rezensenten  haben  an  diesen  Tabellen  Anstoss  genommen,  ohne 
sich  klar  zu  machen,  dass  nur  auf  dem  Wege  einer  bis  ins  Einzelnste  gehenden  Schei- 


Werner,  y.  Berger:  Dramaturgische  Vorträge:  ADA.  17,  S.  161/4.  —  34a)  X  G-  Freytag,  D.  Technik  d.  Dramas.  6.  vorb. 
Anfl.  Leipzig,  Hirzel.  X,  314  S.  M.  5,00.  —  34b)  XX  H.  Bulthaupt,  Dramaturgie  d.  Schauspiels.  Oldenburg,  Schulze. 
XV,  396  S.  M.  5,00.  '  [E.  Brause wetter:  MLJA.  59,  S.  257/9.]|  -  35)  Th.  Lipps  u.  R.  M.  Werner,  Ankündigung: 
Beitrr.  z.  Aesthetik.  Hamburg,  Voss.  3  S.  —  36)  R.  M.  Werner,  Lyrik  u.  Lyriker.  E.  Untersuchung.  (=  Beitrr.  z.  Aesthetik. 
Her.  V.  Th.  Lipps  u.  B.  M.  Werner  I.)  Hamburg,  Voss.  XVI,  638  S.  M.  12,00.  |[A  P ichler:  WienZg.  N.  294;  Plöhn: 
WienNIllustrZg.  8.  348/9;  Grenzb.  50,1,  N.  10;  A.  Biese:  HambCorr.  1891.  N.  291/92;  B.  WaldmUller:  HambNachr». 
1891.  N.  16;  Oegenw.  39,  S.  376/8;  G.  Portig:  BLU.  1891,  S.  161/62;  Eh.:  LCbl.  1891,  S.  302;  MagdebZg.  N.  556; 
S.chw»bKron.  1891.  N.  72;  KölnZg.  1891.  N.  7;  Carriöre:  AZg".  N,  183;   G.  Ellinger:  NatZg.  1891.  N.  302;  B.  M.  Meyen 


1,3:  R.  M.  Werner,  Poetik  und  ihre  Geschichte.  23 

diing  ein  Ueberblick  über  das  Wesen  der  lyrischen  Mannigfaltigkeit  gewonnen  werden 
kann;  Zusammenfassung  nnd  "Differenzierung  müssen  sich  ergänzen,  wenn  ein  wirklicher 
Gewinn  ästhetischer  Untersiichung  eintreten  soll.  Die  Resultate  sind  durch  eine  um- 
fassende Induktion  gewonnen,  wenn  dies  aiich  hei  der  notwendigen  Abkürzung  der  Dar- 
stellung vielleicht  nicht  so  klar  zu  Tage  tritt,  als  wünschenswert  gewesen  wäre.  Das 
Erlebnis  wirkt  aber  nur,  weim  sich  der  Dichter:  2)  in  einer  besonderen  Stimmung  be- 
findet, deren  Wesen  dann  untersucht  wird;  dabei  findet  auch  Tages-  imd  Jahreszeit  in 
ihrem  Einfluss  auf  den  Dichter  nach  zahlreichen  Zeugnissen  Berücksichtigung.  Kein 
Dichter  nimmt  das  Erlebnis  ohne  Verändening  auf,  die  Umbildung,  die  er  unbewusst 
vollzieht,  nennt  W.  3)  Befriichtung  und  scheidet  nach  ihrer  Art  die  einzelnen  lyrischen 
Dichter;  wieder  soll  eine  Tabelle  die  Möglichkeiten  versinnlichen,  sie  stellt  grossenteils 
die  Resultate  "v\;eit  ausgedehnter  Untersiichungen  dar,  die  im  fünften  Abschnitte  des 
ersten  Kapitels  bei  der  Betrachtung  von  Gedichten  mit  dem  Erlebnis  „Schneefall"  nur 
angedeutet  sind.  Hat  der  Dichter  das  Erlebnis  auf  Grund  seines  innersten  Wesens  so 
befruchtet,  so  ist  erst  der  Keim  eines  lyrischen  Gedichtes  entstanden,  dessen  4)  inneres 
Wachstum  nun  dargestellt  wird.  Hauptsächlich  Vereinfachung  oder  Verdichtung,  Er- 
weiterung (Variation  und  Kontrast,  ferner  Abrundung),  Ausgestaltung,  Steigerung  und 
Anschluss  neuer  Keime  kommen  in  Betracht.  Innere  Form  hat  der  Gedichtkeim  erlangt, 
wenn  Freiheit  und  Notwendigkeit  sich  eingestellt  haben,  den  inneren  Abschluss  bilden 
Wortwahl  und  Silbenmass.  In  verschiedener  Weise  tritt  dann  5)  die  Geburt  ein;  es 
wird  Improvisation,  Gelegenheit  und  Zufall  unterschieden  und  darauf  hingewiesen,  dass 
trotz  der  Gebtu"t  ein  Weiterkeimen  stattfinden  könne;  6)  die  äussere  Eorm  nach  Dar- 
stellung und  Aiisdruck  betrachtet,  erzählende,  aufklärende,  darstellende  und  beschreibende 
Darstellung,  Monolog  und  Dialog  werden  besprochen;  den  Schluss  bildet:  7)  das  äussere 
Wachstum,  Weiterführung  (Korrektur,  Revision,  Umbildung,  Verbildung),  Ausdehnung 
(Fortsetzung,  cyklischer  Abschluss,  höhere  Einheit)  und  Sammlung.  Die  neuere  deutsche 
Litteratur  steht  im  Vordergrunde,  weil  hier  der  Reichtum  an  Beobachtungsmaterial, 
Briefe,  Tagebücher,  Gespräche  usw.,  die  Prüfung  erleichtert  und  das  persönliche  mo- 
derne Gefühl  die  Kontrolle  ermöglicht;  doch  sind  auch  fremde  Litteraturen  herbei- 
gezogen, um  zu  sehen,  ob  die  Beobachtungen  auf  Allgemeingiltigkeit  Anspruch  haben 
oder  nicht.  —  Im  ersten  Kapitel  sucht  W.  die  Stellung  der  Lyrik  zu  Epos  und  Drama 
in  anderer  Weise  als  bisher  zu  begründen,  er  sieht  die  geläufige  Dreiteilung  der  Poesie 
als  nicht  zutreffend  an,  weil  verschiedene  Einteilungsgründe  verwertet  sind;  ihm  er- 
scheint eine  Zweiteilung  richtiger,  die  Lyrik  als  einsame  Gattung  nennt  er  darstellend, 
Epos  und  Drama  zusammen,  für  die  kein  gemeinsamer  Name  geläufig  ist,  sieht  er  als 
gesellige  Gattung  an  und  nennt  sie  vorstellend.  Die  Rezensenten  des  Buches  verhalten 
sich  verschieden  zu  dieser  Unterscheidung:  während  die  einen  sie  „ebenso  neu  wie 
schlagend"  finden,  lehnen  die  anderen  sie  ab,  freilich  ohne  die  Begründung  zu  wider- 
legen. W.  hat  auch  die  geläufige  Teilung  in  Volks-  und  Kunstlyrik  verworfen,  weil 
jedes  Ijn'ische  Gedicht  individuelle  Gefühle,  individuelles  Aussprechen  dieser  Gefühle, 
deshalb  einen  einzelnen  Dichter  voraussetze.  —  Gleichzeitig  hat  auch  A.  Schönbach^^) 
diesen  Gedanken  betont  und  als  Beispiel  der  umbildenden  Volksüberlieferung  ein  Ge- 
dicht von  Mörike  nach  dem  Volksmund  aufgezeichnet.  —  Sat  Werner  sich  mit  dem 
Gesamtgebiete  der  Lyrik  beschäftigt,  wohl  auch  seine  Ansicht  über  den  Fortgang  der 
lyrischen  Dichtung  angedeutet,  so  klagt  Rehberg^^)  über  den  Verfall  der  Lyrik  in 
unserer  Zeit  des  mangelnden  Subjektivismus,  der  mangelnden  Verinnerlichung,  Samm- 
lung und  Einsamkeit.  Dadurch  bestätigt  er,  nur  negativ,  das  von  Werner  Entwickelte.  — 
Einen  Versuch,  der  deutschen  Lyrik  neue  Wege  zuweisen,  hat  Freiherr  v.  Pro  chäzka^s) 
unternommen;  das  hat  ihm  eine  scharfe  Rüge  von  S.  Mehring^^)  eingetragen,  die 
nicht  ganz  im  Verhältnisse  zu  seiner  Bescheidenheit  steht.  P.  verlangt  strengen 
Wechsel  von  „Länge  und  Kürze",  so  zwar,  dass  nach  weiblichem  Versausgang  die 
nächste  Zeile  trochäisch  anheben  muss,  nach  männlichem  dagegen  jambisch;  er  verwirft 
schwebende  Betonung  sowohl  im  Innern  als  im  Beginne  des  Verses,  den  Hiatus,  ein 
Aneinanderreihen  einsilbiger  Wörter,  was  sich  begreifen  lässt;  aber  er  schliesst  auch 
den  Gebrauch  des  Daktylus  aus,  wenn  er  nicht  onomatopoisch  ist;  endlich  dringt  er 
auf  strenge  Reimreinheit,  abgesehen  vom  komischen  Gedichte.  So  hofft  er  den  neuen 
Aufschwung  der  Lyrik  anzubahnen.  Die  neue  Poesie  soll  auch  in  ihrer  Form  „den  In- 
begriff der  potenzierten  Schönheit  der  Prosa  verkörpern".  Sein  Grundprinzip  verlangt 
nur  strenge  Form,  die  Ausführung  verrät  aber  Unsicherheit  des  Urteils  und  des  Ge- 
schmacks.    Der  begeisterte  Dilettant   hat   noch  nicht  zwischen  Rhythmus    und  Metrum 


ADA.  17,  S.  320/8;  V.  Valentin:  ZVLE.  4,  S.  478/94.]|  —  37)  A.  B.  Schönbach,  K.  M.  Meyer,  D.  altgerm.  Poesie  nach 
ihren  formelhaften  Elementen  beschrieben:  ADA.  16,  S.  358—66.  (Vgl.  Über  d.Buch  noch  Wilmanns:  DLZ.  11,8.1310/3.)  — 
38)  K.  Rehberg,  D.  Niedergang  d.  Lyrik:  ML.IA.  59,  S.  385/9.  —  39)  R.  Frh.  Prochäzka,  Versuch  e.  Reform  d. 
Deatschen  Lyrik.  (=  Allg.  BUchersamml.  lebender  Schriftsteller.  2.)  Leipzig,  Kömei.  16.  XI,  34  S.  M.  0,30.  —  40)  S.Mehring, 


24  1,3:  R.  M.  Werner,  Poetik  und  ihre  Geschichte. 

unterscheiden  gelernt,  will  überdies,  wie  es  scheint,  das  Wesentliche  der  deutschen 
Versbildung,  Hebung  und  Senkung,  nicht  anerkennen  und  vergisst  die  Bedeutung  des 
Satztones  vollständig.    Auf  diesem  Wege  wird  der  Lyrik  kaum  aufgeholfen  werden *i).  — 

Werner'*^)  behandelt  in  seiner  Anzeige  Beyers  und  Viehoffs  vor  allem  die  Ein- 
teilung der  Poesie  43-45^  und  sucht  die  Darstellung  der  beiden  Vf.  zu  widerlegen 
im  Hinblick  auf  seine  Gliederung  (S.  o.  N.  36);  dann  bespricht  er  einige  Kunstmittel 
oder  Kunstgriffe,  deren  sich  der  Dichter  bedient,  um  Gestalten  zu  malen  oder  die  Un- 
möglichkeit dieses  Malens  zu  verdecken;  er  ergänzt  die  von  Viehoff  aufgestellte  Liste, 
indem  er  die  musivische  Art  der  Darstellung  und  die  sich  scheinbar  widersprechende, 
aber  eigentlich  ergänzende  Doppelbeschreibung  nachweist.  Auch  fordert  er  ein  genaueres 
Erfassen  der  dramatischen  Charaktere.  —  Mit  dieser  Erage  beschäftigt  sich  Achelis*®), 
der  Richard  IIL  nachzeichnet  und  ungemessene  Herrschsucht  als  Grundzug  seines 
Wesens,  Selbstzucht  und  Witz  als  seine  Mittel  anerkennt 4''-*^).  —  Grübelnd,  zerfasernd 
behandelt  Mauerhof*^)  Hebbel,  Ludwig  und  Lessing  und  trägt  so  zur  Erkenntnis  tragischer 
Charaktere  bei.  Die  tragischen  Motive  der  deutschen  Dichtung  hat  Greinz^^)  zu  über- 
blicken gesucht,  aber  nur  einiges  richtig  erkannt ^i-^*'). 

Moderne  Aesthetik  und  ihre  Ergebnisse  für  die  Poetik.  Unerlässlich 
ist  es,  wie  im  Eingang  ausgeführt  wurde,  für  den  Arbeiter  auf  dem  Eelde  der  Poetik, 
sich  mit  solchen  Werken  bekannt  zu  machen,  die,  andere  Gebiete  der  Kunst  betrachtend, 
zu  Erkenntnissen  gelangen,  deren  Berücksichtigung  in  der  Poetik  Nutzen  stiften  kann. 
Zunächst  um  der  Methode  willen.  Verschiedenen  Forschern  schwebt  eine  evolutionisti- 
sche  Theorie  vor.  Nach  dieser  Richtung  der  Aesthetik  neue  Bahnen  zu  ziehen,  ist  die  Ab- 
sicht Bölsches^'');  er  ver\\drft  die  ganze  bisherige  Aesthetik,  eigentlich  Eechner  mit  ein- 
geschlossen, wegen  der  mangelnden  Fühlung  mit  den  modernen  Richtungen,  die  hauptsächlich 
auf  dem  Gebiete  der  Naturwissenschaft,  der  Ethik  und  der  sozialen  Frage  durch  die  moderne 
Dichtung,  den  Realismus,  schon  aufgenommen  würden,  während  die  Aesthetik  von  ilnien 
noch  keinen  Begriff  habe.  Er  verlangt  von  der  neuen  Aesthetik  zuerst  die  Behandlung 
folgender  Themen:  Aesthetik  der  verschiedenen  Menschenrassen,  vor  allem  der  Natur- 
völker, Untersuchung  über  die  Entwicklung  des  Sinnes  für  Rhythmus  bei  dei;  Tieren, 
über  die  darwinistische  Herleitung  des  Nachahmungstriebes,  über  den  Konflikt  zwischen 
Glücksbedürfnis  und  Wahrheitsbedürfnis  usw.  —  Die  Wichtigkeit  der  Evolution ^s)  für  die 
Aesthetik  wird  gleichzeitig  von  anderer  Seite  betont,  von  P.  0.  Schmidt  im  Anschluss 
an  Max  Nordau  einschränkend,  von  Eugen  Wolff  zustimmend.  P.  0.  Schmidt'''^) 
sucht  nachzuweisen,  dass  neben  dem  Kampf  ums  Dasein,  neben  der  Art-  und  Selbst- 
erhaltung jedes  Lidividuum  ein  Bedürfnis  nach  Lebensgenuss  rein  an  sich  selbst,  ohne 
Beziehung  auf  irgend  einen  Nutzen  für  die  Selbst-  und  Arterhaltung  hege.  Sobald  der 
Kampf  ums  Dasein  an  Intensität  und  Extensität  nachlässt,  wird  ein  Ueberschuss  an 
Kräften  verfügbar,  deren  Nichtbethätigung  Langeweile  verursacht;  wenn  aber  irger.d 
etwas  das  Individuum  anregt,  diese  ruhenden  verfügbaren  Nerven-  oder  Muskelkräfte 
in  möglichst  zwangloser  Thätigkeit  anzuwenden,  dann  empfindet,  fühlt,  handelt,  denkt  usw. 
das  Individuum  ästhetisch  oder  schön;  das  Lebewesen  freut  sich  seines  Daseins,  der 
ungezwungenen,  freien  Bethätigung  seiner  Kräfte.  Sie  müssen  vorhanden  und  im  ge- 
gebenen Falle  verfügbar  sein,  sonst  tritt  in  jenem  Falle  gar  keine  Wirkung,  in  diesem 
aber  keine  ästhetische  ein,  zudem  bedarf  es  der  Uebung  und  der  Anregung,  also  sub- 
jektiver und  objektiver  Bedingungen.  Die  ästhetischen  Lebensbethätigungen  erfolgen 
nur  bei  bestimmter  Intensität  und  Extensität,  wodurch  wir  eine  untere  und  obere  Grenze 
(Reizschwelle)  zu  erkennen  vermögen.  Erreicht  das  Reizmittel  die  untere  Grenze  nicht, 
dann  bedarf  es  eines  wirklichen  oder  erwarteten  Nutzens  für  die  Selbst-  oder  Arterhal- 
tung, um  das  betreffende  Organ  zur  Thätigkeit  zu  veranlassen;  fehlt  dieser  Antrieb, 
dann  bleibt  das  Individuum    gleichgültig.     Erhebt    sich    das  Reizmittel    nur  wenig  über 


E.  neuer  Prophet:  ML  JA.  69,  S.  247-50.  -  41)  X  D.  Lyrik  d.  Zukunft:  Kunstw.  3,  S.  246/8.  -  42)  R.  M.  Werner. 
Beyer,  Deutsche  Poetik.   2.  Aufl.   u.   Viehoif,   D.  Poetik  auf  d.  Grundlage  d.  Erfahrungsseelenlehre:  ADA.     16.  S.  298—315.  — 

48)  X  E.  Köhler,  Poetik,  Aufsatzlehre  u.  Psychologie.  E.  Leitfaden  f.  Schulen.  Unter  teilweiser  Zugrundelegung  d.  5.  Aufl. 
V.  Dr.  H.  B.  Rumpelts  „Elemente  d.  Poetik".  Neisse,  Graveur.  IX,  160  S.  M.  2,00.  —  44)  XF-  Prosch,  Moderne  Poetik: 
ZRealschulwesen.  14,  S.  649—53.  —  45)  XX  K.  Bleihtreu,  Z.  Psychologie  d.  Zukunft.  Leipzig,  Friedrich,  (o.  J.)  292  S. 
M.  4,00.  |[Eh.:  LCBl.  1891,  S.  811/2.]|  (S.  247-88  „Zur  Psychologie  d.  Zukunfts-Poesie".)  -  48)  T  h.  Achelis,  Aesthetische 
Fragen:  MLJA.  59,  S.  123/4.  (Im  Anschluss  an  K.  Fischers  Schriften:  „Shakespeares  Charakterentwickelung  Richard  111.", 
u.  „lieber  d.  Witz".)  —  47)  XX  H.  TUrck,  D.  psychologische  Problem  in  d.  Hamlettragödie.  Diss.  Leipzig-Reudnitz, 
Hoffmann.    84  S.    M.  1,50.    —    48)  XX  W.  Wetz,    Shakespeare  v.  Standpunkte  d.  vgl.  Litt.-Gesch.  1.    (S.  o.  I,  1    N.  5.)  - 

49)  E.  Mauerhof,  Tragische  Kunst:  Gesellschaft.  6,  S.  73—85.  —  SO)  R.  H.  Greinz,  D.  tragischen  Motive  in  d.  deutschen 
Dichtung  seit  Goethe*  Tode.  Dresden,  Pierson.  1889.  172  S.  M.  2,80.  |  [R.  M.  Werner:  DLZ.  12,  Sp.  666/8;  Kaberlin: 
MLJA.  59,  S.  29.] I  —  51)  XG.  Landauer,  Ueber  epische  u.  dramatische  Kunst:  DeutschL  1,  S.  246  u.  64.  -  52)  X  E.  Wolff. 
I).  Gestaltung  d.  Handlung  u.  d.  Technik  in  Wildenbruchs  Dramen:  UZ.  S.  417—34.  —  53)  XX  K.  Biltz,  Dramatische 
Studien.  Potsdam,  Stein.  —  54)  X  Karl  Heinemann,  Vorhang  u.  Drama:  Grenzb.  49,  S.  459-68,  520/7.  —  55)  X 
C  Franke,  Ueber  d.  Verwendbarkeit  religiöser  Stoffe  im  Epos  m.  bes.  Berücksichtigung  d.  deutschen  Epen:  ZDU.  3,  Erg.- 
Hft.  8.  8—20.  -  58)  X  H.  Thom,  D.  Ideal-Roman.  Kritik  u.  Studie.  Leipzig,  Claussner.  12.  23  S.  M.  0,50.  -  57)  W. 
Bölsche,  Ziele  u.  Wege  d.  modernen  Aesthetik:  MD.  S.  29—34.  —  58)  XX  Brunetiire,  L'6volution  des  geures  dans 
l'histoire  de  la  littdrature.    Leyons  k  l'öcole  normale  supörioure.  1.  Paris,  llachettc.  XIV,  283  S.  Fr.  3,50.  —  59)  P.  0.  Schmidt, 


1,3:  R.  M.  Werner,  Poetik  und  ihre  Geschichte.  25 

die  ästhetische  Reizschwelle,  dann  heisst  die  ausgelöste  Empfindung  das  Reizende,  Nette, 
Niedliche,  Zierliche,  Elegante  usw.;  kommt  die  Wirkung  der  oberen  ästhetischen 
Reizschwelle  nahe,  so  entsteht  das  Erhabene;  das  Ueberschreiten  dieser  oberen  Grenze 
hat  Schmerzempfindung,  noch  weiter  Ohnmacht,  sogar  den  Tod  zur  Folge.  Die  Mitte, 
das  richtige  Mass  an  In-  und  Extensität  ergiebt  das  Schöne.  Die  Individuen  verhalten 
sich  verschieden  zu  der  oberen  und  unteren  Reizschwelle,  nicht  bei  allen  sind  sie  gleicli 
weit  entfernt.  Diese  durch  Reize  hervorgerufene  Lebensbethätigung  kann  zugleich  schön 
und  nützlich  sein,  nur  dort  aber,  wo  äussere  Reiz-  und  Erregungsmittel  gewisse  Organe 
ohne  Rücksicht  auf  den  Nutzen  (die  Art-  und  Selbsterhaltung)  zur  Thätigkeit  aiu-egen, 
ist  der  Begriff  des  ästhetischen  Genusses  rein  verwirkhcht;  dabei  werden  die  niederen 
Ven'ichtungen  des  Organismus,  auch  wenn  sie  frei  sind,  nur  Genüsse,  nicht  ästhetische 
Genüsse  genannt,  was  nach  S.  nicht  ganz  konsequent  ist.  Nicht  mit  derselben  Klarheit 
erläutert  S.  die  ästhetischen  Reaktionen,  die  negativ-ästhetischen  (komischen)  Wirkungen ; 
hier  verfällt  auch  er  zu  stark  der  „Symmetrie",  die  er  an  Nordau  tadelt.  Aufs  schärfste 
spricht  er  sich  gegen  dessen  Ansicht  aus,  dass  die  vom  Schönen  erregten  Lustempfin- 
dungen nur  die  Eolge  einer  ursprünglichen  Nützlichkeit  für  das  Individuum  oder  die 
Gattung  seien.  Nordau  bezieht  auf  die  Selbsterhaltung  das  Reizende,  das  Erhabene 
und  das  Zweckmässige,  auf  die  Artei-haltung  das  eigentlich  Schöne  und  das  Niedliche. 
S.  zeigt  das  Absurde  dieser  Art  von  Evolution,  die  mit  ihrer  Durchführung  gar 
nicht  über  die  landläufige  Aesthetik  hinauskommt ;  er  verwirft  darum  ein  solches  Herein- 
ziehen darwinistischer  Begriffe  in  die  Aesthetik.  —  Anders  versteht  Eugen  Wolff^o) 
die  Evolution.  Ausgehend  von  der  Ueberzeugung,  dass  die  Poesie  etwas  sich  Ent- 
wickelndes ist,  dass  die  Dichtungsarten  sich  ebenfalls  entwickeln  und  dass  daher  die 
Poetik  nicht  unveränderlich  sein,  sondern  mit  der  Litteraturentfaltung  gleichen  Scln-itt 
halten  müsse,  meint  er,  nach  Durchführung  einer  solchen  litterar-evolutionistischen  Poetik 
habe  dann  die  Philosophie,  speziell  die  Psychologie,  einzugreifen,  um  die  Buntheit  auf 
eine  Einheit  zurückzuführen.  Er  hält  es  für  möglich,  dass  sie  dann  bei  der  „Entladung", 
also  wieder  bei  Aristoteles  Halt  machen  werde.  Im  Zusammenhange  damit  sieht  er  die 
Epik  als  Urform  der  Poesie  an  und  plant  eine  Geschichte  der  Dichtungsarten  aus  dieser 
Urform.  Damit  scheint  er  weit  über  das  Ziel  zu  schiessen,  und  über  die  Bedeutung 
der  indvdctiven  Methode  der  Poetik  sind  wir  wohl  alle  einig.  Am  meisten  Förderung 
versprechen  wir  alle  uns  von  der  Psychologie.   — 

Die  Frage,  wie  weit  Aesthetik  und  Naturwissenschaft  mit  einander  zu 
vereinigen  sind^i),  muss  noch  als  strittig  bezeichnet  werden;  Bahr^^)  hat  versucht,  die 
Formeln  chemischer  Prozesse  für  die  möglichen  Beziehungen  zwischen  Mann  und  Frau 
zu  benutzen,  entwirft  aber  nicht  etwa  Schemata  von  vorhandenen,  sondern  von  künftig 
zu  schreibenden  Romanen,  ein  bizarrer  Einfall,  der  eiiie  Vermischung  von  dichterischer 
Produktion  und  wissenschaftlicher  Erforschung  darthut.  —  Kästner*'^)  imternahm  es 
zu  erwägen,  was  die  Poesie  durch  die  Ausbreitung  der  Naturwissenschaften  verlor  xxnd 
was  sie  gewann;  er  meint,  die  Poesie  lebe  von  der  Illusion,  die  Wissenschaft  vom  Be- 
weis; solange  nicht  alles  bewiesen  ist,  werde  daher  die  Poesie  leben,  d.  h.  ewig.  Als 
Resultat  seiner  Untersuchung  wird  ausgesprochen,  die  Poesie  habe  die  naive  Illusion 
eingebüsst,  dafür  aber  eine  Erweiterung  ihres  Horizonts  gewonnen;  daraus  folgert  K. 
den  Unterschied  zwischen  antiker  und  moderner  Naturversenkung.  — 

Gildersleeve^*)  zeigt,  wie  Grammatik  und  Aesthetik  zusammengehöre, 
wie  das  Eindringen  in  Einzelheiten  zu  wichtigen  Beobachtungen  und  Erkenntnissen  im 
Grossen  führen  könne;  die  alten  Rhetoriker  hätten  eine  so  minutiöse  Analysis  ihrer 
Autoren  gegeben,  wie  sie  von  uns  kaum  ertragen  werden  könnte;  wenn  man  aber  nur 
solche  Beobachtungen,  etwa  der  Syntax,  in  richtiger  Weise  anstelle,  dann  gewinne  man 
auch  Resultate  für  den  Charakter  des  Schriftstellers.  —  Hans  Müll  er  ^s)  legt  den  Unter- 
schied zwischen  dem  früheren  und  dem  jetzigen  deutschen  Stile  dar;  der  frühere  Perioden- 
stil kehre  noch  in  der  Sprache  der  Wissenschaft  wieder,  weil  sie  Ergebnisse  von  Denk- 
prozessen vermitteln  wolle;  der  jetzige  kurze  Stil  nach  englischem  Muster  dagegen  eigne 
sich  viel  besser  zum  unmittelbaren  Ausdrucke  frischer  und  warmer  Empfindung.  Die 
Wirkung  dieses  Stils  sei  unmittelbarer,  der  Schriftsteller  gelange  durch  ihn  viel  näher 
ans  Publikum  heran.  66-67)  — 

Schwerer  als  in  Bezug  auf  die  Methode  ist  es,  mit  den  allgemeinen  Ergeb- 


Zu  M.  Nordaus  Evohitionistischer  Aesthetik:  Doutschl.  1,  S.  451/3,  471/4,  486/7,  502/3.  -  60)  Eugen  Wolff,  Prolegomena 
d.  litt.-evolutionistisclien  Poetik.  Kiel,  Lipsius  &  Tisclier.  32  S.  M.  1,00.  |[A.  Döring:  ASNS.  86,  S.  91;  M.  Koch:  ZVLR 
3,  S.  408.]  I  —  61)  XX  H.  T,  Basedow,  D.  Einfluss  d.  Naturwissensch  auf  d.  Litt.  u.  deren  Kunstprinzip,  1.  Goethe,  Schiller 
u.  ihre  Zeit:  KritJb.  1,2  S.  27—33.  —  62)  H.  Bahr,  D.  Rätsel  d.  Liebe  (Un  coeur  de  femme  v.  P.  Bourget):  MLJA.  59, 
S.  640/1.  |[Lothar  Schmidt:  MLJA.  59,  S.  675.]  |  —  63)  W.  A.  Kastner,  lieber  Poesie  u.  Naturwissenschaft:  LittMerk. 
10,  S.  317/9;  325/6;  333/4.  —  64)  B.  L.  Gil  derslee  ve,  Grammar  and  Aesthoties.  (In  dem  Werke:  Essays  and  Studles. 
Educational  and  Literary.)  Baltimore,  Murray.  4".  XII,  513  S.  —  65)  Hans  Müller,  D.  Einfluss  d.  Realismus  auf  sprachliche 
Stileigenschaften:  Kunstw.  3,  S.  322/4.  (Auszug  a.  e.  unter  dems.  Titel  im  „Salon"  (1890  N.  10)  erschienenen  Aufsatze.)  — 
66)  X  Jak.  Bauer,  D.  Bild  in  d.  Sprache  IL    Progr.    Ansbach.  Leipzig,  Fock.    1889.   41  S.   M.  1,00.  —  67)  X  Th.  Matthias, 


26  1,3:  R.  M.  Werner,  Poetik  und  ihre  Geschichte. 

nissen  der  fortschreitenden  Aesthetik  gleichen  Schritt  zu  halten.  Nun  hat  aber  Lipps^^) 
begonnen,  die  neueren  Erscheiniingen  der  Aesthetik  zusammenhängend  zu  besprechen, 
indem  er  nicht  nur  übersichtlich  den  Inhalt  der  Schriften  darstellt,  sondern  zugleich 
Einwendungen  erhebt  xind  Einzelnes  näher  ausführt.  Wir  betrachten  diesmal  die  ganze 
bisherige  Berichterstattung,  soweit  sie  selbständige  und  neue  Ergebnisse  enthält. 
L,  beginnt  mit  einer  Bespreclmng  von  Hartmanns  „Philosophie  des  Schönen",  deren 
Methode  als  nicht  „induktiv"  aufgezeigt  wird,  wobei  L.  sehr  richtig  bemerkt, 
es  sei  allerdings  nicht  nötig,  dass  man  die  Einzelarbeit  vor  den  Avigen  des  Publikums 
vornehme,  aber  sie  müsse  vorgenommen  worden  sein;  das  vermisst  er  an  Hartmanns 
Werk.  Einen  HauptbegriflF  dieser  Aesthetik,  den  „reinen  Formenschein",  weist  L.  mit 
Erfolg  zurück,  indem  er  den  Satz  ausspricht,  die  Wirkung  des  Kunstwerks  sei  eben  die 
Wirkung  des  Kunstwerks,  nicht  einer  Abstraktion;  die  ästhetische  Betrachtung  dürfe 
nicht  von  den  realen  Eigenschaften  absehen,  sondern  müsse  sie  würdigen,  sofeni  sie 
irgendwie  an  dem  unmittelbaren  Eindruck  beteiligt  sind.  Es  sei  darum  verfehlt,  wenn 
Hartmann  wie  Schasler  in  seiner  „Aesthetik"  das  Gebiet  des  Schönen  auf  die  „oberen 
Sinne"  beschränke:  zum  Eindrucke  des  Waldes  gehöre  auch  der  Duft.  Ein  Gegen- 
stand ist  schön  oder  hässlich,  d.  h.  Gegenstand  eines  ästhetischen  Urteils,  sofern  er 
durch  sich  selbst  ein  Wohlgefallen  oder  Missfallen  in  einem  Betrachter  erregt,  der  nur 
dem  Gegenstande  sich  hingiebt  und  sonstige  wirkliche  oder  der  Phantasie  angehörige 
Beziehungen  nur  soweit  berücksichtigt,  als  sie  im  Gegenstande  selbst  liegen  und  ini- 
mittelbar  in  der  Betrachttmg  sich  aufdrängen ;  Gegenstände  wirken  eben  ästhetisch  durch 
das,  was  wir  an  ihnen  wahrnehmen,  und  mehr  noch  durch  das,  was  sie  unmittelbar  der 
Wahrnehmung  sagen,  ausdrücken,  bedeuten.  Damit  ist  Reflexion,  willkürliche  oder  kon- 
ventionelle Deutung  ausgeschlossen.  L.  vertritt  auch  die  Ansicht,  dass  es  keine  objek- 
tiven Bestimmungen  gebe,  an  denen  wir  die  Dinge  nur  zu  messen  brauchen,  um  zu 
wissen,  ob  sie  schön  seien  oder  das  Gegenteil,  keinen  äusseren  Kanon  des  Schönen, 
weder  einen  allgemeinen  für  alles  Schöne,  noch  einen  besonderen  für  jede  Gattung 
schöner  Objekte.  Wohl  aber  glaiibt  L.  mit  Proudfort-Begg  („The  development  of  taste"), 
dass  es  Kunstgesetze  gebe  und  damit,  wenngleich  nur  als  Ideal,  ein  „objektiv"  iind 
allgemeingiltiges  ästhetisches  Urteil  sowie  ein  allgemeingiltiges  Erkenntnisurteil  trotz 
aller  Verschiedenheit  der  thatsächlichen  Erkenntnisurteile.  Gegen  Begg  verteidigt  er 
das  Assoziationsprinzip  der  Aesthetik  und  leugnet,  dass  dadurch  reinste  Subjektivität 
erzielt  würde;  denn  selbstverständlich  kann  es  sich  nur  um  jene  unbewussten  Assozia- 
tionen handeln,  die  sich  notwendig,  nicht  um  solche,  die  sich  zufällig  einstellen.  Mit 
Recht  weist  L.  auch  Schweisthals  „Prinzip  des  Schönen"  und  seine  Definition  zurück: 
schön  sei  jedes  Objekt,  welches  auf  hervorragende  Weise  des  Schöpfers  Güte,  Weis- 
heit und  Macht  bekundet,  mit  anderen  Worten,  was  zu  gleicher  Zeit  die  Sinne,  den 
Verstand  und  die  Einbildungskraft  angenehm  beschäftigt,  oder  endlich,  was  gut,  weise 
und  mächtig  erscheint.  In  der  Besprechung  der  Stranskyschen  „Aesthetik  auf  Schopen- 
hauerscher Grundlage"  handelt  L.  u.  a.  vom  Darstellen,  das  z\inächst  heisst:  ein  Bild 
eines  Gegenstandes  durch  Reproduktion  seiner  Formen  für  die  Sinne  oder  durch  Zeichen, 
die  ein-  für  allemal  zu  Trägem  für  die  Vorstellung  des  Gegenstandes  geworden  sind,  in 
uns  hervorrufen,  dem  Gegenstand  eine  ideelle  Existenz  in  inis  schaffen.  —  Im  zweiten 
Berichte  behandelt  Lipps^^)  zuerst  ein  älteres  Werk  von  Bergmann  „Ueber  das 
Schöne",  das  den  Begriff  der  Schönheit  festzustellen  sucht.  Den  Satz  „Schön  ist,  was 
in  der  blossen  Betrachtung  gefällt"  schränkt  Bergmann  ein;  das  Wohlgefallen  müsse  auf 
dem  blossen  Wahrgenommenwerden  oder  der  Beziehung  zum  blossen  Vorstellungs- 
vermögen beruhen.  L.  dagegen  findet  den  Begriif  „blosse  Betrachtung"  etwas  un- 
bestimmt und  Bergmanns  Erklänuig,  sie  schliesse  die  „reale  Einwirkung"  aus,  die  z.  B. 
beim  Essen  einer  Speise  hinzukommen  müsse,  deshalb  imrichtig,  weil  auch  bei  Gesichts- 
Tand  Gehöreindrücken  eine  reale  Einwirkung  stattfinde.  Nun  meint  Bergmann,  Geschmack, 
Wärme  und  Kälte  könnten  nicht  schön  sein,  weil  sie  Objekte  der  „inneren  Wahrnehmung" 
seien.  Dem  hält  L.  entgegen,  dass  wir  Wärme  und  Kälte  avich  den  Objekten  selbst 
zuschreiben,  dieselbe  Objektivierung  stets  bei  den  Inhalten  der  Geschmacksempfindung 
vollzögen;  er  weist  darauf  hin,  dass  wir  in  die  plastischen  Darstellungen  des  mensch- 
liclien  Körpers  den  Gedanken  an  das  Leben,  also  „innere  Wahrnehmung"  hineintrügen: 
solche  Empfindungsinhalte  wirkten  gewiss  zur  Schönheit  von  Objekten  mit.  Uebrigens 
findet  es  L.  schon  tiberhaupt  nicht  glücklich,  Wahrnehmungen,  die  in  unserem  Körper 
lokalisiert  sind,  „innere"  zu  nennen.  Bergmann  meint  nun,  die  Aesthetik  habe  scharf 
die  Schönheit  als  den  Inhalt  eines  rein  kontemplativen  Wohlgefallens  zu  unterscheiden 
von  den  Vorzügen  anderer  Art,  die  nicht  auf  der  Beziehung  des  Gegenstandes  bloss 
zum  Vorstellungsvermögen  beruhen,    obwohl    sie    auch  in  der  blossen  Betrachtixng   ge^ 


E.  Versuch   /,.  Erlclarunj?  d   best»ti(fonden  Coiijunctivs  an  Beispielon:   ZDU.  4,  S.  433/40.    —    68)   Th.  Lipps,    Aesthetisclior 
Litteraturbericht.    I.— III.:    PhilosMh.  26,    S.    17-42;   169—201;   323—46.     -     69)   id.   Zweiter  asthet.  Litteraturbericht.    1. 


1,3:  R.  M.  Werner,  Poetik  und  ihre  Geschiclite.  27 

fallen.  In  den  Dingen  imd  dem  sich  ihrer  erfreuenden  Geiste  sei  freilich  diese  Treiuuing 
der  Wissenschaft  nicht  vollzogen.  Mit  vollem  Rechte  wendet  aber  L.  ein,  die  Wissen- 
schaft würde  sachwidrig  und  im  wissen  schaftlich,  wenn  sie  das  trennte,  was  sachlich 
Eines  ist.  Was  zum  Eindruck  der  Schönheit  beiträgt,  ist  eben  ein  Element  des  Schönen. 
Wir  können  durchaus  nicht  sagen,  wie  viel  etwa  von  der  Schönheit  der  Farbe,  also 
eines  Objektes  der  äusseren  Wahrnehmimg,  übrig  bleibe,  wenn  wir  Momente  davon  ab- 
sonderten, die  uns  mit  ihr  verbunden  erscheinen;  auch  die  schötve  Farbe  erscheint  als 
eine  innere  Trefflichkeit  und  Güte  des  Dinges,  als  die  „glückliche  Offenbarung  des 
inneren  Wertes  der  Materie",  sie  weckt  „eine  ihm  entsprechende  Art  des  Selbstgefühls". 
L.  hat  in  dieser  Polemik  gegen  Bergmann  einen  wichtigen  Gnnidsatz  der  Aesthetik 
glücklich  formuliert,  der  künftig  immer  beachtet  werden  muss.  In  seiner  und  in  Berg- 
manns Methode  treten  sich  eben  die  beiden  Gegensätze  der  Aesthetik  gegenüber;  L. 
wirft  dem  Vf  vor,  seine  Schrift  gehe  zu  sehr  allgemein  begrifflich  vor  ^^nd  werde  darum 
der  Mainiigfaltigkeit  der  Elemente  des  Schönen  zu  wenig  gerecht,  er  verlangt  die  Unter- 
siichung  des  einzelnen  schönen  Objektes  und  vermisst  sie  bei  Bergmann.  L.  sieht 
aber  in  der  inneren  Trefflichkeit,  in  der  Offenbarimg  eines  inneren  Wertes  nicht  bloss 
ein  sehr  wesentliches,  sondern  geradezu  das  einzig  entscheidende  ästhetische  Moment; 
er  entdeckt  Schönheit  überall  da  xnid  nur  da,  wo  uns  ein  solcher  innerer  Wert  bei  der 
Betrachtung  eines  Objektes  inunittelbar  entgegentritt  oder  entgegenzutreten  scheint. 
Diesen  Gedanken  verfolgt  er  weiter  in  der  Besprechung  der  Köstlinschen  „Prolegomena 
zur  Aesthetik",  deren  Vorzug  er  gerade  im  Betonen  dieser  Beobachtung  erkennt.  Ein 
instrviktives  Beispiel  ist  die  Glut;  das  schmerzliche,  furchtbare,  das  sie  für  den  Tastsinn, 
das  Lebensgefühl  hat,  kommt  für  den  ästhetischen  Wert  der  Glut  nicht  in  Betracht, 
wohl  aber  etwa  das  Belebende,  Erwärmende,  weil  wir  uns  darin  eine  Vollkommenheit 
der  Glut  unmittelbar  vergegenwärtigen.  Der  Gegensatz  des  Angenehmen  luid  der  schönen 
„Form"  (Gestaltung,  Erscheinung)  ist  kein  sachlicher  Gegensatz,  sondern  lediglich  ein 
Gegensatz  der  Betrachtung.  Aus  dem  Referate  über  Trautmanns  verfehlte  „Lehre  vom 
Schönen"  sei  nur  der  bedeutsame  Satz  hervorgehoben,  „dass  die  ästhetische  Wirkinig 
wahrgenommener  Gegenstände  immer  zugleich  bedingt  ist  durch  deren  psychische  „Re- 
sonanz", d.  h.  durch  die  Beschaffenheit  der  Vorstellungsinhalte,  mit  denen  der  Inhalt 
der  Walu'nehmung  psychisch  in  Eines  verwoben  ist".  Damit  wird  die  Bedeutung  der 
ästhetischen  Symbolik  ins  gehörige  Licht  gerückt.  Th.  Alt  gegenüber,  dessen  „System 
der  Künste"  alle  in  nachahmende  und  nichtnachahmende  teilt,  möchte  L.  eher  Grade 
der  Nachahmung,  also  konkret  und  abstrakt  nachahmende  Künste  unterscheiden,  glaiibt 
übrigens,  dass  es  überhaupt  sein  Missliches  habe,  die  Nachahmung  als  Aiisgangspmikt 
für  die  Einteilung  aller  Künste  zu  nehmen;  er  möchte  lieber  unter  Voraussetzung  näherer 
Bestimmungen  die  „Nachahmvnig"  diu'ch  die  „Darstellung"  ersetzen.  Allgemeinere  Fragen 
der  Poetik  streift  L.  bei  der  Besprechung  von  Scherers  „Poetik";  er  betont,  dass  die 
Abgrenzung  des  Gebietes,  wie  sie  Scherer  traf,  berechtigt,  aber  nicht  notwendig  sei; 
selbst  die  „naturwissenschaftliche"  Poetik  könne  normativ  sein,  wie  etwa  die  Physio- 
logie; dagegen  verwirft  er  Scherers  Beschreibung  der  Poesie  vollständig  und  erkennt 
dem  ganzen  Werke  niu'  vielleicht  historische  Bedeutinig  zu.  Er  vermisst  Rücksichtnahme 
auf  die  Psychologie,  durch  die  gerade  Viehoffs  „Poetik"  sich  axiszeichnet.  Unbefriedigt 
zeigt  sich  L.  nur  durch  Viehoffs  Behandlung  des  Dramas.  Vor  allem  verwirft  er  auch 
Reich  und  seiner  Schrift  über  „Schopenhauer  als  Philosophen  der  Tragödie"  gegenüber 
die  poetische  Gerechtigkeit.  — 

Mit  einzelnen  von  Lipps  vorgetragenen  Ansichten  berührt  sich  Krassnig''*'), 
nur  dass  er  in  seiner  Zusammenfassung  sogleich  zu  weit  geht ;  er  sucht  erst  die  einzelnen 
Prinzipien  des  Schönen  zxi  erfassen,  und  als  solche  erkennt  er  zwölf:  Quantität,  Be- 
wegung, Stetigkeit  und  Homogenität,  Fasslichkeit  durch  Abschluss,  Ordnung  ohne  be- 
stimmte Richtung  oder  mit  bestimmter  Evolution,  Koincidenz  verschiedener,  verknüpfter 
Formen,  Wiederholung,  Wechsel  und  Kontrast,  Aufhebung  des  Widerstreites,  endlich 
Cliarakteristisches  imd  zwar  als  Harmonie  von  Form  und  Wesen  und  als  Verkörperung 
einer  Idee.  Daraus  ergiebt  sich  folgende  Definition  des  Schönen:  „Schön  ist  dasjenige, 
dessen  Erscheinung  unsere  Sinne  durch  leichte  Auffassbarkeit  und,  wenn  sich  mit  der 
Erscheinung  ein  Intellekt  (z.  B.  eine  Idee)  verbindet,  durch  Uebereinstimmung  des  letz- 
teren mit  der  Erscheinung  auch  unser  Gefühl,  d.  i.  den  durch  den  Verlauf,  die  Förderung 
oder  Hemmung  unserer  Vorstellungen  erzeugten  Erregungszustand  der  Seele  befriedigt." 
Die  psychologische  Erklärung  der  einzelnen  Prinzipien  wird  nur  angedeiitet,  ist  aber 
nicht  vernachlässigt.  Das  Bestreben,  dem  Problem  des  Schönen  durch  Teilbeobachtungen 
näher  zu  kommen,  erscheint  gelungener  als  das  Gesamtresultat,  ''i-''^)  73-75)  —  Allgemeinere 


PhilosML.  27,  S.  161—82.  —  70)  J.  Krassnig,  D.  Prineipien  d.  Schönen.  Progr.  Nikolsburg,  Selbstverlag.  37  S.  — 
71)  XX  Pilo,  Saggi  sulla  psicologia  del  hello.  L'analisi  estetica:  Rivista  di  filosofla  scientifica.  Maiheft.  —  72)  XX 
K  V.  Wiehert.  D.  ewigen  Rätsel.  Popular-pliilos.  Vortrr.  geh.  im  litt.  Ver.  zu  Baden-Baden.  2.  Serie.  Halle  a/S.,  Pfeffei. 
128  S.    M.   1,50.    |[A.    Wernicke:   DLZ.     11,    S.    1517/8;   G.    Portig:    BLU.  S.    651/2.]|     -     73)    XX    »icardou,    IX 


28  1,3:  R.  M.  Werner,  Poetik  und  ihre  Geschichte. 

Wiclitigkeit  hat  der  Aufsatz  Erdmanns'^)  für  uns,  nicht  weil  erwogen  wird,  woher  es 
kommt,  dass  gewisse  Bewegungen  ästhetische  Lust  erwecken,  sondern  weil  bei  jeder 
Bewegung  ein  toter  Punkt  erkannt  wird,  bei  dem  sie  einen  Augenblick  Halt  macht  und 
eine  Stellung  (attitude)  bewirkt;  dieser  tote  Punkt,  Lessings  „fruchtbarer  Moment",  wird 
für  die  bildliche  Darstellung  bewegter  Körper  als  der  geeignetste  bezeichnet.  E.  meint, 
im  Aiischluss  an  die  Pauststelle:  „0,  dass  kein  Flügel  mich  vom  Boden  hebt....",  dass 
eine  Bewegixng  um  so  mehr  gefalle,  je  mehr  sie  im  Widerspruch  mit  dem  Gesetze  der 
Schwerkraft  zu  stehen  scheine.  Der  Rhythmus  wird  mit  dem  Herzschlag  in  Verbindung 
gebracht,  jeder  Person  soll  der  Rhythmus  ihres  Herzschlages  am  besten  gefallen. '''-''i)  — 
Mautner-Markhof  ^2)  sieht  jede  Bewusstseinsthätigkeit  von  einem  Lustgefühl  begleitet, 
das  er  ästhetisches  Gefallen  oder  ästhetische  Unterhaltung  nennt.  Die  Gewöhnung 
bestimmt  die  untere  Grenze,  die  überschritten  werden  muss,  um  ein  Lustgefühl  zu  er- 
regen; wird  die  obere  Grenze  tiberschritten,  so  stellt  sich  das  Gefühl  ästhetischer  Mühe 
ein.  Die  ästhetische  Unterhaltung  karui  durch  andere  Bewusstseinsthätigkeiteu  unter 
der  Schwebe  gehalten  werden.  M.  unterscheidet  entsprechend  den  vier  Hauptarten  der 
Bewusstseinsthätigkeit:  1.  produktives  und  assoziatives  Vorstellen,  2.  psychologisches 
(nicht  logisches)  Urteilen,  3.  Fühlen  und  4.  Wollen,  vier  Arten  ästhetischer  Unterhaltung: 
1.  bei  produktivem  und  assoziativem  Vorstellen,  er  nennt  sie  das  epische  Moment  der 
Kunst,  2.  beim  Urteilen,  das  dramatische  Moment  der  Kunst,  3.  beim  Fühlen,  das 
lyrische,  4.  beim  Wollen,  das  tendenziöse  Moment  der  Kunst.  Diese  Momente 
kommen  bei  allen  Künsten  in  verschiedener  Stärke  und  Ausdehnung  vor,  was  der  Vf. 
an  meist  gut  gewählten  Beispielen  entwickelt.  Im  wesentlichen  ist  seine  Betrachtung 
psychologisch,  der  Eindruck  des  Kunstwerks  auf  uns  wird  zum  Ausgangspunkte  ge- 
nommen, und  so  wird  der  Lihalt  eines  Kunstwerks  „als  die  Gesamtheit  der  Wirkung 
desselben  auf  das  Publikum"  definiert.  Die  Schrift  verdient  Beachtung.  Das  tendenziöse 
Moment  tritt  dem  satirischen  und  elegischen  oder  idyllischen  entgegen;  damit  berülirt 
M.  eine  bekannte  Unterscheidung  Schillers.  —  Mautner-Markhof  hat,  um  Missverständ- 
nissen zu  entgehen,  die  Ausdrücke  Schön  und  Hässlich  vermieden,  Kaberliu^^)  ver- 
wirft sie  völlig,  indem  er  gegen  die  Kant-Schillersche  Aesthetik  polemisiert;  er  meint. 
Schön  und  Hässlich  seien  nur  Gewöhnungen:  was  mir  als  neues,  noch  niemals  erfahrenes 
Gefülü  Unlust  erregt,  erscheine  mir  hässlicli,  während  es  bei  Gewöhnung  zum  Schönen 
werden  könne.  Das  Lustgefühl  ist  ihm  also  nur  eine  von  einem  äusseren  Reize  wach- 
gerufene Steigerung  des  Lebensgefühls,  das  schon  erfahren  worden  ist.  Die  Aesthetik 
soll  nicht  bloss  die  Gefühle  des  „Schönen"  berücksichtigen,  sondern  eine  Lehre  von 
den  Empfindungen  sein.  Hier  wird  also  laut  die  Forderung  erhoben,  die  Aesthetik 
müsse  Psychologie  sein.  — 

Alberti^^)  versucht  gegen  Lombroso  nachzuweisen,  Genie  und  Wahnsinnes) 
seien  keineswegs  so  mit  einander  verwandt^  dass  man  Genie  als  einen  krankhaften  Zu- 
stand des  Gehirns  ansehen  müsse;  im  Gegenteil  behauptet  er,  dass  Genie  der  Zustand 
höchster  Gesundheit  des  Gehirns  sei,  alle  oder  einige  Gehirncentren  eine  aufs  höchste 
entwickelt,  zeichnen  sich  durch  besonders  starke  Kraft  und  Gesundheit  aus.  So  erklärt 
er  die  wesentlichen  Eigentümliclikeiten  des  Genies:  es  verknüpft  die  Vorstelliuigen 
spielend,  fasst  die  äusseren  Eindrücke  leichter  und  schneller  und  verwandelt  sie  rascher 
in  Vorstellungen  als  die  andern  Menschen;  es  kann  mehr  Vorstellungen  zu  gleicher 
Zeit  beherbergen  und  verbindet  sie  rascher,  genauer;  das  Genie  braucht  nicht  so  viel 
Uebung,  um  zu  seiner  blitzartigen  und  dabei  vollkommen  präzisen  Gedankenverknüpfung 
oder  Umsetzung  einer  Willensvorstellung  in  mechanische  Ausführung  zu  gelangen. 
Sicherer  durchläuft  es  die  Reihen  verbundener  Vorstellungen  und  erzielt  daher  neue 
Verbindungen.  Ihm  offenbart  sich  sofort  das  Wesentliche  der  Einzelthatsachen,  das 
Gesetzmässige  der  Erscheinungen.  Darum  die  ungeheure  Leistungsfähigkeit  des  Genies, 
darum  aber  auch  die  Vernachlässigung  der  unbedeutenden  Aeusserlichkeiten.  Das  als 
richtig  Erkannte  wird  vom  Genie  zäh  verfolgt  und  verteidigt,  wozu  eine  besondere 
Gesundheit  der  moralischen  Centren  gehört.  Lombroso  habe  nicht  zwischen  angeborenem 
und  erworbenem  Wahnsinn  unterschieden  und  den  Thatsachen  Gewalt  angethan.  Aller- 
dings könne  das  Genie  dem  Wahnsinn  verfallen,  weil  es  geneigt  ist,  die  Aufnahms- 
fähigkeit des  Gehirns  zu  steigern,    was    bei  andauernder  Ueberfüllung  zu  Geliirnerkran- 


ridial.  ifetude  philosophique.  Tli^se.  Paris,  Alcan.  362  S.  —  74)  XX  ö.  Landsborg,  Untersuchungen  über  d.  Theorie  d. 
Ideale.  Dis».  Breslau.  57  8.  —  75)  X  K.  Erdmann,  Aesthctische  Begriffe :  Kunstw.  3,  S.  241/6;  315/7.  —  76)  id.,  Aesthetik 
d.  Bewegung:  ML  JA.  59,  S.  69—72.  (Im  Anschluss  an  d.  Werk  v  P.  Souriau,  L'esthötique  du  mouvement.  Paris, 
Alcan.  1889.  331  S.  Fr.  5,00.)  -  77)  X  H.  Marbach,  I).  Mysterium  d.  Kunst.  Gratulationsschr.  Leipzig,  Hirschfeld. 
M.  1.00.  |[BLU.  S.  399;  AZg".  N.  lll.]|  -  78)  X  K-  Erdmann,  1).  Eindruck  v.  Kunst  u.  Wirklichkeit:  «renzb.  49, 
N.  39.  -  79)  X  id.,  I).  Eindruck  v.  Kunst  u.  Wirklichkeit:  Kunstw.  4,  S.  20/2,  50/2.  —  80)  XX  K.  Lasswitz,  Natur. 
Sittlichkeit  u.  Kunst:    Nation".    N.  49—50.   —  81)  X  G.  Portig,   Idealismus  u.  Realismus:   Unsere  Zeit.     1,    S.  398—423.  — 

82)  O.  MautnerM-arkhof,  Diss.  Über  d.  Wesen  u.  d.  Arten  d.  ästhetischen  Unterhaltung.  Wien,  Selbstverlag.  99  S.  M.  1,60. — 

83)  Kaborlin,  Jenseils  v.  Schön  u.  Hasslich.  Einige  „unasthetischo"  Vorbetrachtungen  zu  e.  Aesthetik  d.  Zukunft:  MLJA. 
59,  S.  164/0,  180/1.  -  84)  C.  Alberti,  Z.  Psychologie  d.  üenics:  DcutschZg.  N.  CG89.  —  85)  X  A.  Kau,  Oenio  u.  Wahnsinn: 


1,3:  R.  M.  Werjner,  Poetik  und  ihre  Geschichte.  29 

klingen  füliren  kann.  Kämpfe  kommen  vielleicht  hinzu,  es  dem  Wahnsinn  in  die  Arme 
zu  treiben.  Den  kritisclien  Blick  des  Genies  nennt  A.  nicht  analytisch,  wie  bei  anderen 
Menschen,  soiidern  synthetisch,  nicht  zergliedernd,  sondern  umbauend.  —  Klein^ß)  er- 
wägt das  Verhältnis  von  Genie  und  Leidenschaft  und  unterscheidet  zwischen  Leiden- 
schaften und  leidenschaftlichem  Zustand;  diesen  sieht  er  im  Genie,  jene  werden  dem 
Genie  fehlen,  da  es  sonst  die  unparteiische  Objektivität  vermissen  Hesse.  —  Schmid- 
kunz^'?)  hat  es  unternommen,  die  Phantasie  als  analytische  und  synthetische  zu  scheiden 
und  jener  den  Vorzug  einziu:-äumen ;  von  den  Rezensenten  wxu'dö  diese  Unterscheidung 
aber  verworfen.  Heussler  erklärt  die  analytische  Phantasie,  wie  S.  sie  fasst,  für  Nonsens, 
Lipps  die  synthetische  gegebenenfalls  für  die  vollkommene  Stümperei  oder  für  gar  nichts; 
in  seiner  Erwiderung  nimmt  S.  freilich  eine  Stellung  ein,  dass  auch  nach  ihm  die  Scheidung 
unnötig  erscheint.  — 

Das  dichterische  Schaffen  steht  jetzt  im  Mittelpunkte  der  Forschung.    Wäh- 
rend Werner  (vgl.  N.  36)  sich  auf   das    lyrische  Schaffen  beschränkt,    versucht  Biese»«) 
ein  Hauptgesetz  jeder  poetischen  Thätigkeit    zu    erweisen:    das  Metaphorische.     Nach  B. 
beruht  die  dichterische  Produktion  wesentlich  auf  der  umbildenden  Kraft  der  Phantasie, 
auf  Verinnerlichung  der  Aussenwelt   und  auf  Verkörperung  der  Innenwelt,    deshalb    hält 
er  die  Metapher   für  das  sinnfälligste  Abbild  dieses  Prozesses    und    sieht    in    ihr    keinen 
Wortschmuck,    sondern  eine  notwendige  Porm  unserer  Anschauungsweise.     Dem    gegen- 
über bemerkt  Werner    in    seiner  Besprechung,    es    müsste    das  Metaphorische    und    die 
Metapher  auseinander  gehalten,    zudem  das  Konventionelle  jeder  Dichtersprache  beachtet 
werden.  — K.  Bruchmann89)  erblickt  gleichfalls  nicht  im  Metaphorischen  allein,  sondern 
in  der  Steigerung  des  Gefühls  oder  der  Wirklichkeit  das  Wesentliche  der  Poesie,  indem 
er  zugleich  Seitenblicke    auf  die  keineswegs    neue,    nur    stärker    betonte  Hauptforderung 
des  Realismus  wirft.  —  Nun  hat  im  Berichtsjahr  Biese^o)  das  Thema  weiter  behandelt, 
um  Fechners  Prinzip  der  Assoziation  mit  seinem  Prinzip  zusammenzufassen;  er  erweitert 
das  Metaphorische  zum  Anthropomorphismus,   zur  Fähigkeit  oder  Nötigung,    alles  ausser 
uns  Befindliche  zu  vermenschlichen,    „sei    es    in  Gestalt  oder  in  der  dem  Unbelebten  zu 
leihenden  Seele,    uns  mit  unserm  Empfinden  den  Erscheinungen    anzupassen  und    einzu- 
fühlen".   Dieser  Anthropomorphismus  ist  nach  B.  kein  Vergleich,  keine  Erinnerung,  keine 
Assoziation,    sondern  Anpassung,   Einfühlung;    nicht    durch  Assoziation,    sondern    durch 
Vertauschung  wird  der  freie  Schein  als  Thatsache    gesetzt.     Er    trennt    also    einmal    die 
Assoziation  als    „die  von  aussen  hinzuströmende  Erinnerung"  vom  Anthropomorphismus 
als  der  „ineinsverwebenden  Verschmelzung  von  Objekt   und  Subjekt"    und    erklärt    dann 
den  Anthropomorphismus  als  das  Primäre,    die  Assoziation    als    das  Sekundäre;    freilich 
muss  er  selbst  zugeben,    dass  beides  auch  begrifflich  „nur  schwer  und  nur  teilweise    zu 
scheiden  ist",    in  Wirklichkeit  sogar  immer  zusammenrinnt.     Vom  Objekte   geht    ein  ge- 
wisser Anreiz  zur  Seelenthätigkeit  aus,  durch  die  Assoziation  passen  wir  uns  den  Objekten 
an,  beim  Anthropomorphismus  fülilen  wir  uns  ihm  ein:   das  soll  das  Umfassendere  sein. 
B.  meint,  die  beiden  verhielten  sich  zu  einander  wie  Vergleich  und  Metapher:  die  Asso- 
ziation  ist  äusserlich  hinzukommend  wie  der  Vergleich  mit  seinem  „gleichwie",    „gleich- 
sam", der  Anthropomorphismus    ist  in  seiner  höchsten  Wirkung  Verschmelzung    wie  die 
Metapher,   ja  diese  wird  sein  sprachlicher  Ausdruck;    in  dem    einen  Falle  haben  wir  ein 
Nebeneinander,  im  anderen  ein  Ineinander.     Damit  ist  aber  sofort  der  Antliropomorphis- 
mus  zu  etwas  anderem  geworden,  und  das  zeigt  sich  besonders  bei  der  Betrachtung  der 
Tragödie;  nun  ist  der  Antliropomorphismus  eigentlich  der  Altruismus  oder  sympathische 
Egoismiis,    wir  verschmelzen    uns  mit  dem  Helden.     B.  bleibt    immer    befangen    in    dem 
Vorstellungskreise,    den    er  in  seinen  Werken  über  das  Naturgefühl    behandelt  hat,    und 
erweitert  die  Naturbeseelung  so  lange,    bis    eigentlich  von    ilir  nichts  mehr  übrig  bleibt. 
So  gerät  er  ins  Schwanken,    wenn   er  das  Kunstschöne    und  nicht  das  Naturschöne    be- 
handelt.    Aber  wie  er  hier  mit  der  Assoziation  ausreicht,    so    können  wir's    auch    sonst. 
In  dem  Ueberblick  „Der  Eindruck  des  Sternenhimmels  im  Spiegel  alter  und  neuer  Poesie" 
ist  B.  leider  mehr  aufzählend  als  untersuchend  vorgegangen,    sonst  wäre  die  Zusammen- 
stellung fruchtbarer  geworden.    —    Werner    hat    (vgl.   o.  N.  36)    den  Schneefall    als  Er- 
lebnis des  Dichters  mit  Beispielen  besprochen,  Plaumann^i)  behandelt  die  Lindenpoesie 
und  R.  Fuchs*^2^  ^q  Poesie  des  Meeres.  ö3-95)     Natlü-lich    soll    dadurch  Einblick    in    das 

AZgB.  N.  266.  —  86)  Oskar  Klein,  Genie  u.  Leidenschaft:  Kunstw.  4,  S.  49—50.  —  87)H.  Schmidkunz,  Analytische 
u.  synthetische  Phantasie.  Halle  a/S.,  Pfeffer.  1889.  VII,  103  S.  M.  1,90.  |  [H.  Heussler:  DLZ.  11,  S.  379— 80;  Schmi  d- 
kunz,  Erwiderung:  DLZ.  11,  S.  700;  Lipps:  PhilosMh.  27,  S.  174/5;  CLBl.  1891.  S.  907.]  |  -  88)  A.  Biese,  D.  Meta- 
phorische in  d.  dichterischen  Phantasie.  E.  Beitr.  z.  vgl.  Poetik.  Berlin,  Haack.  1889.  35  S.  M.  1,60.  |  [Werner:  ADA. 
16,  S.  302/3;  R.  M.  Meyer:  DLZ.  11,  S.  1123/4.]  |  —  89)  K.  Bruchmann,  Betrachtungen  über  den  Realismus  in  d.  Kunst: 
VossZg  S.  N.  18.  —  90)  A.  Biese,  D.  Assoziationsprincip  u.  d.  Anthropomorphismus  in  d.  Aesthetik.  Ein  Beitr.  z. 
Aesthetik  d.  Naturschönen.  Progr.  d.  Kieler  Gymn.  Leipzig,  Fock.  4".  34  S.  M.  2,00.  |[Harnack:  PrJbb.  65,  S.  597; 
Bertz:  BLU.  S.  524/5.]  |  —  91)  E.  Plaumann,  D.  deutsehe  Lindenpoesie.  Progr.  Danzig,  4".  47  S.  —  92)  Reinhold 
Fuchs,  D.  Meer  in  d.  deutschen  Dichtung:  HarabNachr".  N.  22/3.  —  93)  X  L.  Franke  1,  Entwickelungsgesch.  d.  poet. 
NaturgefUhls :  Gegenw.  37,  S.  312/5.  (Im  Anschluss  an  Biese,  D.  Entwickelung  d.  NaturgelTihls  im  Mittelalter  u.  in  d.  Neuzeit.) 
94)  X  A.  Biese,  D.  poet.  Naturbeseelung  b.  d.  Griechen:    ZVPsS.    20,    S.  245—60.     (Dazu  e.  kurze  Bemerkung  Bruchraanns.) 


30  1,3:  R.  M.  Werner,  Poetik  und  ilire  Geschichte. 

dichterische  SchaiFen  gewonnen  werden. —  Was  Biese^^^)  über  diesen  Gegenstand  vortrug, 
ist  nur  ein  Auszug  aus  seinen  früheren  Schriften  mit  Polemik  gegen  R.  M.  Meyer  inid 
Bruchmann. ^'')  —  In  höchst  belelirender  Weise  hat  Spielhageu^*^)  nachgewiesen,  was 
seiner  Ansicht  nach  an  Erlebnissen  zur  Bildung  seines  Romans  „Problematische  Naturen" 
beigetragen  hat,  dadurch  werden  wir  von  einem  Dichter  selbst  sehr  fördernd  in  seine 
Werkstätte  eingeführt.  — Auch  Graf  Seh ack^'-*)  beteiligt  sich  mit  Eifer  an  der  ästhetischen 
Erfassung  der  Poesie.  — 

Es  wurde  die  moderne  Psychophysik  auch  schon  auf  die  Kunst  angewendet. 
Vor  allem  sei  das  schöne  Buch  Valentins ^oo^  genannt,  von  dessen  einzelnen  Aufsätzen 
.  nur  wenige  für  uns  in  Betracht  kommen.  In  dem  ersten  „Tracht  imd  Mode"  entwickelt 
V.  sehr  ansprechend  den  Begriff  Geschmack.  Der  Ausdruck  ist  von  dem  einen 
Sinne  deshalb  auf  die  anderen  übertragen,  weil  bei  dem  Sinne  des  Schmeckens  fast  immer 
Eindrücke  auch  auf  andere  Sinne  eintreten,  während  z.  B.  beim  Gehör  und  Gesicht  reine 
Empfindungen  möglich  sind.  Darum  ist  der  Ausdruck  des  umfassenderen,  stärkeren 
Symbol  für  das  einfachere,  schwächere  geworden.  Wir  gebrauchen  ihn,  vim  die  bei  der 
Erfassung  einer  Reihe  sinnlicher  Eindrücke  unmittelbar  aus  der  Empfindung  entspringende 
Urteilsfähigkeit  zu  bezeichnen.  Eür  den  Geschmack  als  für  eine  Empfindung  können 
Verstandesbegriffe  nicht  der  Massstab  sein,  sondern  nur  Sinneseindrücke.  Nun  vermögen 
unsere  Sinne  niu*  eine  ziemlich  eng  umgrenzte  Reihe  von  Eindrücken  zu  einer  einheit- 
lichen Zusammenempfindung  zu  bringen.  Will  uns  der  Dichter  durch  den  Vers  ergötzen, 
dann  darf  er  die  Reihe  der  Versfüsse  nur  so  gross  machen,  dass  sie  uns  noch  eine 
einheitliche  Empfindung  geben  kann ;  ein  Vers  von  zwanzig  Jamben  würde  nicht  mehr  den 
Eindruck  einer  Einheit  geben.  Es  existiert  also  ein  Mass  für  den  Vers,  weil  es  eine 
Grenze  für  unser  Gehör  giebt,  eine  Reihe  sinnlicher  Eindrücke  noch  als  Einheit  zur 
Empfindung  kommen  zu  lassen.  Die  Fähigkeit,  dieses  Mass  unmittelbar  zu  empfinden, 
ist  der  Geschmack.  Wir  können  eine  Entwicklung  in  der  Hinsicht  sehen,  dass  wir 
unsere  Aufnahmefähigkeit  erweitem ;  aber  sie  wird  bestimmte  Grenzen  nur  bei  Virtuosen 
überschreiten;  deshalb  können  wir  von  einem  allgemeingiltigen  Geschmack  sprechen, 
der  nur  wegen  der  unter  gleichen  Verhältnissen  bei  einzelnen  Gruppen  sich  ausbildenden 
Durchschnittsaufnahmefahigkeit  gewisse  Modifikationen  erleidet,  so  dass  wir  von  einem 
Volksgeschmack,  dem  Geschmack  einer  Landschaft,  Stadt,  Gesellschaftsklasse,  Familie 
reden  dürfen.  Mit  der  fortschreitenden  Kultur  wächst  der  Durchschnitt :  im  Anfang  der 
Kulturentwicklung  ist  der  Geschmack  ungebildet,  d.  h.  die  Zahl  der  sinnlichen  Eindrücke, 
die  zu  einer  einheitlichen  Empfindung  verwertet  wei'den  kann,  ist  sehr  gering,  der  bil- 
dende Künstler  und  der  Dichter  überragen  schon  den  Durchschnitt,  sie  wenden  ihre 
Aufnahmefälligkeit  als  Durchschnitt  für  die  Gestaltung  ihrer  Werke  an  und  werden  des- 
halb von  ihren  Zeitgenossen  wenig  oder  gar  nicht  verstanden;  aber  die  folgenden  Ge- 
schlechter bilden  sich  an  diesen  Werken,  und  so  wird  der  Durchschnittsmassstab  des 
ganzen  Volkes  ein  grösserer.  Wieder  muss  der  Künstler  noch  gi'össere  Zumutungen 
stellen,  bis  das  höchste  Mass  der  Auffassungsfähigkeit  erreicht  ist.  Bei  weiterer 
Schöpfungskraft  des  Volkes  wird  es  wieder  zum  einfachen  Geschmack  zurückgreifen  usw. 
„So  bildet  sich  ein  einfacher  Geschmack,  der  nur  mit  wenig  Sinneseindrücken  arbeitet, 
ein  guter  Geschmack,  der  in  der  richtigen  Mitte  bleibt,  und  ein  verfeinerter,  überladener 
Geschmack,  welcher  die  Sinneseindrücke  in  einer  lästigen  Weise  häuft."  Dazu  kommen 
die  Uebergänge.  Geschmackvoll  nennen  wir  diejenige  Erscheinung,  die  uns  nur  eine 
solche  Zahl  von  sinnlichen  Eindrücken  zur  Zusammenfassung  unter  einer  einheitlichen 
Empfindung  zumutet,  wie  sie  unserer  Diu-chschnittsfähigkeit  entspricht.  Ist  somit  der 
Geschmack  etwas  Subjektives,  so  giebt  es  doch  objektive  Normen  nach  der  Natiu"  der 
Sache.  Wenn  V.  dies  auch  nur  für  die  Mode  entwickelt,  so  gilt  es  doch  ebenso  für  an- 
deres: 1.  Der  Geschmack  wird  verletzt,  wenn  die  Form  der  urspmnglichen  Idee  wider- 
spricht. 2.  Jede  Einzelheit  muss  in  Uebereinstimmxmg  mit  den  übrigen  stehen,  so  dass 
sie  die  einheitliche  Gesamtempfindung  nicht  störe.  3.  Die  Verzieioing  muss  diskret 
untergeordnet  sein,  sich  dem  Grundcharakter  anschmiegen,  nicht  aber  die  Hauptaufmerk- 
samkeit in  Anspruch  nehmen.  Nun  kommt  aber  noch  eine  Eigentümlichkeit  unserer 
Sinne  in  Betracht:  andauernde  Thätigkeit  ermüdet  sie;  die  Ermüdung  durch  Anspannung 
und  das  Bedürfnis  nach  Abspaimung  geht  sogar  so  weit,  dass  wir  diese  Abspaimung 
selbst  dann  suchen,  wenn  die  Anspannung  eine  an  und  für  sich  angenehme  ist,  und  dass 
wir  die  Anspannung  selbst  dann  empfinden,  wenn  das  sie  bewirkende  Mittel  an  und  für  sich 
diu-chaus  nichts  Angenehmes  hat;  die  Geschmacklosigkeit  kann  also  notwendig  werden. 

05)  X  id.,  D.  Genusg  am  Naturschönen.  NFPr.  N.  9247.  —  96)  id.,  Ueber4.  dichterische  Schaffen:  Kunstw.  4,  S.  52/3,  61a/2a.  — 
97)  X  K.  Spitteler,  Fleisa  u.  Eingebung.  Z.  Psychologie  d.  dichterisclion  Schaffens:  ib.  S.  113/5.  —  98)  Fr.  Spiel- 
hagen, Finder  u.  Erfinder.  Erinnerungen  a.  meinem  Leben.  2  Bde.  Leipzig,  Staackmann.  XII,  404  u.  XI,  447  S.  M.  10,00.  |  [A. 
Dresdner:  ML.  00,  83/5.]  |  (Vgl.  u.  IV,  1  N.  58.)  —  99)  A.  F.  Oraf  v.  Schack,  Pandora.  Vermischte  Schriften.  Stuttgart, 
Deutsche  Verlags-Anstalt.  491  S.  M.  6,00.  |[A.  Schroeter:  BLÜ  S.  149— 60.]|  (Besonders  in  Betracht  kommen  d. 
Aufsätze  „Weltlitteratur"  u.  „E.  Wort  Über  d.  Lyrik".)  —  109)  V.  Valentin,  Ueber  Kunst,  Kllnstler  u.  Kunstwerke.  Mit 
lllustr.    Frankfurt    a.  M.,    Litt.    Anstalt.     1889.    VIII,    328  S.    M.  7,50.     |[H.  J(anit8chek):    LCBl.  S.    191/2.] |  (.S.  3-27.)  — 


1,3:  R.  M,  Werner,  Poetik  und  ihre  Geschichte.  31 

V.  bleibt  zwar  in  den  selbstgesteckten  Grenzen  von  Tracht  und  Mode;  gerade  dadvurch 
aber  gewinnen  wir  Aufschluss  für  anderes  und  sehen  die  Fruchtbarkeit  der  induktiven 
Methode.  — 

Im  Zusammenhange  mit  diesem  Aufsatze  sei  der  allerliebsten  Studie  Lassons^oi) 
über  den  Begriff  „Stilvoll"  gedacht,  die  im  Tone  leichten  Geplauders  eniste  Gedanken 
vorträgt.  Er  besieht  zwei  Schlagwörter  der  voraufgegangenen  und  der  jetzigen  Epoche: 
geschmackvoll  tmd  stilvoll,  um  wichtige  Erkenntnisse  für  unsere  Kunst  überhaupt  vor- 
zutragen. Er  unterscheidet  drei  Stufen  der  Entwicklung,  die  wir  alle  mit  Stili"^)  be- 
zeichnen :  1.  das  Emfache,  Abstrakte,  von  leicht  erfassbarer,  übersichtlicher  Vollkommen- 
heit, Stil  als  einfaches  Formgesetz  unter  der  überwiegenden  Macht  des  Gegenstandes; 
2.  der  Reichtum  einer  sich  bis  zum  Gegensatze  gegen  die  gestellte  Macht  des  Gegen- 
standes steigernde  Innerlichkeit,  die  sich  den  Gegenstand  zu  unterwerfen  und  mit  ihm 
nach  Willkür  zu  schalten  strebt;  3.  das  höchste,  wo  die  streitenden  Potenzen  zu  fried- 
lichem Ausgleich  gelangt  sind,  wo  die  am  reichsten  entfaltete  Subjektivität  in  der  Hin- 
gabe an  das  innere  Wesen  und  die  eigene  Bedeutung  der  Sache,  deren  tiefste  Tiefen 
sie  zu  offenbaren  wagen  darf,  den  höchsten  Grad  von  Allgemeingiltigkeit  und  Verständ- 
liclikeit  erreicht  hat  und  sich  zur  Erscheinung  bringt,  indem  sie  dem  Gegenstande  sein 
volles  Hecht  erweist.  Also  hoher,  charakteristischer  und  beides  zusammenfassender  Stil, 
oder  mit  Dichternamen  bezeichnet  Racine,  Shakespeare  und  Goethe.  L.  berührt  sich 
mit  Goethe,  der  Manier,  einfache  Nachahmung  der  Natur  und  Stil,  oder  Scherer,  der 
Idealismus,  Naturalismus  und  stilvollen  Realismus  unterschied.  Aber  L.  verwirft  den 
Gegensatz  von  Realismus  und  Idealismu.s,  in  denen  er  nvir  zwei  Arten  des  Stils 
sieht,  damit  folglich  zwei  Arten  des  Idealisierens ,  wenn  man  Idealisieren  das 
Herausheben  des  Bleibenden,  Wesentlichen,  AUgemeingiltigen  an  der  Erscheinung 
nennt;  beide  schliessen  sich  nicht  aus,  es  kommt  nur  auf  verscliiedene  Arten 
der  Auffassung  mid  Formgebung  an.  Der  Realismus  ist  diejenige  Pormbildung, 
die  der  subjektiven  Auffassung  folgt,  Idealismus  diejenige,  die  vorwiegend  dem 
Gegenstande  seine  eigenen  inneren  Gesetze  abzulauschen  trachtet.  Was  man  „Naturalis- 
mus" nennt,  erklärt  L.  nur  für  eine  bis  ins  Zügellose  gesteigerte  Abart  des  sogenannten 
realistischen  Stils,  eigenthch  für  Stillosigkeit.  Er  entwickelt  dann,  warum  gerade  un- 
serer Zeit  ein  Realismus  von  reflektierter,  absichtlich  grundsätzlicher  Art  eigen  sei,  den 
wir  eben  stilvoll  nennen,  ein  überraschendes  Können,  ein  packendes  Wagen,  das  noch 
einmal  das  Geschmackvolle  mit  dem  Stilvollen  wird  vereinigen  können.  So  schliesst 
der  Aufsatz  mit  einem  tröstlichen  Ausblicke;  sein  allgemeiner  Inhalt  verdient  Beachtung; 
in  ruhiger  eleganter  Weise  werden  die  Ersclieinimgen  auf  das  Wesentliche  zurückgeführt, 
und  so  wird  auf  verhältnismässig  kleinem  Räume  induktiv  ein  wichtiges  Kapitel  der 
Aesthetik  behandelt.  — 

Ueber  die  Dichtung  handelt  Grottewitz^oa)^  um  den  Ausdruck  „Allgemein- 
Menschliches"  als  holile  Phrase  zurückzuweisen.  Gerade  das  Allgemein-Menschliche, 
das  nämlich,  was  allen  Menschen  gemein  ist,  lasse  keine  poetische  Verwendung  zu, 
sondern  niu-  das  Individuelle,  also  nicht  die  allgemeinen  körperlichen  Punktionen,  sondern 
nur  solche  unter  besonderen  Umständen,  nicht  die  Liebe  schlechthin,  sondern  eine  be- 
sondere Liebe.  Auch  Homer  und  Shakespeare  seien  nicht  anders  vorgegangen,  hätten 
nicht  das  Allgemein-MenschHche  dargestellt,  und  wenn  Homer  heute  noch  gefällt,  so 
habe  das  seinen  Grmid  nur  darin,  dass  er  eben  seit  der  Renaissance  die  Grundlage 
miserer  deutschen  Bildung  ist;  Shakespeare  aber  gefalle  erst  seit  dem  Ende  des  vorigen 
Jahrhunderts  den  Germanen,  dagegen  z.  B.  nicht  den  Romanen.  Er  hofft,  wir  würden 
bald  die  Renaissance  überwunden  haben,  dann  würden  uns  Homer,  Sophokles,  Euripides 
veraltet  erscheinen,  weil  wir  eben  in  imserer  Entwicklung  weiter  sein  und  Dichter 
haben  würden,  die  nicht  das  Allgemein-MenschUche  schaffen  werden,  sondern  das,  was 
den  Besten  unserer  Zeit  als  das  Erstrebenswerte,  Hohe,  Schöne  erscheine.  „Es  kommt 
eben  einfach  darauf  an,  dass  ein  Dichter  die  Dinge,  Menschen  und  Welt  unter  dem 
Gesichtspunkte  seiner  Zeitideale  ansehe  und  für  seine  Zeitgenossen  das  Höchste  zu 
leisten  suche."  —  Ganz  im  Gegensatz  zu  dieser  Verwerfung  des  antücen  Einflusses  redet 
Herzog  104)  ihm  das  Wort  und  sieht  in  der  typenbildenden  Kraft  das  Zeichen  echten 
Genies,  das  er  bei  Goethe  und  den  Griechen  findet,  wie  auch  Stil  und  die  Gabe,  die 
Bedürfnisse  des  Lebens  künstlerisch  zu  gestalten. los-ios)  _  in  Bezug  auf  die  alle- 
gorische Darstellungsart  will  Valentinio«)  nachweisen,  dass  sie  ebenso  berechtigt  sei 
wie  die  anderen  Arten  der  Darstellving,  vorausgesetzt,  dass  sie  der  Grundbedingung  der 
Kmist  entspricht,   eine  ästhetische  Kunstschöpfung  zu    sein,    d.  h.    durch  die  Art  ihi-er 


101)  A.  Lasson,  Stilvoll:  PrJbb.  66,  S.  315-44.  -  102)  X  F-  Offermann,  Was  ist  „Stil"?:  öartenl.  N.  12.  —  103)  K. 
Grottewitz,  D.  „AUgemein-Menscbliclie"  in  d.  Dichtung:  MLJA.  59,  S.  607/8.  —  104)  A.  Herzog,  Antik  u.  modern: 
Nation».  7,  S.  533/5.  —  105)  X  A.  Biese,  In  Sachen:  „Antik  u.  modern":  Kiinstw.  3,  S.  332/3.  (Im  Anschluss  an  A.  Herzog, 
s.  o.  N.  104.)  —  106)  X  R-  Maschke,  D.  Antike  in  d.  Gegenwart:  Unsere  Zeit.  2,  S.  110—34.  —  107)  X  B-  Raab.  Was 
ist  klassisch?  Plaudereien.    1.   Plauderei:    ZDS.  4.    —    108)  X  C.    Spitteler,    Dichter   u.   Pharisäer:   Kunstw.    3,    S.  113/6. 


32  1,3:  R.  M.  Werner,  Poetik  und  ihre  Greschichte. 

Darstellung  eine  Teilnahme  zu  erwecken,  die  über  die  Teilnahme  an  dem  Gegenstande 
der  Darstellung  hinausgeht.  Wie  liegt  nun  die  Sache  bei  der  allegorischen  Dar- 
stellungsart? Das  wesentliche  Merkmal  jeder  Kunstschöpfung  ist  die  Bildlichkeit: 
der  Stoff  als  Mittel  der  Darstellung  erhält  eine  Bedeutung,  die  ihm  seiner  Natur  nach 
nicht  zukommt,  das  ist  Bildlichkeit.  Mit  dieser  Umgestaltung  des  Stoffes,  um  die  Be- 
deutung unseren  Simien  bemerkbar  zu  machen,  ist  eine  Form  verbunden,  die  Trägerin 
der  dem  Stoffe  selbst  fremden  Bedeutung.  Nennen  wir  die  dm-ch  Umgestaltung  eines 
Stoffes  hervorgebrachte,  den  Hinweis  auf  eine  Bedeutung  bezweckende  Form  das  Bild, 
den  Gegenstand  aber,  auf  welchen  die  Form  als  auf  ihre  Bedeutung  hinweist,  das 
Vorbild,  so  ergeben  sich  drei  mögliche  Verhältnisse  zwischen  Bild  und  Vorbild. 
Dabei  bleibt  V.  nur  im  Körperlichen:  1.  Bild,  dem  Vorbild  körperlich  ähnlich;  2.  Bild, 
eine  körperliche  Aehnlichkeit  nur  andeutend;  3.  Bild,  auf  körperliche  Aehnlichkeit 
verzichtend.  V.  bezeichnet  diese  drei  Möglichkeiten  als  Ebenbild,  Nachbild  und  Neiibild. 
Beim  Ebenbild  ist  die  sinnlich  wahrnehmbare  individuelle  Existenz  des  Vorbildes 
vorausgesetzt;  beim  Nachbild  wird  zwar  die  Existenz  auch  vorausgesetzt,  aber  entweder 
nicht  sinnlich  wahrnehmbar  oder  einer  ebenbildlichen  Wiedergabe  entzogen;  beim 
Neubild  bleibt  es  gleichgiltig,  ob  das  Vorbild  eine  wirkliche  oder  nur  gedachte 
Existenz  hat.  Von  diesen  drei  Darstellungsarten  zeigt  die  erste  die  Wirklichkeit  in 
körperlicher  Uebereinstimmung,  die  zweite  in  gleichartig-körperlicher  Andeutung,  die 
dritte  in  fremd-körperlicher  Andeutung,  z.  B.  eine  weibliche  Gestalt  als  Eva,  Venus, 
Schönheit.  Danach  unterscheidet  V.  drei  Arten  der  Kunst:  die  erzählende,  die  andeu- 
tende und  die  umdeutende,  oder:  die  historische,  die  symbolische  und  die  allegorische, 
alle  diese  Ausdrücke  im  weitesten  (historisch)  oder  ursprünglichsten  (symbolisch,  alle- 
gorisch) Sinne  verstanden.  Das  Bild  muss  deutlich  sein,  das  wird  bei  der  historischen 
Kunst  durch  Aehnlichkeit,  bei  der  symbolischen  durch  Gleichartigkeit,  bei  der  alle- 
gorischen durch  Hilfsmittel,  Merkmale  oder  Attribute  erreicht.  Es  giebt  auch  historische 
und  symbolische  Attribute ;  die  Gesetzestafeln  in  der  Hand  Moses'  sind  ein  historisches,  die 
Arche  in  der  Hand  Noahs  ein  symbolisches,  die  Palme  in  der  Hand  des  Märtyrers  ein 
allegorisches  Attribut.  Die  Attribute  werden  ohne  Unterschied  nach  Bedarf  verwendet 
und  können  so  verwendet  werden  wegen  des  ihnen  gemeinschaftlichen  Charakters  der 
Bildlichkeit.  Es  giebt  keinen  einheitlichen  Zweck  der  Kunst,  die  Zwecke  sind  je  nach 
der  Entwicklung  der  Menschheit  verscliieden.  Ursprünglich  sucht  sie  Ersatz  für  die 
Wirklichkeit  zu  geben,  dann  aber  sucht  sie  etwas  Neues  in  der  Art  der  Gestaltung  zu 
bieten,  sie  wird  ästhetisch.  Das  wichtigste  Kunstmittel,  eine  Kunstschöpfung  zu  einer 
ästhetischen  zu  machen,  ist  das  Streben,  in  der  Mannigfaltigkeit  die  Einheit  zu  zeigen, 
die  einzelnen  Sinneseindrücke  in  eine  Einheit  zusammenzufassen.  „Eine  ästhetische 
Kunstschöpfung  ist  eine  auf  dem  Gebiete  der  Sinne  erreichte  relative  Lösung  des  meta- 
physischen Rätsels  in  Betreff  des  Zusammenhanges  der  Dinge."  Vor  allem  wird  dies 
erreicht  durch  ein  Unterwerfen  unter  ein  in  der  Form  klar  erkennbares  Gesetz,  was  man 
„stilisieren"  nennt,  dann  aber  durch  die  Kraft  des  zum  Ausdrucke  gelangenden  geistigen 
Lebens  und  Wollens.  Die  Kunst  wirkt  auf  die  Sinne  bezüglich  auf  die  Nerven,  die  aber 
nicht  zu  allen  Zeiten  und  auf  allen  Stufen  menschlicher  Entwicklung  von  gleicher  Lei- 
stungsfähigkeit sind.  Die  Wirkung  auf  die  Sinne  darf  aber  nur  ein  Mittel,  nicht  ein 
Zweck  sein.  Die  Gefahr  der  historischen  Kunst  ist  das  Ueberwiegen  des  Individuellen, 
die  Vernachlässigung  des  Gesetzmässigen,  die  Gefahr  der  allegorischen  Kunst  ist  das 
Ueberwiegen  des  Allgemeinen,  die  Vernachlässigung  des  unerlässlichen  Lidividuellen.  Die 
allegorische  Kunst  „wird  daher  erst  da  zur  ästhetischen  werden,  wo  sie  durch  individuelle 
Auffassung  der  bildlichen  Darstellung  neben  Bewahrung  der  typischen  Allgemeingiltigkeit 
eine  Teilnahme  für  die  Besonderheit  der  Auffassung  und  die  Art  der  Gestaltung  der  Kunst- 
schöpfung zu  erwecken  weiss".  Bei  der  historischen  und  symbolischen  verleiht  die  Kraft 
des  durch  den  Künstler  geschaffenen  Typus  seiner  Schöpfung  die  Weihe  der  ästhetischen 
Kunst,  bei  der  allegorischen  der  Reiz  der  Lidividualität.  Darum  missglücken  so  leicht 
Werke  der  allegorischen  Kunst;  so  lange  diese  jedoch  den  Charakter  der  Bildlichkeit 
bewalirt,  widerspricht  sie  dem  Wesen  der  Kunst  nicht.  Dies  legt  V.  an  einer  Reihe 
von  Werken  nicht  ohne  Spitzfindigkeit  dar.  Muss  man  gegen  ihn  auch  einwenden,  dass 
er  dem  Ausdruck  Allegorie  viel  weiter  braucht,  als  üblich  ist,  so  wird  man  seinem 
Resultate  doch  in  der  Hauptsache  zustimmen  müssen.  —  Einzelne  Gedanken  dieses  Auf- 
satzes führt  eine  andere  Studie '^'')  „Lebende  Bilder"  weiter,  worin  sehr  glücklich  das 
lebende  Bild  dazu  benutzt  wird,  gleichsam  die  Probe  der  Kunst  durch  Umsetzung  des 
Bildes  in  Natiu*  zu  machen.  Wieder  werden  auf  induktivem  Wege  geschickt  und  über- 
zeugend einige  wesentliche  Resultate  gewoinien,  bezüglich  die  im  Kiuistwerk  erscheinende 
Gesetzmässigkeit  des  näheren  erläutert.  Vor  allem  zeigt  sich  die  Nötigung  klar,  dass 
die  Wirkliclikeit  von  allem  Zufälligen  befreit,    zugleich    aber  die  in  der  natürlichen  Er- 


(L»unige  Schilderung  d.  „Alexandriner"  aller  Zeiten.)  —  109)  S.  o.  N.  100,  S.  28-00.  -  110)  ib.  S.  61-76.  -  III)  ib.  .S.  105-13.  - 


1,3:  U.  M.  Werner,  Poetik  itiid  ihre  Geschichte.  Bä 

scheinung  der  gebotenen,  der  gestaltenden  Gesetzmässigkeit  entsprechenden  Keime  ent- 
faltet werden.  — 

Wichtig  für  uns  ist  ferner  in  dem  Valentinschen"i)  Aufsatze  „Die  Tragik  in 
Werken  hellenischer  Plastik"  der  zweite  Abschnitt,  weil  er  sich  mit  dem  Begi-iffe  des 
Tragischen  beschäftigt.  V.  geht  aus  von  „der  nicht  allzu  leicht  verständHchen  und 
doch  thatsächlichen  Freude  am  Schmerz".  Der  ursprünghchste  Schmerz,  der  körperliche, 
hat  gewiss  nichts  Erfreuliches,  umsomehr  aber  seui  Aufhören,  da  erst  nach  einem  voraus- 
gegangenen Schmerze  die  Schmerzlosigkeit  als  positive  Empfindung  eines  Wonnegefühls 
zum  Bewusstsein  kommt;  das  Wonnegefühl  verschwindet,  sobald  der  Zustand  der 
Schmerzlosigkeit  ein  dauernder  wird;  wir  stehen  dann  wieder  gleichsam  auf  dem  Null- 
punkte der  Empfindungslosigkeit,  der  sich  dauernd  schwer  ertragen  lässt.  Der  Wunsch, 
diesen  Zustand  zu  unterbrechen,  geht  natürlich  auf  ein  Wohlgefühl.  Dieses  tritt  ein 
bei  einer  Steigerung  der  Empfindung;  geht  diese  vom  Nullpunkte  aufwärts,  so  ist  schliess- 
lich ein  Ziirücksinken  auf  den  ursprünglichen  Stand  unvermeidlich,  jeder  Steigerung 
folgt  eine  Ermattung.  Geschieht  die  Steigerung  aber  von  einem  Pmikte  unterhalb  des 
Nullpunktes,  so  ist  schon  das  Erreichen  des  ursprünglichen  Zustandes  mit  einem  Wonne- 
gefühl, aber  ohne  Ermattung  verbunden,  es  bleibt  sogar  das  Gefühl  der  Erhöhung,  also 
ein  positives  Wonnegefühl.  Es  ist  also  zur' Durchbrechung  der  Empfindungslosigkeit 
auch  das  Erregen  eines  vorübergehenden  Schmerzgefühles  dienlich,  nach  dessen  Auf- 
hören keine  Ermattung  eintritt.  Dieses  Mittels  bedienen  wir  uns  sogar,  um  uns  zeit- 
weilig über  einen  Schmerz  hinwegzutäuschen,  wir  erregen  einen  momentanen  heftigeren 
Schmerz,  dessen  Nachlassen  uns  ein  Wonnegefühl  bereitet,  infolge  dessen  der  ursprüng- 
liche Schmerz  kurze  Zeit  nicht  empfunden  wird.  Diese  Betrachtung  stimmt  mit  Werners 
BeobachtungCTi  (ADA.  15,  S.  278)  überein.  Was  vom  körperlichen  Schmerz  gilt,  das 
können  wir  auch  für  das  Psychische  annehmen.  Es  tritt  z.  B.  statt  der  Schmerz- 
erregung  am  eigenen  Körper  eine  solche  an  einem  fremden  ein;  sie  muss  natürlich  eine 
sehr  starke  sein,  damit  Nachempfinden  des  Schmerzgefühls  bei  ims  sich  einstellt.  Erst 
wenn  sie  so  stark  ist,  dass  eine  Durchschauerung  unseres  Körpers  eintritt,  wird  ein 
schliessliches  Wohlgefühl  sich  bei  uns  bemerkbar  machen;  der  Indianer  jubelt  erst,  wenn 
das  gemarterte  Opfer  zu  wimmern  oder  zu  schreien  beginnt.  Der  nächste  Schritt  ist 
dann  die  Ersetzung  des  wirklich  leidenden  Objektes  durch  ein  Bild,  und  damit  gelangen 
wir  zur  ästhetischen  Betrachtungsweise.  Dann  ist  die  Ereude  am  Schmerze  keine  reale 
mehr,  sondern  sine  ästhetische;  Schmerzerzeugung  und  Schmerznachempfindung  finden 
nur  auf  dem  Gebiete  der  Vorstellung  statt.  Unsere  Vorstellungsfähigkeit  kann  auch 
durch  das  Wort  erregt  werden,  auch  hier  ist  die  Vorstellung  des  körperlichen  Schmerzes 
das  erste,  des  seelischen  das  nächste.  Dem  vorgestellten  seelischen,  von  körperlichen 
Gebrechen  unberührten  Leiden  schreiben  wir  die  reinste  Wirkung  zu,  es  dient  zur 
Schmerzerregung  und  durch  Befreiiuig  davon  zur  Erregung  eines  Wohlgefühls.  Tief 
wird  es  uns  ergreifen,  wenn  wir  für  die  Persönlichkeit,  in  welcher  es  gedacht  wird, 
Sympathien  haben,  den  höchsten  Grad  erreicht  es,  wenn  es  zvigleich  die  Folge  von 
Situationen  und  Handlungen  ist,  die  wir  auch  um  ihrer  selbst  willen  als  berechtigt  an- 
erkennen müssen.  Aber  Entsetzen  oder  beim  Aufhören  doch  zurückbleibende  Bitterkeit 
würden  die  Wirkung  beeinträchtigen,  wenn  nicht  auch  die  Ursache  des  Leidens  an  und 
für  sich  gleichfalls  berechtigt  erschiene.  Dadurch  bekommt  das  schmerzliche  Leiden 
Notwendigkeit  und  Begründung.  Tragisch  nennen  wir  nun  jene  Empfindimg,  welche  in 
uns  durch  ein  vorgestelltes  seelisches  Leiden  erweckt  wird,  das  bei  an  und  für  sich  be- 
rechtigtem Handeln  durch  ein  anderes,  an  und  für  sich  gleichfalls  berechtigtes  Handeln 
entsteht;  dann  ist  das  Leiden  kein  zufälliges,  widersinniges  mehr,  sondern  auf  allgemeine 
Verhältnisse  zurückgefülu-t,  und  erlangt  dadurch  typische  Bedeutung.  Die  sich  aus- 
lebende berechtigte  Individualität  gerät  mit  anderen  ebenso  berechtigten  Individualitäten 
in  Konflikt,  der  sich  bei  wesentlichen  Fragen  zu  einem  Zusammenstoss  auf  Leben  und 
Tod  steigert  und  in  uns,  sobald  wir  eine  Berechtigung  beiderseits  anerkennen,  tragische 
Empfindung  wachruft.  Jener  Teil  muss  siegen,  der  in  seiner  Individualität  ausser  seinem 
persönlichen  Recht  ein  allgemeingiltiges,  die  Fortexistenz  eines  allgemeinen  zu  Recht 
bestehenden  Zustandes  bedingendes  Recht  vertritt.  Dieses  Moment  wirkt  bei  dem  Unter- 
gange als  schmerzbefreiend  mit.  Die  Gestalt  der  Allgemeingiltigkeit  ist  mannigfaltig, 
für  die  Griechen  das  Fatum,  das  wir  nicht  mehr  gern  als  ästhetisches  Motiv  gelten 
lassen;  für  uns  muss  es  sich  gleichsam  verkörpern  als  staatliches  Allgemeinwohl,  als 
herrschende  Sitte  und  Anschauimgsweise.  Das  Einzelschicksal  mündet  beim  Untergang 
im  Gesamtschicksal  und  das  giebt  das  Versöluiende  des  tragischen  Konfliktes.  Die  ab- 
sichtlich erregte  Schmerzempfindung  hat  die  beabsichtigte  Folge:  das  bei  Befreiung  vom 
Schmerz  eintretende  Wohlgefühl.  V.  sieht  das  Wesen  der  Tragik  nicht  in  der  Schuld 
des  handelnden  Individuums,  sondern  in  der  Berechtigung  zum  Handeln ;  eine  Schuld  ist 
nur  insofern  vorhanden,  als  die  zur  Tragik  führende  Handlung  über  die  Grenze  hinaus- 
geht, welche  vermittelnde  Klugkeit,  Kompromiss  suchende  Mässigung  vorschreibt.  Diese 
IBL.    I.  3 


34  1,3:  M.  R.  Werner,  Poetik  und  ihre  Geschichte. 

Grenze  vennag  aber  der  scharf  ausgeprägte  Charakter  der  Individualität  nicht  einzuhalten ; 
das  Ueberschreiten  dieser  Grenze  muss  im  Charakter  berechtigt  sein  und  zwar  in  einer 
Seite  seines  Charakters,  die  an  inid  für  sich  zu  billigen  oder  doch  nicht  zu  verwerfen 
erscheint,  sonst  wird  die  Schuld  ziun  Verbrechen  und  alle  Tragik  hört  auf.  V.  verwirft 
also  den  verwirrenden  Ausdruck  „tragische  Schuld",  die  Tragödie  ist  keine  Kriniinal- 
justiz,  das  Leiden  steht  nicht  im  Verliältnis  zur  Grösse  des  LJeberschreitens  der  durch 
Sitte,  Herkommen,  Klugheit,  Gesetz  gegebenen  Grenze,  nicht  im  Verhältnis  zur  Grösse 
des  gethanen  Uni-echts,  ist  also  nicht  eine  Strafe.  Das  richtige  Verhältnis  von  Ueber- 
schreitinig  und  Strafe  befriedigt  unsern  Verstand,  aber  von  einer  ästhetischen  Empfindung, 
besonders  von  einer  tragischen,  ist  nicht  mehr  die  Rede.  Abspannung,  nicht  Wohl- 
geftthl  ist  tlie  unaiisbleibliche  Schlussempfindung.  V.  sieht  also  verschiedene  Stufen  der 
IVeude  am  Schmerz  oder  richtiger  an  der  durch  willkürliche  Schmerzherbeiführung  und 
seiner  Wiederentfernung  erreichten  Befreiung  vom  Schmerz;  sie  befassen  die  Reihe  von 
einer  rein  körperlichen  zu  einer  rein  seelischen  Empfindung  bis  zur  höchsten  Tragik. 
An  den  pergamenischen  Statuen  werden  dann  im  weiteren  Verlaufe  des  Aufsatzes  diese 
Stufen  aufgezeigt,  ich  verweise  nur  auf  die  Betrachtung  des  farnesischen  Stiers 
wegen  der  „Grenzen  zwischen  Malerei  und  Poesie"  und  auf  die  Analyse  der  Laokoon- 
gruppe.  — 

Otto  Ernst  i'2-ii3j  fasst  den  Begriff  des  Tendenziösen  weiter  als  Mautner- 
Markhof  (vgl.  N.  82),  indem  er  schon  darin  Tendenz  erkennt,  dass  der  Dichter  sein  Ich 
mit  freudiger  Energie  in  die  Oeffentlichkeit  hinausträgt.  Er  meint  damit  aber  kein  Ueber- 
treiben  der  Tendenz,  kein  tendenziöses  Entstellen;  schon  aus  der  Individualität  des 
Dichters  folgert  er,  dass  jeder  Dichter  tendenziös  sein  müsse,  ohne  dabei  kleinlicher 
Parteilichkeit  zu  verfallen.  Es  komme  nur  auf  die  Wahrheit  an,  d.  h.  die  künstlerische, 
dann  empfinden  wir  die  volle  Wirkung  eines  Werkes  mit  Tendenz.  —  Ernstii^)  unter- 
scheidet zwischen  realer  und  poetischer  W^ahrheit;  jene  ist  in  der  Litteratur  unmöglich, 
denn  selbst  wenn  nur  Autobiogi'aphien  geschrieben  würden,  müssten  doch  die  Be- 
ziehungen zu  anderen  erscheinen;  da  aber  diese  niemand  so  kenne  wie  sich  selbst,  so 
bekämen  wir  aiich  dann  Wahrheit  und  Dichtung.  Keine  Handlung  und  Begebenheit  da- 
gegen, die  den  Natixrgesetzen  nach  möglich  ist,  darf  an  sich  als  poetisch  unwahr  be- 
zeichnet werden,  und  dies  gilt  auch  von  den  Charakteren.  Poetische  Wahi'heit  besteht 
ihm  in  der  psychischen  Widerspruchslosigkeit  in  den  Beziehungen  von  Dingen  und  Ge- 
schehnissen, ist  also  mir  Wahrheit  einer  Möglichkeit,  keiner  Gewissheit.  Psychische 
Widerspruchslosigkeit  beruht  auf  der  naturgemässen  Verknüpfung  von  Ursache  und 
Wirkung  im  Seelenleben;  das  poetische  Erzeugnis  muss  also  seelisch  gewachsen  sein.  — 
Das  Wesen  des  Feuilletons  möchte  Lemmermayerii^)  näher  bestimmen,  indem  er  es  am 
Leitartikel  misst;  aber  er  kommt  nicht  zu  einer  Definition,  sondern  zu  einer  Beschreibung 
dieser  modernen  Gattung.  Nicht  so  sehr  der  Inhalt,  als  die  Porm  verleihe  dem  Peuilleton 
sein  eigentümliches  Gepräge,  die  subjektive  Stimmung  sei  ihm  eigen,  darum  übe  Goethe 
grösseren  Einfluss  darauf,  während  das  Pathos,  der  Ernst  Schillers  dem  Leitartikel  eigne; 
nicht  alles,  was  im  Peviilleton  einer  Zeitung  erscheine,  sei  ein  wirkliches  Peuilleton.  — 
Auch  in  seinen  Aphorismen:  „Aus  dem  Tagebuch  eines  Einsamen"  behandelt  Lemmer- 
mayerii**)  „Kunst  und  Philosophie"  und  streift  mancherlei  Prägen  der  Aesthetik  und 
Poetik  freilich  nur  leicht  andeutend,  aber  tief  durchdacht.  — 

Auch  auf  AlbrechtsU'')  weitangelegtes  Werk  muss  in  der  Poetik  geachtet 
werden,  weil  hier  reiches  Induktionsmaterial  für  vergleichende  Forschung  niedergelegt 
ist.  Die  Poetik  muss  es  sich  zu  eigen  machen,  wenn  sie  auch  zu  gerade  entgegeii- 
gesetzten  Resultaten  als  A.  kommen  wird.  Besonders  fiu-  die  Präge,  wie  weit  oder 
wie  eng  der  Begriff  „Plagiat"  zu  fassen  sei,  bietet  das  Werk  unschätzbar  reiches  Ma- 
terial, und  deshalb  war  es  hier  zu  nennen.  — 

Der  Naturalismus.  Es  ist  noch  nicht  möglich,  einen  Ueberblick  über  die  Auf- 
sätze zu  gewinnen,  die  während  des  Berichtsjahres  dem  Gegenstande  gewidmet  wurden.  Von 
allen  Seiten  sucht  man  ihn  zu  erfassen,  ästhetisch  und  historisch  zu  verstehen,  ihn  zu  be- 
kämpfen oder  zu  verteidigen,  schliesslich  auch  auf  seine  Bedeutung  für  die  Zukunft  zu 
prüfen.  Wenn  es  gelingen  soll,  sich  in  dem  Wirrsal  nicht  ganz  zu  verlieren,  muss  auch 
hier  eine  gewisse  (Jrdinnig  eingehalten  werden,  während  jene  Besprechungen  einfach  bei 
Seite  zu  schieben  sind,  die  den  einzelnen  Werken  des  NaturaUsmus  gelten,  sofern  sie 
nicht    vorwiegend    das    Ganze    ins    Auge    fassen.    —    Volkelt'*'*)    beschäftigt    sich    vor- 


Itt)  Otto  Ernst,  D.  Scheu  vor  d.  Tendenzdichtung':  MLJA.  59,  S.  421/4  u.  436/8.  —  113)  XX  "d.,  Offenes  Visier!  Ges.  Essays 
aus  Literatur,  Pädagogik  n.  nffentlichein  Leben.  Hamburg,  Kloss.  VIII,  280  S.  M.  2,50.  IfKertz:  BLU.  S.  155.]|  —  114)  id.,  Was 
int  iioefiKche  Wahrbeit?  I'.pirachtiingen  t.  Psychologie  d  Dichtkunst:  ML.IA.  5it,  S.  795/8.  —  115)  K.  Lemmer- 
mayer,  Ueber  d.  FöuillHton.  E.  litterarisches  Inteniiezzo.  ( =  Mciischcn  u.  Schicksale.  S.  183  —  91.)  Minden  i.  \V., 
Bruns.  VIII,  240  S.  M.  3,00.  -  ri6}  id.,  Kunst  u.  Philosoiihie.  Aus  d.  Tagebuch  e.  Einsamen,  ib.  S.  220  —  40.  — 
117)  F.  Albrecht,  Leszings  Plagiate.  I.  Bd.,  1.  Heft,  1.  Hälfte  (Bog.  10—14).  Hamburg  u.  Leipzig,  Albrechts 
Selbstverlag.    S.  143-222.    M.  1,00.    |[E.    .Schmidt:    DLZ.  11,    S.    W.<,.\  IIB)   .loh.    Volkelt,    Dichtung    u.    Wahrheit. 


1,3;  M.  R.  Werner,  Poetik  und  ihre  Geschichte.  35 

iiehiTilich  mit  der  ästhetischen  Theorie  der  neuen  Schule  und  sucht  darzuthun,  dass  die 
Praxis  dei^  Naturalisten  vielfach  anders,  besser  ist,  als  ihre  Theorie,  wie  denn  überhaupt 
V.  den  Leistungen  der  Naturalisten  volle  Gerechtigkeit  widerfahren  lässt.  Er  meint  aber, 
dass  manche  ihrer  theoretischen  Forderinigeu  einfach  undurchführbar  sind.  Um  dies  zu 
zeigen,  erwägt  er  das  Verhältnis  von  Natur  und  Kunst;  vor  allem  charakteristisch  für 
diese  Theorie  erscheint  ihm  die  Formel,  dass  alles,  was  natiirlich  und  wirklich  ist,  eben 
darum  schon  das  Recht  hat,  genau  so  wie  es  ist,  in  der  Dichtung  wiedergegeben  zu 
werden.  Dabei  zeigt  sich  aber  eine  gewisse  Parteinahme  gegen  das  Gute  und  Reine. 
Der  Dichter  muss  dann  nach  der  Forderung  naturalistischer  Theorie  die  Seelenvorgänge 
induktiv  und  deduktiv  erforschen  imd  mit  sinnlich  greifbarer  Genauigkeit  photographieren, 
das  neudeutsche  Leben  vollständig  zergliedern,  weil  die  Kunst  eine  vollständige  Nach- 
gestaltung des  Seins  ist,  das  ästhetische  Wohlgefallen  aber  auf  der  Einsicht  der  Kausa- 
lität der  Dinge  beruht.  Nun  zeigen  die  Naturalisten  Komposition,  ja  sogar  eine  sehr 
durchdachte  Komposition;  damit  verlassen  sie  sofort  eine  vollständige  und  exakte  Nach- 
bildung des  Wirklichen  und  erfüllen  ein  Bedürfnis  der  Phantasie,  eine  Bedingung  des 
Wohlgefallens.  Wenn  das  aber  geschieht,  dann  ist  nicht  einzusehen,  warum  nicht  auch 
andere  Bedürfnisse  der  Phantasie  berücksichtigt  werden,  z.  B.  das  Vermeiden  von  Vor- 
stellungen, die  ihr  schlechtweg  ekelhaft  sind.  V.  fragt  ferner,  ob  die  Wirklichkeit  über- 
haupt unverändert  im  Kunstwerk  erscheinen  kaini.  Auch  das  ist  unmöglich,  denn  die 
naiv  geschaute  Natur  ist  nicht  mehr  die  nackte  Natur,  sondern  eine  durch  verschiedene 
individuelle  Zuthaten  veränderte;  besonders  die  Auffassung  eigenen  oder  fremden  Schick- 
sals lässt  sich  nicht  davon  trennen,  dass  dabei  die  eigene  Lebensauffassung  zur  Geltiuig 
käme.  Schon  deshalb  ist  eine  dichterische  Objektivität  unmöglich.  Da  nun  überdies 
jede  Kunst  ihre  Darstellungen  in  einem  Element  und  unter  Bedingungen  vornimmt,  die 
von  denen  der  dargestellten  Wirklichkeit  verschieden  sind,  so  geht  es  ohne  Umformimg 
der  Wirklichkeit  nicht  ab.  Zeige  sich  so  der  strikte  Grundsatz  naturalistischen  Stils 
undiirchführbar,  so  sei  damit  nicht  gesagt,  dass  nicht  ein  richtiger  Kern  darin  stecke. 
Allerdings  müssen  die  Menschen  und  Handlungen  in  der  Dichtvmg  den  Eindruck  der 
Glaubhaftigkeit  erzeugen,  d.  h.  die  dargestellte  Welt  muss  daseinsfähig  erscheinen;  mehr 
als  dieser  Schein  der  Daseinsfähigkeit  lässt  sich  aber  nicht  erreichen.  Der  Dichter  muss 
seine  Welt  so  einrichten,  dass  alles  in  ihr  sich  in  deutlich  fühlbarer  Uebereinstimmung 
befindet;  wir  müssen  zudem  fühlen,  dass  uns  aus  den  Werken  ein  Dichter  entgegentritt, 
dessen  Persönlichkeit  mit  ungewöhnlich  empfänglichen  Sinnen  Leben  und  Natur 
beobachtet  und  einen  ungewöhnlich  reichen  Schatz  von  Lmenerfahrungen  in  sich 
gesammelt  hat.  V.  xniterscheidet  nun  einen  potenzierenden  von  dem  Thatsachenstil  und 
erkennt  weitere  Einteilungen  des  Stils,  den  typenschaifenden  (typisierenden)  und  den  in- 
dividualisierenden, den  subjektiven  und  den  objektiven  Stil;  für  alle  drei  Gliederungen 
wurde  bisher  unterscliiedslos  die  Bezeichnung  idealistisch  und  realistisch  gewählt.  Dieser 
Teil  seiner  Dar  stell  vingen  verdient  allgemein  beachtet  zu  werden.  ^ — Auch  Jerusalemi^ö^ 
sucht  nachzuweisen,  dass  Zola  Typen  schafft,  komponiert  und  nicht  bloss  Schriftsteller, 
„romancier  naturaliste",  sondern  Künstler,  Dichter  ist,  dass  seine  hohe  Begabxmg  die 
theoretisch  von  ihm  selbst  sehr  eng  gezogenen  Schranken  durchbricht.  Und  noch 
schärfer  als  Volkelt  unterscheidet  J.  zwischen  Zola  und  den  deutschen  Naturalisten. 
Aber  J.  geht  weiter,  indem  er  die  Typenbildung  der  Natviralisten  als  eine  willkürliche 
hinstellt,  weil  das  einzelne  beobachtete  Individuum  gegen  alle  Wahrheit  zum  Typus 
werde.  Den  tieferen  Grund  dieser  Erscheinung  sieht  er  in  der  mangelnden  Liebe  und 
meint,  nur  Liebe  mache  die  Kunst,  —  er  versucht '  dies  evolutionistisch  zu  zeigen  und 
an  den  einzelnen  Künsten  darzulegen.  Also  er,  wie  Volkelt,  bestreitet  die  Objektivität 
der  Darstellung,  weil  sie  unmöglich  sei.  120-122^  —  Auch  Carrierei23^  ig^^  gerade  durch 
seine  warme  Anerkennung  von  Zolas  Talent  zur  Ueberzeugung  gekommen,  dass  die  Per- 
sönlichkeit des  Künstlers  und  mit  ihr  der  geistige  Gehalt  es  seien,  wodurch  das  Kunst- 
werk sich  auszeichne  und  den  Preis  gewinne.  Zola  würden  alle  seine  Notizen,  Beob- 
achtungen und  Studien  wenig  nützen,  wenn  nicht  eine  lebendige  und  kunstverständige 
Phantasie  hinzukäme,  die  nun  doch  die  besondere  Handhmg  erfindet  und  den 
einheitlichen  Kern  der  Charaktere  schafft.  Gerade  an  Zolas  Werken  bewundert  C.  die 
Phantasie  des  organisierenden  Künstlers,  die  Zola  als  Theoretiker  leugne.  Hinter  Tolstois 
und  Dostojewskis  dunkeln  Bildern  stehe  ein  edler  grossartiger  Idealismus,  da  sie  refor- 
matorisch wirken  wollen.  Bei  Zola  sei  es  nicht  anders,  wie  der  Schluss  von  „Germinal" 
beweist,  den  auch  Volkelt  dafür  anzieht.  Der  Naturalismus  idealisiert  aber  freilich  ins 
Hässliche,    er  rückt,    was  etwa  während  eines  Jahreslaufes    in  einem  schle.sischen  Dorfe 


E.  Beitr.  z.  Kritik  d.  Aesthetik  d.  Naturalismus:  AZg".  N.  4,  6,  7.  —  119)  W.  Jerusalem,  D.  Naturalismus  in  d.  modernen 
Litt.  Aus  d.  Geiste  unserer  Zeit  u.  d.  Wesen  d.  Kunst  beleuclitet  u.  beurteilt:  ib.  N.  135/6.  —  120)  X  A.  Fried,  D.  Natura- 
lismus, s.  Entstehung  u.  Berechtigung.  Wien,  Dentieke.  45  S.  M.  1,00.  —  121)  X  K-  öoldmann,  D.  SUnden  d.  Naturalismus. 
Aesthet.  Untersuchungen.  Berlin,  Eckstein  Nachf.  IV,  212  S.  M.  2,00.  —  122)  X  &•  Pnrtig,  T>.  Wesen  d.  Naturalismus: 
Unsere  Zeit.     1,    S.  525—46.  —  123)  M.  Carriere,  Natur  u.  Kunst.     N&S.     55,    S.  90—102.   —   124)  XX  C  Alberti,    Natur 

3* 


B6  1,3:  M.  R.  Werner,  Poetik  und  ihre  Geschichte. 

geschehen  mag,  in  eine  lialbe  Stunde  „Vor  Sonnenaufgang"  zusammen.  Das  Neue  des 
Naturalismus  sieht  C.  im  Gehendmachen  einer  grösseren  Naturderbheit,  eines  breiteren 
Stoffgebietes  und  darin,  dass  das  Elend  der  Armen  und  Bedrückten  verwertet  wird.  '24)  — 
Die  liistorisclie  Stellung  des  Naturalismus,  die  Notwendigkeit  seines  Auftretens  sucht 
Jerusalem  aus  dem  modernen  Thatsachensinn  zu  begreifen;  Pascal'-^),  welcher  den  mo- 
dernen Naturalismus  nicht  billigt,  aber  als  Rückschlag  historisch  würdigt,  sucht  in  einer 
Reihe  von  Essays  das  Verständnis  der  neuen  Litteraturrichtung  dadurch  zu  fördern,  dass 
er  sie  auf  das  sexuelle  Problem  zurückführt.  Die  Veränderung  im  Verhältnisse  der  bei- 
den Geschlechter  zu  einander,  besonders  die  Männerverachtung  beim  Weibe  und  die 
physische  wie  psychische  Unfruchtbarkeit  sieht  er  als  Ursachen  an.  Hebbel  und  Kleist 
vor  allem  werden  mit  dem  Naturalismus  im  Zusammenliange  dargestellt.  Das  Heft  Juilt 
die  Mitte  zwischen  litterarhistorischer  und  ästhetischer  Betrachtung  und  zwingt  alles 
initer  den  Gesichtswinkel  des  einen  Problems.  —  Bachi^Oj  folgert  aus  dem  Naturalismus, 
gegen  den  er  Stellen  aus  Lessing,  Moritz,  Kant,  Schiller  inid  Helmholtz  anführt,  zwei 
Kunstgesetze:  1.  die  Beseitigung  des  Widerwärtigen  in  der  Natur,  das  einer  ästhetischen 
Wirkung  besonders  in  der  bildenden  und  dramatischen  Kunst  unfähig  sei,  und  2.  die 
Entfernung  des  Gleichgiltigen  und  Bevorzugung  des  Wesentlichen  in  Auswahl  imd  Be- 
handlung des  Stoffes,  wodurch  die  Kunst  eben  Typisches  schaffe,  obwohl  sie  Individuelles 
darstelle.  Gerade  im  Wegschaffen  des  Zufälligen,  welches  das  Wesentliche  verhüllt, 
sieht  B.  eine  Hauptaufgabe  der  Kunst.  —  Die  vier  Kreise  des  modernen  Naturalismus, 
die  wir  beobachten  können,  im  einzelnen  zu  erfassen,  kann  nicht  die  Aufgabe  dieses 
Berichtes  sein,  er  vermag  sie  nur  gelegentlich  zu  berücksichtigen;  der  nordisch -skandi- 
navische findet  seinen  kritischen  Betrachter  in  HanssoniäT)^  der  nordisch-russische  in 
Erwin  Bauer'-*^);  am  stärksten  erregt  aber  der  französische '29)  und  der  deutsche  i^**') 
Naturalismus  das  Interesse  der  Kritik.  —  Schon  wird  erwogen,  wie  sich  die  neue  Riclv- 
tinig  weiterentwickeln  könne.  Neumann-Hofer'32)  erwartet  von  der  Wissenschaft,  ob- 
wohl sie  alle  Romantik  zerstöre,  den  Glauben  totschlage,  alle  Illusionen  und  Ideale  ver- 
nichte, also  die  Kixnst  zu  ersticken  scheine,  eine  Neubefruchtvmg  der  Kunst;  als  Formel 
der  neuen  Kunst  im  20.  Jh.  vermutet  er  „die  Wissenschaft,  die  Zeugin  der  Wahrheit, 
schliesse  einen  Bund  mit  der  Kunst,  der  Eormerin  des  Schönen";  die  Wissenschaft  werde 
der  Phantasie  neuen  Stoff  zuführen,  die  „Gährungslitteratur"  unserer  Zeit  ist  ein  An- 
zeichen dafür.  —  Bahr  i^^-i=^4)  sieht  in  den  Decadents  die  Erben  der  Gegenwart,  Pfütze- 
Grottewitz  i^ö-kwj  in  (Jer  „Entwickelungsdichtung".  1=^^-141)  —  Reicheli42j  behandelt  die 
Präge,  ob  das  Dichten  in  Versen  noch  zeitgemäss  sei.  —  Wenn  wir  Kleinert'*^)  glaviben 
dürfen,  dann  wird  der  Humor  der  zukünftigen  Litteratur  fremd  sein,  da  seiner  Ansicht 
nach  das  Humoristische  gar  nicht  existiert;  er  sucht  alle  Definitionen  des  Humoristischen 
lächerlich  zu  machen,  den  Charakter  der  Humoristen  durch  die  Betrachtung  von  Jean 
Pauls,  Swifts,  Goldsmiths,  Sternes,  Hippels,  Thümmels  Leben  zu  diskreditieren  und  be- 
trachtet das  Humoristische  nur  als  das  Witzige  und  Satirische.  Der  Axifsatz  fordert 
Widerspruch  heraxis  und  kama  dadurch  vielleicht  fördernd  wirken,  i'**)  — 


u.  Kunst.  Beitrr.  z.  Untersuchung  ihres  gegenseitigen  Verhältnisses.  Leipzig,  Friedrich.  V,  320  S.  M.  4,00.  —  125)  Dr. 
Pascal  (Leo  Berg),  D.  sexuelle  Problem  in  d.  modernen  Litt.  E.  Beitr.  z.  Psychologie  d.  modernen  Litt.  \i.  Gesellschaft. 
2.  Aufl.  Berlin,  Salus.  46  S.  M.  1,00.  —  126)  S.  Bach.  Kunst  u.  Natur:  Zeitgeist.  N.  11.  —  127)  01a  Hansson,  Iihir 
Naturalismus:  Kunstw.  3,  N.  15.  —  128)  Erwin  Bauer,  Naturalismus,  Nihilisra^is,  Idealismus  in  d.  russ.  Dicliliint;. 
Litt.-hist.  u.  krit.  StreifzUge.  Mit  9  Portrr.  Berlin,  Lüstenröder.  VIII,  352  S.  M.  4,.50.  |[HambCorrB.  N.  19.]  i  (Es  siiiil 
Essays  mit  scharfer  Stellungnahme  gegen  d.  deutsche  Ueberschätzung  d.  russischen  Litt.)  —  129)  X  A.  Bottelheim,  (ii'ijcii 
d.  französischen  Naturalismus:  Nation».  N.  25.  -^  130)  X  M.  Harden,  Naturalismus:  Gegen w.  37,  S.  r!:«t--4;i.  — 
131)  X  K.  Grottewitz,  1).  Impressionismus  in  Deutschland:  MLJA.  59,  S.  641/4.  —  132)  0.  Neumann-H  o  Cr  r ,  IL  n.  ii.- 
Kunst:  ib.  S.  267/9.  —  133)  X  H.  Bahr,  D.  Krisis  d.  französischen  Naturalismus:  ib.  S.  562/4.  —  134)  X  id.,  Zur  Kritik  d, 
Moderne.  Ges.  Aiifsätze.  1.  Reihe,  Zürich,  Verlags -Magazin.  256  S.  M.  3,60.  |[A.  Hermann:  BLU.  S.  205/6.]  j.  — 
135)  X  K.  Grottewitz,  Wie  kann  sich  d.  moderne  Litteraturrichtun};  weiter  entwickeln?:  MLJA.  59,  S.  585/7.  —  136)  X 
K.  Pftitze-Grottewitz,  Weiterentwickelung  u.  Neubildnnff  poetischer  Gefühlswerte:  ib.  S.  732/3.  —  137)  XX  A.  Lauen- 
stein u.  K.  Grottewitz,  Sonnenaufgang!  D.  Zukunftsb:iliii.ri  d.  Neuen  Dichtung.  Leipzig,  Beissner.  gr.  4".  77  S.  M.  2,00. — 
I38|  X  G.  Neumann-Hofer,  D.  junge  Generation:  ML.IA.  .".ii,  S.  473/6.—  139)  X  A.  Brieger,  E.  unbeantwortete  Frage: 
BLU.  S.  321/2.  (I).  Frage  lautet,  welchem  Bedürfnisse  in  d.  gesunden  geistigen  Natur  d.  Menschen  d.  litt.  .NiitiinUisniiis 
entgegenkomme.)  — 140)  X  0.  Le  ix  nor,  Plauderbriefe  an  e.  junge  Frau.  Leipzig,  Dürselen.  VL  233  S.  M.  4,50.  i|(;,  l'.ntii,'; 
BLU.  S,  14.]|  —  141)  X  J.  Hart,  1).  Kampf  um  d.  Form  in  d.  zeit^'enoss.  Dichtung.  E.  Beitr.  zu;:!.  /.  Ver~t:liHliii-^  .1. 
modernen  Realismus:  KritTb.  1,  S.  36  ff.  —  142)  E.  Reichet,  D.  Ver^:  IhunliNachrS.  N.  26.  —  I43i  n.  Klein,  im  .  I  eher 
d.  Ewig-Witzige:  AZg".  N.  107.  —  144)  X  H.  Breitinger,  Z.  Begnlle  ^lliunor".  (—  Studien  u.  W  ;iii.|eil;,i,'e.  S.  S.W  8.) 
Frauenfeld,  Huber.  XXXVL  327  S.  M.  3,00.  (E.  kurze  hist.  Skizze  d.  Ge),riiuchs  v.  „Humor"  al>  Wirt.  Aii.leiitui,;,'  .1.  be- 
sonderen litt.-gesch.  Bedeutung,  aber  ohne  eigentliches  Resultat.) 


1,4:  K.  Kochendörffer,  Schrift-  und  Buchwesen.  37 


Schrift-  und  Buchwesen. 

Karl  Kochendörffer. 

Schrift wesen:  Paläographie  und  Verwandtes  N.  1.  —  Stenographie  N.  3.  —  Handschriftenkataloge  N.  5.  — 
Autographen  N.  10.  —  Buchwesen:  Erfindung  des  Buchdrucks  N.  15.  —  Buchdruckergeschichte  N.  32.  —  Inkunabeln  N.  49. 
—  Bibliotheken  N.  53.  —  Bibliographie  N.  75.  —  Buchhandel  N.  90.  —  Bucheinband  N.  105.  — 

Schriftwesen.  Eine  brauchbare  Einführung  in  die  Palaeographie  verdanken 
wirProu.  1)  Wenn  seine  Arbeit  sich  auch  auf  deutsche  Schrift  nicht  einlässt  und 
naturgemäss  die  älteren  Zeiten  hauptsächlich  berücksichtigt,  so  erstreckt  sie  sich  doch 
bis  zum  17.  Jh.  und  leistet  mit  diesem  Teile  aucli  dem  Durchforscher  nachmittelalterlicher 
Schriftstücke  gute  Dienste.  Das  Buch  ist  praktisch  angelegt  und  mit  zahlreichen  Tafeln 
ausgestattet,  denen  die  Umschrift  beigefügt  ist  mit  besonderer  Hervorhebung  der  Buch- 
staben, die  in  der  gekürzten  Schrift  des  Originals  diu'ch  Zeichen  ausgedrückt  oder  unter- 
drückt sind.  —  Zur  Geschichte  der  Miniaturmalerei  und  Handschriftenkuude  hat 
L.  von  Kobell-)  einen  wertvollen  Beitrag  geliefert,  in  dem  die  Entwickelung  der  Buch- 
malerei von  den  frühesten  mittelalterlichen  Anfängen  bis  ins  16.  Jh.  hinein  verfolgt  und 
auf  52  zum  Teil  vortrefflichen  Lichtdrucktafeln  veranschaulicht  wird.  Ein  Namen-  und 
Sachregister  erleichtert  die  schnelle  Orientierung  in  dem  Werke,  das  sich  mehr  zu  ge- 
legentlichem Nachschlagen  als  zusammenhängendem  Studium  empfiehlt.  — 

Junge^)  handelt  über  die  Entwickelung  der  stenographischen  Schrift  in 
Deutschland.  Seine  Monographie  zerfällt  in  zwei  Abschnitte.  Im  ersten  werden  quellen- 
mässige  Nachrichten  über  die  neuere  Stenographie  aus  der  deutschen  Litteratur  des  17. 
und  18.  Jh.  bis  1796  gegeben.  Wir  erfahren  unter  anderm  von  den  stenographischen 
Bestrebungen  eines  Samuel  Hartlib,  Arnos  Comenius,  G.  Ph.  Harsdörflfer,  Daniel  Georg 
Morhof,  Job.  Chr.  Wagenseil,  Joh.  Alb.  Eabricius,  Nie.  Hieron.  Guiidling,  Job.  Chr.  Gatterer. 
Der  zweite  Abschnitt  ist  der  Untersuchung  über  die  Tacheographia  des  Carl  Aloys  Ram- 
say  gewidmet  und  bietet  reiches  Material  über  diesen  bisher  nur  wenig  beachteten  El- 
binger,  den  J.  freilich  aus  nicht  ganz  zureichenden  Gründen  dem  elbingischen  Zweige 
der  Ramsays  absprechen  möchte.  —  Wer  sich  des  weiteren  über  die  zahlreichen,  meist 
minderwertigen  stenographischen  Erscheinungen  unterrichten  will,  dem  ist  die  fleissige 
Zusammenstellung,  der  Litteratiu*  von  Peetz*)  von  Nutzen.  — 

Eine  erwünschte  Aufzählung  und  Besprechung  der  uns  erhaltenen  Hand- 
schriftenkataloge  inittelalterlicher  Bibliotheken  bis  zum  Jahre  1500  hat  Gottlieb^) 
geliefert  und  damit  eine  notwendige  Vorarbeit  zu  einer  Herausgabe  dieser  für  die  Ge- 
scliichte  der  Bibliotheken  sowohl  wie  des  geistigen  Lebens  wichtigen  Verzeichnisse,  die 
freilich  noch  in  weiter  Ferne  liegt.  Leider  vermisst  man  öfters  die  nötige  Sorgfalt.  —  Ueber 
den  ältesten  Katalog  der  Prager  Universitätsbibliothek  aus  der  Mitte  des  15.  Jli.  giebt 
Loserth^)  Mitteilungen.  Der  Katalog  umfasst  in  4  Alphabeten  die  den  4  Nationen 
der  Universität  gehörenden  Bibliotheken.  Die  umfangreichste  Abteilung  ist  die  dritte, 
die  914  Werke  enthält  und  „Registrum  librarie  nacionis  Boemorum"  betitelt  ist.  Sie 
besteht  hauptsächlich  aus  Schriften  über  die  hussitische  Bewegung.  —  Mit  dem  1.  Bande 
der  zweiten  Abteilung  seines  rühmlichst  bekannten  Handschriftenverzeichnisses  beginnt 
von  Heinemann')  die  Beschreibung  der  sogenannten  Augusteischen  Handschriften  der 
Wolfenbüttler  Bibliothek,  die  ihren  Namen  von  dem  eigentlichen  Begründer  der  Biblio- 
thek, dem  Herzog  August  dem  Jüngern  führen.  Die  Geschichte  dieser  Bibliothek  und 
die  Verdienste  ihres  fürstlichen  Sammlers,  der  ohne  Zweifel  einer  der  bedeutendsten 
Gelehrten  seiner  Zeit  und  ein  vortrefflicher  Bibliothekar  war,  bespricht  H.  kurz  im 
Vorwort.  —  Die  achte  Abteilung  dieses  Kataloges  ist  von  Vogel 8)  bearbeitet  und  ent- 


I)  M.  Prou,  Manuel  de  palöographie  latin©  et  franyaise  du  6.  au  17.  siecle  suivi  d'un  dictionnaire  des  abbre- 
riations  avec  23  facsirail^s  en  phototypie.  Paris,  A.  Picard,  387  S.  i  [BH.  43,  S.  155—60  (.Ch.  V.  Langlois); 
HZ.  65,  S.  374/7  (Kehr).]!  —  2)  L.  von  Kobell,  Kunstvolle  Miniafcuren  u.  Initialen  aus  Hss.  d.  4.— 16.  Jh.  mit  bes. 
Berücksichtigung  der  in  d.  Hof-  u.  Staatsbibl.  zu  München  befindl.  Mss.  Gesch.  Beitrr.  München,  Albert.  Fol.  IX,  108  S. 
u.  52  Tafeln.  M.  40,00.  —  3)  A.  Junge,  Die  Vorgesch.  d.  Stenographie  in  Deutschland  während  d.  17.  u.  18.  Jh.  (=  Hand- 
bibl.  d.  stenogr.  Wissenschaft.  Bd.  1.)  Leipzig,  Robolsky.  XVI,  127  S.  M.  3,00.  —  4)  P.  Peetz,  Wegweiser  durch  die 
Stenograph.  Litt.  d.  bekannteren  Systeme  nebst  Verz.  e.  Anzahl  verwandter  Werke  über  Schriftkunde  etc.  Aachen,  Selbst- 
verlag. 118  S.  M.  1,50.  —  5)  Th.  Gottlieb,  Ueber  mittelalterliche  Bibliotheken.  Leipzig,  Harrassowitz.  XI,  520  S.  M.  14,00. 
[[CBlBibl.  8,  8.  127—30  (M.  Perlbach);  GGA.  1891,  N.  4  (P.  G.  Meier);  ADA.  17,  S.  81/5  (P.  G.  Meier);  LCBl.  1891, 
S.  686/9  (Steffenhagen);  DLZ.  1891,  S.  620/2  (Kochendörf fer).]|  —  6)  J.  Loserth,  D.  älteste  Katalog  d.  Prager 
Univ.-Bibl. :  MJÖG.  11,  S.  301—18.  —  7)  0.  von  Heineraann,  Die  Hss.  d.  Herzogl.  Bibl.  zu  WolfenbUttel.  2.  Abt.  Di© 
Augusteischen  Hss.  I.  Wolfenbüttel,  Zwissler.  XL  320  S.  M.  15,00.  —  8)  E.  Vogel,  D.  Hss.  nebst  d.  ältesten  Druck- 
werken d.  Musik- Abteilung   d.  herzogl.  BibL    zu    Wolfenbüttel.    (=0.    von    Heinemaiiu,   D.   Hss.   d.    herzogl.   Bibliothek 


38  1,4:  K.  Kochendörffer,  Schrift-  uiul  Buchwesen. 

hält  die  musikalischen  Hss.,  sowie  die  musikalischen  Drucke  bis  zum  Jahre  1800,  unter 
denen  mancherlei  seltene,  auch  für  die  Litteratiir  bemerkenswerte  Werke  sich  finden. 
Reichhaltig  sind  geistliche  und  weltliche  Liederbücher  vertreten,  von  denen  folgende 
hervorgehoben  zu  werden  verdienen:  Hans  Gerle,  Musika  Teutsch  1532;  Hans  Neu- 
sidler,  New  geordnet  künstlich  Lautenbuch  1536;  Sebastian  Ochsenkhun,  Tabulaturbuch 
auff  die  Lauten  1558;  Wolfgang  Figulus,  Deutsche  Mubika  vnd  gesangbüchlin  1568; 
Antonio  Scandelli,  Newe  Teutsche  Liedlein  1568;  Orlando  di  Lasso,  Newe  Teutsche 
Liedlein  1569,  1583;  Bernhard  Schmid,  Zwey  Bücher  einer  Neiien  kunstlichen  Tabulatur 
1577;  Oth-Siegfried  Harnisch,  Newe  kurtzweilige  Teutsche  Liedtlein  1587;  Andreas  Ra- 
selius,  Teutsche  Spruch  1594;  Ludwig  Helmbold,  Vom  heiligen  Ehstande  40  Liedlein 
1595;  Hans  Leo  Hassler,  Neue  Teutsche  gesang  1596,  Liistgarten  1605;  Paul  Lütkeman, 
Newe  Lateinische  vnd  deutsche  Gesenge  1597;  Paul  Sartorius,  Newe  Teutsclie  Lieder 
1601;  Michael  Praetorius,  Musae  Sidoniae  1605 — 1610;  Valentin  Haussmann,  Neue  lieb- 
liche Melodien  1606;  Christoph  Demantius,  Convivium  Deliciae  1608,  Newe  Deutsche 
Lieder  1615;  Johann  Hermann  Schein,  Venus-Kräntzlein  1609;  Melchior  Pranck,  Flores 
musicales  1610,  Musikalische  Prölichkeit  1610,  M\isikalisches  Convivium  1621,  Musika- 
lischer Grillen vertr eiber  1622;  Andreas  Hakenberger,  Newe  Deutsche  Gesänge  1610; 
Lambert  Sayve,  Teutsche  Liedlein  1611;  Johann  Christoph  Haiden,  Postiglion  der  Lieb 
1614;  Daniel  Priedrich,  Musikalisches  Sträusslein  1617;  Johann  Stephani,  Newe  Teutsche 
weltliche  Madrigalen  vnd  Balletten  1619;  Michael  Altenburg,  Christliche  Kirchen-  vnd 
Haus-Gesänge  1620;  Johannes  Schultz,  Musikalischer  Lustgarten  1622;  Johann  Staden, 
Musikalischer  Freuden-  vnd  Andachtswecker  1630;  Dietrich  von  dem  Werder,  24  Freuden- 
reiche Trost-Lieder  1633.»)  — 

Lameyio)  druckt  ein  Verzeichnis  der  Schülerschen  Aiitographensammlung 
in  der  grossherzoglichen  Bibliothek  zu  Karlsruhe  ab,  in  der  sich  eine  grosse  Anzahl  von 
litterarhistorisch  wichtigen  Briefen  befinden,  iinter  andern  fünf  Briefe  von  Goethe  (ge- 
druckt Goethe  Jb.  11,  93;  97 — 103).  —  Ueber  einige  Autographen  der  herzoglicli 
anhaltischen  Behördenbibliothek  in  Dessau  berichtet  Gröpler^^).  —  Viel  Einschlägiges 
von  grosser  Bedeutung  enthält  der  Katalog  von  A.  Cohn^^).  Da  finden  sich,  um  nur  auf 
Einiges  aufmerksam  zu  machen,  Briefe  von  Gottsched,  Geliert,  J.  G.  Zimmermann,  Lessing, 
J.  A.  Schlegel,  Fritz  Jacobi,  Wieland  (112  Stück),  Lavater  (93  Stück),  Herder,  Goethe, 
Lenz,  Corona  Schröter,  Einsiedel,  Schiller,  Jean  Paul  usw.  usw.  Neben  Briefen  eine 
Fülle  anderer  hochinteressanter  Manuskripte.  Von  Goethe  der  Vortrag  „Zum  Shake- 
speares Tag",  das  Concerto  dramatico.  Am  reichsten  ist  Lenz  vertreten,  zu  dessen 
Herausgabe  Maltzahn  sammelte.  Eine  Menge  Gedichte,  zum  Teil  ungedruckt,  Ueber- 
setzungen  des  Plautus,  Der  Hofmeister,  Die  Soldaten,  Das  Tagebvich.  Sein  Vortrag 
vom  2.  Dezember  1772  (No.  221),  in  welchem  Lenz  für  seine  Ernennung  zum  Ehren- 
mitglied der  Strassburger  litterarischen  Gesellschaft  dankt,  bestätigt  meine  in  den 
PrJbb.  66,  S.  559  ausgesprochene  Behauptung,  dass  Lenz  nicht  1771  Mitglied  dieser  Ge- 
sellschaft gewesen  sei.  Der  Katalog  ist  geeignet,  den  Wunsch  nach  Gründung  von 
Litteraturarchiven  zu  verstärken,  in  denen  solche  Schätze  vor  der  Zerstreuimg  bewahrt 
bleiben.  13-14)  _ 

Buchwesen.  Das  450jährige  Jubiläum  der  Erfindung  der  Buchdrucker- 
kunst hat  in  einer  Reihe  von  Städten  zu  Feiern  und  Ausstellungen  von  Druckerzeugnissen 
Anlass  gegeben  und  Festschriften  hervorgerufen,  in  denen  teils  der  Geschichte  der 
Buchdruckerkunst  im  allgemeinen,  teils  ihrer  Entwickelung  in  engeren  Bezirken  gedacht 
wird.  So  in  Nürnberg i^),  Göttingen i*').  Braunschweig i''),  Strassburg,  Bamberg,  Köln, 
Marburg,  Königsberg.  Die  Kaiserliche  Universitäts-  und  Landesbibliothek  in  Strassburg 
hat  eine  Ausstellung  von  Erzeugnissen  der  Pressen  des  Reichslandes  seit  Erfindung  der 
Buchdruckerkunst  veranstaltet  1^),  die  nicht  nur  den  hervoiragenden  Rang  erkennen  lässt, 
den  Strassbvu-g  unter  den  Likunabelstädten  einnimmt,  sondern  ebensosehr  die  Umsicht 
und  das  Geschick,  mit  denen  in  so  kurzer  Zeit  eine  so  vollständige  Sammlung  •  der  sel- 
tensten Druckwerke  zusammengebracht  worden  ist.  Ftir  die  deutsche  Litteratur  haben 
die  Strassburger  Drucker  Grosses  geleistet.  Dort  sind  herausgegeben  von  Mentel  „Tyturel" 
und  Wolframs  „Parcifal",  von  Eggestein  und  Mentel  die  beiden  ersten  deutschen  Bibeln, 


zn  WolfenbOttel.  8.  Abt.)  Wolfenbattel,  Zwissler.  VIII,  280  S.  M.  12,00.  —  9)  X  P.  Nick,  Die  Hss.  d.  »onner  Uriir.-Pibl., 
soweit  sie  sii-h  auf  Angelegenheiten  d.  Benedictiner-  u.  Cistercienser-Ordens  beziehen :  StMBCO.  9,  8.  58 — (iß.  (Ist  feliler- 
hafter  Abdruck  d.  betr.  Nummern  v.  Klettes  u.  Standers  Katalog.)  —  10)  F.  Lamey,  Die  Scliuelersi-he  Autogr.sararalung  in  d. 
Gr.  Hof-  u.  Landesbibl.  zu  Karlsruhe:  CBlBibl.  7,  S.  85— 96.  (Vgl.  u.  IV,  1  N.  47.)  —  II)  W.  Gröpler,  Verz.  einiger  Autogruiihen 
d.  hzgl.  anhält.  Bchördenbibl.  in  Dessau:  MYAnhaltG.  5,  S.  653.  (Berührt  u.  a.  Götze,  M.  Binckart.)  —  12)  Alb.  Cohn, 
Katalog  e.  wertvollen  Autogr.-Samral.  aus  d.  Bes.  d.  verst.  Hrn.  W.  v.  Maltzahn,  H.  Reimer  u.  a.  Deutsche  Dichter  u. 
Schriftsteller  v.  Gottsched  bis  z.  Gegenwart.  Berlin,  A.  Cohn.  3  Bll.,  «0  S.  (Vgl.  z.  B.  TglRs.  N.  50;  NatZg.  N.  149,  1; 
VossZg.  N.  85;  Sammler  11,  S.  444  [Weisstein]  u.  a.  m.)  —  13)  X  Autograph.  Auktion,  betr.  Goethe,  Körner, 
Seume:  M Antiquariat.  2,  S.  33.  —  14)  S.  u.  IV,  11  e  N.  4a.  —  15)  X  I'-  K6e,  Joh.  Gutenberg.  Festrede.  Nürnberg,  Kaw. 
M.  0,80.  (Blieb  unzug»nglich.)  —  16)  Vgl.  CBlBibl.  7,  S.  391  f.  —  17)  X  L.  Irmisch,  Kurze  Gesch.  d.  Druckereien 
im  Herzogtum  Brauuschweig.   Zur  450j.  Feier  usw.   Braunschweig,  Schulbuchh.   60  S.   M.  1,50  (nicht  zugänglich).   —   18)  Vgl. 


1,4:  K.  Kochendörffer,  Schrift-  viiid  Buchwesen.  3?) 

ferner  eine  grosse  Zahl  von  Volksbüchern  in  Drucken  von  Heinrich  Knoblochtzer, 
Joh.  Prüss,  Math.  Hupfuff,  Martin  Flach,  Joh.  Knoblauch,  Jak.  Fröhlich,  Job. 
Grüninger,  der  auch  Murners  Schriften  druckte.  —  In  Bamberg,  wo  infolge  der 
ausserordentlich  reichen  Inkunabelsammlung  der  dortigen  Bibliothek  eine  glänzende 
Ausstellung  ältester  Druckwerke  ermöglicht  war,  sind  zwei  Festschriften  erschienen. 
Leitschuhi^)  zeichnet  in  seiner  Festrede  ein  anschaidiches  Bild  von  der  Entwickelung 
von  Schrift  und  Druck  und  bespricht  im  Anschluss  an  die  neuere  Forschung  die  ver- 
meintlichen Ansprüche  Albrecht  Pfisters  auf  den  Ruhm  des  Erfinders.  Nicht  Drucker 
der  36  zeiligen  Bibel,  sondern  gewissermassen  Verleger  dieser  zweifellos  von  Gutenberg 
gedruckten  Bibel  ist  er  gewesen.  Schuster-«)  erzählt  im  Umriss  die  Mainzer  Erfindung 
und  geht  dann  a\if  Pfister  inid  dessen  nächste  Nachfolger  ein.  Von  jenem  sind  uns  im 
ganzen  5  Dnicke  bekannt,  darunter  Boners  „Edelstein"  mit  den  Typen  von  B  36.  Pfisters 
Nachfolger  sind  Johann  Sensenschmidt,  Heinrich  Petzensteiner,  Hans  Sporer,  Johannes 
Pfeyl,  Hans  Pernecker,  Marx  Ayrer,  Georg  Erlinger.  Des  letzteren  Witwe  verkaufte  die 
Druckerei  an  den  fürstbischöflichen  Hof;  erster  Hofdnicker  war  J.  Müller.  Die  erste 
Zeitung  erschien  1759.  Den  Beschluss  der  Abhandlung  macht  die  Besprechung  der 
ältesten  Druckwerke  Bambergs,  welche  die  dortige  kgl.  Bibliothek  besitzt.  —  Auch  die 
Ausstellung  in  Köln  bot  infolge  der  Reichhaltigkeit  der  Bibliothek  a.i  Wiegendrucken 
äusserst  Lehrreiches.  Der  von  Keysser-i)  verfasste  Katalog  verzeichnet  23  Blockbttcher 
und  46  Kölner  Drucke  von  Ulrich  Zell,  Arnold  tlier  Hoernen,  Peter  ther  Hoernen,  Peter 
von  Olpe,  Johann  Koelhoff  sen.  und  jun.,  Nikolaus  Götz  von  Sletstadt,  Bartholomaeus 
von  Unckel,  Konrad  Winters  von  Homberg,  Heinrich  Quentel,  Johannes  Guldenschaiff, 
Ludwig  von  Renchen,  Cornelius  von  Zürichzee,  Johannes  Landen,  Hermann  Bongart, 
Martin  von  Werden,  Johannes  Prael.  Ferner  eine  Sammlung  von  Zeitungen  des  16. 
und  17.  Jh.,  hervorragende  Ausgaben  der  „Nachfolge  Christi"  und  sonstige  seltene  und 
bemerkenswerte  Drucke.  —  Die  Marburger  Ausstellung,  veranstaltet  vom  hessischen 
Geschichtsverein,  führte  1)  Likunabeln  (nichthessische  Drucke),  2)  ältere  hessische  Drucke, 
3)  jetzige  hessische  Buchdrucker  und  Buchhändler,  4)  hessische  Zeitungen,  5)  Buch- 
einbände aus  hessischen  Bibliotheken  vor.  Ihr  vortreiflich  ausgearbeiteter  Katalog--) 
ist  für  die  Geschichte  des  hessischen  Buchdrucks  von  bleibendem  Wert.  —  Alte  Königs- 
berger Drvicke  von  1545  an  bildeten  das  Objekt  der  von  Bezzenberger-^^)  veranstalteten 
und  mit  einer  die  ICrfindung  des  Buchdrucks  sachgemäss  behandelnden  Rede  eingeleiteten 
Ausstellung  in  Königsberg.  —  Auch  die  Festschrift-*)  wurde  aus  dem  Staube  hervorgezogen, 
welche  die  Leipziger  Buchdrucker  im  Jahre  1640  aus  den  zu  dieser  Feier  erschienenen 
Gelegenheitsschriften  zusammengestellt  hatten  und  die  den  Titel  führt:  „Jubilaeum  typo- 
graphorum  Lipsiensium  oder  zweyhundertjähriges  Buchdrucker  Jubelfest,  wie  solches 
deroselben  Kunst- Verwandte  zu  Leipzig  am  Tage  Johannis  des  Täixffers,  anno  Christi 
1640.  .  .  .  mit  Christlichen  Ceremonien  celebriret  und  begangen."  Der  Herausgeber  druckt 
auszugsweise  die  Beschreibung  der  Jubelfeier  in  Gregor  Ritzschens  Hause  ab  und  giebt 
Proben  einer  Anzahl  der  Festgedichte,  die  für  die  Feier  gedichtet  waren:  von  Gregor 
Ritzsch,  David  Peck,  Isaak  Polmann,  Martin  Rinckart  und  Enoch  Hammann.  —  Die 
weitaus  hervorragendste  Arbeit  des  Berichtjahres  über  den  Buchdruck  verdanken  wir 
Dziatzko^ö).  Bisher  hatte  man  allgemein  und  zwar  hauptsächlich  auf  das  Zeugnis  der 
Koelhoifschen  Chronik  hin,  welche  für  das  erste  gedruckte  Buch  die  mit  Missaletypen 
gedi-uckte  lateinische  Bibel  erklärt,  die  36  zeilige  Bibel  für  die  älteste  Bibel  und  den 
ersten  Druck  Gutenbergs  überhaupt  gehalten.  In  einer  überaus  sorgsamen  und  metho- 
disch musterhaften  Arbeit  sucht  D.  zu  beweisen,  dass  nicht  sie,  sondern  die  42 zei- 
lige (die  ja  auch  mit  Missaletypen  gedruckt  ist)  die  ältere  sei.  Gewonnen  hat  er  dieses 
Resultat  durch  die  sorgfältigste  Textvergleichung,  bei  der  sich  als  höchst  walirscheinlich 
herausstellte,  dass  der  Setzer  von  B  36  ein  nicht  rubriziertes  Exemplar  von  B  42  vor 
sich  hatte,  wodurch  er  zu  einigen  auffalligen  Irrtümern  im  Satze  geführt  wurde.  Der 
Umstand,  dass  in  dem  Stuttgarter  Exemplar  von  B  36  Kolumne  4  des  10.  Blattes  fälsch- 
hch  den  Text  bietet,  der  erst  auf  Blatt  12  gehört,  und  dass  das  dazwischen  Liegende 
gerade  ein  Blatt  (8)  von  B  42  füllt,  ist  allerdings  sehr  bestechend  für  die  Annahme, 
die  D.  als  zweifellos  hinstellt,  dass  B  36  nach  B  42  druckend  das  betreffende 
Blatt     tiberschlagen      habe.        Aber     die     Möglichkeit,      die     D.     als     nunmehr     aus- 


Strassb.  Neueste  Naclir.  v.  28.  Juni  u.  CBlBihl.  7,  S.  392/4.  —  19)  F.  Leitschuli,  Z.  Entwickluiigs-Gcsch.  v.  Sclirilt  u.  Drmk. 
Eede.  Bamberg,  Hübscher.  21  S.  M.  0,40.  —  20)  A.  Schuster,  D.  Erfindung  d.  Buchdruckerkunst  u.  deren  Verbreitung 
in  Bamberg,  nebst  Gesch.  d.  Bamberger  Zeitungswesens.  Bamberg,  J.  M.  Eeindlselie  Offl/.in.  40.  72  S.  M.  1,60.  —  21)  Katalog 
e.  Ausstellung  v.  Erzeugnissen  d.  Buchdruckerkunst.  (Stadtbibl.  in  Köln.)  2.  erw.  Abdr.  Köln,  Du  Mont- Schauberg.  VI, 
17  S.  —  22)  Führer  durch  d.  Ausstellung  über  alle  Zweige  d.  Pucligewerbes  im  Lande  Hessen,  veranstaltet  z.  450j. 
Jubil.  d.  Erf.  d.  Buchdruckerkunst  im  Kittersaale  d.  Schlosses  Marburg  im  Sommer  1890.  Marburg,  Ehrhardt.  73  S  M.  0,50. 
—  23)  Z.  Erinnerung  an  d.  4,50j.  Gedenkfeier  d.  Erf.  d.  Buchdruckerkunst,  begangen  in  Königsberg  i.  Pr.  am  29.  Juni  1890. 
Her.  vom  Festausschuss.  Königsberg  i.  Pr.,  Hartungsche  Buchdruckerei.  31  S.  M.  0,30.  —  24)  K.  J.,  Z.  Jubiläum  d.  Buoh- 
druckerkunst.  D.  Leipziger  Buchdrucker  -  Jubiläum  im  Jahre  1640:  LeipzZg.  N.  142  u.  Beil.  1.  —  25)  K.  Dziatzko, 
Gutenbergs    früheste   Druckerpraxis.     (=;  Sammlung   bibliothekswissensch.    Arbeiten.    4.    Heft.)     Berlin,    Asher.    IX,    136    8. 


40  1,4:  K.  Kochendörffer,  Sclirift-  und  Buchwesen. 

geschlossen  betrachtet,  dass  aus  dem  nämlichen  Manuskripte  die  eine  wie  die 
andere  Bibel  abgedruckt  worden  ist,  bleibt  meines  Erachtens  doch  bestehen.  Man 
braucht  nur  vorauszusetzen,  dass  die  Typen  von  B  42  in  der  Grösse  der 
Schrift  des  Manuskriptes  entsprachen,  ein  Blatt  des  letztern  also  gleichen  Inhalt  wie 
B  42  enthielt.  Diese  Voraussetzung  ist  durchaus  niclit  gewagt.  Die  erste  Schrift,  die 
Gutenberg  herstellte,  hat  er  nach  irgend  einem  Missale  geschnitten.  Als  er  dann  damit 
seine  erste  36  zeilige  Bibel  gedruckt  hatte  uivd  die  Notwendigkeit  sich  herausstellte,  neue 
Typen  anzufertigen,  ist  es  sehr  wohl  denkbar,  dass  er  nunmehr  die  kleinere  Buchstaben- 
form der  von  ihm  für  B  36  benutzten  Handschrift  als  Vorlage  für  seinen  zweiten  Apparat 
gebrauchte.  Der  Druck  mit  diesen  Typen  musste  bei  gleichem  Formate  mit  der  Hand- 
schrift auch  die  gleiche  Seitenzahl  der  Handschrift  ergeben.  So  glaube  ich,  dass  die 
Frage  nach  der  Priorität,  in  welcher  Wyss  in  seiner  Rezension  den  Ausfülirungen 
D.s  sich  vollkommen  anschliesst,  noch  nicht  endgiltig  gelöst  ist.  Die  42  zeilige 
Bibel  ist  nach  D.  ganz  allein  das  Werk  der  Geschäftsverbindung  Gutenbergs  mit 
Fust.  Mit  der  36  zeiligen  habe  Fust  nichts  zu  thun  gehabt.  Ihre  Typen  habe  Guten- 
berg nach  seinen  Misshelligkeiten  mit  Fust  geschaffen,  um  sich  einen  neuen  typogra- 
phischen Apparat  zu  sichern,  vielfach  mit  technischer  und  finanzieller  Hülfe  Albrecht 
Pfisters,  dem  sie  schliesslich  ganz  und  gar  anheimfielen. -♦^-28)  —  In  die  Quellenuntersuchung 
über  die  Erfindung  der  Buchdruckerkunst  bringt  neues  Licht  ein  Aufsatz  von  Wyss-^), 
in  dem  Dziatzkos  „Beiträge  zur  Gutenbergfrage"  einer  Besprechung  unterzogen  werden. 
W.  kommt  sowohl  in  der  Erklärung  des  Helmaspergerschen  Notariatsinstrumentes 
vom  6.  Nov.  1455  wie  des  Berichtes  des  französischen  Münzarbeiters  Nicolaus  Jenson, 
der  zur  Erlernung  der  neuen  Kunst  nach  Mainz  gesendet  wurde,  und  endlich  auch  in 
betreff  des  Verhältnisses  der  beiden  Ablassbriefgruppen  von  1454  und  1455,  die  sich 
leicht  durch  die  am  Anfange  gebrauchten  Typen  V  und  U  unterscheiden  lassen,  zu  an- 
deren Resultaten  als  Dziatzko.  —  In  der  Encyklopädie  des  Paulus  Paulirinus,  dem 
sogenannten  „Liber  viginti  artium",  dessen  Handschrift  die  Krakauer  Universitätsbibliothek 
bewah  rt,  finden  sich  einige  Artikel,  die  für  die  Geschichte  von  Schrift-  und  Druckwesen 
wichtig  sind.  Kemke^o)  druckt  diese  ab,  nämlich;  Pargamenista,  Papirista,  Ligator, 
Scriptor,  Transsumptor,  Cancellarius,  Illuminator,  Ciripagus,  Cartularius,  Politor  luid 
Speculariator.  —  Eine  für  die  Anfänge  und  erste  Ausbreitung  der  Buchdruckerkunst 
hochinteressante  Entdeckung  hat  Abbe  Requin^i)  gemacht.  Er  fand  im  Arcliive  zu 
Avignon  Urkunden  aus  den  Jahren  1444/6,  aus  denen  sicher  hervorgeht,  dass  in  dieser 
Zeit  zu  Avignon  schon  die  Kunst  „artificialiter  scribendi"  bekannt  war.  Der  Drucker  ist 
Procopius  Waldvogel,  aurifaber  aus  Prag,  der  sein  wichtiges  Geheimnis  einer  Reihe  von 
Personen  zu  geschäftlicher  Ausbeutung  unterbreitet.  Als  Geräte  dazu  werden  genannt: 
„duo  abecedaria  cahbis  et  duae  formae  ferreae,  unum  instrumentum  calibis  vocatum  vitis, 
quadraginta  octo  formae  ad  artem  scribendi  pertinentes."  Einer  der  Teilnehmer,  Manaud 
Vital,  der  von  der  Gemeinschaft  mit  Waldvogel  zunicktritt,  erklärt  auf  seinen  Eid  „dictam 
artem  scribendi,  per  dictum  Procopium  artificialiter  eidem  doctam,  esse  veram  et  ve- 
rissimam  esseque  facilem,  possibilem  et  utilem  laborare  volenti  et  diligenti  eam".  Ein 
Zusammenhang  dieses  Waldvogel  mit  Gutenberg,  der  im  4.  Jahrzehnt  in  Strassburg  sich 
mit  seiner  Erfindung  beschäftigte,  darf  als  sicher  angenommen  werden  und  damit  auch, 
dass  Gutenberg  schon  vor  1440  in  Strassburg  mit  Typen  gedruckt  habe.  — 

Buchdruckergeschichte.  Unter  den  Auspizien  des  französischen  Unterrichts- 
ministeriums hat  Thierry-Poux32)  ein  Werk  herausgegeben,  das  in  vorzüglicher  Fak- 
similereproduktion Proben  von  den  Werken  aller  Drucker  bietet,  die  bis  zum  Jahre 
1500  in  Frankreich  gedruckt  haben.  Es  sind  41  Städte  vertreten,  an  deren  Spitze  Paris 
steht  mit  dem  ersten  bekannten  Drucke  von  1470  aus  der  Presse  von  Ulrich  Gering, 
Martin  Crantz  und  Michel  Friburger.  Die  Abbildungen  begleitet  ein  Text,  in  dem  sich 
die  nötigen  bibliographischen  und  historischen  Angaben  finden.  Wie  wichtig  ein  solches 
Werk  für  die  noch  in  den  Anfängen  stehende  Geschichte  der  Inkunabelpressen  ist, 
leuchtet  von  selbst  ein.  —  Zur  Geschichte  des  Buchdrucks  in  einzelnen  grösseren  oder 
kleineren  Bezirken  sind  einige  recht  gute  Arbeiten  anzuführen.  Die  Anfänge  des  Reut- 
linger  Buchdrucks  stellt,  soweit  dies  bei  dem  Mangel  jeglicher  urkundlichen  Nachricht 
möglich  ist,  Steiff^^)  dar,  indem  er  zugleich  die  Reutlinger  Inkunabeln  bibliographisch 
beschreibt.  Er  zählt  76  sichere,  17  zweifelhafte  und  8  angebliche  Reutlinger  Drucke 
auf.     Es  ergiebt  sich  daraus,   dass  der  Beginn  der  Druckerthätigkeit  infl  Jahr  1481  und 

M.  9,00.  |[CBlBibl.  7,  8.  425/9  (WyHs);  LCBl.  S.  1812/3  (0.  v.  H.  =  Meinem  an  n).]  |  —  26)  X  Th.  Wen  zel  burger,  D. 
Erfindung  d.  Buchdruckerkunst.  Mainz  od.  Hartem  7  Unsere  Zeit.  Jahrg.  1890.  1,  S.  56<>— 65.  —  27  X  E.  Grosse,  D.Jubelfeier 
d.  Buchdruckerkunst:  Gartenlaube.  S.  .507—12.  —  28)  X  A.  Trinius,  Z.  Ältesten  Druckergesch. :  M Antiquariat.  1,N.9.  (Dem 
Ref.  nicht  zugXnglich.)  —  29)  A.  Wys»,  D.  neuesten  deutschen  Forsch,  z.  Gutenbergfrage:  CBlBibl.  7,  S.  407— 29.  —  30)  J. 
Kemke,  Aus  dem  XX  artium  liber  des  Paulus  Paulirinus.  ib.  S.  144/9.  —  31)  Kequin,  Virnprimerie  ä  Avignon  en  1444. 
Paris,  Picard.  20  «.,  1  Taf.  |  [CBlBibl.  7,  S.  248-51  (D  z  iatzko).]  |  —  32)  0.  Thierry-Poux,  Premiers  mon.iments  de 
Pimprimerie  en  France  au  15.  siicle.  Paris,  Hachette  &  Cie.  Fol.  24  H.,  40  planches.  Fr.  48,00.  —  33j  K.  Steiff,  Zur 
Gesch.   d.   Reutlinger   Bucbdnieks   im    1.  Jh.  d.    Buchdruckerkunst.    Separatabdr.   der  „Reutlinger  ÖMchichtsblatter",    1890. 


1,4:  K.  Kocheiidörffer,  Schrift-  und  Buchwesen.  41 

die  Vollendung  des  ersten  datierten  Druckes  in  das  Jahr  1482  fällt,  und  dass  die  grosse 
Fruchtbarkeit  schon  1509  beziehungsweise  1511  abschliesst.  Zwischen  1509  (1511) 
und  1525  hat  es  keine  Presse  in  Reutlingen  gegeben,  und  auch  die  1525  wieder  auf- 
tauchende Presse  ist  unbedeutend.  Offenbar  war  die  kleine  Reichsstadt  nicht  der  ge- 
eignete Boden  für  eine  grössere  Druckerei.  Der  erste  Drucker  ist  Johannes  Otmar,  der 
1497  nach  Tübingen  übersiedelt  und  dort  die  Reihe  der  Typographen  eröffnet.  Ihm 
folgt  Michael  Greyif,  dessen  erste  datierte  Drucke  ins  Jahr  1486,  dessen  letzte  1509 
fallen.  Der  di'itte  Drucker  ist  Hans  von  Erfurt,  der  1515—1519  in  Augsburg,  1522  bis 
1524  in  Stuttgart  thätig  war  und  1525—1532  in  Reutlingen  arbeitete.  Auf  Otmar 
entfallen  von  den  76  sicheren  Drucken  34,  auf  Greyff  29,  auf  Hans  von  Erfurt  5  Dracke. 
Von  8  musste  S.  es  unentschieden  lassen,  ob  sie  Otmar  oder  Greyff  gehören.  Was 
die  Stoffe  der  Druckwerke  betrifft,  so  waren  es  in  erster  Linie  litterarische  Hilfsmittel 
für  die  Geistlichen,  dann  Schulbücher  und  endlich  Volksbücher,  welche  der  Reutlinger 
Presse  entstammten.  —  Mit  der  Ermittelung  einer  ganzen  Anzahl  von  Drucken  einer 
Presse,  von  der  man  bisher  ausser  ihrer,  übrigens  auch  nur  vermuteten,  Existenz 
nichts  wusste,  überrascht  uns  Knaake-^-*).  Er  weist  auf  Grund  sorgfältiger  Forsclumg 
Lukas  Cranach  dem  Aeltern  22  sichere  und  14  wahrscheinliche  Drucke  aus  den  Jahren 
1523  und  1524  nach,  die  durchgehends  kein  Impressum  haben.  —  Seine  verdienstliche 
Quellenstudie  zur  Geschichte  der  Typographie  in  Tirol  bis  zum  Beginne  des  17.  Jh., 
die  1888  erschien,  setzt  Waldner^ö)  fort,  indem  er  dem  Innsbrucker  Hofbuchdrucker 
Hans  Baur,  der  von  1577 — 1602  arbeitete,  eine  eingehende  Monographie  widmet  luid  die 
von  ihm  und  seinem  Sohne  Daniel  ausgeführten  Werke,  soweit  sie  erhalten,  biblio- 
graphisch beschreibt.  Baur  druckte  unter  anderm  die  von  Erzherzog  Ferdinand  verfasste 
„Comoedi  Speculum  Vitae  Humanae"  1584  und  „Deiparae  virginis  tutela  ^lakoyixuyq 
concinnata",  die  sein  Sohn  Hieronymus  Otho  Agricola  gedichtet  hatte.  —  Zu  den  zu- 
sammenfassenden Darstellungen  der  Mecklenburgischen  Buchdruckergeschichte  von  Lisch, 
Wiechmann  und  Hof  meist  er  36)  in  den  Jahrbüchern  für  mecklenburgische  Geschichte 
giebt  der  letzte  eine  Nachlese,  in  der  er  Rostocker  Drucke  der  Michaelis-Brüder,  des 
Hermann  Barckhusen  (der  nach  der  Rostocker  Matrikel  als  Sohn  Peter  Barckhusens  von 
Warburg  bestimmt  wird),  von  Dr.  Nicolaus  Marschalk,  Ludwig  Dietz,  Stephan  Mölle- 
mann und  Augustin  Ferber  dem  Aeltern  bespricht.  —  Gruchot^'')  entwirft  eine  ge- 
di-ängte  Darstellung  der  Geschichte  der  Buchdruckerei  in  Braunsberg,  die  1589  auf  Be- 
treiben des  seit  1565  dort  ansässigen  Jesuitenkollegs  gegründet,  1697  an  dieses  Kolleg 
verkauft  wurde  und  nach  der  Auflösung  des  Ordens  1773  eingehen  mxisste.  —  Mit  einer 
vortrefflichen  aktenmässigen  Geschichte  des  Buchdrucks,  zugleich  auch  eingehend  auf 
den  Buchhandel,  in  der  Stadt  Riga  hat  uns  Buchholtz^s)  beschenkt.  Sie  umfasst  die 
300  Jahre  seit  der  Einführung  der  Buchdruckerkunst  in  Riga  im  Jahre  1588.  Der  erste 
Drucker  war  Nikolaiis  Mollyn,  ein  Reichsdeutscher,  der  bis  1625  thätig  war.  Von  seinen 
erhaltenen  (160)  Drucken  liefert  B.  eine  musterhafte  Bibliographie.  Litterarisch 
hervorragende  Werke  sind  freilich  nicht  darunter.  Erwähnt  sei  hier  der  livländische  Huma- 
nist und  Dichter  Daniel  Hermann,  von  dem  sechs  Einzeldrucke  und  eine  dreibändige  Samm- 
lung seiner  Dichtungen  aufgeführt  werden.  Von  den  späteren  Buchhändlern  wohl  der 
bedeutendste  und  bekannteste  ist  Johann  Friedrich  Hartknoch,  in  dessen  Verlag  ausser 
Schriften  von  Kant,  Knigge,  Bahrdt,  Klinger  eine  grosse  Anzahl  Herderscher  Werke 
erschien.  —  Einen  Beitrag  zur  Druckerthätigkeit  des  Aldus  Manutiiis  giebt  Bernoni-^^). 
Sein  Streben,  auf  Kosten  dieses  berühmten  Druckers  dessen  Schwiegervater  Andrea 
Torresani  emporzuheben ,'  ist  freilich  nicht  gelungen,  und  fiir  die  Geschichte  der  Bedeu- 
tung jener  venetianischen  Drucker  für  den  Humanismus  bietet  das  Buch,  das  wichtige 
Quellen  unberücksichtigt  lässt,  nichts  Wesentliches.  Dankenswert  aber  ist  das  Verzeichnis 
der  Drucke  des  Andrea  Torresani  und  seiner  Söhne,  sowie  der  Abschnitt  über  den 
römischen  Buchdrucker  Blado  von  Asola.  In  dem  den  Torresani  gewidmeten  Teile 
giebt  B.  auch  eine  italienische  Uebersetzung  von  dem  Dialoge  des  Erasmus  „Opu- 
lentia  sordida",  der  sich  auf  das  Verhältnis  des  Andrea  zu  seinem  Schwiegersohne  Aldus 
bezieht.  —  Von  Nachrichten  über  einzelne  Buchdrucker  sind  die  Artikel  Brauns^o-**)  über 


Keutlingen,  Druck  v.  Carl  Kupp.  40.  17  S.  —  34)  J.  K.  F.  Kiiaake,  lieber  Cranachs  Presse:  CBlBibl.  7,  S.  196—207.  — 
35)  F.  Waldner,  Hans  Baur  (Pawr,  Agricola)  von  1577—1602:  ZFerdinandeum.  34,  S.  165— 2S6.  (Auch  separat  erschienen 
als  Fortsetz.  d.  Quellenstud.  S.  105—74  u.  XXI— XXXIX.)  —  36)  A.  Hofmeister,  Weitere  Beitrr.  z.  Gesch.  der  Buchdrucker- 
kunst in  Mecklenburg:  JbbVMecklG.  54,  S.  181— 224.  (Auch  als  Separat  -  Abdr.  Schwerin,  Bärensprungsche  Hof  buch- 
druckerei. 1889.)  —  37)  H.  Gruchot,  Z.  Gesch.  d.  Braunsberger  Buchdruckerei.  (=  Jaliresbericht  Über  d.  Kgl.  Gymnas. 
zu  Braunsberg.  Ostern  1890.  Braunsberg,  Heyne.  40.  —  38)  A.  Buchholtz.  Gesch.  d.  Buchdruckerkuri.st  in  Riga 
1588—1888.  Festschrift  der  Buchdrucker  Rigas  z.  Erinn.  an  die  vor  300  Jahren  erfolgte  Einführung  d.  Buchdruckerkuiist  in 
Riga.  Riga,  Müllersche  Buchdr.  40.  VIII,  377  S.  M.  15,00.  |  [OBlBibl.  8,  S.  218—20  (Wetzel);  LCBl.  S.  1021/2; 
VossZg.  1891,  N.  14  (0.  Harnack);  NatZg.  N.  224.]  |  —  39)  D.  Bernoni,  Dei  Torresani,  Blado  e  Ragazzoni  celebri 
stampatori  a  Venezia  e  Roma  nel  XV  e  XVI  secolo  cogli  elenchi  annotati  delle  rispettive  edizioni.  Milano,  Hoepli.  VIII, 
403  S.  M.  8,00.  |[RCr.  30,  S.  87/9  (P.  de  Nolhac).]|  —  40)  J.  Braun,  Georg  Schapflf:  ADB.  31,  S.  779—80.  —  41)  id., 
Johann  Schauer:  ADB.    30,  S.  621/2.  —   42)  id.,  Johann  Schaeffler:  ADB.    31,  S.  779.    —   43)  id.,  Crispin  ScharfTenberg :  ib. 


42  1,4:  K.  Kocheiidörffer.  Hchrift-  imd  Buchwesen, 

Georg  Schapff,  Hans  Schauer,  Joliann  Schaeffler,  Crispiii  Scharffenberg,  Gereon  Arnold 
Schanherg  zu  nennen.  Georg  Schapff  war  Formschneider  in  Augsburg.  Der  einzige 
von  ilnn  bekannte  Holztafeldruck  ist  Johann  Hartliebs  Ciroinantia,  die  1448  (nicht,  wie  man 
fi-tilier  annahm,  1470)  gedruckt  ist.  —  Hans  Schauer,  von  B.  irrtümlich  mit  Froschauer 
identifiziert,  ein  wandernder  Buchdrucker,  ist  der  erste  Drucker  Müncliens,  wo  von  ihm  am 
28.  Juni  1482  eine  deutsche  Uebersetzung  der  „Mirabilia  in-bis  Romae"  erschien.  Von 
149<i — 1510  befindet  sich  seine  Presse  in  Augsburg.  —  Ebenfalls  zu  den  wandernden 
Buchdruckern  gehört  Joliann  Schaeffler,  der  1493 — 1501  in  Ulm,  zu  derselben  Zeit  aucli 
in  Freisingen  inid  später  in  Konstanz  druckt.  —  In  dem  Aufsatz  über  Crispin  Scharffen- 
berg, der  15B0 — 1553  in  Görlitz,  1553 — 1576  in  Breslau  druckte,  verfolgt  B.  in  kurzem 
Abriss  die  Geschichte  dieser  Druckerei  bis  auf  den  heutigen  Tag.*''-^^)  — 

Busch*'^)  setzt  sein  Verzeichnis  der  Kölner  Inkunabeln  in  der  grossherzog- 
lichen Hofbibliothek  zu  Darmstadt  fort  imd  verzeichnet  darin  die  Drucke  der  Offizinen 
des  Johannes  Koellioff  und  des  Peter  von  Olpe.  —  Bahlmann^)  beschreibt  die  fünfzehn 
deutschen  und  eine  niederländische  Inkunabel  der  Paulina  in  Münster  aus  den  Jahren 
1480 — 1490.  —  Dziatzko'"»!)  stellt  fest,  dass  der  Zweifel  an  der  Echtheit  des  30zeiligen 
Ablassbriefes,  den  er  in  seinen  Beiträgen  zur  Gutenbergfrage  aufgeworfen,  nicht  be- 
rechtigt ist.  Ebenda  macht  er  mit  guten  Gründen  wahrscheinlich,  dass  der  Fust- 
Schöfiersche  Druck  von  S.  Basilius  „Ad  juvenes  de  legendis  gentilium  libris"  (Hain  2690), 
von  dem  ein  Exemplar  im  Besitze  von  Ludwig  Rosen thal  inMünchen,  das  Datum  „annoLX" 
von  der  Hand  des  Rubrikators  trägt,  erst  dem  Ende  der  sechziger  Jahre  angehört.  — 
SchnorrenbergS-)  weist  dem  Peter  Schöffer  zwei  Fragmente  der  Kölner  Stadtbibliothek 
vnid  dem  Peter  Drach  in  Speier  eine  Ablassbulle  vom  12.  Dezember  1479  zu.  — 

lieber  die  Bibliotheken^^-^'')  im  Herzogtum  Anhalt  und  ihre  Geschichte  handelt 
Hei  mann  ^8).  Yon  Anhaltischen  Klöstern  lassen  sich  nur  zweien  Bibliotheken  nach- 
weisen, der  Benediktiner- Abtei  München-Nienburg  und  dem  Frauenstift  Gernrode.  Die 
Nienburger  wurde  1567  mit  der  Stiftsbibliothek  von  St.  Bartholomaei  in  Zerbst  ver- 
einigt und  später  mit  dieser  in  die  Bibliothek  des  Francisceums  in  Zerbst  übernommen. 
Die  Gemroder  Bibliothek  geriet  später  in  die  fürstliche  Bibliothek  zu  Bernburg.  Es 
ergiebt  sich,  dass  in  Anhalt  die  IQöster  nicht  wie  an  anderen  Orten  während  des  Mittel- 
alters die  Mittelpunkte  gesteigerter  geistiger  Thätigkeit  gewesen  sind.  Ein  regeres 
geistiges  Leben  beginnt  in  Anhalt  erst  mit  der  Reformation.  —  Eine  orientierende 
Uebersicht  über  die  Geschichte  der  Wolfenbüttler  Bibliothek  giebt  Weihe-59).  —  Lessings 
Bedeutung  als  Bibliothekar  und  seine  Verdienste  um  die  ihm  anvertraute  Büchersamm- 
lung schildert  von  Heinemann^o)^  indem  er  hervorhebt,  dass  Lessing  auf  eigentlich  biblio- 
thekarische Arbeit  sich  so  gut  wie  gar  nicht  eingelassen  hat.  Diese  besorgte  sein 
Sekretär  von  Cichin.  —  Mitteihxngen  über  die  k.  k.  Studienbibliothek  zu  Olmütz,  be- 
sonders über  deren  Handschriften  bringt  Beeröi).  —  In  seinen  Veröffentlichungen  der 
Stadtbibliothek  in  Köln  fährt  Key ss er ''2)  fort,  indem  er  diesmal  eine  Denkschrift  tiber 
die  Büchererwerbungen  und  die  Verwaltungs-  und  Benutzungsbestimmiingen  der  Biblio- 
thek vorlegt.  63)  —  Verdienstlich  ist  die  Herausgabe  von  Bibliothekskatalogen  6*-''*).  — 


8.  780.2.  —  44)  id.,  Gereon  Arnold  Scliauberg:  ADB.  30,  S.  620/1.  —  45)  XL-  KrUnkel,  Jan  von  Nyenborch :  MAnt-iquariat. 
1,  N.  10.  11.  (Dem  Ref.  nicht  ziig9ngIifJi.)  —  46)  A.  Trinius,  Johann  Dicel:  ib.  N.  7,  8,  9.  (Dem  Ref.  nicht  /.ugänglich.)  — 
47)  X  Th.  nistel,  Nachrr.  über  d.  Buchdrucker  Schwerte!  ii.  Welack  zu  Wittenberg  (1578):  AGDBuchhandel.  1:J,  S.  252/3. 
—  48)  X  A.  Kirchhoff,  Michael  Härder  von  Zwickau  1561:  ib.  S.  251.  —  49)  R.  Busch,  Verz.  d.  Kölner  Inkun.  in  d. 
Grossherzogl.  Hofbibl.  zu  Darmstadt.  III.:  CBlBibl.  7,  S.  129—42.  (I.  II.  ib.  6,  S.  97—107,  38.5—93.)  —  50)  P.  Bahlmann, 
D.  deutschen  u.  niederJänd.  Inkun.  d.  Kgl.  Paulinischen  Bibl.  zu  Münster  i.  W. :  ib.  S.  96/9.  —  51)  K.  Dziatzko,  Bibliograi>h. 
Miscellen:  ib.  .S.  18—29.  —  52)  J.  Schnorrenberg,  Bibliographisches  aus  d.  Kölner  Stadtbibl.:  ib.  S.  314/7.  —  53)  X  A. 
Gräsel,  GrundzUge  d.  Bibliotliekslehre  mit  bibliogr.  u.  erläut.  Anraerk.  Neubearbeitung  v.  J.  Petzholdts  Katechismus  d. 
Bibliothekenlehre.  Leipzig,  Weber.  XII,  424  S  M.  4,50.  [[CBIBibl.  8,  S.  54'7  (Oscar  Meyer);  LCBl.  1891,  S.  183/4 
(Steffenhagen);  DLZ.  12  S.  1230/1  (Kochendörf  fer).]|  —  54)  X  P-  E.  Ri  ch  ter,  Ver/..  d.  Bibl.  mit  gegen  50000 
u.  mehr  Banden.  I.  Deutschland,  Oesterreich-Ungarn,  Schweiz,  England,  Nord-Amerika.  S.-A.  aus  dem  Export-Journal. 
Leipzig,  Iledeler.  27  S.  M.  3,00.  —  55)  X  Gröpler,  Büchereien  mittelbarer  Forsten  u.  Grafen  leutsel-lands  u.  Oesterreichs. 
S.-A.  aus  d.  bibliogr.  Wochenschr. :  D.  Archiv.  Berlin,  Druck  von  Ostrowski.  29  S.  M.  0,50.  —  56)  X  id.,  Büchereien  mittelbarer 
Fürsten  u.  Grafen  Deutschlands  u.  Oesterreichs  sowie  ehem.  freien  Deutschen  Reichsstädte,  zusammengestellt.  Dessau,  Druck 
v.  L.  Reiter.  13  S.  (Ist  Fortsetz.  v.  55.  Beide  Teile  v.  dieser  wertlosen  Schrift  sind  zusammen  als  2.  Aufl.  1891 
in  Kahles  Verlag  in  Dessau  erschienen.)  —  57)  XChr.  Buepp recht,  Münchens  Bibliotheken.  (=rS.-A.  aus  d.  Münchener 
Stadtzeitnng.)  München,  Selbstverlag.  79  .S.  M.  1,00.  —  58)  F.  Heimann,  Z.  Gesch.  d.  Biblioth.  in  Anhalt:  MVAnhaltG. 
.5.  S.  616— ,52.  —  59)  E.  Weihe,  D.  herzogliche  Bibl.  zu  WolfenbUttel :  HambCorr«.  N.  6,  S.  41f4.  —  60)  0.  von 
Heinemann,  Lessings  Amtsgenosse  in  Wolfenbüttel:  Grenzboten.  49,2.  S.  162—65,  257—67.  —  61)  R.  Beer,  Mit- 
teilungen über  d.  K.  K.  .Studienbibl.  zu  Olmütz:  CBIBibl  7,  S.  474—81.  —  62)  A.  Keysser,  D.  BOcherer Werbungen  d.  Kölner 
Stadtbibl.  Denkschrift.  II.  Bestimmungen  über  d.  Verwaltung  u.  Benutzung  d.  Stadtbibl.  (—  Veröffentl.  d.  Stadtbibl.  in  Köln. 
3.  Heft.)  Köln,  Du  Monl-Schauberg.  VIII,  72  S.  M.  2,.50.  —  63)  X  O.  Kleinstück,  Bibliotheken  u.  Kataloge  Litterarische 
Plaudereien  eines  BUcherliebhabers.  I.  D.  Bibliothek  d.  Handelskammer  zu  Leipzig:  D.  Bücherfreund.  M.  0,:M».  (Beachtens- 
wert ist  die  Klage  Über  die  oft  so  thöricht  u.  geschmacklos  gewählten  BUchortitel  u.  d.  Unsitte  bei  fortlaufenden  Werken  *. 
Oesamttitel  im  Laufe  d.  Zeit  mannigfach  zu  ändern.)  —  64)  X  A.  Ulrich,  Katalog  d.  Bibl.  d  bist.  Voreins  f.  Niedersachsen. 
Hft.  1.  2.  Hannover,  Gebr.  Jttnecke.  1888/W.  VllI,  193  S.  M.  I,<i0.  IV,  394  S.  M.  2,00.  |[CBlBibl.  8,  S.  350/4  (C.  Häber- 
lin.JI  —  65)  X  Katalog  d.  Coinmerz-Bibl.  in  Hamburg.  .5.  Fortsetz.  1885—90.  Hamburg,  Bureau  d.  Haiidelskaminer.  4". 
S.  2069—248  u.  CXXXXI  — CLXX.  —  66)  X  G.  Beckmann,  Katalog  d.  Stadt  -  Bibl.  (Bibliotheca  Lepsiana)  zu 
Nanmburg    a.    8.      Im    Auftrage    d.    Magistrats    angefertigt.     Naumburg,    G.    Patzscho    Buckdr.     VI,  63   S.     —    67)    >'.   O. 


1,4:  K.  Kochendörffer,  Schrift-  und  Buchwesen.  43 

Bibliographie.  Für  die  umfänglichere  Verwertung  von  Programmen  und 
Dissertationen  ist  jetzt  gut  gesorgt,  seitdem  den  Jahresverzeichnissen  der  Universitäts- 
schriften''''')  ebensolche  der  Schulschriften''*')  sich  angeschlossen  haben.  Da  hiermit  eine 
feste  Grenze  gegeben  ist,  so  kaini  mit  Erfolg  an  die  Verzeichniing  der  früher  erschienenen 
Abhandlungen  geschritten  werden.  Für  die  Strassburger  Universitätsschriften ''''),  für  die 
es  am  wenigsten  schwer  war,  ist  denn  auch  diese  Arbeit  schon  geschehen.  Ebenso  hat 
Renn ■'8)  in  Fortsetzung  der  Gutenäckerschen  Zusammenstellungen  für  die  letzten  fünf 
Jahre  vor  dem  Beginn  der  Jahresverzeichnisse  die  Schulprogramme  Bayerns  zusammen- 
gestellt. Von  den  schweizerischen  Mittelsclnüen  haben  wir  ein  Verzeichnis  der  Pro- 
gramme seit  1855  von  Büeler''^);  von  den  österreichischen  den  1.  Teil  eines  solchen  von 
Bittner''^'')  über  die  Jahre  1874 — 89.  —  Ueber  denlnhalt  folgenderZeitschriften  und  Samm- 
hmgen:  Deutsche  Revue,  Deutsche  Rundschau,  Jahrbuch  für  Gesetzgebinig,  Nord  und 
Süd,  Preussische  Jahrbücher,  Ueber  Land  und  Meer,  Unsere  Zeit,  Vom  Fels  zum  Meer, 
Westermanns  Monatshefte,  Gesellschaft,  Russische  Revue,  Schorers  Familienblatt,  OefFent- 
liche  Vorträge  gehalten  in  der  Schweiz,  Sammlung  gemeinverständlicher  wissenschaft- 
licher Vorträge,  Deutsche  Zeit-  und  Streitfi'agen  hat  W.  M.  GriswoldS")  in  seiner  be- 
kannten kurzen  und  sorgfältigen  Art  einen  Index  (No.  VIII)  avisgearbeitet.  —  Von  biblio- 
graphischen Zusammenstellungen  über  einzelne  litterarische  Erscheinungen  seien  die 
folgenden  erwähnt.  Eine  Bibliographie  deutscher  Hochzeitsgedichte  und  Scherze  hat 
Hayn^i)  herausgegeben,  derselbe^-')  eine  solche  für  die  deutsche  Rätsellitteratur  bis  zur 
Neuzeit.  —  Auf  eine  Reihe  zum  Teil  seltener  Nummern  aus  der  Reinecke  Fuchs-Litteratur 
in  dem  antiquarischen  Bücher-Anzeiger  No.  VI  der  Buchhandhmg  von  Oskar  Gerschel 
in  Stuttgart  verweist  L.  Frank el 83).  —  Umfassend  ist  die  Litteratur  deutscher  Pilger- 
reisen nach  dem  heiligen  I^ande  verzeichnet  von  Röhricht^*).  —  Bahlmann^-'')  giebt 
aus  Münster  eine  Nachlese  zu  A.  Heyers  Nachträgen  zu  Wellers  Bibliographie  der  ersten 
deutschen  Zeitungen. 86-87)  —  Die  Litteratur  über  das  Oberammergauer  Passionsspiel 
verzeichnet  Ackermannes).  —  Eine  Bibliographie  der  deutschen  Uebersetzungen  der 
Werke  Byrons  rührt  von  Flaischlen^'»)  her.  — 

Zur  Geschichte  des  deutschen  Buchhandels  hat  auch  in  dem  Berichtsjahr 
wiederum  das  „Archiv  für  Geschichte  des  deutschen  Buchhandels"  eine  Reihe  von  in- 
teressanten Aufsätzen  gebracht.  Nach  Kirchhof f^o)  charakterisiert  sich  die  erste  Periode 
des  deutschen  Buchhandels  durch  die  Herrschaft  des  Wanderverkehrs  sowohl  der  Buch- 
führer als  der  Verleger.  Sie  streben  zunächst  nach  dem  unmittelbaren  Verkehr  mit  der 
bücherkaufenden  Masse.  In  der  zweiten  Periode  entwickelt  sich  der  reine  Messverkehr 
und  Handel  über  die  Mess-  und  Kommissionsplätze  Leipzig  und  Frankfurt.  Ueber  die 
Absatzverhältnisse  grösserer  Firmen  auf  diesen  Messen  giebt  der  Vf.  nun  an  verschie- 
denen Beispielen  Aufschluss.  —  Auf  Grund  der  Leipziger  Ratsakten  giebt  Kirchhoff''*) 
ferner  eine  Zusammenstellung  der  Leipziger  Sortimentsbuchhändler  oder  Buchfülirer  bis 
zum  Jahre  1600  xuid  der  Kleinhändler  bis  zum  Jahre  1650    imd  damit  einen  wertvollen 


Morgenstern,  Verz.  d.  alten  Drucke  d.  Gymnasialbibl.  Teil  !?.  D.  Sebersclie  Bibl.  Oster-Progr.  Meiningen,  Keyssnersclie 
Hofbuchdr.  4".  14  S.  —  68)  X  H.  Gebier,  D.  Bibl.  d.  Donikirclie  zu  Eatzeburg.  Jabresbericht  über  d.  Gymnasium. 
Ratzeburg,  Freystatzky.  4".  20  S.  —  69)  X  P-  Hgen,  Katalog  d.  sogen.  Kirchenbibl.  zu  Porau.  3.  Teil.  Beil.  z.  Progr. 
d.  Kgl.  Gymnasiums  zu  Sorau.  4".  16  S.  —  70)  X  Marquardt,  Alpbab.  Verz.  d.  Mecklenburgica  d.  Domscbulbibl.  zu 
Güstrow.  1.  Teil.  (=  Wiss.  Beil.  z.  Progr.  d.  Domscbulbibl.)  Göstrow,  Katsbuchdruckerei.  40.  23  S.  —  71)  X  W.  Casten- 
dyck,  Katalog  d.  Lelirerbibl.  d.  Stadt.  Realgymn.  zu  Elberfeld.  Nacb  Fächern  geordnet.  Beil.  z.  Osterprogr.  Elberfeld, 
Sam.  Lucas.  214  S.  —  72)  X  W.  Steffen,  Katalog  d.  Lebrerbibl.  d.  stadt.  Realschule  zu  Remscheid.  Beilage  z. 
Jahresbericht.  Remscheid,  Krumm.  fi6  S.  —  73)  X  H.  Greiner,  Verz.  d  Schüler-Bibl.  d.  Realgymn.  zu  Weimar.  S.-A. 
aus  d.  28.  Jahresbericht.  Weimar,  Hof-Buchdr.  4".  13  S.  —  74)  X  Verz.  d.  in  d.  Üniv.-Bibl  zu  Halle  vorhandenen,  seit  1830 
orscliienenen  Zeitschriften.  Halle,  Niemeyer.  IV,  25  u.  16  S.  —  75)  Jahres-Verz.  d.  an  d.  Deutschen  Universitäten 
erschienenen  Schriften.  V.  Berlin.  Asher.  321  S.  M.  10,00.  —  76)  Jahres-Verz.  d.  an  d.  Deutschen  Schulanstalten  erschien. 
Abhandlungen.  I.  Berlin,  Asher.  2  Bll.,  69  S.  M.  2,00.  —  77)  Verz.  d.  an  d.  Kaiser  Wilhelms -Univ.  Strassburg  vom 
Sommer  1872  bis  Ende  1884  erschienenen  .«chriften.  Strassburg,  Heitz.  74  S.  —  78)  F.  Renn,  Verz.  d.  Progr., 
welche  in  d.  Kgl.  Bayer.  Lyceen  etc.  vom  Schuljahre  1823/4  an  erschienen  sind.  Abt.  4:  1).  Schuljahre  1884|,5— 1888/!».  II. 
Progr.  d.  Studienanstalt  Landshut.  Landshut,  Thormann  62  S.  —  79)  G.  BUeler,  Verz.  d.  Progr.-Beil.  d.  schweizer. 
Mittelschulen.  Frauenfeld,  Hubers  Buchdr,  4".  V,  68  S.  M.  1,60.  —  79a)  J.  Bittner,  Syst.-geordn.  Verz.  d.  Progr.arbeiten 
österr.  Mittelsch.  a.  d.  J.  1874-89.  1.  T.  .*..  Paedagogik  u.  Schulliygiene.  B.  Altklass.  Philol.  S.-A.  a.  d.  Progr.  d.  k.  k.  Staatsgymn. 
in  Teschcn.  Teschen,  Staks.  39  S.  —  80)  W.  M.  Griswold,  Autoren-  u.  Sachregister  zu  d.  bedeutendsten  deutschen 
Zeitschriften  1886/9  u.  zu  verschiedenen  Sammlungen.  Cambridge  (Mass.),  4».  X,  48  S.  —  81)  H.  Hayn,  Biblio- 
theca  Germanorum  nuptialis.  Verz.  v.  Einzeldrucken  deutscher  Hochzeitsgedichte  u.  Hochzeitsseherze.  KBln,  Teubner.  VI, 
89  S.  M.  4,00.  |[DLZ.  N  3  (0.  Meyer)][  (Vgl.  u.  III,  2  N.  1.)  -  82)  .S.  u.  II,  5  N.  43.  —  83)  L.  Fränkel,  Z.  Reineke- 
Fuchs-Bibliographie :  CBlBibl.  7,  S.  99—101  u.  262^  (Vgl.  u.  II,  3  N.  17  ff.)  —  84)  R.  Röhricht,  Bibliotlieca  geo- 
graphica Palaestinae.  Chronolog.  Verz.  d.  auf  d.  Geographie  d.  heiligen  Landes  bezüglichen  Litt,  von  3:«  — 1878  u. 
Versuch  e.  Cartographie.  Berlin,  Reuther.  XX,  742  S.  M.  24,00.  —  85)  P.  Bah  Im  an  n,  Noch  einige  deutsche  Zeitungen  d. 
16.  Jh.:  CBlBibl.  7,  S.  142/4.  —  86)  XX  Ki  rehhoff,  D.  älteste  Leipziger  Zeitungswesen.  Vortrag:  Mitteil.  d.  deutschen 
Gescllsch.  z.  Erforsch,  vaterl.  Spr.  u.  Altertümer.  8,  Hft.  3,  S.  68-96  (unzugänglich.)  —  87)  X  J-  Franeus,  E.  Vorläufer 
unserer  Tageszeitungen:  MAntiquariat.  1,  N.  8.  (Nicht  zugänglich.)  —  88)  F.  A.  Ackermann,  D.  Bibliographie  von  Ober- 
ammergau  im  25.  Decennium  seines  Passionsspiels:  BBlDBuchhandel.  No.  121.  S.  2884/6.  (Vgl.  III,  4  N.  38  fl.)  —  89)  C 
Flaischlen,  Lord  Byron  in  Deutschland:  CBlBibl.  7,  S.  455—73.  (Vgl.  IV,  1  N.  124.)  —  90)  X  A.  Kirchhoff,  Lesefrüchte 
aus  d.  Akten  d.  städt.  Archivs  zu  Leipzig.  IV.  Aus  d.  inneren  Geschäftsleben  d.  Buchhandels  um  d.  J.  1600:  AGDBuchhandel. 
13,  S.  177—203.  —  9i)  id.,  D.  Sortiments-  u.  Kleinbuchhändler  Leipzigs  bis  z.  J.  1600  bez.  1650:  ib.  S.  1—96.  —  92)  id.,  D. 


44  1,4:  K.  Kochendörffer,  Schrift-  und  Buchwesen. 

Beitrag  znr  Kenntnis  von  dem  Umfange  des  Leipziger  Platzverkehrs  in  der  angegebenen 
Zeit.  —  Derselbe^-)  belehrt  uns  über  Leipzigs  Stellung  im  internationalen  Bücherverkehr 
des  16.  Jh.,  der  sich  anscheinend  in  der  Hand  Lorenz  Finkelthausens  konzen- 
triert hat.  —  Ebenfalls  aus  Leipziger  Ratsakten,  betreifend  die  Beschwerden  einiger 
Verleger  von  Luthers  Bibel  über  Nachdruck  durch  Sigismund  Feyerabend  im  Jahre 
1570,  über  die  einige  neue  Dokumente  beigebracht  werden,  giebt  Kirchhoff^s)  ^us  dem  ge- 
nannten Jahre  ein  Verzeichnis  des  Leipziger  Lagers  von  Feyerabend,  das  gerichtlich 
beschlagnahmt  wurde,  inid  schliesst  aus  seinem  geringen  Bestände,  dass  es  nicht  ein 
ständiges  Mess-  sondern  Wanderlager  gewesen  sein  müsse.  —  Ein  ausführliches  und 
lebendiges  Bild  erhalten  wir  durch  Kirchhoff^*)  von  dem  Geschäftsgebahren  des  Magde- 
burger Buchhändlers  Johann  Erancke,  der  den  Nachdruck  in  umfassender  Weise  betrieb 
und  einer  der  rührigsten  Händler  seiner  Zeit  gewesen  ist.  Er  wird  dabei  doch  in  ein 
erheblich  günstigeres  Licht  gestellt,  als  er  in  den  amtlichen  Schreiben  des  Leipziger 
Rats  und  in  dem  Urteile  seiner  ihm  wegen  seiner  glänzenden  Geschäfte  missgünstigen 
Kollegen  erscheint.  —  Einen  für  die  Censurverhältnisse  in  Sachsen  um  1500  interessanten 
Brief  der  Herzogin  Sidonie  an  ihren  Sohn,  den  Herzog  Georg  von  Sachsen,  teilt  Gess^^) 
mit,  worin  sie  sich  für  Aufhebimg  des  Verkaufsverbotes  der  im  Jahre  1498  von  Kunz 
Kachelofen  gedruckten  Uebersetzung  von  Taulers  Predigten  verwendet.  —  F.  H.  Meyer^^) 
bespricht  die  Thätigkeit  der  Buchhandlungsdeputierten,  einer  staatlich  festgesetzten 
Vertretung  des  deutschen  Buchhandels  aus  seiner  Mitte,  deren  intellektueller  Schöpfer 
Philipp  Erasmus  Reich  im  Anfange  der  siebziger  Jahre  des  vorigen  Jahrhunderts  war, 
nach  dessen  Tode  sie  auch  wieder  verschwand.  In  ihrem  Hauptarbeitsfelde,  der  Be- 
kämpfung des  Nachdrucks,  haben  diese  Deputierten  nur  wenig  erreicht.  Sie  gingen 
auch  gegen  den  Betrieb  des  Buchhandels  durch  Nichtbuchhändler  vor.  So  beschweren 
sie  sich  über  den  Dr.  Karl  Friedrich  Bahrdt,  der  „auf  den  thörigten  Einfall  gerathen, 
mit  Beyhülffe  der  Nachdrucker  im  Reich,  alle  guten  Schrifften  nachzudrucken,  um  sie 
um  den  halben  Ladenpreis  an  die  Liebhaber  zu  verlassen".  Als  nicht  zünftig  erregten 
auch  die  netigegründete  Buchhandlung  der  Gelehrten  und  die  verlegenden  Buchdrucker 
Besorgnis.  «7-104)  _ 

Der  Bucheinband  hat  eine  gute,  auch  auf  seine  Geschichte  eingehende  Be- 
handlung von  Adami'^s)  erfahren.  106)  —  Zum  Schlüsse  dieses  Referats  sei  auf  das  Buch 
von  Wehle'^'')  hingewiesen,  das  in  geschickter  Weise  die  geschäftliche  Seite  der  Bücher- 
produktion zur  Darstellung  bringt.  — 


1,5 

Kulturgeschichte. 

Richard  M.  Meyer. 

Aufgabe.  —  Allgemeine  Kulturgeschichte:  Allgemeine  Darstellungen  N.  1.  —  Sachlich  spezialisierte  Ar- 
beiten N.  7.  —  Sachlich  und  zeitlich  spezialisierte  Arbeiten  N.  11.  —  Mythologie  und  Volkskunde  N.  13.  —  Angewandte 
Kulturgeschichte  N.  39.  —  Spezi  eile  Kulturgeschich  te;  Tiere  und  Pflanzen  N.  54.  —  Sitten,  Feste  und  Gebrauche 
N.  59.  —  Lokalstudien:  grössere  Gebiete  N.  74;  Städte  N.  84;  geistliche  Stiftungen  N.  94;  Stadt-  und  Landadel  N.  100;  Ein- 
zelnes N.  102.  —  Sttlndiiich  spezialisierte  Arbeiten  N.  108.  —  Persönlichkeiten  N.  119.  —  Schlusswort.  — 

Während  der  Referent  in  Bezug  auf  diejenigen  Umstände,  welche  der  Bericht- 
erstattung des  ersten  Jahres  besondere  Schwierigkeiten  bereitet  haben,  auf  das  Vorwort 
der  JBL.  verweisen  kann,  muss  er  einige  allgemeine  Bemerkungen  vorausschicken,  um 
auseinanderzusetzen,    in  welcher  Weise  er  seine  Aufgabe   jetzt  und  künftig    zu    erfassen 


lycipziger  Bllchermesse  u.  d.  internationale  Verkehr  im  16.  Jli.:  ib.  8.  97 — 102.  —  93)  id.,  Sigismund  Feyerabends  Wander- 
lager in  Leipzig  i.  J.  1570:  ib.  8.  103 — 10.  —  94)  id.,  E.  spekulativer  Buchhändler  alter  Zeit:  Johann  Francke  in  Magdeburg: 
ib.  8.  11.5—76.  —  95)  F.  Gess,  Spuren  d.  Censur  in  8achsen  um  d.  J.  1500:  ib.  8.  245/6.  —  96)  F.  Herrn.  Meyer,  Keform- 
bestreb.  im  18.  Jh.  2.  D.  Thätigkeit  d.  Buchhandlnngs-Deputierten :  ib.  S.  213—44.  —  97)  X  F.  Gess,  Presspolizei  auf  d. 
I^eipziger  Messe  1.531:  ib.  8.  250.  —  98)  X  A.  Kirchhoff,  Z.  Gesch.  d.  Sachs.  Pressverhältnisse  in  d.  kryptocalvinistischen 
Zeit:  ib.  8.  2.57/9.  —  99)  X  F-  Gess,  Buchhllndler-Briefstyl  1.580:  Hans  Börner  in  Leipzig  n.  Melchior  Sachse  in  Erfurt:  ib. 
S.  111/4.  —  100)  X  F.  Herm.  Meyer,  Etwas  über  Wolf  PrSunlein:  ib.  S.  247—50.  —  101)  X  id.,  Johann  Gottlob  Immanuel 
Breitkopf  im  Kampfe  gegen  Missbräuche  in  den  Druckereien:  ib.  S.  204 — 12.  —  102)  X  A.  Koch,  Nicolai  in  Berlin  contra 
Stahel  in  WUrzburg:  ib.  8.  2M/8.  —  103)  X  K.  Boxberger,  Johann  Daniel  Sander:  ADB.  30,  8.  :{.50.  —  104)  X  "• 
}{[tldiger],  E.  Verlagskontrakt  v.20.  Aug  14.59:  HambNachr«.  N.  7.  v.  16.  Febr.  (Nicht  zugänglich.)  —  105)  P.  Ad  am  ,  D.  Buch- 
einband. Seine  Technik  u.  seine  Gesch.  Leipzig,  Seemann.  268  S.  M.  3,60.  —  106)  X  K-  Burger,  Nene  Werke  z.  Gesch. 
d.  Buchbinderei:  Kunstgewerbeblatt.  N.  F.  1.  Hft.  1.  —  107)  J.  H.  Wehle,  D.  Buch.  Technik  u.  Praxis  d.  Scbriftstellerei. 
Handbuch  fUr  Autoren.    2.  Aufl.    Wien,  Pest,  Leipzig,  Hartleben.    247  8.    M,  3,00.  — 


1,5:  R.  M.  Meyer,  Kulturgeschichte.  45 

gedenkt.  Schon  was  denn  überhaupt  „Kulturgeschichte"  sei,  ist  eine  vielumstrittene 
Trage;  noch  weniger  wird  darüber  Einigkeit  zu  erzielen  sein,  wie  weit  die  Entwickelungs- 
geschichte  der  Menschheit  —  wemi  wir  die  Kulturgeschichte  als  solche  auffassen  wollen 
—  in  die  Berichte  über  neuere  Litteraturgeschiclite  hineinzuziehen  ist.  Ich  glaubte  mich 
hier  nicht  sowohl  auf  einen  philosopliischen,  als  vielmehr  auf  einen  praktischen  Stand- 
punkt stellen  zu  sollen.  Praktisch  hat  für  die  Litteraturgeschichte  die  Geschichte  der 
Kultur  insoweit  Bedeutiuig,  als  sie  Schriftsteller  oder  Schriften  besser  verstehen  lehrt. 
Sie  wird  für  mis  wesentlich  die  Lehre  von  den  litterarhistorischen  Umgebungen :  vom 
„Khma",  wie  Goethe  sagte,  vom  „Milieu",  wie  sich  die  Modernen  ausdrücken.  In  diesem 
Sinne  also  gedenke  ich  sie  hier  aufzufassen.  Freilich  bleibt  auch  das  noch  unbestimmt 
genug.  Auch  mit  dieser  Auslegung  könnte  dieser  bescheidene  Teil  der  JBL.  allein  schon 
zu  dem  werden,  was  einst  Herder  in  grossartigem  Entwurf  plante:  „Jahrbuch  der  Schrif- 
ten für  die  Menschheit!  ein  grosser  Plan!  ein  wichtiges  Werk!  Es  nimmt  aus  Theo- 
logie und  Homiletik ;  aus  Auslegung  und  Moral ;  aus  Kirchengeschichte  und  Ascetik  .... 
Dazu  dient  alsdann  Historie  und  Roman,  Pohtik  und  Philosopliie,  Poesie  und  Theater 
als  Beihilfe  ....  Ein  solches  Journal  wäre  für  alle  zu  lesen!  Wir  habens  nocli  nicht, 
ob  wir  gleich  Materialien  dazu  haben!  Es  würde  in  Deutschland  eine  Zeit  der  Bildung 
schaffen,  indem  es  auf  die  Hauptaussicht  einer  zu  bildenden  Menschheit  merken  lehrte." 
(Herders  Lebensbild  2,  S.  189;  Suphan  4,  S.  367.)  So  hoch  reicht  weder  unsere  Kraft 
noch  auch  nur  unsere  Absicht,  ob  wir  gleich  nicht  leugnen,  dass  wir  ein  solches  Jahr- 
buch auch  heute  noch  für  ein  höchst  ersehntes  Ideal  hielten.  Wo  aber  ist  ehi  Argus, 
dem  nirgends  entginge,  was  diese  kulturgeschichthche  Sonnen  warte  zu  melden  hätte? 
Wir  müssen  resolut  alles  zunächst  ausscheiden,  was  zu  der  charakteristischen  Färbung 
eines  litterarische  Früchte  tragenden  Bodens  nicht  mitwirkt.  Für  diesmal  mUssten  wir 
wohl  oder  übel  manche  unwesentHche  Kleinigkeit  mitnehmen;  wir  werden  immer  mehr 
auf  die  Betonung  des  Wesentlichen  zu  achten  haben;  Vollständigkeit  ist  in  diesem  Teil 
keineswegs  zu  erstreben.  Auszuscheiden  ist,  was  die  litterarische  Atmosphäre  nicht  direkt, 
sondern  höchstens  durch  Analogie  andeutet:  Berichte  über  Musik,  über  bildende  Künste 
und  über  Ereignisse  rein  politischer  Natur. 

Für  die  allgemeine  Kulturgeschichte  sind  bedeutendere  Werke  nicht  zu 
verzeichnen.  Mehrfach  ist  der  Versuch  einer  populären  Darstellung  des  vorhandenen 
Materials,  nirgends  der  Versuch  einer  Vertiefung  der  Anschauungen  gemacht  worden. 
Henne  amRhyni)  giebt  eine  leicht  lesbare  und  übersichtliche  Darstelhuig  des  Kultur- 
fortschrittes. Sein  Standpunkt  ist  ein  entschieden  optimistischer.  In  der  rein  negativen 
Stellung  zur  Kirche  ist  er  wesentlich  noch  von  Buckle  und  den  älteren  Kulturliistorikern 
abhängig,  während  er  sonst  modernen  Anschauungen  huldigt.  Ueberall  bleibt  die  Be- 
schreibung an  der  Oberfläche  haften;  nirgends  wird  der  Versuch  gemacht,  Kreise  z.  B. 
des  Aberglaubens,  zeitlich  oder  örtlich  zu  umgrenzen,  so  dass  der  Eindrvick  erwächst, 
als  sei  überall  ganz  dasselbe  geschehen.  Dennoch  wird  zwischen  Natur-  imd  Kultur- 
völkern (besonders  1,  S.  83)  schroff  geschieden  und  z.  B.  der  Begriff  der  Schönheit 
ledigHch  aus  der  Subjektivität  unserer  Kulturanschauung  heraus  beurteilt.  Kunst  und 
Luxus  werden  in  moralisierender  Weise  besprochen,  eine  Zurückführung  ihrer  wechseln- 
den Formen  auf  verschiedene  Geistesrichtungen  nirgends  etwa  in  der  Weise  von  Taine 
oder  Wölfflin  versucht.  Trotz  zahlreicher  Mängel  liinterlässt  jedoch  das  Buch  durch 
die  aufrichtige  Wärme  des  Autors  einen  wohlthuenden  Eindruck  und  die  Grundidee 
entspricht  ixnzweifelhaft  den  herrschenden  Anschauungen  der  Gelehrten.  In  fünf  Stufen, 
meint  H.,  arbeite  die  Menschheit  sich  empor;  die  Aufgabe  der  Gegenwart  sei  es, 
in  den  beiden  Begriffen  Kosmopolitismus  und  Individuahsmus  den  starren  NationaHtäts- 
begriff  aufzulösen.  —  Derselbe  Autor  2)  hat  den  wesentlichen  Inhalt  des  grösseren 
Werkes  in  seinen  kulturgeschichtlichen  Skizzen  kürzer  dargelegt.  Hier  werden  einer- 
seits die  Kulturkreise  und  die  nationalen  Eigenarten,  andrerseits  bestimmte  kultur- 
historische Stichpunkte  wie  Gruss,  Aberglaube,  Verhältnis  zur  belebten  und  imbelebten 
Welt  in  popidärer  Weise  durchgesprochen.  Zuweilen  überwiegt  das  Anekdotische,  in 
der  Regel  das  Typische.  Willkommen  wird  weiteren  Kreisen  besonders  der  letzte 
Abschnitt  über  die  neueste  religiöse  Bewegung  in  Indien  sein.  •^-^)  —  Eine  zusammen- 
hängende Uebersicht  der  ersten  Zeithälfte  deutscher  Kulturgeschichte  giebt  Nonne- 
mann^):  1000  Jahre  deutscher  Kulturgeschichte.  Die  gangbaren  Quellen  von  Tacitus 
bis  Ekkehard  sind  geschickt  verwertet  und  in  anschauhcher  Darstellung  reihen  sich  die 
Bilder  aneinander.  Doch  ist  jener  glückliche  Wechsel  von  Quellenberichten  und  eigener 
Erzählung,  den  Freytags  Bilder  aus  der  deutscheii  Vergangenheit  bieten,  nicht   erreicht, 


I)  0.  Henne  ain  Rhyn,  D.  Kultur  d.  Vergangenheit,  Gegenwart  u.  Zukunft  in  vgl.  Darstellung.  Danzig,  Leipzig, 
Wien,  Hinstorff.  I:  412.  11:581  S.  M.  9,00.  —  2)  id.,  Kulturgescli.  Skizzen.  Berlin,  AUg.  Verein  f.  Deutsche  Litt.  1889—90. 
III,  327  S.  M.  5,00.  —  3)  X  '  ^-t  Die  Jesuiten,  deren  Gesch.,  Verfassung,  Moral,  Politik,  Religion  u.  Wissenschaft.  Leipzig,  Ziegen- 
hirt. VIII,  92  S.  M.  1,50.  (Nicht  erhalten.)  —  4)  X  i'^-i  D.  Buch  d.  Mysterien  u.  geheimen  Gesellschaften.  3.  Aufl.  Leipzig,  Ziegenhirt. 
1  Lief.   48  S.   M.  0,40.    (Nicht  erhalten.)  —  5)   F.  Nonnemann,  1000  Jahre  deutscher  Kulturgesch.  in  populärer  Darstellung, 


46  1,5:  R.  M.  Meyer,  Kulturgeschichte. 

die  Tiefe  p.sj^chologisc.her  Erfassung,  welche  Freytags  unschätzbares  Werk  auszeichnet, 
nicht  einmal  erstrebt.  Ein  Fortschritt  über  dasselbe  ist  auch  sonst  in  keiner  Weise  zu 
erkeinien.  —  Zum  Abschluss  gelangte  Hirths**)  kulturgescliichtliches  Bilderbuch.  Man 
darf  wohl  behau})ten,  dass  eine  derartige  Folge  wohlgewählter  Bilder  für  die  An- 
schauung vergangener  Zeiten  kaum  weniger  leistet  als  eine  Reihe  geschickt  ausgesuchter 
Anekdoten;  nur  erschwert  naturgemäss  der  hohe  Preis  die  Verbreitung  solcher  An- 
schauungsbücher. Werke  von  beschränkteren  Zielen,  wie  z.  B.  Könneckes  Bilderatlas 
zur  Geschichte  der  deutschen  Litteratur,  haben  den  Vorzug  grösserer  Zugänglichkeit; 
in  sechsbändige  Prachtwerke  wird  sich  nicht  leicht  jemand  vertiefen,  der  nicht  Fach- 
mann ist,  und  dem  wieder  sind  die  Originale  doch  kaum  zu  ersetzen.  — 

Von  sachlich  spezialisierten  Arbeiten'')  sind  vor  allem  Kotelmanns^) 
Stildien  zu  nennen.  Es  ist  erstaunlich,  welch  reichen  Schatz  von  Realien  man  der  alten 
Kanzelberedsamkeit  unter  den  verschiedensten  Gesichtspunkten  entnehmen  kann.  Ueber 
Ernährung,  Kleidung,  Haut-  und  Haarpflege,  Prostitution  und  Unsittlichkeit,  körperliche 
Uebungen,  ärztliche  Hilfe,  Krankenpflege  und  Totenbestattung  referiert  K.  in  sechs 
inhaltsvollen  Kapiteln.  Er  hat  sich  in  den  interessanten  Stoff  mit  grossem  Eifer  ver- 
senkt, und  es  ist  lehrreich,  die  zum  Teil  allerdings  auch  sonst  schon  benutzten  Stellen 
hier  mit  sachverständigem  ärztlichen  Urteil  geprüft  zu  sehen.  Der  Vf.  kommt  zu  dem 
Ergebnis,  die  hygienischen  Anschauungen  unserer  Prediger  seien  fast  ausnahmslos  ge- 
sunde gewesen.  Er  sieht  den  Grund  in  der  vielseitigen  Bildung  der  Geistlichen,  mehr 
aber  noch  in  ihrem  warmen  Herzen  für  die  Natur.  Einen  wesentlichen  Anteil  hat  aber 
gewiss  auch  die  Tradition,  welche  den  Geistlichen  zum  geborenen  Arzt  seiner  Gemeinde 
machte  und  ihn  mit  der  Volksempirie  in  lebendiger,  oft  gefährlicher,  oft  glücklicher 
Verbindung  erhielt.  Die  Prediger  keimen  die  Krankheitsursachen  schon  aus  dem  Beicht- 
stuhl; ihre  Pflicht  ist,  prophylaktisch  die  Krankheiten  der  Völlerei,  der  Unsittlichkeit, 
der  ungesunden  Kleidung  usw.  zu  bekämpfen.  Ebenso  haben  sie  auch  ihre  Gemeinde 
vor  Pfuschern  und  Betrügern  zu  schützen  und  erst  recht  vor  Zauberkünsten.  Parteiisch 
stehen  sie  nur  den  körperlichen  Uebungen  gegenüber,  wo  moralische  Bedenken  über 
hygienische  Erwägungen  den  Sieg  davontragen.  Ungern  vermisst  man  eine  Besprechung 
der  öffentlichen  Hygiene,  und  zu  bedauern  ist  es,  dass  der  Vf.  Schönbachs  wichtige 
„Altdeutsche  Predigten"  nicht  mehr  benutzen  konnte.  —  Eine  einzelne  Seite  desselben 
Gebietes  behandelt  in  populärer  Form  Eyssenhardt^).  Man  ist  überrascht,  im  17.  Jh. 
noch  vielfach  die  Tradition  der  mittelalterlichen  Arzneikunst  fortdauern  zu  sehen;  frei- 
lich hat  noch  im  18.  Jh.  Goethe  die  alte  Verbindung  von  Magie  und  Arznei  am  eigenen 
Köri)er  kennen  gelernt.  —  Einzelne  Seiten  der  deutschen  Kulturgeschichte  behandeln 
femer  zahlreiche  Aufsätze  verschiedener  Zss.,  besonders  der  „Alemannia" ;  wir  heben  liier 
nur  den  Aufsatz  „Sittengeschichtliches"  von  Birlingeri'')  hervor.  — 

Zeitlich  und  inhaltlich  spezialisierte  Ausschnitte  aus  der  Kulturgeschichte 
geben  die  Arbeiten  von  Vallat^*)  und  Wenck^^),  Der  letztere  bringt  eine  sorgfältige 
dokumentarische  Geschichte  der  Urteile  und  Stimmungen,  welche  die  grosse  französische 
Revolution  in  Deutschland  hervorrief  Fast  durchweg  sind  es  Belege  zu  den  oft  zitierten 
Versen  aus  „Hermann  und  Dorothea" :  erst  allgemein  freudiger  Anteil,  dann  seit  Beginn 
der  Schreckensherrschaft  und  vor  allem  seit  der  Hinrichtung  des  Königs  entsetztes  Ab- 
wenden, zum  Teil  Zurückweichen  bis  ins  entgegengesetzte  Lager.  Aber  diese  allgemeine 
Regel  individualisiert  sich  doch  in  interessanter  Weise  in  Persönliclikeiten  wie  Schlosser, 
Förster,  Wieland,  Herder,  den  hannoveranischen  Politikern,  den  politisierenden  Schrift- 
stellern wie  Campe  und  Knigge,  den  schriftstellernden  Staatsmännern  wie  K.  F.  Moser 
und  Gentz.  Zahlreiche  andere  Schriftstellernamen  sind  durch  kleinere,  aus  dem  Namen- 
verzeichnis leicht  zu  ersehende  Belege  vertreten,  so  Archenholtz,  Balirdt,  Basedow,  Bode, 
Boie,  Bürger,  Cranz,  Einsiedel,  Garve,  Gleim,  Goeckingk  (sehr  charakteristisch),  v.  Halem, 
Hermes,  IfFland,  Kästner,  Knebel,  v.  Kotzebue,  Mauvillon,  Joli.  Müller,  J.  G.  Schlosser, 
Schubart,  C.  T.  Spittler,  F.  v.  Stolberg,  Tiedge,  Voss,  Zimmermann,  besonders  auch 
Klopstock  sowie  Schiller  und  Kömer.  Jene  Regel  modifiziert  sich  femer  nach  der 
Politik  der  Staaten,  welchen  die  Urteiler  angehören,  und  nach  der  Konstellation  der 
allgemeinen  Politik,  und  in  all  diese  zarten  Schwankungen  führt  uns  der  Autor  nach 
seiner  schon  bekannten  ebenso  gewissenhaften  als  gescliickteu  Methode  ein.  — 


Berlin,  Eckstein.  342  S.  M.  5,00.  —  6)  G.  Hirth,  Kulturgesch.  Bilderbuch  aus  3  Jlih.  6  Bande.  MUnchen,  Hirth.  .Jeder  Bd. 
M.  30,00.  (Nicht  erhalten.)  —  ?)  XA.  Freiherr  v.  Kremer,  Studien  z.  vgl.  Kulturgesch..  vorzllgl.  nach  arab.  Quellen.  1.  u.  2.  Wien, 
Tempsky  in  Conim.  1889.  Lex.  8.  60  S.  M.  1,20.  (Nicht  erhalten.)  —  8)  K.  Kotelinann,  Oosundheit«iiflege  im  Mittelalter 
Kulturgesch.  Studien  u.  Predigten  d.  13.,  14.  u.  15.  .Ih.  Hamburg  u.  Leipzig,  Vos.s.  276  S.  M.  6,00.  —  9)  F.  Eyssenhardt, 
Arzneikunst  u.  Alchemie  im  17.  .Ih.  (=  Sammlung  gemeinverstandl.  Wissenschaft!.  Vortrr.  her.  v.  Virchow  n.  Wattenbach. 
N.  F.  96.)  Hamburg,  Verlags-Anstalt  n.  Druckerei  A.-(i.  32  S.  M.  0,60.  -  10)  A.  Hirlinger,  Sittengeschichtliches:  Alemannia. 
17,  S.  282/5.  —  II)  Vallat,  Etudes  d'histoire,  de  nioeurs  et  d'art  nnisical  sur  la  lin  du  18.  siede  et  la  premiere  moitlö  du 
1».  «i^cle  dapres  des  documents  in6dits.  Paris,  Quantins.  18».  255  S.  M.  3,50.  —  I2)W.  Wenck,  Deutschland  vor  100  Jahren 
2.    (Polit.    Meinungen    u.   Stimmungen    in   d.   Revolutionszeit.)     Leipzig,    Grunow.     VIII,    283   S.    M.    5,00.    |[LCßl.    S.    1670; 


1,5:  R.  M.  Meyer,  Eulturgeschichte.  47 

Eine  wichtige  Seite  der  allgemeinen  Kulturgeschichte,  die  Mythologie  kann  liier 
natürlich  nur  ganz  leise  angefasst  werden,  so  sei  auf'F.  Kauffmanns  i^)  Arbeit  hingewiesen, 
deren  Erfolg  mindestens  beweist,  dass  auch  in  ungelehrten  Kreisen  wieder  ein  Bedürfnis  nach 
sachverständiger  Belehrung  über  die  Grinidlagen  des  nationalen  Glaubens  besteht,  i^)  — 
Das  Fortleben  uralter  Anschauungen,  zuweilen  beweisbar,  öfters  nur  behauptet,  führt 
über  zu  jenem  Abschnitt  der  Kulturgeschichte  der  Gegenwart,  welchen  man  Volks- 
kunde zu  nennen  pflegt.  Hier  also  handelt  es  sich  um  die  Beleuchtung  solcher  kultur- 
historischen Verhältnisse,  die  zur  Kennzeichnung  des  noch  fortdauernden  Volkslebens 
wichtig  sind.  Leider  überwuchern  auf  diesem  Gebiet  noch  immer  dilettantische  Ver- 
suche den  metliodischen  Betrieb,  für  welchen  der  neugegründete  „Verein  für  Volks- 
kunde" unter  der  Leitung  von  Männern  wie  Weinhold,  Stehithal,  Virchow  nunmehr 
hoffentlich  einen  festen  Mittelpunkt  bilden  wird.  Die  mehr  wohlgemeinten  als  wert- 
vollen oder  doch  nur  als  Material  schätzbaren  Beiträge  warmherziger  Liebhaber  sammelten 
bisher  sich  vorzugsweise  in  zahlreichen  kleinen  provinziellen  Blättchen,  daneben  aber 
besonders  in  der  Zeitschrift  „Am  Ur-Quell"  i^),  welche  unterschiedslos  gute  Beobachtungen 
und  kritiklose  Zusammenstellungen,  Volkslieder,  Sprichwörter  und  ethnographische  Phan- 
tasien bringt  und  sich  nach  der  Empfehlung  des  Verlegers  „namentlich  unter  gebildeten 
Oekonomen,  Gutsbesitzern,  Gewerbetreibenden,  Kaufleuten,  Offizieren"  grosser  Verbrei- 
tung erfreut.  Hierin  wird  man  immerhin  ein  Symptom  mehr  für  das  erfreulich  wachsende 
Literesse  des  Volkes  an  seinem  eigenen  Wesen  sehen;  dass  der  zufliessende  Stoff  nicht 
kritisch  gesichtet,  das  naive  Literesse  nicht  durch  strengere  Nachprüfung  vor  Täubchungen 
bewahrt  wird,  ist  sehr  zu  bedauern.  —  Auch  die  sehr  viel  wissenschaftlicher  gehaltene 
„Zeitschrift  für  vergleichende  Litteraturgeschichte  und  Renaissance-Litteratur"  '•^j  ist  zur 
Prüfung  des  wirklich  nationalen  Gehalts  in  Volksliedern  und  Sprüchen,  2ur  Kontrolle 
von  formellen  oder  inhaltlichen  Entlehnungen  und  dgl.  nützlich.  —  Zwischen  beiden 
steht  in  ihrer  Haltung  die  „Zeitschrift  für  Volkskunde",  nicht  so  dilettantisch  und  bunt 
wie  die  erste,  nicht  so  sacliverständig  und  ausschliesslich  litterarisch  wie  die  zweite. 
Ein  Spezimen  ihrer  Behandhnigsweise  sind  z.B.  die  Untersuchungen  von  Knoopi'').  — 
Allgemeinere  Zusammenstellungen  über  moderne  Ueberbleibsel  bringen  ferner  die 
Aufsätze  von  Liebrecht  i^),  dem  grössten,  nun  verstorbenen  Kenner  völkerpsycho- 
logischer Anekdoten,  Unseidi^),  Birlinger^oj  und  die  Schrift  von  Rogge-i).  — 
Einzehie  Seiten  der  Volkskunde  bearbeitet  das  hübsche,  geschickt  gesammelte  und  ge- 
schickt verarbeitete  Buch  von  U.  Jahn^^);  spezielle  Mythologeme  besprechen  z.  B.  die 
Aufsätze  über  die  Weisse  Frau^^)  und  die  Weissagespiele  der  Zwölfnächte  ^^).  —  Ist  in 
all  solchen  Sagen,  Märchen,  Traditionen  der  deutenden  Phantasie  nur  zu  viel  Spielraum 
gelassen,  so  spricht  um  so  deutlicher  das  Volk  selbst  in  Sprüchen,  Lischriften,  Redens- 
arten seine  Meinung  aiis.  Auch  hier  freilich  ist  oft  eine  liistorisch-etymologische  Rück- 
führung auf  ältere  Zeiten  nötig,  die  für  die  deutschen  Redensarten  überwiegend  glück- 
lich das  selir  empfehlenswerte  Büchlein  von  Albert  Richter  25)  liefert.  Sprüche  und 
Spruchartiges  aus  Hss.  bringt  Schönbach  26)^  vereinzelte  Sprüche  stellen  Dickmann  27) 
und  neben  eigenen  fremde  Sanders  2^)  zusammen.  Einen  besonders  interessanten  Zweig 
der  „Volksepigrammatik"  bespricht  Terburg29)j  während  Sohns  •'O)  auf  die  uralte  und 
unversiegbare  Quelle  des  Volkswitzes  in  der  Sprache  hinweist  und  für  die  absichtlich 
und  unabsichtlich  umdeutende  Volksetymologie  zahlreiche  Beispiele  bringt.  —  Noch 
lehrreicher  als  derartige  allgemeine  Betrachtungen  oder  immer  etwas  willkürliche  Zu- 
sammenstellungen sind  die  zahlreichen  örtlich  beschränkten  Sammlungen  des  mündlichen 
und  epigraphischen  Volkswitzes  inid  ähnlicher  Bekundungen  der  Volksseele.  Am  reichsten 
füessen  sie  noch  immer  in  den  alten  Hauptländern  des  Volksliedes,  dem  bayerischen  und 
dem  alemannischen  Dialektgebiet.  Li  den  Alpen  sammelt  mit  Eifer  von  Hörmann  ^i-^2j 
Haussprüche  und  Lischriften.  Die  zierlichen  kleinen  Bändchen  in  der  niedlichen  Aus- 
stattung des  Liebeskindschen  Verlags   enthalten  eine  Fülle  nachdenklicher  Sprüche  und 

LZg».  N.  70;  SchwäbChron.  S.  1104/5;  Post  N.  140.]  |  —  13)  F.  Kiiuffmann,  Deutsche  Mythologie.  (=  Sammlung  Göschen, 
15.)  Stuttgart,  Göschen.  12.  107  S.  M.  0,80.  |  [DLZ.  12,  S.  1050;  LCBl.  1891,  S.  892(3.]|  —  14)  X  A.  v.  Brandenstein, 
1>.  Gesch.  d.  Teufels  :MLJA.  59,  S.  587— 90.  (Populär,  bietet  nichts  als  e.  Auswahl  v.  e.  paar  Anekdoten  aus  Grafs  grösserem  Werk 
Ufer  d.  Teufelsglauben.)  —  15)  Am  Ur-Quell.  Monatschrift  f.  Volkskunde,  her.  v.  H.  Carstens  u.  F.  S.  Krauss.  Hamburg,  Kramer. 

—  16)  Zeitschrift  f.  vgl.  Litt.-Gescli.  u.  Renaissanee-Litt.,  her.  v.  M.  Koch  u.  L.  Geiger:  N.  F.,  Bd.  3.  Berlin,  Haack.  Lex.  8. 
M.  14,00.  —  17)  0.  Knoop,  1).  neu  entdeckten  Göttergestalten  u.  Göttornamen  d.  nordd.  Tiefebene:  ZVK.  2,  S.  449— 59; 3,  S.  41/8. — 
18)  X  F.  Liebrecht,  Z.  Volkskunde:  Germania.  35,  S.  201—17,  346-52.  —  19)  W.  Unseld,  Volkstümliches,  Lieder,  Sprich- 
wörte.r,  Kedensarten:  Alemannia.  17,  S.  170/4.  —  20)  A.  Birlinger,  Besegnungen,  Aberglauben,  ib.  S.  239—47.  —  21).  X  C. 
Kogge,  Aberglaube,  Volksglaube  u.  Volksgebrauch  d.  Gegenwart  nach  ihrer  Entstehung  aus  altgerm.  Heidentum.  Pr.  Rogasen. 
32  S.  (Nicht  erhalten.)    —    22)   U.  Jahn,  Schwanke   und  Schnurren   aus   Bauern  Mund.    Berlin,  Mayer  &  Mttller.    140  8.  M.  1,00. 

—  23)  Anfänge  u.  Anklänge  d.  Sage  v.  der  „weissen  Frau"  in  d.  deutsehen  Volkssage,  bes.  d.  Schwausage:  LZg".  N.  112/4. 
(Nicht  zugänglich.)  —  24)  A.  Tille,  D.  Weissagespiele  d.  Zwölfnächte:  Gartenlaube  N.  49.  —  25)  Albert  Richter,  Deutsche 
Keden.sarten.  Leipzig,  Richter.  1889.  1G8  S.  M.  3,60.  —  26)  A.  E.  Schönbach,  SprUche  u.  Spruchartiges  aus  Hss. 
VLG.  3,  S.  359—63.  —  27)  H.  Dickmann,  Schenken- u.  RatskellersprUche:  ÜL&M.  N.  47.  —  28)  D.  Sauders,  DeuksprUche: 
Gartenlaube   N.  34.   —   29)   G.  Terburg-Arminiu  s,   Inschriften   an  berühmten  Glocken:   VolksZg».   N.  8.     (Nicht   erhalten.) 

—  30)  Sohns,  Volkswitz  in  d.  Sprache:  Gartenlaube  N.  12.  —  31)  L.  von  Hörraann,  HaussprUche  aus  d.  Alpen.  Leipzig, 
.Liebeskind.     16.    XXIV,    201  S.    M.  1,50.    |  [MLJA.   59,    S.  775.] |    —   32)    id.,    Grabschriften  u.  Marterlen.    2.  Folge.    Leipzig, 


48  1,5:  R.  M.  Meyer,  Kulturgeschichte. 

keinen  Mangel  an  erheiternden;  die  Volksweisheit  auf  der  Gasse  zeigt  sich  derb  und 
gesund,  oft  sclielmisch  versteckt.  Rätselspiele  und  tiefsinnige  Gedanken  lösen  Triviali- 
täten und  platte  Einfälle  ab,  und  gewandte  Verskünstler  fehlen  nicht  neben  plumpen 
Reimern.  Es  ist  recht  das  „Milieu"  der  bayrisch  -  österreicliischen  Dorfgescliichten ; 
so  wenig  bei  Anzengruber  oder  Rosegger,  Schmid  oder  Stieler  der  Tölpel  neben  dem 
Dorfweisen  fehlen  darf,  so  wenig  bleibt  er  hier  aus,  und  oft  glaubt  man  Anzengrubers 
köstlichen  „Sinnirer"  in  Person  zu  hören.  —  Weniger  cliarakteristisch  sind  naturgemäss 
die  Kinderreime  aus  Kärnten  ^3);  die  pommerschen^^)  klingen  auch  nicht  viel  anders.  — 
Etwas  steifer,  zuweilen  ein  wenig  französiert  in  der  zierlicli-gesuchten  Haltung  sind  die 
Sprüche  inid  Liedchen  aus  dem  Elsass,  die  Eber3-'>V  Rathgeber ^^^^  Spieser^^)  ge- 
sammelt haben,  wie  ja  auch  Auerbach  sentenziöser  ist  als  die  Bajuvaren.  —  Weniger 
neues  Material  als  eine  hübsche  Sammlung  meist  schon  bekannter,  vorzugsweise  humo- 
ristischer Reime  und  Inschriften  bietet  Falck^*^).  —  Das  Buch  von  Wislockis^**») 
endlich  schildert  die  seit  Goethes  „Götz"  in  '  der  deiitschen  Litteratur  und  weiterhin 
(bei  V.  Hugo,  Merimee  usw.)  dann  in  der  ganzen  Weltlitteratur  so  hochgeschätzten 
Zigeuner,  unvergleichlich  brauchbar  für  romantische  Effekte  und  deshalb  auch  in  Mörikes 
„Maler  Nolten"  so  wirkungsvoll  verwandt.  — 

All  die  bisher  besprochenen  Schriften,  Darstellungen  der  K\üturentwickelung 
und  der  Mythologie,  Schilderungen  der  Kulturverhältnisse  zu  bestimmten  Zeitpunkten 
und  der  Volkskunde  der  Gegenwart,  fallen  noch  unter  die  Rubrik  der  allgemeinen  Kultur- 
geschichte, während  die  Behandlung  einzelner  Gebräuche,  die  Beschreibung  einzelner 
Ortschaften,  die  Geschichte  einzelner  Personen  in  die  spezielle  Kiilturgeschichte  gehören. 
Zwischen  beiden  vermittelnd  steht  gleichsam  als  der  Gipfel  der  Kulturgeschichte,  von  wo 
die  Seiten  nach  rechts  und  links  sich  herabsenken,  die  angewandte  Kulturgeschichte, 
die  Volkspädagogik  da.  Zur  Zeit  des  aufgeklärten  Despotismus  und  der  Populär- 
philosophie blühte  dieser  Zweig  der  Litteratur;  heute  ist  er  dürftig  verti'eten.  Die 
pädagogische  Tendenz  sprechen  am  deutlichsten  die  Schriftchen  von  Baldensperger^^) 
und  Luise  Gutbier*^)  aus.  Der  interessante  Vortrag  von  B,  geht  von  der  Charakte- 
ristik der  modernen  Litteratur  aus,  wobei  er  jedoch  fast  nur  die  französische  berück- 
sichtigt und  im  Urteil  von  dem  bekannten  Schweizer  Kritiker  Rod  sich  abhängig  zeigt; 
in  der  bildenden  Kunst  ist  er,  höchst  unmodern,  Verehrer  nicht  nur  von  Cornelius, 
sondern  sogar  von  Kaulbacli.  Er  klagt  die  Kunst  und  Litteratur  der  Gegenwart  materia- 
listischer und  sensualistischer  Tendenzen  an  und  verlangt,  dass  man  dem  Eindringen 
des  sie  verschuldenden  „Dilettantismus",  des  alle  Rollen  gleichmütig  spielenden  In- 
differentismus Widerstand  leiste.  —  Verlangt  der  Geistliche  nur,  dass  gegen  den 
litterarischen  Angriff  Front  gemacht  werde,  so  vertritt  die  Lehrerin  die  Aufgabe  der 
Bühne,  als  moralische  Anstalt  zu  wirken ;  sie  wirft  mit  grossen  Worten  und  Stammbuch- 
versen gewaltig  um  sich  und  hat  auch  hin  und  wieder  Gedanken.  —  Verwandter 
Art  ist  die  Schrift  eines  ungenannten  Theologen  ^i )  über  Theater  und  Kirche.  *2 )  —  Speziell 
eine  pädagogisclie  Auswahl  der  Litteratur  wird  von  den  Pragelisten  der  „100  besten 
Bücher"  43)  erstrebt.  Bekanntlich  hat  man  zuerst  in  England  eine  „Volksabstimmung" 
über  die  besten  Bücher  vorgenommen;  dann  hat  Schönbach**)  in  seinem  wertvollen 
Buche  die  Erage  auf  das  pädagogische  Gebiet  hinübergespielt  und  statt  einer  Liste  der 
beliebtesten  eine  solche  der  empfehlenswertesten  Bücher  gegeben.  Die  Buchhandlung 
Pfeilstück  er  hat  dann  in  diesem  Sinne  Umfrage  gehalten  und  ein  kurioses  Ergebnis  er- 
zielt; die  Zeitungen  haben  wieder  aus  den  dort  gesammelten  Listen  tendenziös  heraus- 
gefischt, was  sie  gelesen  wünschen.  Eine  Aufstellung  von  Speziallisten  für  Volks-  und 
Schulbibliotheken,  für  Leser  bestimmter  Altersklassen  luid  bestimmter  Kreise  dürfte 
diesem  willkürlichen  und  unpraktischen  Verfahren  weit  vorzuziehen  sein.  —  Eine  em- 
pirische Methode  befolgt  die  Redaktion  des  „Deutschen  Hausschatzes"  in  ihrer  Sammlung 
von  „Lieblingsdichtem"  45)^  die  daher  über  den  Geschmack  des  katholischen  Publikums 
ganz  gut  unterrichtet.  Es  kann  dabei  an  das  schon  etwas  vor  unserer  Referatsperiode 
erschienene  Buch   „Bücherkleinode  evangelischer  Theologen"    erinnert  werden,    welches 


Liebeskind.  16.  XII,  152  S.  M.  1,50.  —  33)  B.  SchU ttelkopf ,  Kinderreime  n.  Kinderspiele:  NCarintliia.  3,  S.  131/6,  191/3. 
—  34)  0.  Knoop,  Plattdeutsches  aus  Hinterpommern.  Progr.  d.  Gyranas.  Beilage.  Kogasen.  S.  6 — 10.  —  35)  C.  Eber, 
Elsftssische  Kinder-  u.  Wiegenlieder,  Kinderreime:  JbGElsLothr.  6,  S.  132/7.  —  36)  3.  Rathgeber,  Elsassisclie  Sprich- 
wörter u.  sprichwJirtliche  Redensarten:  ib.  S.  138—43.  —  37)  J.  Spieser,  MUnsterthaler  Spraohproben.  Sprichwörter: 
ib.  S.  144—54.  —  38)  K.  Falck,  Art  u.  Unart  in  deutschen  Bergen.  Berlin,  Meidinger.  VIII,  110  S.  M.  2,00.  —  38«)  H. 
von  Wisloeki,  V.  wandernden  Zigeunervolke.  Bilder  aus  d.  Leben  d.  siebenbllrger  Zigeuner.  Geschichtliches,  Ethnologisches, 
Sprache  u.  Poesie.  Hamburg,  Verlagsanstalt.  IX,  390  S.  M.  10,00.  (Nicht  erhalten.)  —  39)  F.  Baldensperger,  L'influenee 
du  dilettantisme  artistique  sur  la  morale  et  la  religion.  Strassburg,  Heitz.  37  S.  M.  0,60.  —  40)  Luise  Gutbier,  D.  dramat. 
Kunst  als  Volksbildnerin.  Berlin,  üehraigke.  29  S.  M.  0,30.  —  41)  Theater  u.  Kirche.  Darstellung  ihres  geschichtl.  Verhält- 
nisse» mit  e.  Ausblick  in  d.  Zukunft,  v.  e.  Theologen.  Bremen,  Heinsius.  55  S.  M.  0,60.  |  [DDichtung.  9,  S.  131.) |  — 
42)  X  C.  Wald,  Socialdemokratie  u.  Volkslitteratur.  Leipzig,  Stauffer.  31  K.  M.  1,00.  —  43)  D.  100  besten  BUcher.  Berlin, 
PfeiUtUcker.  8«.  92  S.  M.  0,60.  |[KZg.  N.  7;  0.  Roquette:  VossZg».  N.  3;  Didaskalia  N.  10;  NWUrzbZg.  N.  14;  CMS.  47, 
8.  449;  Volkswohl  14,  S.  38/9.]|  —  44)  E.  Schönbach,  Ueber  Lesen  u.  Bildung.  Graz,  Leuschner  u.  Lubensky.  1889.  XIII, 
210  S.   M.  3,50.    —   45)  Lieblingsdichter:   Deutscher  Hausschatz.    (Vgl  Germania  [Berlin]  N.  142  3.)  —  45a)   H.  Ziegler, 


1,5:  H.  M.  Meyer,  KulturgeschicKte.  49 

freilich  durch  ausführliche  Beginindung  der  Urteile  von  sachverständigster  Seite  noch 
höheren  Wert  erhält.  —  Eine  Umfrage  enthält  auch  das  Büchlein  „Frauenlieblinge"  her- 
ausgegeben von  H.  Ziegler^Ra).  Die  Listen  der  befragten  Damen  sind  entschieden  in- 
dividueller als  die  meisten  der  nach  den  „besten  Büchern"  befragten  Herren,  weil  sich 
die  Damen  mit  grösserer  Aufrichtigkeit  zu  ihren  kleinen  Liebhabereien  bekennen.  So 
betrachtet  Frau  Frischen  (S.  39  f.)  die  neuere  Litteratur  fast  lediglich  unter  dem  Gr- 
sichtspunkt  der  Antivivisektion ,  und  Frau  von  Hohenhausen  (S.  72  £)  scheint  nur 
Autoren  mit  adeligen  Namen  zu  würdigen.  Im  allgemeinen  werden  natürlich  Lyriker 
(besonders  Baumbach  und  J.  Wolff)  bevorzugt;  auffallend  ist,  dass  Schiller  kaum  öfter 
genannt  wird  als  Groethe.  Heyse  fehlt  befremdlicher  Weise  fast  ganz;  dagegen  sind 
W.  Scott  und  J.  Sand  noch  stark  vertreten.  Das  Muster  einer  Liste  von  Frauen- 
lieblingen bringt  wohl  Elisabeth  Messerschmidt  (S.  83  f.)  in  typischer  Weise,  eine  an- 
spruchsvolle pädagogische  Auswahl  Frau  Lina  Morgenstern  (S.  90  f.).  Vergleicht  man 
endlich  die  knappe  und  schöne  Auswahl  der.  verehrten  Luise  v.  Franpois  (S.  38)  mit 
dem  ihr  unmittelbar  vorhergehenden  affektierten  Gerede  der  Nataly  von  Eschstruth 
(S.  34  f.;  ziim  Stil  S.  37:  „Religiöse  Bücher  giebt  es  so  viele  vortreffliche,  dass  kaum 
eine  engere  Wahl  miter  den  Lieblingen  zu  treffen  ist"),  so  wird  man  nicht  verkennen, 
dass  diese  Bücherlisten  ein  nicht  zu  unterschätzendes  Dokument  zur  Charakteristik  der 
früheren  und  der  gegenwärtigen  Schriftstellerin  neu  bilden.  —  „Legislativ"  aber  ist  im 
Gegensatz  zu  den  zuletzt  genannten  Versuchen  Georg  Ebers^ß),  der  das  Märchen  in  nicht 
eben  tiefer  Weise  empfielüt.  Wie  viel  mehr  wäre  darüber  in  einer  Zeit  zu  sagen,  in 
der  die  religiöse  und  romantische  Legendendichtung  der  Tolstoi  und  Gottfried  Keller 
und  ganz  besonders  die  wissenschaftlichen  Märchen  von  Lasswitz'*'')  beweisen,  wie 
selir  gerade  diese  Form  geeignet  ist,  dem  modernen  Sehnen  nach  „Wahrheit"  tuid  dem 
nach  „Neuheit"  gleichzeitig  entgegenzukommen,  der  „Sphinx"  und  der  „Chimäre"  in 
Flauberts  berühmtem  Dialog  gleichzeitig  zu  genügen!  Kündigte  sich  doch  schon  in  den 
Erfolgen  der  Jules  Verne  und  Maurus  Jokai  längst  diese  Neigung  zum  ernsten  Märchen 
an,  welches  vielleicht  in  der  populären  Belehrung  noch  eine  grosse  Rolle  zu  spielen 
haben  wird.  Und  die  Kinder  sind  eben  auch  —  Kinder  unserer  Zeit!  —  Mit  der  Ge- 
schichte volkspädagogischer  Einrichtungen  beschäftigt  sich  der  lehrreiche  Aufsatz  von 
Hirschfeld'*^)  über  die  Entwickelung  der  Kunstsammlungen ;  über  die  Resultate  handelt 
Lady  Blennerhasset'^^-^o.  ^^  (\[q  verdienstvolle  Biographin  von  Mme.  de  Stael.  —  Endlich 
mit  Fundamentalfragen  der  Volkspädagogik  befassen  sich  Helferich^i)  und  Mautner- 
Markhof^ä^,  In  geistreicher,  aber  oft  schiefer  Weise  scheidet  H.  „Ideenbringer,  Ideen- 
verständige und  Gelehrte"  und  sucht  nachzviweisen,  dass  den  Gelehrten  lediglich  die 
Verarbeitung  der  von  anderen  produzierten  Ideen  zvifalle  und  dass  sie  selbst  diese  nvu"  un- 
vollkommen leisteten.  Man  spürt  die  Luft  des  „Rembrandt  als  Erzieher".  —  Mautner- 
Markhof  dagegen  ist  selbst  Gelehrter.  Höchst  sachlich  und  ziemlich  trocken  trotz  ge- 
waltsamer Belebungen  gruppiert  und  scheidet  er  philosophisch-psychologisch  unseren 
Anteil  an  den  verschiedenen  Künsten  und  verwandten  Erscheinungen ;  über  Begriffe  wie 
den  der  Spannvmg  und  der  Lösung  wird  scharfsinnig  und  mit  gut  gewählten  Beispielen 
gehandelt,  gewaltsames  Zwängen  freilich  nicht  immer  vermieden.  Der  Grundgedanke  der 
Abhandlung  ist  die  „Hypothese" :  „Jede  Thätigkeit  des  Bewusstseins  ist  von  einem  Lust- 
gefülü  begleitet.  Dieses  Lustgefühl  heisst  ästhetische  Unterhaltung  oder  ästhetisches 
Gefallen";  unter  den  vielen  Autoren,  die  dieselbe  oder  verwandte  Meiimngen  ausge- 
sprochen haben,  nennt  der  Vf.  nur  den  neuerdings  überhaupt  wieder  hochgeschätzten  du 
Bos.  —  In  gewissem  Sinne  gehört  zur  angewandten  Kulturgeschichte  aber  auch  eine  der  her- 
vorragendsten litterarischen  Erscheinungen  des  Berichtsjahres,  das  seitdem  in  einer  inierhört 
grossen  Zahl  von  Auflagen  verbreitete  Buch  „Rembrandt  als  Erzieher"  ^^ ).  Diese  sehr 
geistreiche  und  sehr  willkürliche  Schrift  vereinigt  unbedingte  Heroenverehrung  mit  leiden- 
schaftlicher Sehnsucht  nach  Individualismus,  entschiedene  Freude  am  Derbvolkstümlichen 
mit  heisser  Begier  nach  Schönheit.  In  dieser  Zwiespältigkeit  wie  in  der  übertreibenden 
Betonung  von  landschaftlichen  und  nationalen  Zusammenhängen,  Einflüssen,  Eigenarten 
ist  das  Buch  charakteristisch  für  eine  weitverbreitete  Stimmung.  Die  Ideale  weiter 
Kreise,  die  teils  unter  dem  Einfluss  der  Politik  Bismarcks,  teils  im  Gegensatz  zu  ihr 
sich  ausgebildet  haben,  spiegelt  es  bedeutsam  wieder,  freilich  unter  dem  Gesichtspunkt 
eines  energisch  einseitigen  Temperaments.  Die  Fülle  der  Gegenschriften  ist  allein  schon 
Beweis  für  die  kulturhistorische  Bedeutung  der  Schrift,  Im  einzelnen  enthält  sie  manchen 
feinsinnigen  Wink  zum  Verständnis  Luthers,   Lessings,  Goethes,    Schillers   und  anderer 


Fraiienlieblinge.  Litterarische  Bekenntnisse  deutscher  Frauen.  Leipzig,  Amelang.  o.  J.  120.  yIII,  211  S.  M.  2,00.  — 
46)  G.  Ebers,  E.  Wort  f.  d.  Märchen:  ÜL&M.  32,  N.  40.  —  47)  K.  Lasswitz,  Seifenblasen.  Moderne  Märchen. 
Hamburg  u.  Leipzig,  Voss.  261  S.  M.  4,50.  —  48)  G.  Hirschfeld,  Z.  Entwickelungsgesch.  v.  Kunstsammlungen:  N&S.  52, 
S.  55—76.  —  48)  Lady  Blennerhasset,  D.  deutsche  Mädchen  d.  Gegenwart:  AZgB.  N.  259—60.  —  50)  X  A.  Herzen, 
L'6ducation  de  la  jeunesse  allemande:  EJE.  10,  N.  6.  (Nicht  erhalten.)  —  51)  H.  Helferich,  D.Ideen  u.  d.  Gelehrten:  FrB, 
1,  S.  385—90.  —  52)  0.  Man  tner-Markh  of ,  Aesthetisihe  rnterhaltung.  (S.  o.  I,  3  N.  82.)  —  53)  Rembrandt  als  Erzieher. 
Jaliresberichto  für  neuere  deutsche  Litteraturgoschiclito  I  (D.  4 


50  1,5:  R.  M.  Meyer,  Kulturgeschichte. 

Grössen,    oft   in    unbeabsichtigter  Ergänzung  von  Victor  Hehns    berühmtem  Eingangs- 
kapitel zu  seinen  „Gedanken  über  Goethe".  — 

Indem  wir  nunmehr  zur  speziellen  Kulturgeschichte  übergehen,  suchen 
wir  immer  unserer  Aufgabe,  die  betreifenden  Werke  hier  lediglich  nach  ihrer  Bedeutung 
für  die  Litteraturgeschichte  zu  würdigen,  treu  zu  bleiben. 

Einen  charakteristischen  2ug  jedes  „Klimas"  im  litterarhistorischen  Sinne  liefern 
die  bevorzugten  Tiere  und  Pflanzen^*),  Rose  und  Nachtigall  bilden  das  Wappen  des 
Minnesangs ;  das  edle  Ross,  der  treu  eHund  und  die  blaue  Blume  felilen  auf  keiner  vom 
romantischen  Burgfrätdein  beschrittenen  Wiese.  Henne  am  Rhyn  hat  in  den  besprochene 
Werken  (vgl.  o.  N.  1  und  2)  mit  Recht  ganz  besonders  auf  diese  Anzeichen  einer  be 
sonderen  Zeitstimmiong  geachtet.  Die  Gegenwart  interessiert  sich  besonders  für  die 
symbolischen  Bäume  der  deutschen  Poesie,  Linde  und  Eiche;  über  Blumen  ist  be- 
zeichnender Weise  uns  kein  Artikel  zugegangen.  Ebensowenig  über  Vögel,  wohl  aber 
über  den  Hund.  Das  Feste,  Stämmige,  Praktische  wird  bevorzugt,  das  „Romantische" 
vermieden.  —  Sehr  hübsch  und  fleissig  scheint  das  Schriftchen  von  Lohr^s)  zu  sein, 
welches  Referent  nur  aus  Auszügen  kennt;  es  handelt  über  die  Linde  in  der  Mythologie 
und  Poesie,  in  Ortsnamen  usw.  —  Nur  über  die  „Lindenpoesie"  erstreckt  sich  das 
Programm  von  Plaumann^ö-ö?  ^_  —  Rein  anekdotisch  ist  Bayers ^^)  „Hundeliebhaberei", 
welche  auch  aus  der  deutschen  Litteratur  (z.  B.  Langbein)  und  der  Geschichte  der 
deutschen  Kleinstaaten  Beispiele  bringt.  — 

Zu  der  Geschichte  der  Sitten,  Eeste  und  Gebräuche  leitet  ein  Zeitungs- 
artikel über  die  Jagd^ö)  über.  —  Sehr  ausführlich  ist  das  Buch  von  Edelmann ß^)  über 
das  Schützenwesen.  Wir  sehen  diesen  charakteristischen  Bestandteil  des  reichsstädtischen 
und  überhaupt  des  städtischen  Lebens  den  Gang  aller  abendländischen  Einrichtungen 
diirchmachen :  erwachsen  unter  dem  Schirm  der  Kirche  diingt  es  zur  Selbständigkeit  vor 
und  wird  zuletzt  den  früheren  Beschützern  gefährlich;  hat  doch  das  Schützenwesen  in 
dem  Kampf  der  Niederlande  gegen  ihre  Zwingherren  seine  höchsten  Triumphe  gefeiert. 
Etwas  kiu'z  ist  die  Uebersicht  über  die  Entwicklung  der  Waffen  ausgefallen;  um  so 
ausführlicher  wird  über  Schützenfeste  und  Schützenordnungen,  Preise  und  Schützen- 
könige berichtet.  Eür  den  Litterarhistoriker  heben  wir  die  Abschnitte  über  das  glück- 
hafte Schiff  von  Zürich  und  über  die  Fehde  Götzens  von  Berlichingen  mit  Köln  wegen 
eines  Schützengeldes  hervor.  Beigegeben  sind  fünf  Abbildungen  des  Schiessens  zu 
Regensburg  1586.  —  Spezieller  erörtern  Feste  und  Bräuche  im  Elsass  und  in  Kärnthen 
E.  Herrmann^i)  und  Stehle^^^^  ^^{q  wichtigsten  Momente  des  Lebens  bei  den  Nieder- 
lausitzern  Gander^^),  —  Allgemeiner  über  den  Erdkreis  sich  umschauend  behandelt 
einen  für  die  Kulturgeschichte  schon  diu-ch  symbolische  Beziehungen  wichtigen  Punkt 
ein  besonders  orientalische  Grussformen  berücksichtigender  Aufsatz  6* ).  —  Die  wichtigste 
Form  des  Volksfestes,  den  Tanz,  besprechen  zwei  Aufsätze  des  grundgelehrten  B ölte  6^) 
und  Ammanns^^);  letzterer  teilt  die  schon  von  MüUenhoff  erwähnte  Beschreibmig  des 
Schwerttanzes  der  Messerschmiede  zu  Nürnberg  1600  mit.  Dann  lässt  er  aus  der  Litteratur 
und  aus  ungedruckten  Urkunden  weitere  Nachträge,  auch  Musiknoten  folgen  und  zählt 
auch  ausländische  Schwerttänze  auf,  unter  denen  der  Zejbeks  hinter  Smyrna  dem  deutschen 
auffallend  ähnelt.  —  Ueber  die  Feste  im  Volk  und  in  der  Dichtung  handeln  kleine  Auf- 
sätze von  Tille^'^-ß^)  und  Wetzel^ö).  —  Von  denModen'^O)  erzählt  nach  gereimten  Flug- 
blätterndes 16./18.  Jh.  ein  anonymer  Zeitungsaufsatz ''i ).  —  Schultz "2)  berichtet  über 
die  Einbürgerung  des  Tabaks  in  Deutschland,  und  eine  interessante  Mode  anderer  Art, 
die  „Studiersucht"  vor  100  Jahren,  betrifft  der  Abdruck ''3)  eines  Artikels  aus  dem  „Preuss. 
Volksfreund"  1799,  den  F.  F.  Otter,  Kandidat  des  Predigtamts  im  Elbingschen,  einge- 
sandt hatte.  All  diese  Aufsätze  bringen  kleine  Züge  zur  Physiognomie  der  Zeiten; 
selten  enthalten  sie  neues  Material,  seltener  noch  neue  Gesichtspunkte.  — 

Noch  enger  schliessen  sich  an  das  „Milieu",  die  litteraturhistorisch  allein  wichtige 
Seite    der  Ktdtvirgeschichte,    die    zahlreichen    Lokalstudien    an,    welche    in    erfreulich 


V.  e.  Deutschen.  Leipzig,  Hirschfeld.  309  S.  M.  2,00.  —  54)  XX  L-  A.  J.  W.  Sloet,  De  planten  in  het  gcrmaansche  volks- 
geloof  en  Tolsltgebrnik.  's  Gravenhage,  Nyhoff.  98  S.  Fl.  1,25.  —  55)  0.  Lohr,  D.  Linde  e.  deutscher  Baum.  Spandau,  Schob. 
Vm,  22  S.  M.  0,60.  |[HannCour.  N.  16299.]|  (Nicht  erhalten.)  —  56)  E.  Plaumann,  D.  deutsche  Lindenpoesie.  Progr.  d. 
kgl.  Gymn.  zu  Danzig.  4«.  47  S.  |[Fränkel:  ZVK.  2,  S.  445.]|  (Vgl.  o.  1, 3  N.  91.)  —  57)  X  A.  Abel,  D.  dickste  Linde 
Deutschlands:  JllZg.  94,  N.  2444.  —  58)  E.  Bayer,  Hundeliebhaberei.  Hist.  Beispiele  aus  d.  Gesch.  d.  Kynologie:  FränkKur. 
N.  72  u.  77.  —  59)  D.  Jagd  u.  ihre  Sagen  in  alter  Zeit:  FremdenblS.  44,  N.  103  u.  115.  —  60)  A.  Edelmann,  SchUtzen- 
■wesen  u.  Schützenfeste  d.  deutschen  Städte  v.  13.  bis  z.  18.  Jli.  München,  Pohl.  V,  163  S.  M.  6,00.  —  61)  E.  Herrmann, 
Ueber  Lieder  u.  Brauche  bei  Hochzeiten  in  Kärnten:  AAnthr.  19,  S.  69—72.  —  62)  B.  Stehle,  Volkstümliche  Feste,  Sitten 
u.  Gebräuche  im  Elsass  1890:  JbGElsLothr.  6,  S.  161—80.  —  63)  C.  Gander.  D.  wichtigsten  Momente  d.  Lebens  im  Brauch 
u.  Glauben  d.  Volkes  in  d.  Niederlausitz:  MNLGAÜ.  1,  S.  450—513.  —  64)  V.  Gruss  u.  seinen  Formen:  ÖMOrient.  15, 
N.  8 — 11.  —  65)  J.  Holte,  Z.  Gesch.  d.  Tanzes:  Alemannia.  18,  S.  74 — 93.  —  66)  J.  J.  Ammann,  Nachtrr.  z.  Schworttanz: 
2DA.  34,  S.  178— 210.  —  67)  A.  Tille,  Weihnachten  bei  unseren  Klassikern:  FelszMeer.  1890/1,  S.  294/6.  —  68)  id.,  D.  deutschen 
Frühlingsfeste :  Gartenl.  N.  12.  —  69)  W  e  t  z  e  1 ,  Charfreitag  in  Sage  u.  Dicht. :  NWürzbZg.  N.  169.  —  70j  (III,  1  N,  11.)  —  71)  Modespott- 
bilder aus  3  Jhh.:  FränkKur.  N.  20.  —  72)  Schultz,  D.  Einbürgerung  d.  Tabaks  in  Deutschland:  Daheim  26,  N.  33.  — 
73)  Wgr.,  V.  d.  Studiersucht  vor  100  Jahren.  (Abdruck  aus  d.  Preuss.  Volksfreund.  1799,  Heft  1.):   NorddAZgS.  N.  3.  —  74)  E 


1,5:  R.  M.  Meyer,  Kulturgeschichte.  51 

reicher  Fülle  aus  allen  Teilen  Deutschlands  hervorgehen.  Am  stärksten  jedoch  wenden 
solche  Länder,  die  an  nationalen  Grenzen  stehen,  ihren  Blick  der  Beschreibung  ihrer 
Vorzeit  zuj  um  an  dem  Anblick  alter  gut  deutscher  Kulturtradition  sich  zu  erfreuen. 
Siebenbürgen  und  die  Ostseeprovinzen,  Elsass  und  Deutschböhmen  betreiben  mit  ganz 
besonderem  Eifer  in  Zeitschriften  imd  Vereinen  die  Lokalgeschichte.  Daneben  haben 
sich  immer  die  alten  Reichs-  und  Hansestädte  ausgezeichnet;  aber  auch  das  jüngere  Berlin 
pflegt  seine  Geschichte  mit  Enthusiasmus  und  Ausdauer.  Einzelne  Geschlechter  betonen 
lieber  die  genealogischen  Zusammenhänge  der  Personen  als  die  Kultiu-geschichte  ihrer 
Stammsitze;  trotz  ihrer  oft  sehr  festen  Verbindung  mit  bestimmtem  Grund  und  Boden 
fülilen  sie  sich  in  der  idealen  Heimat  ihres  Stammbavimes  fester  als  in  der  realen  ihres 
„alten  und  befestigten  Grundbesitzes"  wurzeln,  während  der  Städter  der  Atmosphäre 
seines  Geburtsortes  auf  seinen  Charakter  einen  viel  stärkeren  Einfluss  einzuräumen 
pflegt  als  persönlicher  Vererbung.  — 

Ueber  grössere  Gebiete  erstreckt  sich  ein  neuerdings  wieder  abgedruckter 
Reisebericht 74)  aus  dem  18.  Jh.  —  Ihnen  schhessen  sich  alte  und  neue  Lobsprüche  auf 
deutsche  Städters— 76)  ^n,  nicht  immer  gerade  das  Charakteristische  treffend.  Zahlreich 
sind  dann  die  kulturhistorischen  Lokalbilder,  wie  sie  von  HeyF'')  für  Tirol,  von 
Knittn^)  für  Steiermark,  von  Waizer'^^)  für  Kärnthen  geliefert  wurden.  Anschaulich 
und  lebensvoll  sind  des  unermüdlichen  von  Hörmann^O)  „Jahreszeiten  in  den  Alpen", 
obwohl  vielleicht,  im  Ton  mindestens,  selbst  unter  dem  Einfluss  der  Alpenromane  und 
-dramen  stehend,  die  aber  ihrerseits  immer  noch  genug  daraus  lernen  können. — In  ganz  andere 
Regionen  fuhrt  das  Buch  von  BuchholtzSi).  Es  beschränkt  sich  nicht  auf  die  Gegen- 
wart, sondern  führt  in  topographischen  Ordnungen  aus  allen  Epochen  des  Oldenburger 
Landes  Kulturbilder  vor,  vom  höfischen  Luxus  und  vom  Klosterleben,  vom  Aberglauben 
und  vom  Bauernwesen,  von  Anton  Ulrich  und  Friedrich  Wilhelm  von  Braunschweig. 
Es  liest  sich  selir  angenehm  und  ist,  wie  es  einer  Festschrift  geziemt,  ungewöhnlich 
hübsch  ausgestattet  und  gedruckt.  —  Spezieller  ist  das  Schriftchen  von  C.  Günther82) 
über  Lauenbiu-g.^)  — 

Lokal  und  zeitlich  beschränkt  sind  auch  die  Mitteilungen  über  einzelne  Städte: 
über  Butzbach  84)  im  15.  Jh.  und  über  Lippstadt^ö)  im  17.  und  18.  Jh.  Die  Schwierig- 
keiten, welche  die  gemeinschaftliche  Oberhoheit  der  Staaten  Preussen  und  Lippe  mit 
sich  brachten,  der  Verfall  der  alten  Stadtregierung  und  ihre  Kämpfe  mit  dem  Staat 
werden  belegt.  —  Besonders  glücklich  in  der  Schilderung  der  kulturhistorischen  At- 
mosphäre ist  H.  Lang  es  86)  Beschreibung  der  Stadt  Fürstenfeld  im  17.  Jh.  Die  sämt- 
lichen Verhältnisse  einer  kleinen  Grenzstadt  (Fürstenfeld  liegt  dicht  an  der  Grenze 
Ungarns)  werden  in  übersichtHcher  Ordnung  glatt  erzählt  und  in  Anmerkungen  zu 
den  typischen  Erscheinungen  Einzelheiten  nachgetragen.  Lein-reich  sind  z.  B.  die  An- 
gaben über  Naturalabgaben  zum  „Stimmen"  höherer  Beamten,  über  das  Rechtswesen 
(Bestrafung  einer  Braut  wegen  Bruch  des  Ehe  Versprechens),  über  die  Landwirtschaft, 
über  Armen-  und  Sanitätswesen,  und  ganz  besonders  die  Beispiele*  von  Aberglauben 
und  versuchter  Hexerei.  —  Die  hävifigste  Form  kulturhistorischer  Lokalstudien  ist  indes 
die  rein  topographische.  An  eine  Wanderung  durch  die  Stadt  wird  die  Geschichte  der 
wichtigsten  noch  bestehenden  oder  früher  vorhandenen  Gebäude  und  Plätze  geknüpft 
und  auf  diese  Weise  denn  allerdings  das  ,, Milieu"  in  eigentlichstem  Sinne  besonders 
deutlich  uns  vor  Augen  gerückt.  Am  ausführlichsten  ist  Kischs^?)  monumentales 
Werk  über  Wiens  Vorstädte,  die  Fortsetzung  seines  schönen  Buches  über  die  Wiener 
Altstadt. — Ihm  vergleichen  sich  in  der  Anlage  die  Basler  Stadtbilder  von  Stock  er  88). 
Das  sehr  interessante  Buch  besclireibt  eine  ganze  Reihe  jener  alten  Patrizierhäuser,  in 
die  Theodor  Storm  so  gern  seine  Novellen  verlegt;  es  ist  reich  auch  an  speziellen 
Daten,  die  den  Litterarhistoriker  angehen.  Wir  treffen  das  grosse  Haus  der  Gengenbach 
und  das  bescheidene  Geburtshäuschen  Hebels.  In  Amerbachs  Haus  „zum  Sessel"  wohnt 
Erasmus ;  in  Flicks  Buchhandlung  konzentriert  sich  zur  Zeit  Lavaters  der  litterarische  Ver- 
kehr Basels,     In    grosser  Zahl    beherbergen    die    Gasthöfe    beinihmte  Gäste:     Schertlin 


lOOj.  Urteil  über  d.  Schweiz:  NZürichZg.  N.  99 — 100;  (Abdr.  e.  Stelle  aus  d.  Reisebeschreibung  d.  Prof.  Meiners  in  Gdttingen.  — 
Nicht  erhalten.)  —  75)  Neujahrsbl.  her.  v.  d.  Stadtbibl.  in  Zürich  auf  d.  Jahr  1890.  Zürich,  Höhr.  4".  16  S.  m.  14  Lichtdr.- 
Tafeln.  M.  2,40.  (vgl.  u.  II,  5  N.  23).  —  76)  H.  Frey e,  Preislieder  deutscher  Städte:  SchorersFamBl.  11,  N.  12.  —  77)  J.  A. 
Heyl,  Gestalten  u.  Bilder  aus  Tirols  Drang-  u.  Sturmperiode.  Grösstenteils  nach  ungedruckten  Quellen  bearb.  Innsbruck 
Wagner.  VIII,  203  S.  M.  2,00.  (Nicht  erhalten.)  —  78)  M.  Knittl,  Kultur-Bilder  aus  Steiermark.  2.  Ausg.  Klagonfurt,' 
Leon  sen.  56  S.  M.  0,80.  —  79)  R.  Waizer,  Kulturbilder  u.  Skizzen  aus  Kärnten.  N.  F.  Klagenfurt,  Kleinmayr.  V,  147  S. 
M.  2,40.  —  80)  L.  V.  Hörmann,  D.  Jahreszeiten  in  d.  Alpen.  Bilder  aus  d.  Natur-  u.  Volksleben  m.  besond.  Berücksichtig. 
Tirols.  Innsbruck,  Wagner.  VI,  191  S.  M.  2,40.  —  81)  F.  Buchholtz,  Aus  d.  Oldenburger  Lande.  Bilder  u.  Skizzen. 
Oldenburg,  Stalling.  V,  319  S.  m.  Vign.  M.  5,00.  —  82)  C.  Günther,  Z.  Kulturgesch.  Lauenburgs  im  16.  Jh.  Progr.  Lauenburg. 
21  S.  M.  0,50.  (Nicht  erhalten.)  —  83)  (IV,  1  N.  74).  —  84)  E.  0 1 1  o ,  Mitteilung,  aus  d.  städt.  Archiv  zu  Butzbach :  QBllHVHessen.  S.  132. 
(Nicht  zugänglich;  Bäckerordnung  1476.  1501.)  —  85)  Hesselbarth,  Aus  d.  Gesch.  Lippstadts  im  17.  u.  18.  Jh.  Progr.  d. 
Realgymn.  N.  363.  Lippstadt.  4".  16  S.  —  86)  H.  Lange,  E.  steierische  Stadt  im  17.  Jh.  Graz,  Moser.  IV,  140  S.  M.  1.60. 
—  87)  W.  Kisch,  D.  alten  Strassen  u.  Plätze  v.  Wiens  Vorstädten  u.  ihre  bist,  interess.  Häuser.  E.  Beitr.  z.  Kulturgesch. 
Wiens.    Wien,   0.  Frank,    gr.  40.    33/6  Heft    ä,  M.  1,50,   Prachtausg.    ä  M.  2,00.   —   88)   F.  A.   Stocker,   Basler   Stadtbilder. 

4* 


52  1,5:  R-  M.  Meyer,  Kiilturgescliichte. 

von  Burtenbach  und  Ulrich  von  Hütten  wohnen  in  der  Goldenen  Blume,  Erasmus  bei 
sehier  ersten  Ankunft  im  Storchen,  wo  Oporinus  und  Paracelsus  verkehren;  in  der 
ICrone  hält  Felix  Platter  sein  Doktormahl,  im  Wilden  Mann  machen  Farel  und  Beza 
ihrem  Groll  gegen  Erasmus  Luft,  und  in  dasselbe  Gasthaus  ward  1799  Lavater  depor- 
tiert. Wir  lernen  den  Schauplatz  der  Volksdramen,  den  Kornmarkt  und  das  neue 
Stadttheater  kennen,  und  auch  die  fingierte  oder  wirkliche  Bühne  von  Vorgängen 
anderer  Natur:  englische  Novellen  spielen  in  den  Drei  Königen,  ein  Schwank  des  „Roll- 
wagenbüchleins" auf  dem  Fischmarkt;  im  Weissen  Hause  trat  Cagliostro  auf,  und  auf 
der  grossen  Steinbrücke  wird  der  Verlust  Strassburgs  dem  Minister  Louvois  gemeldet. 
Isak  Iselin  ist  Vorsteher  eines  Klubs;  Andreas  RyiF,  „der  vollendetste  Typus  des  Basler 
Kaufmanns  seiner  Zeit",  Verfasser  einer  Selbstbiographie  und  eines  Reisebüchleins,  und 
die  Bibliothek  der  Fäsch  zeugen  für  den  Geist  der  Baseler  Kaufleiite,  ein  hübsches 
Dialektgedicht  für  den  der  städtischen  Volkspoesie.  Die  winzigen  und  mit  Figuren  über- 
ladenen Bilder  sind  nicht  in  gleichem  Grad  wie  der  Text  zu  rühmen.  —  So  viel  In-  ■ 
teressantes  könnte  Ferbers^^)  Buch  über  das  alte  Düsseldorf  selbst  dann  nicht  bieten, 
wenn  es  mehr  entliielte  als  die  Nomenklatur  der  wechselnden  Hauseigentümer;  uns  be- 
rühren nur  die  Namen  Jacobi  und  Heine;  erwähnt  ist  das  Haus,  in  dem  Jacobi  Goethes 
Besuch  empfangen  haben  soll.  —  Ganz  unlitterarisch,  doch  lebhaft  und  anschaulich  in 
der  Schilderung  ist  die  Schrift  von  Bor  eher  dt^O)  über  das  alte  Hamburg.  Zwar  wird 
von  volkstümlicher  Poesie  manche  Probe  gegeben  (ein  klassisches  Beispiel  eines 
„Volksdramatikers"  neuesten  Stils  ist  der  Wirt  Man-),  auch  drei  Hamburger  Satiriker  sind 
besprochen,  nämlich  Dreyer,  der  Revolutionsdichter  Hocker,  eine  wenig  bekannte,  aber 
nicht  uninteressante  Persönlichkeit,  und  der  Lokalwitzling  Schartau;  aber  auch  liier 
verrückt  der  lokalhistorische  Standpunkt  den  litterarischen  Gesichtspunkt  vollständig. 
—  Rees^i)  hübsch  ausgestattete  Wanderungen  durch  das  alte  Nürnberg  erwähnen  nur 
ganz  im  Vorbeigehen  den  Pegnesischen  Orden,  Grübel  und  Hegel;  dagegen  sucht  ein 
sehr  summarischer  Ueberblick^s)  Willibald  Pirkheimer,  Celtis,  Lazarus  Spengler,  Hans 
Rosenblüt    und  Hans   Sachs    auf  ihren  historischen  Hintergrund  zu  stellen.  ^3)  — 

Nächst  den  Städten  werden  am  liebsten  geistliche  Stiftungen  zum  Gegen- 
stand kulturhistorischer  Lokalstudien  gemacht.  Uns  sind  deren  diesmal  nur  zwei  zu- 
gegangen, deren  eines  eine  ganze  Reihe  von  Klöstern  in  einem  Moment,  an  den  Faden 
einer  Reise  gezogen,  zeigt,  während  umgekehrt  das  andere  ein  Kloster  durch  eine  Reihe 
von  Jahren  verfolgt.  Gabriel  Meiers ^4)  Abdruck  von  P,  Hauntingers  Reisebericht 
ist  für  die  Gelehrtengeschichte  von  Wert  durch  die  Nachrichten  über  zahlreiche  Kloster- 
bibliotheken, wie  die  von  Schussenried,  Zwiefalten  und  besonders  Weingarten,  die  Augs- 
burger Stadtbibliothek  u.  a. ;  auch  für  die  Kunstgeschichte  ist  der  Geschmack  des  guten 
Benediktiners  wie  der  der  von  ihm  besuchten  zahlreichen  Prälaten  gewiss  von  sympto- 
matischer Bedeutung.  Man  empfängt  bei  dem  raschen  Durchreisen  durch  diese  un- 
zähligen prächtig  ausgestatteten  Prälatensitze  aber  nicht  den  Eindruck,  als  seien  sie 
irgend  noch  unter  die  Herde  der  gelehrten  oder  gar  der  litterarischen  Bewegung  Süd- 
deutsclilands  zu  rechnen.  Immerhin  sehen  die  geistlichen  Herren  mit  Interesse  Ifflands 
„Verbrechen  aus  Ehrsucht"  in  München  aufführen.  Westenrieder  treuen  sie  leider  nicht 
an,  und  mit  Abscheu  berichtet  der  Mönch,  was  er  von  dem  Satiriker  Wekhrlin  in  Nörd- 
lingen  gehört  hat.  —  Das  von  SchlechtöS)  sorgfältig  herausgegebene  und  diirch  gute 
Anmerkungen  und  Register  bequem  brauchbar  gemachte  Tagebuch  der  Priorin  des 
Eichstätter  Klpsters  Mariastein  bietet  für  die  Geschichte  des  dreissigj ährigen  Elends 
manchen  brauchbaren  Zug,  für  die  Litteraturgescliichte  nichts  direkt  Verwendbares.  ^^-^"^ )  — 
Endlich  erwähne  ich  hier  noch  Birlingers^^)  Aufsatz  über  kirchliche  Sitte  und  Sprache 
in  Wielands  Vaterstadt  vor  der  Reformation.  ^^^ )  — 

In  die  Kreise  des  städtischen  Adels  führt  ein  Aufsatz  M.  Herrmann  s'^^"), 
in  welchem  die  Eltern  von  Charitas  und  Willibald  Pirkheimer  sowie  Albrecht  von  Eyb 
eine  Rolle  spielen.  —  Den  Landadel   Oesterreichs  stellt  in  einem  typischen  Vertreter 


Alt»  Häuser  u.  Geschlechter.  Mit  4  Bildern  in  Lichtdruck  u.  3  Textillustrr.  Basel,  Georg.  VIT,  351  S.  M.  5,20.  —  89) 
H.  Ferber,  Hist.  Wanderung  durch  d.  alte  Stadt  Düsseldorf.  Her.  v.  DUsseld.  Geschichtsverein.  Düsseldorf,  Kraus.  188'.». 
113  S.  M.  2,00.  —  90)  A.  Borcherdt,  D.  lustige  alte  Hamburg.  Scherze,  Sitten  u.  Gebräuche  unserer  Väter.  Hamburg', 
Dörling.  1889.  309  S.  M.  4,00.  (Die  zweite  Hälfte  war  mir  noch  nicht  zugänglich.)  —  91)  P.  J.  R6e,  Wauderungen  durch 
d.  alte  Nürnberg.  2.  Aufl.  Nürnberg,  Schräg.  VII,  58  S.  M.  1,50.  —  92)  M.  S  ch  ü  s  s  1«  r ,  E.  Wanderung  durch  Nürnberg:  ÜL&M.  (53,  N.  Ki. 
(Ganz  oberflächlich.)  —  93)  (II,  3  N.  21)  —  94)  Gabriel  Meier,  Süddeutsche  Klöster  vor  100  Jahren.  Reise-Tagebuch  d. 
P.  Nepomuk  Hauntinger  OSB.  Köln,  Bachern.  1889.  XV,  114  S.  M.  1,80.  —  95)  Eichstätt  im  Schwedenkriego. 
Tagebuch  d.  Augustinernonne  Clara  Staiger,  Priorin  d.  Klosters  Mariastein,  über  d.  Kriegsjahre  1631—50.  Nach  d.  Orig. 
d.  k.  b.  Hof-  u.  Staatsbibl.  her.  u.  erl.  v.  J.  Schlecht.  Eichstätt,  Brönner.  1889.  XXVIII,  374  S.  mit  d.  Ansicht  Eichstätts 
V.  .1.  1627.  M.  7,00.  —  96)  X  M.  Gorges,  Beitrr.  z.  Gesch.  d.  ehemal.  Hochstiftes  Paderborn  im  17.  Jh.  unter  Diodrich 
Adolf  V.  d.  Rech.  Phil.  Diss.  Münster.  (Nicht  erhalten.)  —  97)  X  J-  Kootz,  Kirchenvisitationen  im  siebenbUrg.-deutscbfn 
Unterwald.  E.  Beitr.  z.  Kirchen-  u.  Kulturgesch.  d.  17.  Jh.  Progr.  MUhlbach.  4«.  328  S.  (Nicht  erhalten.)  —  98)  A. 
Birlinger,  Kirchl.  Sitte  u.  Sprache  Biberachs  vor  d.  Reformation:  Alemannia.  17,  S.  94—112.  —  99)  X  August  Schmidt, 
Bilder  aus  d.  Berliner  Leben  in  d.  20.  u.  30.  Jahren  dieses  Jh.:  Bär.  16,  N.  11—13.  (Bedeutungslos.  D.  Zs.  bietet  sonst 
mannigfache    Belehrung.)    —    100)  M.   Herrmann,    Z.   fränkischen    Sittengesch.    d.    15.   Jli.:    Germania,   35,    S.   45—54.    — 


1,5:  R.  M.  Meyer,  Kulturgeschichte.  53 

Pro  11101)  dar;  wir  machen  auf  das  Verzeichniss  der  Bücherei  im  Schlosse  Perg  anf- 
merksam,  wo  sich  neben  Luther  auch  Guevara,  Albrecht  von  Eyb,  Macchiavelli  finden. 
„Die  Greyl  der  Verwüestung  des  menschlichen  Geschlechts"  kaufte  der  Sammler  zu  Linz 
um  sieben  Gulden,  ixnd  die  zehn  Teile  des  Buches  Teophrasti  Paracelsi,  durch  Job. 
Huserum  (Basel  1589/90),  herausgegeben,  um  fünf  Gulden.  Beträchtlich  ist  des  Landedel- 
manns humanistische  Bibliothek:  Sadolet,  Sturm,  Melanchthon,  zahlreiche  Klassiker;  von 
fremden  Autoren  Petrarca;  aber  auch  deutsche  Volksbücher,  Hans  Sachs,  Murner  u.  a. 
feMen  nicht.  Unter  den  historischen  Büchern  finden  wir  Sleidan  und  Sebastian  Franck, 
Siebmachers  Wappenbuch  und  Münsters  Kosmographie.  1601  sclilägt  der  Besitzer  den 
Wert  seiner  Bücherei  auf  300,  1612  auf  600  Gulden  an;  dazu  kommt  die  Bibliothek  seiner 
Frau.  Geringer  als  diese  Bücherschätze  des  Erasmus  von  Rödem  auf  Perg  sind  die  des 
Wolf  von  Oedt  auf  Helfenberg;  hier  überwiegt  die  Unterhaltungslitteratur  mit  Volks- 
und Schwankbüchern,  Theuerdank,  Hans  Sachs,  Albertinus'  „Landstörtzer"  vmd  Opitzens 
Gedichten;  daneben  zahlreiche  historische  Flugblätter  und,  charakteristisch  genug,  eine 
ganze  Reihe  italienischer  Werke,  worunter  Guarinis  „Pastor  Fido".  — 

Endlich  seien  noch  Einzelheiten  nachgetragen.  Die  an  sich  höchst  wert- 
vollen Strassbiirger  Zmift-  und  Polizei -Verordnungeni^S)^  deren  avisgezeichnete  Ausgabe 
in  die  Sorgfalt  und  Tüchtigkeit  des  reichsstädtischen  Regiments  hineinblicken  lässt 
und  deren  Stil  mit  seiner  Kraft  und  Klarheit  ebenso  erfreulich  ist  wie  ilir  gesunder 
Sinn,  bieten  für  unsere  spezielle  Aufgabe  nichts.  —  Nur  anhangsweise,  weil  doch  die 
Sagen  einer  Gegend  zu  den  wirklichen  Verhältnissen  in  Beziehung  stehen,  erwähne  ich 
eineAnzalil  von  Schriften  und  Artikeln  über  Sagen  aus  dem  Elsass^os),  aus  0 esterreich  i04-6) 
und  vom  Harz'o?)^  — 

Von  der  lokalen  kommen  wir  zu  der  ständischen  Spezialisierung.  Die 
nächste  Berührung  mit  dem  Stoff  der  Litteraturgeschichte  bietet  hier  ein  Aufsatz  über 
„Spielgrafen"i08)  im  Anschluss  an  W.Hertz'  herrliches  „Spielmannsbuch"  wird  das  Leben  der 
Fahrenden  und  die  Einrichtung  der  Spielgrafen,  besonders  in  Wien,  besprochen.  — 
Aber  auch  die  Hofnarren  stehen  zur  Geschichte  der  Litteratur  in  Beziehimg:  sind  sie 
doch  in  gewissem  Sinne  Fortsetz  er  der  alten  höfischen  Spielleute  und  zugleich  für  die 
Dichtung,  wie  diese,  ein  beliebter  Gegenstand.  Ein  mehr  durch  Rührigkeit  als  durch 
Gründlichkeit  auf  diesem  Gebiete  bekannter  Forscher,  F.  W.  Ebeling  109),  hat  „die  Kahlen- 
berger"  abgehandelt.  Die  ,, geschichtliche  Einführung"  ist  trotz  ihres  hochfahrenden 
Tons  schwach.  Die  Würdigung  von  Anastasius  Grüns  „Pfaff  von  Kahlenberg"  ist 
höchlich  misslungen;  Dullers  Bearbeitung  einer  apokryphen  Kahlenberger- Anekdote 
ist  nur  erwähnt.  Ueber  den  Text  ist  hier  nicht  zu  handeln;  die  Holzschnitte  sind  ganz 
gut.  Dem  Zweck,  anspruchslosen  Lesern  der  Gegenwart  das  Schwankbuch  zu  er- 
neuern, mag  das  vortrefflich  gedruckte  Schriftchen  genügen;  wissenschaftlichen  Wert 
vermögen  wir  ihm  nicht  zuzusprechen.  —  Späte  Nachfahren  des  alten  Hofnarren  wie 
KyauiiO)  xmd  Gundlingin-i^)  sind  mehrfach  behandelt  worden;  ausser  dem  Umstand 
selbst,  dass  sie  wieder  Literesse  erregen,  ist  für  unseren  Zweck  wichtiges  hierbei  nicht 
zu  bemerken.  —  Mit  volkstümlicher  Improvisation,  die  wie  bei  den  ,, poetischen"  Epi- 
grammen der  Hofnarren  immer  noch  alte  Tradition  zeigt,  macht  ein  Aufsatz  von 
Treichelii3)  über  Handwerks-Ansprachen  bekannt.  Es  verlohnte  wolil,  einmal  eine 
Geschichte  der  deutschen  Stegreifdichtung  zu  schreiben;  man  würde  wahrscheinlich  für 
die  berühmte  Streitfrage  nach  dem  Ursprung  der  Lyrik,  für  das  Verhältnis  zwischen 
Dichter,  Spielmann  und  Publikum  daraus  manches  lernen  können.  —  Nur  lose  grenzen 
an  unser  Gebiet  allerlei  andere  Arbeiten  zur  sozialen  Kulturgeschichte  an.  Ein  Artikel 
schildert  das  Wanderleben  dreier  esthländischer  Maler  1^4 );  ihre  Begegnung  mit  den 
Nazarenem  in  Rom,  einen  Ueberfall  durch  Banditen  um  1817,  Kostüm  und  Reisewagen 
jener  Zeit,  in  anschaulich  anmutiger  Weise.  —  Ausser  diesem  zufälligen  Bruchstück  einer 
unübersehbaren  und  nur  zum  kleinsten  Teil  für  die  Litteraturgeschichte  irgend  bedeut- 
samen Litteratur  sind  die  Aufsätze  über  das  Leben  eines  Baseler  Kaufmanns  1*5)  und 
zur  Geschichte    altnürnbergischen   Gesellenwesens"6a)  sowie    die  Satzungen  der  Görlitzer 


101)  L.  Pröll,  E.  Blick  in  d.  Hauswesen  eines  österr.  Landedelmanns  aus  d.  ersten  Viertel  d.  17.  Jh.  JB.  d.  Staatsgymn.  im 
8.  Bezirke  Wiens  28/9.  1888/9.  47  u.  49  S.  —  102)  Strassljurger  Zunft-  u.  Polizei-Verordnungen  d.  14.  u.  15.  Jh.  ausgew.  u. 
zusammengestellt  V.  J.Bruder.    Nebst    Glossar  v.  J.  Brucker  u.  G.  Wittly.    Strasshurg,  Trllhner.    1889.  XII,  625  S.  M.  12,00. 

—  103)  Bargmann,  Elsässer  Sagen:  JhGElsLothr.  6,  S.  131/2.  —  104)  XX  ^r-  Franziszi,  Sagen  aus  d.  GaiKhale: 
NCarinthia.  1,  S.  129—31.  —  105)  F.  J.  Vonbun.  D.  Sagen  Vorarlbergs.  2.  Ausg.  M.  e.  Lebensabrisse  Yonbuns  v.  H.  Sander. 
Innsbruck,  Wagner.  X,  CVI,  314  S.  M.  5,60.  (Nicht  erhalten.)  -  106)  (IV,  2  N.  71).  —  107)  M.  E  i  c  hie  r ,  Harz-Sagen.  N.  8-18.  Harzburg, 
Stolle.  160.  je  M.  0,10.  (Nicht  erhalten.)  -  108)  F.  S  c  h  i  n  z  e  r ,  Spielgrafen :  NFPr.  N.  9219.  -  109)  F.  W.  E  b  e  1  i  n  g ,  D.  Kahlenberger. 
Z.  Gesch.  d.  Hofnarren.  M.  39  Holzschnn.  Berlin,  LUstenöder.  VIII,  205  S.  M.  4,00.  |  [VossZg.  N.  121.]  |  (Vgl.  u.  II,  3  N.  15.)  -  110)  K. 
Gander,  Wahrheit  u.  Dichtung  aus  d.  Leben  e.  Spassvogels  vor  200  Jahren  (S.  u.  III,  5  N.  22).  —  lli)  Krauske,  D.  Litt, 
tiber  J.  P.  v.  Gundling:  Post  N.  138.  (Referat  über  e.  Vortrag  im  VGMarkBrandenburg.)  —  112)  E.  Lavisse,  Un  homme  de 
lettres  ä  la  cour  du  roi  sergent:  Figaro  Suppl.  N.  7.  —  113)  A.  Troichel,  Handwerks-Ansprachen:  AltprMschr.  27,  S.  642—60. 

—  114)  Aus  d.  Wanderjahren  dreier  esthländ.  Maler:  BaltMschr.  36,  N.  8/9;  37,  N.  1/2.  —  115)  D.  Leben  e.  Baseler  Kaufmanns: 
Nordwest.  13,  N.  1.    —  116)  B.  Schönlank,  Z.  Gesch.  altntlrnberg.  Gesellenwesens:  JNS.  19,  S.  337-95;  588—615.  —  117)  B. 


54  1,5:  R.  M.  Meyer,  Kulturgeschichte. 

Böttcherinnung  11'')  uns  zugegangen  —  lose  fliegende  Zettel,  deren  buntscheckige  Auf- 
zählung wenigstens  die  Vielseitigkeit  des  kulturhistorischen  Betriebs  der  Gegenwart  illu- 
strieren mag.  ■ —  Zur  Bildungsgeschichte  Deutschlands  führt  ein  Artikel  von  Kl  ein - 
Schmidt  118)  zurlick,  der  die  Aufhebung  der  Universität  Helmstedt  und  die  Zerstörung 
des  Lustscliiosses  Salzdahlum  schildert;  Joh.  von  Müller  steht  im  Mittelpunkt,  eine 
beklagenswerte  Erscheinung,  immer  Hoffnungen  erregend  und  täuschend.  — 

Damit  sind  wir  bei  der  letzten  Verengung  kulturhistorischer  Studien  angelangt: 
bei  der  einzelnen  Persönlichkeit  als  Mittelpunkt  eines  kulturgeschichtlichen  Gemäldes. 
Hier  kommt  die  Grundfrage  unseres  ganzen  Referates,  die  nach  der  Abhängigkeit  der 
Persönlichkeit  von  ihrer  Umgebung,  am  vollsten  zum  Ausdruck;  und  für  uns  ist  ja 
schliesslich  doch  die  Uebersetzung  eines  Zeit-  oder  Ortcharakters  in  eine  lebendige  Per- 
sönlichkeit das  beste,  wenn  nicht  das  einzige  Mittel,  jenen  Charakter  der  Verhältnisse 
zu  verstehen.  Vor  allem  ist  auf  die  Allgemeine  Deutsche  Biographie  zu  verweisen,  die 
in  ihren  Bänden  30 — 31119)  wieder  eine  wahre  Fundgrube  kulturhistorisch  interessanter 
Bilder  ist.  Wir  zählen  hier  bloss  auf  die  Artikel  über  den  livländischen  Chronisten 
Russow  (30,  S.  15);  den  berühmten,  nach  höchster  Anerkennung  zum  Schaifot  geführten 
österreichischen  Feldmarschall  Russworm,  der  auch  bei  Clir.  von  Schmid  und  Hopfen 
wegen  seiner  Thätigkeit  in  den  Kämpfen  zur  Zeit  Max  Emanuels  eine  Rolle  spielt 
(30,  S.  19) ;  Rüstow,  den  Kriegsschriftsteller  (30,  S.  39) ;  Goethes  Preund  Rochlitz,  den 
Musikschriftsteller  und  Vf.  des  ,, Tagebuchs  der  Schlacht  bei  Leipzig"  (30,  S.  85);  Röhr, 
den  Weimarischen  rationalistischen  Generalsuperintendenten  (30,  S.  97) ;  den  National- 
ökonomen Sailer,  in  dessen  Leben  modernste  Gelehrtennot  sich  abmalt  (30,  S.  127); 
den  Theologen  und  Spruchsammler  Sailer  (30,  S.  179) ;  die  graubündische  Famüie  der 
Salis,  dabei  der  Dichter  (30,  S.  233  f.);  K.  Sand,  Kotzebues  Mörder,  (30,  S.  338);  den 
lüneburgischen  Prälaten  Schaper,  eine  charakteristische  Figur  aus  der  Zeit  der 
streitbaren  evangelischen  Landestheologen  (30,  S.  572);  Scharnhorst,  der  so  be- 
redt die  politische  Bedeutung  der  Poesie  pries  (30,  S.  588);  Scharrer  (30, 
S.  601),  einen  typischer  Grosskaufmann  und  Stadtvater  modernsten  Gepräges; 
Scheffiier,  dessen  Autobiographie  in  das  Königsberg  Kants  führt  (30,  S.  685);  Scheibel, 
das  Haupt  der  Altlutheraner  (30,  S.  693) ;  endlich  Schelhorn,  der  Autor  der  „Amoenitates" 
(30,  S.  756).  Band  31  schildert  den  Theologen  Schenkel,  eine  bezeichnende  Gestalt 
aus  der  Zeit  des  Kampfes  um  D.  Fr.  Strauss  (31,  S.  82);  Schick,  den  Maler  (31,  S.  161); 
den  Schinderhannes,  den  ja  schon  R.  M.  Werners  „Lyrik  und  Lyriker"  in  die  Poetik 
eingeführt  hat  (31,  S.  281);  die  Schlagintweits,  eine  moderne  Entdeckerfamilie  (31,  S.  336); 
Schieiden,  dessen  Leben  eine  neue  Aera  in  der  Geschichte  der  Zellenlehre  bedeutet 
(31,  S.  417);  Graf  Sclilick,  den  Helden  von  Pius'  IL  Novelle  (31,  S.  500);  Schloezer 
(31,  S.  567);  Schlüter,  den  Freund  Annettens  von  Droste  (31,  S.  607);  Schmalz,  der  die 
Demagogenhetze  entzündete  (31,  S.  624).  —  Von  einzeln  erschienenen  Aufsätzen  bio- 
graphischer Natur  erwähne  ich  hier  die  über  die  Siebenbürger  Wolfgang  Forsteri^O)  und 
G.  M.  G.  von  Herrmanni2i),  sowie  Kleinschmidtsi^S)  Artikel  über  Jakob  Fugger.  Aus 
der  Biographie  Herrmanns  sei  die  Schilderung  eines  Kindertheaters  hervorgehoben.  — 
Von  Briefausgaben  mögen  die  der  Briefe  Thomas  Platters  an  seinen  Sohn  Felixi23)  und 
die  der  Herzogin  Maria  Anna  Christina  von  Bayern,  Gattin  des  Dauphins  124),  genannt  werden ; 
letztere  sind  durch  Treuherzigkeit  und  Orthographie  ein  bescheidenes  aber  liebenswürdiges 
Gegenstück  zu  den  unschätzbaren  Briefen  jener  anderen  süddeutschen  Prinzessin  in  Paris, 
der  Lise  Lotte.  — 

Wir  sind  hiermit  bei  unserem  Umgang  um  die  Kultvu'geschichte  als  Hilfs- 
wissenschaft der  Litteraturgeschichte  wieder  zum  Ausgang  zurückgelangt.  Von  den 
allgemeinsten  Grundfragen  gingen  wir  aus  und  endigen  mit  der  Betrachtung  der  einzelnen 
Persönlichkeit;  überall  aber  suchten  wir  für  Träger  und  Gegenstände  der  Litteratur- 
geschichte aus  ihren  historischen  Umgebungen  Licht  zu  gewinnen.  Ist  unser  Referat 
diesmal  nur  ein  Schatten  dessen,  was  es  sein  sollte,  so  beweist  es  doch  vielleicht  selbst 
so  schon  in  der  Herausziehung  des  realen  Elementes,  welche  Bedeutung  gerade  dieses 
für  die  Litteratur,  die  Litteraturgeschichte  und  die  Kultur  der  Gegenwart  beansprucht.  — 


Je  cht,  Satzungen  d.  GOrlitzer  BOtteherinnung  aus  d.  15.  Jh.  (Z.  60.  Vers.  d.  deutsehen  Philoll.)  Görlitz,  Janike.  4".  12  S.  — 
118)  A.  Kleinschmidt,  Aus  Braunschweigs  westfiil.  Periode:  WJDM.  68,  S.  739— 46.  —  119)  AUgem.  deutsche  Biographie,  her. 
n.  red.  v.  R.  v.  Liliencron  u.  Fr.  X.  Wegele.  Bd.  30/1.  Leipzig,  Dunckor  &  Humblot.  796;  795  S.  jeder  Bd.  M.  14,00.  — 
120)  R.  Schuller,  Wolfgang  Forster.  Bistritzer  Stadtgesch.  aus  d.  Anf.  d.  16.  Progr.  Schässburg.  4».  41  S.  (Nicht  erhalten.) 
—  121)  J.  Gross,  Georg  Michael  Gottlieb  v.  Herrmann  u.  seine  Familie.  KronstMdter  Kultur- u.  Lebensbilder:  AVSiebonbllrgLK. 
22,  S.  93-328.  -  122)  A.  Kleinschmidt,  Jakob  Fugger:  FolszMeer.,  S.  1591-1607.  -  123)  Thomas  Platters  Briefe  an 
seinen  Sohn  Felix,  her.  v.  Burckhardt.  (S.  u.  11,8.)  —  124)  L.  y.  Beckh-Widmanns te tter,  Briefe  d.  Herzogin  Maria 
Anna  Christina  v.  Bayern,  vermählte  Dauphine  v.  Frankreich:  ZDKG.  1,  S.  188—213.  — 


1,6:  K.  K ehr b ach,  Geschichte  des  Unterrichtswesens.  55 


1,6 

Geschichte  des  Unterrichtswesens. 

Karl  Kehrbach. 

Geschichte  der  Pädagogik:  Gesamtdarstellungen  N.  1.  —  Methodik  N.  4.  —  Einzelne  Pädagogen  und  ihre 
Theorien  N.  7.  —  Diesterweg  N.  31.  —  Prinzenerziehung  N.  53.  —  Geschichte  der  Unterriehtsanst  alten:  Urkunden- 
publikationen: Schulordnungen  N.  55.  —  Matrikeln  N.  59.  —  Darstellungen:  Universitäten:  Gesamtgeschichte  N.  61; 
Einzelbeiträge  N.  66.  —  Akademien  N.  73.  —  Gymnasien  N.  74.  —  Volksschulen  N.  90.  — 

Neue  Gesamtdarstellungen  der  Geschichte  der  Pädagogik  liegen  nicht 
vor;  die  beiden  Werke  von  Dittes  i)  und  Kehrein  2),  deren  erstes  den  evangelischen 
Standpunkt  vertritt,  während  das  zweite  sich  an  katholische  Leser  wendet,  sind  in 
neunter  verbesserter  Auflage  erschienen,  K.s  Buch,  das  objektiv  umfassendere,  in  neuer 
Bearbeitung  von  J.  Kays  er.  —  Zu  erwähnen  ist  die  Arbeit  von  J.  Baumann  3),  der 
jedoch  in  der  „Geschichte  der  pädagogischen  Theorien",  dem  ersten  Teile  seiner  „Ein- 
führung in  die  Pädagogik",  lediglich  von  praktischen  Gesichtspunkten  ausgeht.  B.  verlangt 
von  dem  Lehrer,  das  er  das  gegebene  Schulwesen  seinen  tieferen  geschichtlichen  Gründen 
nach  verstehen  müsse.  Dies  aber  bedinge  Kenntnis  der  pädagogischen  Theorien  der 
Vergangenheit;  so  wird  also  hier  nur  das  gegeben,  wovon  der  Vf.  auf  Grund  seiner 
Gymnasiallehrerpraxis  glaubt,  dass  es  für  den  Lehrer  der  höheren  Schulen  im  Beginn 
seiner  Laufbahn  unentbelirlich  sei.  — 

Ueber  die  Geschichte  der  Methodik  des  Religionsunterrichts  liegt  von  evange- 
lischer Seite  eine  Arbeit  vor,  welche  in  zwei  Hauptteile  zerfäUt.  Den  ersten  Teil  dieser 
Arbeit,  die  Geschichte  des  Unterrichts  in  der  biblischen  Geschichte,  der  Katechismus- 
lehre und  der  Bibelkunde,  lieferte  G.  Schumann*),  der  zunächst  über  die  religiöse 
Erziehung  des  Neuen  Testaments,  der  Kirchenväter  und  des  Mittelalters  eingehend  han- 
delt. Von  dem  Katechismusunterricht  bei  Waldensern  und  Böhmischen  Brüdern  geht 
er  dann  über  zur  Darstellung  der  Religionslehre  im  Zeitalter  der  Reformation  bis  zum 
Beginn  des  30 j.  Krieges;  in  erster  Linie  wird  der  Verdienste  Luthers  und  seiner  An- 
hänger, sodann  aber  auch  der  gleichzeitigen  Arbeiten  der  katholischen  und  reformierten 
Kirche  gedacht.  Die  beiden  folgenden  Abschnitte,  die  dem  Pietismus  und  dem  Ra- 
tionalismus gewidmet  sind,  beschäftigen  sich  einerseits  mit  Comenius,  Spener  und  dem 
Herzog  Ernst  von  Gotha,  andrerseits  mit  dem  Ursprung  des  deutschen  Rationalismus 
und  dem  Plxilantropinismus ;  das  Schlusskapitel  behandelt  die  neueste  Zeit  seit  den  Be- 
freiungskriegen. Sperber  befasst  sich  im  zweiten  Teile  des  Buchs  mit  der  Geschichte 
der  Behandlung  des  Kirchenliedes,  besonders  mit  Luther:  dieser  ward  recht  eigentlich 
der  Schöpfer  des  Kirchenliedes  für  die  Volksschule,  welche  dann  auch  an  den  Liedern 
Katechese  übte  und  die  Verse  erklärte.  —  Bürge  1  ^)  verfasste  eine  Geschichte  der  Me- 
thodik des  Religionsunterrichts  in  katholischen  Volksschulen.  Er  behandelt  zunächst 
die  Methodik  der  Katechese  im  kirchlichen  Altertum,  im  Mittelalter,  in  der  Reformations- 
zeit und  in  den  folgenden  Jhh.  Der  zweite  Teil  behandelt  den  geschichtlichen,  der  dritte 
Teil  den  praktisch-liturgischen  Religionsunterricht.  Den  einzelnen  Paragraphen  ist  eine 
Angabe  der  Quellen  vorgedruckt.  —  In  einem  kurzen,  aber  gediegenen  Aufsatze  hebt 
Langer  6)  unter  Heranziehung  historischen  Materials  hervor,  dass  bei  dem  Streit  über  die 
Organisation  des  gelehrten  Unterrichts  schon  früh  das  Utilitätsprinzip,  der  Grundsatz  näm- 
lich, „dass  das,  was  auf  der  Schule  gelehrt  werde,  im  späteren  Leben  direkte  Anwendung 
finden  müsse",   sich  geltend  gemacht  habe;  L.  selbst  ist  Gegner  dieses  Prinzips.  — 

Die  Untersuchungen  über  einzelne  Pädagogen  und  ihre  Theorien  sind 
vielfach  gefördert.  Aus  den  Schriften  des  Erasmus  und  seinen  Briefen,  deren  voll- 
ständige Veröifentlichung  freilich  erst  noch  zu  erwarten  ist,  zieht  Becher'')  die  An- 
sichten   des  Erasmus    über    die    früheste  Erziehung  von  Knatsen   und  Mädchen.     Ueber 


I)  F.  Dittes,  Gesch.  d.  Erziehung  u.  d.  Unterrichts.  Für  deutsche  Volksschullehrer.  9.  verb.  Aufl.  Leipzig, 
Berlin,  Wien,  Klinkhardt.  VIII,  272  S.  M.  2,00.  —  2)  Kehrein,  Ueberblick  d.  Gesch.  d.  Erziehung  u.  d.  Unterrichts  für 
Zöglinge  d.  Lehrerseminare  u.  z.  Vorbereitung  auf  d.  in  d.  allgem.  Bestimmungen  angeordneten  Prüfungen.  Neu  bearb.  v. 
J.  Kayser.  9.  Aufl.  Paderborn,  Schöningh.  XVI,  381  S.  M.  2,50.  —  3)  J.  Baumann,  Einführung  in  d.  Pädagogik.  Gesch.  d. 
pädagog.  Theorien.  Allgem.  Pädagogik  (pädagog.  Psychologie).  Leipzig,  Veit  &  Co.  VIT,  120  S.  M.  2,00.  —  4)  G.Schumann 
u.  E.  Sperber,  Gesch.  d.  Religionsunterrichts  in  d.  evang.  Volksschule.  (=  Gesch.  d.  Methodik  d.  deutsch.  Volksschulunterrichts 
her.  V.  C.  Kehr.  2.  Aufl.  Bd.  VI  A.)  Gotha,  Thienemann.  155  S.  M.  2,00.  —  5)  F.  W.  Bürgel,  Gesch.  d.  Methodik  d.  Keligions- 
unterrichts  in  d.  kathol.  Volksschule.  (=  Gesch.  d.  Methodik  d.  deutschen  Volksschulunterrichts  her.  v.  C.  Kehr.  2.  Aufl. 
Bd.  VI  B.)  Gotha,  Thienemann.  X,  305  S.  M.  4,00.  [[Probst:  LHandweiser.  N.  517.]|—  6)  P.  Langer,  D.  Utüitätsprinzip  in  d. 
Entwicklung  d.  gelehrten  Unterrichts.  Progr.  d.  Gymn.  zu  Ohrdruf.  Jena,  Engelhard  -  Beyher.  40.  15  S.  |[Bonghi: 
Cultura   19.    Okt.;   Bender:   JBHSchulw.   5,   S.   I,   9110.]!     — '  7)   B.   Becher,    Ansichten    d.  Desiderius   Erasmus  über  Er- 


56  1,6:   K.  Kehrhach,  Geschichte  des  TJnterrichtswesens. 

die  Wichtigkeit  des  Erzieheramts,  über  die  Notwendigkeit  einer  Ueberwachung  des 
ersten  (Privat-)  Unterrichts,  im  Hause  durch  die  Eltern,  über  die  Vorzüge  des 
Einzehuiterrichts  im  Gegensatze  zum  Massenunterricht,  über  die  hygienischen  Mass- 
regehi,  die  vielfach  an  Eordenangen  der  Gegenwart  anklingen,  über  die  Ueberbürdung, 
die  durch  die  Sorgfalt  der  Lehrer  vermieden  werden  könne,  und  über  Fürstenerziehung 
spricht  Erasmus  und  betont,  dass  die  Erziehung  der  Mädchen  eine  schwerere  Auf- 
gabe sei  als  die  der  Knaben.  Mit  Recht  verweist  B.  auf  die  Aehnlichkeit,  welche  zwischen 
Erasmus,  Locke  und  den  Philanthropinisten  herrscht.  —  Von  dem  Gesichtspunkte  aus- 
gehend, einige  wichtigere  Schriften  der  für  die  Gestaltung  des  deutschen  Volksschul- 
wesens massgebenden  Pädagogen  zu  bieten,  hat  Mol  dehn  ^)  eine  Auswahl  pädagogischer 
Arbeiten  Luthers  zusammengestellt.  In  verkürzter  Eorm  druckt  er  den  „Sermon  vom 
ehelichen  Stand"  ab,  welchem  sich  das  Sclireiben  „An  die  Ratsherren  aller  Städte 
deutschen  Landes,  dass  sie  christliche  Schulen  aufrichten  und  halten  sollen",  anschliesst. 
Dem  „Sermon  oder  Predigt,  dass  man  solle  Kinder  zur  Schule  halten",  folgt  die  „Vor- 
rede D.  Martini  Lutheri"  zum  „kleinen  Catechismus"  usw.  Aus  dem  „Passionalbüchlein" 
von  1545  ist  die  Vorrede  (über  Bilderbücher  beim  Gebrauch  des  Religionsunterrichts) 
entnommen.  M.  druckt  darauf  Luthers  Vorrede  zu  dem  jetzt  beinahe  ganz  vergessenen 
Buch  „Historia  Galeatii  Capellae"  ab,  in  welchem  Luthers  Ansicht  über  den  Wert  der 
Geschichtsschreibung  zum  Ausdruck  kommt.  Eine  kurze  Zusammenstellung  der  wich- 
tigsten Aussprüche  Liithers  über  Erziehung  und  Unterricht  schliesst  das  Buch.  —  Rost  ^) 
bietet  in  seiner  fleissigen  Dissertation  die  Litteratur  von  und  über  Bugenhagen,  schildert 
Bugenhagens  Wirkungskreis  und  Schriften,  charakterisiert  seine  Kirchenordnungen  und 
ihre  Nachbildungen,  weiter  seine  Verdienste  um  die  Reform  der  Volksschulen  und  der 
höheren  Bildungsanstalten;  er  unterlässt  es  niclit,  die  Uebereinstimmungen  und  Ab- 
weichungen hervorzuheben,  die  sich  bei  einem  Vergleich  Bugenhagens  mit  Luther  er- 
geben. ■ —  Ueber  zwei  protestantische  Schulmänner  des  16.  und  17.  Jh.,  über  Matthias 
Schenck  und  Georg  Schedius  berichtet  Bolteio-ii).  Schenk  (1517—1571),  Schüler 
Sturms,  Rektor  in  seiner  Vaterstadt  Konstanz,  sodann  in  Augsburg,  wo  er  mit  Hieronymus 
Wolf  sich  in  die  Leitung  der  Schule  teilte,  schrieb  über  Schiilreform,  gab  die  Grammatik  des 
J.  Rivius  und  die  „Nomenclatura"  des  H.  Junius  heraus,  verfasste  „Elementa  pietatis  et 
litterarum"  und  übersetzte,  wahrscheinlich  zu  Schulzwecken,  den  Terenz  in  Prosa. 
Schedius  (1580 — 1650),  zunächst  Schulmeister  in  Mähren,  sodann  Rektor  in  den  mecklen- 
biu"gischen  Städten  Bützow  und  Güstrow,  hinterliess  lateinische  Schuldramen,  in  denen 
er  biblische  Stoffe  mit  grosser  Weitschweifigkeit  behandelt  und  bei  deren  Abfassung 
Sturms  Schüler  H.  Junius  sein  Vorbild  gewesen  ist.  —  Kurz  charakterisiert  Her  ding  12) 
die  pädagogischen  Bestrebungen  Sturms,  der  Jesuiten,  des  Ratichius,  Comenius,  Lockes, 
Arnold  Reyhers,  A.  H.  Eranckes  und  des  Pietismus,  ohne  dabei  irgendwelche  neuen 
Ansichten  zu  bieten.  —  Wenn  R.  Günther  ^3)  von  „pädagogischen  Berührungs- 
punkten zwischen  Locke  und  Francke  handelt,  so  ist  dabei  nicht  daran  zu  denken, 
dass  Locke  auf  Francke  oder  Francke  auf  Locke  eingewirkt  habe.  Unabhängig  von 
einander,  von  ganz  verschiedenen  Weltanschauungen  beherrscht,  kommen  sie  doch  Irin- 
sichtlich der  physischen  Erziehung,  der  Zucht  und  auch  in  vielen  Fragen  des  Unter- 
richts zu  ganz  gleichen  Forderungen.  —  Aus  H.A.  Franckes  „Oeftentlichem  Zeugnis  vom 
Werk,  Wort  und  Dienste  Gottes"  (1702)  sind  uns  die  pädagogisch  wichtigen  Pai'tien  in 
einem  modernisierenden  Neudruck  durch  Gänsen^*)  zugänglich  gemacht,  nämlich  N.  1: 
„Kurzer  und  einfältiger  Unterricht,  wie  die  Kinder  zur  wahren  Gottseligkeit  und  christ- 
lichen Klugheit  anzuführen  sind",  N.  4:  „Von  der  Erziehung  der  Jugend"  (verfasst  1697,8), 
femer  aus  der  „Ordnung  des  Waisenhauses"  ein  Abschnitt:  „Was  von  den  Lehrern  zu 
beobachten",  endlich  eine  erst  später  im  Archiv  des  Waisenhauses  aufgefundene,  zuerst 
von  Kramer  und  Vormbaum  in  den  ,, Evangelischen  Schulordnungen"  publizierte  ,, In- 
struktion füi"  die  Präzeptores,  was  sie  bei  der  Disciphn  wohl  zu  beobachten",  die  nach 
dem  Urteil  des  Herausgebers  nicht  von  Francke  stammt,  jedoch  in  seinem  Geist  verfasst 
ist.  Die  Einleitung  stellt  das  Wichtigste  über  Franckes  Leben,  Stiftungen  und  Lehrart 
kurz,  aber  sehr  instruktiv  zusammen.  —  Zum  ersten  Male  vrird  eine  umfassende  Ge- 
schichte des  Philanthropinismus  auf  Grund  der  bis  jetzt  erschienenen  Quellenschriften 
und  unter  Hinzufügung  von  bisher  noch  nicht  veröifentlichten  Aktenstücken  zur  Ge- 
schichte Basedows  in  dem  Werke  Pinloches  ^^)  geboten.    Der  bisher  von  den  meisten 


I 


Ziehung  und  d.  ersten  Untcrr.  d.  Kinder.  Phil.  Diss.  Leipzig,  Gruinbach.  45  S.  —  8»  A.  Mol  dehn,  Luthers  pKdiig.  Schriften 
lllr  Seminaristen  u.  Lehrer  ausgew.  u  zus.-gest.  Breslau,  Hirt.  58  S.  M.  0,60.  |[DSchulZg.  1891,  N.  48;  "WürttSWBl.  1891, 
N.  4;  DLehrerZg.  1891,  N.  5  (LB1.).]|  —  9)  .1.  R.  Rost,  D.  pädag.  Bedeutung  Bugenhagens.  Phil.  Diss.  Leipzig-Reudnitz,  M.  Hoflf- 
mann.  74  S.  —  10)  J.  Bolte,  M.  Schenck:  ADB.  31,  S.  56.  —  II)  id.,  Georg  Schedius:  ib.  30,  S.  663.  —  12)  W.  Herding, 
E.  Gang  durch  d.  Gesch.  d.  Pädagogik  v  Montaigne  bis  Rousseau.  (Einl.)  Progr.  d.  Studionanstalt.  Erlangen,  Blaesiug.  32  S. 
M.  0,80.  —  13)  R.  Günther,  Pädag.  Berührungspunkte  zwischen  Locke  u.  Francke.  Phil.  Diss.  Leipzig,  Gnimbach.  35  S.  —  14)  A.  H. 
Franckes  wichtigste  pttdag.  Schriften  her.  v.  J.  Gänsen.  (=  Samml.  d.  bedeutendsten  pädag.  Schriften  aus  alter  u.  neuer  Zeit  Bd.  3). 
Paderbüm,  Schöningh.  147  S.  M.  1.00.  —  15)  A.  P  i n  1  o c h  c ,  La  r<5fonue  de  l'ßducation  en  Allemagno  au  18.  sifecle. Basedow  et  le  philan- 


1,6:  K.  Kehrbach,  Geschichte  des  Unterrichtswesens.  57 

angenommenen  Beeinflussung  Basedows  durch  Rousseau  setzt  der  Vf.  Einwirkungen 
von  Locke,  Comenius  und  de  la  Chalotais  auf  Basedow  entgegen,  eine  Hypothese,  deren 
Bestätigung  weiterer  Quellennachweise  sehr  bedürftig  ist.  So  hat  G.  Schmidt  i«)  auf 
den  Einfluss  hingewiesen,  der  von  Heyne  und  dem  Neuhumanismus  auf  Basedow  ^'^) 
ausgeübt  wurde,  ehe  dieser  von  Rousseau  und  Chalotais  ausgehen  konnte.  —  Sehr 
wichtige  Beiträge  liefert  auch  Bosse  i^-i^)  durch  Herausgabe  bisher  unbekannter  Briefe 
aus  philanti'opischen  Kreisen  und  einen  Aufsatz  über  Hundeiker.  —  Durch  Lötzes20) 
Dissertation,  die  einen  Beweis  von  der  fleissigen  Durchforschung  der  zahl-  und  umfang- 
reichen Werke  Campes  giebt,  wird  ein  umfassender  Ueberblick  über  die  pädagogischen 
Bestrebungen  Campes  gewonnen.  —  Zum  ersten  Male  wird  in  ausführlicher  Weise  unter 
Hinzuziehung  von  bisher  noch  nicht  veröffentlichten  Materialien  von  Nitzold  21)  Wolkes 
Thätigkeit  als  Erzieher  in  der  Familie  Basedows  und  am  Philanthropin  dargestellt.  Die 
Campe  behandelnden  Abschnitte  können  als  eine  Ergänzung  der  vorher  genainiten  Arbeit 
Lötzes  gelten.22)  —  Schneidawind  23)  giebt  neben  biographischen  Nachrichten  eine 
Darstellung  der  pädagogischen  Bestrebungen  Kefers  (1768—1802),  der  durch  die  von  ihm 
ohne  Mithilfe  des  Staates  oder  der  Behörden  1793  begründeten  bürgerlichen  Feiertags- 
schule  für  Handwerksjungen  und  -gesellen  eine  Muster-  und  Mutterschule  für  die  bay- 
erischen Fortbildungs-,  Gewerbe-  und  Fachschulen  schuf.  —  Die  Publikationen,  welche 
Salzmann,  Kant  und  Pestalozzi  behandeln,  sind  in  dem  Berichte  über  die  Didaktik  des 
18./19.  Jh.(IV,6N.  24-31;  21-23;  32-39)  besprochen.  —  Von  der  grossen  durch  Kehrbach  24) 
besorgten  textkritischen  Ausgabe  der  sämthchen  Werke  Herbarts  ist  der  5.  Band  im 
Berichtsjahre  erschienen,  der  die  Schriften  der  Jahre  1819 — 1824  umfasst.  —  Eine  neue 
erweiterte  Auflage  von  Herbarts  pädagogischen  Schriften  in  der  Ausgabe  von  Bartho- 
lomaei  hat  Sallwürk25)  erscheinen  lassen.  Die  Texte  sind  nach  den  Originalausgaben 
und  nach  Hartensteins  und  Kehrbachs  Gesamtausgaben  geprüft  worden.  In  der  Bio- 
gi'aphie  wurden  die  durch  neiiere  Veröffentlichungen  notwendig  gewordenen  Zusätze 
von  S.  mit  grosser  Genauigkeit  eingefügt.  26)  —  Aus  dem  Nachlasse  des  bekannten  El- 
sässer  Theologen  Bruch  ist  von  einem  Anonymus  27)  eine  Darstellung  seiner  Lebens- 
geschichte und  seiner  Wirksamkeit  gewonnen  worden.  Die  Aufzeichmmgen  Bruchs 
umfassen  seine  Thätigkeit  von  1821 — 1872  als  Akademiker,  Prediger,  Gymnasiarch, 
kirchlicher  Administrator  und  Schriftsteller.  —  Ueber  den  Schulmann  und  Dichter 
Moebius,  der  als  Oberschulrat  in  Gotha  starb,  hat  Schmeisser  28)  eine  kleine  Arbeit 
veröffentlicht,  welche  uns  das  Leben  und  den  Charakter  eines  Jugendbildners  von  kind- 
lich frohem  Gemüt  und  voller  Begeisterung  für  seinen  Bei-uf  in  kräftigen  Zügen  schildert. 
—  Auch  zwei  hervorragende  Geschichtsschreiber  der  Pädagogik  sind  biographisch  be- 
handelt worden:  Karl  Adolf  Schmid  und  Karl  Schmidt.  Schmid  (1804 — 1887),  dessen 
Leben  Schott  29)  geschildert  hat,  Rektor  in  Esslingen,  Ulm,  Stuttgart,  ist  der  Heraus- 
geber der  bekannten  „Encyklopädie  des  gesamten  Erziehungs-  und  Unterrichtswesens" 
und  der  noch  im  Erscheinen  begriffenen,  von  Schmids  Sohn  weiter  geführten  „Geschichte 
der  Erziehung  vom  Anfang  bis  auf  unsere  Zeit".  Schmidt  (1819 — 1864),  über  denHoche^o) 
berichtet,  Schulrat  in  Gotha,  der  „antlu-opologische  Pädagog",  war  Anhänger  der  Phre- 
nologie, welche  die  Wissenschaftlichkeit  seines  bedeutendsten  Werkes,  der  „Geschichte 
der  Pädagogik",  bedenklich  geschädigt  hat;  ihr  Einfluss  wird  jetzt  erst  in  der  von  Dittes 
und  Hannak  besorgten  Neuauflage  beseitigt.  — 

Besonders  reich  war  im  Berichtsjahre  die  Litteratur  über  Diester  weg,  da  am 
29.  Oktober  hundert  Jahre  seit  seiner  Geburt  verflossen  waren  ;  die  folgenden  Schriften  sind 
durch  dieses  Jubiläum  veranlasst.  Als  „Jubiläumsausgabe"  ist  die  1877  von  Langen- 
berg^i)  auf  Veranlassung  des  Verlagsbuchhändlers  Diesterweg,  eines  Sohnes  des  Jubi- 
lars, veröffentlichte  Ausgabe  der  ausgewählten  Schriften    aufgelegt    worden,    ohne    dass 


thropinisme.  Paris,  A.  Colin  &  Co.  1889.  VIII,  597  S.  |  [H.Mari ou:  RP6dag.  N.  4;  F.  E.  P  errens:  HESS.  N.  9;  Eh.:  LCBl.  S.  1446  ; 
F.  Wintterlin:  AZgB.l. Nov.;F.Dittes:Paedagogium  13,8.208—10;  E.  v.  SallwUrk:  DBIEU.  1891,  N.  1— 2;Th.  Ziegler: 
DLZ.12,  S. 539-41;  K.  Hartfelder:  BPWS.  1891,  N.  37.]1  —  16)  G.  Schmid,  J.B.Basedow  u.  d.  Entwicklung  seiner  pädag. 
Ideen.  Programm.  St.  Petersburg.  98  S.  —  i7)  (IV,  6  N.  25).  -  18)  (IV,  6  N.  27).  -  19)  Bosse,  D.  Edukationsrat  Dr.  J.  P. 
Hundeiker  u.  d.  Erziehungsanstalt  zu  Vechelde:  ZHarzV.  23,  S.  429—72.  —  20)  C.  Lötze,  J.  H.  Campe  als  Pädagog.  E.  Beitr 
z.  Gesch.  d.  Pädagogik  im  Zeitalter  d.  Aufklärung.  Phil.  Diss.  Leipzig-Keudnitz,  M.  Hoffmann.  57  S.  —  21)  F.  F.  N  i  t  zold,  Wolke 
am  Phiianthropin  zu  Dessau.  E.  Beitr.  z.  Gesch.  d.  Pädagogik  im  18.  Jh.  Leipziger  Phil.  Diss.  Grimma,  Bodo.  143  S.  —  22)  X  A. 
Trinius,  Marienthal.  Fr.  Froebels  erster  Kindergarten:  MagdeburgZg.  N.  231.  (Skizze  v.  Fröbels  Leben.)  —  23)  K.  Schneida- 
wind, Franz  Xaver  Kefer:  OberbayrA.  46,  S.  231—41.  —  24)  J.  F.  Herbart,  Sämtl.  Werke  in  chronolog.  Reihenfolge  her.  v. 
K.  Kehrbach.  5.  Bd.  Langensalza,  Beyer.  XIV,  434  S.  M.  5,00.  —  25)  X  id.,  Pädagog.  Schriften.  Mit  Herbarts 
Biogr.  her.  v.  F.  Bartholomaei.  Neu  bearb.  u.  mit  erläut.  Anmerkk.  vorsehen  v.  E.  v.  S  allwUrk.  1.  Bd.  (=  Bibl.  pädag. 
Klassiker.)  Langensalza,  Beyer.  XII,  428  S.  M.  2,50.  —  26)  X  Ernst  Wagner,  Vollständige  Darstellung  d.  Lehre  Herbarts. 
(Psychologie,  Ethik  u.  Pädagogik.)  Z.  Studium  für  Lehrer  u.  Freunde  d.  Pädagogik.  Mit  d.  Bildnisse  Herbarts.  5.  Aufl.  (=  D. 
Klassiker  d.  Pädagogik.  Bd.  1.)  Langensalza,  Schulbuchhandlung.  VIII,  398  S.  M.  4,00.  —  27)  X  J-  F.  Bruch,  Seine 
Wirksamkeit  in  Schule  u.  Kirche  1821-72.  Aus  seinem  hs.  Nachlasse  her.  v.  Th.  G.  Strassburg,  Heitz.  VII,  103  S.  M.  2,60. 
—  28)  R.  Schmeisser,  Dr.  Paul  Möbius  als  Schulmann  u.  Dichter.  Jena,  Mauke.  16  S.  (S.-A.  aus  d.  LZThüringen.)  — 
29)  Th.  Schott,  Karl  Adolf  Schmid:  ADB.  31,  S.  676/9.  -  30)  R.  Hoche,  Karl  S.  Schmidt:  ib.  S.  770.  —  31)  E.  Langen- 
berg,  Adolf  Diesterwegs  ausgew.  Schriften.    2.  Aufl.    1.  u.  2.  Bd.    Frankfurt  a/M.,  Diesterweg.    VIII,  400  S.;  IV,  400  S.  jeder 


58  1,6:  K.  Kehrbach,  Geschichte  des  Unterrichtswesens. 

irgend  welche  Aenderungen  vorgenommen  wären.  Die  ausgewählten  Schriften  bestehen 
in  Aufsätzen  und  Abhandlungen,  die  D.  in  dem  Zeitraum  von  1830 — 1866  in  den 
„Rheinischen  Blättern"  und  dem  „Pädagogischen  Jahrbuch"  veröifentlicht  hat.  —  Auch 
von  dem  ersten  Teile  des  „Wegweisers",  dessen  Abfassung  in  die  erste  Zeit  von  Diester- 
wegs  Wirksamkeit  an  dem  neu  errichteten  Seminar  für  Stadtschulen  in  Berlin  fällt 
und  dessen  erste  Auflage  1835  herauskam,  während  die  vierte  und  letzte  1850  erschien, 
ist  durch  Karl  Richter^s)  eine  Jubiläumsausgabe  veranstaltet  worden.  Der  „Weg- 
weiser" „bezeichnet  nicht  nur  als  ein  Markstein  die  Höhe,  bis  zu  welcher  sich  damals 
Theorie  und  Praxis  der  Volksschulpädagogik  unter  den  nachwirkenden  Ideen  Pesta- 
lozzis und  den  einflussreichen  Bestrebungen  von  Männern  wie  Niemeyer,  Schwarz, 
Denzel,  Harnisch  u.  a.  und  nicht  an  letzter  Stelle  durch  Diesterweg  selbst  entwickelt 
hatten,  sondern  er  bietet  auch  die  sonst  in  den  übrigen  Schriften  zerstreuten  pädago- 
gischen Grundsätze  und  Anschauungen  Diesterwegs  in  einigermassen  zusammenfassender 
Darstellung".  R.  bietet  den  Text  letzter  Hand,  hat  ihn  aber  ergänzt  durch  Hinzu- 
fügung  von  Stellen  aus  verschiedenen  Schriften  Diesterwegs  oder  durch  Hinweis  auf 
sie;  diese  Zusätze  sind  natürlich  kenntlich  gemacht.  In  dem  Teile,  welcher  die  dem 
Lelu-er  zum  Studium  empfohlene  Litteratvu"  enthält,  sind  viele  Ergänzungen  eingetreten : 
es  ist  innerhalb  der  einzelnen  Gebiete  die  seit  dem  letzten  Erscheinen  des  Originals 
entstandene  hervorragendere  Litteratur  berücksichtigt.  Diese  Veränderungen  sind 
bewirkt  worden  in  der  Voraussetzung,  dass  der  „Wegweiser"  auch  jetzt  noch,  nach 
mehr  als  40  Jahren,  ein  mehr  als  bloss  historisches  Interesse  beanspruchen  darf.  Den 
zweiten  Teil  beabsichtigt  R.  in  der  Weise  zu  behandeln,  dass  er  zunächst  nvir  die  von 
Diesterweg  herrülu-enden  Abschnitte  über  die  Methodik  einzelner  Unterrichtsfächer  unter 
Hinzufügung  der  entsprechenden  Litteratur  neu  abdrucken  lässt,  und  dann  noch  alles 
das  zusammenstellt,  „was  Diesterweg  gelegentlich  in  seinen  übrigen  Schriften  über  den 
Betrieb  aller  anderen  Lehrfächer  geäussert  hat,  so  dass  dann  beide  Teile  zusammen 
eine  vollständige  Pädagogik  Diesterwegs  bilden  würden."  —  Weniger  ausführHch  als  es 
von  Richter  beabsichtigt  ist,  hat  bereits  H.  Scherer^s)  diese  Aufgabe  gelöst.  Er  giebt 
in  der  Hauptsache  die  pädagogischen  Ansichten  Diesterwegs  in  systematischer  Anord- 
nung und  mit  Diesterwegs  eigenen  Worten;  dazu  treten  Erläuterungen.  In  den  Ein- 
gangskapiteln wird  unter  dem  nicht  zutreffenden  Titel  „Die  geschichtliche  Entwick- 
lung der  deutschen  Volksschulpädagogik  und  Volksschule  bis  auf  Diesterweg"  ein  kurzer 
Abriss  einer  Geschichte  der  Pädagogik  von  Griechenland  und  Rom  beginnend  darge- 
boten; darauf  folgt  Diesterwegs  Biographie.  —  Eine  vorzügliche  Gesamtdarstellung  von 
Diesterwegs  Leben  und  Wirken  hat  Karl  Richter^*)  verfasst.  —  Seine  Bedeutung 
für  die  deutsche  Volksschidreform  wird  in  einer  gehaltvollen  Schrift  seines  Schülers 
L.  Rudolph  35)  gefeiert,  der  seiner  Darstellung  aus  seinem  persönlichen  Verkehr  mit 
Diesterweg  manche  interessante  bisher  unbekannte  Einzelheit  einflicht,  die  geeignet 
sein  dürfte,  die  vorhandenen  Werke  über  das  Leben  und  Wirken  des  Meisters  zu  er- 
gänzen. —  Solche  Ergänzungen  bietet  auch  A.  Böhme^^),  ein  anderer  der  getreuen 
Schüler,  in  einer  wesentlich  kleineren  Schrift.  —  Dasselbe  Thema,  das  Rudolph  be- 
handelte, wird  von  Andre ae^^)  und  Wiesels)  in  Festvorträgen,  natürlich  in  sehr  ge- 
drängter Kürze,  erörtert.  —  „Diesterweg  und  die  Lehrerbildung"  lautete  das  Thema  des 
Preisausschreibens  der  Diesterweg-Stiftung  in  Berlin.  Hinzugefügt  war  die  Bestimmung, 
dass  die  einzureichenden  Arbeiten  eine  „Entwicklung  der  wissenschaftlichen  Ausbildung 
des  deutschen  Volksschullehrerstandes  und  seiner  gesellschaftlichen  und  staatsbürger- 
lichen Stellung"  unter  besonderer  Berücksichtigung  der  Verdienste  Diesterwegs  geben 
müssten.  Von  den  eingereichten  Arbeiten  sind  die  von  Kreitz^s)  und  Wilke*^)  mit 
dem  Preise  ausgezeichnet  worden.  K.  hat  seine  Arbeit  in  fünf  Abschnitte  eingeteilt,  deren 
erster  die  Entwicklung    der  Lehrerbildung  bis    zum  Auftreten  Pestalozzis  und  Diester- 


Bd.  M.  3,00.  I  [DLehrerZg.  N.  8.  (LB1.)]|  (Vollständig  in  4  Bdn.)  —  32)  A.  Diesterweg,  Wegweiser  z.  Bildung  für  deutsche 
Lehrer.  6.  durchges.,  verm.  u.  in  d.  Litt,  fortgeführte  Aufl.  Als  Jubiläumsausg.  zu  D.s  lOOj.  Geburtstage  am  29.  Okt.  1890 
bearb.  u.  her.  v.  Karl  Richter.  Frankfurt  a/M.,  Diesterweg.  XXIV,  356  S.  M.  3,60.  —  33)  H.  Scherer,  A.  Diesterwegs 
Pädagogik.  In  System.  Anordnung  u.  z.  Einführung  in  d.  Studium  d.  wissensohaftl.  Pädagogik.  Mit  Porträt  u.  Faksimile 
Diesterwegs.  Giessen,  Roth.  186  S.  M.  2,50.  |  [DLehrerZg.  N.  8.  (LB1.)|  —  34)  Karl  Richter,  A.  Diesterweg.  Nach  seinem 
Leben  u.  Wirken  z.  Jubelfeier  seines  lOOj.  Geburtstages.  Wien,  Piehlers  Wwe.  VI,  2Ö0  S.  M.  3.00.  |[LCB1.  N.  6;  PraktSchulmann 
N.  8;  DSchulZg.  N.  39;  FDSchulZg.  N.  42;  BhSchulmann  N.  10;  IllZg.  N.  2458;  ADLZg.  N.  938;  BLehrerZg.  N.  31;  Paedagogium 
12,  N.  12;  RepPaedag.  46,  N.  2.]|  —  35)  L.  Rudolph,  A.  Diesterweg  d.  Reformator  d.  deutschen  Volksschulwesens  im  19.  Jh. 
Festschr.  z.  Feier  seines  lOOj.  Geburtstages  d.  29.  Okt.  1890.  Berlin,  Nicolai.  M.Bild.  X,  229  S.  M.  3,50.  |  [FDSchulZg.  N.  31;  R. 
Horst:  COJRealschulw.  N.  8;  DLehrerZg.  N.  8  (LBl.);  DSchulZg.  N.  35,  WJDM.  N.  408;  DRs.  S.  151;  IllZg.  N.  2439  ]|  — 
38)  A.  Böhme,  A.  Diesterweg.  E.  Dankesgabe  z.  29.  Okt.  1890.  Berlin,  Gärtner.  40  S.  M.  0,80.  —  37)  C.  Andreae,  lieber 
d.  Bedeutung  Diesterwegs  für  d.  deutsche  Volksschule  u.  ihre  Lehrer.  E.  Gedächtnisrede  geh.  in  d.  11.  pfälz.  Kreislehrerversamml. 
zu  Kaiserslautern  am  17.  Sept  1890.  Kaiserslautern,  Tascher.  23  S.  M.  0,60.  —  38)  Fr.  Wiese-Schwerin,  Diesterweg  u. 
seine  Bedeutung  fUr  d.  Volksschule.  Vortr.  geh.  auf  d.  Versammlung  d.  Landos-Lehrer- Vereins  zu  Stemberg.  Wismar,  Hinstorff. 
31  S.  M.  0,40.  —  39)  W.  Kreitz,  Diesterweg  u.  d.  Lelirerbildung.  E.  Gesch.  d.  deutschen  Lehrerbildung  mit  bes.  Berück- 
sichtigung Diesterwegs.  Mit  d.  Bilde  Diesterwegs.  Wittenberg,  Herros6.  132  S.  M.  r,80.  |[Polack:  DLehrerZg.  N.  8  (LB1.>]| 
—  40)  E.  Wilke,  Diesterweg  u.  d.  Lehrerbildung.   E.  Boitr.  z.  Gesch.  d.  deutschen  Volksschullehrerstandes.    Berlin,  Weidmann. 


1,6:  K.  Kehrbach,  Geschichte  des  Unterriclitswesens.  59 

wegs,  deren  letzter  den  Aufschwung  der  Lehrerbildung  seit  dem  Erlass  der  „Allgemeinen 
Bestimmungen"  von  1872  charakterisiert.  Die  dazwischen  liegenden  Abschnitte  betreifen 
Diesterwegs  Bestrebungen,  Leistungen  und  Kämpfe  für  die  Lehrerbildung.  In  W.s 
Buch  handeln  von  den  sechs  Abschnitten  zwei  (4  und  5)  von  Diesterweg;  das  Vorher- 
gehende ist  historischer  Darstellung  gewidmet;  dabei  hebt  der  V£  noch  mit  Recht  her- 
vor, dass  urkundliche  Nachrichten  über  Bildung  und  Stellung  der  Lehrer  in  früherer 
Zeit  bis  jetzt  nur  spärlich  vorhanden  seien  und  dass  erst  dann,  wenn  die  Quellen  reich- 
licher fliessen,  eine  vollständige  Geschichte  des  Lehrerstandes  geschrieben  werden 
könnte.  Das  Thema  des  Preisausschreibens  der  Diesterweg-Stiftung  behandeln  auch 
Lüttge^i),  Krause42)j  Pohlandt^s),  Hauffe44)^  von  denen  nur  die  fleissige  Schrift 
Lüttges  dem  Referenten  vorliegt.  Der  Vf.  widmet  Diesterweg  drei  Abschnitte:  „Diester- 
weg und  die  Volksschullehrerseminare",  „Diesterweg  und  die  Bildungsbestrebungen  des 
Volksschullehrerstandes",  „Diesterweg  und  die  Emanzipationsbestrebungen  des  Volks- 
schullehrerstandes" ;  voraus  geht  wie  bei  den  vorher  genannten  Arbeiten  ein  geschicht- 
licher Abriss.  —  Von  den  zahlreichen  Aufsätzen *5-*6),  Vorträgen,  Gedächtnisreden,  Ge- 
denkblättern, Feststimmen,  die  teils  in  den  verschiedenartigsten  Zss.,  teils  selbständig 
erschienen  sind,  seien  ausser  den  bereits  genannten  die  Arbeiten  von  Bartholomäus^?), 
F.  Richter^S),  H.  Cassel^o),  A.  W.  Ernstso)  und  A.  Hermann^i)  erwähnt.  Leider 
beherzigen  die  Jubelschriftsteller  zu  selten  die  in  der  obenerwähnten  Schrift  Andxeaes 
(vgl.  N.  37).  ausgesprochene  verständige  Warnung  vor  kritikloser  und  oft  geheuchelter 
Autoritätenverehrung,  wie  sie  sich  gegenwärtig  an  Gedenktagen  breit  macht.  „Auch 
das    sich-begeistem  ist  Mode  geworden.  "52)  — 

In  der  Beilage  zu  dem  kurz  gefassten  Plane  der  „Monumenta  Germaniae  Pae- 
dagogica"  wurde  von  Kehrbach  die  Mitteilung  gemacht,  dass  hier  auch  ein  Ge- 
biet ziir  Bearbeitung  gelangen  sollte,  welches  trotz  seiner  grossen  Wichtigkeit  für 
politische  Geschichte  wie  Kulturgeschichte  bis  jetzt  sehr  vernachlässigt  ist,  nämlich  die 
Geschichte  der  Prinzenerziehung.  Aus  der  Menge  der  auf  dieses  Gebiet  bezüglichen, 
noch  in  den  Archiven  verborgen  liegenden  Materiahen  ist  bis  jetzt  nur  Weniges  ver- 
öffentlicht. Erst  durch  die  „Monumenta"  wird  der  Geschichte  der  Prinzen-  und  Prin- 
zessinnenerziehung in  den  devitschen  Fürstenhäusern  der  ihr  gebührende  Platz  bereitet. 
Karl  Schmidt^S)^  (^er  die  Bearbeitung  und  Herausgabe  des  urkundlichen  Materials  zur 
Gescliichte  der  Erziehung  und  des  Unterrichts  im  wittelsbachischen  Regentenhause  für 
die  „Monumenta"  übernommen  hat,  berichtet  über  einen  Teil  seines  Arbeitsgebietes. 
„Von  der  Mitte  des  16.  Jh.  bis  zur  Mitte  des  18.  ist  eine  fast  ununterbrochene  Reihe 
von  Amtsinstruktionen  für  die  mit  der  Erziehung  der  Prinzen  des  genannten  Regenten- 
hauses betrauten  Personen  samt  Vorschlägen,  Gutachten  und  ähnlichen  darauf  sich  be- 
ziehenden Akten  erhalten;  dazu  kommen  noch  einige  ausführliche  systematische  Dar- 
stellungen über  Lebensweise  und  Erziehung  weltlicher  wie  geistlicher  Fürsten,  welche, 
für  Mitglieder  unseres  Regentenhauses  selbst  angefertigt,  höchst  wichtige  kulturgeschicht- 
liche Arbeiten  darstellen."  „Sobald  ein  Prinz  der  Pflege  der  Frauen  entwachsen  war, 
wurde  er  der  Obhut  und  Fürsorge  eines  Hofmeisters  als  Stellvertreters  des  Vaters  über- 
geben. Diese  einflussreiche  und  verantwortliche  Stelle  bekam  in  der  Regel  ein  dem  an- 
gesehenen Adel  angehöriger,  durch  Studien,  Reisen  und  Erfahrungen  gebildeter  Mann. 
Zur  Erteilung  des  Unterrichts,  dessen  Gegenstände  je  nach  Zeit  xmd  Umständen  ver- 
schieden waren,  wurde  aus  dem  gelehrten  Stande  ein  Präceptor  ausgewählt,  der  zwar  in 
allen  Stücken  der  obersten  Direktion  des  Hofmeisters  unterworfen,  aber  doch  in  ge- 
wissen Fällen  dessen  Stelle  zu  vertreten  und  selbständig  zu  handeln  befugt  war.  Mit 
dem  Unterricht  im  Schreiben  und  Rechnen,  sowie  in  Religion,  technischen  Fertigkeiten, 
Musik  usw.  wurden  besonders  hierzu  geeignete  Persönlichkeiten  beauftragt.  Ein  oder 
melu-ere  Kämmerer,  Kammerdiener  und  einige  untergeordnete  Personen  vervollständigten 


VII,  144  S.  M.  2,50.  |[LCB1.  N.  46;  ADLZg.  N.  9;  DLehrerZg.  N.  8  (LBL);  Grenzb.  N.  25;  PädZgB.  N.  10.]|  —  4t)  E.  Lüttge, 
A.  Diesterweg  in  seiner  Bedeutung  für  d.  Hebung  d.  Volkssohullebrerstandes.  E.  Beitr.  z.  Gesch.  d.  Volksschule  d.  19.  Jh. 
(=  Pädag.  Sammelmappe:  Vortrr.,  Abhandll.  usw.  für  Erz.  u.  Unterr.  Heft  131/2.)  Leipzig,  Siegismuud  &  Volkening.  o.  J.  144  S. 
M.  2,00.  —  42)  R.  Krause.  A.  Diesterweg  u.  seine  Verdienste  um  d.  Entwicklung  d.  deutschen  Volkssclmllehrerstandes.  E. 
Gedeukblatt.  Borna-Leipzig,  Jahnke.  189  S.  M.  2,00.  [[DLehrerZg.  N.  8.  (LB1.)]|  —  43)  M.  Pohlandt,  Diesterwegs  Verdienste 
um  d.  Lehrerbildung.  E.  Jubiläumsausgabe  an  d.  deutsche  Lehrerschaft  z.  29.  Okt.  1890.  Leipzig,  Oesterwitz.  99  S. 
M.  1,60.  I  [DLehrerZg.  N.  8.  (LB1.)]|  —  44)  6.  Hauffe,  Diesterweg  u.  d.  Lehrerbildung.  Breslau,  Freund.  M.  2,50.  — 
5)  XF.  Burckhardt.A.  Diesterweg :  LZg».  N.  127/9.  —  46)  X  F. D i 1 1  e  s ,  Z.  Gedächtnis  A.  Diesterwegs.  Leipzig,  Klinkhardt.  20 S. 
M.  0,30.  —  47)  W.  Bartholomäus,  A.  Diesterweg.  Gedächtnisrede  auf  d.  16.  westfäL  Lehrertage  aus  Anlass  d.  Grundstein- 
legung d.  Diesterweg -Denkmals  in  Siegen.  (Samml.  pädag.  Vortrr.  her.  v.  Wilh.  Meyer  -  Markan.  Bielefeld,  Helmich. 
15  S.  M.  0,60.  [DLehrerZg.  N.  8.  (LBl.)]  |  —  48)  F.  Richter,  Zu  Diesterwegs  Gedächtnis.  PKZ.  N.  45.  —  49)  H.  Cassol, 
Unser  Meister  Adolf  Diesterweg.  Feststimme  z.  29.  Okt.  1890.  Hannover,  Helwing.  50  S.  M.  0,50.  |  [DLehrerZg.  N.  10  (LBL); 
HausuSchule.  N.  42;  FDSchulZg.  1891,  N.  4;  PLehrerZg.  N.  250.]  |  —  50)  A.  W.  Ernst,  D.  Vermächtnis  Diesterwegs.  Ein 
Gedenkblatt  zu  seinem  lOOj.  Geburtstage  am  29.  Okt.  1890:  MLJA.  59,  S.  671/3.  —  51)  A.  Hermann,  Z.  100.  Geburtstage 
A.  Diesterwegs.  Braunschweig,  Bruhn.  8  S.  (Festrede  in  Gedichtform  [Sonderabdruck  aus  d.  NBraunschweigSchBl.  N.  11].)  — 
52)  X  F.  Hähnel,  Einer  für  Alle.  Lehrerfestspiel  z.  Diesterweg-Jubiläum.  Leipzig,  Siegismund  &  Volkening.  28  S.  M.  0,75. 
—   53)    Karl   Schmidt,    Ueber  d.   auf  Erziehung  d.  Prinzen  d.  bayer.  Regentenhauses  sich  bezieh,  Instruktionen:   BBG.  26 


()0  1,6:  K.  Kehrbach,  Gepchichte  des  Unterrichtswesens. 

den  Hofstaat  eines  Prinzen.  Die  Oberaufsicht  über  dieses  gesamte  Personal  war  dem 
Hofmeister  anvertraut."  —  Georg  Müller^^)  veröffenthcht  zwei  wichtige  Unterrichts- 
pläne für  die  Erziehung  weimarischer  Prinzen,  einen  für  Herzog  Johann  Priedrich  IV. 
aus  dem  Jahre  1580  von  Justus  Ludwig  Brysmannus  und  einen  für  Herzog  Johann  aus 
demselben  Jahre  von  Wolfgang  Monner.  Dem  Abdruck  voraus  geht  eine  erläuternde 
Einleitung,  in  der  noch  weitere  Beiträge  zur  Prinzenerziehung  dargeboten  werden.  — 
Zur  Geschichte  der  Unterrichtsanstalten  liegt  zunächst  eine  Reihe  wich- 
tiger Urkundenpublikationen  vor.  Koldewey^S)  giebt  als  Portsetzung  seiner  im 
ersten  Band  der  „Monumenta  Germaniae  Paedagogica"  veröffentlichten  Schulord- 
nungen der  Stadt  Braunschweig  im  achten  Band  die  Schulordnungen  des  Herzogtums 
Braunschweig  vom  Jahre  1248 — 1826.  Hinzugefügt  sind  dieser  Ausgabe  ein  Ueberblick 
über  die  Entwicklung  des  braunschweigischen  Schulwesens  ausserhalb  der  Hauptstadt 
des  Landes,  ferner  textkritische  und  bibliographische  Erläuterungen  zu  den  einzelnen 
Stücken,  Anmerkungen  aller  Art,  ein  Verzeichnis  der  benutzten  Litteratur,  ein  nieder- 
deutsclies  Glossar  land  vor  allem  ein  sehr  wertvolles  Namen-  und  Sachregister  über 
beide  Bände.  —  Aus  der  kursächsischen  Kirchenordnung  von  1580  giebt  Watten- 
dorf f^^)  die  Schul-  und  Universitätsordnung  Kurfürst  Augusts  von  Sachsen  heraus. 
Nur  der  die  Universitäten  betreffende  Abschnitt  ist  dem  Original  entnommen,  das  übrige 
ist  ein  Abdruck  des  Textes,  wie  ihn  Vormbaum  in  seiner  Ausgabe  der  evangelischen 
Schulordnung  darbietet.  Diese  Schulordnung,  die  gegen  200  Jahre  Geltung  behielt,  ist 
„nicht  etwa  eine  ganz  willkürliche  und  plötzliche  Anweisung  für  den  Betrieb  des  Unter- 
richts, die  Zucht,  die  Stellung  der  Lehrer  und  Vorsteher  usw.,  sondern  sie  fasste  nur 
längst  Bestehendes  in  Regeln  und  Gesetze.  Sie  beschrieb  das,  was  schon  vorhanden 
war  und  machte  es  bindend  für  die  Zukunft."  Aus  dem  Umstände,  dass  diese  Schul- 
ordnung sich  eng  anschliesst  an  die  des  Herzogs  Christoph  von  Württemberg,  teilweise 
sogar  eine  einfache  Abschrift  davon  ist,  zu  schliessen,  dass  das  sächsische  Schul- 
wesen nach  württembergischem  Muster  umgestaltet  werden  sollte,  ist  ein  Pehler.  Es 
waren  vielmelir  für  beide  Länder  dieselben  Vorbedingungen  vorhanden.  —  Als  eine 
wichtige  Ergänzung  der  von  Teutsch  herausgegebenen  siebenbürgisch-sächsischen  Schul- 
ordnungen (Mon.  Germ.  Paed.  Bd.  VI)  ist  die  von  C.  Werner^'^)  auszugsweise  gelieferte 
Wiedergabe  von  Visitationsberichten  im  Mediascher  Kapitel  (1765)  anzusehen.  Auf  die 
Notwendigkeit  der  Veröffentlichung  solcher  Visitationsberichte  sei  hier  hingewiesen. 
So  wertvoll  nämlich  die  Schulordnungen  für  die  Kenntnis  der  Schul-  und  Erziehungs- 
verhältnisse eines  bestimmten  Zeitraumes,  Landes  oder  Ortes  auch  sind,  so  wird  doch 
durch  sie  ein  genaues  Bild  noch  nicht  gewonnen:  erst  aus  den  Visitationsprotokollen 
kann  man  erkennen,  wie  weit  die  Vorschriften  zur  Ausführung  gelangt  sind,  und  durch 
sie  erhält  man  dann  ein  der  Wirklichkeit  mehr  entsprechendes  Bild  von  den  Schulverhält- 
nissen. —  Pachtler 58)^  (Jer  noch  vor  dem  Erscheinen  seines  Werkes  verstorben  ist, 
giebt  den  dritten  Band  seiner  Ausgabe  der  Schulordnungen  des  Jesuitenordens;  er  ent- 
hält die  Verordnungen  der  Generäle  der  Gesellschaft  Jesu  für  das  Studienwesen  von 
1600  bis  gegen  1772  und  als  Beigabe  einige  Nachträge  zum  1.  Bande  des  Gesamtwerkes. 
—  Zu  den  Ausgaben  der  schon  veröffentlichten  Matrikelbücher  von  Erfurt,  Heidel- 
berg, Rostock,  Tübingen,  Frankfurt,  Marburg  sind  neuerdings  die  Matrikeln  von  Dorpat 
und  Giessen  getreten.  Gegenüber  den  früheren  Ausgaben  des  „Album  academicum" 
Dorpats  (das  erste  Album  erschien  1852,  das  letzte  1862)  weist  die  vorliegende,  die 
Hasselblatt  und  Otto^^)  besorgt  haben,  beachtenswerte  Erweiterungen  auf.  Es  werden 
in  den  neuen  Matrikeln  mitgeteilt:  1)  die  genauen  Geburtsdaten  der  Immatrikulierten, 
soweit  sie  in  der  Matrikel  oder  für  die  älteste  Zeit  in  sonstigen  zuverlässigen  Angaben 
vorhanden  waren,  2)  die  Jahreszahlen,  welche  die  von  jenen  bekleideten  Lebensstellungen 
zeitlich  begrenzen,  3)  überhaupt  Bemerkenswertes  in  weiterem  Rahmen  als  bisher,  wenn- 
gleich stets  in  möglichst  knapper  Passung,  4)  die  Todestage.  Die  Reihenfolge  der 
Namen  ist  die  chronologische,  die  vor  jedem  Namen  stehende  Ziffer  ist  die  Immatri- 
kulationsnummer. Dass  bei  den  Schwierigkeiten  der  Arbeit  Irrtümer,  Lücken  und  Un- 
gleichmässigkeiten  unterlaufen  müssen,    ist  selbstverständhch.      „Wer  Verständnis  daftir 


S.  121—42.  —  54)  Georg  Müller,  Zwei  Unterrichtsi)lane  fUr  d.  Herzöge  Johann  Friedrich  IV.  n.  .Johann  zu  Sachsen -Weimar: 
NASächsG.  11,  S.  245—6-2.  —  55)  F.  Koldewey,  Braunschweigische  Schulordnungen  v.  d.  ältesten  Zeiten  bis  z.  J.  1828.  Mit 
Ein!.,  Anmerkk.  n.  Glossar.  2.  Bd.  Schulordnungen  d.  Herzogtums  Braunschweig  (mit  Ausschluss  d.  Hauptstadt  d.  Landes 
[1248—182«]).  (=  Monumenta  Germaniae  Paedagogica.  Bd.  8.)  Berlin,  Hofmann  &  Co.  CXCV,  810  S.  M.  24,00.  -  56)  D.  Schul- 
u.  Universitätsorduung  Kurfürst  Augusts  v.  Sachsen.  Aus  d.  Kursächs.  Kirchenordnung  v.  J.  1580.  Mit  Einl.  u.  Anmerkk.  her. 
V.  L.  Wattendorf  f.  (=  Samml.  d.  bedeutendsten  padag.  Schriften  aus  alter  u.  neuer  Zeit.  Mit  Biogrr.,  Erll.  u.  erklär. 
Anmerkk.  her.  v.  B.  Schulz,  J.  Gänsen,  A.  Keller.  Bd.  7.)  Paderborn,  SchOningh.  VIII,  220  S.  M.  1,60.  —  57)  C.  Werner, 
D.  Schulvisitation  im  Mediascher  Kapitel  v.  Jahre  1765.  E.  Beitr.  z.  Gesch.  d.  sächs.  Volksschule:  ASiebenbLK.  NF.  23,  S.  214-47. 
—  58)  Ratio  Studiorum  et  Institutiones  Scholasticae  Societatis  Jesu  per  Germaniam  olira  vigentes  coUectae  concinnatao 
diiudicatae  a  G.  M.  Pachtler,  S.  J.,  Vol.  III.  Ordinationes  Generalium  et  ordo  Studiorum  generalium  ab  anno  1600.  ad 
annum  1772.  Accedjt  Mappa  geographica  scholas  Assistentiao  Germanicae  a.  1725.  repraesentans.  (=  Monumenta  Germaniae 
Paedagogica.  Bd.  ö.)   Berlin,  Hofmann  &  Co.    XVIII,  486  S.  M.  15,00.  —  59)  A.  Hassolblatt  u.  G.  Otto,  Album  academicum 


I,G:  K.  Kehrbach,  Gescliichte  des  UnterrichtswesenS.  61 

besitzt,  was  es  heisst  zu  arbeiten  mit  einem  Material  von  14,000  Namen,  von  denen  oft 
mehr  als  50  gleichen  Familiennamen  angehören,  mit  Zehntaiisenden  von  Jahreszahlen, 
mit  oft  unleserlich,  oft  missverständlich  geschriebenen,  nicht  selten  mit  anderen  Angaben 
sich  widersprechenden  Aufzeichnungen,  mit  Quellen,  an  denen  Kritik  zu  üben  meist  un- 
möglich ist  —  der  wird  gewiss  mit  einiger  Nachsicht  die  Fehler  und  Schwächen  be- 
urteilen, auch  wenn  sie  ihm  im  ersten  Augenblick  unverzeihlich  erscheinen." — Die  von 
Klewitz  und  Ebeico)  gelieferte  Ausgabe  der  Giessener  Matrikel  umfasst  nur  die  Jahre 
1650  bis  1707 :  die  älteren  Matrikelbücher  sind  verloren.  Sie  enthält  nur  Namen  und 
die  Daten  der  Immatrikulation.  — 

Die  Darstelhmgen  der  Geschichte  der  Universitäten  werden  durch  eine 
wohlgelungene  Darstellung  Hartfelders^i)  eröffnet.  H.  behandelt  die  deutschen  Univer- 
sitäten am  Ausgange  des  Mittelalters  und  zieht,  während  bisher  bei  der  Beurteilung  des 
wissenschaftlichen  und  sittlichen  Zustandes  der  deutschen  Hochschulen  um  die  Wende 
des  15.  Jh.  die  Schriften  der  damaligen  Humanisten  massgebend  gewesen  sind,  als 
wichtige  Ergänzung  hierzu  die  offiziellen  Akten  der  Hochschulen  heran.  Leider  sei  es 
aber  für  viele  Universitäten  schwierig,  bei  dem  Mangel  allgemein  zugänglichen  Akten- 
vorrats diese  Absicht  auszuiühren;  von  allen  Universitäten  nehme  Leipzig  mit  seinem 
bereits  von  Zarncke  und  Stübel  veröffentlichten  Aktenmateriale  die  erste  Stelle  ein. 
Um  zu  zeigen,  wie  es  in  Wirklichkeit  auf  den  Universitäten  in  der  angegebenen  Zeit 
ausgesehen  habe,  charakterisiert  H.  zunächst  die  akademischen  Lehrkörper,  erwähnt 
dabei  die  sogenannten  Absentien,  d.  h.  die  oft  Jahre  andauernde  Abwesenheit  der  Lehrer 
von  der  Universität,  spricht  über  die  geringen  Besoldungen,  über  die  Faulheit,  Unwissen- 
heit, über  den  Hader  der  Lehrer  untereinander,  über  Nepotismus,  Ungerechtigkeit  bei 
den  Prüfungen,  über  Unsittlichkeit  und  über  Unregelmässigkeit  in  der  Verwaltung,  z.  B. 
schlechte  Führung  der  Dekanatsbücher  und  Unterlassung  der  Rechnungsablage.  H. 
findet,  dass  es  den  „Epistolae  obscurorum  virorum"  keineswegs  an  thatsächlichem  Unter- 
grund für  ihre  Charakteristik  der  Universitätslehrer  gefehlt  habe ;  er  gesteht  aber  zu,  dass 
es  Ausnahmen  gegeben  habe,  und  macht  solche  auch  namhaft.  Alsdann  versucht  er  eine 
Charakteristik  der  Studenten,  indem  er  über  ihr  Alter,  ihre  Kleidung  und  ihr  Waffen- 
tragen, über  Faulheit,  Unwissenheit,  Ungehorsam  und  Ausschweifungen  spricht.  Darauf 
folgen  Zusammenstellungen  über  den  Lehrbetrieb,  über  Stoff  des  Wissens  und  Methode 
oder  Unmethode  der  Aneignung,  sodann  über  die  akademischen  Grade  und  endlich  über 
das  Verhältnis  der  landesherrlichen  Gewalt  zu  den  Hochschulen.  —  Sattler^^)  giebt 
unter  Beifügung  wertvollen  urkundlichen  Materials  eine  ausführliche  Geschichte  der 
1810  aufgehobenen  Universität  zu  Salzburg.  Nach  einem  geschichtlichen  Ueberblick 
über  den  Versuch  der  Gründung  von  Bildungsanstalten  vor  der  Errichtung  der  Univer- 
sität behandelt  er  die  im  Jahre  1617  erfolgte  Stiftung  des  Gymnasiums,  welches  unter 
der  Leitung  von  Benediktinern  stand  und  1622  von  Ferdinand  IL  zur  Universität  er- 
hoben wurde.  —  Die  unter  dem  Gesamttitel  ,,Auf  deutschen  Hochschiüen"  erscheinende 
Geschichte  deutscher  Universitäten  hat  bis  jetzt  zwei  Veröffentlichungen  gebracht:  die 
Geschichte  der  Universität  Leipzig  von  Brasch^^^  und  die  der  Ludwig-Maximilians- 
Universität  zu  Ingolstadt,  Landshut  und  München  von  Haushofer^*).  Beide  Werke 
erheben  nicht  den  Anspruch,  streng  wissenschaftlich  zu  sein  und  auf  Quellenstudien  zu 
beruhen,  ihre  Absicht  ist  vielmehr,  eine  auch  dem  Laien  leicht  verständliche  Darstellung 
von  dem  Einst  und  Jetzt  beider  Universitäten  zu  geben.  H.  lehnt  sich  an  Prantls  vor- 
zügliches Werk;  B.  schöpft  aus  Zamckes  „Acta  rectorum",  aus  Stübels  „Urkundenbuch 
der  Universität  Leipzig  von  1409  bis  1555"  und  benutzt  die  Monogi'aphien  von  Gret- 
schel,  Gersdorf,  Marbach,  Kreusler,  Friedberg  u.  a.  —  Geiser^s)  hat  in  übersichtlicher 
Darstellung  unter  Heranziehung  des  überallhin  verstreuten  Materials  und  unter  Be- 
nutzung der  gedruckten  Litteratur  die  Pläne  und  Bestrebungen  charakterisiert,  die 
innerhalb  des  Zeitraumes  von  1758  bis  1874  hinsichtlich  der  Gründung  einer  eidge- 
nössischen Hochschule,  einer  schweizerischen  Gesamtuniversität  zu  Tage  traten,  aber 
an  den  „Klippen  der  Engherzigkeit  und  des  Egoismus  gescheitert  sind".  Es  stehen  sich 
jetzt  in  der  Schweiz  zwei  Bestrebungen  gegenüber,  die  eine  geht  auf  Errichtung  selb- 
ständiger eidgenössischer  Institute,  die  andere  auf  Subventionierung  der  kantonalen 
Lehranstalten  durch  die  Eidgenossenschaft.  — 

Wichtiger  als  diese  Gesamtdarstellungen  sind  eine  Reihe  von  Einzelbeiträgen 
zur  Universitätsgeschichte.     Einen    wertvollen  Baustein    zur  Geschichte    der  Universität 


d.  Kaiserl.  Universität  Dorpat.  Dorpat,  Maltliiesen.  1889.  VIII,  1007  S.  M.  14,00.  —  60)  E.  Klewitz  u.  K.  Ebel,  D.  Giessener 
Matrikel:  MOberhessGV.  NF.  2,  S.  1— 48;  NF.  3,  S.  1—48.  —  61)  K.  Hartfelder,  D.  Zustand  d.  deutschen  Uoclischulen  am  Ende 
d.  Mittelalters:  HZ.  28,  S.  50—107.  —  62)  M.  Sattler,  0.  S.  B.,  KoUektaneen-Bll.  z.  Gesch.  d.  ehem.  Benediktineruniversität 
Salzburg.  Kempten,  Kösel.  1889—90.  VII,  710  S.  M.  7,00.  —  63)  M.  B rasch,  Gesch.  d.  Universität  Leipzig.  (=  Auf 
deutschen  Hochschulen.  2.)  München,  Verl.  d.  Akademischen  Monatshefte  4".  68  S.  M.  2,00.  |[C.  Herrmann:  LZg».  4.  Dez.; 
M.  G.  C[onrad]:  Gesollschaft  S.  1694— G.]|  iMit  zahlr.  Illustrationen.)  —  64)  M.  Haushofer,  D.  Ludwig-Maxi- 
milians-Universität zu  Ingolstadt,  Laudshut  u.  München  in  Vergangenheit  u.  Gegenwart.  (=  Auf  deutsehen  Hochschulen.  1.) 
München,  Vorl.  d.  Akad.  Mhh.    4".    75  S.  M.  2,00.    (Mit  zahlreichen  Illustrr.)  —  65)  K.  Geiser,  D.  Bestrebungen  z.  Gründung  e. 


62  1,6:  K.  Kehrbach,  Geschichte  des  Unterrichtswesens. 

Leipzig  liefert  Brieger^^)  in  seinem  Verzeichnis  der  theologischen  Promotionen  von 
1428  bis  1539.  Nächst  den  Statuten  dürfte  die  „Signatura  promotorum  in  theologia" 
für  die  älteste  Geschichte  der  theologischen  Fakultät  die  bedeutsamste  Urkunde  sein. 
„Nur  mit  ihrer  Hilfe  vermögen  wir  uns  einigermassen  eine  Vorstellung  zu  machen  von 
der  theologischen  Fakultät  des  ersten  Jh.  der  Leipziger  Hochschule,  vermögen  wir  ihren 
Gliedern,  welche  uns  zum  grossen  Teil  nur  hier  entgegentreten,  nachzugehen.  Den 
Wert,  welchen  diese  Liste  von  Promovierten  für  den  Spezialforscher  hat,  brauche  ich 
hier  nicht  darzulegen.  So  manche  bisher  unbekannte  Persönlichkeit  des  15.  Jh.,  so 
manche  bekannte,  wie  Joh.  Wise  und  der  Dominikaner  Joh.  Kune,  erscheint  hier 
in  urkundhcher  Beleuchtung,  und  ein  nicht  geringes  Interesse  gewinnen  uns  die 
Namen  ab,  welche  als  Freunde  oder  Gegner  Luthers  in  die  Geschichte  der  deutschen 
Reformation  verwebt  sind;  spärlich,  wie  es  in  Leipzig  nicht  anders  sein  konnte,  die 
Zahl  der  ersteren:  ein  Casp.  Güttel,  Joh.  Grauman,  Georg  Heldt  und  Petrus  Mosel- 
lanus,  der  es  doch  über  sich  gewinnt,  noch  1520  und  23  die  Grade  eines  Baccalaiireus 
in  der  scholastischen  Fakultät  zu  erwerben;  und  dagegen  auf  der  anderen  Seite  die 
Dungersheim  und  Rabe,  auch  Emser  und  Elgersma,  ferner  die  wenn  auch  litterarisch 
nicht  hervortretenden,  doch  einflussreichen  Brüder  Heimig,  Johannes  und  Matthaeus, 
Arnold  Wöstefeldes,  endlich  die  verschieden  gerichteten  Theologen  zvir  Zeit  des  Ueber- 
ganges  Joh.  Sauer,  Nicol.  Scheubel,  Deichsel,  Metz,  Rudel."  —  Köstlin^'')  giebt 
die  Fortsetzung  seiner  in  den  Osterprogrammen  der  Universität  Halle  1887  und  1888 
verzeichneten  Promotionen  zum  Baccalaureus  und  Magisterium.  Umfassen  die  früheren 
Arbeiten  die  Jahre  1503 — 1537,  so  reicht  das  neue  Verzeichnis  bis  zum  Jahre  1546; 
1547  enthält  keine  Eintragungen.  Im  vierten  Abschnitt  wird  ein  Verzeichnis  der 
„Disputationes  ordinariae  in  facultate  artium"  dargeboten,  das  bis  1542  reicht.  —  Sieg- 
wart'^^^  bietet  den  Abdruck  eines  Teiles  der  vollständigen  Nachschrift  des  CoUegium 
logicum,  das  der  Professor  der  Philosophie  und  Medizin  Jacob  Schegk  vom  Nov.  1565 
bis  Nov.  1567  über  die  erste  Analytik  des  Aristoteles  gehalten  hat,  und  liefert  hierdurch 
einen  wichtigen  Beitrag  nicht  nur  zur  Geschichte  der  Logik,  sondern  zur  Geschichte 
des  Unterrichts  überhaupt.  „Wir  haben  verhältnismässig  selten  Gelegenlieit,  uns  ein 
vollkommen  anschauliches  Bild  der  Art  und  Weise  zu  machen,  in  der  in  früheren  Zeiten 
gelehrt  worden  ist;  wenn  auch  aus  den  gedruckten  Kompendien  der  Inhalt  dessen,  was 
zum  Vortrage  kam,  mit  Sicherheit  entnommen  werden  kann,  so  geben  sie  uns  doch  keine 
Andeutung  über  die  Gewohnheiten  der  mündlichen  Rede,  über  Ton  und  Haltung  des 
Lehrers  gegenüber  den  Zuhörern,  über  den  ganzen  Verlauf  des  Unterrichts  im  Hörsaal." 
Der  Zuhörer,  dessen  Nachschrift  S.  vorgelegen  hat,  ist  der  bekannte  Martin  Crusius,  der 
1559  Professor  der  lateinischen  und  griechischen  Sprache  in  Tübingen  WTu:"de.  Er  hat 
auch  mitaufgezeichnet,  was  gar  nicht  zum  Inhalt  der  Vorlesung  gehörte,  Anfangs-  und 
Scliluss Worte,  Aufforderungen  zum  Nachschreiben  (scribite,  dictabo),  und  da  er  jeder 
einzelnen  Vorlesung  das  Datum  beifügt,  so  erhält  man  auch  Nachricht  über  die  Ferien- 
verhältnisse. Seine  Gewohnheit,  das  Kollegienheft  zur  Einzeichnung  seiner  persönliclien 
Erlebnisse  zu  benutzen,  macht  dasselbe  auch  für  andere  Verhältnisse  interessant.  — 
Loserth^^)  berichtet  über  den  ältesten  Katalog  der  Prager  Universitätsbibliothek,  den 
er  in  der  Lobkowitzschen  Bibhothek  zu  Raudnitz  in  Böhmen  aufgefunden  hat.  Die 
Bücher  sind  in  den  einzelnen  Disziplinen  zunächst  nach  Buchstaben  und  dann  nach  Num- 
mern geordnet,  und  zwar  enthält  der  Katalog  vier  solcher  Verzeichnisse  oder  Abcedarien. 
Wahrscheinlich  verzeichnet  ein  jedes  der  Abcedarien  die  in  einem  Bibliotheksraume 
untergebrachten  Bücher.  Da  über  dem  dritten  Abcedarium  die  Uebersclu-ift  „Registrum 
librarie  nacionis  Boemorum"  erhalten  ist,  so  vermutet  L.,  dass  die  drei  anderen  Abce- 
darien die  Bibliotheken  der  drei  anderen  Nationen  enthielten.  Der  Katalog  „gestattet 
nicht  bloss  einen  sicheren  Einblick  in  die  Einrichtung  einer  derartigen  Büchersammlung, 
sondern  belehrt  auch  über  die  Zahl  der  in  ihr  enthaltenen  Bände  und  die  einzelnen 
Schriften  überhaupt.  Man  gewinnt  durch  ihn  einen  genauen  Ueberblick  über  die  höheren 
Bildungsmittel  Böhmens  in  der  Zeit  der  hussitischen  Bewegung  und  sichere  Anhalts- 
punkte zur  Beantwortung  der  Frage,  wieviele  der  damals  noch  vorhandenen  Schriften 
seither  verloren  gegangen  sind.  Von  einer  nicht  ganz  unbedeutenden  Zahl  wird  man 
dies  nachzuweisen  im  stände  sein."  Auf  einzelnen  Blättern  befinden  sich  allerlei  Auf- 
zeichnungen (die  ältesten  aus  dem  Anfange,  die  jüngsten  aus  dem  vorletzten  Jahrzehnt 
des  15.  Jh.):  die  Namen  der  Bibliotheksvorstände,  die  Art,  wie  diese  sich  ablösten, 
Aufzeichnungen  über  verloren  gegangene  Bücher,  für  die  dann  andere  Bücher  in  Pfand 


eidgenOss.  Hochschule  1758—1874.  Bern.'Wyss.  IV,  200  S.  M.  2,00.  —  66)  Th.  Brieger,  D.  theol.  Promotionen  auf  d. 
Universität  Leipzig.  1428—1539.  Leipzig,  Edelmann.  4«.  X,  79  S.  M.  12,00.  |  [ThLBl.  N.  28  u.  48.]|  (S.-A.  aus  d.  Reformations- 
prognunm  d.  Universität  Leipzig.)  —  67)  J.  Köstlin,  D.  Baccalaurei  u.  Magistri  d.  Wittenberger  philosophischen  Fakultät 
1638-46  u.  d.  veröffentlichten  Disputationen  derselben  Jahre  aus  d.  Fakultats-Matrikel  veröffentlicht.  Halle,  Niemeyer, 
24  8.  —  68)  Ch.  Sigwart,  E.  Collegium  logicum  im  16.  Jh.  Mitteill.  aus  e.  Hs.  d.  kgl.  Univ.-Bibl.  in  TBbingen. 
Freiburg  i.  Br.,  Mohr.    4«.    42  8.  M.  2,00.  —  69)  S.  o.  1,4  N.  6.    —    70)  XX  H.  Kenssen,  D.  Stadt  Köln  als  Patronin  ihrer 


1,6:  K.  Kehrbach,  Geschichte  des  Uiiterrichtswesens.  63 

gegeben  werden  mussten,  Berichte    über  Schenkungen;    auch    die  Inventarien    einzelner 
Prager  Kirchen  sind  verzeichnet. ''^^ ''2)  — 

Die  Theresianische  Akademie  zuWien  hat  einen  Geschiclitsschreiber  in  J.  Schwarz''^) 
gefunden.  Die  Theresianische  Stiftung,  bald  „CoUegium  Theresianum"  genannt,  ward 
1746  begründet  und  von  Jesuiten  geleitet;  sie  war  für  die  Kinder  höherer  Stände  be- 
stimmt und  sollte  eine  universelle  Bildung  geben.  Im  Jahre  1758  ward  die  Anstalt  mit 
dem  1749  begründeten  Emanuelum  vereinigt.  Dem  Zeitgeiste  mussten  die  Jesuiten  einige 
Zugeständnisse  machen,  aber  schon  1773  erfolgte  die  Aufhebung  des  Jesuitenordens  und 
die  Umwandlung  in  eine  k.  k.  adelige  Akademie.  Die  Reformen  Josephs  fanden  da- 
selbst Eingang,  wurden  aber  durch  Leopold  11.  grösstenteils  vernichtet.  Auch  Franz  II. 
Hess  es  sich  angelegen  sein,  eine  Restitution  der  Theresianischen  Akademie  durchzuführen ; 
von  1797 — 1848  stand  die  Anstalt  unter  der  Leitung  der  Piaristen.  Seit  1848  machte 
sich  aber  auch  hier  der  Geist  einer  neuen  Zeit  bemerkbar,  und  infolge  der  schlechten 
ökonomischen  Zustände  begannen  neue  Reformen.  1850  erfuhr  die  Anstalt  eine  voll- 
ständige Umwandlung  dadurch,  dass  die  Gymnasialordnung  eingeführt  wurde;  die  ein- 
gehende Darstellung  des  Vf.  fülirt  bis  ins  Jahr  1865.  — 

Eine  ganze  Anzahl  von  Gymnasien  legten  über  ihre  meist  mehrhundertjährige 
Geschichte  Naclu"ichten  vor,  die  unter  einander  nicht  geringe  Aelmlichkeit  haben.  „Fast 
bei  allen  ist  diese  Geschichte  eine  Leidensgeschichte,  ein  Auf  und  Ab,  ein  oft  jäher 
Wechsel  von  Blüte  und  Verfall.  Deutsche  Schule,  Lateinschule,  Gymnasium,  ja  Uni- 
versität und  Volksschule,  zuweilen  ein  Aufhören  alles  Unterrichts  für  mehrere  Jahre, 
diesen  bunten  Wechsel  zeigt  uns  die  Geschichte  gar  manches  Gymnasiums."  In  Arnstadt 
gab  es  bereits  im  14.  Jh.  eine  Stadtschule,  im  Jahre  1538  sollte  eine  zweite  errichtet 
werden.  1540  ward  im  ehemaligen  Barfüsserkloster  die  gräfliche  Erziehungsanstalt  er- 
öffnet, deren  Geschichte  im  16.  und  17.  Jh.  Kroschel ''^)  behandelt,  nachdem  er  bereits 
1885  über  die  Lateinschule  zu  Arnstadt  in  der  Reformationszeit  geschrieben  hatte.  Der 
Vf.  giebt  eine  Zusammenstellung  der  Abiturienten  der  Anstalt  im  16.  und  17.  Jh.,  unter 
denen  viele  zu  hohem  Ansehen  und  grosser  Berühmtheit  gelangten;  hervorzuheben 
sind  hier  von  Lehrern  und  Schülern  aus  dem  genannten  Zeitraum  etwa  die  Neu- 
lateiner Kaspar  Bruschius,  Matthias  Zimmermann  und  J,  Wittich,  der  Terenzübersetzer 
Josua  Loner  und  Valentin  Schneider,  der  zur  Zeit  der  Ausländerei  um  das  verlorene 
Deutschtum  poetische  Klage  erhob.  —  Mit  den  am  Beginn  dieses  Abschnittes  citierten 
Worten  über  die  Gymnasialgeschichte  im  allgemeinen  charakterisiert  Henke ''^)  zugleich 
die  Schicksale  des  von  ihm  behandelten  Gymnasiums  zu  Barmen,  die  er  vorläufig  nur 
in  der  Form  einer  mitteilungsreichen  Chronik  zu  behandeln  wagte :  der  Vf.  einer  eigent- 
lichen Gymnasialgeschichte  müsste  auf  die  Schicksale  der  ganzen  Stadt  mehr  Bezug 
nehmen,  als  das  gegenwärtig  möglich  ist.  Ganz  eigenartig  ist  jedenfalls  der  Umstand, 
dass  Barmens  erste  Entwicklung  zu  einem  kräftigeren  Gemeinwesen  auf  eine  Schule 
zurückgeht:  am  31.  August  1579  wird  nämlich  von  der  Gräfin  Maria  von  Waldeck  Bau- 
platz und  Land  für  eine  Schule  gestiftet;  um  dieses  erste  öffentliche  Gebäude  herum 
fand  der  erste  geregelte  Ausbau  statt,  durch  den  aus  verstreuten  Höfen  ein  geschlossener 
Ort  sich  bildete.  —  G.  Schulze ''6)  giebt  eine  Gescliichte  des  französischen  Gymnasiums 
in  Berlin,  das  1689  errichtet  wurde  und  zunächst  den  Söhnen  der  französischen  Einwanderer 
als  höhere  Lehranstalt  diente.  Der  Vf.  druckt  die  „DiscipHna  Gymnasii  Gallici"  ab  und 
teilt  mit,  dass  das  College  royal  eine  Zeitlang  aufgehoben,  aber  1703  wieder  eröffnet 
wurde;  dann  giebt  er  eine  ausführliche  Geschichte  der  Anstalt  und  fügt  neben  kurzen 
Lehrerbiographien  dankenswerte  statistische  Notizen  über  Schülerfrequenz,  ein  vollstän- 
diges Lehrerverzeichnis  und  drei  Ansichten  der  Anstalt  in  ihrer  früheren  und  jetzigen 
Gestalt  bei.  —  Einen  geschichtlichen  Ueberblick  über  die  Entwicklung  des  von  Sal- 
dernschen  Realgymnasiums  zu  Brandenburg  a.  H.  giebt  Hochheim''')  in  der  gedruckt 
vorliegenden  Festrede  zur  dritten  Säkularfeier  der  Anstalt.  Gegründet  als  Lateinschule 
zur  Zeit  der  Reformation,  hat  die  Anstalt  erst  diu-ch  die  auf  Anregung  des  Bürger- 
meisters Roter,  ihres  ehemaligen  Rektors,  geschehene  Stiftung  der  Frau  von  Saldern 
(1589),  eine  sichere  Grundlage  gewonnen.  Der  Zuzug  der  Schüler  war  so  stark,  dass 
die  Schule    in   einem  Jahre  100  Primaner  hatte,    die    in    philosophischen,    theologischen 


Hochschule.  1.  Teil:  WZ.  9,  S.  344—404.  —  71)  X  W.  Wislocki,  Ueber  Johannes  de  Kety  Waciega.  (S.  Johannes  Cantius 
1390—1473.)  E.  Beitr.  z.  Gesch.  d.  Krakauer  Univ.  3.  T.:  AnzAkKrakau.  1890,  S.  46|8.  —  72)  X  AI.  R.  S  chmid,  D.  Wesen 
d.  Bursehenschaft  auf  gesch.  Grunde  u.  mit  Hilfe  vieler  Original -Beitrr.  für  alle  Gebildete,  insonderheit  Eltern,  Erzieher, 
Gymnasial-  u.  Universitätslehrer  u.  Studenten  dargest.  2.  neubearb.  Aufl  (4.  Ausg.)  Jena,  Pohl.  226  S.  M.  2,40.  —  73)  J. 
Schwarz,  Gesch.  d  k.  k.  Theresianisehen  Akademie  v.  ihrer  Gründung  bis  z.  Kuratorium  Sr.  Exe.  Anton  Kitter  v.  Schmerling 
1746—1865  in  übersichtlicher  Darstellung.  Wien,  Brzezowsky.  110  S.  |[K.  Schenkl:  ZOG.  42,  S.  191.]|  (S.-A.  aus  d.  JB.  d. 
k.  k.  Theresian.  Gymnasiums.)  —  74)  Kroschel,  D.  Gräfl.  Erziehungsanstalt  im  Barfüsserkloster  zu  Arnstadt  u.  Arnstädter 
Abiturienten  d.  16.  u.  17.  Jh.  Progr.  Arnstadt,  Frotscher.  4".  21  S.  —  75)  0.  Henke,  Chronik  d.  Gymn.  zu  Barmen.  E. 
Festschr.  z.  Feier  d.  Eijnweihung  d.  neuen  Gymnasialgebäudes  u.  d.  25j.  Bestehens  d.  Gymn.  in  seiner  jetzig.  Gestalt  veröffentlicht. 
1  T.  Gesch.  u.  Entwicklung  d.  Schule.  Barmen,  Klein.  140  S.  M.  1,20.  —  76)  G.  Schulze,  Bericht  über  d.  Kgl. 
Französischen  Gymn.   in  d.  J.   1689—1889.    Berlin,  Haack.    134  S.  m.  3  Abbildd.  —  77)  Hochheim,  Bericht  über  d.  3.  Säkular- 


64  1,6:  K.  Kehrbach,  öeschichte  des  Ünterriclitswesens. 

und,  wie  es  auf  verschiedenen  anderen  Lateinschulen  jener  Zeit  der  Tall  war,  auch  in 
juristischen  Fächern  unterrichtet  wurden.  Während  anderwärts  vielfacli  über  die  Dis- 
ciplin  geklagt  wurde,  wird  über  die  von  einem  tüchtigen  Philologen,  dem  auch  als  lateinischen 
Dichter  bekannten  Rektor  Kaspar  Prätorius  geleitete  Schule  berichtet,  dass  die  Disciplin 
und  der  Schulgesellen  Leben  und  Wandel  vorzüglich  war.  Die  Pest  und  der  30j.  Krieg 
brachten  Stadt  und  Schule  dem  Untergange  nahe.  Erst  der  von  Halle  ausgehende  Pie- 
tismus erweckte  sie  zu  neuem  Leben:  freilich  war  es,  eine  seltsame  Pügung  des  Schick- 
sals, auch  wiederum  ein  Pietist,  der  die  Anstalt  rasch  herunterbrachte:  der  von  dem 
Pädagogium  in  Halle  zum  Rektorate  berufene  Heyn  beschäftigte  sich  mehr  mit  Juden- 
bekehrung, Seelenschlaf  und  mit  der  „Beziehung  der  Kometen  zur  Sintflut  und  zum 
jüngsten  Gerichte",  als  mit  der  Verwaltung  seiner  Schule,  so  dass  die  Eltern  es  für  ge- 
ratener hielten,  ihre  Kinder  aus  der  Schule  hinwegzunehmen.  Die  Saldria  sollte  dann 
mit  dem  Neustädtischen  Gymnasium  vereinigt  werden.  Dies  führte  zu  vielen  Unzuträg- 
lichkeiten, bis  1817  der  Saldria  wieder  volle  Selbständigkeit  zugesprochen  wurde.  Aber 
erst  im  J.  1851  erhielt  sie  die  staatliche  Anerkennung  als  Realanstalt.  —  Suhle''**)  giebt 
die  Fortsetzung  seiner  früher  erschienenen  Arbeit  zur  Geschichte  der  fürstlichen  Schule 
zu  Dessau  und  behandelt  die  Zeit  von  1628 — 1695.  Nach  dem  Rektor  Pfretzschner 
war  es  besonders  Alers,  welcher  fiu-  die  Schule  Tüchtiges  leistete  sowohl  bezüglich  der 
„Lectiones"  als  der  Schulgesetze;  ein  Programm  für  die  öffentliche  Prüfung  von  1668 
hat  der  Vf.  abgedi-uckt.  Veröffentlicht  sind  ferner  Verzeichnisse  der  Sekundaner  und 
Primaner  aus  den  Jahren  1688/9,  mehrere  „series  lectionum",  Schulordnungen,  Stunden- 
plan für  Prima  und  Sekunda,  Tertia  und  Quarta.  Dem  Diensteinkommen  der  Lehrer 
ist  ein  dankenswerter  Beitrag  gewidmet,  an  welches  sich  ein  Verzeichnis  der  Lehrer 
von  1628 — 1784  schliesst,  wo  besonders  die  von  Schickedanz  verfassten  Programmab- 
handlungen aufgeführt  werden.  —  Schütgen'^^)  behandelt  die  Geschichte  des  Pro- 
gymnasiums zu  Eupen,  welches  auf  ein  80j.  Bestehen  zurückblicken  kann.  1809  ward 
es  als  Ecole  secondaire  unter  französischer  Herrschaft  errichtet  und  erhielt  zunächst  im 
Gebäude  des  ehemaligen  Kapuzinerklosters  seinen  Sitz.  Im  Jahre  1815  ward  Eupen 
preussisch,  und  damit  trat  auch  eine  Besserung  der  finanziellen  Verhältnisse  ein.  Schon 
1817  wurde  die  Ecole  secondaire  aufgelöst  und  eine  allgemeine  Stadtschule  errichtet, 
welche  im  Jahre  1844  zur  höheren  Stadtschule,  1862  zur  höheren  Bürgerschule,  1882 
zum  Realgymnasium  und  endlich  1886  zum  Progymnasium  erhoben  wurde.  Ein  Lektions- 
plan des  1849/50  erteilten  Unterrichts  und  ein  späterer,  in  welchen  noch  Griechisch 
und  Zeicluien  eingefügt  wurden,  ist  abgedruckt. ^^^  —  Yür  Glückstadt  wiu"de,  wie  Det- 
lefsen^i)  berichtet,  1617  eine  Urkunde  ausgestellt,  welche  die  Gründung  einer  Schule 
anordnete;  doch  erst  1629  wird  in  der  Bürgerliste  ein  Magister  genannt.  In  Glückstadt 
hen-schte  eine  für  die  damalige  Zeit  ganz  ungewöhnliche  Toleranz:  so  findet  man  die 
Angehörigen  verschiedenster  Konfessionen  für  Kirclien-  und  Schulbau  thätig.  Erster 
Rektor  war  Andreas  Schilling.  Bald  aber  kamen  dann  doch  religiöse  Streitigkeiten  vor, 
und  die  Schule  sank  immer  tiefer,  wozu  auch  der  Rektor  Benjamin  Stricker  nicht  wenig 
beitrug.  D.s  Arbeit  zeichnet  sich  durch  die  Heranziehung  reichen  urkundlicheii  Materials 
aus.  —  Seitz82)  veröffentlicht  den  dritten  Teil  seiner  „Aktenstücke",  deren  Vorgänger 
1888  und  1889  erschienen  sind.  Mit  dem  Jahre  1657  beginnend,  berichtet  er  über  die 
Wiederherstellung  der  durch  den  Schwedenkrieg  zerstörten  Stadt  Itzehoe  und  ihres 
Schulgebäudes;  einige  dazu  abgedruckte  Schriftstücke  umfassen  die  Jahre  1658 — 60.  Die 
Schulprogramme  inussten  dem  Rat  der  Stadt  eingesandt  werden,  ein  erhaltenes  Bruch- 
stück druckt  S.  vollständig  ab:  „Catalogus  lectionum  hoc  elapso  semestri  in  tertia  Classe 
tractatarum  jam  vero  examinandarum".  Gegen  die  Wahl  des  Rektors  Magister  Lassenius 
hatte  sich  ein  Probst  Hudemann  an  den  Rat  gewendet,  erhielt  aber  einen  kräftigen 
Verweis  vom  König  Friedrich  III.  selbst.  Ueber  Lassenius  berichtet  der  Vf.  nach  Pon- 
toppidan  und  giebt  einen  Neudruck  seines  Programms  vom  Jahre  1667.^)  —  Das  vu*- 
sprünglich  städtische,  seit  1889  königliche  Gymnasium  zu  Neustadt  in  Ob  er  Schlesien, 
dessen  kurze  Geschichte  A.  Jung^*)  unter  Mitteilung  von  Lehrer-  und  Abiturientenver- 
zeichnissen, Frequenztabellen  usw.  geschrieben  hat,  ist  aus  der  1860  begründeten  höheren 
Bürgerschule  hervorgegangen.  —  Unter  den  Stürmen  des  30j.  Krieges  w\irde  zu  Neu- 
stettin (1640)  ein  Gymnasium  gegründet,  dessen  Geschichte  bis  zum  Jahre  1890  Th.  Beyer^) 


feier  in  d.  Saldrischen  Schale  zu  Braadeiiburg  a,  d.  H.  Progr.-Beil.  Brandenburg  a/H.,  Wiosike.  35  S.  —  78)  H.  Suhle, 
Beitrr.  z.  Gesch.  d.  fürstl.  Schule  zu  Dessau.  2.  I'rogr.  1889/90.  Dessau,  Heiter.  40.  29  S.  —  79)  E.  SchnU tgen,  Gesch. 
d.  höh.  Lehranstalt  zu  Eupen.  E.  Rückblick  auf  d.  80j.  Vergangenheit  d.  Schule  aus  Anlass  d.  25j.  Jubiläums  ihrer  staatlichen 
Anerkennung.  Progr.  1889—90.  Eupen,  C.  J.  Mayer.  4».  51  S.  —  80)  XX  F.  Grein,  D.  Entwicklung  d.  Zustände  in  Kirche  u. 
Schule  zu  Friedberg  i.  d.  W.  während  d.  Reformationszeit.  Oiessencr  Phil.  Diss.  Darmstadt,  Wittich.  80  S.  —  81)  D.  Detlefsen, 
Gesch.  d.  Kgl.  Gyran.  zu  GlUckstadt.  1.  V.  d.  Gründung  d.  Stadt  im  .1.  1(117  bis  z.  Einsetzung  d.  Kollegium  Scholasticura  1747. 
Progr.  GlUckstadt,  Augustin.  4».  24  S.  —  82)  K.  Seitz,  Aktenstücke  z.  Gesch.  d.  früh,  latein.  Schule  zu  Itzehoe.  3.  Progr. 
Itzehoe,  Pfingsten.  III,  64  S.  —  83)  XX  A.  Weningor,  Z.  Gesch.  d.  Lindauer  Schulwesens  im  16.  Jh.  Lindau,  Thoma.  4*. 
17  S.  —  84)  A.  Jung,  Gesch.  d.  GymnuHiums  zu  Neustadt  O.-S.  bis  zu  seiner  Uebernahme  auf  d.  Staat.  Progr.  Neustadt  O.-S. 
4«.    6-17  S.    —   85)    Th.  Beyer,   Gesch.  d.  Kgl.  Gyran.  zu  Neustettin  während  d.  J.  1640-1890.    Fostsohr.  z.  Feier  d.  250j. 


1,6:  K.  Kohrhacii,   (Teschichte  des  ÜnterrichtswesenS.  65 

zum  Gegenstand  einer  Abhandlung  gewählt  hat.  Stifterin  des  Gymnasiums  war  die  Her- 
zogin Hedwig,  Gemahlin  des  Herzogs  Ulrich,  Tochter  des  Braunschweiger  Herzogs 
Heinricli  Julius;  die  interessante  Stiftimgsurkunde  ist  zum  Teil  abgedruckt.  Von  den 
in  der  ältesten  Zeit  benutzten  Schulbüchern,  die  der  Vf.  zusammenstellt,  nennen  wir  die 
Katechismen  von  Luther  und  Chytraeus,  Melanchthons  Grammatik,  Cato,  Aesop  und 
Sebastian  Heidens  „Formulae  loquendi".  Unter  Denso  ward  1700  das  neue  Gymnasial- 
gebäude eingeweiht,  auch  der  Lektionsplan  ward  verändert  und  neben  Latein  (19  Stun- 
den) werden  Theologie  (1  St.),  Griechisch  (2  St.),  ,,Poesis  vemacula",  Logik  und  Geschichte 
(je  eine  Stunde)  in  denselben  aufgenommen,  1772  erhalten  Gymnasium  und  Stadtschule 
die  Bezeichnung  „Fürstlich-Hedwigsches  Gymnasium",  und  1791  ward  von  Lentz  ein 
neuer  Lehrplan  entworfen,  nach  welchem  z.  B.  in  Quarta  nur  4  Stunden  Latein  gegeben 
wurden.  Durch  Erbschaft  ging  die  Schule  an  Brandenburg  über.  Von  1806  an  nahm 
die  Schiilfrequenz  ab,  und  1812  wurde  das  Anstaltsgebäude  sogar  französisches  Lazarett. 
1813  wurde  die  Prima  aufgelöst,  da  die  Schüler  dieser  Klasse  dem  Rufe  des  Königs 
folgten.  Zu  den  Schülern  der  Anstalt  gehörte  unter  anderen  später  oft  genannten 
Männern  1794  bis  1796  auch  der  „alte"  Wrangel,  dessen  Bild  in  der  —  Untertertia  auf- 
bewahrt wird.  Auch  die  neue  Geschichte  der  Schule  ist  von  B.  sorgsam  behandelt.  — 
Vogeler  86)  setzt  seine  Arbeit  über  das  Archigymnasium  zu  Soest  fort.  In  dem  vor- 
liegenden vierten  Teil  wird  die  Zeit  von  1678  bis  1730  behandelt.  Lu  Anfang  werden 
die  „Leges  quaedam  didascaliae  nostrae  renovatae  et  auctae  anno  1702",  der  „Catalogus 
lectionum"  und  die  „Schulgesetze  für  das  Gymnasium  zu  Soest,  erneuert  1730"  abge- 
druckt. Wie  aus  dem  „Catalogus"  hervorgeht,  wurden  damals  vielfach  die  verschiedenen 
Schriften  des  Comenius  als  Lehrmittel  benutzt.  —  Pritsche  ^7)  giebt  in  der  Geschichte 
der  1832  begründeten  Friedrich- Wilhelmsschvile  zu  Stettin  eine  Zusammenstellung  der 
Lehrpläne  von  1832,  1859  und  1882,  Angaben  über  die  eingeführten  Lehrbücher,  eine 
Frequenztabelle,  eine  Liste  der  Programmabhandlungen  und  ein  mit  biographischen 
Notizen  ausgestattetes  Verzeichnis  der  Lehrer  seit  1840,  sowie  der  Abiturienten  seit  1844. 
—  Im  Anschluss  an  die  1840  erschienene  Geschichte  des  1540  errichteten  Gymnasiums 
zu  Weilburg  behandelt  Bernhardt ^8)  die  Zeit  von  1840 — 1890.  Bei  dem  Uebergang 
der  Anstalt  an  Preussen  1866  wurden  die  Lehrpläne  einer  Aenderung  unterworfen,  da- 
bei aber  auch  eine  strengere  Schulzucht  eingeführt.  Ein  Verzeichnis  der  an  der  Anstalt 
thätig  gewesenen  und  zum  Teil  noch  jetzt  thätigen  Lehrer,  Angaben  über  Schulgeld,  Prüfungs- 
ordnungen, Abiturientenlisten  und  Lehrpläne  seit  1840  sind  auch  hier  beigefügt.  89)  — 
Die  Einrichtung  von  Volksschulen  in  Schlesien  nach  der  preussischen  Besitz- 
ergreifung schildert  Weig^lt^o).  Unter  der  österreichischen  Herrschaft  lag  das  evange- 
lische Schulwesen  schwer  darnieder,  die  preussische  Regierung  aber  schuf  auch  hier 
Wandel.  Leider  widersetzte  sich,  während  die  Bürgerschaft  dem  Verlangen  der  Re- 
gierung sehr  sympathisch  gegenüberstand,  diesem  Vorhaben  die  Geistlichkeit,  da  sie 
fürchtete,  dass  ihr  von  ihrem  Einkommen  etwas  entzogen  und  für  die  Besoldung  der 
Lehrer  verwendet  werden  könne.  So  hatte  man  mit  grossen  Schwierigkeiten  zu  kämpfen, 
zumal  es  eine  Menge  ganz  armer  Gemeinden  gab,  welche  das  Erforderliche  mit  dem 
besten  Willen  nicht  aufbringen  konnten;  ganz  besonders  traurig  waren  die  Verhältnisse 
in  dem  stark  polnischen  Oberschlesien.  Selbst  in  manchen  grösseren  Städten  waren 
keine  evangelischen  Schulen  vorhanden.  So  nahm  man  denn  hauptsächlich  zu  Kollekten 
seine  Zuflucht,  die  aber  während  des  7j.  Krieges  eingestellt  wurden.  Nach  dem 
Kriege  wurde  dann  in  ganz  Schlesien  die  Schulreform  wieder  aufgenommen,  und  vor 
allem  ward  streiig  darauf  gehalten,  dass  die  Kinder  Deutsch  lernten;  Das  Latein  wurde 
ganz  aus  den  oberschlesischen  Schulen  verbannt  und  der  Hang  zum  Studium  der  Theo- 
logie bei  den  Söhnen  der  geringeren  Stände  Oberschlesiens  möglichst  eingedämmt.  Der 
Minister  sagt  in  einem  Reskript,  dass  „die  Kinder  besser  thäten,  nützliche  Professionen 
zu  lernen  oder  das  Gewerbe  ihrer  Eltern  zu  treiben  als  Pfaffen  zu  werden,  zumal  durch 
die  Menge  der  Kandidaten  die  Absicht,  das  Land  mehr  und  mehr  zu  bevölkern,  ver- 
fehlet werde".  Anerkannt  sind  die  grossen  Verdienste,  die  sich  der  Abt  des  Stiftes 
von  Sagan,  Johann  Ignaz  von  Felbiger,  um  das  schlesische  Schulwesen  erwarb,  be- 
sonders um  die  Einrichtung  von  staatlichen  Schullehrerseminaren,  durch  die  zunächst 
eine  gründliche  und  dauernde  Verbesserung  des  Schulwesens  für  ganz  Schlesien  be- 
wirkt werden  konnte.  —  Auch  in  Oesterreich  war  man  auf  die  Hebung  der  Unterrichts- 
verhältnisse bedacht.    Ueber  Joseph  IL   als  Schulreformator  schreibt  F.  Böhm^i)  in  ge- 


Bestehens d.  Kgl.  Fürstin-Hedwig-Gymn.  Neustettin,  Hertzberg.  92  S.  —  86)  E.  Vogeler,  Gesch.  d.  Soester  Archigyinn. 
4.  Teil.  Progr.  Soest,  Nasse.  40.  52  S.  (Teil  1  erschien  1883.)  —  87)  H.  Fritsche,  Gesch.  d.  Friedrich-Wilhelins-Schule 
zu  Stettin  während  d.  ersten  50  Jahre  ihres  Bestehens  1840—90.  (=  Festschr.  z.  Feier  d.  50j.  Jubiläums  d.  Friedrich-Wilhelms- 
schule in  Stettin.)  Stettin,  Dannenberg.  92  S.  M.  2,00.  —  88)  E.  Bernhardt,  Z.  Gesch.  d.  Gymn.  v.  Weilburg  in  d.  letzten 
Jahren.  Festschr.  z.  Feier  d.  350j.  Bestehens  d.  Anst.  am  14.  Aug.  1890.  Progr.  1889—90.  Wiesbaden,  Kitter.  4".  50  S.  — 
89)  X  W.  Harms,  D.  Zerbstcr  Mädchenschule  nach  ihrer  Gesch.  u.  Aufgabe.  Eede.  Zerbst,  Luppe.  20  S.  M.  0,40.  (Gegründet 
1839.)  —  90)  C.  Weigelt,  D.  Volksschule  in  Schlesien  nach  d.  preuss.  Besitzergreifung:  ZVGSchlesien.  24,  S.  31—54.  — 
91)  F.  Böhm,  Kaiser  Joseph  II.  als  Keformator  d.  österr.  Volksscfiulwesens.  E.  Gedenkblatt.  Znaim,  Fournier  &  Haberler. 
Jahresberichte  für  neuere  deutsche  Litteraturgeschichte  I  (i).  5 


66  1,6:  K.  Kehrbach,  Geschichte  des  Unterrichtswesens. 

drängter  Kürze.     Maria  Theresia  hatte  durch  die  nach  ihr  benannte  Schulocdnung   von 
1774  für  die  Schulreformen  Josephs  den  Boden  geebnet.     Die  ersten   24  Artikel   dieser 
Schulordnung  druckt  der  Vf.  ab.    Josephs  Streben  war,  jedermann  Gelegenheit  zu  geben, 
seine  Kinder  etwas    lernen  zu  lassen;    darum   sorgte    er    für    bestimmte  Bezahlung    des 
Lehrers,  Errichtung  akatholischer  Schulen  in  Mähren,  und  besseren  Unterricht  der  weib- 
lichen Jugend,  die  von  der  vorhergehenden  Regierung  durchaus  nicht  genügend  berück- 
sichtigt war.  Auch  die  Geistlichkeit  musste  sich  der  vom  Kaiser  eingeführten  Normalschul- 
methode anbequemen ;  namentlich  aber  wandte  Joseph  sein  Augenmerk  auf  die  Anstellung ; 
von  Kreisschulkommissaren.     Neben  anderen  nutzbringenden  Reformen  wurde   auch  die 
Errichtung  von  Industrial-  und  Arbeitsschulen  in  Böhmen  und  Mähren  ins  Auge  gefasst. 
Was  die  Reform  des   Volksschulwesens  in  den  Einzelheiten  betrifft,  so  wurde  bestimmt, 
wo  Schulen  zu  errichten  seien,  welchen  Bildungsgang  die  Lehrer  durchzumachen  hätten 
und  wer  zur  Errichtung  von  Schulen  verpflichtet  sei.    Mit  der  Begründung  akatholischer 
Schulen,    in    welchen    religiöse    Duldung    das    Hauptprinzip    sein    sollte,      wurde     der 
Schtdzwang  eingeführt,  auch  die  israelitische  Jugend  zum  regelmässigen  Schulbesuch  ge- 
zwungen: wo  die  Juden  keine  deutschen  Schiden   hatten,  mussten    sie    ihre    Kinder    in 
christliche  Schulen  schicken,  ohne  dass  sie  ihrer  Religion  wegen  beeinträchtigt  wurden. 
Die  Erziehung  der  weiblichen  Jugend  sollte  diese  für  ihren  künftigen  Beruf  vorbereiten. 
Neben    die  Verordnungen    über    die    weltliche    Beaufsichtigung    der  Schulen,    über    die 
Besserstellung  des  Lehrerstandes,  über  Vervollkommnung  der  Methode  bei  Geistlichen  und 
Lehrern    trat  1782  auch  die  Verfügung  zur  Enichtung    von  Militär-Knaben-Erziehungs- 
häusern. *2)     Zur  Durchführung  der  Reformen  wies  Joseph  bedeutende  Fonds  an,  nament- 
lich das  Vermögen  der  aufgelösten  geistlichen  Orden.    —    Einen    wichtigen  Einblick  in 
das  Volksschiilwesen  des  18.  Jh.  geben  die  Schriften    von  Schlez  und  Rochow,    welche 
im    Neudruck    erschienen    sind.       Die    diu-ch    diese    Hefte    eingeleiteten,    von    Albert 
Richter93-94)   herausgegebenen  „Neudrucke  pädagogischer  Schriften"  bringen    in    erster 
Linie    nicht  Werke,    welche    schon    in    zahlreichen    andern    Ausgaben    zugänglich    sind, 
sondern  Schriften,    von    denen   jetzt    sehr    selten  noch  ein  Exemplar    zu    erlangen    ist. 
Ferner  sollen  nicht  nur  sogenannte  „pädagogische  Meisterwerke"  berücksichtigt  werden, 
sondern  auch  Schriften,  die  für  die  Geschichte  der  Schule  und  für  die  Kulturgeschichte 
im  allgemeinen  als  Quellenschriften  zu  betrachten  sind.     Das  eine  der  beiden  Hefte  ent- 
hält die  eine  Hälfte    eines    grösseren    Werkes    von    Schlez:  „Gregorius  Schlaghart    und 
Lorenz  Richard    oder    die  Dorfschiüen    zu    Langenhausen    und    Traubenheim.     Ein  Er- 
bauungsbuch für  Landschullehrer".     Was  hier  geboten  wird,    ist  eine  Schilderung,    wie 
sie  auf  eine  sehr  grosse  Anzahl  von  Dorfschvden    des    18.  Jh,  passt,    und    so    hat    das 
Schriftchen  zugleich  einen  nicht  geringen  Wert  für  die  Geschichte  der  Volksschule.     In 
gewissem  Sinne  bietet  Schlez  Selbsterlebtes:    die  Schilderung  des  Gregorius  Schlaghart 
setzt  sich  zusammen  aus  einer  Menge  von  Einzelwahrnehmungen,  die  der  Vf.  an  Schvd- 
meistem  seiner  Zeit  gemacht  hatte  und  die  hier  auf  ein  einziges  Individuum  übertragen 
wurden.  —  Rochow,    der  „märkische  Pestalozzi",    ging    von    dem   Gedanken    aus,    dass 
die  Dorfschulen  ein  Mittel  zur  Hebung  des  Wohlstandes  seien,  eine  Meinung,    die    ihm 
in  den  Teurungsjahi-en  1771  und  1772  aufging.      In  diesem  Sinne  errichtete  er  Schulen 
auf  seinen  Gütern  Rekahn,  Krahne  und  Gettin  (vgl.  u.  IV,  1  N.  30).     Wie  diese  Schulen 
beschaffen  waren,  welche  Einrichtungen  und  Verbesserungen   er  vornahm,    hat  er  selbst 
in  dem  vorliegenden  Buche  beschrieben.      Rochow  entwirft    von  den    herrschenden  Zu- 
ständen ein  trübes  Bild,  er  beklagt  vor  allem  die  übergrosse  Unwissenheit,  die  Vorurteile 
und  den  Aberglauben.     Mit  dem  festen  Vorsatz,  diesen  Uebelständen  abzuhelfen,  schrieb 
er  den  „Versuch  eines  Schulbuchs    für  Kinder  der  Landleute    oder    zum    Gebrauch    in 
Dorfschulen".     Sein  Werk  fand  Anklang,    der  König   selbst,    der    damals    ernstlich    den 
Wert  besserer  Landschulen  für  den  Staat  erwog,    interessierte    sich  dafür.      Es    gelang 
Rochow,  seine  Bauern  dahin  zu  bringen,    dass   sie  die  von  ihm  angeordneten  Verbesse- 
rungen zu  würdigen  wussten,  und  mittelbar  auch  auf  die  Eltern  der  Schulkinder  wohlthätigen 
Einfluss  zu  üben.     Auch  die  Gemahlin  Rochows  war  für  die  Schulen  thätig,  und  unter 
ihrer    Leitung    gedieh    eine  von    ihr    begründete    Industrie  -  Schide    für    die     weibliche 
Jugend,    in  welcher  dem  Handarbeitsunterricht    sein  Platz    zugewiesen    wurde.      Seiner 
Schrift  hat  Rochow  Briefe    und    die  Instruktion  für  die  Landschulmeister  (1773)  beige- 
fügt,   endlich    auch  ein  „Schuldrama",  das  aber  nur  ein  Gespräch  der  dankbaren  Schul- 
kinder imd  eine  HtJdigung  für  die  Herrschaft  bietet.  — 

21  8.  M.  0,40.  —  92)  X  ö-  Zernin,  D.  frühere  Kriegsschule  zu  Colmar  u.  ihr  Begrllnder  Pfeffel:  StrassbPost.  N.  178.  (V.  d. 
Fabeldichter  Pfeffel  i.  J.  1773  gegründet,  e.  Anstalt  im  Sinne  d.  Philanthropinismus,  doch  mit  militärischen  Formen.)  —  93) 
F.  J.  Schlez,  Gregorius  Schlaghart  oder  d.  Dorfschule  zu  Langenhausen.  (=  Neudrr.  pädag.  Schriften  her.  t.  Albert  Richter. 
Heft  2.)  Leipzig,  Eichten  80  8.  M.  0,80.  —  94)  F.  E.  t.  Eochow,  Gesch.  meiner  Schulen.  (=  Neudrr.  pädag.  Schriften  her. 
T.  A.  Richter.   Heft  1.)    Leipzig,  Richter.    72  R.  M.  0,80.  — 


1,7:  Rud.  Lehmann,  Litteratur  in  der  Schule.  67 

1,7 

Die  Litteratur  in  der  Scinule. 

Rudolf  Lehmann. 

Allgemeines  und  Methodologisches:  Allgemeines  über  die  Ziele  des  Unterrichts  N.  1.  —  Methodik 
N.4.  — Methodische  Erläuterungsschriften  N.  6.  —  Programme  N.  8 ;  Zeitschriften  N.  14;  Versammlungsherichte  N.  18.  —  Hilfs- 
mittel fUr  den  Unterricht:  Lesebücher  und  Anthologien  N.  23.  —  Schulausgaben  N.  33.  —  Hilfsmittel  für  die  Präparation 
N.  77.  —  LeittUden  für  Litteraturgeschichte  und  Poetik  N.  80.  — 

Der  Wandel,  der  sich  in  der  Gestaltung  unseres  Schulwesens  zur  Zeit  vollzieht, 
macht  sich  in  keinem  Lehrfach  so  entscheidend  bemerkbar  wie  im  deutschen  Unterricht. 
Die  Beschäftigung  mit  deutscher  Sprache  und  Litteratur,  die  bis  vor  kurzem 
noch  als  „Nebenfach"  hinter  dem  Studium  fremder  Sprachen  zurückstehen  musste,  tritt 
mehr  und  mehr  in  den  Mittelpunkt  des  gesamten  erziehenden  Unterrichts.  Allein  diese 
veränderte  Rangstellung  erfordert  zugleich  grundlegende  Aenderungen  der  Methode  und 
der  Organisation  des  Unterrichtsfaches.  Es  muss  —  und  dazu  noch  ohne  erheblich 
grösseren  Aufwand  an  Zeit  —  nach  jeder  Richtung  hin  mehr  geleistet  werden  als  bis- 
her. Da  gilt  es,  Ziele  klar  und  bestimmt  abzugrenzen,  Methoden  zu  schärfen,  Hilfs- 
mittel zu  finden:  kurz,  eine  umfassende  Anzahl  von  Aufgaben  harrt  der  Erledigung.  Dem 
entsprechend  regt  sich  denn  auch  auf  keinem  anderen  Gebiete  der  didaktischen  Litteratur 
ein  frischeres  Leben  als  hier,  und  jedes  der  letzten  Jahre  hat  eine  Anzahl  von  Arbeiten 
gebracht,  deren  gemeinsames  Ziel  es  ist,  der  Beschäftigung  mit  der  deutschen  Litteratur 
den  Platz  anzuweisen,  der  ihr  in  unserer  Jugendbildung  gebührt,  und  die  Methoden  vor- 
zuzeichnen,  nach  denen  sie  dieser  Stellung  entsprechend  zu  gestalten  ist.  Und  wenn, 
wie  natürlich,  manches  Verfehlte  sich  findet,  wenn  namentlich  Versuche  nicht  ausbleiben, 
den  neuen  Most  in  alte  Schläuche  zu  giessen  und  eine  Schablone,  die  dem  fremdsprach- 
lichen Unterricht  mechanisch  entnommen  ist,  dem  Deutschen  gewaltsam  aufzudrücken, 
so  wird  doch  niemand,  der  die  Gesamtheit  der  Leistungen  überschaut,  sich  dem  Ein- 
druck frischen  und  freudigen  Lebens  entziehen  können. 

V^er  wie  der  Referent  den  geschilderten  Wandel  als  einen  zugleich  notwendigen 
und  wünschenswerten  betrachtet,  der  wird  es  freudig  begrüssen,  wenn  dieser  Bericht  au 
die  Spitze  derer,  die  im  Laufe  des  Jahres  für  die  neue  Richtung  eingetreten  sind,  den 
Namen  Herman  Grimms i)  stellen  kann.  Zwei  von  den  „Fünfzehn  Essays",  die  sein 
Buch  ,,Aus  den  letzten  fünf  Jahren"  enthält,  beschäftigen  sich  eingehend  mit  den  Fragen 
des  deutschen  Unterrichts.  Von  hervorragender  Bedeutung  ist  besonders  der  erste  der- 
selben: „Die  deutsche  Schulfrage  und  unsere  deutschen  Klassiker."  Der  Vf.  richtet 
hier  einen  Blick  auf  die  bisherigen  Zustände.  „Wie  ist  es  gekommen",  fragt  er,  „dass 
Goethe  und  die  Seinigen  nicht  die  Bildung  einer  nationalen  Litteratur  bewirkten,  welche 
die  deutsche  Schule  nun  ebenso  beherrscht,  wie  die  französische  der  klassischen  Zei-t 
Frankreichs  die  französische?"  Ein  Blick  auf  die  Entwicklungsgescliichte  des  deutschen 
Geistes  beantwortet  diese  Frage.  Lange  Zeit  war  die  Versenkung  in  die  Antike  eine 
„ideale  Kompensation"  für  das  ,, mangelnde  Gefühl  vom  Werte  der  Gegenwart".  „Die  Be- 
geisterung, die  der  eigenen  nationalen  Entwicklung  nicht  zufliessen  durfte,  wurde  den 
Römern  und  Griechen  zu  teil."  Dieses  Verhältnis  hat  sich  geändert.  Wir  Heutigen  ver- 
mögen das  klassische  Altertum  nicht  mit  gleich  enthusiastischem  Gefühl  mehr  zu  um- 
fassen, wie  unsere  Väter  und  Vorfahren.  Unsere  Blicke  wenden  sich,  wenn  vom  Ver- 
gangenen die  Rede  ist,  nicht  mehr  ausschliesslich  auf  Italien  und  Griechenland;  die  Ge- 
schichte des  klassischen  Altertums  erscheint  uns  nur  als  eine  Epoche  unter  vielen,  die  gleich- 
massiges  Literesse  fordern  und  erregen.  Vor  allem  ist  es  die  Geschichte  unserer  eigenen 
nationalen  Entwicklung,  die  uns  in  Anspruch  nimmt  und  nehmen  muss.  „Das  Leben, 
das  wir  führen,  und  das,  dessen  Bevorstehen  wir  empfinden,  bedingt  die  Fähigkeit,  mit 
Gedanken  zu  wirtschaften,  für  deren  Ausbildung  die  antike  Litteratur  genügende  Vor- 
übung nicht  mehr  darbietet."  Dem  entsprechend  ist  ein  Wandel  unausbleiblich.  „Wir 
treiben  in  der  Richtung,  dass  die  deutsche  Sprache  und  Litteratur  zu  dem  endlich 
werden  wird,  von  dem  alle  Lehre  ausgeht."  Insbesondere  erhofft  nun  G.  „vom 
breiteren  Eintritte  Goethes  und  der  Seinigen  in  unseren  höheren  Unterricht  den 
Beginn  der  Umgestaltung  des  Schulwesens,  zu  dem  der  Weg  gesucht  wird".  Er  erwartet 
hiervon  „keine  Verdrängung  der  klassischen  Sprachen,  vielmehr  die  Rückkehr  in  ein 
gesunderes  Verhältnis  zur  alten  Welt  und  ihrer  wunderbaren  Kultur".  „Unsere  Jugend 
hat  bisher  von  Italien  und  Griechenland  aus  Deutschland  betrachtet;  sie  muss  von 
Deutschland  aus  Italien  und  Griechenland  neu  kennen  lernen."  —  Von  geringerem 
Belang  für  den  litterarischen  Unterricht  ist  der  zweite  Essay:  „Deutscher  Unterricht  auf 


I)  H.  Grimin,  Aus  d.  letzten  fünf  Jahren.    Fünfzehn  Essays.     (=  Fünfzehn  Essays.    Vierte  Folge.)     Gütersloh, 

5* 


68  1,7:    Rud.  Lehmann,  Litteratur  in  der  Schule. 

deutschen  Gymnasien".  Der  Vf.  bekämpft  hier  in  sehr  eingehender  Polemik  einen  Angriff, 
den  der  vorige  Aufsatz,  nachdem  er  in  der  Deutschen  E-undschau  zuerst  erschienen  war, 
von  A.  Trendelen  bürg  in  der  Kölnischen  Zeitung  erfahren  hatte,  und  er  entwickelt  an 
dieser  Polemik  den  Gedanken,  „dass  unsere  in  energischer  Portbildung  begriffene 
Sprache  ihre  Gesetze  in  sich  trage  und  dass  einheitliche  Kodifizierung  des  Wortgebrauchs 
nur  ein  Notbehelf  für  unbestimmte  Zeit  wäre".  Zugleich  aber  lässt  sich  G.  den 
sonstigen  Angriffen  gegenüber,  die  jener  erste  Aufsatz  erfahren  hat,  zu  mancherlei  Ein- 
schränkungen und  Ab  Schwächungen  bestimmen,  die  jeder  bedauern  wird,  der  mit  dem 
dort  Dargelegten  so  freudig  einverstanden  ist  wie  der  Referent.  Dass  es  im  übrigen 
auch  hier  nicht  an  geistreichen  Bemerkungen  und  treffenden  Wendungen  fehlt,  ist  selbst- 
verständlich. Besonders  bedeutungsvoll  ist,  was  über  den  Gegensatz  gesagt  wird,  der 
sich  in  Zeiten  geistiger  Umwälzung  zwischen  der  älteren  und  der  jüngeren  Generation 
mit  Naturnotwendigkeit  herausbildet.  —  Aus  einem  ganz  anderen  Gedankenkreise  heraus 
und  in  einer  Weise,  die  von  der  Grimms  sehr  verschieden  ist,  tritt  0.  Ernst^)  in 
seinem  Buche  „Offenes  Visier"  für  die  erziehende  Bedeutung  der  deutschen  Dichtung 
ein.  Seine  Ideen  und  sein  Stil  erscheinen  nicht  ausgereift,  aber  von  einem  jugendlichen 
Feuer  getragen;  seine  Denkweise  ist  unhistorisch,  aber  einem  lebendigen  Gefühl  der 
Gegenwart  entsprungen.  In  dem  ersten  von  zwei  populären,  sehr  kraftvoll  geschriebenen 
Essays  entscheidet  er  die  Präge:  „Religion  oder  Litteratur  als  Zentrum  des  Volksschul- 
unterrichts?" zu  Gunsten  der  Litteratur  und  verlangt  in  der  1.  Klasse  mindestens  5,  in 
den  beiden  folgenden  mindestens  4  Litteraturstunden.  Der  originelle  und  an  sich  sym- 
pathische Gedanke  wird  freilich  vielfach  auf  Bedenken  stossen,  die  nicht  nur  den  äusser- 
lichen  Schwierigkeiten,  auch  nicht  nur  der  Vorliebe  für  den  Religionsunterricht  ent- 
stammen. Es  würde  sich  zunächst  darum  handeln,  überhaupt  die  innere  Möglichkeit 
seiner  Ausführung  durch  methodische  Fingerzeige  anschaulich  zu  machen.  Unbedingter 
wird  man  dem  zweiten  der  genannten  Aufsätze  beistimmen  können,  der  in  einer  ähn- 
lichen, aber  allgemeineren  Tendenz  den  Lehrern,  „namentlich  den  Volksschullehrem", 
die  Mahnung  entgegenhält:  „Ruft  überall  ein  litterarisches  Bedürfnis  wach  und  habt  es 
zuerst  selbst!"  —  Von  ähnlichen  Empfindungen  und  Anschauungen  wie  Grimm  geht 
Hildebrand^)  in  den  Worten  aus,  die  er  „Zur  Einführung  der  Zeitschrift  für  den 
deutschen  Unterricht"  geschrieben  und  in  seinem  jüngsten  Buche  aufs  neue  veröffentlicht 
hat.  „Einig"  —  heisst  es  dort  —  „sind  wir  wohl  alle  darin,  dass  es  sich  für  uns 
Deutsche  jetzt  darum  handelt,  ein  neues  Leben  eben  als  Deutsche  zu  beginnen."  Und 
die  Aufgabe,  die  hieraus  dem  deutschen  Unterricht  ersteht,  bezeichnet  er  schön  und 
treffend  „als  Pflege  des  Besten,  Höchsten  und  Tiefsten,  das  sich  unser  Volk  in  Sprache 
und  Litteratur  zusammengelebt  hat  und  das  von  selbst  in  sich  weiter  weist  auf  die 
höchsten  Ziele  hin,  die  es  für  den  Menschen  überhaupt  giebt  im  Leben  wie  im  Geiste." 
Als  einzelnen  Gesichtspunkt  hebt  H.  dann  mit  Recht  hervor,  dass  der  deutsche  Unter- 
richt das  natürliche  Band  bildet,  durch  welches  die  humanistische  und  die  realistische 
Richtung  unseres  Schulwesens  auf  einheitlicher  Grundlage  verknüpft  werden,  „dass  in 
ihm  die  eine  für  ihr  Reales  das  zusammenfassende  Ideale  zu  suchen  hat,  die  andere 
aber  für  ihr  Ideales  den  einzig  gegebenen  realen  Grund  und  Boden".  — 

Einen  Versuch,  dem  Unterricht  die  methodischen  Wege  zu  weisen,  auf  dem 
er  solchen  Zielen  und  Aufgaben  gerecht  w^erden  könne,  hat  Rudolf  Lehmann*)  in  seiner 
Monographie  „Der  deutsche  Unterricht"  gemacht.  Die  Tendenz  des  Buches  ist  der  von 
Grimms  und  Hildebrands  Aufsätzen  auf  das  Engste  verwandt.  „Unsere  höhere  Schul- 
bildung" —  heisst  es  im  Vorwort  —  „muss  den  idealen  Mittelpunkt  wieder  gewinnen, 
den  sie  früher  in  dem  Studium  des  klassischen  Altertums  besass  und  der  ihr  heute 
fehlt.  Diesen  Mittelpunkt  kann  allein  die  deutsche  Litteratur  bilden."  Das  Buch  sucht 
sich  der  Reihe  anzuschliessen,  welche  Hieckes  „Deutscher  Unterricht"  begonnen  und 
Laas'  Arbeiten  fortgeführt  haben.  Pur  die  litterarische  Betrachtung  unterscheidet  der 
Vf.  drei  Stufen  des  Verständnisses:  die  unmittelbare  oder  anschauliche,  die  historische 
und  die  kritische  Auffassung.  Im  Gegensatz  zu  denjenigen  seiner  Vorgänger,  welche 
das  Ziel  des  höheren  Unterrichts  allzu  einseitig  auf  die  erste  dieser  drei  Stufen  be- 
schränken wollen,  aber  mit  ebenso  entschiedener  Wendung  gegen  diejenige  Richtung, 
welche  in  allzuhoch  gespanntem  Streben  die  höchsten  Arten  der  Erkenntnis  schon  dem 
Gymnasiasten  zugänglich  machen  will,  sieht  der  Vf.  in  der  Anbahnung  des  historischen 
Verständnisses  das  eigentliche  Ziel  des  Gymhasialunterrichts.  Das  anschauliche  Ver- 
ständnis bildet  die  Aufgabe  für  die  untere  Stufe  des  Gymnasialkursus  und  in  Ueberein- 
stimmung  damit  für  die  höhere  Bürgerschule.  Die  Ausbildmig  des  kritischen  Verständ- 
nisses bleibt  der  Universität  als  ihre  eigentümliche  Aufgabe  überlassen.    Es  ergiebt  sich 


Bertelsmann.  XXIII,  363  8.  M.  0,00.  (S.  25-02  ii.  S.  03— 105.)  —  |[J-  Rodonberg:  DRs.  62,  8.154;  0.  Harnack:  Trlbb.  65, 
S.  244;M.  Carridre:  AZg.'S.  50;  M.  Hardon:  Nation"  7.  S.  ;i34.]  i  -2)  0.  Ernst,  Offenes  Visier.  Hamburg,  Kloss.  VllI, 
280  S.  M.  2,50.  (S.  11— 54  u.  S. 55— 84.)  —  3)  R.  Hildobrand,  Gesammelte  Aufsatze  u.  Vortrage  z.  deutschen  Philologie  u.  z. 
deutschen  Unterricht    Leipzig,   Toubner.    VI, 335  S.    M.  8,00.    (S.  136—47.  [=ZDT7.1.  S.  1  ff.])  —   4)   B.   Lehmann,    D. 


1,7:    E,;id.  Lehmann,  Litteratur  in  der  Schule.  69 

somit  eine  Zweiteilung  nach  Ziel  und  Methoden  zunächst  für  die  deutsche  Lektüre,  und 
indem  entsprechende  Gesichtspunkte  für  den  stilistischen  und  den  grammatikalischen 
Unterricht  aufgewiesen  werden,  treten  die  einzelnen  Teile  des  deutschen  Unterrichts 
in  einen  genauen  Parallelismus  zu  einander.  Ueberall  bildet  die  mittlere  Stufe  des  Ver- 
ständnisses das  Endziel  des  Gymnasialunterrichts,  die  untere  das  der  höheren  Bürger- 
schulen und  der  mittleren  Gymnasialklassen.  Tür  die  Lektüre  ergiebt  sich  aus  der 
Zweiteilung  der  Ziele  ein  durchgreifender  Unterschied  der  Methoden.  Richtet  sich  im 
unteren  Kursus  die  Thätigkeit  vor  allem  auf  die  Erfassung  des  Einzelnen,  sowie  des 
unmittelbar  gegebenen,  vom  Dichter  selbst  vorgezeichneten  Zusammenhanges,  so  hat  die 
höhere  Erklärungsart  auf  ein  Verständnis  der  Lektüre  nach  allgemeinen  Gesichtspunkten, 
sowie  auf  ein  Verständnis  für  den  historischen  Zusammenhang,  in  welchem  die  einzelne 
Dichtung  entstanden  ist,  hinzuarbeiten.  Das  ideelle  Ergebnis,  welches  den  Schülern 
aus  einer  solchen  Behandlung  der  deutschen  Litteratur  erwachsen  soll,  fasst  das  Buch 
folgendermassen  zusammen:  „Die  nationale  Kraft  eines  Kulturvolkes  zeigt  sich  nicht  in 
der  Neigung,  fremde  Einflüsse  abzuwehren,  sondern  in  der  Fähigkeit,  sich  dieselben  zu 
assimilieren,  sie  den  eigenen  Bedürfnissen  und  Anlagen  selbständig  und  willensstark 
anzupassen.  Zwei  grosse  Epochen  deutscher  Dichtkunst  sind  es,  welche  diese  Wahr- 
heit beweisen.  Und  der  zweiten  und  grösseren  von  beiden  besonders  eigen  ist  der  Ge- 
danke, dass  das  Glück,  soweit  es  für  den  Einzelnen  oder  für  ein  Volk  erreichbar  ist, 
nicht  in  äusseren  Verhältnissen,  sondern  im  geistigen  Leben  zu  suchen  und  zu  finden 
sei.  Zu  diesem  Idealismus  ihr  Volk  zu  erziehen,  war  das  Ziel,  das  die  grossen  Deutschen 
des  18,  Jahrhunderts  über  alle  persönlichen  und  sachlichen  Verschiedenheiten  hinweg  zu 
einer  Gemeinde  verband."  —  Unter  den  Arbeiten,  welche  einzelne  Teile  des  Htterarischen 
Unterrichts  behandeln,  verdient  das  kleine,  aber  aussergewöhnlich  gedankenreiche  und 
anregende  Buch  von  Goldscheider^)  besondere  Hervorhebung.  Von  einem  be- 
stimmten und  selbständigen  Gesichtspunkte  aus,  mit  welchem  sich  übjj-igens  die  ent- 
sprechenden Gedankenzüge  des  vorhergenannten  Buches  mannigfach  berühren,  entwirft 
der  Vf.  den  Gang,  den  dje  Erklärung  deutscher  Schriftwerke  in  den  oberen  Klassen  zu 
nehmen  hat.  „Da  die  Erschliessung  des  Sinnes  nicht  durch  die  Unkenntnis  der  Sprache 
gehemmt  wird,  so  ist  eine  vorläufige  Aneignung  des  Ganzen  möglich,  auf  welche  sich  die 
Besprechung  sogleich  von  Anfang  an  bezieht.  Das  Einzelne  wird  also  stets  im  Ver- 
hältnis zum  Ganzen  betrachtet.  Diese  Anschauung  bildet  die  Eigentümlichkeit  unseres 
Faches,  in  welchem  allein  sie  zur  vollen  Durchführung  zu  gelangen  vermag.  Auf  solcher 
Grundlage  kommt  man  zum  Begriife  der  Entfaltung  eines  kunstvoll  gestalteten  Organismus. 
Diese  Thätigkeit  ist  weaentlich  ästhetischer  Natur;  aber  sie  beschäftigt  sich  nicht  mit 
Aufstellung  allgemeiner  Grundsätze  oder  mit  der  Prüfung  des  Werkes  an  der  Hand 
willkürlicher  Vorschriften.  Sie  sucht  vielmehr  in  das  innere  Wesen  desselben  einzu- 
dringen und  die  Notwendigkeit  seines  Baues  zu  begreifen;  sie  will  das  Meisterwerk  nicht 
meistern,  sondern  durch  aufmerksame  und  liebevolle  Versenkung  das  Geheimnis  seiner 
Eigenart  ablauschen."  ,,Man  begiebt  sich  in  die  Werkstätte  selbst,  wo  der  kunstreiche 
Gott  die  sinnreichen  Bilder  seines  Schildes  vollendet;  und  man  versteht  sie  nun  um  so 
viel  besser.  Meine  Erklärung  zielt  somit  auf  eine  Entstehungsgescliichte."  „Wir  bleiben 
unserer  Erklärung  des  Begriffes  der  Aesthetik  getreu,  wenn  wir  in  dieser  Weise  darauf 
ausgehen,  das  Einzelne,  Besondere,  welches  uns  vorliegt,  in  immer  bedeutendere  Zu- 
sammenhänge zu  rücken.  Man  erhebt  sich  von  der  natürlichen  Einheit  eines  Werkes, 
zu  der  künstlichen  mehrerer  Werke,  die  man  gleichzeitig  betrachtet  und  deren  Verhältnis 
durch  einen  litterarisch  geschichtlichen  Satz  ausgedrückt  werden  kann.  Der  Lihalt  dieses 
Satzes  bezieht  sich  entweder  auf  die  Darstellung  einer  Persönlichkeit  oder  auf  die  Ent- 
wicklung geistiger  Richtungen.  Li  diesem  geschichtlichen  Sinne  lesen  zu  lehren,  ist  vor 
allem  auch  Gesichtspunkt  unserer  Schriftbehandlung."  Der  hauptsächlichste,  ja  der  einzige 
wesentliche  Einwand,  den  der  Referent  gegen  G.  zu  erheben  hat,  ist,  dass  er  aus- 
gesprochenermassen  die  höchsten  Ziele  der  ästhetischen  Betrachtung  schon  für  den 
Gymnasialunterricht  anstrebt  und  namentlich  auch  der  kritischen  Würdigung  gelesener 
Werke  das  Wort  redet.  Diese  Ueberspannung  der  Lehrziele  teilt  er  noch  wesentlich  mit 
Laas,  über  den  hinaus  er  sonst  doch  vielfach  zu  grösserer  Klarheit  fortgeschritten  ist. 
Die  natürliche  Folge  davon  ist  denn  auch,  dass  er  von  vornherein  darauf  verzichten 
muss,  allen  oder  auch  niu-  einem  grossen  Teile  der  Schüler  wirklich  das  Verständnis  für 
diese  letzten  Ziele  des  Unterrichts  zu  eröffnen.  „Es  muss  eben  auch  in  unserem  Fache, 
wie  überall,  —  dem  platonischen  Bilde  gemäss  —  viele  Stabträger  und  wenig  Begeisterte 
geben."  Allein  wenn  wir  wirklich  der  deutschen  Lektüre  eine  herrschende  Stellung  im 
Äüttelpunkte    des   erziehenden  Unterrichts    erringen  wollen,    so    werden  wir    doch    auch 


Deutsche  Unterricht.  E.  Methodik  für  höhere  Lehranstalten.  Berlin,  Weidmann.  XIII,  394  S.  M.  8.00.  |[J.  Nicklas, 
BBG.27,  S.241 ;  G.Bö  tti  eher,  ZDU.  5,  S.705;LCBI.  1891,  S.  1164/5.;  0.  Erdm  ann,  ZDPh.24,  S.411/9;  F.  Kern,  DLZ.  12,  S.1340; 
Hengeshach,  COJRealschulwesen  19,  S.  624  ff.]|  —  5)  P.  Goldscheider,  D.Erklärung  deutscher  Schriftwerke  in  d.  oberen 
Klassen    höherer   Lehranstalten.     Grundlinien    zu   c.   Systematik.    Berlin,    Gärtner.    1889.      III,   92  S.      M.  1,50.     [[Koller, 


70  1,7:    Rud.  Lehmann,  Litteratur  in  der  Schule. 

dafür  sorgen  müssen,  dass,  unbeschadet  dessen,  was  einzelne  begabtere  Köpfe  bei  ge- 
eigneter Anleitung  gewinnen  können,  die  Hauptergebnisse,  die  der  deutsche  Unterricht 
erzielen  will,  ein  Gemeingut  aller  strebsamen  und  nicht  allzu  unbefähigten  Schüler 
werden.  — 

Unter  den  methodischen  Erläuterungswerken  verdient  der  „Wegweiser 
durch  die  klassischen  Schuldramen"  von  Frick^-ßa)  die  erste  Stelle.  Wie  das  Buch 
den  Höhepunkt  des  grossen  Sammelwerks  ,,Aus  deutschen  Lesebüchern"  darstellt,  dessen 
fünften  Band  es  bildet,  so  ist  es  eine  der  wertvollsten  Erscheinungen  der  Erläuterungs- 
litteratur  überhaupt,  und  es  möchten  wenig  andere  Unterrichtsfächer  pädagogische  Werke 
aufzuweisen  haben,  in  denen  eine  solche  Masse  des  Einzelstoffes,  wie  er  hier  zusammen- 
getragen ist,  mit  solcher  Klarheit  und  Sicherheit  der  methodischen  Gesichtspunkte  ver- 
arbeitet ist,  wie  hier.  Die  Dreiteilung  in  Vorbesprechung,  eigenthche  Darbietxmg  und 
Rückschau  ist  durchweg  festgehalten,  sie  entspringt  und  entspricht  der  Sache.  Im  ein- 
zelnen aber  wirkt  es  vielfach  angenehm,  dass  der  Schematismus  der  Methode  mehr,  als 
das  zum  Teil  in  den  früheren  Bänden  des  Gesamtwerkes  der  Fall  war,  hinter  dem 
lebendigen  und  natürlichen  Gang  der  Betrachtung  zurücktritt.  Nur  zuweilen  ist  auf  die 
logische  Ordnung  der  Scenen  nach  Gruppen  usw.  zuviel  Wert  gelegt;  komplizierte 
Dispositionen  können  ebensowenig  eine  Handlung  für  den  Leser  anschaulich  machen, 
wie  sie  dem  Dichter,  als  er  dieselbe  entwarf,  vorgeschwebt  haben.  Graphische  Verdeut- 
lichungen, wie  die  S.  53  oder  gar  S.  152,  sind  verfehlt;  in  Rubriken  lässt  sich  der  In- 
halt einer  wirklichen  Dichtung  niemals  fassen.  Durchaus  einverstanden  dagegen  wird 
man  mit  dem  allermeisten  von  dem  sein,  was  der  Vf.  in  der  vorangeschickten  methodo- 
logischen Einleitung  an  allgemeinen  Grundsätzen  aufstellt.  NamentUch  treifend  ist  das 
S.  10  Gesagte:  „Der  Gang  ist  stets  ein  Gang  vom  Allgemeinen  zum  Besonderen,  von 
einer  Gesamtüberschau  zur  Einzelbetr achtun g,  von  einer  vorläufigen  Totalauffassung  (Vor- 
blick) zu  einer  eingehenden  Betrachtung."  Daran  schliesst  sich  die  Bestimmung:  „Es 
kommt  darauf  an,  dem  Schüler  eine  allgemeine  Vorstellung  von  dem  inneren  Entwick- 
lungsgang der  einzelnen  Dramatiker  zu  geben,  ihm  auch  zu  zeigen,  wie  diese  Dichter 
selbst  wieder  unter  sich  eine  Art  Entwicklungsreihe  darstellen  und  wie  das  sie  verbindende 
Element  der  Anteil  an  der  immer  vollkommeneren  Herausarbeitung  des  Begriffes  des  Tra- 
gischen ist."  Der  vorliegende  Band  behandelt  der  Reihe  nach:  Lessings  „Philotas",  ,,Emilia 
Galotti",  „Minna  V.  Barnhelm",  „Nathan";  Goethes  „Götz",  „Egmont",  „Ipliigenie",  „Tasso", 
—  also  alles,  was  an  Dramen  dieser  beiden  Dichter  für  die  Schule  in  Betracht  kommen 
kann.  Gegen  einzelnes  lassen  sich  Einwendungen  erheben:  so  ist  die  „EmiHa  Galotti" 
zwar  mit  dem  grössten  Gescliick,  vorsichtig  und  doch  ohne  Prüderie,  behandelt: 
dennoch  wird  gerade  diese  Darstellung,  die  nach  der  Seite  des  pädagogischen 
Taktes  gewiss  nicht  zu  übertreffen  ist,  jeden  Unbefangenen  in  der  Ueberzeugung  be- 
stärken, dass  dieser  Stoff  für  eine  eingehende  Behandlung  in  der  Klasse  ein-  für  allemal 
nicht  geeignet  ist.  Der  Anlage  nach  verfehlt  —  trotz  mancher  treffenden  Einzelheit  —  ist 
die  Behandlung  des  „Nathan".  Diese  Lektüre  empfiehlt  E.,  um  im  Anschluss  an 
sie  „die  Begriffe  Humanität,  Toleranz,  Humanitätsreligion ,  rehgiöser  Kosmopolitismus, 
Konfessionalität  usw."  „im  positiven  Geiste"  kritisch  zu  behandeln,  mit  andern  Worten, 
das  Einseitige  oder  Unberechtigte  derselben  nachzuweisen.  Er  kommt  denn  auch  in 
dem  „Rückblick"  zu  den  entsprechenden  Ergebnissen,  indem  er  „die  inneren  Widersprüche 
des  Dramas  hervorhebt".  Auch  nach  meiner  Meinung  ist  der  ,, Nathan"  in  den  Kreis 
der  Primanerlektüre  hineinzuziehen,  aber,  wie  ich  bereits  an  anderem  Orte  hervor- 
gehoben habe,  wesentlich  unter  dem  laistorischen  Gesichtspunkt,  dass  dieses  Drama  der 
bedeutendste  poetische  Ausdruck  ist,  den  die  deutsche  Aufklärung  gefunden  hat.  Im 
übrigen  giebt  es  meines  Erachtens  sehr  weniges  in  diesem  Gedichte,  was  mit  dem  christlichen 
Glauben,  nichts,  was  mit  der  christlichen  Gesimumg  in  Widerspruch  träte.  Ereilich  wird 
für  einen  positiv  gläubigen  Christen  zu  den  allgemeinen  Anschauungen,  die  der  Dichter 
lehrt,  manches,  ja  vieles  liinzuzufügen  sein:  für  solche  Ergänzung  ist  eben  die  Religions- 
stunde da.  Der  Lehrer  aber,  der  es  nicht  über  sich  gewinnen  kann,  diese  Teilung  der 
Aufgaben  anzuerkennen,  oder  der  gar  der  Gesamtanschauung  des  „Nathan"  so  entschieden 
negativ  gegenübersteht,  wie  F.,  lässt  das  Werk  besser  ganz  unberücksichtigt.  —  In 
eine  Kategorie  mit  dem  Frick-Polackschen  Erläuterungswerke  gehört  das  Buch  von 
Lyon''),  dessen  zunächst  erscliienener  erster  Teil  die  Klassen  Sexta  bis  Tertia  berück- 
sichtigt.    Auch   hier  ist  der  gesamte  Lehrstoff  unter  einheitlichen   Gesichtspunkten  be- 

ZBealschnlwesen  15,8.602/4;  Baclimann,  ASNS.84,  S.  154;  Waetzoldt,  DLZ.  11,  b.  876;  Nickla8,BBG.26,  8.  65.]|  -  6)  0. 
Friek,  Aus  deutschen  Lcsebaclicrn.  Epische,  lyr.  u.  dram.  Dichtungen  erl.  fUr  d.  Oberklassen  d.  höh.  Schulen.  6.  Bd.  1.  Abt. 
(—  Wegweiser  durch  d.  klassischen  Schuldrnmen  I.  Lessing,  Goethe.)  Gera  u.  Leipzig,  Hofmann.  1889.  502  S.  M.  5,00.  — 
6a)  XX  id.  Aus  deutschen  Le.sebUehern.  Epische,  lyr.  u.  dram.  Dichtungen  erlaut,  ftlr  d.  Oberklassen  d.  höh.  Schulen.  5.  Bd. 
2.  Abt.  Lief.  1  u.  2.  {=  Wegweiser  durch  d.  klassischen  Schuldraraen  2.  Friodr.  Schillers  Dramen.)  Gera  u.  Leipzig,  Hofmann. 
112  8.  M.  2,00.  (D.  beiden  Lieit".  behandeln  d.  drei  Jugenddramen.  Erst  wenn  d.  ganze  Bd.  abgeschlossen  ist,  werden  wir  ihn  e. 
Besprechung  unterziehen.)  —  7)  O.Lyon,  D.  LektUre  als  Grundlage  e.  einheitl.  u.  naturgem.  Unterrichtes  in  d.  deutschen  Spr., 
sowie  aU  Mittelpunkt  nationaler  Bildung.    Deutsche  ProsastUeke  u.  Gedichte.   1.  Teil:    Sexta   bis  Tertia.    Leipzig,  Teubner. 


1,7:    Rud.  Lehmann,  Litteratur  in  der  Schule.  71 

handelt  und  ein  festgeschlossener  Lehrgang  der  deutschen  Sprache  aufgestellt.  Die 
Besprechungen  sind  nach  Klassenpensen  und  innerhalb  derselben  nach  Prosa  und  Poesie 
geordnet.  Das  Schema  für  die  Behandlung  ist  für  alle  bisher  berücksichtigten  Stufen 
das  gleiche;  bei  den  Prosastücken  gliedert  es  sich  in  die  Rubriken:  Einleitung,  Sach- 
erklärung, Wortschatz,  Grammatik  und  Stil;  bei  den  Gedichten  folgen  aufeinander:  Er- 
weckung der  Stimmung,  Vortrag  des  Gedichtes,  Sacherklärung,  ein  kurzer  Ueberblick 
über  den  Bau  des  Gedichtes;  hierzu  kommen  später  Notizen  über  den  Dichter.  Das 
fleissige  und  tüchtige  Buch  ist  von  der  Kritik  vielfach  sympathisch  aufgenommen  und 
verdient  diese  Anerkennung  durchaus.  Es  giebt  eine  Eülle  von  sachlichen  Belehrungen 
und  methodischen  Anregungen.  Der  methodische  Wert  würde  vielleicht  noch  deutlicher 
hervortreten,  wenn  der  Vf.  sich  der  Fülle  des  ihm  zu  Gebote  stehenden  Stoffes  gegen- 
über strengere  Beschränkung  auferlegt  und  in  die  einzelnen  Erörterungen  weniger 
Material  hineingearbeitet  hätte.  Zwar  hebt  er  in  der  Vorrede  ausdrücklich  hervor: 
„Was  in  den  Erklärungen  enthalten  ist,  soll  keineswegs  immer  den  Schülern  gegeben 
werden.  Mein  Grundsatz  war,  in  der  Erklärung  das  zu  geben,  was  dem  Lehrer  gegen- 
wärtig sein  muss,  wenn  seine  Unterrichtsstunde  eine  wirklich  lebendige  Kunstleistung 
werden  soll."  Allein  an  der  Spitze  eines  Erläuterungswerkes,  das  für  den  Lehrer 
methodisch  vorbildlich  sein  soll,  scheint  mir  dieser  Satz  nicht  gerechtfertigt.  Denn  für 
ein  solches  handelt  es  sich  nicht  sowohl  darum,  das  Material  zur  Erklärung  zusammen- 
zutragen, als  dasselbe  in  methodischer  Weise  zu  sichten.  Eben  diese  Aufgabe  ist  es  ja, 
welche  die  allermeisten  Schulausgaben  und  Erläuterungswerke  bisher  unerfüllt  lassen 
und  deren  Lösung  anzustreben  das  Verdienst  von  Arbeiten  bildet,  wie  die  L.s  ist.  In 
diesem  Sinne  leidet  nun  namentlich  die  hier  vorgezeichnete  Behandlung  von  Gedichten 
an  einem  Zuviel.  Vor  allem  vermag  ich  auf  die  „Erweckung  der  Stimmung"  nicht  an- 
nähernd das  gleiche  Gewicht  zu  legen  wie  L.  Ich  halte  es  im  allgemeinen  nicht 
für  richtig,  die  Lektüre  eines  Gedichtes,  statt  dieselbe  zunächst  einmal  unmittelbar 
wirken  zu  lassen,  durch  längere  Erörterungen  einzuleiten,  soweit  dieselben  nicht  aus- 
schliessHch  darauf  ausgehen,  sachliche  Hindernisse  des  Verständnisses  aus  dem  Wege 
zu  räumen,  und  es  widerspricht  sich  doch  wohl  selbst,  wenn  z.  B.  gleich  der  zuerst  be- 
sprochenen „Einkehr"  Uhlands  „zur  Erweckung  der  Stimmung"  zwei  andere  Gedichte 
gleichen  Umfangs  vorausgeschickt  werden,  für  die  man  mit  demselben  Rechte  wieder 
durch  andere  Verse  Stimmung  machen  könnte;  oder  wenn  zu  gleichem  Zwecke  die 
Uhlandsche  „Rache"  durch  eine  allgemeine  Schilderung  „das  Pferd"  eingeleitet  wird. 
Ist  hier  ein  Uebermass  zweifellos  vorhanden,  so  ist  andrerseits  um  so  mehr  anzuerkennen, 
dass  sich  L.  wenigstens  von  der  Ueberladung  seiner  Gedichterklärungen  mit  histo- 
rischem Ballast  irei  hält,  an  welcher  die  meisten  der  vorhandenen  Kommentare  leiden. 
In  einer  allgemeinen  Bemerkung  zu  seiner  Arbeit  hebt  Lyon'^)  mit  Recht  hervor,  dass 
die  Quellenvergleichung  im  Unterricht  nur  dann  berechtigt  ist,  „wenn  sie  für  die  Auf- 
fassung des  Inhalts  und  der  dichterischen  Gestaltung  Wesentliches  beibringt".  In  der 
Behandlung  der  Prosa  treten  uns  besonders  die  Bemühungen  um  die  Hebung  des  Sprach- 
sinns und  die  Erweiterung  des  Wortschatzes  entgegen,  durch  welche  sich  der  Vf.  schon 
früher  hervorgethan  hat.*  Hier  liegt  ein  entschiedenes  Verdienst  des  Buches,  und  es  ist 
durchaus  wünschenswert,  dass  es  gerade  nach  dieser  Richtung  hin  Einfluss  auf  den 
Unterricht  gewinnt.   — 

Unter  den  Schulprogrammen,  die  sich  mit  der  Methodik  des  deutschen  Lektüre- 
Unterrichts  beschäftigen,  tritt  nur  das  von  A,  G.  Meyer^)  mit  einem  selbständigen 
Vorschlage  hervor.  Der  Vf.  empfiehlt  die  Lektüre  „eines  etwas  umfassenderen  prosaischen 
Werkes  oder  eines  Brüchstückes  von  einiger  Ausdehnung  und  Abrundung"  bereits  für 
die  Mittelklassen,  in  denen  man  sich  bisher  mit  den  kurzen  und  zum  Teil  abgerissenen 
Abschnitten,  welche  die  Lesebücher  darbieten,  zu  behelfen  pflegte.  Er  macht  eine  Anzahl 
angemessener  Vorschläge  für  eine  solche  Lektüre  und  giebt,  an  Kleists  „Michael  Kohlhaas" 
anknüpfend,  Winke  für  die  Methode  derselben.  Die  äusserliche  Frage,  ob  „der  Lehrstoff 
den  Schülern  in  Einzelheften  gereicht  werden  soll  oder  ein  Lesebuch  mit  einer  be- 
schränkten Anzahl  prosaischer  Stücke  von  entsprechendem  Umfange  den  Vorzug  ver- 
dient", beantwortet  der  Vf.  sachgemäss  dahin,  dass,  wenn  erst  einmal  aus  der  Erfahrung 
heraus  genug  Material  zu  einem  solchen  Werke  gesammelt  und  erprobt  sein  wird,  dem 
aus  demselben  zusammengestellten  Lesebuche,  bis  dahin  aber  der  Herausgabe  von  Einzel- 
heften der  Vorzug  gebührt.  —  Das  Programm  von  L.  Stein ^)  verlangt  eine  ,, chrono- 
logisch geordnete,  zusammenhängende  Behandlung  der  Hauptepochen  der  deutschen 
Litteratur  und  der  Haupterscheinungen  in  ihnen  auf  Grund  der  früheren,  auf  der  obersten 
Stufe    noch  zu  ergänzenden  Lektüre    der  Schüler".     Auffallenderweise    bezieht    sich  der 


XII,  433  S.M.  5,20.  |[Gilow,  DLZ.  11,  S.  1228/9;  ZKealschulwesen  15,S.374.]|  (Vgl.ZDU.  4,  S.  76.)  -  7a)  id.  E.Wort  zu  meiner 
Schrift  „Die  Lektüre  als  Grundlage  etc.":  ZDU.  4,  S.  269.  —  8)  A.  G.  Meyer,  Deutsche  Prosalekt.  in  d.  Mittelklassen  höh. 
Lehranst.  Progr.  d.  5.  städt.  höh.  Bürgerschule  zu  Berlin.  Berlin,  Gärtner.  4«.  22  S.  M.  1,00.  —  9)  L.  Stein,  Ueber  d.' 
Behandl.   d.   deutschen   Litt,   in   d.   oberen   Klassen   d.    Gymn.    Progr.   d.  Kgl.  Gymn.  an  Marzellen  zu  Köln.    Köln,  Baehem, 


72  1,7:  Rud.  Lehmann,  Litteratur  in  der  Schule. 

Vf.  zwar  wiederholt  auf  die  Schmidsche  Encyklopädie,  sowie  auf  Schraders  Erziehungs- 
und Unterrichtslehre,  scheint  aber  von  dem  Vorhandensein  einer  Speziallitteratur  über 
den  deutschen  Unterricht  keine  Ahnung  zu  haben.  Aus  ihr  ist  nur  R.  v.  Räumer  ein- 
mal angeführt  und  zwar  mit  der  falschen  Angabe:  „in  seiner  Geschichte  der  Pädagogik". 
Es  ist  daher  nicht  zu  verwundern,  dass  die  Arbeit  neben  manchem  Richtigen  und  Ver- 
ständigen, wie  der  Befürwortung  des  mittelhochdeutschen  Unterrichts,  auch  gänzHch 
Veraltetes  und  Ueberwundenes  enthält,  z.  B.  die  Wendung  gegen  die  verstandesmässige 
Zergliederung  klassischer  Dramen,  den  Vorschlag,  das  Lesen  mit  verteilten  Rollen  in 
den  Mittelpunkt  des  Unterrichts  zu  stellen  usw-i'^^^^).  —  Die  Arbeit  von  Buchheim  ^-^a) 
behandelt  den  Unterricht  bis  zur  Tertia  aufwärts.  Sie  „verfolgt  nicht  den  Zweck,  neue 
Ratschläge  zu  erteilen,  sondern  sie  will  in  erster  Linie  Rechenschaft  darüber  geben,  wie 
und  mit  welchem  Ergebnis  solche  verwendet  werden".  Der  Vf.  schliesst  sich  wesentlich 
an  Hildebrand  an,  insbesondere  in  dem  ersten  Abschnitt,  der  „Lese-  und  Denkübungen" 
überschrieben  ist;  der  zweite,  „Vortragsübungen"  betitelt,  empfiehlt  das  Chorsprechen 
und  zieht  vielfach  Palleskes  „Kunst  des  Vortrags"  heran.  Verdienstlich  ist  der  Schluss- 
abschnitt „Ein  paar  Mahnworte  für  den  häuslichen  Kreis",  der  Eltern  und  Erzieher  zur 
Fürsorge  für  die  Lektüre  der  heranwachsenden  Knaben  auffordert  und  namentlich  gemein- 
sames Vorlesen  im  Familienkreise  empfiehlt.  — 

Die  Z eit  s  chriften  des  Jahres  sind  nicht  gerade  ergiebig  für  unseren  Gegenstand. 
Selbst  die  ZDU.,  der  hier  die  erste  Stelle  gebührt,  enthält  zwar  eine  Fülle  sachlich  be- 
lehrender Abhandlungen  und  einzelner  Bemerkungen,  die  sich  auf  die  verschiedensten 
Litteraturwerke  beziehen  und  deshalb  an  anderen  Stellen  der  JBL.  ihre  Würdigung 
finden,  allein,  wenn  wir  von  den  Recensionen  absehen,  nicht  eben  vieles,  was  für  die 
Methodik  des  litterarischen  Unterrichts,  die  für  den  vorliegenden  Abschnitt  der  JBL. 
allein  in  Betracht  kommt,  als  unmittelbar  förderlich  Belang  hätte.  Von  Bedeutung 
ist  hauptsächlich  ein  kurzer  Aufsatz  von  Waetzoldt^*).  Ein  Fachmann,  der  in  doppelter 
Hinsicht  Autorität  ist,  spricht  hier  ein  vernichtendes  Urteil  über  den  Betrieb  der  deut- 
schen Litteratur  an  höheren  Mädchenschulen  aus  und  begründet  es  mit  der  Klarheit  und 
Schärfe,  welche  auch  für  die  kleinsten  Aeusserungen  dieses  Autors  bezeichnend  sind. 
„Mehr  noch  als  in  höheren  Knabenschulen  sollte  in  den  Mädchenschulen  der  deutsche 
Unterricht  Mittelpunkt  und  Träger  des  Gesamtunterrichts  sein.  Das  Beste,  was  wir  den 
Mädchen  mitgeben  können,  ist  nicht  eine  mangelhafte  Kenntnis  fremder  Sprachen,  sondern 
ein  Verständnis  für  das  eigene  Volk,  für  seine  Arbeit  und  sein  Wesen."  Wer  es  mit 
diesem  Ziele  ernst  nimmt,  der  darf  sich  nicht  scheuen  zu  sagen,  „dass  im  deutschen 
Aufsatz  und  noch  mehr  in  der  sogenannten  „Litteratur"  die  Ziele  viel  zu  hoch  gesteckt 
werden  und  dass  das  Mass  des  Erreichten  in  Wirklichkeit  recht  niedrig  liegt".  W.  tritt 
daher,  zum  Teil  in  Anschluss  an  Wychgrams  Ausführungen,  für  eine  heilsame  Beschrän- 
kvmg  im  grammatikalischen,  stilistischen  und  namentlich  litterarischen  Unterricht  der 
Mädchenschule  ein.  Für  die  unteren  und  mittleren  Klassen  fordert  er  entsprechende, 
ausschliesslich  der  Einführung  in  Sage,  Dichtung,  Geschichte  unseres  Volkes  dienende 
Lesebücher;  für  die  oberen  Klassen  die  Lektüre  ganzer  Dichtungen,  aber  in  strengster 
Beschränkung  auf  das,  was  den  jungen  Mädchen  wirklich  verständlich  und  zugänglich 
ist;  er  verlangt  mit  Recht,  dass  die  einzelnen  Dichtungen  selber  durchaus  Mittel-  und 
Ausgangspunkt  des  Unterrichts  bleiben  und  dass  der  litterarhistorische  und  selbst  der 
biographische  Gesichtspunkt  einen  gestaltenden  Einfluss  auf  den  Unterricht  niclit  gewinne. 
—  Zum  Teil  im  Gegensatz  zu  Waetzoldts  Anschauungen  steht  ein  Aufsatz  von  Stiller  1^)^ 
welcher  für  die  Berücksichtigung  des  historischen  Gesichtspunktes  im  litterarischen 
Unterricht  der  Mädchenschule  eintritt  und  neben  der  Klassenlektüre,  welche  auch  nach 
seiner  Meinung  im  Mittelpunkte  bleibt,  die  Litteraturgeschichte  als  selbständigen  Zweig 
des  deutschen  Unterrichts  behandelt  wissen  will.  Für  die  Gestaltung  dei'selben  entwirft 
S.  einen  Lehrgang  unter  Hinweis  auf  seinen  weiter  unten  zu  nennenden  Leitfaden  (vgl. 
N.  84).  —  Von  den  übrigen  Artikeln  der  Zeitschrift  kommt  ein  Aufsatz  von  Gloel^öj  in 
Betracht,  der  die  Komposition  des  „Egmont"  unter  dem  Gesichtspunkt  eines  Beispiels 
für  den  deutschen  Unterricht  in  Prima  behandelt,  recht  verständig  und  klar,  aber  ohne 
wesentlich  Neues  zu  bringen.  —  Aehnlichen  Charakters  ist  ein  Aufsatz  von  Heussner  i') 


4'.  18  S.  —  iO)  X  Adolf  Lohmann,  Bemerkk.  z.  Betripb  d.  deutsclion  Unterr.  in  Prima.  .)B.  d.  kath.  Gymn.  LeobscliUtz. 
4*.  XII  8.  (Nicht  unverständige  Zusammenstellung,  will  nichts  Neues  beibringenO  —  II)  X  J-  Bernhardt,  Ueber  d.  deutschen 
Unterricht  an  höheren  Lehranstalten.  Solingen.  4*.  7  S.  (Spricht  denselben  Verzicht  in  etwas  naiver  Form  aus.)  — 
12)  X  A.  Haller,  Paedagog.  Beitrr.:  Einübung  d.  Vortrags  e.  Gedichth  in  d.  Klasse.  JB.  d.  Grossherz.  Hess.  Realsch.  Bingen. 
4*.  24  S.  (Emiifiehlt  im  Anschluss  an  Humperdieck  u.  Parow  d.  Chorsprechen  v.  Gedichten  [S.  llj'i].)  —  13)  X  F-  W.  Boro  wski, 
Fragen  z.  Erklar.  d.  deutschen  Gedichte  unserer  Kanons.  Wissenschaftl.  Beil.  z.  Osterprogr.  d.  kath.  Gymn.  üanzig,  A.  MUller- 
8che  Hofbuchdrutkerei.  1889/90.  4«.  14  u.  18  S.  (Teils  selbstverständlich,  teils  verkehrt.)  —  13a)  U.  Buchheini,  Z.  deutschen 
Unterr.  Progr.  d.  Realgyran.  Zittau.  4".  22  8.  —  14)  St.  Waetzoldt,  Z.  deutschen  Unterr.  an  höh.  Madchenschulen. 
Zugl.  Besprechung  d.  Programrasclirift:  Bemerkk.  z.  deutschen  Unterr.  v.  J.  Wychgram :  ZÜU.  4,  S.  47— 54.  (D.  , Bemerkungen" 
T.  A.  Schöne:  ib.  S.  240/.5  u.  W.s  Keplik:  ib.  8.  245/7  gehen  auf  Grammatik  u.  Stilistik.)  —  15)  0.  Stiller,  D.  litt.-gescb. 
Unterr.  an    unseren    höh.    Madchenschulen:    ib.    8.   520;4.    —    16)   8.  u.   IV,    lle  N.    15.    —    17)   F.   Heussner,   Goethe» 


.1,7:  Rud.  Lehmann,  Litteratur  in  der  Schule.  73 

im  „Gymnasium",  welcher  dafür  eintritt,  aus  „Dichtung  und  Wahrheit"  „wenigstens  Eine 
grössere  Partie  im  Zusammenhang  mit  den  Schülern  zu  lesen",  und  die  Methode  dieser 
Lektüre  an  einer  Skizze  der  Besprechung  des  dritten  Buches  vorzeichnet.  Der  Vf.  schlägt 
mit  Herm.  Schillers  Pädagogik  die  ersten  fünf  Bücher  und  die  Hälfte  des  sechsten  zur 
Berücksichtigung  vor;  doch  wird  er  gewiss  nicht  der  Meinung  sein,  dass  das  neunte 
und  zehnte  Buch  übergangen  werden   düi-ften.  — 

Von  Berichten  über  Versammlungen  enthalten  die  Verhandlungen  des 
Görlitzer  Pliilologentages  einen  Vortrag  Cauers^^)^  welcher  für  eine  wissenschaftliche 
Proprädeutik  eintritt,  die  auf  der  obersten  Stufe  des  Gymnasiums  durch  Besprechung 
der  Stücke  in  einem  geeigneten  Lesebuche  gegeben  werden  soll;  der  Vortragende  em- 
pfiehlt zu  diesem  Zwecke  sein  „Deutsches  Lesebuch  für  Prima".  —  Dieselben  Verhand- 
lungen brachten  einen  Vortrag  von  Rudolf  Lehmann  i''),  in  welchem  einige  Haupt- 
gedanken seines  oben  (N.  4)  besprochenen  Buches  kurz  formuliert  wurden  und  welchem 
nur  die  Bedeutung  eines  vorläufig  veröffentlichten  Programms  für  die  genannte  Ai-beit 
zukommt.  —  Ein  Bericht  über  die  15.  Generalversammlung  des  Vereins  von  Lehrern 
an  den  höheren  Schulen  in  Hessen-Nassau  und  Waldeck  giebt  u.  a.  ein  kurzes  Re- 
ferat über  einen  Vortrag  Heussners '-O),  welcher  „bei  der  Lektüre  deutscher  Dramen 
in  der  Schule  Zeichnungen  zur  Ergänzung  des  architektonischen  Aufbaus  des  Dramas" 
empfiehlt.  Zum  Beweis  dafür  zeigte  H.  eine  von  ihm  entworfene  Skizze  des  architek- 
tonischen Aufbaus  von  Goethes  „Iphigenie"  und  erläuterte  ausiührlich  die  Bedeutung 
der  einzelnen  Zeichen.  Ueber  den  Wert  der  Sache  lässt  sich  bei  der  Kürze  des  Berichtes 
nicht  endgültig  urteilen;  doch  kann  Referent  nicht  verschweigen,  dass  er  im  all- 
gemeinen von  derartigen  schematisch -graphischen  Hilfsmitteln  im  höheren  Unterricht 
sehr  wenig  hält.  —  Behringers  21)  Vortrag  in  der  16.  Generalversammlung  des  bayeri- 
schen Gymnasialleln-ervereins  beschäftigt  sich  wesentlich  mit  der  Methodik  des  deutschen 
Aufsatzes.  Er  enthält  manche  für  den  Nicht-Bayern  interessante  thatsächliche  Angaben; 
so  findet  sich  unter  den  Abituriententhemen,  welche  das  dortige  Staatsministerium  selbst 
bestimmt,  das  folgende:  „Welche  eigentümliche  Richtungen  und  Ideen  sind  in  der  deut- 
schen Dichtung  der  zweiten  klassischen  Litteraturperiode  wahrzunehmen  und  in  welchen 
Werken  der  hervorragenden  Meister  treten  sie  besonders  klar  zu  Tage?"  Nach  unseren 
Begriffen  ist  eine  solche  Aufgabe  eine  ganz  unerhörte  für  einen  Abiturienten ;  sie  würde 
sich  eher  für  das  Staatsexamen  eignen;  der  Vortragende  aber  billigt  sie. 22)  — 

Wenden  wir  uns  nun  den  neu  erschienenen  Hilfsmitteln  für  den  littera- 
rischen Unterricht  zu,  so  können  wir  xms  viel  kürzer  fassen  als  bisher.  Denn 
die  meisten  unter  diesen  Arbeiten  sind  zu  einem  unmittelbar  praktischen  Zweck  ge- 
schrieben und  wollen  oder  können  von  vornherein  nicht  den  Anspruch  erheben,  sachlich 
oder  methodisch  Neues  zu  bringen.  Dies  gilt  in  erster  Linie  von  den  Lesebüchern 
und  Anthologien  23-30)^  yoi^  denen  eine  besondere  Hervorhebung  nur  etwa  das  „Deut- 
sche Lesebuch"  von  R.  u.  W.  Dietlein  und  G.  Schumann  31-32)  verdient,  dessen  sieben 
Teile  (sechs  sind  bisher  erschienen)  in  methodischem  Gange  den  sechs-  bis  achtklassigen 
Volks-,  Mittel-  und  höheren  Bürgerschulen  dienen  sollen.  — 

Unter  den  Sohulausgaben  sei  hier  zunächst  die  „Sammlung  Göschen"  genannt, 
die  sich  seit  Jahren    in  den  höheren  Schulen    namentlich  Süddeutschlands  vielfach  ein- 


., Wahrheit  u.  Dichtung"  in  d.  Prima  d.  Gymnasiums:  Gymnasium  8,  S.  813— 24.  —  18)  P.  C'auer,  D.  Unterr.  in  I,  e.  Ahschluss 
u.  e.  Anfang.  (=  Verliandll.  d  40.  Phüologenversamml.  zu  Görlitz.  S.  192—211.)  —  19)  Rudolf  Lehmann:  ib.  S.  234-41. — 
20)  F.  Heussner,  Z.  Anschaulichkeit  d.  Unterr.  mit  bes.  Berücksichtigung  v.  Goethes  Iphigenie:  ZGymn.  44,  S.  573.  (Referat.) 

—  21)  Behringer,  Ueber  d.  Verwertung  d.  KlassenlektUre  fUr  d.  deutschen  Aufgaben  namentl.  d.  oberen  Klassen:  BBG». 
S.  17—25.  —  22)  X  E.  Honke,  Z.  Behandlung  lyr.  Gedichte:  1.  Schilf lieder  v.  Lenau;  II.  „D.  zerbrochene  Ringlein"  von 
Eichendorif:  Pädagog.  Ell.  f.  Lehrerbildung  u.  Lehrerbildungsanstalten.  19,  S.  26— 49.  (Fleissig,  aber  allzu  verstandesmässig  u. 
breit:  viele  überflüssige  Erklärungen.)  —  23)  F.  Basedow,  Germania.  2000  Jahre  Vaterland.  Gesch.  in  deutscher  Dichtung. 
Berlin,  Meidinger.  XXXV,  430  S.  M.  3,00.  (D.  Grundgedanke  ist  glücklieh,  d.  Auswahl  z.  T.  absonderlich;  z.  B.  fehlt  Wilden- 
bruch.) —  24)  C.  Boettcher,  Ausgew.  deutsche  Dichtungen  z.  Auswendiglernen  u.  Vortragen.  FUr  höh.  Lehranst.  als  Kanon 
her.  Leipzig,  Teubner.  X,  158  S.  M.  1,60.  (Sorgfältige  Auswahl,  aus  d.  Praxis  hervorgeg.)  —  25)  K.  Holderraanu, 
Mustcrsamml.  deutscher  Gedichte  f.  höh.  Mädchensch.  Als  Ergänz,  d.  „Deutschen  Lesebuches"  7.  u.  8.  Schuljahr  her.  Mit  e. 
aiphabet,  geordn.  Abriss  d.  Lebensgesch.  d.  Dichter  u.  e.  kurz.  Verslehre.  Leipzig,  Freytag.  VII,  128  S.  M.  0,75.  —  26)  F. 
Knauth,  7  Bücher  deutscher  Dichtungen  v.  d.  ältesten  Zeiten  bis  auf  d.  Gegenw.  Für  d.  Gebr.  in  höh.  Lehranst.  bearb. 
(=  7.  Aufl.  d.  „3  Bücher  deutscher  Dichtt.  her.  v.  G.  Bernhardt.)  Halle,  HeudeL  XX,  384  S.  M.  2,-50.  (Durchgesehen, 
berichtigt,  vermehrt.)  —  27)  H.  Leineweber,  Poet.  Blumenlese.  Zugl.  Grundlagen  f.  d.  Unterr.  in  d.  Poetik  u.  Litt.-Goseh. 
E.  Lese-  u.  Bildungsbuch  f.  mittl.  u.  höh.  Schulen,  insbes.  f.  Seminare,  Präparanden-Anst.,  Mittelschulen,  u.  höh.  Mädchensch. 
2.  verb.  Aufl.  Trier,  Lintz.  X,  375  S.  M.  3,00.  —  28)  F.  Otto,  Auswahl  deutscher  Ged.  für  höh.  Mädchensch.  Berlin,  Herbig. 
178  S.  M.  1,20.   I  [Speyer:  ASNS.  85,  S.  63.]  [    (Mit  biograph.  Notizen  u.  e.  Entwurf  für  d.  Verteilung  auf  7  oder  8  Schuljahre.) 

—  29)  W.  Reuter,  Perlen  aus  d.  Schatze  deutscher  Dichtung.  Proben  z.  Litt.-Kunde,  ausgew.  u.  d.  Zeitfolge  nach  geordnet. 
Freiburg  i.  Br.,  Herder.  VI,  156  S.  M.  1,20.     (Neue,  umgearb.  Aufl.  e.  Teils  d.  „Litteraturkunde"  d.  Vf.:  v.  Opitz  bis  z.  Gegenw.) 

—  30)  Worbs,  Deutsches  Lesebuch  für  d.  oberen  Klassen  höh.  Lehranst.  3.  Aufl.  Anhang:  1.  Uebersicht  d.  Entwicklung 
d.  deutsi  hen  Nationallitt.  2  Sprachproben  aus  d.  Althochdeutschen  u.  Mittelhochdeutsehen.  Köln,  Du  Mont-Schauberg.  XIII,  693  S. 
Jl.  5,50.  (Einige  Veränderungen  in  d.  Anordnung  u.  neue  Anmerkungen.)  —  31)  R.  u.  W.  Dietlein  u.  G.  Schumann,  Deutsches 
Lesebuch  für  sechs-  u.  mohrklass.  Schulen.  Ausg.  in  7  Teilen:  T.  1:  Erstes  Schuljahr.  (=  Deutsche  Fibel  für  d.  vollständig 
vereinigten  Anschauungs-,  Sprach-,  Schreib-  u.  Lese-Unterr.  nach  d.  kombinierten  Schreiblese-  u.  Normalwörter-Methode.  Gera, 
Hofmann.  96  S.  M.  0.40.  —  32)  id.,  Deutsches  Lesebuch  für  sechs-  u.  mehrklass.  Schulen.  2.  T.:  Zweites  Schuljahr. 
128  S.  M.  0,50.  —  3.  T.:  Diittes  Schuljahr.  176  S.  M.   0,70.   —   4.  T.:    Viertes    Schuljahr.   224   S.   M.  0,90.   —   5.  T.:    Fünftes 


74  1,7:  Rud.  Lehmann,  Litteratur  in  der  Schule.  • 

gebtirgert  hat  und  diese  Verbreitung  ihrer  äusseren  Anlage,  dem  handlichen  Format  und 
der  guten  Ausstattung  nicht  minder  als  der  Gediegenheit  ihres  Inhaltes  verdankt.  Die 
in  diesen!  Jahre  neu  hinzugekommenen  Bändchen  enthalten,  soweit  sie  in  unser  Gebiet 
einschlagen,  ausschliesslich  Lessingsche  Werke,  von  denen  mehrere  bereits  in  wieder- 
holter Auflage  erscheinen 33-39).  Besonders  brauchbar  ist  die  Zusammenstellung  des 
Bändchens  „Fabeln"  ^o)^  welches  die  drei  Bücher  Fabeln  nebst  der  Lessingschen  Vor- 
rede und  der  Einleitung  von  Goedeke  zusammen  mit  Lessings  „Abhandlungen  über 
die  Fabel"  vollständig  enthält.  Sehr  glücklich  und  für  den  Primanerunterricht  von 
Wert  ist  auch  die  Auswahl  von  Günther^i),  welche  neben  Lessings  „Philotas"  Gleimsche 
Grenadierlieder,  Oden  von  Gleim,  Kleist,  Ramler  usw.  zusammenstellt  und  dadurch 
auf  knappem  Raum  ein  Bild  der  Poesie  des  7j.  Krieges  giebt.  —  Besonderes  Interesse 
beansprucht  nach  Umfang  und  Gehalt  zur  Zeit  die  Wychgramsche  Sammlung.  Unter  den 
Lieferungen,  dtu-ch  welche  sie  im  Laufe  der  Jahre  vermehrt  ist,  erscheinen  die  kurzen 
Lebensabrisse  klassischer  Dichter  besonders  dankenswert;  denn  bei  dem  herrschenden 
Mangel  an  wissenschaftlich  fundierten  und  zugleich  allgemein  verständlich  und  gut 
geschriebenen  Dichterbiographien  ist  der  Lehrer  in  steter  Verlegenheit,  wenn  er 
dem  Primaner  eine  Lektüre  dieser  Art  in  die  Hand  geben  will.  In  den  vorliegen- 
den Lieferungen  werden  Klopstock  und  Wieland  in  einem  Bändchen  *2)^  sodann 
Goethe *3)  und  endlich  Schiller**)  behandelt.  Klopstocks  Leben  ist  von  Heinemann 
auf  kurzem  Raum  angemessen  und  im  wesentlichen  mit  glücklicher  Auswahl  des  in  Be- 
tracht kommenden  Stoffes  dargestellt.  Doch  hätte  der  Vf.,  ohne  allzu  breit  zu  werden, 
den  Geistesströmungen,  von  denen  der  Dichter  ausging  oder  entscheidend  beeinflusst 
wurde,  etwas  eingehendere  Berücksichtigung  angedeihen  lassen  können.  Weniger 
glücklich  ist  Boxbergers  Darstellung  vom  Leben  und  Wirken  Wielands  ausgefallen. 
Vor  allem  ist  die  Raumverteilung  bedenklich:  Wielands  Entwickelungszeit  und  nament- 
lich sein  zweiter  Aufenthalt  in  Biberach  werden  mit  unverhältnismässiger  Breite  be- 
handelt, während  sein  Weimarer  Leben  ganz  kurz  und  fast  nur  in  Hinsicht  auf  die 
äusseren  Verhältnisse  überflogen  wird.  Weder  seine  persönliche  und  litterarische  Stellung 
noch  auch  nur  sein  Verhältnis  zu  Goethe  wird  charakterisiert.  Es  scheinen  Rücksichten 
auf  den  pädagogischen  Zweck  der  Sammlung  zu  sein,  die  hier  bestimmend  gewirkt 
haben.  Allein  es  wäre  doch  ein  Irrtum  zu  glauben,  dass  nur  die  Entwicklungsjahre 
grosser  Männer  auf  jugendliche  Leser  anregend  und  vorbildlich  wirken  können.  Gerade 
Wieland  erscheint  in  seinen  späteren  Jahren,  z.  B.  in  seinem  Verhältnis  zu  Goethe, 
weit  anziehender  als  in  irgend  einer  früheren  Zeit,  und  auch  litterarliistorisch  würde  es 
sich  gewiss  rechtfertigen,  den  Vf.  des  „Oberon"  nicht  kürzer  zu  behandeln  als  den  der 
„Abderiten".  Die  Gedächtnisrede  Goethes  wenigstens  hätte  B.  zur  Ergänzung  seiner 
eigenen  Darstellung  abdrucken  sollen.  —  Durch  ähnliche  Rücksichten  wie  Boxberger 
scheint  auch  Lyon  veranlasst  zu  sein,  in  seiner  sonst  vortrefflichen  Arbeit  nur  die 
Jugendgeschichte  Schillers  eingehender  zu  behandeln  und  von  seiner  Heirat  an  alles 
Uebrige  auf  neun  Seiten  abzumachen.  So  wird  denn  nicht  einmal  die  Freundschaft  mit 
Goethe  und  die  Thätigkeit  am  Weimarer  Theater  einigermassen  genau  besprochen.  Da 
nun  auch  der  Goethebiograph  der  Sammlung  erklärt,  dass  er  es  sich  versagen  müsse, 
„die  Geschichte  dieser  Freundschaft  zu  erzählen  und  ihre  Bedeutung  für  die  Litteratur 
zu  würdigen",  so  ergiebt  sich  die  merkwürdige  Thatsache,  dass  der  Schüler  die  Bio- 
graphien Wielands,  Goethes  und  Schillers  gelesen  und  verstanden  haben  kann,  ohne 
von  der  Bedeutung  des  Weimarer  Kreises  überhaupt  einen  Begriff  zu  bekommen. 
Im  übrigen  ist  die  L.sche  Schillerskizze  die  anziehendste  unter  den  genannten  Bio- 
graphien; klar  und  warm  geschrieben  wird  sie  gewiss  auf  den  jugendlichen  Leser 
ihre  Wirkung  üben,  um  so  mehr,  als  sie  sich  von  dem  theatralischen  Pathos 
Palleskes    fem    hält,    dessen  Buch  L.   sonderbarerweise  ein  klassisches  Werk  nennt.  — 


n.  sechstes  Schuljahr.  264  S.  M.  1,00.  —  6.  T.:  Siebentes  u.  achtes  Schuljahr.  344  S.  M.  1,25.  —  33)  X  Minna  v.  Barn- 
helm.  E.  Lustspiel  in  5  Aufzügen  v.  G.  E.  Lessing.  Mit  Aninra.  v.  Tomas  check  in  Graz.  10.  Aufl.  (33—41  r=  Sammlung  Gösthen.) 
Stuttgart,  Göschen.  131  S.  M.  0,80.  —  34)  Lessings  Emilia  Galotti.  Mit  Anmm.  v.  Votsch  in  Gera.  Göschen.  113  S.  M.  0,80. 
—  35)  X  0-  E.  Lessing,  Nathan  d.  Weise.  Mit  Anmm.  v.  Denzel  u.  Kraz.  5.  Aufl.  Göschen.  179  S.  M.  0,80.  —  36)  X 
G.  E.  Lossing,  Laokoon  oder  über  d.  Grenzen  d.  Malerei  u.  Poesie.  2.  Aufl.  Göschen.  VIII,  184  S.  M.  0,80.  (Einleitung  v. 
Goedeke ;  leider  beträchtlich  schlechter  gedruckt  als  d.  anderen  Bändchen.)  —  37)  X  G-  E.  Lessing,  Antiquar,  u.  Epigramm. 
Abhandlungen.  Mit  Anmm.  v.  Werthor.  Göschen.  V,  157  S.  M.  0,80,  (Enthält  aus  d.  „Briefen  antiquarischen  Inhalts"  d. 
Vorbericht,  N.  1  —  12;  „Wie  d.  Alten  d.  Tod  gebildet";  „lieber  d.  Epigramm"  [1—4].)  —  38)  X  f'-  E.  Lessing,  Litt.  Abhandlungen. 
Mit  Anmm.  v.  Werther.  Göschen.  VH,  162  S.  M.  0,80.  (V.  d.  „Litteraturbriefen"  N.  17,  18,  19,  63  u.  64;  aus  d.  „Drama- 
turgie" d.  Abhandlungen  über  „Serairamis",  „Zaire",  Th.  Corneilles  „Essex",  „Rodogun",  „Merope" ;  —  eine  recht  geschickte 
Zusammenstellung,  die  fUr  d.  Unterricht  ausreichen  kann.)  —  39)  X  Lessings  Prosa  in  Auswahl.  Mit  Anmm.  v.  Schaefer. 
2.  Aufl.  Göschen.  X,  182  S.  M.  0,80.  (Auswahl  aus  d.  gesamten  Prosa  Lessings  [Fabeln,  Stllcke  aus  „Laokoon"  u.  d.  „Dramaturgie", 
d.  „Antigoeze"  usw.]  etwa  fUr  höh.  Töchterschulen  geeignet.)  —  40)  G.  E.  Lossing,  Fabeln.  Nebst  Abhandlungen  mit  dieser 
Dichtungsart  verwandten  Inhalts.  Mit  Einl.  t.  Goedeke.  3.  Aufl.  Göschen.  X,  125  S.  M.  0,80.  —  41)  Lessings  Philotai  u. 
d.  Poesie  d.  7j.  Krieges.  In  Ausw.  u.  mit  Anmm.  v.  Günther.  Göschen.  114  S.  M.  0,80.  —  42)  K.  Heinemann,  Klopstocks 
l,eben  n.  Werke.  R.  Boxberger,  Wielands  Leben  u.  Werke.  Bielefeld  u.  Leipzig,  Velhagen  &  Klasing.  100  S.  M.  0,50.  — 
43)  K.  Heinemann,  Goethes  Leben  u.  Werke,    ebda.    130  S:   M.  0,60.   —  44)   0.  Lyon,   Schillers  Leben  u.  Werke,    ebda. 


1,7;  Rud.  Lehmann,  Litteratur  in  der  Schule. 


75 


Auch  dem  Goethebiographen  Heinemann  darf  man  nachrühmen,  dass  er  sich  der 
schwierigen  Aufgabe,  Goethes  Persönlichkeit  und  Entwicklung  der  Jugend  zugänglich 
zu  machen,  mit  Geschick  entledigt  hat  und  dass  er,  obwohl  ein  näheres  Eingehen  auf 
die  einzelnen  Dichtungen  sich  hier  nicht  gut  vermeiden  Hess,  doch  überall  nach  ange- 
messener Beschränkung  strebt.  —  Von  den  übrigen  Bändchen  der  Sammlung  sind 
einige 45-48)  ihrem  Inhalt  nach  nicht  unmittelbar  für  den  Klassenunterricht  bestimmt, 
enthalten  jedoch  manche  wünschenswerte  Förderung  der  Privatlektüre.  Die  meisten ^^-ß^) 
aber  sind  Klassikerausgaben,  welche  in  den  Kreis  der  herkömmlichen  Klassenlektüre 
fallen.  Die  Sammlungen  von  Gedichten  oder  Prosastücken  sind  angemessen  ausgewählt; 
eine  besondere  Hervorhebung  verdient  die  von  Löschhorn^ß)  gelieferte  Zusammen- 
stellung kunstgeschichtlicher  Aufsätze  von  Goethe,  weil  sie  dem  Unterricht  die  Möglich- 
keit gewährt,  dieses  Material,  das  so  überaus  geeignet,  aber  nicht  jedem  Primaner  zu- 
gänglich ist,  unmittelbar  heranzuziehen.  Wünschenswert  wäre,  dass  bald  ein  Bändchen 
mit  Auszügen  aus  Winckelmanns  Werken  sich  anschlösse.  Bei  mancherlei  Wertunter- 
schieden im  einzelnen  zeichnen  sich  die  Wychgramschen  Ausgaben  sämtlich  diu-ch  die 
knappe  und  präzise  Beschränkung  ihrer  Einleitung  und  der,  glücklicherweise  ohne  Ver- 
unzierung des  Textes  hinten  beigefügten,  Anmerkungen  aus.  —  Trotzdem  eine  solche 
Beschränkung  allein  dem  Zweck  einer  Schulausgabe  entspricht,  kann  man  sie  leider  den 
wenigsten  unter  den  vorhandenen  Klassikerausgaben  nachrühmen.  Zwar  in  der  Luther- 
ausgabe^'')  Neubauers^S),  deren  erstes  Bändchen  vorliegt,  bringt  es  die  Natur  der 
Sache  mit  sich,  dass  die  Anmerkungen  namentlich  sprachlicher  Natur  sich  häufen.  — 
Die  Egmont- Ausgabe  von  Gast^^)  dagegen,  der  Perthesschen  Sammlung  angehörig, 
geht  vielfach  über  das  Angebrachte  hinaus,  erklärt  Fremdwörter  wie  „Projekt"  und 
„Motiv",  als  ob  man  den  „Egmont"  mit  Quartanern  läse,  versichert  in  einer  allge- 
meinen Anmerkung  zu  Akt  5,  Sc.  1,  dass  Klärchens  Tod  ein  tragischer  Tod  sei  usw. 
Dabei  scheint  es  der  unvermeidliche  Fluch  solcher  Kommentare  zu  sein,  dass  sie  ins 
Vage  und  Verkehrte  fallen,  sobald  sie  über  das  bestimmt  begrenzte  Gebiet  der  Wort- 
und  Sacherklärung  hinausgehen.  So  wird  hier  Klärchens  Ausruf  5,1  „Leise,  —  dass 
wir  uns  selbst  nicht  wecken",  ganz  falsch  damit  motiviert:  sie  wolle  aus  ihren  Träumen 
nicht  geweckt  werden,  „weil  damit  ihr  Entschluss  zu  sterben  zunichte  gemacht  werden 
könnte";  S.  102  wird  Ferdinand  für  einen  JüngUng  erklärt,  „der  ungefähr  denselben 
Charakter  hat  wie  Klärchen,  soweit  das  bei  einem  Jüngling  und  Mädchen  der  Fall  sein 
kann"  usw.  —  Das  Gesagte  gilt  auch  von  Funk  es''*')  Ausgabe  der  „Minna  von  Barn- 
helm", die  in  vierter  Auflage  vorliegt:  „Garderobe  —  eigentlich  Kleiderkammer,  hier: 
Kleider";  „Frisieren  —  das  Haar  kräuseln,  aufkämmen."  „Hm!  (1,11)  =  Ausdruck  der 
Ueberraschung" ;  (1,2):  „Just  wird  höflicher,  da  er  von  dem  Gläschen  hört"  usw.  Hin- 
zugefügt ist  hinter  dem  Stücke  eine  grosse  Reihe  von  Fragen,  aus  denen  folgende 
herausgegriffen  seien:  Zu  1,6:  „Worin  zeigt  sich  Teilheims  grosser  Edelmut?"  — 
„Wodurch  tritt  Tellheims  Edelmut  noch  deutlicher  hervor?"  —  Zu  2,1:  „Wie  beweist 
sich  Franziska  gleich  hier  als  eine  geschwätzige  und  heitere  Gesellschafterin?"  — 
„Liwiefem  trägt  auch  das  Bündnis  zwischen  Franziska  und  dem  Wachtmeister  die 
Bürgschaft  des  häuslichen  Glückes  in  sich?"      Um  den  Schüler  übrigens  nicht  etwa  zu 


V,  130  S.  M.  0,60.  —  45)  X  D-  Oberhof  v.  Immermann  her.  v.  G.  Carel.  ebda.  VIII,  138  S.  M.  0,60.  —  46)  X  D-  abenteuer- 
liche Simplicissimus  d.  H.  J.  C.  v.  Grimmeishausen  im  Ausz.  her.  v.  G.  Klee.  ebda.  X,  132  S.  M.  0,60.  —  47)  D.  deutsche 
Volkslied.  Auswahl  her.  v.  A.  Matthias,  ebda.  VI,  142  S.  M.  0,75.  —  48)  X  Sebastian  Brant  u.  Johann  Fischart  her.  v. 
L.  Voigt,   ebda.   X,  112  S.  M.  0,50.  —  49)  X  Zriny.   E.  Trauerspiel  v.  Th.  Körner  her.  v.  Carel.   ebda.    XVI,  102  S.  M.  0,50. 

—  50)  XJ-  G.  Herder.  Kleinere  Prosaschriften  ausgew.  u.  m.  Einl.  u.  Anm.  versehen  v.  E.  Franz.  I.  ebda.  VI,  154  S.  M.  0,60. 

—  51)  X  Goethes  Gedichte.  Auswahl  her.  v.  R.  Franz.  ebda.  XVI,  191  S.  m.  Bild.  M.  0,75.  —  52)  X  Ausgew.  Dichtungen  v. 
Klopstock  her.  v.  K.  Heine  mann.  ebda.  VIII,  127  S.  M.  0,60.  —  53)  X  Kleinere  philosoph.  Aufsätze  v.  Schiller  her.  y. 
J.  Imelmann.  ebda.  IV,  155  S.  M.  0,60.  —  54)  X  Schillers  Gedichte.  Auswahl  her.  v.  H.  Löschhorn.  ebda.  IX,  211  S. 
m.  Bild.  M.  0,80.  —  £5)  X  Hamburg.  Dramaturgie  v.  Lessing  her.  v.  0.  Lyon.  ebda.  VIII,  176  S.  M.  0,80.  —  56)  X  Wallen- 
stein V.  Scliiller.  2  Bändchen  her.  v.  C.  Michaelis,  ebda.  XX,  151;  XII,  150  S.  je  M.  0,60.  —  57)  X  Kleinere  Prosaschrifton 
T.  Goethe  her.  v.  W.  Nöldeke.  Bd.  1.  ebda.  XVI,  112  S.  M.  0,60.  (Briefe  aus  d.  Schweiz.  —  D.  römische  Karneval.  —  Sankt- 
Eochusfest  zu  Bingen.  —  Novelle.)  —  58)  X  Torquato  Tasso  v.  Goethe  her.  v.  R.  Palm.  ebda.  IX,  108  S.  M.  0,50.  —  59)  X 
Auswahl  kleinerer  Prosasehriften  v.  Martin  Luther,  her.  v.  G.  Schöppa.  ebda.  V,  109  S.  M.  0,60.  —  60)  Lessing,  Laokoon. 
Mit  e.  Anliang  (Winekelmann  u.  Goethe  über  Laokoon)  u.  e.  Abbildung  d.  Laokoongruppe  her.  v.  A.  Thorbecke.  ebda.  VIII, 
104  S.  M.  0,50.  —  61)  X  Lessings  kleinere  prosaische  Schriften  her.  v.  F.  Violet.  Bd.  1.  Briefe,  d.  neueste  Litt.  betr.  ebda. 
VIII,  147  S.  M.  0,75.  —  62)  X  Lessings  kleinere  prosaische  Schriften  her.  v.  F.  Violet.  Bd.  2.  Abhandll.  ttber  d.  Fabel :  „Wie 
d.  Alten  d.  Tod  gebildet",  ebda.  X,  126  S.  M.  0,75.  —  63)  X  Schiller,  Ueber  naive  u.  sentiment.  Dichtung  her.  v  F.  Violet, 
ebda.  VIII,  132  S.  M.  0,60.  —  64)  X  Prinz  Friedrich  v.  Homburg.  E.  Schauspiel  v.  H.  v.  Kleist  her.  v.  H.  Windel,  ebda. 
XII,  109  S.  M  0,50.  —  65)  X  D-  Jungfrau  v.  Orleans.  E.  romant.  Tragödie  v.  Schiller,  her.  v.  J.  Wychgram.  ebda.  IX,  160  S. 
M.  0,60.  —  66)  Kleinere  Schriften  z.  Kunstgeseh.  v.  Goethe  ausgew.  u.  her.  v.  H.  Löschhorn.  ebda.  VIII,  136  S.  M.  0,60.  — 
67)  X  Vademecum  aus  Luthers  Schriften.  Für  d.  evangelischen  Schüler  d.  oberen  Klassen  höh.  Lehranstalten.  2.  Aufl.  her. 
V.  G.  Krügern.  J.  Delius.  Gotha,  Perthes.  XIII,  111  S.  M.  1,00.  (Trotz  genauer  Durchsicht  nur  unwesentliche  Veränderungen. 
D.  Schrift  „An  d.  Ratsherren"  ist  jetzt  ganz  gegeben.)  —  68)  M.  Luther,  ausgew.  v.  R.  Neubauer.  (S.  o.  11,6  N.  6.  Litt.-hist. 
Einl.,  e.  I.ebensabriss  bis  1517,  [nach  Matthesius]  Schriften  z.  Reformationsgeseh.  u.  ähnl.  Wissenschaftl.  sorgfältig  u.  pädagogisch 
geschickt.)  —  69)  Goethes  Egmont  her.  v.  E.  R.  Gast.  (=  Klass.  deutsche  Dichtungen  mit  kurzen  Erlttutt.  f.  Schule  u.  Hau«. 
Her.  V.  K.  H.  Keck.)  Gotha,  Perthes.  103  S.  M.  1,20.  —  70)  Minna  v.  Barnhelm.  E.  Lustspiel  in  5  Aufz.  v.  G.  E.  Lessing. 
Mit  ausführl.  Erläutt.  für  d.  Schulgebr.  u.  d.  Privatstudium  her.  v.  A.Funke.  4.  verb.  Aufl.   (^  Schöninghs  Ausgaben  deutscher 


76  1,7:  Eud,  Lehmann,  Litteratur  in  der  Schule. 

einem  allzu  anstrengenden  Nachdenken  zu  veranlassen,  sind  die  entsprechenden  Ant- 
worten gleich  unter  die  Fragen  gedruckt. ''i)  —  Die  übrigens  recht  gut  ausgestattete 
Wiener  Schulausgabe  des  „Oberon"  von  Swoboda^^)  enthüllt  dem  erstaunten  Leser, 
dass  „Orpheus  ein  thracischer  Sänger  war,  der  durch  die  Gewalt  seines  Gesanges"  \isw. 
Ferner  erfälu-t  man,  dass  der  Libanon  ein  Gebirge  in  Syrien  und  die  Garonne  ein  Fluss 
in  Südfrankreich  ist,  sowie  dass  unter  „Erdentand  die  Eitelkeit,  Nichtigkeit  des 
menschUchen  Lebens  zu  verstehen  sei".  S.  96  wird  unter  dem  Texte  sogar  der  Rat  er- 
teilt, den  „Schwur  Oberons  zu  memorieren".  Im  ganzen  scheint  es,  als  sei  auch  diese 
Ausgabe  zur  Klassenlektüre  für  Quartaner  oder  Untertertianer  bestimmt,  wozu  sich  das 
Gedicht  trotz  der  vorgenommenen  Kürzungen  bedenklicher  Stellen  doch  wohl  kaum 
eignen  möchte. '3)  —  Am  verhängnisvollsten  tritt  das  geschilderte  Verfahren  in  den 
beiden  von  Lichtenheld^*-^^)  besorgten  Grillparzerausgaben  der  Cottaschen  Sammlung 
hervor,  weil  hier  ein  an  sich  schönes  Uniernehmen  Gefahr  läuft,  durch  die  Verkeln-theit 
der  Ausführung  entwertet  und  vereitelt  zu  werden.  Den  Versuch,  Grillparzersclie  Dramen 
in  ihre  Schulausgaben  deutscher  Klassiker  einzureihen,  hat  die  Cottasche  Buchhandlung 
zunächst  im  Hinblick  auf  die  österreichischen  Gymnasien  gemacht,  denen  denn  auch  in 
der  That  die  „besondere  Berücksichtigung  Grillparzers"  durch  Ministerialverordnung 
vom  14.  Januar  1890  (s.  ZDU.  4,  S.  182)  zur  Pflicht  gemaclit  ist.  Allein  auch  für  deutsclia 
Primaner  kann  es  wenig  geeignetere  Lektüre  geben,  als  ein  Teil  der  Grillparzersclien 
Dramen  sie  bildet,  und  wenn  es  uns  die  karg  bemessene  Unterrichtszeit  nicht  gestattet, 
den  Dichter  eingehender  in  der  Klasse  zu  berücksichtigen,  so  kann  es  sich  doch  gewiss 
empfehlen,  einige  seiner  Werke  in  den  Kreis  der  gebotenen  Privatlektüre  aufzunehmen. 
Ereilich  nicht  die  „Ahnfrau",  die  ich  für  ganz  ungeeignet  halte;  auch  „König  Ottokar" 
liegt  mit  seiner  Verherrlichung  des  Hauses  Habsburg  der  deutschen  Jugend  ferner  als 
der  österreichischen.  Um  so  geeigneter  aber  ist  das  „Goldene  Vliess",  und  auch  „Sappho", 
die  einzige  wüi-dige  Nachfolgerin,  die  Goethes  „Iphigenie"  gefunden  hat,  entzieht  sich 
vielleicht  dem  Verständnis  eines  intelligenten  Primaners  nicht.  Diese  Werke  den 
Schülern  zugänglich  gemacht  zu  haben,  ist  ein  Verdienst  des  Herausgebers.  Leider 
beeinträchtigt  er  es  wieder,  indem  er  durch  Zahlen  im  Text^und  eine^fortlaufende  Reihe 
zudringlichster  Eussnoten  die  Lektüre  geradezu  ungeniessbar  macht.  Der  Ausdruck  ist 
hart;  aber  es  giebt  keinen  anderen,  wenn  z.  B.  im  „Goldenen  Vliess"  beständig  durch 
platte  Verdeutlichungen  die  epigrammatische  Wucht  der  Sprache  abgeschwächt,  jede 
wichtige  Stelle  unter  dem  Text  noch  einmal  unterstrichen  wird:  dem  unglücklichen 
Primaner  wird  kein  mythologischer  Stammbaum  geschenkt  (vgl.  S.  38,  Anm.  9),  ja,  er 
wird  selbst  mit  Fragen  behelligt,  wie  die  „Zu  Darimba  haben  viele  griechische  Gott- 
heiten beigesteuert.  —  Welche?"  (S.  34.)  Noch  schlimmer  ist  es  in  „König  Ottokars 
Glück  und  Ende",  wo  kein  Ort,  kein  Name  genannt  werden  kann  (und  es  werden  viele 
genannt),  ohne  dass  dem  Dichter  unter  dem  Text  nachgerechnet  wird,  mit  welchem 
historischen  Recht  er  denselben  einführt;  wo  bei  der  kleinsten  Wendung  flugs 
unten  mitgeteilt  wird,  wie  viel  geschichtlich  oder  erfunden  ist.  Man  hat  in  der  That 
oft  den  Eindruck,  als  wolle  der  Herausgeber  die  Lektüre  des  Dramas  zugleich  zum  Ein- 
pauken der  österreichischen  Gescliichte  verwendet  sehen.  Selbst  das  Konzept  wird  dem 
Dichter  korrigiert  (S.  51,70).  —  Ich  verkenne  nicht,  dass  viele  der  angeführten  Ausgaben 
auch  ihre  Vorzüge  haben,  dass  z.  B.  gerade  die  zuletzt  genannten  sehr  sorgfältig  ge- 
arbeitet sind,  allein  die  ganze  hier  -geschilderte  Methode  ist  durchweg  verfehlt.  Gut 
ausgestattete  Textausgaben,  höchstens  mit  kürzesten,  rein  sachlichen  und  sprachlichen 
Anmerkungen,  nicht  unter,  sondern  hinter  dem  Text,  ohne  Unterbrechung  desselben  durch 
Zeichen,  das  ist  es,  was  die  Schule  braucht.  Für  alle  diese  breitspurigen  Kommen- 
tare gilt,  was  A.  Jonas ''6)  in  seiner  sehr  bedeutsamen  Kritik  einer  solchen  Ausgabe  sagt: 
sie  sind  „dazu  angethan,  das  zu  vernichten,  was  sie  aufbauen  sollen;  sie  beliindern  den 
ästhetischen  Genuss  des  Kunstwerkes* und  legen  das  eigene  Urteil  des  Schülers  lahm. 
Wie  kann  ein  Schüler  zum  Gesamteindruck  auch  nur  einer  Scene  kommen,  wenn  er  alle 
fünf  oder  sieben  Zeilen  auf  ein  Zeichen  im  Text  stösst,  dass  ihn  zwingt,  sein  Auge  auf 
die  Anmerkungen  zu  richten?  Er  wird  auf  diese  Weise  in  der  Auffassung  des  Zusammen- 
hanges unaufhörlich  gestört  und  muss  nach  dem  Lesen  der  Anmerkung  sich  bemühen, 
die  Gedankenreihen  des  Textes  wiederzugewinnen.  .  .  .  Der    deutsche  Unterricht    steht 


Klassiker  mit  Kommentar.  5.)  Paderborn,  Schöningli.  167  S.  M.  1,20.  |  [BB(i.  20,  S.  207.]  |  —  71)  Götz  v.  Berlichingon  mit  d. 
eisernen  Hand.  E.  Scliauspiel.  Mit  aunfUlirl.  Erläutt.  für  d.  Scliulgebr.  u.  d.  Priratstiid.  her.  v.  J.  Heuwe.s.  Paderborn,  Schöningh. 
IV,  17.5  S.  mit  1  Karte.  M.  1,20.  |[Naumann:  ZGjmn.  44,  S.  461;  Hellinghaus:  Gymnasium  8,  8.  787.]|  —  72)  Wieiands 
Oberon.  E.  ep.  Gedicht.  Mit  Einleit.  u.  Anmerkk.  her.  v.  W.  Swoboda.  (Hölders  Klassiker-Ausg.  f.  d.  Schulgebr.)  Wien, 
Holder.  XII,  199  S.  Kr.  50.  —  73)  X  Clavigo.  E.  Trauerspiel  v.  Goethe  her.  v.  F.  Wiedenhofer.  (=  Graesers  Schulausg. 
W*S8.  Werke  her.  v.  J.  Neubauer.)  Wien.  Graoser.  X,  38  S.  Kr.  0,50.  —  74)  König  Ottokars  GlUck  u.  Ende.  Trauerspiel  in 
5  Aufz.  T.  F.  Grillparzer.  Schulausg.  mit  Einl.  u.  Anmm.  her.  v.  A.  Lichtonheld.  Stuttgart,  Cotta.  220  S,  M.  1.20.  —  75)  D. 
goldene  Vliess.  Dramat.  Gedicht  in  3  Abtt.  v.  F.  Grillparzer  her.  v.  A.  Lichtonheld.  Stuttgart,  Cotta.  226  S.  M.  1,40.  — 
76)   A.  Jonas,  Goethes  Tasso  her.  v.  Wiltich:  ZGymn.  44,  S.  142/6.  —  77)  W.  Böhme,  Erläuterungen  zu  d.  Meisterwerkeu 


1,7:  Riid.  Lehmann,  Litteratur  in  der  Schule.  77 

vor  einer  Gefahr,  vor  der  Gefahr,  durch  eine  überweise   Pädagogik  die  Lust  an  unseren 
Klassikern  in  der  Jugend  zu  ertöten."  — 

Hierher  gehört  denn  auch  der  Versuch,  das  System  der  häuslichen  Praepa- 
rationen,  von  dem  man  jetzt  im  lateinischen  und  griechischen  Unterricht  allmählich 
abkommt,  auf  die  deutsche  Lektüre  anzuwenden.  Nach  den  Erfahrungen  des  Referenten 
würde  es  freilich  schwer  halten,  die  Schüler  zu  „genügender  Durcharbeitung"  der  Er- 
läuterungen von  Böhme")  zu  bewegen.  Immerhin  ist  hier  ein  Streben  nach  Knappheit 
anzuerkennen,  und  wenn  der  Vf.  sich  wirklich,  wie  er  im  Vorwort  ankündigt,  auf 
die  Wort-  und  Sacherklärvmg  beschränkt  hätte,  um  auf  diese  Weise  den  Schüler  „beim 
ersten  Lesen  zu  unterstützen",  so  könnte  man  das  Unternehmen  gelten  lassen;  freilich 
würde  dann  auch  jedes  einzelne  der  Bändchen  sich  um  die  Hälfte  des  Umfangs  ver- 
ringern. —  Schlimmer  sieht  es  mit  den  Erläuterungen  zu  Schillers  ,, Wallenstein"  von 
M.  Evers'^8')  ^us,  von  denen  ein  Teil  erschienen  ist,  zwei  weitere  in  Aussicht  gestellt 
werden.  In  einer  Zusammenstellung  von  600  nach  bestimmten  Gesichtspunkten  geord- 
neten Stellen  und.  152  historischen  Anmerkungen,  mit  einem  höchst  komplizierten  und 
wenig  übersichtlichen  Dispositionsapparat  (A,  ÄA,  bbb  usw.)  wird  hier  nach  einer  kurzen 
Uebersicht  über  die  Dichtung  und  ihre  geschichtliche  Grundlage  „die  Stoifvertheilung 
im  Gesamtstück"  abgehandelt,  während  das  zweite  Bändchen  „den  Gang  der  Gesamt- 
handlung und.  ihren  dramatischen  Aufbau,  d.  h.  die  Charakteristiken,  den  Ideengehalt 
und.  die  sonstigen  Erläuterungen  bringen"  soll;  das  alles  zugleich  für  die  Zwecke  der 
Schule,  aber  auch  für  das  Selbststudium  „eines  jeden  nicht  fachmännisch  gebildeten 
Lesers".     Schade  um  den  Eleiss,  der  hier  vergeudet  ist.  ''^)  — 

Ein  geschickter  Lehrer  wird  unter  allen  Umständen  seinen  Unterricht  so  wenig 
wie  möglich  mit  dem  Ballast  litterarischer  Hilfsmittel  beschweren,  und  wo  er  derselben 
nicht  entraten  kann,  wird  er  stets  nach  den  kürzesten  und  handlichsten  greifen.  In 
Anerkennung  dieser  Thatsache  bestreben  sich  auch  die  sämtlichen  systematischen  Hilfs- 
mittel und  Leitfäden  für  Litteraturgeschichte^o-^^*)  und  Poetik^^-ss)  einer  möglichst 
gedrängten  Kürze.  In  Mathias  Meyers  ^^)  Arbeit  ist  der  Gedanke  einer  Anordnung 
des  litterarischen  Pensums  für  verschiedene  Altersstufen  an  sich  nicht  unglücklich;  doch 
würde  eine  Zweiteilung  den  Verhältnissen  besser  entsprechen  als  die  hier  beliebte  Drei- 
teilung, die  manche  Absonderlichkeit  mit  sich  bringt.  So  ist  im  ersten  Kursus  zwar 
Schiller  behandelt,  aber  Goethe  gar  nicht  erwähnt;  im  dritten  ist  dafür  wieder  Schiller 
gar  nicht,  wohl  aber  Goethe  und  zwar  vor  Herder  dargestellt.  —  In  ausgesprochenem 
Gegensatz  zu  den  übrigen  Arbeiten  strebt  nur  das  in  vierter  Auflage  erschienene  Lehr- 
buch von  Seinecke-Dieckmann^o^  eine  grössere  Ausführlichlieit  an.  Es  will  „dem 
grösseren  Publikum,  welches  nur  wenige  derartige  Werke  liest  und  lesen  kann,  durch 
Lehrbücher  wie  das  vorliegende,  viel  des  Guten  und  Besten,  was  über  unsere  Litteratur 
geäussert  ist,  zugänglich  machen".  Das  Buch  gewinnt  dadurch  an  Interesse  für  weitere 
Leserkreise,  was  es  an  Brauchbarkeit  für  die  Schule  verliert.  Denn  soviel  darf  man 
mit  Sicherheit  behaupten:  es  kann  kein  Lehrmittel,  geben,  das  zu  gleicher  Zeit  dem 
Selbststudium  dientq  und  für  einen  methodisch  geleiteten  Schulunterricht  wirklich 
brauchbar  wäre.  — 


d.  deutschen  Dichtkunst  für  d.  häusl.  Vorher,  d.  Schüler.  4  Bändchen;  1.  Götz  v.  Berlichingen ;  2.  Kleists  Prinz  v.  Homhurg; 
3.  Minna  v.  Barnhelm;  4.  Schillers  Teil.  Berlin,  Weidmann.  52,  44,  39,  44  S,  je  M.  0,50.  —  78)  M.  Evers,  Schillers  Wallen- 
stein. 1.  Teil.  (=:D.  deutsehen  Klassiker  erl.  u.  gewlirdigt  für  höh.  Lehraustt.  sowie  z.  Selbststudium.  7,  Bändchen.)  Leipzig, 
Bredt.  117  S.  M.  1,00.  —  79)  X  0-  SteinbrUck,  Präparationen  z.  Behandlung  v.  Gedichten.  Langensalza,  Wendt  &  Klau- 
well. 48  S.  M.  0,50.  |[Diez:  LMorkur.  10,  S.  91.]|  —  80)  G.  Engelmann.  Hilfsbuch  z.  Litt.-Kundo.  E.Ergänzung  zujeda'm 
Lesebuche.    Leipzig,  Peter.    104  S.  M.  0,50.    (102  Gedichte  usw.  als  „Proben".    D.  Berechtigung  d.  2.  Titels  wird  niclit  klar.) 

—  81)  Werner  Hahn,  Abriss  d.  deutschen  Litt.-Gesch.  f.  d.  Schulgobr.  Berlin,  Hertz.  IV,  71  S.  M.  0,80.  (Nach  d.  Vf. 
„Gesch.  d.  poet.  Litt.  d.  Deutschen".)  —  82)  E.  v.  Schmidt,  Deutsche  Litt.-Gesch.  im  Auszuge  f.  russ.  Lehranst.  u.  z. 
Selbstunterricht.  2.  Aufl.  Moskau,  Deubner.  95  S.  —  83)  A.  Steger,  34  Lebensbilder  aus  d.  deutschen  Litt.  E.Lesebuch  f.  d. 
Litt.-Untorricht  an  gehobenen  Knaben-  u.  Mädchenschulen.  Mit  2  Anhangen.  Halle,  Schroedel.  XIV,  492  S.  M.  3,00.  (Ergebnis 
d.  Erfahrungen  d.  Herausgebers  in  d.  1.  Klasse  e.  Sstufigen  BUrgermädchenschulo.)  —  84)  0.  Stiller,  Leitfaden  z.  Ropetition 
d.  deutschen  Litt.-Gesch.  für  höh.  Mädchenschulen  u.  Seminarien.  Berlin,  Oehmigke.  1887—90.  4  Hefte.  (60,  94,  80,  91  S.) 
M.  3,00.  (4  Semesterabteilungen,  im  Anschluss  an  d.  herrschende  Penseneinteilung.)  —  85)  H.  Damm,  Leitfaden  z.  deutschen 
Litt.-Gesch.  Für  d.  Schulgebr.  bearb.  (=  19.  Tausend.  Venu.  Aufl.)  Berlin.  G.  W.  F.  Müller.  64  S.  M.  0,50.  —  85  a)  XX  0.  Lyo.n^ 
Handbuch  d.  deutschen  Sprache  f.  höh.  Schalen.    Stilistik,  Poetik  u.  Litt.-Gesch.  2.  venn.  u.  verb.  Aufl.   Leipzig,  Teubner.   IX,  292  S. 

—  86)  P.Köhler,  Poetik,  Aufsatzlehre  u.  Psychol.  E.  Leitfaden  f.  Schulen.  Unter  teilweiser  Zugrundleg.  d.  5.  Aufl.  v.  H.  B.  R  u  m  p  e  1 1  s 
Elementen  d.  Poetik.  Neisse,  Graveur.  IX,  100  S.  M.  2,00.  —  87)  Ch.  F.  A.  Schuster,  Lehrbuch  d.  Poetik  f.  liöh.  Lehranstt 
3.    verm.   u.   verb.   Aufl.    Halle,   Mtihlmann.    XVI,    87    S.   M.   2,00.    |[BLU.    S.  511  ]  |     (D.  QuoUenanfUhrungen  sind  vermehrt.) 

—  88)  H.  Sommert,  Grundzüge  d.  deutschen  Poetik  f.  d.  Schul-  u.  Selbstunterr.  3.  verb.  Aufl.  Wien,  Bermann  &  Altmanh. 
IV,  100  S.  M.  1,50.  (Bes.  für  d.  Österreich.  Lehrerbildungsanstalten.)  —  89)  Mathias  Meyer,  Einführung  in  d.  deutsche  Litt, 
Nach  method.  Grundsätzen  in  drei  Kursen  her..  Hamburg,  Meissner.  63  S.  M.  0,60.  —  90)  F.  Seinecke,  Lehrbuch  d.  Geseh, 
d.  deutschen  Nat.-Litt.  Nach  d.  Tode  d.  Vf.  her.  v.  W.  Dieckmann.  4.  Aufl.  Hannover,  Schmorl  u.  v.  Seefeld  Nachf.  VIII,' 
275  S.  M.  3,00.    (Sucht  d.  Anknüpfung  an  d.  Gegenwart.)  —  •■..•:; 

• — ~ ^ej/S' 


IL    Von  der  IMitte  des  15.  bis  zuttl  An- 
fang' des  17.  Jahrhunderts. 


11,1 

Allgemeines. 

Max  Herrmann  und  Siegfried  Szamatolski. 

Allgemeine  Geschichte  N.  1.  —  Bibliographisches  N.  12.  —  Wissenschaft  und  Kunst  N.  17.  — 

Seitdem  in  der  Geschichtswissenschaft  neben  den  Spezialstudien  die  zusammen- 
fassenden Darstellungen  sich  wieder  erheben,  seitdem  neben  der  Geschichtsforschung 
auch  die  Geschichtsschreibung  überall  blüht,  sind  die  Beziehungen  zwischen  der 
allgemeinen  Geschichte  und  der  Litteraturgeschichte  häufiger  und  enger  und  für  beide 
fixichtbarer  geworden.  Ueber  die  Geschichte  der  deutschen  Reformation  ist  im  Berichts- 
jahr ein  Buch  zum  Abschluss  gekommen,  das  man  alsbald  neben  Rankes  Werk  gestellt 
hat.  Wird  hiermit  seine  Bedeutung  geschätzt,  so  ist  doch  seine  Eigenheit  nur  durch 
den  Gegensatz  zu  Ranke  zu  kennzeichnen.  Die  Geschichte  der  deutschen  Reformation 
von  F.  von  Bezold^)  entstammt  einer  Richtung  der  Historiographie,  die  man  von  der 
überwiegend  diplomatischen  noch  immer  nur  als  die  kulturgeschichtliche  scheiden  kann, 
insofern  sie  neben  den  politischen  Urkunden  und  Ereignissen  auch  die  socialen  und 
kulturellen  Zustände  wie  vor  allem,  um  jene  zu  erleuchten  und  zu  eigenem  Zweck, 
litterarische  Erzeugnisse  in  den  Kreis  ihrer  Bearbeitung  und  Darstellung  zieht.  Be- 
sonders für  das  Zeitalter  der  Reformation,  dessen  politische  Entwicklung  so  stark  von 
geistigen  Strömungen  beeinflusst  wird  und  dessen  Litteratur  in  so  engem  Zusammen- 
hang mit  dem  politischen  und  religiösen  Leben  steht,  ist  eine  solche  Behandlungsweise 
geboten.  Offen  muss  hier  zugestanden  werden,  dass  Janssens  viel  umstrittenes  Werk 
in  diesem  Betracht  fruchtbare  Wirkung  geübt  hat:  Janssens  Streben,  durchaus  glücklich 
im  Prinzip,  meist  verfehlt  in  der  Ausfiihrung,  die  Geschichte  des  deutschen  Volkes  als 
„Zustände  des  deutschen  Volkes"  aufzufassen  und  zu  schildern,  hat  in  B.  seine  Erfüllung 
gefunden.  Gegenüber  all  den  antijanssenistischen  Kritiken,  die  seiner  weiteren  Ver- 
breitung durch  Abgraben  der  Wurzeln  begegnen  wollten,  bedeutet  B.s  Werk  die  erste 
Schöpfung,  die  ihm  durch  ihr  blosses  Dasein  den  Boden  abstreiten  wird.  Natur- 
gemäss  bestimmte  der  grosse  Plan,  dem  B.s  Werk  sich  einordnet,  ihm  engere  Grenzen, 
innerlich  und  äusserlich,  zumal  hinsichtlich  einer  auch  sonst  wohl  kaum  beliebten  Schau- 
stellung der  Belesenheit  und  Gelehrsamkeit.  Aber  auch  in  diesem  engen  Rahmen  hat 
B.  ein  Bild  gegeben,  dessen  grossartige  Wirkung  die  Beschränkung  nicht  spüren  lässt. 
Auf  dem  vierten  Teil  des  Raumes,  den  etwa  Janssens  citatenschwere  Arbeit  braucht, 
entwirft  B.  von  dem  Zustande  Deutschlands  am  Ausgang  des  Mittelalters  ein  Gemälde, 
dessen  Linien  nicht  durch  einen  vorgefassten  kirchengeschichtlichen  Gesichtspunkt  ver- 
rückt werden  und  dessen  Farben  sich  ebenso  fem  halten  von  Janssens  Hellmalerei  wie 
von  den  dunklen  Tinten,  in  denen  ultraprotestantische  Geschichtsschreibung  gemeinig- 
lich die  vorlutherische  Zeit  zu  malen  liebt.  Ein  in  Breite  und  Tiefe  gleich  ausgedehntes 
Studium  der  gleichzeitigen  Litteratur,    der  Chroniken    und  Flugschriften  wie    der  dich- 


I)  F.  T.  Bezold,  Gesch.  d.  deutschen  Reformation.  (=Allgem.  Gesch.  in  Einzeldarstellungen  her.  v.  W.  Oncken 
III,  1.)  Berlin,  Grote.  1.  Lief.  1886;  2.  Lief.  1887;  3.  Lief.  1888;  4.  n.  6.  Lief.  1889;  6.  (SchluB8-)Lief.  1890.  883  u.  1  S.  mit 
Portrr.,  lUaitrr.  n.  Beill.  M.  22,50.  |[a.  Winter:  JBG.  13,  S.  11,79—80;  G.  Loesche:  ThJB.  S.  104/5;  L.  Geiger:  ZVLR.  3, 


11,1:  Herrmann  und  Szamat61ski,  Allgemeines  des  15./16.  Jahrhunderts..       79 

terischen  Hervorbringungen,  und  auch,  hierin  einem  Programmpunkt  der  Onckenschen 
Sammlung  schöne  Früchte  abgewinnend,  der  Erzeugnisse  bildender  Künste  wurde,  statt 
die  disiecta  membra  der  KoUectaneen  vor  dem  erstaunten  Publikum  zu  häufen,  weise 
zur  fein  durchgearbeiteten  Ausführung  eines  Kulturgemäldes  in  den  Farben  der  Wirk- 
lichkeit ausgenutzt.  Und  so  leuchtet  es  schon  ein,  weshalb  B.s  Werk  für  den  Litterar- 
historiker  so  wichtig  ist;  trotzdem  soll  es  noch  in  den  Einzelheiten  angedeutet  werden. 
Anhebend  mit  einer  Einleitung  über  Höhepunkt,  Gegner  und  Verfall  der  mittelalter- 
lichen Hierarchie  und  einem  Abschnitt  über  „Reich  und  Staat",  der  die  politische  und 
wirtschaftliche  Umgestaltung  Deutschlands,  das  Städtewesen  und  den  niederen  Adel 
sowie  die  Reception  des  römischen  Rechts  kurz  charakterisiert,  giebt  B.  in  einem  Ka- 
pitel über  „die  Gesellschaft"  die  erste  bezeichnende  Probe  seiner  eigentümlichen  Dar- 
stellungsweise. Die  städtische  Kultiir  wird  durch  reiche  Daten  über  Handel  und  Ka- 
pital, über  das  zünftige  Handwerk  und  die  Bauthätigkeit  bestimmt;  den  derben  Lebens- 
genuss  und  die  Roheit  der  Sitten  müssen  litterarische  Zeugnisse  eines  Hütten,  Luther, 
Geiler  u.  a.  und  die  Memoiren  des  Grafen  von  Zimmern  illustrieren;  über  die  Lage  des 
Bauernstandes  und  seine  Stellung  zum  römischen  Recht  werden  Brant,  Geiler,  Münster 
und  eine  Reihe  popvdärer  Schriften  vernommen;  die  Verschärfung  der  sozialen  Gegen- 
sätze wird  im  Spiegelbild  des  Volksliedes  und  der  satirischen  Dichtung  gezeigt,  und 
unmittelbar  aus  der  gleiclizeitigen  Litteratur  hören  wir  das  erste  Grollen  der  Revolution. 
Auch  in  einem  mehr  politischen  Kapitel  wie  dem  über  „das  Haus  Habsburg  und  die 
Reichsreform",  das  vorwiegend  die  hervorragenden  Eürstenhäuser  behandelt  und  einzelne 
Fürstenporträts  bringt,  so  besonders  das  Maximilians,  fein  umrissen  wie  die  beigegebene 
Silberstiftzeichnung  Dürers,  klingt  durch  alle  Diplomatie  die  Stimme  des  Volkes  durch, 
um  dessen  Schicksal  verhandelt  wird.  Die  Gestalt  des  Landsknechts  tritt  in  Reim  und 
Bild  auf.  Nirgends  überwiegt  die  Erzählung  der  Geschehnisse  die  Schilderung  der  Zu- 
stände. Das  nächste  Kapitel,  das  ausdrücklich  „kirchliche  Zustände",  hierarchische 
Finanzwirtschaft,  Verweltlichung  des  Klerus,  Reformversuche  auf  kirchlichem  Boden, 
Ansätze  zum  Landeskirchentum  schildern  will,  bringt  neben  einer  Fülle  von  einzelnen 
Thatsachen  die  in  der  Litteratur  der  Zeit  niedergelegten  Anschauungen  der  Zeit  diu-ch 
WimpheHng,  Brant,  einen  anonymen  „liber  moralis",  die  Memoiren  Zimmems  und  ein- 
zelne Satiren  ausführlich  zur  Sprache.  Eng  hieran  schliesst  sich  der  Versuch,  den 
Boden,  das  Milieu  der  aufsteigenden  Revolution^-  und  Reformstrebungen,  „die  Volks- 
religion", darzulegen.  Weit  verschieden  von  jeder  Art  kirchengeschichtlicher  Kompendien 
sammelt  B.  das  Material  zu  seiner  Darstellung  in  der  populären  Litteratur  und  in  der 
Kunst:  der  Luxus  der  kirchlichen  Bauten  und  Feste,  Spiel  und  Scherz  in  der  Kirche, 
Wachstum  der  Stiftungen,  kirchliche  Liebesthätigkeit  und  der  Bettel,  die  Fürsorge  für 
fremdes  und  eigenes  Seelenheil,  die  man  durch  Betbrüderschaften,  Ablässe  und  Reliqmen 
anstrebte,  die  Heiligen  Verehrung  und  die  Wallfahrtsepidemien  werden  an  einer  langen 
Reihe  von  Daten  sowohl  als  auch  in  Chroniken,  im  „liber  vagatorum",  bei  Eberlin  von 
Günzburg,  Konrad  Stolle,  Trithemius  u.  a.  verfolgt,  und  all  diese  einzelnen  Züge  bleiben 
nicht  ein  Haufen  von  Citaten,  sondern  werden  zu  einem  gross  und  einheitlich  wirkenden 
Bilde  verarbeitet.  Charakterisiert  die  reiche  Verwendung  gleichzeitiger  Litteratiir  bereits 
Kapitel  nicht  eigentlich  litterarischen  Inhalts,  so  zeigt  sich  B.s  Belesenheit  erst  recht 
in  dem  Abschnitt  über  „Reform  und  Ketzerei".  Die  Predigt-  und  Erbauungslitteratur, 
die  Verbreitung  der  deutschen  Bibel  (mit  interessantem  Ausblick  auf  vorreformatorische 
Censurthätigkeit),  die  Mystiker  und  die  Brüder  des  gemeinsamen  Lebens,  kirchliche 
Selbstkritik,  Sektenwesen  (Begharden,  Waldenser  und  Geissler),  Wiklif  ^  und  _Huss,  das 
deutsche  Taboritentum  und  die  böhmischen  Brüder,  und  endlich,  auf  eine  eigene  Ver- 
öifentlichung  B.s  zurückgehend,  die  Entwicklung  der  Kaisersage  aus  der  Apokalyptik 
des  späteren  Mittelalters  —  all  das  bildet  für  sich  eine  litterarische  Abhandlung  auf 
historischer  Unterlage.  In  den  ferneren  Ausführungen  über  volkstümlichen  Determinis- 
mus, Leugnung  der  Willensfreiheit  und  der  ewigen  Verdammnis,  über  Aberglauben, 
Phantastik  und  Hexenwahn,  Magie,  Alchymie  und  Astrologie  wird  die  Darstellung,  die 
überall  die  tieferen  Zusammenhänge  aufzeigt,  durch  Bilder  von  Dürer,  aus  Molitors 
Traktat  von  den  bösen  Weibern  und  von  einer  astrologischen  Tafel  unterstützt,  die 
neben  der  gewaltigen  Fülle  litterarischen  Materials  wenigstens  entsprechende  Spuren  in 
der  Kunst  verfolgen  lassen.  Wie  schon  ein  früheres  Kapitel  so  klingt  auch  dieses  und 
zwar  in  den  Versen  der  Fastnachtspiele  des  Hans  Folz  und  der  Sprüche  des  Rosenblüt, 
die  sich  zu  einer  förmlichen  Apotheose  der  Handarbeit  erheben,  endlich  in  der  angeb- 
lichen „Reformation  Kaiser  Sigismunds"  in  ein  mächtiges  Präludium  der  politisch-so- 
cialen  und  religiösen  Revolution  aus.  Auch  hier  wird  auf  die  Illustrationen  hingewiesen, 
die  in  furchtbar  derben  Zügen  den  Ahnungen  der  Volksphantasie  Gestalt  verliehen,  und 
aus  einer  Sclirift  Grünbecks  wird  ein  Holzschnitt  reproduziert  und  erläutert,  der  die 
Prophezeiung  der  zukünftigen  Umwälzung  verbildlicht.  Die  „Vorspiele  der  Revolution" 
behandelt  das  letzte  Kapitel  des  allgemeinen  Abschnitts,  die  Bauernerhebungen  seit  dem 


80       11,1:  Herrmann  und  Szamatolski,  Allgemeines  des  15./16.  Jahrhunderts. 

14,  Jh.,  den  Bundschuli,  die  Aufstände  vom  Elsass  bis  nach  Ungarn  und  schliesslich  die 
Gährung  in  den  Städten.  Zum  eigentlichen  Inhalt  des  Werkes  leitet  das  Finale  über: 
'„Aber  schon  hatte  die  Nation  ihren  Helden  gefunden.  Es  war  ein  deutscher  Bettel- 
mönch, der  es  mit  dem  römischen  Papst  imd  mit  dem  spanischen  Kaiser  aufnahm." 
Das  erste  Buch  lässt  auf  ein  erstes  Kapitel,  das  mit  scharfen  Strichen  Maximilians  Aus- 
gang und  die  Wahl  Karls  V.  in  die  internationalen  Verhältnisse  einzeichnet,  gleich 
wieder  ein  rein  litterarisches  Kapitel  folgen:  „Renaissance  und  Humanismus."  Aber 
B.  will  (schon  mit  Hinblick  auf  Geigers  besondere  Behandlung  des  Themas  in  der 
Onckenschen  Sammlung)  hier  kein  litterarhistorisches  Intermezzo  geben,  sondern  die 
neue  Strömung  iii  ihrem  Zusammenhang  mit  der  Entwicklung  der  allgemeinen  Geschichte 
des  Zeitalters,  als  Teil  also  der  allgemeinen  Kulturgeschichte  auffassen.  Hasch,  wenn 
auch  mit  reichen  Einzellieiten  entrollt  B.  den  Werdegang  des  deutschen  Humanismus 
aus  dem  italienischen,  seinen  Kampf  mit  dem  Scholasticismus  um  die  Schule;  die  ver- 
änderte Stellung  des  Plato  und  Aristoteles  wird  an  Beispielen  der  bildenden  Kunst  ge- 
kennzeichnet, daran  schliesst  sich  die  Erfindung  des  Buchdrucks,  das  Eindringen  des 
Hiimanismus  an  den  Universitäten  und  die  Hauptschlacht  zwischen  den  „Poeten"  und 
ihren  Feinden,  der  Beuchlinsche  Streit.  Alles  wird  mit  einer  ruhigen  Unparteilichkeit 
betrachtet,  die  den  Paganismus,  die  Selbstverherrlichung  der  Poeten  und  den  stets  be- 
reiten „Tusch  der  lateinischen  Carmina"  durchaus  nicht  zu  leugnen  strebt.  Stellt  B. 
den  Humanismus  zuerst  im  Gegensatz  zur  kirchlichen  Weissen schaft  dar,  so  verfolgt  er 
ihn  weiterhin  an  einer  Unzahl  von  Beispielen  in  seinem  Verhältnis  zur  Kunst  und 
Litteratur  des  Bürgertums  und  in  seinen  Anpassungs versuchen  an  deutsche  Art  und 
Kunst.  Die  mit  dem  Humanismus  eng  verbundene  Gestalt  Maximilians,  der  vollkommener 
als  irgend  einer  seiner  Gelehrten  und  Künstler  das  moderne  Ideal  der  Persönlichkeit 
verwirklicht  hat,  führt  zu  einem  Ueberblick  über  die  moderne  Weltanschauung,  in  der 
Christentum  und  Paganismus,  Naturwissenschaft  und  Phantastik  einen  seltsamen  Bund 
eingehen.  Auch  dies  Kapitel  schliesst  mit  einem  Üebergang,  der  äusserlich  und  inner- 
lich von  einer  hohen  Kunst  der  Geschichtsschreibung  zeugt:  nicht  Reuchlin,  sondern 
Erasmus  ist  es,  mit  dem  B.  von  der  Renaissance  zur  Reformation  überleitet.  „Erasmus 
und  die  Renaissance  des  Christentums"  bezeichnet  er  scharf  den  Abschnitt,  in  dem  er 
dessen  Theologie  aus  den  italienischen  und  englischen  Grundlagen  entwickelt;  im  Gegen- 
satz zu  der  konzilianten  Persönlichkeit  wird  der  Satiriker  Erasmus  geschildert;  über 
einer  zusammenfassenden  Charakteristik  seiner  biblischen  und  patristischen  Studien  wird 
seine  Stellung  als  „Eürst  der  Wissenschaft"  nicht  vergessen  und  neben  eine  Darstellung 
seiner  Philosophie  Christi  in  ihrer  Verbindung  von  Christentum  und  Antike  ein  figurenreiches 
Bild  seiner  W^irkung  auf  Europa  und  insbesondere  auf  Deutschland  gestellt.  Und  so 
endet  die  Schilderung  der  oberen  Strömung  des  deutschen  Geisteslebens  ganz  anders 
als  die  frühere  der  Volkslitteratur:  „An  die  Stelle  der  blutigen  Schreckensbilder,  wie  sie 
in  der  apokalyptischen  Litteratur  und  in  den  Vorstellungen  der  Masse  herrschten,  traten 
heitere  und  glänzende  Zukunftsträume  von  einem  Zeitalter  der  Wissenschaft  und  Kunst, 
der  Humanität  und  Sitteneinfalt,  der  Grösse  Deutschlands  und  der  friedlichen  Kirchen- 
reform." Eine  gleichgestimmte  Briefstelle  des  Erasmus  ist  es,  der  B.  das  Signal  der 
Revolution,  den  Thesenanschlag,  gegenüberrückt.  Einer  bewundernden  und  verständnis- 
vollen Darlegung  von  Luthers  Entwicklung  bis  zum  Wormser  Reichstag  und  seinen 
grossen  Reformationsschriften  ist  das  nächste  Kapitel  gewidmet,  in  dem  jedoch  der  Ein- 
tritt der  „zeitgenössischen  Geistesaristokratie",  des  Humanismus,  insbesondere  Hütten, 
sein  Leben  und  seine  Werke,  einen  breiten  Raum  einnehmen.  Wenn  der  Luthers  und 
Huttens  persönliche  und  litterarische  Beziehungen  betreffende  Abschnitt  in  anderen 
Arbeiten  des  Berichtsjahres  (vgl.  u.  11,6  und  11,8)  überholt  erscheint,  so  muss  daran 
erinnert  werden,  dass  die  bezügliche  Lieferung  von  B.s  Werk  schon  1887  ausgegeben 
wurde.  Hinsichtlich  der  Illustrationen  verdient  hervorgehoben  zu  werden,  dass  man  so 
viel  Lutherbilder  kaum  sonst  an  einer  Stelle  vereinigt  finden  wird:  ausser  einem  Kupfer- 
stich von  Hopfer  und  einer  Medaille  nicht  weniger  als  fünf  Porträts  nach  Lucas  Cra- 
nach,  zwei  Holzschnitte,  einen  Kupferstich,  ein  Gemälde  und  eine  Miniatur.  Es  ist  un- 
möglich, auch  weiterhin  an  all  den  litterarischen,  geschweige  denn  den  kulturhistorischen 
Einzelheiten  zu  zeigen,  wie  viel  uns  diese  glänzende  historische  Arbeit  bietet.  Zum 
grossen  Teil  wird  noch  das  Kapitel  über  den  „Wormser  Reichstag  und  die  ersten  Siege 
der  Reformation"  von  überwiegend  litterarischen  Ausführungen  eingenommen.  Die 
öffentliche  Meinung,  um  deren  Beachtung,  wenn  auch  nicht  Darstellung  sich  Janssen  so 
grosse  unbestreitbare  Verdienste  erworben  hat,  wird  in  den  Flugschriften  mit  ihren 
derb  verständlichen  Holzschnitten,  in  der  weitschichtigen  Dialoglitteratur  und  den  Fast- 
nachtspielen,  besonders  des  Nikolaus  Manuel,  im  „Neukarsthans"  und  bei  Eberlin  von 
Günzburg  belauscht;  aber  auch  ein  Verfechter  altkirchlicher  Polemik  wie  Murner  kommt 
zu  Worte.  Luthers  Bibelübersetzung  wird  mit  Scherer  als  „ein  vornehmes,  unvergäng- 
liches Gesetzbuch  der  Sprache"  betrachtet    und    eingehend    gewürdigt.     Die  Teilnahme 


11,1:  Herrmann  und  Szamatolski,  Allgemeines  des  15./16.  Jahrhunderts.       81 

des  Bürgertums  wird  dargestellt,  vorzüglich  in  Hans  Sachs,  und  auf  der  andern  Seite 
die  Abkehr  des  enttäuschten  Humanismus,  die  in  dem  grossen  „Zweikampf  des  Odysseus 
und  Ajas",  Erasmus'  und  Luthers,  um  die  Willensfreiheit  gipfelt.  Aus  den  Verhand- 
lungen des  Nürnberger  Reichstages  tritt  die  imponierende  Gestalt  des  als  Schriftsteller 
noch  immer  nicht  gewürdigten  Hans  von  Schwarzenberg  bedeutsam  hervor.  Die  ritter- 
lichen Beschützer  der  Reformation,  deren  „Anschauung  der  Welt  vom  Bergschloss  aus" 
auf  Grund  der  riugschriftenlitteratur  gut  gezeichnet  ist,  werden  in  Sickingens  Erhebung 
und  Untergang  geschildert,  und  hierbei  wird  auch  Huttens  Ausgang  mit  schöner  Wärme 
erzählt.  Auch  das  grosse  schaurige  Bild  des  Bauernkrieges  setzt  sich  bei  B.  nicht  bloss 
aus  den  einzelnen  Aufständen  usw.  zusammen,  sondern  zunächst  wird  der  socialrevolu- 
tionäre  Journalismus,  die  „grossen  Zettel  und  Büchel  mit  vielen  wunderlichen  und  öden 
Gemälden",  und  die  radikale  Predigt  in  ihren  Hauptvertretem,  wie  etwa  Karlstadt, 
Münzer,  dem  Bauer  von  Wöhrd,  der  auch  im  Bild  erscheint,  u.  a.  charakterisiert.  In 
der  Entstehung  und  Herstellung  dieser  bauernfreundlichen  Litteratur  in  den  Städten 
sieht  B.  ein  Zeichen  der  Verbündung  von  Stadt  und  Land  zum  Kampf  gegen  die  Herren. 
In  einem  späteren  Kapitel  über  „die  Entstehung  des  deutschen  Protestantismus"  geht 
uns  besonders  die  Umgestaltung  von  Kultus  und  Unterricht  an,  wobei  einerseits  Luther 
als  Kirchenliederdichter  und  sein  Katechismus,  andrerseits  die  „Verschulung"  des  deut- 
schen Humanismus  mit  dem  „praeceptor  Germaniae"  Melanchthon  an  der  Spitze,  be- 
handelt wird.  Aus  'den  nächsten  Kapiteln  ist  das  Auftreten  Zwingiis  und  der  Wieder- 
täufer herauszuheben,  an  welch  letztere  B.  einige  deutsche  Freigeister  der  Reformations- 
zeit, Schwenckfeld,  Sebastian  Eranck  und  Paracelsus  angliedert.  Noch  einmal,  zu  Be- 
ginn des  schmalkaldischen  Krieges,  wird  die  öffentliche  Meinung  beachtet,  die  sich  da- 
mals ebenso  stürmisch  wie  in  den  ersten  Zeiten  der  Reformation,  aber  bezeichnender- 
weise nicht  mehr  in  prosaischen  Dialogen,  sondern  in  den  trotzigen  oder  klagenden 
Tönen  des  Liedes  und  des  historischen  oder  lehrhaften  Gedichts  ausspricht,  und  endlich 
zum  letzten  Mal,  als  sie  iliren  Widerstand  gegen  das  Interim  wiederum  in  Schrift  und 
Bild  zum  Ausdruck  brachte.  2)  —  Bis  zu  Bezold  führt  ein  Aufsatz  G.  Winters  3),  in  dem 
die  Beziehungen  und  Unterschiede  zwischen  Ranke  und  seinen  Nachfolgern  in  der 
Historiographie  des  Reformationszeitalters  *)  anschaulich  entwickelt  werden.  W.  er- 
kennt neben  Arbeiten  (besonders  über  die  Reichstage),  die  sich  im  wesentlichen  mit 
einer  näheren  Begründung  oder  auch  hier  und  da  Widerlegung  der  von  Ranke  gege- 
benen Darstellung  beschäftigen,  auch  eine  Richtung,  die  sich  neuen,  von  Ranke  weniger 
eingehend  berührten  Gebieten,  besonders  der  Wirtschafts-  und  Kirchengeschichte  zu- 
wendet, und  endlich  eine  letzte  Epoche,  die  als  geschichtsschreibende  der  geschichts- 
forschenden  gegenübergestellt  wird:  in  ihr  überwiegt  die  kulturhistorische  Richtung, 
als  deren  Eingang  Janssens  Werk  in  seinen  Vorzügen  und  Schäden  gewürdigt  wird; 
ihm  werden  in  kurzen  und  klaren  Charakteristiken  gegenübergestellt  das  wenig  beachtete 
treffliche  Buch  von  Karl  Fischer  über  „Deutsches  Leben  und  deutsche  Zustände  von 
der  Hohenstaufenzeit  bis  ins  Reformationszeitalter"  (1884),  Baumgartens  grosses  Werk 
über  Karl  V.  und  endlich  die  Leistung  Bezolds;  auch  Egelhaafs  &)  Darstellung  wird 
erwähnt.  — Der  vierte  Band  von  Janssens  6-'')  Werk,  der  ebenso  wie  der  erste  während 
des  Berichtsjahres  in  neuer  verbesserter  Auflage  erschienen  ist,  bietet  in  seiner  Behand- 
lung der  Jahre  1550 — 80  für  die  Litteraturgeschichte  verhältnismässig  am  wenigsten, 
obwolil  hier  z.  B.  Melanchthons  Ausgang  und  der  litterarische  Kampf  für  und  gegen 
die  Jesuiten  erörtert  ist;  die  Verbesserungen,  die  sich  meist  in  den  Anmerkungen  finden, 
beschränkeji  sich  auf  ergänzende  Heranziehung  der  seit  der  ersten  Ausgabe  erschieneneu 
Speziallitteratur.  —  Die  eingehende  Kritik,  welche  vor  Jahren  M.  Lenz  an  dem  gesamten 
Janssenschen  Geschichtswerk  zu  üben  unternommen  (HZ.  50,  S.  231  ff.),  bemüht  sich 
jetzt  Ellinger  ^)  für  die  litterarhistorische  Darstellung  des  sechsten  Bandes  zu  leisten, 
die  er  mit  Wolfgang  Menzels  „Deutscher  Dichtung"  vergleicht.  Zuerst  imtersucht  er 
Janssens  litterarhistorische  Urteile,  dann  seine  kulturgeschichtlichen  Folgerungen.  Er 
giebt  ihm  zu,  dass  das  Zeitalter  der  Reformation  einen  Höhepunkt  in  der  Entwicklung 
der  deutschen  Dichtung  nicht  darstelle,  erklärt  dafür  aber  seinerseits,  dass  in  der  grossen 
Epoche  des  Niedergangs  unserer  Litteratur  (14. — 16.  Jh.)  die  zweite  Hälfte  des  15.  Jh. 
den  tiefsten  Stand  bezeichne;  die  einzige  Ausnahme  bedeute  vielleicht  das  Volkslied, 
das  möglicherweise  in  der  zweiten  Hälfte  des  15.  Jh.  besonders  reich  ausgebildet  ge- 
wesen   sei   und    andrerseits    thatsächlich    nach   1550   seine  Frische    und  Kraft    verliere. 


S.  474/6;  M.  Lenz:  DLZ.  13,  S.  300/2.|  —  2)  X  G.  Ellinger,  Z.  Gesch.  d.  deutschen  Kef.  Nationn.  7,  S.  405/8.  (AusfUhrl. 
Referat  über  N.  1.)  -  3)  G.  Winter,  Neuere  Darstellungen  d.  Zeitalters  d.  Reformation:  VVPK.  27,  S.  133-54.  —  4)  (III, 
1  N.  1.)  —  5)  XX  G.  Egelhaaf,  Deutsche  Gesch.  im  16.  Jh.  bis  z.  Augsburger  Religionsfrieden.  Bd.  1.  (=  Bibliothek 
deutscher  Gesch.  her.  v.  Z wiedineck-SUdenhorst.)  Stuttgart,  Cotta.  VIII,  680  S.  mit  1  Karte  u.  2  Bildd.  8,00.  — 
6)  J.  Janssen,  Gesch.  d.  deutschen  Volkes  seit  d.  Ausgange  d.  Mittelalters.  Bd.  4.  13.  Aufl.  Freiburg,  Herder.  XXXII, 
536  S.  M.  5,00.  —  7)  id.,  Gesch.  d.  deutschen  Volkes  seit  d.  Ausgang  d.  Mittelalters.  1.  Bd.  15.  Aufl.  Freiburg,  Herder.  XLVIII, 
671  S.  M.  6,00.  (Nicht  zugänglich.)  —  8)  G.  Ellinger,  J.  Janssen,  Gesch.  d.  deutschen  Volkes:  HZ.  65,  8.  141—52.  —  9)  X 
Jahresberichte  fUr  neuere  deutsche  Litteraturgeschichte  1(0.  6 


82       11,1:  Herrmann  und  Szamat61ski,  Allgemeines  des  15./1C.  Jahrhunderts. 

Dagegen  stehe  der  Meistergesang  des  16.  Jh.  entschieden  über  dem  des  15.,  die  stellen- 
weise nicht  zu  leugnende  Roheit  in  der  Form  der  Reformationsflugschriften  stamme, 
wie  anregend  angedeutet  wird,  gerade  aus  der  voraufgegangenen  Zeit,  die  frechen  Paro- 
dien geistlicher  Dinge  seien  gegenüber  dem  15.  Jh.  im  16.  entschieden  zurückgegangen; 
endlich  bestreitet  E.  ganz  entschieden  die  Berechtigung  der  Janssenschen  Herabsetzung 
des  Dramas  im  16.  Jh.,  ohne  sich  im  einzelnen  auf  seine  Verteidigung  einzulassen,  und] 
zeigt  besonders  an  den  Sterzinger  Spielen,  dass  alles,  was  Janssen  am  Drama  des  16.  Jh. 
tadelt,  bereits  im  15.  sich  findet.  Ebenso  aber  wie  den  litterarhistorischen  Urteilen  • 
Janssens  geht  E.  seinen  Folgerungen  hinsichtlich  der  gesunkenen  SittHchkeit  des  Re- 
formationszeitalters zu  Leibe,  indem  er  auf  die  widerwärtigste  Frivolität  des  15.  Jh. 
(Fastnachtspiele,  H.  von  Sachsenheim,  H.  Wittenweiler)  aufmerksam  macht  und  bezüg- 
lich der  Lebensformen  Janssen  das  Recht  bestreitet,  den  Eulenspiegel  gegenüber  dem 
Grobianus  herauszustreichen.  Trotz  dieser  Ausführungen  aber  hat  E.  doch  nicht  wohLi 
das  Recht  zu  dem  Gesamturteil:  „Wir  haben  es  hier  mit  einem  belesenen  Manne' 
zu  thuu,  der  sich  wissentlich  oder  unwissentlich  an  dem  Geist  der  .Wahrheit  vergeht". 
Noch  immer  vielmehr  scheint  unsO.  Lorenz'  gelegentlich  vorgetragenes  Urteil  das  Treffendste 
zu  sein,  was  über  Janssen  gesagt  ist:  „Janssen  hat  den  nicht  übel  gelungenen  Versuch 
gemacht,  unsere  sämtlichen  Wertbeurteilungen  ins  Gegenteil  verwandeln  zu  wollen. 
Wer  nicht  im  stände  ist,  sein  ganzes  Prinzip  über  den  Haufen  zu  rennen,  der  wird 
ohne  Zweifel  vergeblich  über  die  Tugenden  und  Laster  der  Reformatoren  mit  ihm 
streiten."  Auch  E.s  Eritik  beruht  in  der  Hauptsache  nur  auf  Werturteilen,  und  in 
Bezug  auf  das  wichtigste  derselben,  dass  nämhch  die  Litteratur  der  zweiten  Hälfte  des 
15.  Jh.  den  tiefsten  Stand  des  Niedergangs  bedeute,  wird  er  schwerlich  mit  allen  Litterar- 
historikern  übereinstimmen;  u.  a.  befindet  er  sich  hier  auch  im  Widerspruch  gegen 
Scherer,  den  er  doch  gewiss  nicht  des  Janssenismus  beschuldigt.  ^)  —  Ganz  einseitig 
und  durchaus  unbarmherzig  gegen  die  unleugbaren  grossen  und  kleinen  Schwächen  des 
Werkes  ist  eine  Janssenparodie  ^o^,  deren  Witz  freilich  ihren  Umfang  nicht  rechtfertigt, 
die  aber  doch  durch  eine  Anzahl  scherzhafter  Ein-  und  Ausfälle  ganz  belustigend  wirkt; 
so  wird  z.  B.  in  dem  Abschnitt  „Litteraturgeschichte"  „nachgewiesen",  dass  in  F.  W.  We- 
bers Epos  „Dreizehnlinden"  die  schnödesten  Beschimpfungen  der  katholischen  Kirche, 
in  Trümpelmanns  und  Herrigs  Lutherfestspielen  die  schärfsten  Angriffe  gegen  die  Re- 
formation enthalten  sind.  —  Ohne  an  Janssen  zustimmend  oder  bestreitend  anzuknüpfen, 
hat  ein  Theologe*^)  die  beiden  geistigen  Hauptströmungen  des  15.  und  16.  Jh.,  Re- 
naissance und  Reformation,  in  zwei  Artikeln  behandelt.  In  dem  ersten  charakterisiert 
der  Vf.  wohl  im  Anschluss  an  Burckhardt,  dessen  Namen  er  freilich  ebensowenig  nennt 
wie  seinen  eigenen,  die  erwachende  Subjektivität  und  die  Entdeckung  der  natürlichen 
Welt  als  die  kulturumwälzenden  Mächte ;  er  betrachtet  sie  allerdings  nur  in  ihrem  Gegen-, 
satz  zur  Kirche  und  sieht  daher  <üe  religiöse  Gestaltung  als  die  entscheidende  an,  wo- 
bei er  denn  natürlich  wenigstens  der  Renaissance  nicht  gerecht  werden  kann.  Während 
die  Reformation  zwischen  Christentum  und  Kirche  scheide,  lehne  die  Renaissance  beide 
zugleich  ab;  während  jene  nach  sittHcher  Wahrheit  suche,  strebe  diese  nur  nach  gei- 
stigem Genuss.  Die  Fülle  der  genialen  Begabung,  die  sich  in  Italien  in  den  Dienst  der 
Renaissance  stellte,  die  neu  entdeckte  Welt  der  Antike,  die  jenem  Bedürfnis  nach  freiem 
Schalten  der  Individualität  reiche  Nahrung  bot  und  zwar  besonders  hier  in  Italien,  wo 
sie  „mit  dem  Reiz  der  Romantik  bekleidet"  war,  wirkten  sogar  so  mächtig,  dass  die 
autoritative  Kirche  sich  zu  einem  Bunde  mit  den  neuen  Gewalten  herbeiliess ;  Savonarola 
kämpfte  gegen  sie  vergeblich,  weil  seine  Subjektivität  wiederum  italienisch  -  modern 
und  nicht  dvirch  das  reine  Wort  Gottes  richtig  gebunden  war.  Zur  Reformation  führten 
weder  solche  Bestrebungen  noch  der  Humanismus,  auch  nicht  in  seiner  milderen  deut- 
schen Form,  in  der  Reuchlin  und  Erasmus  als  Vorarbeiter  Melanchthons  ihre  philo- 
logischen Kenntnisse  in  den  Dienst  des  Christentums  stellten.  Die  Reformation  führt 
der  Vf.  vielmehr  auf  ein  drittes  Element,  auf  die  im  ausgehenden  Mittelalter  erwachte 
Regung  der  Gewissen  zurück,  die  in  Luther  sich  dann  mit  der  Neigung  zur  Subjektivität 
und  zur  natürlichen  Welt  verband,  aber  nicht  mit  der  Subjektivität  der  natürlichen 
Begabung,  sondern  des  natürlichen  Bedürfnisses,  nicht  mit  der  unbedingten,  sondern 
mit  der  als  berechtigt  erwiesenen  Freude  an  der  natürlichen  Welt.  Statt  der  Un- 
beschränktheit,  die  dem  Vf.  die  Renaissance  als  eine  Revolution  erscheinen  lässt,  ist  in 
der  Reformation  das  Wort  Gottes  die  Autorität,  der  sich  der  von  den  mittelalterlichen 
Mächten  frei  gewordene  Sinn  zu  seinem  Heile  unterordnet:  das  ist  die  „Freiheit  eines 
Christenmenschen".  — 

In  zwei  Werken  wird  bibliographisches  Material  für  die  Litteraturgeschichte 
des  hier  behandelten  Zeitraums  vorgelegt.:  zunächst,    wo  man    es  dem  Titel  nach  kaum 

A.  Schröter,  Deutsche  Kunst  n.  Litt.  iRefonnationszeitalters  in  Jans8enscherBeleuchtung:BLU.  S.  530/5.  —  10)  Dr.  Quell  oho  Id 
Falsifizinsky  Jesuitowitsch,  D.  kleine  Geschichtsfälscher  oder  Janssen  in  d.  Westentasche.  Barmen,  Wiemann.  48  S.  m.Bild, 
M.  0,50.  —  II)  Benaissance  u.  Reformation:  AELKZ.  Nr.  37/8.  —  12)  H.  A.  y.  Keller,  Verzeichnis  altdeutscher  Handschriften 


11,1:  Herrmann  und  Szamatolski,  Allgemeines  des   15./16.  Jahrhunderts.       83 

erwartet,  in  dem  von  A.  von  Kelleri^)  und  Sievers  besorgten  „Verzeichnis  altdeutscher 
Handschriften",  das  auch  eine  grosse  Zahl  von  Stücken  des  15.  und  16.  Jh.  enthält. 
Urväter  Hausrat  wird  hier  ausgepackt,  und  die  versuchte  Modernisierung  ist  mehr  als 
mangelhaft  ausgefallen:  es  handelt  sich  um  sehr  unsorgfältige  und  höchst  ungleich- 
massige  Beschreibungen  verschiedenartiger  Hss.,  neben  fast  wertlosen  besonders  der- 
jenigen, denen  K.  vor  Jahrzehnten  das  Material  für  seine  Publikationen  im  Stuttgarter 
Litterarischen  Verein  entnahm.  Die  wichtigeren  Stücke  sind  daher  längst  von  K.  ge- 
druckt oder  sonst  beachtet;  das  gilt  auch  von  der  durch  S.  allein  und  besonders  unzu- 
länglich bearbeiteten  Nr.  62  (S.  95 — 147),  der  vielbenutzten  Hs.  des  Nümbergers  Valentin 
Holl  aus  der  Mitte  der  zwanziger  Jahre  des  16.  Jh.  Wenn  man  sich  freiKch  auf 
S.s  Litteraturnachweise  verHesse,  könnte  man  denken,  dass  hier  eine  erstaunliche  Eülle 
neuen  Materials  der  Forschung  zugeführt  sei;  aber  gerade  diese  Litteraturangaben  sind 
besonders  unzureichend,  da  sie  selbst  die  in  Goedekes  Grundriss  angeführten  Stücke 
fast  nur  da  mit  dem  nötigen  Hinweis  versehen,  wo  Goedekes  Register  ohne  weiteres 
die  richtigen  Wege  weist.  Die  Beweise  für  diese  Behauptung  liefert  die  eingehende 
Besprechung  von  M.  Herrmann,  der  eine  so  grosse  Zahl  von  Goedekestellen  und  Littera- 
turangaben aller  Art  nachzutragen  hatte,  dass  der  Benutzer  des  Verzeichnisses  die  An- 
zeige stets  zu  Rate  ziehen  muss,  zumal  hier  der  üble  Zustand  der  Textproben  an 
manchen  Stellen  gebessert  wird  und  statt  der  vielfach  falschen  Mitteilungen  der  VfF. 
über  den  Aufbewahrungsort  der  beschriebenen  Hss.  die  richtigen  Angaben  ermittelt 
sind.  Unbekannt  oder  unbeachtet  aber  ist  im  ganzen  nur  allerlei  minderwertiges  Gut, 
das  K.  bei  seinen  Textdrucken  verschmäht  hat.  Nach  K.s  und  S.s  freilich  nicht  immer 
aufklärenden  Hinweisen  und  mit  Heranziehung  der  Ergänzungen  Herrmanns  sei  es  hier 
in  mehr  sachlicher  als  chronologischer  Ordnung  zusammengestellt.  An  neueren  Dichter- 
namen liefern  die  Hss.  des  Verzeichnisses  den  Morgenrot  (Hs.  42,  N.  23:  ein  spruch 
von  gluck  vnd  des  menschen  sinn),  den  bei  Goedeke  ungenügend  angeführten  Schild- 
knecht (42,67),  Marx  Würsung,  den  wir  bisher  nur  als  Augsburger  Buchdrucker  kannten 
(62,44),  Peter  Poll  (62,48),  Johannes  Prauenscherz  (62,58),  Paulus  Zing  von  Isny  (62,82), 
Mattheis  Hirtz  (aus  Augsburg?  62,121),  Christoph  Bichler  von  Augsburg  (62,150)  und 
Caspar  Portt  (105,1);  es  sind  ohne  Ausnahme  Lieder-  und  Spruchdichter.  Den  sonst 
bekannten  Sprüchen  des  zumal  für  politische  Zwecke  arbeitenden  Gelegenheitsdichters 
Hans  Schneider  werden  hier  vier  weitere  (62,100.  105.  107.  112)  hinzugefügt,  und  ein 
Spruch  (62,75)  ist  neu  als  Eigentum  seines  Kollegen  Kunz  Has  erwiesen;  endlich  er- 
scheint Hans  Ramminger,  von  dem  man  bisher  nur  eine  gereimte  Erzählung  kannte,  als 
Vf.  eines  Spruches  (62,50)  vom  Leben  des  Kindes  im  Mutterleibe.  Unverhältnismässig  über- 
wiegt aber  die  Zahl  der  anonymen  Stücke.  Da  finden  wir  sonst  nicht  belegte  geistliche 
Lieder,  vorzüglich  viele  zu  Ehren  Marias  (4,2.  21.25;  61,7.  8;  62,88.  117.  133.  169.  178. 
196.  203),  LiebesUeder  (42,71—74.  84.  85.  93;  62,40.  129.  130.  137.  142.  151.  155.  164. 
171.  184.  186)  und  Lieder  vermischten  Inhalts:  ein  historisches  Lied  vom  bayerischen 
Krieg  (62,144),  ein  humoristisches  „vom  Kindbetthof"  (62,185),  das  jedenfalls  mit  Ros- 
ners gleichnamigem  Spruch  sich  stofflich  deckt,  und  ein  Spottlied  auf  einen  Augsburger 
Geistlichen  (62,191).  Auch  unter  den  verzeichneten  Sprüchen  scheint  manches  ander- 
weitig nicht  bekannt.  Die  geistlichen  (42,53.  54;  62,50.  57.  88.  96)  gelten  beinahe  alle 
der  Mutter  Gottes ;  politische  Gedichte  gehen  auf  den  römischen  König  und  das  heilige 
Reich  (42,107,  wo  eine  schöne  Stelle  auf  den  Tod  Eberhards  von  Württemberg  sich 
findet),  auf  Karl  V.  (5,1)  und  auf  die  Türken  (42,111),  ein  Lobgedicht  preist  die  Gattin 
des  Herzogs  Ulrich  von  Württemberg  Huttenschen  Angedenkens  (62,72);  Gelegenheits- 
gedichte sind  durch  einen  Neujahrswunsch  (62,85)  und  einen  Weingruss  (62,108)  neu 
vertreten.  Die  meisten  Sprüche  aber  sind  rein  didaktischer  Art:  sie  preisen  die  Weis- 
heit (42,80  =  106),  die  Gerechtigkeit  (62,119),  die  Ehre  (62,60),  die  Treue  (42,43),  sie 
schelten  die  Untreue  (5,6),  die  Buhlerei  (62,103.  104.  109.  111),  die  Hoffart  der  Weiber 
(62,110),  die  schamlose  Bettelei  (62,86),  das  Treiben  der  Kläffer  (42,41.  42)  und  ver- 
weisen auf  den  obersten  Richter  (62,28).  Drei  Stücke  (5,7;  42,44.  47)  lassen  sich  aus 
den  Angaben  des  Verzeichnisses  nicht  weiter  charakterisieren.  Allegorische  Einkleidung, 
Spaziergang  und  Traum  ist  vielfach  vertreten.  Ob  ein  als  „Erzählung"  bezeichnetes 
Stück  (5,7),  das  den  typischen  Eingang  der  Spaziergangsgedichte  aufweist,  didaktischer 
oder  epischer  Natur  ist,  lässt  sich  nicht  ausmachen;  rein  episch  aber  sind  die  Sprüche 
vom  armen  Kaufmann  (42,64)  und  vom  „pild  zu  Rom,  Welchs  pild  gemachtt  hatt  vir- 
gilius"  (62,106).  Aus  dem  ganz  geringwertigen  Prosamaterial,  das  das  Verzeichnis  bietet, 
medizinischen,  theologischen,  alchy mistischen,  juristischen,  politischen  Stücken,  sei  der 
Hinweis  auf  eine  Tübinger  Hs.  der  pseudowyleschen  Boetiusübersetzung  (Hs.  21)  her- 
vorgehoben; aus  den  Litteraturangaben  K.s,  die  namentlich  die  durch  die  Hätzlerin  be- 
kannten Stücke    vergleichend    heranziehen,    der  Hinweis    auf   die  Verwandtschaft  einer 


her.  V.  E.  Sievers.  Tübingen,  Laupp.  V,  178  S.  M.  5,00.  |[LCB1.S.  561;  K.  Kochendörffer:  DLZ.  11,  S.  1127;  K.Burdaeh: 

6* 


84      11,1:  Herrmann  und  Szamatölski,  Allgemeines  des  15./16.  Jahrhunderts. 

Stelle  eines  anonymen  Gedichts  (2,56)  mit  einigen  Versen  Hans  E,osenblüts  und  die 
Bemerkung,  dass  die  in  K.s  Erzählungen  S.  372  gedruckte  Geschichte  von  der  toten 
Frau  (5,3)  entschiedene  Aehnlichkeit  mit  Wielands  „Henn  und  Gulpenheh"  besitzt, 
dessen  morgenländisch-französische  Quelle  freilich  durch  R.  Köhler  längst  aufgedeckt 
ist.  —  Viel  fruchtbringender  als  diese  planlos  ausgedehnte  Arbeit  ist  die  Ernte,  die  ein 
sorgsamer  Arbeiter  von  einem  örtlich  und  zeitlich  enger  begrenzten  Gebiete  geholt  hat: 
Wölk  ans  ^8)  Bibliograpliie  der  deutschen  Litteratur  Böhmens  im  16.  Jh.  Durch  metho- 
dische Benutzung  zahlreicher  Bibliotheken  und  unter  gewissenhafter  Befolgung  der 
bibliographischen  Regeln  ist  hier  ein  ziemlich  umfangreiches  und  zuverlässiges  Material 
zusammengestellt,  das  auch  der  allgemeinen  deutschen  Litteraturgeschichte  zu  gute 
kommt;  die  Musikgeschichte  hat  ebenfalls  aus  dem  Werke  zu  lernen.  Eine  ganze  An- 
zahl von  Autorennamen  begegnen,  die  bisher  überhaupt  unbeachtet  zu  sein  scheinen, 
andere,  die  ohne  Grund  in  Goedekes  Grundriss  ausgelassen  sind.  So  die  protestantischen 
Liederdichter  Martin  Berthold  von  Zittau  (1574),  Kaspar  Erank,  des  Mathesius  Nach- 
folger zu  Joachimsthal  und  Herausgeber  seiner  Predigten  (1565),  und  Christoph  Hos- 
mann von  Elbogen  (1565),  femer  Hans  Zweck,  der  Autor  eines  historischen  Liedes  aus 
dem  J.  1520,  und  Georg  Spindler,  der  1570  ein  Türkenlied  verfasste.  Dann  eine  ganze 
Reihe  von  Predigern,  deren  Vorträge  gedruckt  worden  sind:  auf  katholischer  Seite 
Georg  Biber  (1578)  und  Kaspar  Elogius  (1577),  auch  Johannes  Zack  (Streitschriften 
1525);  viel  zahlreicher  natürlich  die  Protestanten:  Michael  Celius  (1524),  Chr.  Eischer 
(1560),  Michael  Hauptmann  (1572),  Chr.  Hermann  (geb.  1548),  Bartolomäus  Jerschel 
(1595),  Lucas  Martini  (1580),  Wolfgang  Pacificus  (1548),  Bruno  Quinos  (1578)  und  Eehx 
Zimmermann  (1578),  der  auch  als  Herausgeber  von  Liedern  des  Mathesius  erscheint. 
Vor  allem  endlich  der  mit  einer  grossen  Zahl  von  Arbeiten  vertretene  Erbauungsschrift- 
steller Johannes  Avenarius  vmd  der  Bibeldramatiker  Mathias  Meissner  aus  Gabel,  dessen 
Schauspiel  von  Sodoms  Ende  und  von  der  Opferung  Isaaks  1580  erschien.  Dazu  kommt 
femer  eine  Anzahl  von  Hinweisen,  durch  die  das  Bild  schon  bekannter  Autoren  neue 
Züge  erhält.  Mancherlei  -«drd  namentlich  für  die  interessante  Gestalt  des  Clemens 
Stephani  von  Buchau  beigebracht,  der  bei  Goedeke  unter  den  bayerischen  Dramatikern 
erscheint,  dessen  Bedeutung  aber  nicht  sowohl  in  seinen  selbständigen  Leistungen  wie 
in  seiner  Thätigkeit  als  Uebersetzer  und  Redaktor  liegt;  als  Liederdichter  treten  hier 
Benedikt  Edelbeck  auf,  den  Goedeke  nur  als  Pritschmeister  nannte,  und  Joh,  Hagius 
von  Redwitz,  von  dem  bisher  nur  Sjonbola  bekannt  waren,  die  übrigens  auch  durch 
bisher  unbekannte  Stücke,  z.  B.  auf  Luther  und  Melanchthon,  vermehrt  werden ;  allerlei 
neue  mehr  oder  minder  wichtige  Einzelheiten  sind  für  Joh.  Pontanus,  für  G.  Eleissner, 
den  Vf.  des  „Podagrischen  Elusses",  und  den  katholischen  Liederdichter  Ch.  Hecyrus 
zu  beachten.  Besondere  Sorgfalt  hat  der  Vf.  endlich  auf  die  bibliographische  Bear- 
beitung der  wichtigsten  böhmischen  Litteraturerzeugnisse  verwendet,  der  Gesangbücher 
der  böhmischen  Brüder  und  der  Werke  des  J.  Mathesius  und  des  N.  Hermann,  der 
aber  nicht  am  3.  März,  sondern  am  3.  Mai  1561  gestorben  ist;  und  da  thatsächlich  hier 
mancher  bisher  unbekannte  Druck  verzeichnet  ist,  so  wird  man  künftig  auf  diesem  Ge- 
biete stets  W.s  Zusammenstellungen  zu  Rate  ziehen  müssen;  für  Mathesius  freilich  da- 
bei auch  die  Arbeiten  von  Loesche  (vgl.  u.  11,7  N.  47 — 49),  die  teilweise  über  W. 
hinausführen,  andrerseits  aber  auch  wieder  hinter  ihm  zurückbleiben.  Dankenswert  ist 
die  nebenher  gegebene  Anregung  zu  Untersuchungen  über  einzelne  Lieder,  als  deren 
Vf.  bald  Hermann,  bald  Mathesius  genannt  wird.  Die  Vorreden  zu  umfänglicheren 
Arbeiten  der  wichtigsten  Autoren,  Avenariusj  Biber,  Edelbeck,  Fischer,  Hagius,  der 
beiden  Hermann,  Martini,  Mathesius  und  Stephani,  endlich  die  des  Brüdergesang- 
buchs vom  Jahre  1566  bringt  W.  vielfach  vollständig  zum  Abdruck,  freilich  nicht  immer 
mit  diplomatischer  Genauigkeit.  Auch  auf  einige  bisher  unbeachtete  anonyme  Werke 
wird  hingewiesen;  es  sind  aber  fast  ausschliesslich  „wahrhaftige  neue  Zeitungen",  und 
sie  scheinen  ohne  sonderliches  litterarisches  Interesse.  Wertvoller  ist  das,  was  man 
für  Böhmens  Buchdruckergeschichte  aus  dem  Verzeichnis  herausholen  kann.  Die  meisten 
böhmischen  Werke  gehen  freilich  durch  Wittenberger,  Nürnberger,  Leipziger  Pressen, 
so  dass  vor  dem  Jahre  1570  nur  ein  einziger  böhmischer  Drucker,  G.  Wylmschwerer 
in  Jungbunzlau  1531,  erscheint;  im  letzten  Viertel  des  Jh.  aber  tauchen  in  Prag  eine 
Menge  von  Eirmen  auf:  G.  Daschitzky,  J.  Gitensky,  W.  Marinus,  M.  Peterle,  G.  Schwartz, 
Th.  Schneider,  H.  Schuman,  N.  Strauss,  J.  Tolotzqui  und  B.  Walda,  und  auch  in  Eger 
sind  in  den  siebziger  Jahren  zwei  Drucker  thätig,  H.  Bürger  und  M.  Mülmarckart,  die 
zuerst  gemeinsam,  dann  jeder  für  sich  arbeiten.  Auch  ein  Prager  Verlagsbuchhändler, 
Georg  Kadner,  wird  bekannt,  freilich    nicht  durch  einen  seiner  Verlagsartikel,    sondern 


CBlBibl.  8,  8.  1—8;  A.  Leitzmann:  LBlGRPh.  12,  S.  290;  M.  Herrmann:  ADA.  18,  S.  1-21.]|  -  13)  R.  Wolkan,  Biblio- 
graphie d.  deutschen  Litt.  Böhmens  im  16.  Jh.  (=  Böhmens  Anteil  an  d.  deutschen  Litt.  d.  16,  Jh.  J.)  Prag,  Haase.  VIII,  140  S. 
M.4,00. 1  [MVGDB.29,  8.8-9;  G.Loesche:ThJB.  10,  S.  207;  A.  Hau  ffen:  ZOG.  41,  S.  693/6;  W.  Toisch  er:  DLZ.  12,  S.  1784/5; 


11,1:  Herrmanu  und  Szamatolski,  Allgemeines  des  15./16-  Jahrhunderts.       85 

nur  durch  eine  hs.  Widmung  vom  Jahre  1568.  Neben  der  somit  keineswegs  ergebnis- 
armen bibliographischen  Tendenz  verfolgt  aber  W.  noch  einen  anderen  Zweck:  seine 
Arbeit  soll  für  das  16.  Jh.  die  Unwahrheit  der  oft  vorgetragenen  tschechischen  Behaup- 
tung aufzeigen,  dass  ein  eigenes  geistiges  Leben  der  Deutschen  in  Böhmen  in  der  Zeit 
nach  den  Hussitenkriegen  sich  nicht  nachweisen  lasse,  soll  darthun,  dass  die  deutsche 
Litteratur  Böhmens  in  dieser  Zeit  so  mannigfaltig  ist  wie  die  irgend  eines  anderen 
Gebietes  und  dass  alle  Strömungen  des  Geisteslebens  im  Jh.  der  Reformation  auch  hier 
vertreten  sind.  So  glücklich  wie  als  Bibliograph  scheint  uns  der  Vf.  hier  nicht  zu  sein. 
Freilich  die  Prahlerei  der  Tschechen  kann  durch  den  Hinweis  zum  Schweigen  verwiesen 
werden,  dass  unter  sämtlichen  von  W.  ermittelten  Drucken  nur  ein  einziger  sich  be- 
findet, der  eine  Uebersetzung  aus  dem  Tschechischen  bietet,  und  das  ist  ein  litterarisch 
belangloser  Bericht  über  eine  Türkenschlacht  von  1579.  Für  die  Gleichstellung  Böhmens 
mit  einer  anderen  deutschen  Landschaft  aber  beweist  diese  Bibliographie  kaum  etwas. 
Gerade  den  Nachweis  des  Gegenteils  liefert  W.  für  die  ersten  20  Jahre  des  16.  Jh.; 
hier  hat  er,  während  sein  ganzes  Verzeichnis  397  Nummern  umfasst,  nur  6  Stücke  zu- 
sammentragen können:  nämlich  einen  in  Leipzig  gedruckten  Kalender  eines  Budweiser 
Doktors,  eine  Anleitung  zur  Buchführung  von  dem  Leipziger  Professor  J.  Widmann, 
der,  allerdings  in  Eger  geboren,  schon  vor  1500  starb,  drei  Auflagen  vom  Pestilenzbüch- 
lein des  Egerer  Magister  Philipp  Kulmacher,  von  denen  nur  eine  den  Druck  ort  und 
zwar  Leipzig  angiebt,  und  Veit  Neubauers  Lied  von  einer  Peuersbrunst  zu  Brüx  1515. 
Die  Jahre  1500 — 1519  fallen  also  für  die  Litteratur  so  gut  wie  ganz  aiis,  und  auch  die 
nächsten  Jahre  bis  etwa  1540  sind  nur  durch  Heranziehung  von  nicht  hergehörigem 
Material  dürftig  gefüllt.  Aber  auch  für  den  stattlicheren  Rest  lassen  sich  starke  Be- 
denken nicht  verschweigen:  es  ist  sicher  kein  zulässiges  Verfahren,  die  Vorstellung  von 
dem  Vorhandensein  einer  umfänglichen  böhmischen  Litteratur  dadurch  zu  erwecken, 
dass  man  alle  irgendwo  im  deutschen  Reiche  erschienenen  Nachdrucke  des  Mathesius 
und  Hermann,  mit  einer  besonderen  Nummer  versehen,  unter  die  neu  von  Böhmen  aus- 
gehenden Produkte  als  gleichwertig  einordnet  und  dadurch  manches  Jahr  litterarisch 
vertreten  sein  lässt,  das  thatsächlich  ganz  oder  so  gut  wie  ganz  ausfällt;  ebensowenig 
dürfte  es  sich  empfehlen,  die  undatierten  Drucke  auf  die  höchst  zweifelhafte  annähernde 
Datierung  hin  („ca.  1520"  usw.)  mitten  unter  die  sicher  in  dem  betreffenden 
Jahre  entstandenen  Drucke  zu  stellen.  Zu  solchen  Bedenken  zeitlicher  Art  gesellen 
sich  noch  örtliche:  die  von  W.  nachgewiesene  Litteratur  darf  eigentlich  nicht  als  Litte- 
ratur Böhmens,  sondern  nur  einiger  böhmischen  Landschaften  in  Anspruch  genommen 
werden ;  ja  es  handelt  sich  im  Grund  nur  um  ein  einziges  Gebiet,  um  die  Nordwestecke, 
neben  der  die  Gegenden  von  Leipa,  Tetschen  und  Budweis  höchstens  als  Enklaven  in 
Betracht  kommen,  und  in  dieser  Nordwestecke  wieder  beinahe  ausschliesslich  um  die 
beiden  Punkte  Eger  und  Joachimsthal.  In  den  Bergen  von  Joachimsthal  ist  mehr  als 
die  Hälfte  aller  von  W.  aufgeführten  Nummern  zu  Hause,  und  es  ist  immerhin  beachtens- 
wert, dass  es  sich  dabei  um  einen  Ort  handelt,  der  durch  den  lebhaften  Bergwerksver- 
kehr ausserböhmischen  Einflüssen  besonders  zugänglich  war.  Ein  dritter  Umstand  end- 
lich, der  uns  die  Bedeutung  der  deutschböhmischen  Litteratur  des  16.  Jh.  herabzu- 
drücken scheint,  ist  der,  dass  zwar  thatsächlich,  wie  W.  in  der  Vorrede  hervorhebt, 
Pastnachtspiel  und  Tragödie,  bürgerlicher  Meistergesang  und  gelehrte  Uebersetzung 
klassischer  Werke  in  Böhmen  nicht  fehlen,  dass  sie  aber  mit  den  Leistungen  anderer 
Landschaften  sich  weder  an  Zahl  noch  an  Bedeutung  messen  können;  thatsächlich  hat 
hier  nur  die  geistliche  Litteratur  dem  Inhalt  und  dem  Umfang  nach  eine  entschiedene 
Bedeutung  gewonnen,  und  wenigstens  der  Zahl  der  Stücke  nach  kann  man  ihr  die 
Litteratur  der  „Zeitungen"  an  die  Seite  stellen.  Vielleicht  liefert  hier  der  letzte  Band 
des  auf  drei  Bände  berechneten,  jedenfalls  sehr  willkommenen  W.schen  Werkes,  der  die 
litterargeschichtliche  Darstellung  bringen  soll,  noch  die  vermissten  thatsächlichen  Nach- 
weise; immerhin  mag  man  W.  auch  glauben,  dass  durch  die  Gegenreformation  und  durch 
die  Schweden  viele  böhmischen  Werke  für  immer  vernichtet  worden  sind:  setzt  doch 
z.  B.  der  „Index  librorum  prohibitorum"  in  seiner  21.  Regel  fest,  dass  alle  religiöse 
Gegenstände  behandelnden  Schriften  aus  Böhmen,  die  von  1414 — 1635  erschienen,  zu 
beseitigen  seien.  —  Die  Geschichte  des  „Index  librorum  prohibitorum"  hat  in  einem 
Vortrag  in  der  auf  Gottsched  sich  zurückleitenden  „Deutschen  Gesellschaft"  zu  Leipzig 
P.  H.  Meyeri4)  übersichtlich,  jedoch  fast  durchaus  unter  Anlehnung  an  das  grundlegende 
Werk  von  Reusch  entwickelt,  i^-i^)  — 

Dem  Nürnberger  Martin  Behaim,    einem    der    ältesten  und  bedeutsamsten  Ver- 
treter der  Kosmographie,  der  Wissenschaft,  die  wiederholt  im  Verlaufe  des  hier  ab- 


J.  Bolte:  JBGPh.  12,  S.  201.]  |  —  14)  F.  H.  Meyer,  D.  Jndex  librorum  prohibitorum.  Mit  bes.  Bezugnahme  auf  Deutschlaud: 
Mitteil.  d.  deutschen  Gesellsch.  z.  Erforsch,  vaterl.  Spr.  u.  Altertümer  in  Leipzig.  8,  S.  138—83.  —  15)  X  K.  Bechsteiii. 
D.  letzten  Veröffentlichungen  d.  litt.  Vereins:  MLJA.  59,  S.  281/2.  (Ueber  Hans  Sachs  Bd.  17  u.  Kaufringers  Gedichte.)  — 
16)  XX  Kalff,  Geschiedenis  d.  nederlandsche  letterkunde  in  de  16  de  eeuw.  Bd.  2.    Leiden,  Brill.  fl.  3,75.  (Unzugänglich.)  — 


86       11,1:  Herrmann  und  Szamatolski,  Allgemeines  des  15./16.  Jalirhunderts. 

gegrenzten  Zeitraums  in  engere  Beziehungen  zvu'  Litteratur  trat,  ist  durch  S.  Günther^'') 
eine  für  weitere  Kreise  bestimmte  Behandlung  zu  teil  geworden,  die  sich  durch  die 
gefällige  Darstellung  und  die  gründliche  Quellen-  und  Sachkenntnis  des  Vf.  wie  durch 
den  lehrreichen  Bilderschmuck  auszeichnet.  G.  kommt,  indem  er  das  Leben  seines 
Helden  erzählt,  der  als  kaufmännischer  Agent  begann  und  als  portugiesischer  Seefahrer 
endete,  mannigfach  über  seine  Vorgänger,  v.  Murr,  Ghillany  u.  a.,  hinaus  teils  durch 
geschickte  Verwendung  des  bekannten,  teils  durch  Herbeischaffung  unbekannten  archiva- 
lischen  Materials,  das  sich  übrigens  nicht,  wie  man  gemeint,  in  Portugal,  sondern  in  Nürn- 
berg fand.  Genau  behandelt  G.  auch  die  epochemachende  Schöpfung  Behaims,  den 
ersten  Globus,  den  die  Welt  seit  den  vergessenen  Erdkugeln  der  Griechen  sah;  er  teilt 
seine  ziemlich  ausführlichen  Inschriften  mit,  die  einzige  Spur  einer  litterarischen 
Leistung  Behaims,  spricht  über  die  Künstler,  die  ihn  am  Werke  unterstützten,  und  die 
Quellen,  unter  denen  auch  Sir  John  Mandeville  erscheint.  Auch  für  Behaims  Lehrer 
Regiomontan  liefert  G.  beachtenswerte  Bemerkungen,  zumal  in  den  Anmerkungen,  die 
überhaupt  viele  nützliche  Mitteilungen  über  Kosmographie  und  Astronomie  sowohl 
wie  über  Nürnberger  Handelsbeziehungen  und  Handelsartikel  enthalten;  unter 
den  letzteren  interessiert  hier  besonders  die  aus  Italien  eingeführte  Tinte,  über  die  S.  55 
auf  Grund  einer  Stelle  der  Schrift  „Tarifia  oder  Uncostbüchlein"  (Nürnberg  1572)  des 
genaueren  berichtet  wird.i^)  —  Ueber  einen  Teil  der  Kunstgeschichte  der  Zeit,  der 
schon  durch  Personalunion  mit  der  Litteratur  in  engerer  Verbindung  steht,  handelt 
Haendcke^ö)^  indem  er  Nikolaus  Manuel  Deutsch  als  Künstler  betrachtet.  Seine  selbst- 
gestellte Aufgabe,  Manuels  künstlerische  Entwickelung  in  wohlbegrenzte  Perioden  zu 
fassen,  unter  dem  Einfluss  zunächst  von  Dürer  und  Hans  Eries,  dann  von  Hans  Baidung 
und  endlich  von  Holbein,  ist  nach' dem  begründeten  Urteile  Janitscheks  ungelöst  und 
auch  unlösbar:  deim  das  fahrige  Wesen  des  begabten  geistvollen  Künstlerdilettanten, 
der  die  Anregungen  benutzte,  woher  immer  und  wann  immer  sie  kamen,  lasse  sich  nicht 
auf  eine  Eormel  von  zeitlich,  auch  hinsichtlich  ihrer  Wirkung,  scharf  bestimmten  Perioden 
zurückführen.  Der  kunsthistorische  Eortschritt  der  Arbeit  liegt  in  der  Vermehrung  des 
Materials  gegenüber  der  letzten  Zusammenstellung  von  Voegelin  in  Baechtolds  Manuel- 
werk; charakteristische  Proben  werden  in  vorzüglicher  Wiedergabe  geboten.  Beachtens- 
wert sind  einige  Andeutungen  H.s,  die  Einblick  in  die  gemeinsamen  Entwickelungs- 
motive  von  Kunstgeschichte  und  Litteraturgeschichte  gewähren,  insofern  unter  dem 
Einfluss  der  Renaissance  bei  dem  Maler  und  Zeichner  Manuel  die  Natur  in  Gestalt  der 
Landschaft  und  des  Weibes  zum  Durchbruch  kommt.  —  Solche  gemeinsamen  Strömungen 
von  Litteratur,  Kunst  und  Wissenschaft  durch  Beachtung  der  Grenzgebiete  mehr  und 
mehr  ans  Licht  zu  stellen,  werden  gerade  die  „allgemeinen"  Teile  der  einzelnen  Haupt- 
abschnitte in  den  JBL.  berufen  sein.  — 


11,2 

Lyrik. 

Georg  Ellinger. 

Geistliclio  Lyrik:  Gesangbücher  N.  1.  —  Einzelne  Lieder  N.  6.  —  Biographien:  Rutilius,  Sattler,  Schalling  N.  10. 
—  Meistergesang:  Puscliinanns Meistergesangbuch  N.  13.  —  Biograiihien:  Schechner,  Schilher,  Schleich  N.  14.  —  Weltliche 
Lyrik:  Volkslied:  Ge.samtcharakteristik  N.  17.  —  Einzeluntersuchung  N.  19.  —  Sammlungen  N.  23.  —  Einzelbeiträge:  Reine 
Volkslieder  N.  24;  Totentanz  N.  32;  erzählende  Lieder  N.  35;  geschichtliche  Lieder  N.  36.  —  StofFgruppen  N.  38.  —  Unbe- 
kannte Ausgaben  N.  40.  —  K  u  n  s  t  ni  ä  s  s  i  g  e  Lieder  N.  43.  —  G  o  s  a  m  t  b  e  u  r  t  e  i  1  u  n  g  N.  46.  — 

Eine  zusammenfassende  Darstellung  oder  auch  nur  ein  Ueberblick  über  die 
geistliche  Lyrik  ist  im  Berichtsjahre  nicht  versucht  worden,  i)  Dagegen  sind 
zalüreiche  Einzelbeiträge  zu  berücksichtigen.    Das  älteste  evangelische  Gesangbuch  des 

17)  S.  Günther,  Martin  Behaim.  (=  Bayerische  Bibliothek  her.  v.  von  Roinhardstöttner  u.  Trau tmann.  Bd.  13.)  Bamberg, 
Buchner.  86  S.  M.  1.40.  —  18)  XX  L.  Gallois,  Les  g6ographes  allemands  de  la  renaissance.  (=  Bibliotheque  de  la 
Faeult6  des  lettres  de  Lyon.  Tom.  13.)  Paris,  Lcroux.  XX,  266  S.  et  planchos.  —  19)  B.  Haendcke,  Nikolaus  Manuel  Deutsch 
als  Künstler.  Frauenfeld,  Huber.  1889.  VIII,  116  S.  M.  3,00.  [K.  Spittelor:  BLU.  S.  219-20;  H.  Janitschek:  RopKuustw. 
13,  8.  483/7.]!  - 

I)  X  V.  Dorsch,  D.  deutsche  evangel.  Kirchenlied  auf  seinem  Segensgauge  durch  d.  Gemeinde.  (—  Calwer  Familien- 


n,2:  G.  Ellinger,  Lyrik  des  15./16.  Jahrhunderts.  87 

Königreichs  Sachsen,  dessen  Vf.  nach  den  Untersuchungen  von  Dibelius,  der  alle  früher 
ausgesprochenen  Vermutungen  zurückweist,  sich  nicht  mit  Sicherheit  feststellen  lässt, 
ist  durch  Buchwald  2)  in  einem  Faksimiledrucke  veröffentlicht  worden.  Das  1525  er- 
schienene und  nur  noch  in  einem  Exemplare  erhaltene  Buch  enthält  einundzwanzig 
Lieder,  unter  denen  sich  dreizehn  Luthersche  befinden;  je  eines  ist  von  Wolf  Cycloff, 
Ambr.  Moiban,  Elisabeth  von  Meseritz,  Jon.  und  Mich.  Stiefel  verfasst;  bei  zwei  Liedern 
sind  die  Vff.  nicht  zu  ermitteln.  —  Mit  dem  ältesten  Kirchengesangbuch  Siebenbürgens 
beschäftigt  sich  T.  Schuster  3).  Derselbe  weist  ein  Exemplar  des  bisher  verschollenen 
Gesangbuches  nach,  welches  Valentin  Wagner  in  der  Zeit,  während  der  er  Pfarrer  in 
Kronstadt  war  (1549 — 57),  veranstaltete,  und  zeigt  femer,  dass  sich  dieses  Gesangbuch, 
welches  nicht  datiert  ist,  aber  in  die  Jahre  1553  oder  1554  zu  setzen  sein  wird,  ganz 
eng  an  das  von  Luther  veranstaltete,  1545  bei  Valentin  Bapsts  Erben  in  Leipzig  ge- 
druckte Gesangbuch  anschliesst.  Schliesslich  giebt  er  eine  Aufzählung  der  einzelnen 
Bestandteile  des  Buches.  —  Der  Datierung  eines  Züricher  Gesangbuches  sind  die  kurzen 
Ausfüllrungen  Odingas*)  gewidmet.  Er  stellt  fest,  dass  das  von  Wackernagel  4, 
S.  1123  auf  1560  angesetzte  Gesangbuch  thatsächlich  erst  1580  gedruckt  ist.  —  Auf 
ein  bisher  unbekanntes  Heidelberger  Gesangbuch  von  1583  macht  Wolfrum  s)  auf- 
merksam. — 

An  Mitteilungen  einzelner  Lieder  ist  folgendes  zu  verzeichnen.  Bolte^) 
teilt  aus  einer  Berliner  Hs.  des  15.  Jh.  ein  Lied  mit,  das  starke  Einflüsse  der  Mystik 
zeigt  und  in  dem  der  Entschluss  ausgesprochen  wird,  die  Kreatur  zu  verlassen  und 
Gott  anzuhangen.  —  Aus  einer  Züricher  Hs.  des  15.  Jh.  giebt  J.  Werner'')  eine  geist- 
liche Parodie  des  Liedes  „Es  sass  ein  Eul  und  spann".  In  dem  Liede  wird  das  Spinnen 
mit  dem  emsigen  Trachten  nach  der  Liebe  zu  Gott  identifiziert;  alle  Menschen  werden 
zum  Spinnen  aufgefordert,  dann  werden  die  einzelnen  Teile  des  Spinnrades  geistlich- 
allegorisch ausgedeutet.  —  Linke  ^)  teilt  ein  wohl  spätestens  aus  dem  dritten  Viertel 
des  16.  Jh.  stammendes  Kirchenlied  mit,  in  dem  die  Auferstehung  des  Herrn  und  sein 
beständiges  Leben  in  Gott  verteidigt  wird.  Das  Lied  stammt  aus  Thomas  Pitsch, 
„Cantiones  quaedam  ecclesiasticae"  (1598),  ist  aber  wohl  nicht  von  Pitsch  selbst  ver- 
fasst. —  Aus  Prätorius'  „Musae  Sioniae"  druckt  A.  Fischer  9)  eine  Fassung  des  Liedes 
„In  Bethlehem  ein  Kindelein"  ab.  — 

Kurze  Biographien  sind  folgenden  Kirchenliederdichtem  gewidmet:  Rutilius, 
dem  Vf.  des  Kirchenliedes  „Ach  Gott  und  Herr  wie  gross  und  schwer",  über  dessen 
Leben  (1550 — 1618)  von  Lilien  cron^o)  kurze  Notizen  zusammenstellt.' — Ferner  Michael 
Sattler,  dem  L.  Kellerei)  ausführlichere  Darstellung  zu  teü  werden  Hess.  K.  verfolgt 
seinen  Lebenslauf  (er  starb  1527  als  Märtyrer  für  seine  täuferische  Ueberzeugung  zu 
Rothenburg  am  Neckar),  schildert  seine  Gelehrsamkeit,  seine  religiösen  Anschauungen, 
die  Reinheit  seiner  Gesinnung  meist  aus  Zeugnissen  der  Zeitgenossen.  Seine  Schriften 
werden  festgestellt  und  untersucht;  in  unseren  Zusammenhang  gehört  er  als  Vf.  des 
Liedes  „Als  Christus  mit  seiner  waren  Leer".  —  Martin  Schalling,  der  Sohn 
(1532 — 1608),  ist  von  Linkers)  biographisch  behandelt  worden.  Ueber  sein  nicht  immer 
ruhiges  Leben  (er  wuMe  in  der  Oberpfalz  um  seines  Luthertums  willen  von  calvinistischer 
Seite  verfolgt  und  musste  das  Land  verlassen),  seine  spätere  Rückkehr  dorthin,  seine 
Teilnahme  an  den  Verhandlungen  über  die  Konkordienformel  werden  ausführliche 
Nachrichten  gegeben;  zuletzt  handelt  der  Vf.  über  Schallings  Lied  „Herzlich  lieb  hab 
ich  Dich,  ö  Herr"  (zuerst  1571).  — 

Für  die  Geschichte  des  Meistergesanges  kommen  die  ausführlichen  Mit- 
teilungen in  Betracht,  welche  Bohn^^)  über  das  Meister  sängerbuch  des  Adam 
Puschmann  macht.  Das  Meistersängerbuch  wird  hier,  S.  375 — 420,  sorgfältig  und 
genau  beschrieben,  und  die  von  Puschmann  aufgestellten  Melodien  werden  aufgezählt.  — 

Biographische  Behandlung  ist  durch  Roethe^^-i^)  drei  Meistersängern  zu  teil 
geworden:  Jörg  Schechner,  Nürnberger  Meistersänger  (um  1544),  zunächst  religiösen,  dann 
novellistischen,  historischen  und  Fabel-StoiFen  zugewandt,  mit  starker  didaktischer 
Tendenz;  Jörg  Schilher,  wahrscheinlich  ein  Fahrender  aus  dem  östlichen  Schwaben,  der 
in  der  zweiten  Hälfte  des  15.  Jh.   dichtete,    den  sonst  bei  den  Meistersängern  üblichen 


bibliothek.)  Calw  u.  Stuttgart,  Vereinsbuchhandlung.  324  S.  M.  1,50.  (Religiöse  Erbauuiigsschrift.)  —  2)  Eyn  gesang  Buchleyn, 
welche  man  yetzund  ynn  Kircheu  gebrauchen  ist.  Her.  v.  G.  Buchwald.  Zwickau,  Zückler.  1889.  (Zu  Gunsten  d.  Zwickauer 
Gemeindediakonie.)  —  3)  T.  Schuster,  D.  älteste  Kirchengesangbuch  Siebenbürgens:  AVSiebenbürgLK.  22,  S.  26—41.  — 
4)  Th.  Odinga,  E.  unbekanntes  Zürcher  Gesangbuch:  MhMusikG.  22,  S.  213/4.  —  5)  Wolfrum,  E.  neu  aufgefundenes  Gesang- 
buch: BUHymnol.  S.  173/5.  —  6)  J.  Bülte,  D.  Braut  Christi:  Alemannia  17,  S.  67.  —  7)  J.  Werner,  Meditacio  noretricum 
devotarum  et  interpretacio  instrumentonim  earum  cum  gestibus  suis:  BUHymnol.  S.  154/6.  —  8)  J.  Linke,  Wider  d.  Juden 
Unglauben:  ib.  S.  96/7.  —  9)  A.  Fischer,  In  Bethlehem  e.  Kindelein:  ib.  S.  152/3.  —  10)  K.  v.  Liliencrou,  Martin  Rutilius: 
ADB.  30,  S.  51.  —  li)  L.  Keller,  Michael  Sattler:  ib.  S.  410/3.  —  12)  J.  Linke,  Martin  Schalling  d.  Sohn:  ib.  S.  566/9.  — 
13)  E.  Bohn,  D.  musikal.  Hss.  d.  16.  u.  17.  Jh.  in  d.  Stadtbibl.  zu  Breslau.  E.  Beitr.  z.  Gesch.  d.  Musik  im  16.  u.  17.  Jh. 
Breslau.  Hainauer  i.  Komm.  XVI,  423  S.  M.  15,00.  —  14)  G.  Roethe,  Jörg  Schechner :  ADB.  30,  S.  653/4.  —  15)  id.,  Jörg  Schilher : 
ib.  31,  S.  210.  —  16)  id.,  Martin  Schleich:  ib.  S.  397.    —    17)  J.  E.  Wackerneil,  D.  deutsche  Volkslied.    E.  Vortrag,  geh.  im 


88  11,2:  G.  Ellinger,  Lyrik  des  15./16.  Jahrhunderts. 

dunklen  Tiefsinn  religiöser  Grübelei  vermeidet,  dafür  aber  in  derber  Satire  allen  Ständen  zu 
Leibe  geht;  Martin  Schleich,  Meistersänger  aus  Schwaben  oder  dem  Elsass,  der  um  die 
Wende  des  15.  und  16.  Jh.  lebte,  Vf.  des  bekannten  Meisterliedes  von  der  Königin, 
die  ihre  Liebhaber  nach  dem  Genuss  im  Wasser  umbringt,  bis  Albertus  Magnus  ihren 
Ränken  ein  Ende  macht.  — 

In  der  weltlichen  Lyrik  steht  das  kunstmässige  Lied  weit  hinter  dem  Volks- 
lied zurück.  Ueber  das  Volkslied  liegen  zwei  zusammenfassende  Arbeiten  vor,  die 
Vorträge  von  WackernelP'')  und  Hauffeni^).  Beide  gehen  darauf  aus,  eine  Gesamt- 
charakteristik des  deutschen  Volksliedes  und  seiner  Entwicklung  zu  geben.  W. 
sucht  zuerst  die  Entstehung  des  Volksliedes  zu  schildern,  d.  h.  zu  zeigen,  wie  das  von 
einem  Einzelnen  gedichtete  Lied  durch  die  Ueberlieferung  im  Volksmunde  umgesungen 
und  dadurch  erst  wirklich  zum  Volksliede  wird;  er  berührt  die  nationalen  Unter- 
scheidungsmerkmale der  nordischen,  slavischen,  italienischen  und  griechischen  Volks- 
lyrik und  geht  dann  zu  einer  Charakteristik  des  deutschen  Volksliedes  über,  indem  er 
die  Stilmittel  darzustellen  sucht,  durch  welche  das  Volkslied  seine  Wirkung  ausübt. 
Daran  schliesst  sich  eine  Skizze  der  Entwicklung  des  Volksliedes,  eine  Aufzählung  seiner 
Arten  und  der  in  ihm  behandelten  Gegenstände.  H.  geht  von  dem  Unterschiede 
zwischen  Kunst-  und  Volkspoesie  aus,  zählt  ebenfalls  die  im  Volksliede  behandelten 
Gegenstände  auf,  worauf  er  dann  die  wichtigsten  Gattungen  des  älteren  Volksliedes  im 
einzelnen  bespricht.  — 

Eine  genauere  Scheidung  zwischen  dem,  was  man  gemeiniglich  neueres  Volks- 
lied nennt,  und  dem  Volks- und  Gesellschaftslied  des  15.,  16.  und  17.  Jh.  soll  eine  Unter- 
suchung herstellen,  die  Ellinger^s)  geliefert  hat.  Er  bezeichnet  als  Entstehungs- 
epoche des  sogenannten  neueren  Volksliedes  die  Zeit  um  den  Ausgang  des  17.  und  um  den 
Beginn  des  18.  Jh.  und  sucht  nachzuweisen,  dass  der  dem  neueren  Volksliede  eigen- 
tümliche, namentlich  im  Liebesliede  erkennbare,  aber  auch  in  anderen  Gattungen  zu 
verfolgende  Ton  sich  in  dieser  Zeit  ausgebildet  habe  und  für  die  spätere  Produktion 
massgebend  geblieben  sei.  Auch  wo  ältere  Lieder  teüs  in  Fragmenten,  teils  ihrem 
wesentlichen  Inhalte  nach  sich  in  das  neuere  Volkslied  hinübergerettet  hätten,  sei  ihnen 
in  der  gleichen  Zeit  eine  entscheidende  Umbildung  zu  teil  geworden.  —  Mehr  für  den 
Gewinn,  der  der  Betrachtung  der  mittelhochdeutschen  Lyrik  aus  einer  genauen  Er- 
forschung des  Volksliedes  zufliessen  könnte,  kommen  Roethes^o)  Erwägungen  über 
Gruyters  Arbeit  „Das  deutsche  Tagelied"  in  Betracht;  doch  sei  der  erneiite  Hinweis  auf 
die  Notwendigkeit  einer  genauen  Untersuchung  der  Einwirkung,  die  umgekehrt  auch 
der  Minnesang  auf  das  Volkslied  ausgeübt  hat,  hier  hervorgehoben.  —  In  einer  Be- 
sprechung des  unbedeutenden  Buches  von  Knortz  „Die  deutschen  Sagen  und  Märchen" 
giebt  L.  Fränkel^i)  gelegentliche  Nachweise.  —  Kleinere  Nachträge  zu  seinen  schweize- 
rischen Volksliedern  bietet  L.  Tobler22).  — 

An  neuen  Sammlungen  von  Volksliedern  ist  nur  eine  zu  nennen,  die  aber 
einen  sehr  wertvollen  Beitrag  zur  Geschichte  der  Volks-  und  volkstümlichen  Poesie 
bietet.  Boltes23)  Sammlung  enthält  zweiunddreissig  Lieder,  die  sich  ihrer  Entstehung 
nach  über  das  15.  bis  19.  Jh.  hin  erstrecken ;  als  Anhang  sind  noch  zwei  Spruchgedichte 
aus  einer,  wohl  in  Nürnberg  entstandenen.  Münchener  Hs.  des  15.  Jh.  mitgeteilt.  Die 
Lieder,  welche,  sämtlich  bisher  unbekannt,  Hss.  oder  älteren  Drucken  entnommen  sind, 
charakterisieren  vortreiflich  das  Bauernleben  nach  seinen  verschiedenen  Seiten  hin,  in- 
dem sie  uns  entweder  die  Leiden  und  Freuden  des  Bauern  schildern,  seine  Berülirungen 
mit  anderen  Ständen  vergegenwärtigen  oder  dem  naiven  Stolz  des  Bauern  auf  seinen 
Stand,  aber  auch  der  Klage  über  sein  Geschick  Ausdruck  geben.  Der  Herausgeber  hat 
sich  bei  der  Auswahl  nicht  ganz  streng  an  das  Volkslied  gehalten,  sondern  gelegentlich 
auch  volkstümliche  Lieder  bekannter  Vff.  gegeben,  was  aber  der  Einheitlichkeit  des 
Buches  durchaus  nicht  schadet.  Die  Einleitung  charakterisiert  kurz,  aber  ausreichend 
die  Stellung,  die  der  Bauer  und  das  bäuerliche  Leben  durch  die  verschiedenen  Jhh.  hin 
innerhalb  der  deutschen  Litteratur  einnahmen.  Als  eine  der  wertvollsten  Gaben  des 
Buches  muss  das  als  Anhang  N.  3  mitgeteilte  Verzeichnis  von  gedruckten  und  unge- 
druckten Bauernliedern  bezeichnet  werden,  in  welchem  namentlich  die  reichen  Samm- 
lungen von  fliegenden  Blättern  des  18.  und  19.  Jh.  ausgebeutet  sind,  welche  die  Ber- 
liner Kgl.  BibHothek  besitzt.  — 

An    Einzelbeiträgen    zur    Erkenntnis    des  Volksliedes    kommt    folgendes    in 


deutschen  Sprachverein  zu  Innsbruck  am  7.  Jan.  1890.  (=:  Samml.  gemeinversländl.  wissenschaftl.  Vortrr.  NF.  Heft  106.)  Hamburg, 
Verlagsanut.  u.  Druckerei  A.-G.  45  S.  M.  1,00.  —  18)  A.  Hauffen,  Leben  u.  FUhlen  im  deutschen  Volksliede.  (=  Samml. 
gemeinnfltz.  Vortrr.  N.  143.)  Prag,  Haase  (Deutscher  Verein).  19  S.  M.  0,20.  —  19)  G.  Ellinger,  Ueber  d.  Entstehung  d. 
neueren  deutschen  Volksliedes.  Vortr.  geh.  in  d.  Gesellsch.  f.  deutsche  Litt,  zu  Berlin:  DLZ.  II,  S.  930.  (Referat.)  —  20)  G. 
Roethe,  De  Gruyter,  D.  Deutsche  Tagelied:  ADA.  16,  S.  75—97.  —  21)  L.  Fränkel,  Knortz,  D.  deutschen  Volkslieder  u. 
Mtrehen:  LBlGRPh.  11,  S.  11/4.  -  22)  L.  Tobler,  Nachtrr.  zu  d.  Schweiz.  Volksliedern:  AnzSchwG.  S.  90/9.  -  28)  X  J- 
Holte.  D.  Bauer  im  deutschen  Liede.  1[L.  Geiger:  Nation".  7,  S.  536:  R.  Köhler:    DLZ.  11,  S.  1200/1;  Lederer:   LMerkur 


n,2:  G.  Ellinger,  Lyrik  des  15,/16.  Jahrhunderts.  89 

Betracht.  Schönbach  ^4)  teilt  zwei  Volkslieder  mit,  die  wohl  beide  noch  aus 
dem  15.  Jh.  stammen.  Das  erste  ist  ein  Lied  von  der  Martinsgans  in  vier  ungleich- 
massig  gebauten  Strophen,  das  mit  keiner  der  bekannten  Fassungen  als  Ganzes  über- 
einstimmt, im  einzelnen  aber  manche  Anklänge  an  dieselben  zeigt;  wertvollar  und 
älter  ist  der  zweite  Beitrag,  ein  humoristisches  und  frisches  Lied  übar  die  Armut,  am 
Anfange  des  15.,  vielleicht  sogar  noch  im  14.  Jh.  entstanden,  da  es  bereits  in  einem 
von  Keller,  Fastnachtsspiele,  S.  1349  ff.  veröffentlichten  Spruch  benutzt  worden  ist.  — 
Eine  wichtige  Quelle  für  die  Geschichte  des  Volksliedes  erschliesst  B  ölte  25)  in  einem 
Augsburger  Liederbuch  vom  Jahre  1454.  Das  Liederbuch,  welches  aus  einer  Münchener 
Hs.  abgedruckt  ist,  enthält  94  Lieder  (gezählt  sind  97,  doch  kehren  drei  mit  ganz  ge- 
ringen Veränderungen  wieder).  Es  wurde  Ende  November  1454  in  Augsburg  durch 
einen  dort  weilenden  Fremden  geschrieben  und  war  wohl  für  einen  Augsburger  Patrizier 
bestimmt.  Das  Liederbuch  darf  einen  so  hohen  Wert  für  sich  in  Anspruch  nehmen, 
weil  nur  wenige  der  darin  enthaltenen  Lieder  anderweitig  belegt  sind.  Die  Entstehung 
der  mitgeteilten  Lieder  fällt  wohl  durchweg  in  den  Anfang  des  15.  Jh.;  in  der  künst- 
lichen Form  einzelner  Gedichte  macht  sich  der  Einfiuss  des  Meistergesanges  bemerkbar; 
die  im  Volksliede  aus  dem  Minnesang  übernommenen  Redewendungen  und  formelhaften 
Ausdrücke  treten  gerade  in  dieser  Sammlung  mit  besonderer  Stärke  auf.  Von  Autoren 
werden  genannt:  Oswald  von  Wolkenstein,  Hesselloher,  Muskatblüt  und  Güntzburg.  Die 
meisten  Lieder  sind  erotischen  Inhaltes,  geistliche  Lieder  finden  sich  gar  nicht,  andere 
Gegenstände  nur  ganz  gelegentlich.  In  der  Behandlung  der  Motive  der  Liebeslyrik,  in 
der  Art  der  Schilderung  und  Charakterisierung  der  Liebesempfindungen  zeigt  sich  kein 
wesentlicher  Unterschied  zwischen  den  in  der  Sammlung  enthaltenen  Liedern  und  dem 
bereits  bekannten  Material.  Aber  für  den  Reichtum  des  deutschen  Volksliedes  im  15.  Jh. 
legt  das  Liederbuch  aufs  neue  ein  schönes  Zeugnis  ab.  —  Eine  neue  Fassung  eines 
unvollständig  bekannten  Liedes  giebt  ebenfalls  Bolte^s).  Zu  dem  Tanz  der  Messer- 
schmiede in  Nürnberg,  1600,  ist  ein  Lied  verfertigt  worden,  das  J.  Petters  nach  einer 
zu  Prag  befindlichen  hs.  Chronik  in  unvollständiger  Fassung  Anz.  f.  d.  Kunde  d.  deutschen 
Vorzeit  1855,  S.  166  abgedruckt  hat.  B.  giebt  eine  vollständige  Recension  nach  einer 
Hs.  der  Königsberger  Universitätsbibliothek,  indem  er  aber  den  Prager  Text  zur  Besse- 
rung benutzt  und  die  wichtigsten  Abweiclmngen  desselben  anführt.  —  Derselbe  Heraus- 
geber^'?)  druckt  aus?  einem  fliegenden  Blatt  von  1540  (Kgl.  Bibl.  in  Berlin)  ein  Lied 
wider  das  Tanzen  ab;  das  aus  12  neunzeiligen  Strophen  bestehende  Gedicht  macht  auf 
die  schädlichen  Folgen  des  Tanzen s  in  sittlicher  Beziehung  aufmerksam  und  spricht 
eindringliche  Warnungen  aus.  —  Sehr  verderbt  ist  das  gleichfalls  von  Bolte-^)  nach 
einem  fliegenden  Blatt  von  1610  veröffentlichte  Volkslied  „Der  Reiter  und  die  Jungfrau"; 
es  ist  ein,  wie  es  scheint,  aus  drei  ursprünglich  nicht  zusammengehörenden  Lieder- 
fragmenten zusammengesungenes  und  daher  dunkles  und  unverständliches  Lied.  —  Ein 
sechszeiliges  Liedchen  gegen  eine  untreue  Geliebte  mit  origineller  Einkleidung  entnimmt 
Bolte2-^)  einer  vielleicht  von  v.  d.  Hagen  angelegten  Volksliedersammlung.  —  Fünf  Lieder 
nach  fliegenden  Blättern  von  1627  und  1630  druckt  Crecelius^o)  ab;  das  erste  ist 
schon  bei  Uhland  zu  finden,  das  zweite,  ein  derbes  und  munteres  Schlemmerlied,  ist 
zweifellos  schon  im  16.  Jh.  entstanden  (11  achtzeihge  Strophen).  Aus  dem  16.  Jh. 
stammen  offenbar  auch  die  beiden  mitgeteilten  Liebeslieder,  in  denen  nicht  ohne  Anmut 
die  Qual  des  Scheidens  und  des  Entferntseins  von  der  Geliebten  besungen  wird.  — 
Ebenfalls  nach  einem  fhegenden  Blatte  des  beginnenden  17.  Jh.  (1611)  ward  von  Bir- 
linger^i)  ein  halb  episches,  halb  lyrisches  Volkslied  mitgeteilt.  Nach  einem  morali- 
sierenden Eingange,  in  welchem  über  das  allgemeine  Trinken  und  Wirtshausleben  der 
Männer  geklagt  wird,  berichtet  das  Lied  von  drei  Weibern,  welche  ins  Wirtshaus  ge- 
gangen sind  und  dort  einundzwanzig  Mass  Wein  getrunken  haben.  An  dieses  Faktum 
werden  nun  weitere  moralische  Betrachtungen  angeknüpft.  — 

Aus  dem  Beginne  des  17.  Jh.  stammt  ein  Totentanz  (ein  Druck  von  1627  bei 
Well  er),  den  B  ölte  ^2)  nach  einem  Augsburger  Druck  von  1650  bekannt  macht.  Das  offenbar 
im  katholischen  Süddeutschland  entstandene  Gedicht  zeichnet  sich  vor  den  früheren 
Totentänzen  durch  grössere  Lebendigkeit  und  dramatische  Kraft  aus.  —  Einen  späteren 
Totentanz  (um  1700)  druckt  Bolte33-34)    nach  einem  fliegenden  Blatte  des  18.  Jh.  ab.  — 

Auf  der  Grenzscheide  von  Volks-  und  Kunstpoesie  stehen  zwei  erzählende 
Lieder,  von  Crecelius^s)  mitgeteilt.  Das  erste  berichtet  in  siebenzeiligen  Strophen 
nach  Guarini  die  Geschichte  der  verführten  und  dann  ermordeten  Alda;  die  vorliegende 


10,  S.  238;  L.  Fränkel:  ZVolkskunde  2,  S.  445.]  |  (Vgl.  u.  111,2  N.  22.)  —  24)  A.  E.  Schönbach,  Z.  Volkslitt. :  VLG.  3, 
S.  173/7.  -  25)  J.  Bolte,  E.  Augsburger  Liederbuch  v.  J.  1454:  Alemannia  18,  S.  97—127  u.  203—36.  -  26)  id..  Ein  schon 
new  Liedt  von  denn  Meserer  kurtzweillig  zu  lessen  und  zu  singen:  ib.  18,  S.  83/6.  (In  e.  Abhandl.  z.  Gesch.  d.  Tanzes; 
vgl.  I,  5  N.  64  f.)  —  27)  S.  N.  26  u.  II,  5  N.  3.  —  28)  S.  u.  III,  2  N.  13.  -  29)  J.  Bolte,  Findlinge:  Alemannia.  17,  S.  262. 
-  30)  8.  u.  111,2  N.  9.  -  31)  S.  u.  111,2  N.  8.  —  32)  S.  u.  111,2  N.  15.  -  33)  S.  u.  111,2  N.  16.  -  34)  (III,  2  N.  17.)  - 
35)  S.u.  III,  2  N.  12.   —   36)  S.  u.  111,2  N.  11.    —    37)  A.  Birlinger,   Gesch.   Lieder   aus    dem   16./17.  Jh.:    Alemannia   18, 


90  11,2:  G.  Ellinger,  Lyrik  des  15./16.  Jahrhunderts. 

Fassung  ist  einem  fliegenden  Blatte  von  1629  entnommen,  doch  ist  dies  zweifellos  nicht 
der  erste  Druck;  ein  fliegendes  Blatt  von  1607  erwähnt  Weller;  aller  Wahrscheinlich- 
keit nach  ist  das  Lied  im  16.  Jh.  entstanden.  Das  zweite  Lied  behandelt  die  bekannte, 
von  Hans  Sachs  dramatisierte  Geschichte  von  Lorenzo  und  Elisabetha.  — 

Dem  Anfange  des  17.  Jh.  entstammen  sämtlich  die  geschichtlichen  Lieder, 
deren  Kenntnis  wir  Crecelius  und  Birlinger  verdanken.  Höchst  wertvolle  Beiträge 
zur  Zeitgeschichte  gewähren  vier  Lieder  aus  dem  Anfange  des  17.  Jh.  (1622),  von  Cre- 
celius^) nach  zwei  gleichzeitigen  fliegenden  Blättern  veröffentlicht.  Das  erste  drückt 
die  allgemeine  Sehnsucht  des  Volkes  nach  besseren  wirtschaftlichen  Zuständen  aus  und 
teilt  eine  Vision  mit,  die  einem  alten  Manne  in  Preussen  zu  teil  geworden  und  in  der 
ihm  das  baldige  Ende  der  Hungersnot  verkündet  sei;  das  zweite  warnt  vor  dem  über- 
hand nehmenden  Luxus  und  der  Hoffart;  in  dem  dritten  wird  wieder  über  die  Teuerung 
und  die  hohen  Preise  geklagt,  vor  allem  aber  die  Unredlichkeit  der  Verkäufer  hervor- 
gehoben; das  vierte  verkündet  das  baldige  Herannahen  des  jüngsten  Gerichtes.  —  Als 
Fortsetzung  des  oben  N.  31  angeführten  Liedes  bringt  Birlinger  3'')  einige  geschichtliche 
Lieder.  Das  an  zweiter  Stelle  gegebene  Lied  (1610)  schildert  die  furchtbare  Feuersbrunst, 
die  infolge  eines  grossen  Wetters  in  vielen  Dörfern  Badens  und  Württembergs  ent- 
standen sei,  und  fasst  diese  Heimsuchungen  als  Strafe  Gottes  für  die  Verderbtheit 
der  Welt  auf;  das  dritte  (1620)  ist  ein  Landsknechtslied,  in  welchem  nacheinander  ohne 
Rücksicht  auf  das  Bekenntnis  die  zahlreichen  Herren  und  Länder  aufgezählt  werden, 
die  des  Soldaten  bedürfen,  so  dass  dieser  überall  Unterkunft  und  Beschäftigung  findet; 
das  vierte  (1628)  ist  ein  Gespräch  zwischen  einem  Landsknecht  des  in  Baden 
liegenden  Kaiserlichen  Heeres  und  einem  Schweizer;  der  Landsknecht  stellt  den  Schwei- 
zern einen  baldigen  Angriff  durch  den  Kaiser  in  Aussicht;  der  Schweizer  erwidert,  dass 
sie  nach  dem  Beispiel  ihrer  Vorfahren  ihr  Land,  ihre  Weiber  und  Kinder  zu  beschützen 
wissen  würden.  Am  Schlüsse  kommt  ein  Ereignis  aus  dem  Aufenthalte  in  Baden  zur 
Sprache,  wie  nämlich  eine  Dienstmagd,  der  ein  Soldat  die  Ehre  rauben  wollte,  diesen 
mit  einem  Messer  niedergestochen  hat.  Das  fünfte  Lied  (1635)  entwirft  ein  erschüttern- 
des Bild  von  der  in  Schwaben  und  im  Allgäu  1635  herrschenden  Hungersnot  und  mahnt 
zur  Busse.  Die  Jahreszahlen  der  fliegenden  Blätter,  denen  die  Lieder  entnommen  sind, 
werden  bei  den  einzelnen  Stücken  angegeben.  — 

An  Monographien  über  einzelne  Stoff gruppen  des  lyrischen  und  epischen 
Volksliedes  liegen  zwei  kleinere  vor;  die  erste  betrifft  die  Lyrik:  B ölte  38)  weist  die 
alte  Wendung  der  deutschen  Liebespoesie  „Du  bist  min,  ich  bin  din"  an  zahlreichen 
Stellen  des  Volksliedes,  der  geistlichen  und  dramatischen  Poesie,  vornehmlich  des  16. 
und  17.  Jh.  nach.  —  Bolte^^)  giebt  auch  eine  schätzenswerte  Untersuchung  zur  Ge- 
schichte des  epischen  Volksliedes.  Das  Lied  von  der  Jungfrau,  die  sich  nach  dem 
Meister  der  Blumen,  Jesus,  oder  nach  ihrem  himmlischen  Bräutigam  sehnt  und  der 
Jesus  nun  auch  wirklich  erscheint,  um  sie  in  sein  himmlisches  Reich  mitzunehmen,  ist  uns 
in  verschiedenen,  inhaltlich  zum  teil  recht  von  einander  abweichenden  Fassungen  be- 
kannt. B,  teilt  zunächst  ein  episches  Gedicht  aus  einer  in  Lizigkofen  bei  Sigmaringen 
geschriebenen,  jetzt  in  Berlin  befindlichen  Hs.  des  ausgehenden  15.  Jh.  mit.  Das  Gedicht 
behandelt  den  gleichen  Stoff'  wie  die  Volkslieder:  einzelne  ältere  Formen  zeigen,  dass 
es  beträchtlich  früher  entstanden  ist  als  die  Hs.  B.  teilt  die  Fassungen  des  Liedes  in 
drei  Gruppen:  A.  In  den  Liedern  dieser  Gruppe  erscheint  die  Heldin  als  Heidin.  Li 
B  ist  sie  eine  Sultanstochter.  In  den  Liedern  der  Gruppe  C  dagegen  ist  die  Handlung 
auf  christliches  Gebiet  verlegt,  nämlich  nach  Grosswardein ;  die  Heldin  tritt  hier  als 
Tochter  des  Kommandanten  auf.  Am  nächsten  steht  der  Hs.  die  Gruppe  A,  doch  hat 
auch  die  Gruppe  C  noch  einen  altertümlichen  Zug  mit  der  Hs.  gemein,  der  in  A  fehlt: 
die  Abneigung  der  Jungfrau  gegen  den  ihr  von  den  Eltern  aufgedrängten  weltlichen 
Bräutigam.  — 

Auf  eine  bis  jetzt  nicht  bekannte  Ausgabe  des  Frankfurter  Liederbüchleins 
macht  Bolte*o)  aufmerksam;  sie  ist  1600  erschienen.  B.  vergleicht  sie  mit  den  Aus- 
gaben von  1582  und  1590,  verzeichnet  die  sich  ergebenden  Varianten  und  hobt  aus  der 
Ausgabe  von  1600  vier  der  in  den  beiden  anderen  Ausgaben  nicht  enthaltenen  Lieder 
aus.  —  In  populärer  Form  sind  die  aber  immerhin  beachtenswerten  Aufschlüsse 
Schützes  *'-42)  gehalten  über  die  Aj*t,  in  der  auf  dem  Lande  das  lebendige  Volkslied 
durch  die  Gesangvereine  verdrängt  und  unterdrückt  wird;  dazu  werden  noch  einige 
Nachträge  gegeben.  — 

Auf  zwei  bisher  unbekannte  kunstmässige  Lieder  weist  Nagel*^)  hin;  das 
erste  handelt  über  den  Brunnen  zu  Baden  und  ist    von  M.  Muchheimin  aus  Uri  verfasst 


8.  1—16.  —  88)  8.  n.  111,2  N.  21.  —  39)  J.  Bolte,  D.  Sultanstochter  im  Bluinongarten :  ZDA.  34,  S.  18-31.  —  40)  id.,  E. 
nnbek.  Ausg.  d.  Frankfurter  Liederbüchleins:  ib.  S.  167/9.  —  41)  H.  Schütze,  V.  Volksgesang:  Kunstw.  3,  S.  305,7.  (vgl.  IV. 
2  N.  249.)  -   42)   id.,  D.  deutsche  Volkslied  e.  Aschenbrödel:    ib.   4,  S.  66/7.   -   48)  W.  Nagel,    Zwei    unbekannte   Lieder: 


n,2:  G.  Ellinger,  Lyrik  des  15./16.  Jahrhunderts.  •     91 

(Druck  von  1617);  das  zweite,  nach  einer  St.  Gallener  Hs.,  ist  ein  trockenes  Liebeslied 
von  dem  Arzt  Jakob  Ziegler,  geb.  1585.  —  Von  dem  ersten  der  beiden  Lieder  hat 
Tappert**)  auch  eine  Fassung  in  J.  W.  Vindlers  Gedichten  (2.  Aufl.  1653)  ge- 
funden. *5)  — 

Mehr  mit  einer  Gesamtbeurteilung  des  Wertes  der  deutschen  Dichtung  am 
Ende  unseres  Zeitraums  und  im  Mittelalter,  als  mit  Minnesang  und  Kirchenlied,  wie  man 
nach  dem  Titel  vermuten  sollte,  beschäftigt  sich  ein  Aufsatz  von  Biltz*^),  der  deshalb 
auch  an  dieser  Stelle  behandelt  wird.  Der  Vf.  sucht  zu  erweisen,  dass  die  Dichtung 
des  17.  Jh.,  insbesondere  das  Kirchenlied,  der  mittelalterlichen  Poesie,  namentlich  dem 
Minnesang,  an  absolutem  Wert  beträchtlich  überlegen  sei.  Die  Abhandlung  enthält 
manche  treffende  Bemerkung,  eine  wirkliche  Förderung  erfährt  aber  unsere  Kenntnis 
der  darin  verglichenen  Epochen  nicht.  — 


11,3 

Epos. 

Philipp   Strauch. 

Heldensage:  Siegfriedslied  N.  1.  —  Höfischer  Roman:  FUetrer  N.  3.  —  Geschichtliche  Dichtung:  Schwabenkrieg 
N.  5.  —  Erzählung:  Rosenblüt  N.  7;  H.  v.  Sachsenheim  N.  9.  —  Legende:  Genovefa  N.  12;  S.  Nemo  N.  13.  —  Schwauk- 
btlcher:  Kalenberger,  Peter  Leu  N.  15;  N.  Fuchs  N.  16.  —  Reinke  de  Vos  N.  17.  —  Michael  Lindener  N.  19.  —  Fischart 
N.  20.  —  Volksbücher:  SchildhUrgerbuch  N.  25;  Faustsage  N.  26.  — 

Zum  Siegfriedslied  hat  Martin  i)  einen  Beitrag  geliefert.  Im  Besitz  der 
Eirma  Heitz  &  Mündel  in  Strassburg  befindet  sich  eine  Anzahl  von  Holzstöcken,  welche 
grösstenteils  zur  Herstellung  der  Bilder  in  Volksbüchern  des  16.  Jh.  gedient  haben. 
Eine  Auswahl  dieser  Sammlung  ist  nun  wieder  allen  zugänglich  gemacht  ^).  Die  für 
das  Siegfriedslied  bestimmten,  vielleicht  nach  verschiedenen  Vorbildern  angefertigten 
Holzschnitte  konnten  schon  früher  mitgeteilt  werden.  Die  Ausgabe  des  Siegfriedsliedes, 
der  sie  angehörten,  ist  möglicherweise  die  zu  Strassburg  bei  Christian  Müllers  Erben 
1580  erschienene.  Die  Reihenfolge  der  15  Bilder  (eigentlich  14,  da  das  eine  doppelt 
überliefert  ist)  lässt  sich  durch  den  Gang  des  Liedes  feststellen;  zur  besseren  Orien- 
tierung hat  M.  aus  der  Ausgabe  Nürnberg  bei  G.  Wächter  die  entsprechenden  Ueber- 
scliriffcen  verzeichnet.  — 

Das  Verhältnis  von  Ulrich  Eüetrers  „Löwenritter"  zu  Hartmanns  „Iwein" 
wurde  von  Emil  Henrici  ^)  untersucht.  Nach  Michaeler  sollte  Eüetrer  von  Hartmann 
unabhängig  sein,  nach  Hambiu-ger  der  bayerische  Dichter  ganz  mit  seinem  schwäbischen 
Vorgänger  übereinstimmen.  H.  stellt  nun  fest,  dass  Eüetrer  im  „Buch  der  Abenteuer" 
zwar  mehrfach  Hartmanns  „Iwein",  daneben  aber  doch  auch  eine  von  Hartmann  un- 
abhängige Vorlage  benutzt  hat,  welche  weder  eine  der  bekannten  französischen  Hss., 
noch  das  Mabinogion,  vermutlich  aber  eine  diesem  ähnliche  Geschichte  war.  —  Zu  einer 
Stelle  im  Epilog  zu  Eüetrers  „Lohengrin"  teilt  A.  Hartmann  *)  eine  Konjektur  Docens 
mit.  Sie  betrifft  jene  öfter  ausgehobenen  Verse  (vgl.  ZDA.  27,  S.  283),  in  denen  Eüetrer 
zwei  bayerische  Poeten  seiner  Zeit  nennt  und  bescheiden  erklärt,  dass  sie  ihn  selbst 
weit  überträfen:  „Jörg  von  Eysenhoven  ist  der  aine  und  Andre  Hesenlocher";  für  „und 
Andre"  schlägt  Docen  vor  „der  andre"  zu  lesen,  worunter  dann  Hans  Heselloher  zu 
verstehen  wäre.  Die  naheliegende  Konjektur  ist  aber  abzulehnen;  warum  sollten  nicht 
wie  von  Jörg  von  Eysenhoven  so  auch  Gedichte  von  Hans  HeseUohers  Bruder  Andreas 
verloren  sein  können?  — 

Aus  einer  Münchener  Hs.  (Cod.  lat.  Mon.  14053)  teilt  Golther  &)  eine  bisher 
unbekannte  Dichtung  über  den  Schwabenkrieg  von  1499  mit,  die  darum  Interesse 
hat,    weil  sie  von  österreichischem  Standpunkte  aus  verfasst  ist.     Dass    die  Darstellung 


MhMusikG.  S.  94/6.  —  44)  W.  Tappert,  Zu  Baden  nnderm  heissen  Stein:  ib.  S.  207/9.  -  45)  (,111,2  N.  1.)  —  46)  K.Biltz, 
Minnesang  u.  KirchenUed :  KreuzZg.  N.  283,  285,  287.  — 

I)  E.  Martin,  Bilder  z.  Siegfriedslied  v.  1580  (?):  JbGElsLothr.  6,  S.  84-96.  —  2)  P.  Heitz,  Originalabdr.  v. 
Formschneiderarbeiten  d.  16.  u.  17.  Jh.  mit  erläuterndem  Text.  Strassburg,  Heitz  &  Mündel.  Fol.  73  Taf.,  XI  S.  Text.  M.  6,00.  — 
3)  Emil  Henrici,  U.  Füetrers  Löwenritter:  ZDA.  34,  S.  170/8.  —  4)  A.  Hartmann,  H.  HeseUohers  Lieder:  RomanF.  5, 
tJ.  449—518.     (Vgl.   S.   487/9;   zu  Neidhart   Fuchs   in  N.    16    vgl.  S.   489—94.)     —    5)   W.    Golther,   Reimchronik   über   d. 


92  11,3:  Ph.  Strauch,   Epos  des  15./16.  Jahrhunderts. 

sehr  parteiisch  gefärbt  ist,  kann  nicht  Wunder  nehmen.  Der  Vf.  scheint  hei  den  Heeren 
der  Etschleute  mitgefochten  zu  haben,  später  kam  er  auf  den  nordwestlichen  Kriegs- 
schauplatz nach  Konstanz  und  nahm  an  kleineren  Unternehmungen  persönlich  teil.  Die 
tibrigen  Vorgänge  des  Krieges  schildert  er  nach  den  Berichten  anderer  und  darum 
weniger  ausführlich  und  anschaulich.  —  Durch  Golthers  Veröffentlichung  erhält  eine  frühere 
Vermutung  Alfred  Sterns  <>)  willkommene  Bestätigung,  wie  in  einem  Nachtrag  zu  jener 
Edition  konstatiert  wird.  S.  hatte  für  die  ziemlich  verwirrte  Schilderung,  die  S.  Franck 
in  seiner  „Chronica  der  Teutschen"  unter  Berufung  auf  einen  0 esterreicher,  „spötlich" 
Heinrich  von  Bechwind  genannt,  vom  Schwabenkrieg  giebt,  eine  gereimte  Zeitung  als 
Vorlage  vermutet:  die  aufgefundene  Reimchronik  nun  ist  die  Quelle  Francks  gewesen. 
Franck  hat  sich  enge  an  seine  poetische  Vorlage  angeschlossen,  doch  benutzte  er  eine 
Fassung,  die  vollständiger  war  als  die  der  Münchener  Hs.,  wie  aus  zwei  Abweichungen 
erhellt,  die  sich  als  Bereicherungen  der  Franckschen  Version  darstellen.  — 

•  Eine  Ltigendichtung  des  Rotschmiedes  Hans  Rosenblüt  ''),  der  bereits  von 
Wendeler  in  seinem  Archiv  1,  S.  426,  Anm.  20  erwähnte,  bisher  aber  ungedruckte 
Spruch  „Das  alles  in  der  Welt  gut  gehet",  hat  nun  durch  Euling  ^)  eine  Veröffent- 
lichung erfahren.  — 

Eine  treffliche  Charakteristik  hat  Hermann  von  Sachsenheim  durch  Roethe  '■•) 
erhalten.  R.  schildert  die  mit  Jakob  Pütrich  geistesverwandte  und  doch  auch  wieder 
durch  eine  tiefe  Kluft  von  ihm  getrennte  Persönlichkeit  als  begabten  realistischen 
Humoristen  und  volkstümlichen  Allegoristen,  dessen  Art  und  Kunst  bei  allem  Epigonentum 
manchen  Zug  mit  seinem  Lieblingsautor  Wolfram  gemein  hat.  Seine  Dichtungen,  die 
das  Leben  der  Zeit  anschaulich  verwerten,  durchmessen  „in  grossen  Schritten  den 
Weg  von  der  frechen  Parodie  bis  zum  heiligsten  Minneernst"  und  lassen  sich  annähernd 
zuverlässig  chronologisch  bestimmen,  da,  abgesehen  von  thatsächlichen  Angaben  und 
Beziehungen,  der  Sachsenheimer  sich  in  seinen  Gedanken  und  originellen  Ausdrücken, 
Bildern  und  Vergleichen  wiederholt,  dazu  im  Versbau  eine  eigenartige  Technik  aus- 
gebildet hat.  Die  älteste  seiner  uns  erhaltenen  Dichtungen,  die  rohe  Erzählung  von  der 
Grasmetze,  wird  auf  das  darin  behandelte  Motiv  näher  imtersucht.  Dann  folgen  der 
Zeit  nach  die  „Möhrin",  mit  der  das  kurze  Lied  von  Jesus  dem  Arzte  gleichzeitig  sein 
mag,  der  „Spiegel",  den  man  bisher  aber  wohl  mit  Unrecht  für  älter  als  die  „Möhrin" 
ansah,  der  „Goldene  Tempel"  und  das  „Sclileiertüchlein".  Möhrin,  Spiegel  und  Gras- 
metze finden  sich  auch  in  einer  bisher  unbenutzten  Wernigeroder  Hs.  vom  Jahre  1496 
(Förstemann  S.  108  f.),  die  möglicherweise  auch  noch  weitere  vom  Sachsenheimer  verfasste 
Dichtungen  enthält  und  jedenfalls  näheres  Einsehen  verdient.  Zur  Grasmetze  vgl.  aiich 
Bartsch,  Beitrr.  z.  Quellenk.  d.  altd.  Litt.  S.  177  f.  Uebrigens  ist  der  lange  vergeblich  gesuchte 
Grabstein  Hermanns  von  Sachsenheim  in  der  Stuttgarter  Stiftskirche  neuerdings  wieder 
aufgefunden  worden  (vgl.  Slaatsanz.  für  Württemberg  1886,  N.  159).  Die  zwölfzeilige 
Grabschrift  auf  demselben  ist  aber  nur  in  den  vier  Schlusszeilen  identisch  mit  der  bisher 
gemeiniglich  als  solche  angenommenen;  als  Todesjahr  ist  dort  1459  (nicht  1458)  verzeichnet. 
—  „Ein  schöner  Spruch  von  dem  schönen  Schwerdt  Tanz,  den  das  Löbliche  Handwerck 
die  Messerschmidt  gehalten  haben  in  dem  1600 ten  Jahr  den  3.  Februar]",  ein  bereits 
von  Müllenhoff  in  den  Festgaben  für  Homeyer  (1871)  erwähntes  Gedicht  des  Hans 
Weber  von  Nürnberg  wird    von  Ammann^o)   axxs  einer  Nürnberger  Hs.  mitgeteilte^)    — 

Die  Legendenforschung  ist  durch  folgende  Beiträge  gefördert  worden: 
Seuffert  vermochte  in  seiner  Schrift  über  die  Legende  von  der  Pfalzgräfin  Genovefa 
keinen  äusseren  Beweis  dafür  zu  erbringen,  dass  der  Kultus  der  h.  Genovefa  in  alten 
Zeiten  in  der  Nähe  von  Laach,  dem  Entstehungsorte  der  Legende,  in  Blüte  gestanden 
habe.  John  Meier ^2)  weist  nun  aus  einer  Urkunde  vom  Mai  1255  die  Verehrung  der 
h.  Genovefa  in  Namedy  und  Andernach,  also  in  nächster  Nähe  von  Laach  nach  und 
zwar  bereits  für  das  erste  Viertel  des  13.  Jh.,  da  wir  ein  längeres  Weüen  des  Kultus 
an  jenem  Orte  anzunehmen  haben,  ehe  der  Name  zur  Flurbezeichnung  (es  handelt  sich 
um  einen  Wald  „que  communiter  sancte  Geuovefe  Gerenht  appellatur")  verwandt  werden 
konnte.  Die  Vermutung,  es  möchten  der  Vf.  der  Legende  oder  seine  Zeitgenossen,  an 
die  Flurbezeichnung  anknüpfend,  als  ^en  Auffindungsort  der  Genovefa  jenen  Wald  be- 
zeichnet haben,  ist  recht  ansprechend,  da  sie  mit  dem  sonstigen  Verfahren  des  Vf.  im 
Einklang  steht.  — 

Den  Alemannia  16,  S.  193  und  17,  S.  151  besprochenen  lateinischen  und  deutschen 
Fassungen  der  Legende  vom  heiligen  Niemand  fügt  Bolte^^)  nun  noch  ein  mit  den 
lateinischen  Prosalegenden  in  engem  Zusammenhang  stehendes  niederländisches  Gedicht 
des  16.  Jh.  hinzu.  — 


Schwabenkrieg:  AnzSchwG.  NF.  21,  S.  11/8.  —  6)  Alfred  Stern,  Nachtrag  zu  d.  v.  Hrn.  Dr.  Qolther  veröffentlichten  Reimchronik 
tJber  d.  Schwabenkrieg:  ib.  8.  46/8.  —  7)  X  M.  Faber,  Hans  RosenplUt  e.  Rotschinied:  Germania  35,  S.  407-12.  —  8) 
K.  Euling,  E.  LUgendichtung:  ZDPh.  22.  S.  317-20.  —  9)  G.  Roethe,  H.  t.  Sachsenheim:  ADB.  30,  S.  146-52.  -  10)  S.  o. 
1,5  N.  65.  -  II)  (11,5  N.  41.)  -  12)  J.  Meier,  Z.  Entstehungsgesch.  d.  Genovefa- Legende :  VLG.  3,  S.  363/5.  -  13)  J.  B ölte. 


11,3:  Ph.  Strauch,   Epos  des  15./1Ö.  Jahrhunderts.  93 

Von  den  Schwankbüchern^*-^*'')  in  poetischer  Form  haben  der  „Pfaffe 
von  Kaienberg"  und  „Peter  Leu"  durch  Ebeling^")  eine  Erneuerung  erfahren,  die 
leider  in  keiner  Weise  genügen  kann.  Obwohl  der  Herausgeber  in  der  Einleitung 
scharf  mit  der  alten  Edition  v.  d.  Hagens  ins  Grericht  geht,  lässt  seine  eigene  Text- 
gestaltung gleichfalls  viel  zu.  wünschen  übrig,  und  es  ist  auch  zu  bezweifeln,  ob  das  „grosse, 
allgemein  gebildete  Publikiim"  an  diesem  Neudruck  mehr  Gefallen  finden  wird  als  an 
Bobertags  Publikation,  die  nach  E.  jenem  Publikum  „ungeniessbar,  um  nicht  zu  sagen 
degoutant"  sein  müsse.  Auch  diese  Erneuerung  erweckt  wieder  die  alte  Klage,  dass 
diu^ch  derartige,  die  Sprachformen  mehrerer  Jhh.  willkürlich  mischende  Behandlungen 
das  grosse  Publikum  nur  abgeschreckt  werden  kann,  das  Ansehen  unserer  Disziplin 
aber  geschädigt  werden  muss.  Nur  die  Berufensten  dürfen  an  solche  Aufgaben,  den 
alten  Geist  in  neue  Form  zu  giessen,  mit  der  Hoffnung  auf  Erfolg  herantreten ;  zu  ihnen 
aber  gehört  ein  Autor,  der  sich  berechtigt  glaubt,  auf  die  Zunft  geringschätzig  herab- 
blicken zu  können,  nicht.  E.s  Verfahren  ist  im  wesentlichen  dasselbe  wie  das  oft 
getadelte  v.  d.  Hagens.  Wie  mancher  Vers  muss  auch  in  seinem  Text  dem  modernen 
Leser  unverständhch  bleiben!  vgl.  z.  B.  Kalenb.  3G9,  371,  444,  723,  961  f.;  Peter  Leu 
230,  647.  Die  Erklärungen  unter  dem  Text  sind  oft  recht  ungenau  gefasst.  Mit  des 
Herausgebers  Sprachkenntnissen  ist  es  übel  bestellt  (vgl.  z.  B.  K.  391,  442,  728,  749, 
841,  849,  1033,  1054,  2030,  2074;  P.L.  292,  504,  617,  1165,  1491),  beim  Kalenberger 
hat  er  gelegentlich  Druckfehler  seiner  Vorlage  unverbessert  herübergenommen,  falls  es 
sich  nicht  gar  um  Lesefehler  seinerseits  handelt  (vgl.  K.  371,  391,  424,  434,  451,  589, 
2030).  Nachprüfung  ist  unmöglich,  da  E.  für  den  Kalenberger  einen  sonst  unbekannten 
Druck  des  Jahres  1500  (ohne  Ortsangabe)  benutzte,  der  früher  im  Besitz  des  Buch- 
händlers Werle  in  Leipzig  war,  dann  aber  nach  England  verkauft  worden  ist.  Diese  Ausgabe 
nennt  den  Verfassernamen  „Villip  FranckFürter  czue  Wien"  auf  dem  Titel,  schliesst 
dafür  aber  mit  V.  2156  (Bobertag);  er  bietet  keine  Holzschnitte  und  Kapitelinitialen, 
für  die  jedoch  Raum  gelassen  ist,  und  hat  in  dem  benutzten  Exemplare  eine  Textlücke 
von  drei  Blättern  (V.  495 — 668).  Von  kritischem  Werte,  den  E.  diesem  Drucke  beilegt, 
kann  niclit  die  Rede  sein:  der  Text  erweist  sich  als  nicht  lu-sprünglich,  verglichen  mit  dem 
Hamburger  Exemplar  (vgl.  V.  305—8,  346,  498  f.,  583,  637,  667,  771),  und  teüt  die 
meisten  Lesarten  mit  der  Ausgabe  von  1620.  Nur  im  V.  594,  der  gleichfalls  mit  der 
letzteren  übereinstimmt,  könnte  gegenüber  dem  Hamburger  Exemplar  (Bobertag  V.  592) 
das  Reim  wort  „letzen",  aber  auch  nur  dieses,  ursprünglich  sein  („an  eurem  tische  morgen 
letzen"?).  Vom  niederdeutschen  und  englischen  „Kalenberger",  von  Mantels,  Herfoi-ds 
und  Schröders  Aufsätzen,  durch  die  die  von  Flüchtigkeiten  und  haltlosen  Schlüssen 
strotzende  Einleitung  sich  zum  Teil  von  selbst  berichtigt,  weiss  der  Vf.  nichts,  ebenso 
wenig  von  Hartmanns  und  Bosserts  Mitteilungen  über  den  Vf.  von  „Peter  LetP',  Acliilles 
Jason  Widmann,  dessen  Namen  die  Heidelberger  Matrikel  unter  dem  31.  Mai  1551  ver- 
zeichnet (Toepke  1,  S.  611).  Auch  für  das  letztgenannte  Schwankbuch,  von  dem  eine  im 
kgl.  Haus-  und  Staatsarchiv  zu  Stuttgart  aufbewahrte  hs.  Chronik  von  Schwäbisch-Hall 
einen  Prosaauszug  enthält,  will  E.  einen  sonst  völlig  unbekannten  Druck  von  1500  be- 
nutzt haben,  über  den  er  sich  aber  jede  weitere  Bemerkung  erspart  hat.  Uebrigens 
verhält  es  sich  mit  diesem  mysteriösen  Drucke  nicht  anders  als  mit  dem  oben  erwähnten 
Kalenberger -Exemplar,  und  E.  hätte  auch  hier  besser  gethan,  nach  dem  Vorgange 
Schades,  über  dessen  Edition  er  nur  Falsches  bietet,  und  Bobertags  dem  Frankfurter 
Druck  von  c.  1557 — 59  und  dessen  guten  Lesarten  zu  folgen ;  man  vgl.  in  E.s  Text  V.  37, 
45  f.,  218,  290,  314,  473,  497,  513  ff.,  581,  1375,  1426,  1506.  Von  störenden  Druckfehlern 
seien  erwähnt:  K.  232  Hes  „euch";  L.  878  „stoferig",  1451  „bös";  nachP.  L.  1116  ist  ein 
ganzer  Vers  ausgelassen ;  K.  233  ff.  zeigen  falsche  Interpunktion.  Zu  K.  600  s.  Herford, 
Studies  S.  280  f.  Die  Ausstattung  macht  dem  Verleger  alle  Ehre,  und  man  kann  nur 
bedauern,  dass  der  Inhalt  ihrer  so  wenig  würdig  ist.  — 

Dem  Inhalte,  wenn  auch  nicht  der  Form  nach  gehören  die  Schwanke  des 
„Neidhart  Fuchs"  gleichfalls  in  unser  Gebiet.  A.  Hartmanni«)  ist  auf  die  Quellen, 
die  im  N.  Fuchs  benutzt  sind,  eingegangen.  Abgesehen  von  der  Verwertung  echter 
Lieder  Neidharts  (in  N.  23,  24,  28)  erweist  sich  N.  20  als  Bearbeitung  und  Erweiterung 
eines  Liedes  Hesellohers,  N.  25  und  auch  wohl  N.  26  haben  Oswald  von  Wolkenstein 
zum  Vf.  (vgl.  Beda  Weber  S.  114  und  N.  64),  N.  31  sowie  das  dem  Druck  angehängte 
Gedicht  von  Frau  Ehre  kommen  auch  im  Liederbuch  der  Hätzlerin  vor  (S.  —  nicht 
N.  —  69,  N.  91  und  N.  28,  zu  der  jedoch  ADB.  31,  S.  210  zu  vergleichen  ist).  Das 
Schwankbuch  kann  also  in  der  uns  vorliegenden  Gestalt  nicht  über  das  15.  Jh.  zurückgehen. — 

Die  Verfasserfrage  des  „Reinke  de  Vos"   wird  von  Hofmeister^')  gestreift, 


V.  heil.  Niemand:  Alemannia  18,  S.  131/4.  —  14)  X  Till  Eulenspiegel  bearb.  u.  mit  Einl.  u.  Änm.  versehen  v.  R.  Michel.  (=  Meyers 
Volksbücher  N.  710/1.)  Leipzig  u.  Wien,  Bibliogr.  Inst.  112  S.  M.  0,20.  —  14a)  X  A.  Tille,  Eulenspiegels  Grab:  VLO.  3,  S.  501/2. 
(D.  Hinweis  findet  sich  bereits  bei  Lappenberg  S.  330,  vgl.  327,331.)  —  15)  F.W.  Ebeling,  D.  Kahlenberger.  Mit  39  Holzschnn. 
BerUn, Lüstenoder.  VIE,  207  S.  M.  4,00.  |[LCB1.  S.  866;  DDichtung:  .8,  S.  151  ;  Jeep:  DLZ.  12,  S.  1833/4.] |  (Vgl.  o.  1,5  N.  104.)  - 
—  16)  S.  0.  N.  4.  —  17)  S.  0. 1,  4  N.  36.  —  18)  K.  E  u  1  i  ng ,  Mittelniederdeutsche  Gedichte :  Gemaniu  35,  S.  391/9.  —  18a)  (1, 4  N.  83.)  — 


94  11,3:  Ph.  Strauch,    Epos  des  15. /IG.  Jahrhunderts. 

indem  er  gelegentlicli  einer  Zusammenstellung  der  aus  Hermann  Barckhusens  Presse 
stammenden  Drucke  einiges  neue  urkundliche  Material  zur  Lebensgeschichte  des  Druckers 
beibringt.  H.  weist  aus  der  Rostocker  Matrikel  unter  dem  4.  Mai  1480  „Hermannus 
Berkhusen  de  Warberg"  nach,  doch  findet  der  Name  sich  nicht  im  Verzeichnis  der 
Promovierten,  und  es  ist  daher  fraglich,  ob  der  Barckhusen  in  verschiedenen  Schreiben 
beigelegte  Titel  „Mester,  Magister"  wirklich  die  akademische  Würde  bedeutet.  Im 
Jalire  1500  war  Barckhusen  bereits  Ratssekretär  in  Rostock,  sein  Tod  fäUt  ins  Jahr  1528 
oder  Anfang  des  Jahres  1529.  Ebenda  S.  208  f.  wird  ein  Schreiben  des  Herzogs  Heinrich 
von  Mecklenburg  an  die  Stadt  Rostock  (1521)  mitgeteilt,  aus  dem  sich  aufs  neue  die 
Annahme  widerlegen  lässt,  dass  Nikolaus  Baumann  für  den  Drucker  Ludwig  Dietz  den 
„Reinke  de  Vos"  bearbeitet  habe.  —  Eulingi^)  bringt  für  „Reinke  de  Vos"  V.  2695 
eine  annehmbarere  Erklärung  als  die  bislierige.  Der  Vers  „He  hadde  de  seuen  vraude 
nicht  al"  kann  keine  Anspielung  auf  die  sieben  Freuden  der  Maria  enthalten,  sondern 
meint  höchst  materielle,  den  geistlichen  bewusst  nachgebildete  Freuden  (vgl.  Hätzlerin 
S.  270;  Keller,  Erz.  aus  altd.  Hss.  S.  665)  und  ist  daher  mit  „es  geht  ihm  recht 
schlecht"  zu  übersetzen,  i^»)  — 

Ueber  Michael  Lindeners  Leben  und  Schriften  ist  unsere  Kenntnis  durch 
A.  Hart  mann  19)  bereichert  worden,  der  Kaspar  Winzerers  litterarischer  Thätigkeit 
nachgehend,  in  der  Widmung  einer  bisher  unbekannten  Schrift  Lindeners  ein  weiteres 
Zeugnis  für  den  ersteren  fand.  Diese  Schrift,  „Des  Kolers  Glaube"  (o.  0.  u.  J.  Mtinchener 
Staatsbibliothek)  beklagt  die  mannigfachen  Glaubensspaltungen  der  Zeit  und  stellt  unter 
Vorführung  einiger  Exempel  —  eines  teils  gereimten,  teils  in  Prosa  verfassten  Gespräches 
zwischen  dem  Teufel  und  einem  Köhler  (vgl.  Deutsches  Wörterbuch  5,  S.  1591)  und 
der  Geschichte  vom  Pfaffen  im  Kotwege,  die  auch  Pauli  erzählt  (vgl.  Goedeke,  Schwanke 
des  16.  Jh.  N.  182)  —  den  Katholizismus  als  die  wahre  christliche  Kirche  hin.  Es 
ergiebt  sich  hieraus,  dass  Lindener  seinen  Glauben  gewechselt  haben  muss,  da  er  in 
den  meisten  seiner  übrigen  Schriften  unzweifelhaft  als  Protestant  erscheint.  H.  macht 
wahrscheinlich,  dass  Lindener  vor  1550  zum  neuen  Glauben  übertrat.  Jedenfalls  gehört 
der  „Köhlerglaube"  zu  seinen  frühesten  Werken.  In  der  Widmung  stellt  Lindener 
zwei  weitere,  noch  nicht  wieder  aufgefundene  Werke,  die  „Bücher  der  Epigramme"  und 
eine  Schrift  über  Georg  von  Erundsberg  in  Aussicht,  in  welche  er  die  Tliaten  Winzerers 
einreihen  wollte.  Dass  die  Bücher  der  Epigi'amme  wirklich  und  zwar  in  Basel  erschienen 
sind,  erhellt  aiis  der  Vorrede  einer  anderen,  bisher  nur  gelegentlich  von  Scherer 
(Anfänge  des  deutschen  Prosaromans  S.  23)  erwähnten  lateinischen  Arbeit  Lindeners 
aus  dem  Jahre  1557,  einer  Sammlung  von  Sitten-  und  Weisheitssprüchen  in  Distichen, 
die  dem  Augsburger  Domprobste  Marquard  von  Stein  unter  dem  Titel  „Loci  scholasti- 
corum  egregii"  gewidmet  ist.  Auf  einige  historische  W^erke  Lindeners  ist  H.  gleich- 
falls eingegangen.  Aus  der  bereits  von  Wendel  er  citierten,  an  Eabeleien  reichen 
Oettingischen  Wappengeschichte  (1559)  erhalten  wir  zum  ersten  Male  grössere  Proben, 
an  die  sich  eine  kritische  W^ürdigung  anschliesst.  Dagegen  war  der  neueren  Forschung 
völlig  entgangen  die  bei  Jö eher- Adelung  genannte  Weifenchronik  Lindeners  (nicht  vor 
1558),  die  sich  bei  näherer  Prüfung  im  wesentlichen  als  ein  unverschämtes  Plagiat  von 
C.  Bruschius  ,,Monasteriorum  Germaniae  Centuria  Prima"  erweist,  daneben  den  Monachus 
Weingartensis,  möglicherweise  auch  solche  Quellen  benutzt,  die  jetzt  verloren  sind. 
Schliesslich  sei  noch  bemerkt,  dass  H.  auf  Grund  der  neuen  Funde  und  dessen,  was 
wir  sonst  über  Lindener  wissen,  des  Schwankdichters  Lebensverhältnisse  im  Zusammen- 
hange, insbesondere  auch  seine  Beziehungen  zu  Bayern,  behandelt  hat.  — 

Wenden  wir  uns  zur  Fischartforschung,  so  verdient  von  den  Besprechungen, 
die  Bessons  Studie  bisher  erfahren,  die  von  Martin^o)  hervorgehoben  zu  werden,  da 
sie  für  die  Lebensgeschichte  Fischarts  neues  Material  auf  Grund  einer  jüngst  über  das 
alte  Strassburg  erschienenen  Schrift  sowie  einiger  M.  von  Seyboth^i)  mitgeteilter 
Urkunden  beibringt.  Darnach  wohnte  Fischart  wahrscheinlich  bis  1581,  in  welchem 
Jahre  wir  ihn  in  Speier  finden,  im  Hause  Nr.  39  der  Gewerbslauben,  wo  sein  Vater 
Wurzkrämer  war.  Letzterer  muss  recht  vermögend  gewesen  sein,  da  er  wenigstens 
vier  Häuser  in  Strassburg  besass:  das  an  den  Gewerbslauben,  das  im  grünen  Bruch, 
das  zum  grünen  Baum  und  das  am  Staden  gelegene.  Des  Vaters  grosser  Besitz  an 
Liegenschaften  wird  doch  wohl  erst  nach  längerem  Aufenthalt  zusammengekommen 
sein,  und  so  wird  auch  hierdurcli  wahrscheinlich,  dass  Fischart  wirklich  in  Strassburg 
geboren  wurde.    Mentzer  soll  schon  Beiname  des  Vaters  gewesen  sein.   Weihnacht  1589 


19)  A.  Hartmann,  Kaspar  Winzerer  n.  eeinLied.  Mit  Studien  zu  Michael  Lindeners  Leben  u.  Schriften :  OberhayrA.  46,  S.  1— 50. 
(E.  zweiter  Aufsatz  H.s  ib.  46,  S.  195—217  ^Briefe  Winzerers  II  u.  III»  bietet  nichts  Einschlagiges.)  —  20)  P.  Besson,  Etüde 
8ur  Jean  Fischart.  Thöse  de  doctorat  pr^sent^e  i  la  facultö  des  lettres  de  Paris.  Paris.  1889.  |  [LCBl.  S.  937;  A.  Bossert: 
RCr.24,  S.  89;E.  Martin:  ADA.  17,  S.  52/5.]|  —  21)  A.  Seyboth,  D.  alte  Strassburg  v.  13.  Jh.  bis  z.  J.  1870.  Gesch.  Topo- 
graphie,   nach    d.    Urkunden    u.    Chron.    bearb.     Mit    eingedr.   Abbildd.  u.  44  Tafeln.     Strassburg  i.  E.,  Heitz.     40.    XVI,    331  S. 


n,3:  Ph.  Strauch,   Epos  des  15./16.  Jahrhunderts,  95 

lebte  rischart  noch,  1593  war  er  aber  bereits  gestorben;  da  der  Vormund  seiner  Kinder, 
Georg  KirchhofFer,  der  durch  seine  Frau  Barbara  Vischerin  (entstellt  aus  Fischartin)  zu- 
gleich ein  Verwandter  gewesen  zu  sein  scheint,  im  Jahre  1590  der  Familie  die  bedeutende 
Summe  von  100  Pfund  vorzuschiessen  veranlasst  war,  so  vermutet  M.  Fischarts  Tod  in 
diesem  Jahre  (nach  dem  17.  März,  an  dem  er  seinen  „Catalogus  Catalogorum"  abschloss), 
womit  unsere  sonstige  Kenntnis  im  Einklang  steht.  —  Von  Arbeiten  über  Fischartsche 
Schriften 22)  sind  folgende  zu  erwähnen:  Fischarts  gereimtem  „Eulenspiegel"  hat 
Hauffen23)  eine  Untersuchung  gewidmet,  in  der  er  sein  Verhältnis  zum  Volksbuch  in 
anschaulicher  Weise  behandelt.  Entgegen  der  objektiven  Darstellungsweise  des  Volks- 
buches hat  Fischart  sich  in  seinen  Eeimen  „mit  stark  hervortretender  Subjektivität 
seinem  Helden  wie  ein  Lehrmeister  seinem  Schüler  und  Schützling"  gegenübergestellt, 
als  Schüler  Scheits  den  Schalksnarren  zum  Grobianer  umgewandelt.  Aber  damit  ist  nur 
eine  Seite  der  freien  Bearbeitung  beleuchtet.  Schon  diese  Jugendarbeit  zeigt,  wie  sehr 
Fischart  seinen  Lelu-er  an  Talent  und  Wissen,  an  Welt-  und  Menschenkenntnis  über- 
ragt. Fischarts  „Eulenspiegel"  will  kein  Unterhaltungsbuch  sein,  ihm  sind  die  Schwanke 
nur  das  Mittel,  um  zu  erraten,  was  der  erste  Vf.  mit  der  Erzählung  dieser  Eulen- 
spiegeleien bezweckt  haben  möge,  welche  Moral  und  Nutzanwendung  aus  ihnen  zu  ent- 
nehmen sei.  Die  Art,  wie  Fischart  die  Erfurter  Ausgabe  vom  Jahre  1532  bearbeitet 
hat,  wird  von  H.  im  einzelnen  durch  Beispiele  deutHch  gemacht.  Fischart  weiss  den 
Ausdruck  seiner  Vorlage  mannigfaltiger,  den  Vortrag  lebendiger  zu  gestalten,  ihm  stehen 
in  jedem  Augenblick,  für  jede  Situation  Bilder  und  Vergleiche,  volkstümHche  Redens- 
arten und  Sprichwörter,  Beteurungen  und  Verwünschungen,  historische  und  geographische 
Notizen  zu  Gebote;  nie  um  Einfälle  verlegen,  spinnt  er  eine  kurze  Andeutung  weiter 
aus  oder  er  erhöht  die  Wirkung  komischer  Situationen  durch  Aufbieten  eigenen  Witzes 
und  Humors.  Ganz  besonders  aber  konnte.  Fischart  bei  einem  Stoffe,  dessen  Held  aller- 
orten und  in  allen  Kreisen  sein  Unwesen  treibt,  seiner  Neigung  zu  satirischen  Be- 
merkungen über  die  verschiedenen  Stände  fröhnen;  beim  Gelehrtenstand,  dem  er  selbst 
angehörte,  verweilt  er  mit  Behagen  und  lässt  sich  namentlich  über  das  Treiben  auf  den 
Universitäten  des  breiteren  aus;  auch  der  Priesterstand  ist  bei  Fischart  mehr  noch  als 
im  Volksbuche  dem  Spotte  ausgesetzt.  Zum  Schluss  vergleicht  H.  Fischarts  Manier  der 
U  eher  arbeitung  mit  Hans  Sachsens  Art,  Eulenspiegelsche  Schwanke  di'amatisch  zu  be- 
handeln; eine  Parallele  mit  Hans  Sachsens  Eulenspiegelschwänken  in  Spruchform  —  das 
Material  ist  jüngst  durch  Ch.  Schweitzer,  Etüde  siu-  la  vie  et  les  oeuvres  de  H.  Sachs 
S.  444  ff.  vermehrt  worden  —  würde  wohl  noch  lehrreicher  gewesen  sein.  Ein  Neudruck  der 
Fischartschen  Reime  erscheint  in  jeder  Beziehung  wünschenswert.  —  Zur  Quellenfrage 
des  „Glückhaften  Schiffes"  hat  Englert24)  einen  Beitrag  beigesteuert.  Ein  früher 
V.  d.  Hagen,  jetzt  Dr.  G.  Schad  in  Schweinfurt  gehörendes  Ms.  des  16.  Jh.  enthält  eine 
Reihe  von  Schriften,  die  in  willkommener  Weise  das  hs.  Material  für  einige  der  von 
Baechtold  in  den  Mitteilungen  der  Züricher  Antiquarischen  Gesellschaft  von  1880 
edierten  Texte  bereichern.  Es  sind  1)  „Die  Reise  nach  Strassburg  mit  dem  warmen 
Hirs".  Von  den  drei  nun  vorliegenden  Hss.  erkennt  E.  wohl  mit  Recht  der  Strass- 
burger  Hs.  die  Priorität  zu,  vermutet  aber,  dass  Fischart,  der  das  Gedicht  oft  wörtlich 
benutzt,  aus  einer  Fassung  schöpfte,  die  für  uns  durch  das  Schadsche  Ms.  repräsentiert 
wird.  2)  Der  bekannte  Schmachspruch,  der  sich  in  Fischarts  „Glückhaftem  Schiff" 
gedruckt  findet.  Im  allgemeinen  stimmt  der  Schadsche  Text  mehr  mit  dem  Druck  als 
mit  Baechtolds  Text  überein,  doch  fehlen  die  im  Druck  nach  V.  66  (vielmehr  52) 
stehenden  8  Verszeilen,  welche  eine  plumpe  Verhöhnung  des  Protestantismus  enthalten, 
in  Schads  wie  in  Baechtolds  Text.  3)  Das  Gedicht  mit  dem  Titel  „Doctor  Platter  zu 
Basel".  4)  Eine  anonyme  Antwort  auf  den  Schmachspruch  und  das  Pritschenlied= 
Baechtold  S.  123/6,  woran  sich  noch  ein  kurzer  Dialog  reiht,  den  E.  mitteilt,  da  er  sich 
bei  Baechtold  nicht  findet.  Zum  Schluss  wird  auf  einen  bei  Baechtold  nicht  erwähnten 
Bericht  von  einer  im  Jahre  1466  unternommenen  eintägigen  Fahrt  von  Zürich  nach 
Strassbiu-g  aufmerksam  gemacht;  vgl.  Mone,  Quellensammlung  der  badischen  Landes- 
geschichte 1,  S.  349.  — 

Unter  Fischartschem  Einfluss  steht  auch  das  Schildbürgerbuch.  Mit  diesem 
hatte  sich  die  Forschung  seit  v.  d.  Hagen s  Narrenbuch  nicht  wieder  beschäftigt;  erst 
in  jüngster  Zeit  hat  sich  dem  eigenartigen  Werke  das  Interesse  aufs  neue  zugewandt, 
insbesondere  ist  Jeep 2-'^)  um  die  Lösung  des  liier  gestellten  Problems  bemüht  gewesen. 
J.  erweist  im  Gegensatz  zur  frülieren  Annahme  die  Priorität  des  „Laienbuches"  von  1597 


M.  15,00.  (Vgl.  bes.  S.  327:  Nachtrag  zu  S.  60  N.  39.)  —  22)  X  L.  Voigt,  S.  Brant  u.  J.  Pisehart  in  Auswahl.  (r=  Sammlung 
deutscher  Schulausgaben.  N.  38.)  Bielefeld,  Velhagen  &  Klasing.  X,  112  S.  M.  0,50.  (Enthält  v.  Fischart  d.  Glückhafte  Schiff,  d. 
Ermahnung  an  d.  lieben  Deutschen  u.  einige  SprUche.  Vgl.  1,7  N.  48.)  —  23)  A.  Hauffen,  Eischarts  „Eulenspiegel  Reimens- 
weiss":  VLG.  3,  S.  381—94.  —  24)  A.  Englert,  Z.  Glttckhaften  Schiff  Fischarts :  Alemannia  18,  S.  238—44.  —  25)  E.  Jeep, 
H.  F.  V.  Schönberg,  d.  Vf.  d.  Schildbürgerbuches  u.  d.  Grillenvertreibers.  E.  litt.  Untersuchung  über  d.  Schildbürgerbueh  u.  seine 
Portsetzungen.  WolfenbUttel,  Zwissler.    XIV,  145  S.  u.  1  Bl.  M.  3,00.  S.  1-96  GOttinger  Phil.  Diss.  |[W.  Seelmann:  ASNS.  87, 


96  11,3:  Ph.  Str;aiich,   Epos  des  15./16.  Jahrhunderts. 

vor  dem  Scliildbürgerbuch  —  erst  später  wurde  das  „Laleubuch"  als  Geschichte  der 
Schildbürger  „enthüllt"  — ,  vervollständigt  v.  d.  Hagens  Excerpte  aus  dem  Grillenvertreiber 
von  1603  und  giebt  aus  anderen  Schwanksammlungen  Parallelstellen  zu  dieser  Um- 
arbeitung und  Fortsetzung  der  Schildbürgergeschichten.  Von  einem  Vf.  der  „Schildbürger" 
kann,  wie  bereits  Goedeke  betont  hat,  genau  genommen  nicht  die  Rede  sein,  höchstens 
von  einem  Kompilator,  der  die  älteren  Schwanksammlungen  eines  Erey,  Montanus, 
Schumann  und  Kirchhotf  für  seine  Zwecke  ausplünderte ;  aber  auch  da,  wo  unmittelbare 
Quellen  einstweilen  nicht  aufzudecken  sind,  lässt  sich  indirekt  die  Entlehnung  fest- 
stellen. Als  Ganzes  betrachtet,  verdient  das  Schildbürgerbuch  nicht  das  Lob,  das  ihm 
bisher,  abgesehen  von  Gervinus,  gespendet  worden  ist.  Wohl  gelingt  dem  Kompilator 
im  Anfang  die  Verbindung  der  Geschichten  untereinander  in  ganz  treulicher  Weise, 
aber  von  Kap.  29  an,  von  wo  ab  er  seine  Gewährsmänner  meist  wörtlich  ausschreibt, 
ist  alles  nur  lose  aneinander  gereiht,  ein  innerer  Zusammenhaiig  fehlt.  Andrerseits  hat 
man  unbilligerweise  die  Fortsetzung  der  Schildbürgergeschichten  im  Grillenvertreiber  II 
herabgesetzt,  indem  man  sie  kurzweg  als  schwache  Nachahmung  des  Originals  be- 
zeichnete, j.s  sorgfaltige  Vergleichung  zeigt  vielmehr,  dass  die  Fortsetzung  in  der  V^er- 
knüpfung  der  einzelnen  Schwanke  untereinander  das  Vorbild  übertrifft,  vor  allem  aber 
eine  ganz  andere  Menschenklasse  zur  Zielscheibe  nimmt,  jene  Menschen  nämlich,  die, 
weil  sie  sich  von  Jugend  auf  für  weise  halten,  deshalb  geborene  Narren  sind,  während 
die  Schildbürger  aus  übergrosser  Weisheit  zu  Narren  werden.  Im  übrigen  lassen  beide 
Werke  die  gleichen  Mängel  (Widersprüche  und  Wiederholung  der  Motive)  in  der 
Komposition  hervortreten.  Mit  Geschick  verficht  J.  die,  eigentlich  schon  im  Schlusssatz 
der  Vorrede  zum  Schildbürgerbuch  angedeutete  Ansicht,  beide  Werke  hätten  einen  und 
denselben  Vf.:  der  Stil  beider  Werke,  der  Schildbürger  wie  des  Grillenvertreibers  II, 
steht  unter  dem  Einflüsse  Fischarts,  und  auch  sonst  zeigt  die  Sclu-eibweise  die  gleichen 
Eigentümlichkeiten,  in  Anlage  und  Stoffbehandlung  herrscht  Uebereinstimmung,  beide 
endlich  setzen  einen  gelehrten  und  zwar  einen  juristisch  gebildeten  Vf.  voraus,  dessen 
verschiedenen  Pseudonymen  eine  und  dieselbe  Idee  zu  Grunde  liegt.  Doch  steht  das 
Schildbürgerbuch  höher  an  Wert:  es  ist  nicht,  wie  bisher  angenommen,  eine  einfache 
Sammlung  der  vielfach  umlaufenden  Schwanke,  mit  denen  sich  Orte  und  Länder  neckten, 
sondern  eine  Satire,  eine  Personalsatire,  „die  Revanche  eines  geistreichen  Gelehrten 
für  erlittene  Kränkung",  der  es  aber  als  echter  Satiriker  verstand,  das  persönliche 
Pamphlet  zu  einer  allgemeinen  Spottschrift  über  Kleinstädterei  und  Pfahl biu"ger tum 
überhaupt  zvi  erheben.  Nur  auf  diesem  Wege  konnten  die  Schildbürger  zum  Volksbucli 
werden.  Den  Vf.  glaubt  J.  in  der  Person  des  Hans  Friedrich  von  Schönberg,  Hauptmann 
der  Festung  Wittenberg  (gest.  1G14)  ermittelt  zu  haben,  der  1603  im  „Grillenvertreiber" 
unter  dem  Pseudonym  Conradus  Agyrta  von  Bellemont  den  Schleier  der  Anonymität  ein 
wenig  lüftete,  nachdem  er  im  älteren  Laien-  und  Schildbürgerbuch  seinen  Namen  hinter 
dem  deutschen  ABC  und  seiner  hebräischen  Umschreibung  in  einer  Weise  verschanzt 
hatte,  die  die  Lösung  des  Rätsels  fast  ausscliloss.  Es  kann  hier  nicht  der  komplizierte 
Gang  von  J.s  Untersuchung  im  einzelnen  entwickelt  werden.  Ist  auch  der  jugendliche 
Vf.,  der  alles  beweisen  möchte,  in  seinen  Folgerungen  gelegentlich  zu  weit  gegangen, 
so  wird  man  ihm  doch  gern  das  Zeugnis  ausstellen,  dass  er  seine  Hypothese  unter  Ver- 
wertung einer  reichen  Belesenheit  in  der  lokalen  Litteratur  methodisch  und  scharfsinnig 
aufgebaut  hat.  Die  Verfasserfrage  lässt  sich  wohl  nur  im  Zusammenhang  mit  einer 
anderen  beantworten,  der  nämhch,  ob  die  Schildbürger  wirklich  auf  das  sächsische  Schiida 
gemünzt  sind.  Da  j.  in  seiner  Vorbemerkung  diese  Frage  in  überzeugender  Weise  be- 
jaht hat,  so  ist  es  von  vornherein  auch  wahrscheinKch,  dass  der  Vf.  in  gleicher,  sächsisch- 
meissnischer  Gegend  gelebt  hat,  jedenfalls  muss  er  mit  den  meissnischen  Verhältnissen 
vertraut  gewesen  sein.  Nun  bietet  aber  das  Schildbürgerbuch  vielfach  süddeutschen 
Wortschatz,  und  die  Annahme,  dieser  rühre  aus  den  stark  benutzten  oberdeutschen 
Schwankbüchern  her,  reicht  nicht  für  alle  Fälle  aus;  andrerseits  lässt  sich  bei  dem 
von  J.  vermuteten  Vf.  ein  Aufenthalt  in  Oberdeutschland  nicht  nachweisen.  Manchem 
von  dem,  was  J.  zur  Erkläining  dieser  oberdeutschen  Idiotismen  bei  einem  mitteldeutschen 
Autor  im  Schlusswort  (S.  104  ff.)  zu  seinen  Gunsten  anfülirt,  kann  man  zustimmen; 
allerdings  überträgt  er  die  modernen  Verhältnisse  mehr  als  billig  auf  die  Zeit  von  1600 
und  will  auch  hier  zu  viel  erklären.  Dass  dem  mitteldeutschen  Leser  durch  die  ober- 
deutschen Ausdrücke  nicht  selten  das  Verständnis  erschwert  werden,  ja  geradezu  ver- 
schlossen bleiben musste,  dafür  hat  W.  Seelmann  in  seiner  Anzeige  ein  lehrreiches  Beispiel 
gegeben.  Derselbe  Recensent  hat  auch  für  das  Vorhandensein  eines  Schildbürgerbuches 
im  Jahre  1597  (vgl.  Jeep  S.  1  f.)  ein  weiteres  Zeugnis  beigebracht,  wodurch  Laienbuch 
und  Schildbürgerbuch  in  ihrem  Erscheinen  noch  näher  aneinander  rücken;  nach  Verlauf 
weniger  Monate  müsste  sich  unser  Autor  also  für  genügend  gesichert  gehalten  haben, 
um  sein  Pamphlet  an  die  richtige  Adresse  senden  zu  können.  Erklärt  etwa  die  Kürze 
der  Zeit    die    wenig   sorgfältige   Redaktion    des  Schildbürgerbuchs,   verglichen   mit  dem 


'11,3:  Ph.  Strauch,   Epos  des  15./16.  Jahrhunderts.  97 

„Laienbuch"?  Die  durch  J.  nevi  belebte  Schildbürgerfrage  wird  die  Forschung  weiter  zu 
beschäftigen  haben,  für  abschliessend  wird  der  Vf.  selbst  seine  Schrift  nicht  angesehen 
wissen  wollen.  U.  a.  ist  noch  eine  Lücke  in  der  Beweisführung  auszufüllen;  die 
Motive  der  Aenderungen,  Zusätze  und  Auslassungen  der  verschiedenen  Redaktionen  des 
,, Laienbuchs"  müssten  im  Zusammenhang  behandelt  werden.  J.  berührt  aus  Raummangel 
nur  einiges;  eine  Auswahl  aber  kann  nicht  genügen,  und  die  wenigsten  werden  in  der 
Lage  sein,  sie  sich  selbst  aus  den  Originaldrucken  zu  vervollständigen.  Wir  brauchen 
einen  Neudruck  vom  ,, Laienbuch"  mit  Angabe  der  Varianten  der  ,, Schildbürger"  und  des 
Grillenvertreibers  I,  sowie  auch  von  der  Fortsetzung  des  letzteren.  Die  zweite  Fort- 
setzung, die  von  demselben  Vf.  herrührenden  „Hummeln"  des  Jahres  1605,  hat  J.  nur 
anhangsweise  berücksichtigt  und  festgestellt,  dass  sie  nicht  nur  den  „Liber  Vagatorum", 
wie  bekannt  war,  enthalten,  sondern  zu  drei  Vierteilen  aus  einer  Prosaauflösung 
von  Scheits  „Grobianus"  bestehen ,  dessen  Verse  gegen  Schluss  sogar  unverändert 
herübergenommen  werden.  Die  Bibliographie  erwähnt  auch  eine  bisher  unbekannte 
Bearbeitung  aus  den  Jahren  1G03 — 3.7,  sowie  eine  auf  diese  Bearbeitung  zurückgehende 
jüdisch-deutsche  Ausgabe  des  Schildbürgerbuclies ;  ein  weiteres  Exemplar  des  ,, Laienbuchs" 
von  1597  war  im  Antiquarischen  Katalog  N.  144  von  Harrassowitz  (1888)  verzeichnet. 
H.  Klemm  besass  einen  sonst  wohl  unbekannten  Schildbürger-Druck  o.  0.  u.  J.  (ca.  1665, 
s.  Catalogue  ...  de  la  Bibliotheque  de  feu  M.  Henri  Klemm,  Dresden  1889,  N.  1233).  Als 
ältestes  Zeugnis  der  traurigen  Berühmtheit  Scllildas  citiert  J.  (S.  XIII)  Zeiller-Merians 
„Topographia  Superioris  Saxoniae"  (Frankfurt  1650):  in  den  vom  Referenten  eingesehenen 
Exemplaren  fehlen  die  entscheidenden  Stellen  im  Texte;  ein  weiteres  Nachforschen  er- 
gab, dass  J.s  Citat  einem  Nachdruck  der  Originalausgabe  entnommen  sein  muss.  Sollte 
der  Holzschnitt  vor  dem  Schildbürgerbuch  (Bobertag,  Volksbücher  des  16.  Jh.  S.  315) 
nicht  anderswoher  entlehnt  sein?  — 

Mit  der  Faustsage,  soweit  sie  hierher  gehört,  beschäftigen  sich  mehrere 
kleinere  Beiträge.  Geiger-**)  schildert  für  weitere  Kreise  in  knapper,  übersichtlicher 
Darstellung  Faustsage  und  Favistdichtung  vor  Goethe,  Alb  erdin  gk  ThijmS'')  verfolgt 
die  Geschichte  des  Faustbuches  in  der  niederländischen  Litteratur,  Mayerhofer-*^) 
stellt  kurz  zusammen,  was  wir  über  den  historischen  Faust  wissen,  und  weist  namentlich 
auf  die  neuesten  Fu^de  hin;  übrigens  befasst  sich  Szamatolskis  Mitteilung  in  der  VLG.  2, 
S.  156  ff.  nicht  mit  Ulrich,  wie  M.  irrtümlich  angiebt,  sondern  mit  Philipp  von  Hütten. 
—  Mayerhofer^^)  selbst  hat  ein  weiteres  Zeugnis  für  den  historischen  Faust  beigebracht, 
wonach  Dr.  Faustus  Philosophus  am  12.  Febr.  1520  von  dem  Bamberger  Bischof  Georg 
Schenk  von  Limburg  zehn  Gulden  für  eine  ihm  gestellte  Nativität  erhält.  —  Mit  den 
Erfurter  Kapiteln  des  Faustbuches  von  1589  hat  sich  Szamatolski^o)  beschäftigt.  Im 
Gegensatz  zu  Ellingers  Hypothese,  es  habe  zur  Zeit  der  Entstehui]g  unseres  Faustbuches 
noch  eine  zweite  und  zwar  höhere  und  bessere  Fassung  der  gesamten  Faustsage 
existiert,  aus  der,  wenn  wir  von  zwei  kleinen  Trümmern  im  Faustbuch  von  1587  ab- 
sehen, nur  die  Erfurter  Kapitel  in  der  Ausgabe  von  1589  sich  erhalten  liätten,  bezeiclmet 
S.  ein  ganz  bestimmtes  litterarisches  Erzeugnis  als  die  Quelle,  aus  der  sich  der  Redaktor 
von  1589  die  Erfurter  Kapitel  geholt  habe.  S.  weist  nach,  dass  jenes  alte  von 
Motschmann  in  seiner  „Erfordia  literata"  citierte  Chronicon,  dem  dieser  die  mit  den 
Erfurter  Geschichten  des  Faustbuches  übereinstimmende  Partie,  insbesondere  die  Geschiclile 
von  Dr.  Klinges  Begegniuig  mit  Faust  entnahm,  in  der  Olu'onik  des  Mag.  Zacliarias 
Hogel  aus  der  Mitte  des  17.  Jh.  vorliege,  die  wdeder  zusammen  mit  dem  Faustbuch 
auf  eine  gemeinsame  ältei-e  Quelle,  eine  Erfurter  Stadtchronik  des  16.  Jh. 
zurückgehe.  Historische  und  techniscli  -  novellistische  Verscliiedenheiten  sprechen 
gegen  die  Annahme  einer  Priorität  des  Faustbuclies ;  auch  einige  sprachliche 
Formen,  welche  sich  bei  Hogel,  nicht  aber  im  Faust  buche  finden,  weisen 
auf  eine  Quelle  des  16.  Jh.  hin.  Als  diese  gemeinsame  Quelle  macht  nmi  S. 
die  derzeit  verschollene  Erfurter  Chronik  des  Wolf  Wambach  wahrscheinlich,  die  ihrer- 
seits eine  Fortsetzung  der  „Teutschen  Erfurtischen  Chronika"  des  Pfarrers  Reichmann 
war  und  von  1542 — 1556  reichte.  Sub  anno  1556,  wo  der  Tod  Dr.  Klinges  zu  berichten 
war,  wird  Wambach  die  Geschichte  jener  Begegnung  eingeschoben  haben.  Sein  Ge- 
währsmann war  vermvitlich  ein  Mitglied  der  Familie  von  Dennstedt,  in  deren  Hause 
jene  Zusammenkunft  stattfand.  Aus  diesem  Quellemiacliweis  folgert  S.,  dass  die  Erfurter 
Kapitel  aus  der  Sage  im  engeren  Sinne  auszuscheiden  und  in  die  historischen  Zeugnisse 
über  Faust  zu  setzen  seien.    —    Aus  den    ,,Deliciae  biblicae    oder    BibHsche  Ergetzlich- 


S.  82/5;  L.  Fränkel:  LBGRPh.  13,  S.  11/2;  S.  Singer:DLZ.  13,  S.  297/8.]|  -  26)  L.  Geiger,  Faustsagen.  Faustdichtunj  vor 
Goethe:  WIDM.  67,  S.  752—67.  —  27)  P.  Alberdingk  Tliijra,  De  Faustsage  iu  de  NederlaudsAe  letteren.  Gent,  Siffer. 
57  S.  |[ZVLR.  NF.  3,  S.  490.]|  -  28)  J.  Mayerhofer,  Altes  u.  Neues  v.  Dr.  Faust:  AZg.  N.  81.  -  29)  id.,  Faust  beim 
Fürstbischof  v.  Bamberg:  VLG.  3,  S.  177/8.  —  3U)  S.  Szamatölski.  Ueber  d.  Erfurter  Kapitel  d.  Faustbuches.  Vortrag  geh.  in 
d.  Gesellschaft  f.  deutsche  Litt,  zu  Berlin.  Ref.  v.  R.  Lehmann:  DLZ.  11,  S.  251  VossZg.  N.  41.  -  31)  A.  Till  e ,  Anspielungen 
Jahresberichte  für  neuere  deutsclio  Littcraturgasjhichte  J  i' ■  7 


98  11,3:  Ph.  Strauch,  Epos  des  15./16.  Jahrhunclerts. 

keiten"  vom  Januar  1692,  lierausgegebeii  von  Misander  (J.  S.  Adami),  teilt  Tille^i)  zwei 
Erwähnungen  Fausts  mit,  die  wahrscheinlich  direkt  dem  Faustbuch  entnommen  sind.  — 
Zwei  weitere  Anspielungen  auf  die  Sage  bringt  Schüddekopf^S),  deren  eine  sich  in 
einer  Ode  S.  G.  Langes  an  Ramler  (1745)  findet  und  auf  Eausts  Zaubereien  Bezug 
nimmt;  eine  andere,  ähnlichen  Inhalts ^^-aß ),  erwähnt  Uz  in  einem  Briefe  an  Gleim 
(25.  März  1748).  — 


n,4 

D 

rama. 

J 

ohannes  Bolte. 

Allgemeines  N.  1.  —  Mysterien  N.  6.  —  Fastnaclitspiel  N.  10.  —  Einzelne  Dramatiker:  Schweiz  N.  11;  Hessen, 
Sachsen  (Lutherstöcke)  N.  16;  Schwaben,  Franken  (Hans  Sachs),  Bayern,  Württemberg  N.  25;  Oesterreich  N.  37;  Niederdeutsch- 
.  and  N.  40.  —  Musik  N.  47.  - 

Unter  den  allgemeinen  und  zusammenfassenden  Werken,  welche  das  Drama 
unseres  Zeitraums  behandeln,  ist  das  schon  vor  vier  Jahren  erschienene  Buch  Holsteins 
zu  nennen  wegen  der  Anzeige  W.  Seelmanns  i),  der  eingehender  als  frühere  Recen- 
senten  die  Mängel  der  Sclirift  hervorhebt  und  die  Aufgaben  der  Litteraturgeschichte  auf 
diesem  Gebiete  scharf  umgrenzt.  In  Wirklichkeit  betrachte  Holstein,  über  die  im  Titel 
gestellte  Aufgabe  weit  hinausgehend,  die  gesamte  dramatische  Litteratur  des  16.  Jh., 
nütze  aber  seine  vortreffHche  Gruppierung  nach  den  behandelten  Stoffen  nicht  genügend 
aus,  da  er  das  Verhältnis  von  Vorbild  und  Nachahmung,  die  Erage  der  Selbständigkeit 
oder  Entlehnung  selten  untersucht,  welche  gerade  hier  von  grosser  Bedeutung  ist, 
und  auch  selten  auf  Fortschritte  im  Bau  der  Handlung  oder  in  der  Zeichnung  der  Cha- 
raktere aufmerksam  macht.  Trotzdem  verleihe  die  Vertrautheit  des  Vf.  mit  seinem  Stoffe 
der  Arbeit  selbständigen  Wert.  —  Einen  geistreich  und  anschaulich  geschriebenen  Ueber- 
blick  über  den  Lebensgang  des  Schauspiels  in  Deutschland  bis  zum  Auftreten  der  eng- 
lischen Komödianten  liefert  uns  von  Liliencron^);  angehängt  hat  er  eine  Charak- 
teristik der  ältesten  Verdeutschung  von  Shakespeares  „Hamlet".  —  Einer  selir  ergiebigen, 
aber  nicht  ganz  leicht  zu  bewältigenden  Aufgabe  hat  ein  Schüler  Baechtolds,  Reu- 
ling  3)j  sein  erstes  Buch  gewidmet.  Er  verfolgt  das  Auftreten  der  lustigen  Person  im 
geistlichen  Drama  des  Mittelalters,  in  den  Eastnachtspielen,  im  schweizerischen  Volks- 
drama, bei  Hans  Sachs,  den  englischen  Komödianten  und  ihren  Nachahmern  Jakob  Ayrer 
und  Herzog  Julius,  soll  heissen  Heinrich  Julius,  von  Braunschweig  durch  die  Zeit  des 
30j.  Krieges  bis  auf  Christian  Weise  und  Stranitzky.  Die  fleissigen  Excerpte 
machen  die  Arbeit  nützlich,  wenn  man  auch  über  die  Auswahl  luid  Anordnung  der 
Schauspiele  nicht  immer  einer  Meinung  mit  dem  Vf.  sein  wird.  Für  die  Ermittelung 
der  Quellen  einzelner  komischer  Scenen  und  Motive,  für  die  Aufdeckung  des  Zusammen- 
hanges mit  der  Schwanklitteratur  und,  was  von  Weilen  in  seiner  inhaltreichen  Anzeige 
betont,  mit  der  englischen  und  italienischen  Bühne  lässt  R.  seinen  Nachfolgern  das  Meiste 
zu  thun  übrig.  Auch  bricht  er  mit  seiner  Darstellung  eigentlich  zu  kurz  ab,  da  gerade 
der  von  Gottsched  geführte  Kampf  wider  den  Hanswurst  eine  ausführlichere  Darstellung 
gelohnt  hätte.  —  Ueber  die  umfängliche  Materialsammlung  v.  Reinliardstöttners  zur 
Einwirkung  der  plautinischen  Lustspiele  auf  die  modernen  Litteraturen  hat  sich  das  all- 
gemeine Urteil  in  den  verflossenen  fünf  Jahren  so  ziemlich  festgestellt.  So  sagt  uns 
auch  die  ausführliche  Anzeige  Stiefels*)  nichts  Neues  über  ihre  Vorzüge  und  ihre 
Schwächen,  bringt  a^er  reichhaltige  Nachträge,  namentlich  aus  der  itahenischen  und 
spanischen  Dramatik.  —  Der  weitverzweigten  Geschichte  des  Themas  vom  verlorenen  Sohne 


auf  d.  Faustsage;  VLG.  3,  S.  365/7.  —  32)  C.  Schüddekopf ,  Anspielungen  auf  die  Faustsago:  ib.  S.  199-200.  —  33)  X 
Marlowes  Werke.  Hist.-krit.  Ausgabe  v.  H.  Breymann  u.  A.  Wagner.  2.  Doctor  Faustus  her.  v.  H.  Breymann.  (=  Engl. 
Sprach-  u.  Litteraturdenkmale  d.  16.,  17.  u.  18.  Jh.  her.  v.  K.  Vollraöller.  Bd.  5.)  Ulm,  Korler.  1889.  LV,  197  h!. 
M.  4,00.  |[J.  Zupitza:  ASNS.  84,  S.  357.]|  -  34)  X  J-  Texte,  Christophe  Mariowe:  RDM.  97,  S.  892-915.  (Berührt  auch 
Marlowes  „Faust".)  —  35j  X  E.  A.  Paulton,  The  American  Faust.    New-York,  Beiford  &  Co.    (Parodiert  d.  Faustsage.)  — 

I)  W.  Seelmann,  H.  Holstein,  D.  Reformation  im  Spiegelbilde  d.  dramatischen  Litteratur  d.  16.  Jh.:  ZVLR.  3, 
S.  158—61.  —  2)  R.  V.  Liliencron,  D.  deutsche  Drama  im  16.  Jh.  u.  Prinz  Hamlet  aus  Dänemark:  DRs.  17,  S.  242—64.  — 
3)  C.  Reuling,  D.  komische  Figur  in  d.  wichtigsten  deutschen  Dramen  bis  Z.Ende  d.  17.  Jh.  Stuttgart,  GiJschen.  III,  181  S. 
M.  4,00.  |[A.  V.  Weilen:  DLZ.  12,  S.  1412/3.;  J.  Minor:  LBGRPh.  11,  S.  8-9:  Creizenach:  LCBI.  S.  1546;  G.  Ellinger: 
A.'^NS.  fe7,  S.  278-80;  L.  Fränkel:  P.LU.  N.  30.]|    (Vgl.  u    111,4  N.  32.)  —  4)  L.  Stiefel,   K.  v.  Reinhardstöttner,  Plaiitus 


11,4:  J.  Bolte,  Drama  des  15./16.  Jahrhimclerts.  99 

ist  vor  zwei  Jahren  F.  Spengler  in  besonnener  Kritik,  aber  manche  Erage  nur  knapp 
berührend  nachgegangen,  wofür  ihm  von  Weilen  ^)  in  einer  von  Nachweisen  und  Einzel- 
untersuchungen strotzenden  Anzeige  Anerkennung  spendet.  — 

Unter  den  Arbeiten,  die  einzelne  Richtungen  oder  Dichter  behandeln,  nennen  wir 
zuerst  die  auf  mittelalterliche  Mysterien  bezüglichen.  Gaedertz  6)  betrachtet  die  1510  in 
München  gespielte  und  gedruckte  Moralität  vom  sterbenden  Menschen  wesentlich  von 
der  bibliographischen  Seite  ohne  Kenntnis  der  Arbeiten,  die  Aug.  Hartmann  und 
K.  Trautmann  früher  über  das  interessante  Stück  veröffentlicht  haben.  Die  Angabe, 
der  Vf.  habe  aus  einer  1496  erschienenen  „Klag  eines  sterbenden  menschen"  geschöpft, 
bedarf  noch  der  Begründung.  —  Die  Beziehungen  von  Schernbergks  „Frau  Jutta"  (1480) 
zu  der  Helmstädter  und  Stockholmer  Fassung  des  niederdeutschen  Theophilusdramas  er- 
örtert Reicht)  in  besonnener  Weise;  er  zieht  aus  mehreren  wörtlichen  Ueberein- 
stimmungen  in  der  Fürbitte  der  Maria  bei  Christus  den  Schluss,  dass  Schernbergk  den 
Theophilus  kannte.  Dass  er  auch  andere  Dramen  benutzte,  wie  R.  vermutet,  lässt  sich 
sogar  beweisen.  —  Knapp  fasst  Edw.  Schröder**)  das  sicher  Festzustellende  über 
den  Dichter,  der  demnächst  eine  kritische  Ausgabe  erleben  soll,  zusammen.  —  Von 
einem  1520  zu  Gebweiler  aufgeführten  Passionsspiel  berichtet  Bolte  ^)  nach  einer  elsässi- 
schen  Chronik.  — 

Ueber  die  älteren  Fastnachtspiele  ist,  wenn  man  eine  mir  nicht  zugängliche 
Notiz  über  das  Spiel  vom  Tanaweschel  lo)  ausnimmt,   nichts  erschienen.  — 

Bei  der  Aufzählung  der  einzelnen  Dramatikern  gewidmeten  Arbeiten  folge 
ich  der  landschaftlichen  Anordnung  Goedekes.  Für  die  Schweiz  hat  Bächtoldn) 
eine  höchst  willkommene  Veröffentlichung  durch  die  Stiftung  von  Schnyder  von  Warten- 
see ins  Leben  gerufen,  indem  er  mit  Hilfe  seiner  Schüler  eine  auf  drei  Bände  berechnete 
Auswahl  der  wichtigeren  Schweizer  Dramen  des  16.  Jh.,  denen  er  in  seiner  Litteratur- 
geschichte  wie  in  der  ADB.  die  eingehendsten  Studien  gewidmet  hat,  veranstaltet.  Der 
erste  Band  enthält  1)  „Der  reiche  Mann  und  arme  Lazarus"  (Zürich  1529),  herausgegeben 
von  Odinga,  2)  J.  Kolross,  „Fünferlei  Betrachtnisse"  (1532),  von  demselben  Herausgeber, 
3)  H.  Bullinger,  „Lucretia"  (1533),  herausgegeben  von  Baeehtold,  4)  G.  Binders  Verdeut- 
schung von  Gnapheus'  „Acolastus"  (1539),  herausgegeben  von  Bossart,  und  als  Anhang 
das  zuletzt  von  Bartsch  edierte  Fragment  des  Osterspiels  von  Muri  aus  dem  13.  Jh.,  be- 
sorgt von  Baeehtold.  Jedem  Stücke  geht  eine  knappe  sachkundige  Einleitung  vorauf; 
der  Text  ist  urkundlich  getreu  wiedergegeben,  doch  mit  moderner  Interpunktion  und 
Verszählung.  —  In  der  ADB.  hat  Baeehtold  12-15^  folgende  Schweizer  Dichter  behandelt: 
Jac.  Willi.  Ritz,  Hans  von  Rute,  Hans  Salat  und  Jakob  Schertweg.  — 

Ebenda  finden  sich  kurze  Artikel  über  die  Sachsen  Georg  Schmid  und 
Matthäus  Scharschmid,  den  Braunschweiger  Johann  Sanders  und  den  Hessen  An- 
dreas Säur  von  Bolte  i^-'^).  —  Von  L.Mais  Komödie  von  der  Vereinigung  göttlicher 
Gerechtigkeit  und  Barmherzigkeit  lieferte  Theobald  Wolf^O)  eine  überflüssige  Inhalts- 
angabe, während  Martin  Rinckhart,  der  starre  Verfechter  von  Liithers  Nachruhm  auf  der 
Bühne,  in  von  Waldb'erg^i)  einen  verständnisvollen  Biographen  und  in  dem  Pastor 
Trümpelmann22)  einen  bewundernden  Erneuerer  gefunden  hat.  T.  hat  den  1885  von 
Rembe  neu  herausgegebenen  „Indulgentiarius  confusus"  Rinckharts  durch  starke  Kür- 
zungen (der  ganze  letzte  Akt  fehlt)  und  Annähervnig  der  Sprache  an  die  moderne  zu 
einer  Art  Volksdrama,  ähnhch  dem  Lutherfestspiele  Herrigs,  mnzugestalten  versucht. 
Der  Ueberblick  über  die  Geschichte  der  Lutherspiele  in  der  Einleitung  beschränkt  sich 
auf  einige  Citate  aus  Holsteins  oben  erwähntem  Buche.  —  Eine  geistvolle  Charakteristik 
der  Lutherstücke  Rinckharts  und  Kielmanns  giebt  Erich  Schmidt  ^3)  in  seinem  Vor- 
trage über  den  christlichen  Ritter,  der  die  Ausgestaltungen  dieser  durch  Erasmus  beliebt 
gewordenen  und  durch  Dürer  künstlerisch  verwerteten  paulinischen  Allegorie  in  der 
Malerei  des  16.  Jh.,  in  der  Polemik  der  Reformationszeit,  in  der  evangelischen  Erbauungs- 
litteratur  und  endlich  im  Schauspiele  bis  auf  das  erste  Jubiläum  der  Reformation  ver- 
folgt. —  Die  Lebensumstände  des  eben  genannten  Stettiner  Professors  Heinrich  Kielmann, 
dessen  Verdienst  Scherer  zuerst  betont  hat,  beleuchtet  der  sorgsame  Wehrmann  24).  — 

Spätere  Bearbeitungen  plautinischer  Lustspiele.  LBGRPh.  10,  S.  191/9.  —  5)  A.  v.  Weilen,  F.  Spengler,  D.  verlorene  Sohn  im 
Drama  d.  16.  Jh.:  ADA.  16,  S.  113/9;  vgl.  C.  Hei  ne:  LBGRPh.  10,  S.  9— 11 ;  G.  Petz :  Egyotemes  Philologiai  KözlOny  14,  S.  55/9. 

—  6)  K.  Th.  Gaedertz,  E.  MUnchener  Mysterienspiel  im  J.  1510:  MLIA.  59,  S.  527/9;  544/6.  —  7)  A.  Reichl,  D.Beziehungen 
zw.  Schernberks  „spil  von  fraw  Jutton"  u.  d.  Theophilus.  Progr.  Arnau.  S.  9—23.  —  8)  Edw.  Sehröder,  Dietrich  Schernbergk: 
ADB.  31,  S.  120/1.  —  9)  J.  Bolte,  Passionsspiel  in  Gobweiler  1520:  Alemannia  17,  S.  154.  —  10)  E.  Hau  eis,  Ueber  d. 
Influenza  (Tanaweschel) :  HambCorr.  12.  Jan.  —  II)  Schweizerische  Schauspiele  d.  16.  Jh.  bearb.  durch  d.  deutsche  Seminar  d. 
Züricher  Hochschule  unter  Leitung  v.  J.  Bächtold.  Frauenfeld,  Huber.  X,  291  S.  M.  3,60.  |[L.  Hirzel:  AZg«.  N.  172; 
R.  Genöe:  NatZg.  N.  294.] |  —  12)  J.  Bächtold,  J.  W.  Ritz:  ADB.  30,  S.  85.  —  13)  id.,  H.  v.  Rute:  ib.  S.  39.  —  14)  id., 
H.  Salat:  ib.  S.  197/9.  —  15)  id.,  J.  Schertweg:  ADB.  31,  S.  137.  —  16)  J.  Bolte,  Georg  Schmid:  ib.  S.  662/3.  —  17)  id., 
M.  Scharschmidt:  ADB.  30,  S.  613.  —  18)  id.,  J.  Sanders:  ib.  S.  352/3.  —  19)  id.,  A.  Säur:  ib.  S.  420.  —  20)  Theobald 
Wolf,  E.  Sehulkomödie  d.  16.  Jh.:  KBVSiebenbUrgL.  13,  S.  51(4.  —  21)  M.  v.  Waldberg,  M.  Rinckhart:  ADB.  30,  S.  74/ß. 
(Vgl.  u.  III,  2  N.  49.)  —  22)  M.  Rinkarts  Lutherfestspiel  v.  Jahre  1617  (Eislebisch-Mansfeldische  Jubel-Comödie)  für  d.  Gegeuw. 
verfasst   v.  A.  Trümpelmann.    Torgau,  Jacob.   XXVIII,  93    S.    M.  1,50.    [[Kummer:  BLU.  N.  25.]|  —  23)  S.  u.  11,7    N.  37- 

—  24)  M.  Wehrmann,  Beitrr.  z.  porair.ersclien  I.ittcraturgesch.  IV:  Heinrich  Kielmann:  MUUGPommG.  S.  87— 91.  —  25)  C'h* 

7* 


100  Il,4:  J.  Bolte,  Drama  des  15. /16.  JahrlmudertS. 

Unter  den  aus  Schwaben,  Bayern  nnd  Franken  stammenden  Dramatikern 
stellen  wir  billig  Hans  Sachs  voran.  Die  ausführlichste  wissenschaftliche  Monographie 
über  diesen  lange  Zeit  von  der  eindringenden  Forschung  zu  sehr  vernachlässigten  Dichter 
hat  uns  ein  Franzose,  Charles  Schweitzer 23)^  Professor  an  der  Pariser  Universität, 
geliefert.  Mit  grossem  Fleisse  hat  er  das  Material  dazu  auf  deutschen  Bibliotheken 
gesammelt,  auch  einige  ungedruckte  Stücke  mitgeteilt.  Die  Behandlung  der  biogra- 
phischen Nachrichten  zeigt  richtigen  Takt  und  Vorsicht.  Die  in  den  Werken  des  Hans 
Sachs  verstreuten  Bemerkungen  über  seine  Vaterstadt,  die  Reformation  und  die  poli- 
tischen Verhältnisse  sind  sorgsam  zusammengetragen  und  bisweilen  zu  anschaulichen 
Bildern,  wie  dem  eines  Spazierganges  durch  Alt-Nürnberg,  vereinigt.  Nach  einer  Er- 
örterung über  die  moralische  Richtung  und  Bildung  des  Dichters  folgt  eine  eingehende 
Betrachtung  seiner  Werke,  ihrer  Vorzüge  und  Schwächen,  wobei  freilich  die  Leistungen 
der  Zeitgenossen  wie  der  Vorgänger  noch  gründlicher  hätten  berücksichtigt  werden 
sollen.  Dass  auch  sonst  noch  manche  Lücken  z.  B.  in  den  Quellennachweisen  blieben, 
die  von  der  Einzelforschung  auszufüllen  sind,  versteht  sich  von  selbst.  —  Groetze  26-27^^  ^^y 
verdiente  Herausgeber  der  Fastnachtspiele  und  Fortsetzer  der  Kellerschen  Gesamtausgabe, 
hat  einen  knappen,  die  Resultate  der  bisherigen  Forschungen  sachkundig  zusammen- 
fassenden Artikel  in  der  ADB.  veröflPentlicht  und  ihm  ein  schmuckes,  hübsch  illu- 
striertes Bändchen  folgen  lassen,  welches  auf  das  biographische  Moment  den  Nach- 
druck legt  und  von  den  schriftstellerischen  Leistungen  einige  wenige,  dem  weiteren 
Leserkreise  besonders  interessante  heraiisgreift.  —  Die  Arbeit  Gr.  Schumanns  28)  verfolgt 
gleich  Genee  und  Armin  Stein  nur  populäre  Zwecke.  —  Ueber  den  Stand  der  Forschung 
orientiert  kurz  Drescher 29),  der  als  Mitarbeiter  Goetzes  sich  mit  den  Meisterliedern 
eingehender  beschäftigt.  —  Drescher ^o)  betrachtet  auch  ausführlich  das  Verhältnis  des 
Dichters  zur  dexitschen  Heldensage  und  kommt  im  Gegensatze  zu  Tittmann,  der  in  dem 
Drama  vom  hürnen  Seufrid  einen  beachtenswerten  Versuch  zur  Neubelebung  der  alten 
Sage  erblickte,  zu  dem  gewiss  richtigen  Schlüsse,  dass  Hans  Sachs  ein  recht  geringes 
Interesse  an  der  deutschen  Sage,  wie  sie  im  Heldenbiiche  codificiert  war,  nahm  und 
die  Gestalten  Siegfrieds,  des  treuen  Eckharts,  Laurins  und  Dietrichs  von  Bern  nur 
gelegentlich  verwendet.  Häutiger  noch  hat  er  die  langobardische  (Alboin  und  Rosa- 
munde) und  nordische  Sage  (Königin  Theodolinde)  nach  den  geschichtlichen  Chroniken 
pofetisch  bearbeitet.  Einen  Dialog  zwischen  Germania  und  dem  getreuen  Eckhart  vom 
Jahre  1546  teilt  D.  nach  der  Hs.  des  Dichters  mit.  —  Sehr  förderlich  erweisen  sich 
die  von  Michels  ^i)  im  Nürnberger  Archive  angestellten  Forschungen  für  die  Kenntnis 
der  dramaturgischen  Thätigkeit  des  Hans  Sachs.  Aus  den  Ratsprotokollen  erfahren  wir, 
wie  oft  in  den  Jahren  1548 — 1576  Fastnachtspiele  von  ihm  aufgeführt  wurden.  Neben 
ihm  erscheinen  die  Namen  von  Rappolt,  Messerer,  Jörg  Frölich,  Ambrosius  Oesterreicher. 
Ein  Gedicht  ,,Die  27  Spil"  freilich,  das  M.  zuerst  auf  die  vom  Dichter  selber  von  1534 
bis  1551  übernommenen  Schauspielrollen  beziehen  zu  können  glaubte,  erwies  sich  nach- 
träglich als  eine  für  einen  anderen  Nürnberger  angefertigte  Arbeit.  —  Eine  allgemeiner 
gehaltene  Betrachtung  über  den  Entwicklungsgang  der  Nürnberger  Meistersängerschule, 
die  auf  Hans  Sachs'  Veranlassung  um  1550  statt  der  Gesangvorträge  dramatische  Vor- 
stellungen geistlicher  und  weltlicher  Art  gepflegt  zu  haben  scheint,  knüpfte  Michels ^2) 
dann  in  einem  besondern  Aufsatze  an  die  ermittelten  Daten  an.  —  Dem  Nachleben  des 
Hans  Sachs  im  Volksschauspiele  gilt  ein  Aufsatz  von  Bolte  ^■^),  der  ein  schwer  zugäng- 
liches, 1883  von  Weckerlin  mitgeteiltes  Drama  vom  Sündenfalle,  das  noch  1869  im  Elsass 
gespielt  wurde,  abdruckt  und  die  Entlehnungen  aus  der  „Tragedia  von  der  Schöpfung" 
(1548)  und  die  Gemeinsamkeiten  mit  anderen  Volkssclxauspielen  feststellt.  —  Von  an- 
deren südwestdeutschen  Dramatikern  sind  durch  Bolte ^4)  der  Franke  A.  Scharpffenecker, 
der  Binders  „Acolastus"  reproduzierte,  durch  von  Weilen  35-36)  der  Württemberger 
J.  Schlayss,  dessen  Josephdrama  W.  kürzlich  genau  untersucht  hatte,  und  der  Heidel- 
berger Thomas  Schmid,  ein  Erneuerer  von  Wickrams  Tobias,  behandelt  worden.  — 

Den  österreichischen  Dramatiker  Wolfgang  Schmeltzl,  Schulmeister  zu  Wien, 
charakterisierte  Spengler^'?)  mit  Bezugnahme  auf  seine  ausführliche  Monographie  über 
ihn.  —  Zeidler^«)    hat  einige  Nachrichten    über    Wiener  Hoffestlichkeiten    zusammen- 


Schweitzer,  Un  poete  allemand  au  16.  siecle.  6tude  bur  la  vie  et  les  oeuvres  de  Hans  Sachs.  Paris,  Borgor-Levrault.  1887. 
XXI,  471  S.  M.  11,50.  |[E.  Martin:  ADA.  16,  S.111,'3;  Creizenach:  LCBI.  1889,  S.  151;  Bolte:  DLZ.  11,  S.  631  f.;  L.  F  ränkel : 
LBGRPh.  10,S.  254/7;  A.  Chuquot:  tiCr.  2:i,  S.  371/3.]|  (Erst  1889  ausgegeben.)  —  26)  E.  Goetze,  Hans  Sachs:  ADB.  .30, 
S.  113—27.  —  27)  id.,  Hans  Sachs.  (=  Bayerische  Bibliothek  19.)  Bamberg,  Buchner.  76  S.  M.  1,40.  —  28)  ö.  Schumann, 
Hans  Sachs,  e.  deutscher  Handwerker  u.  Dichter.  Nach  seinem  Leben  u.  nach  seinen  Dichtungen  fllr  d.  deutsche  Volk  dar- 
gestellt. Neuwied  u.  Leipzig,  Heuser.  239  S.  M.  2,50.  —  29)  0.  Droscher,  Haus  Sachs.  E.  Erinnerung  z.  6.  Nov.:  AZg».  N.  307. 
—  30)  id.,  Studien  zu  Hans  Sachs  L  Hans  Sachs  u.  d.  Heldensage.  Kerlin,  Mayer  &  Müller.  VlI,  105  S.  (E.  Teil  d.  Aibeit 
[39  S.]  erschien  zuvor  als  Berliner  Dissertation.)  —  31)  V.  Mi  ch  eis,  Z.  Gesch.  d.  Nürnberger  Theaters  im  16.  Jh.:  VLG.  3, 
8.  28-46.  (Nachtr.  S.  615.)  —  32)  id.,  Hans  Sachs  u.  d.  Nürnberger  Singschule:  VossZg».  N.  26/8.  —  33)  .).  Bolte,  Ein 
elsttssisches  Adam-  u.  Evaspiel:  Alemannia  17,  S.  121—34.  —  34)  id.,  A.  Scharpffenecker:  ADB.  .30,  S.  490.  —  35)  A.  v.  Weilen, 
J    Schlayss:  ADB.  31,  .S.  350.  -  36)  id.,  Th.  Schmid:  ib.  S.  693.  —  37)  F.  Spengler,  W.  Schmeltzl:   ib.  S.  637/8.  —  38)  J. 


11,4:  J.  Bolte,  Drama  des  15./'16.  Jahrhunderts.  101 

gestellt,  darin  jedoch  nichts  für  die  Geschichte  des  Dramas  in  unserer  Periode  beige- 
bracht, während  H.  F.  Wagner^s)  eine  Reihe  dankenswerter  Auszüge  aus  den  Salz- 
burger Ratsprotokollen  seit  1540  liefert,  die  uns  über  die  auch  hier  fortdauernde  Sitte 
der  Schulkomödien  belehren.  — 

Avis  der  niederdeutschen  Litteratur  sind  die  beiden  bedeutendsten  ernsten 
Schauspiele  nach  dem  „Verlorenen  Sohne"  des  Burkard  Waldis  durch  neue  Ausgaben 
allgemein  zugänglich  gemacht  worden:  „De  düdesche  Schlömer"  des  Holstein  er  Pfarrers 
Johannes  Stricker  vom  Jahre  1584  und  der  „Isaac"  des  Rostocker  Bergenfahrers  Joachim 
Schlue  aus  dem  Jahre  1606  (vgl.  u.  111,4  N.  1 — 2).  Strickers  von  Bolte^^)  herausge- 
gebene Moralität  ist  einer  der  jüngsten  Sprossen  aus  dem  Stamme  der  Everyman- 
Elckerlijckfabel,  der  1865  Goedeke  eine  musterhafte  Untersuchung  gewidmet  hat;  der 
talentvolle  Dichter  benutzt  den  niederrheinischen  „Homulus"  Genneps  und  den  lateinischen 
„Hecastus"  des  Macropedius,  verwertet  aber  die  hier  empfangenen  Anregungen  völlig 
selbständig  zu  einem  eindringlichen  Sittengemälde  des  verwilderten  holsteinischen  Adels. 
Eine  Biographie  des  Vf.,  Quellenuntersuchungen  und  erläuternde  Anmerkungen  sind  dem 
Texte  beigegeben.  —  Besserungsvorschläge  zu  einzelnen  Stellen  haben  seither 
Sprenger^i)  und  Peters^^'^  geliefert.  —  Was  über  die  alte  Theatergeschichte 
Rostocks  1836  in  Bärensprungs  grösserer  Arbeit  zusammengetragen  war,  hat  Kopp- 
mann'*^)  noch  einmal  sorgsam  geprüft  und  mehrfach  durch  neue  Funde  aus  dem  Rats- 
archive ergänzt.  —  Ebendahin  gehört  auch  K.  E.  H.  Kravises*^)  Artikel  über  den  Schul- 
meister Christian  Schlee,  der  eich  in  Rostock  um  1605  mit  dramatischen  Aufführungen  be- 
schäftigte. '^^)  —  Aus  einem  andern  Teile  des  niederdeutschen  Sprachgebietes,  vom  Nieder- 
rheine,  stammt  die  von  Bolte^ß)  behandelte,  nur  in  einer  hochdeutschen  Umformung 
erhaltene  Posse  „Moorkens  Fell"  des  Dürener  Schulmeisters  Martin  Schmidder,  die 
den  nachmals  durch  Shakespeare  geadelten  Schwank  von  der  Zähmung  eines  bösen 
Weibes  nach  einer  niederländischen  Vorlage  darstellt.  — 

Die  bisher  selten,  wenigstens  nicht  im  Zusammenhange  gewürdigte  musika- 
lische Seite  der  Schuldramatik  des  16.  Jh.  hat  durch  von  Liliencron^'?)  eine  treff- 
liche und  höchst  förderliche  Bearbeitung  gefunden.  Aus  220  lateinischen  und  deutschen 
Stücken  hat  L.  die  ChorHeder  samt  ihren  Weisen  ausgezogen,  21  der  letzteren 
mitgeteilt  und  ihre  Bedeutung  für  die  Entwicklung  der  mehrstimmigen  Musik  festge- 
stellt, in  der  fortan  die  Nebenstimmen  nicht  mehr  fugenartig  zur  Melodie  kontrapunk- 
tiert, sondern  accordisch  an  die  Melodietöne  gebunden  wurden.  —  Bei  dieser  Gelegenheit 
hat  derselbe  Gelehrte 4^)  auch  eine  in  der  Lutherlitteratur  mehrfach  angeführte  Kom- 
position des  „Non  moriar",  die  L.  Senfl  1530  auf  Luthers  Verlangen  anfertigte,  in  einem 
Chorliede  aus  Joachim  Greffs  1545  erschienenem  Lazarusdrama  entdeckt  und  veröffent- 
licht. —  Nagels*^)  Abdruck  mehrerer  Chorlieder  aus  Schweizer  Dramen  derselben 
Periode  ist  durch  die  umfassende  Arbeit  v.  Liliencrons  überholt  worden.  — 


11,5 

Didaktik. 

Gustav  Roethe. 


Geistliche  Didaktik:  Auswahl  N.  1.  —  Dichtungen  N.  3.  —  Prosa  N.  7.  —  Weltliche  Didaktik: 
Gedichte  aus  dem  15.  Jh.  N.  11.  —  Sprüche  und  Sprichwörter  N.  14.  —  Satire  N.  25.  —  Kalender,  Arzncibllclior,  Erdbeben- 
littcratur  N.  35.    —    Loosbücher  und  Kätsel  N.  42.    —    Moralisten  N.  44.  —  Dürer  N.  46.  —  Lorcheimer  N.  47.  — 

An  die  Spitze  meiner  Uebersicht  stelle  ich  die  geistliche  Lehrdichtung 
und    -prosa,    soweit    sie    nicht    in    das  Gebiet  der  Reformationslitteratur  (vgl.  u.  11,7) 


Zeidler:  lieber  Feste  u.  Wirtschaften  am  Wiener  Hofe  wahrend  d.  16.,  17.  u-  18-  Jh.  E.  Skizze:  Jb.  d.  Oesterr.  Gesellsch.  v. 
weiss.  Kreuze.  (S.-A.)  Wien,  Brzezowsky.  18  S.  —  39)  H.  F.  Wagner,  D.  Schuldrama  in  Salzburg:  Zs.  d.  Salzburg.  Lehre rver. 
(S.-A.)  Salzburg,  Dieter.  7  S.  M.  0,50.  |[E.  M.  Werner:  ADA.  17,  S.  75/6.] |  —  40)  Joh.  Stricker,  De  düdesche  Schlömer.  B. 
niederdeutsches  Drama  (1584).  Her.  v.  J.  B  o  1 1  e  (=  Drucke  d.  VNicderdSpr.)  Norden,  Soltau.  1889.  76,  236  S.  M.  4,00.  |[Ph.  Strauch; 

ADA.  16,  S.  329-30;  R.  Sprenger:  LBGRPh.  10,  S.  335/6;  KorrBlVNiederdSpr.  14,  S.  37f.;  A.  Chuquet:  RCr.  24,  S.  86/7: 
A.  Hauffen:  DLZ.  12,  S.  1643.]  —  41)  R.  Sprenger,  Z.  Düdeschen  Schlömer:  JbVNiederdSpr.  15,  S.  91/4.  —  42)  J.  Peters. 
WehrimDUdeschen  Schlömer  v.  970  :  KorrBlVNiederdSpr.  14,  S.  27/8.  — 43)  Vgl.  u.  111,4  N.  19.  —  44)  K.  E.  H.  Krause,  Chr.  Sehlee, 

ADB.  31,  S.  353/4.  —  45)  X  A.  v.  Weilen,  K.  Th.  Gaedertz,  Archivalische  Nachrichten  über  d.  Theaterzustände  v.  Hildesheim. 
Lübeck,  Lüneburg  im  16.  u.  17.  Jh.:  ADA.  16,  S.  331 ,  vgl.C.Heine:  ZVLR.  4,  S.  401/3.-  46)J.Bolto,  M.  Schmidder:  ADB.  31, 
S.  699— 700.  —  47)  R.  v.Liliencron,  D.  Chorgesänge  d.  lateinisch-deutschen  Schuldramas  im  16.  Jh.:  VMusikW.  6,  S.  309—86. 
—  48)  id.,  D.  Non  moriar  aus  Luthers  „schönem  Confltemini";  ib.  S.  123—32.  (Vgl.  u.  II,  6  N.  19.)  —  49)  W.  Nagel,  D.  Musik 
in  d.  schweizerischen  Dramen  d.  16.  Jh.:  MbMusikg.  22,  S.  67— 83.  — 


102  11,5:  G.  Roetho,  Didaktik  de.s   15.  l(i.  Jalirhunderts. 

gehört.  Ihr  ist  der  zweite  Teil  der  reichhaltigen  Auswahl  gewidmet,  die  F.  Vetter i) 
von  der  lehrhaften  Litteratur  des  14.  und  15.  Jh.  veranstaltet  hat.  Doch  enthält  der 
tiberwiegend  mit  mystischer  Prosa  gefüllte  Band  nur  Woiiigos,  das  bis  in  imsere  Periode 
•herabreicht,  und.  dies  Wenige  (u.  a.  H.  v.  Sachsenlicinis  ...Jesus  der  Arzt",  Proben  aus 
Geilers  ,, Hasen  im  Pfeffer"  und  aus  einer  Predigt  „Was  schaden  tantzen  bringt")  bietet 
in  der  Regel  schon  darum  kein  ernstliches  Interesse,  weil  V.  sich  fast  durchweg  begnügt 
hat,  die  Texte  älterer  Ausgaben  einfach  abzudrucken,  xnid  weil  weder  die  kurze  Einleitung 
noch  die  dürftigen  Anmerkungen  bei  ihrer  poy)ulären  Haltung  über  das  Altbekainite 
hinausführen.  Hingewiesen  sei  auf  den  Ausschnitt  aus  dem  Buche  Belial,  den  V. 
aus  einer  Baseler  Hs.  des  Jahres  1453  (vgl.  Wackernagel,  Die  altdeutschen  Hss.  (h'i- 
Baseler  Universitätsbibliothek  S.  ()2  ff'.)  mitteilt;  die  Probe  erzählt,  wie  der  rechtskundige 
Teufel  Belial  seine  Spoliatiousklage  gegen  Jesus  nach  allen  Regeln  juristischer  Kunst  bei 
Gott  Vater  anhängig  macht.  —  Auch  die  Ebstorfer  Liederhs.,  die  Edw.  Scli  i'öder2) 
herausgegeben  hat,  enthält  einiges  Lehrhafte:  neben  gereimten  mid  prosaiscJicn  Sprüclioii, 
die  aiis  der  Bibel,  aus  Eberhard  von  Wampen,  auch  aus  weltlichen  Autoren  und  dem 
Volksmunde  stammen,  namentlich  eine  fragmentariselie  Paraphrase  des  zweiten  Glaubens- 
artikels in  sechshebigen  Reimpaaren,  die  Christi  Schicksale  unter  dem  Bilde  der  roten 
Rose  von  Nazaret  darstellen.  — 

Die  märleinreiche  Predigt  wider  das  Tanzen,  mit  der  Vetter  (s.  o.  N.  1)  seine 
Prosaauswahl  abschliesst,  trifft  wenigstens  im  Thema  zusammen  mit  einer  von  B  ölte-*) 
neu  gedruckten  Dichtung,  einem  zwölfstrophigen  Liede  (gedruckt  1540),  das  vor  der 
Raserei  des  Tanzes  als  einer  Schöpfung  des  Teufels  an  der  Hand  biblischer  Beispiele  warnt. 
—  Ein  Bruchstück  einer  niederdeutschen  geistlichen  Dichtung  in  Reimpaaren  fand 
Wäschke*)  auf  den  vier  Seiten  des  Pergamentumschlages  einer  Zerbster  Rechnung 
von  1581 ;  die  sehr  schlecht  erhaltenen  Verse,  die  übrigens  vor  1450  verfasst  sein  mögen, 
enthalten  eine  christliche  Ermahnung  in  Eorm  einer  Tempelallegorie,  wie  Sachsenheim 
sie  verwendete  und  wie  sie  gerade  der  niederdeiitschen  Poesie  recht  vertraut  war.  — 
Neun  niederdeutsche  Reimgebete  von  sehr  verschiedener  Form  (N.  4  in  zwei  bis  drei- 
hebigen  Versen),  die  Euling«)  aus  einer  Hs.  der  Beverinschen  Bibliothek  zu  Hildes- 
heim veröffentlicht  und  die  zum  kleinen  Teil  schon  in  anderer  Ueberlieferung  bekannt 
waren,  gelten  zumeist  Christus;  N.  5  ist  ein  Ablassgebet;  N.  7,  ein  Lied  auf  Marias 
sieben  Preuden,  veranlasst  den  Herausgeber  zu  einem  flüchtigen  Exkurs  über  Reinke 
de  Vos  V.  2695  und  die  typische  Anwendung  der  Siebenzahl;  N.  6,  ein  Gebet  an  Maria 
und  an  eine  lange  Reihe  weiblicher  Heiligen,  zeigt  hier  nicht  durchweg  gleiche  Strophen, 
während  eine  andere,  von  Mantels  (ZVLübG.  2,  S.  533)  publizierte  Fassung  lauter 
vierzeilige  Strophen  sichert.  Die  letzte  derselben  ist  der  li.  Gertrud  gewidmet,  an  die 
auch  ein  niederdeutsches  Gebet  in  überladenen  Vierzeilern  gerichtet  ist,  das  Edw. 
Schröder^)  aus  einer  Ebstorfer  Hs.  abdruckt.  — 

Wertvoller  ist  die  Förderung,  die  unsere  Kenntnis  der  vorreformatorischen  geist- 
lichen Prosa  der  Epoche  erfahren  hat.  Jostes  hat  es  schon  1885  als  höchst  wahi-- 
scheinlich  erwiesen,  dass  der  treffliche  westfälische  Prediger  Johannes  Veghe  auch  der 
Vf.  eines  bisher  nur  unvollständig  bekannten  Traktates  über  den  „Weingarten  der  Seele" 
und  einiger  ähnlichen  Abhandlungen  sei.  Ludwig  Schulze  '^)  erhebt  jetzt  die  Wahr- 
scheinlichkeit fast  zur  Gewissheit.  In  einer  Berliner  Hs.  (fol.  549)  hat  sich  dieser  „ghees- 
telike  wyngarde",  der  das  Thema  Cant.  7,13  „mane  surgamus  ad  vineas"  in  107  Kapiteln 
zum  Teil  sehr  innig  und  rührend,  zum  Theil  etwas  gesucht  ausdeutet,  nicht  nur  voll- 
ständig erhalten,  sondern  das  Datum  der  Hs.,  1486,  hilft  auch  trefflich  zur  Datierung, 
und  sie  macht  uns  obendrein  eine  neue  Arbeit  offenbar  desselben  Vf.,  „Een  bloemich 
beddiken"  43  Kapitel  über  Cant.  1,16  „lectulus  noster  floridus",  bekannt.  Dass  wirklich 
Veghe  der  Autor  ist,  bestätigen  nicht  nur  inhaltliche  und  stilistische  Momente,  soiiilcni 
auch  die  ausdrückliche  Notiz  der  Hs.:  „dit  boeck  heeft  een  monyck  ghedichtet  van  der 
reguleren  orden";  der  Lebensabriss  Veghes  und  die  Quellennachweise,  die  S.  liefert, 
bieten  im  übrigen  nichts  Neues.  —  In  wie  grossem  Umfange  die  Kirche  schon  vor  der 
Reformation  Gutenbergs  Erfindung  zur  Verbreitung  volkstümliclier  Erbauungslitteratur 
ausnutzte,  das  erweisen  gegenüber  protestantischem  Vorurteil  zwei  verdienstliche 
Schriftchen  von  Falk  ^\  deren  Stärke  freilich  mehr  in  ihrer  bibliographischen  Reich- 
haltigkeit als  in  den  Untersucluingcn  iil)or  Quellen  und  Verw^andtschaft  der  behandelten 
Bücher  beruht.     Das  gilt    n;  mcutlicli    von    der  Arbeit    über    die    gedruckten    deutschen 


I)  Lehrhafte  Litt.  d.  14.  u.  15.  Jh.  2.  Toil.  Geistliches.  Her.  v.  F.  Vetter.  (=r  DNL.  12,  L'.  ^l'iil.)  i;,rlin  u. 
Stuttgart,  Spemann.  o.  J.  VIII,  295  S.  M.  2,50.  -  2)  IM  w.  Scli  rüder,  D.  Ebstorfer  LiediMii-^. :  .II.VXi.(lrnlS|,r.  1"..  S.  1  :;j. 
(Darin  S.  12  f.  Sprüche  in  Prosa;  S.  16  ff.  Sprllcli.'  m  V.i-ru  u.  i,i  Prosa;  S.  18  Gebet  in  Iuiuiimü-.:.  ;  S.  -Jti  f.  l'aniiilini--  .1. 
Glaubensartikel;  S.  27  if.  Bibl.  Zeugnisse  v.  Lohne  d.  anU-n  \Verk.^)  —  3)  J.  Bolto,  E.  Lied  wider  d.  'i'iuizeii :  Alemaiiiiia  18, 
S.  88-91.  —  4)  H.  Waschke,  Mittelniederdeutsches  Gedicht:  MVAnlmltG.  5,8.603/7.  —  5)  K.  Euling,  Mittelniederdeutsche 
geistliche  Gedichte:  Germania  35,  S.  391/9.  —  6)  Edw.  Schröder,  Gebet  in  Reimprosa  an  d.  h.  Gertrud:  JbVNiederdSpr.  15,  S.  32. 
—  7)  Ludwig  Schulze,  Z.  Gesch.  d.  Brüder  v.  fjrcniciiisuiiicii  Lclicii.  :!.  IüsIht  iinlickiinnte  Sclirifti'u  d.  .loh.  Vci^li.-:  ZKG. 
11,  8.  596—619.    -    8)   F.   Falk,   D.   deutschen   Mr.-,-.Vu,s!cKung..u    v.  d.  :»Iiltc  d.  1."..  ,lli.  bi^  /..  J.  lO^n.     Köln,  üaciiem.     18H'J. 


11,5:  G.  Roethe,  Didaktik  des  lö./lß.  Jahrhunderts.  103 

Messauslegungen  bis  zum  Jahre  1525,  welche  Messdeutungen,  -formulare  und  -andachten 
visw.  in  deiitscher  (und  niederländischer)  Sprache  durch  Mess-,  Gebet-  und  Andachts- 
bücher aller  Art,  durch  Postillen,  Seelengärtlein  und  ähnliche  Litteratur  verfolgt:  ein 
Anhang  verzeichnet  sogar  die  reformatorischen  Schriften  über  die  Messe  und  gedenkt 
einer  Messlegende,  die  im  ,, Ritter  vom  Tiu-n"  erzählt  wird.  Jedenfalls  erweist  F., 
dass  die  katholische  Kirche  nicht  daran  dachte,  der  Gemeinde  das  Verständnis  der 
lateinischen  Messe  zu  erschweren,  dass  sie  es  im  Gegenteil  zu  verbreiten  suchte;  eine 
interessante  Ausnahme  bilden  die  eigentlichen  Wandlungsworte,  die  in  der  ältesten 
Aiigsburger  Messauslegung  ganz,  in  der  Ausgabe  Nürnberg  1486  in  einem  Teil  der 
Exemplare  fehlen,  hier  walu-scheinlich  von  der  Mainzer  geistlichen  Censur  ausgeschieden. 
Ein  zwölf  weisen  Meistern  in  den  Mund  gelegter  ,, schon  lieblich  sprach  von  der  heiligen 
mess"  in  Reimpaaren,  von  dem  E.  S.  38  ff.  aus  zwei  Drucken  o.  0.  u.  J.  Proben  giebt, 
ist  jedenfalls  identisch  mit  dem  von  Goedeke,  Grundriss  1 2,  S.  240  aus  Cod.  germ. 
Mon.  4382  angeführten  Messspruch.  —  Den  Vorzug,  dass  ein  und  dieselbe  bildlich  dar- 
gestellte Scene  in  guten  Faksimiles  durch  eine  Anzahl  von  Werken  verfolgt  wird,  teilt 
die  Schrift  über  die  Messauslegungen  mit  Falks  ^-i*^)  wissenschaftlich  tiefer  dringender 
imd  mehr  in  sich  abgesclilossener  Arbeit  über  die  gedruckten  deutschen  Sterbebüchlein  bis 
1520.  Schon  der  Kanzler  Gerson  handelte  1408  im  dritten  Teile  des  ,,Opus  tripartitum" 
unter  Benutzung  der  in  Traktaten  dieses  Inhalts  viel  verwerteten  katechetischen 
,,Admonitio  Sancti  Anselmi"  über  die  Kunst  des  Sterbens.  Sowohl  sein  ganzes  Werk 
wie  das  „dotte  biechlin"  für  sich  wurde  von  Geiler  deutsch  bearbeitet;  Gerson  regte 
aber  auch  die  älteste  lateinische  „Ars  moriendi"  an,  die  ihren  Kern  in  den  gegensätz- 
lichen tentationes  der  fünf  Teufel  und  inspirationes  der  fünf  Engel  hat  und  die  nicht 
zum  wenigsten  durch  die  Bilder  (wahrscheinlich  des  Meisters  E  S)  wirkte.  F.  verzeichnet 
die  teils  stark  gekürzten  und  möglichst  auf  die  Bilder  mit  dem  unentbehrlichsten  Text 
beschränkten,  teils  vollständigen  Uebersetzungen  dieser  ältesten  Ai"t  (zuerst  Leipzig  1493) 
und  sondert  eine  auf  der  Bearbeitung  des  Cardinal  Capranica,  „Speculum  artis  bene 
moriendi"  (1452)  beruhende  andere  Gruppe  deutscher  Uebertragungen  (Augsburg  1473  und 
1476,  Landshut  1520)  ab.  Aber  er  berührt  auch  zahlreiche  weitere  Behandlungen  des- 
selben Themas,  so  Emsers  gereimte  IJebertragung  (1517)  von  des  Baptista  Mantuanus 
Dichtung  „De  contemptu  mortis",  die  auf  Suso  zurückgeführte  dialogische  Klage  eines 
sündig  sterbenden  Menschen  (gedruckt  zuerst  Venedig  1483),  das  Sterbebüchlein  von 
Staupitz,  das  ,,Migrale"  von  Wilhelm  Textor  (gest.  1512),  dessen  Lebensabriss  er  mit- 
teilt, die  Krankenbüchlein  der  edlen  Sidonia  von  Sachsen  und  viele  anonyme  Schriften, 
darunter  auch  eine  poetische  Todesbetrachtung  (Pforzheim  um  1500);  leider  begnügt  er 
sich  meist  mit  Titel-  und  flüchtigen  Inhaltsangaben.  Nachdem  er  dann  noch  die  Lehren 
über  glückseliges  Sterben  in  Moral-  und  Erlaauungsschriften  wie  Eybs  Sittenspiegel, 
Joh.  V.  Paltz'  „Himmlischer  Fundgrube",  Surgants  ,, Manuale  curatorum"  u.  a.  aufgesucht 
hat,  berücksichtigt  er  in  der  Beilage  auch  niederländische  Sterbebücher  und  die  deut- 
schen Cordiale.  — 

Den  Uebergang  zur  weltlichen  Didaktik  mögen  die  1521  geschriebenen  Hand- 
schriften des  westphälischen  Geistlichen  (?)  Ebbeke  Vincke  bilden,  über  die  K.  E.  H. 
Kr  au  seil)  berichtet;  ausser  anderem,  nicht  hierher  Gehörigem  enthalten  sie  Friedrich 
von  Hennenbergs  „Geistliche  Rüstung"  in  neuer  Ueb erlief erung,  ferner  ein  bisher 
unbekanntes  Gesprächsgedicht  Kerchoffs,  „Eventure  wo  de  wyssheyt  aver  de  manheyt 
claget",  und  einen  Reimspruch  über  das  Thema  ,,0  mulier,  all  der  werlde  meister",  die 
übliche  Aufzählung  der  durch  Frauen  betrogenen  grossen  Männer.  —  Eine  Lügendichtung 
in  Reimpaaren,  als  deren  Verfasser  sich  in  der  Schlusszeile  der  Schnepperer  nennt,  die 
aber  gewiss  nicht  von  Rosenplüt  ist  —  der  Schluss  erinnert  an  Rosners  Spruch  von 
den  Handwerken  — ,  gab  Eulingi2)  aus  einer  Nürnberger  Hs.  des  15.  Jh.  heraus: 
ein  wunderliches  Sammelsurium  von  den  in  der  mittelalterlichen  Lügenpoesie  typischen 
Motiven:  teils  verkehrte  Welt,  teils  politische  Satire,  teils  Schlaraffenland,  teils  Schilderung 
einer  tadellos  tugendhaften  Zeit,  wie  in  Muscatplüts  62.  Spruch,  teils  sinnlose  Kombi- 
nationen ohne  Hintergedanken.  —  Zu  den  Scherzdichtungen  gehört  auch  ein  Quodlibet 
des  Münchener  Cod.  germ.  270,  15.  Jh.,i3)  ein  „Geplerr"  im  Stil  der  noch  heute 
bekannten  Kinderpredigt,  dessen  Witz  darin  besteht,  dass  kurze  harmlose  Weisheits- 
sprüche, die  sonst  in  einzelnen  Reimpaaren  auftreten,  hier  durch  Reimbrechung  ganz 
äusserlich  und  zusammenhanglos  mit  einander  verknüpft  werden.  — 

Als  Verfasser  kurzer  zwei-  oder  vierzeiliger  Sprüche  ist  uns  neu  bekannt 
geworden    der    Pfarrer  Bartholomäus    Mulich    zu    Obereichstätt    im    Dekanat    Ingolstadt 


55  S.  M.  1,20.  —  9)  id.,  D.  deutsclien  Sterbebllchlein  v.  d.  ältesten  Zeit  d.  Buchdruckes  bis  z.  J.  1520  mit  9  Faksimiles.  Köln, 
Bachern.  VIII,  83  S.  M.  1,80.  —  10)  X  id.,  D.  älteste  Ars  moriendi  u.  ihr  Verhältnis  z.  „Ars  moriendi  ex  variis  scripturarum 
seutentus",  zu  „D.  löbliche  und  nutzbarliche  BUehlein  von  dem  Sterben",  u.  z.  „Speculum  artis  bene  moriendi"  :  CBlBibl.  7,  S.  308—14. 
(Nur  e.  Kap.  aus  N.  9.)  —  II)  K.  E.  H.  Krause,  Niederdeutsche  Hss.  IbVNiederdSpr.  16,  S.  83/8.  —  12)  K.  Eulin g,  E. 
Lügendichtung:  ZDPh.  22,  S.  317—20.   —   13)  id.,   E.   Quodlibet:  ib.     S.  312/7.   —   14)   R.  Schmidt,  Hs.  Eintragungen  in  e. 


104  11,5:  G.  Roethe,  Didaktik  des  15./]  6.  Jahrhunderts. 

(geb.  1419,  als  Plebaii  erwiesen  1473 — 80);  in  ein  Exemplar  der  „Disticha  Catonis",  das 
er  1477  dem  Kloster  Rebdorf  schenkte  und  das  jetzt  im  Besitze  von  E..  Schmidt  ^*-i5) 
in  Zörbig  sich  befindet,  trug  er,  wie  es  scheint,  für  Predigtzwecke,  deutsche  Reime 
ein,  die  die  sämtlichen  56  Prosasprüche  des  ,,Cato"  in  Reimpaaren,  sowie  5  Disticha 
in  Vierzeilen,  nicht  ohne  Missverständnisse  und  leere  Plickworte,  aber  selbständig 
wiedergeben.  —  In  niederdeutsche  Prosa  übertrug  der  Konrektor  der  Münsterer 
Domschule,  Joh.  Murmellius,  1513  44  lateinische  Proverbia,  die  er  zu  Lehrzwecken  seiner 
„Pappa  puerorum"  einverleibt  hatte  ^^);  er  übertrug  sie,  ersetzte  sie  aber  nicht  etwa  durch 
deutsche  Sprichwörter.  —  lieber  Eucharius  Eyering  und  seine  poetische  Sprichwörter- 
sammlung hat  Schaubach  1'^)  fördernde  Forschungen  angestellt,  die  namentlich  das 
Lebensbild  des  Dichters  durch  archivalisches  Material  bereichem.  Ob  er  1518  oder  1520 
geboren  ist,  war  nicht  festzustellen,  wohl  aber  seine  geistliche  Laufbahn  (18.  Dez.  1540 
Tonsurista,  3.  Juni  1542  Presbyter  saecularis)  aktenmässig  zu  belegen;  seine  Studienzeit 
in  Leipzig  scheint  erst  hinter  seinen  Uebertritt  zur  lutherischen  Kirche  zu  fallen;  als 
Pfarrer  in  Streufdorf  hat  er  sich  bei  Visitationen  als  unwissend  und  „in  der  Lehr 
ergerlich"  erwiesen:  er  leugnete  z.  B.  die  Notwendigkeit  der  Erbsünde.  Die  letzte 
Lebenszeit  vergälhe  dem  alten,  erblindenden  Herrn  heftiger  Streit  mit  seinem  Adjunkten 
Langer;  er  starb  15.  Okt.  1597.  Im  Verzeichnis  seiner  Werke  fehlen  bei  Schaubach 
die  '„Evangelia  von  den  fürnelimsten  Pesten  durchs  ganze  Jahr,  Gesangs-weise"  (Wetzel, 
Anal.  hymn.  I  2,  S.  59).  Die  Arbeit  an  der  Sprichwortsammlung,  die  erst  aus  seinem 
Nachlass  herauskam,  scheint  Eyering  wesentlich  in  der  alphabetischen  Folge,  die  der 
Druck  zeigt,  bis  ca.  1593  (schon  seit  1552?  begann  er  bei  Oslanders  Lebzeiten?) 
beschäftigt  zu  liaben:  von  Agricola,  dessen  Sprichwörter  er  und  zwar  in  der  Ausgabe 
von  1534  benutzte,  ist  er  lange  nicht  so  abhängig,  wie  gewöhnlich  angenommen  wird; 
unter  seinen  905  Abschnitten  treffen  nur  127  mehr  oder  weniger  mit  den  entsprechenden 
Sprichworterklärungen  Agricolas  zusammen.  Unzulänglich  sind  S.s  metrische  Bemerkungen. 
—  Von  den  vereinzelten  Sprüchen  in  Reimen  und  in  Prosa,  die  aus  Hss.  und 
Drucken  mitgeteilt  wurden  ^^-^o^  (vgl.  o.  N.  2),  hebe  ich  Schönbachs^i)  Funde  aus 
St.  Galler,  Münchener  und  namentlich  Wiener  Manuskripten  hervor  wegen  des  Bruch- 
stücks eines  Spottliedes  auf  verschiedene  Orte  (Braunau,  Affenheim)  und  wegen  eines 
Dutzends  Rätselfragen  (vgl.  u.  N.  43)  im  Stil  des  Strassburger  Rätselbüchleins.  — 
Ausser  Eyering  und  Sandrub  ^2)  ist  von  den  Lehrdichtern  der  Epoche  sonst  nur  Johannes 
Stumpf,  der  Schweizer  Chronist,  behandelt  worden,  und  zwar  in  einem  Neujahrsblatt 
der  Züricher  Stadt bibliothek  bei  Gelegenheit  einer  prächtig  ausgestatteten  Faksimile- 
ausgabe  seiner  Lobsprüche  auf  die  dreizehn  Orte  (nach  dem  sehr  seltenen  Drucke 
Basel  1573)23).  Weder  die  dürren,  steif  geschichtlich  gehaltenen  Verse,  je  7  Reimpaare 
für  den  Ort  (nur  für  Unterwaiden  8),  noch  die  plump  stilisierten  Städtebilder,  die  auf 
Stumpfs  Chronik  zurückgehen,  stehen  künstlerisch  hoch.  Etwas  stimmungsvoller  sind 
die  umfänglicheren  Sprüche  zu  Ehren  der  acht  alten  Orte  geraten,  die  nach  einer  der 
genannten  Bibliothek  gehörigen  Abschrift  des  Sohnes  Joh.  Rud.  Stumpf  vor  jener 
Ausgabe  zum  ersten  Male  mitgeteilt  sind;  bei  Uri,  Schwyz  und  Unterwalden  zumal  hebt 
der  sehnsüchtige  Rückblick  auf  die  guten  alten  Zeiten  Teils  den  Ton  des  patriotischen 
Dichters  ein  wenig.  Die  Einleitung  des  Neujahrsblattes  bringt  ausser  bibliographischen 
Angaben  und  einem  Verzeichnis  anderer  Lobsprüche  auf  Schweizerstädte  eine  kurze 
Biographie  und  Charakteristik  Stumpfs  und  darin  den  neuen  urkundlichen  Nachweis, 
dass  er  sich  vor  Ostern  1573,  73  Jahre  alt,  zum  vierten  Mal  und  zwar  mit  der  75jährigen 
Agnes  Edlibach  vermählte  und  den  6.  März  1574  überlebte  (er  starb  wohl  1576).  — 
Einen  Nachtrag  giebt  Bächtold24):  es  sind  zwei  geschäftliche  Briefe  des  Pfarrers 
Joh.  Meyer  aus  Stammheim  an  Stumpf  aus  den  Jahren  1568 — 73  und  vor  allem  eine 
Eingabe  H.  Bullingers  „für  den  Dechan  von  Stammheii^i,  H.  Hans  Stumpf",  1569  an  den 
Züricher  Rat  um  Besserung  der  dürftigen  Einkünfte  des  Dekans  gerichtet.  — 

Reicher  sind  die  Satiriker  der  Periode  bedacht  wordenes).  Die  Sprache 
Mumers  (vgl.  u.  11,7  N.  66 — 8)  sucht  Lauchert26)  darzustellen,  vorzugsweise  auf  Grund  von 
Strassburger  Dinicken:    doch    trägt  die  Lautlehre    mit  ihi'en  dürftigen  Belegen,    die    das 


Inknn.-Dnitk:  Sammler.  12,  S.  7,  18,  19,  32,  40/3.  (Der  Aufsatz  bringt  nur  Proben.)  —  15)  id..  Nachträgliches  zu  B.  Muliclis 
Eintragungen:  ib.  S.  153.  —  16)  P.  Bahlmann,  D.  Sprichwörter  aus  d.  Joh.  Murmellius  „Pappa  Puerorum":  Germania.  35,  S. 
400/2.  —  17)  Schaubach,  Eucharius  Eyering  u.  sojne  SprichwOrtersammlung.  Teil  I.  Progr.  d.  Gymn.  Georgianum  zu  Hildburg- 
haus^n  (Progr.  Kr.  CöO).  Ilildburghauscn,  Gadow  u.  Sohn.  40.  32  S.  —  l8)XJBolte,  Alemannia.  18,  S.  118.  (Spruch  über  d. 
menschl.  Lebensalter  ans  d.  Augsburger  Liederbuch  von  1454.)  —  19)  X  Ed  w.  Schröder,  Noujahrswunsch  aus  d.  J.  1520: 
KBlVNicderdSpr.  14,  S.  85.  (Roimspruch  in  e.  aus  Höxter  stammenden  Marburger  Hs.)  —  20)  X  0.  Terburg-Armi  nius,  Merk- 
würdige Grabinschriften:  Hann.  Cour.  37,  N.  16328,  S.  1/2.  (Lauter  längst  bekannte  Epitaphien.)  —  21)  A.  E.  Schönbach, 
Spruche  u.  Spruchartiges  aus  Handschriften:  VLG.  3,  S.  359—63.  —  22)  X  R-  Boxborgor,  Lazarus  Sandrub:  ADB.  30,  S.  361. 
(Ganz  wertlos.)  —  23)  Joh.  Stumpfs  LobsprUche  auf  d.  dreizehn  Orte,  nebst  e.  Beitr.  zu  seiner  Biographie.  Neujahrsblatt,  her. 
T.  d.  Stadtbibl.  in  Zürich  auf  d.  Jahr  1890.  Zürich,  Orell  Füssli  u.  Co.  gr.  40.  16  S.  u.  14  Bll.  M.  2,40.  (Einleitung  —  anonym 
—  von  Bachtold.)  —  24)  J.  Bachtold,  Z.  Biographie  d.  Joh.  Stumpf:  AnzSchwG.  1890,  S.  82/4.  —  25)  X  J-  Werner, 
De  Scurris:  Alemannia.  18,  S.  64.    (Kurzer  Spottreim  auf  d.  Bettclordcn.)  —  26)  F.  Lauchert,  Studien  zu  Thomas  Murner: 


11,5:  G.  Roethe,  Didaktik  des  15./16.  Jahrhnnderts.  105 

Gesetzmässige  nicht  sicher  erkennen  lassen,  einen  unbefriedigend  zufälligen  Charakter, 
zumal  die  Reime  nicht  gehörig  in  den  Vordergrund  gerückt  sind,  und  manches  ist 
geradezu  fehlerhaft  (so  soll  z.  B.  in  „dag"  das  d  aus  t  entstanden  sein,  der  Genetiv 
,,des  rechten"  zu  „das  recht"  gehören  usw.);  der  syntaktische  Abschnitt  besteht  gar  nur 
aus  ein  paar  Belegen  des  Genetivgebrauchs,  und  das  Wörterbuch,  das  bisher  bis 
„ernieten"  reicht,  bringt  nur  s.  v.  „buchen"  einen  Beitrag  zur  Erklärung;  vgl.  auch 
S.  169  f.  iiber  ,,landssman  schantzman".  Weiter  stellt  L.  ganz  mechanisch  allerlei 
Sprichwörter,  Priameln,  Aberglauben  und  Anspielungen  auf  Heldensage  und  Volksbücher 
aus  Mumers  deutschen  Büchern  zusammen,  ohne  den  Stoff  zu  erschöpfen:  lediglich 
Rosengarten,  Kalenberger,  Markolf  waren  dem  Mönch  geläufig;  hätte  L.  auch  die 
Zusätze  in  der  zweiten  Ausgabe  der  „Schelmenzunft"  berücksichtigt,  so  hätte  er  wohl 
den  Bruder  Rausch  hinzufügen  können.  —  Fruchtbarer  als  diese  subalterne  Stoppelarbeit 
erwiesen  sich  die  Quellenstudien  von  Riess^'').  Er  weist  nach,  wie  stark  Murner  sich 
selbst  ausschrieb,  in  langen  Versreihen  wie  in  einzelnen  Versen  und  Ausdrücken:  so 
versifiziert  er  z.  B.  im  Eingang  der  „Mühle  von  Schwindelsheim"  (V.  35 — 118)  das  Register 
der  ,, Narrenbeschwörung"  und  verwandelt  ihr  episches  9.  Kapitel  in  die  fast  dramatische 
Scene  der  ,,Gäuchmatt"  (V.  1039  ff.).  Diese  Stilbeobachtung  bestätigt,  dass  die  Zusätze 
in  der  zweiten  Auflage  der  ,, Schelmenzunft"  Murners  eigenes  Werk  sind.  Eine  ganz 
eigene  Anregung  verdankte  seine  „Narrenbeschwörung"  den  Holzschnitten  des  Brantschen 
„Narrenschiffs",  die  bekanntlich  in  der  Murnerschen  Dichtung  grösstenteils  wiederkehren 
und  trotzdem,  wenn  nicht  schon  zur  Ueberschrift,  so  doch  zum  Inhalt  der  von  Brant 
völlig  verschiedenen  Kapitel  Murners  passen.  Das  erklärt  sich  oft  daraus,  dass  Murner 
mit  geistreicher  Ausnutzung  der  ungeschickten  Holzschnitttechnik  ganz  andere  Dinge  aus 
den  Bildern  heraussieht,  als  darin  liegen  sollte.  Ein  weiterer  Abschnitt  stellt  den  schon 
von  Scherer  bemerkten  Einfluss  akademischer  „Quaestiones  fabulosae",  namentlich  der 
Rede  „De  fide  meretricum"  und  der  „Schelmenzunft"  des  Barth.  Gribus,  auf  Murner 
dar:  so  ruht  auf  jener  der  Kathederesel  der  „Mühle"  und  das  9.  Kap.  der  „Narren- 
beschwörung", auf  dieser  der  Titel  der  ,, Schelmenzunft"  und  die  juristischen  Artikel  der 
„Gäuchmatt".  Eine  Anmerkung  beseitigt  den  von  Goedeke  im  Grundriss  11 2,  S.  216  be- 
haupteten ersten  Druck  der  „Narrenbeschwörung"  (o.  0.  u.  J.),  die  R.  für  älter  hält  als  die 
„Schelmenzunft".  —  Beide  Gedichte  analysiert  ein  Essay  W.  Kaweraus^^),  der  den  engen 
Zusammenhang  der  Predigt  mit  diesen  Satiren  stark  betont  und  bei  aller  Anerkennung 
ihres  kulturgeschichtlichen  Werts  und  mancher  gesunder  Gedanken  (Spott  gegen  die 
Werkheiligen)  gerade  aus  dieser  zersetzenden  und  schonungslosen  pfäffischen  Selbst- 
kritik ohne  jedes  positive  Ideal  die  Notwendigkeit  der  Reformation  erschliesst.  —  Der 
saubere  Neudruck  der  „Schelmenzunft",  den  Matthias^«)  besorgt  hat,  legt  natürlich  die 
von  Scherer  phototypisch  reproduzierte  erste  Ausgabe  zu  Grunde,  allerdings  ein  wenig 
zu  entschlossen  ,, Druckfehler"  bessernd,  giebt  aber  teils  in  Lesarten,  teils  im  Texte  auch 
die  Abweichungen  und  reichlichen  Zusätze  der  zweiten  (Strassburger)  Ausgabe  an,  deren 
Einführung  des  verlorenen  Sohns  Matthias  aus  Murners  Wunsche  begreift,  seinen  geist- 
lichen Beruf  einmal  wieder  fühlbarer  zu  machen :  der  Holzschnitt,  mit  dem  dies  Kapitel 
beginnt,  stammt  freilich  gerade  aus  der  leichtfertigen  Quaestio  des  Gribus  her.  —  Der 
Biograph  des  Grobianusübersetzers  Kaspar  Scheit,  Strauch^^^,  betont  in  seiner  inhalt- 
reichen Skizze,  die  in  mancher  Hinsicht  über  Hauffens  Buch  hinausführt,  besonders 
nachdrücklich  die  Vereinigung  humanistisch-antiker  und  volkstümlicher  Elemente.  Von 
diesem  Standpunkt  aus  verweilt  er  fast  ausführlicher  bei  der  „Lobrede  des  Meyen",  die 
Bekanntschaft  mit  den  Neulateinern  wie  Alciatus  und  Stroza  aufweist,  und  der 
,,Erölichen  Heimfart",  in  der  Lucian  benutzt  ist,  als  beim  „Grobianus."  Er  vermutet, 
dass  Scheit  Leiter  d^  Wormser  Gymnasiums  war  und  sich  auch  in  Frankreich  und 
Italien  aufgehalten  hat.  Die  70  Beigaben,  die  in  der  Ausgabe  der  „Wol  gerissnen  und 
geschnidten  Figuren"  von  1564  neu  hinzugekommen  sind,  hält  er  nicht  für  Scheits 
Arbeit.  —  Für  einen  etwas  älteren  Seitentrieb  der  grobianischen  Litteratur,  Leonhard 
Schertlin,  wies  Roethe^i)  darauf  hin,  dass  die  Reden  des  Trinkers  Mystes  in  seinem 
Dialog  „Künstlich  Trincken"  lediglich  eine  Uebersetzung  von  Hegendorfers  „Encomium 
ebrietatis"  sind;  auch  das  16.  Kap.  von  Brants  „NarrenschifP"  hat  Schertlin  benutzt,  nicht 
aber  des  Obsopoeus  „De  arte  bibendi".  —  Von  Scheits  grossem  Schüler  Fischart  ist  an 
anderer  Stelle  die  Rede  (s.  o.  11,3  N.  20 — 4).  Hier  habe  ich  ausser  einem  dilettantischen 
Aufsatz  Deneckes^s)^  der  Fischart  auf  Grund  einer  grob  missverstandenen  Stelle  in  der 
Vorrede   des  „Philosophischen  Ehzuchtbüchleins"  zum  Spraclireiniger  machen  will,    und 


ib.  S.  139—73,  283/8.  —  27)  M.  Riess,  Quellenstudien  zu  Thomas  Murners  satir.-didakt.  Dichtungen.  1.  Teil.  Phil.  Diss. 
Berlin,  Schade.  38  S.  M,  1,20.  (In  e.  These  S.  38  wird  Narrenbeschw.  29,19  für  „Fortrat"  „infortiat"  vorgesclilagen.)  —  28) 
W.  Kawerau,  Thomas  Murners  Narrenheschwörung:  PrJbb.  65,  S.  155—70.  —  29)  Thomas  Murners  Schelmenzunft  nach  d. 
beiden  ältesten  Drucken  her.  v.  E.  Matthias.  (=  Neudr.  deutscher  Litt.-Werke  d.  16.  u.  17.  Jh.  N.  85.)  Halle,  Niemeyer. 
XII,  73  S.  M.  0,60.  —  30)  Ph.  Strauch,  Kaspar  Scheit:  ADB.  30,  S.  721/9.  -  31)  Roethe,  Leonhard  Schertlin:  ADB.  31, 
S.  131/2.  —  32)  A.  Denecke,    Joh.  Fischart  u.  d.  deutsche  Philosophie:  ZADSprachverein.  5,  S.  53/5.  —  33)  Job.  Fischarli 


106  n,5:  G.  Roethe,  Didaktik  des  15./16.  Jahrhundertg. 

ausser  der  geschickten  und  anspruchslosen,  für  weitere  Kreise  bestimmten  Erneuerung 
eines  Abschnittes  desselben  Buches,  „Von  Ehegebührlichkeiten"33^,  die  leider  durch 
Reussners  Bild  des  Frankfurter  Juristen  Fichard  entstellt  wird,  lediglich  einen  Aufsatz 
Bächtolds^*)  über  die  Quellen  zu  „Aller  Praktik  Grossrautter"  zu  erwähnen,  dessen 
Ergebnisse  mich  freilich  nicht  überzeugen.  B.  meint,  Fischart  habe  die  „Practica  Dr. 
Johannes  Rossschwanz"  (1509)  benutzt,  die  einem  gleichfalls  durch  ihn  abgedruckten 
Fastnachtspiel  aus  Freiburg  in  der  Schweiz  von  1560  zu  Grunde  liegt;  aber  er  weist 
nicht  mit  Sicherheit  nach,  dass  die  Anklänge  nicht  lediglich  auf  der  lateinischen  Ueber- 
setzung  Henrichmans  beruhen  sollten,  die  Fischart  ausdrücklich  citiert  und  die  schon 
Wackernagel  heranzog.  Und  ganz  unei'wiesen  scheint  es  mir,  dass  die  Praktik  des 
Berner  Landvoigts  Joh.  Weiermann  (1565)  die  geraeinsame  Quelle  für  Fischart  und  Nas 
gewesen  sein  könne,  die  Wackernagel  erschloss:  Fischarts  Berührungen  mit  Weiermann 
sind  mir  ganz  zweifelhaft  und  ihm  bestenfalls  nur  durch  die  Praktik  von  Nas  vermittelt.  — 
Ein  Ausläufer  der  Praktiklitteratur  des  16.  Jh.,  der  hundertjährige  Kalender, 
wurde  auf  Grund  umfänglicher  Nachforschungen  in  Bibliotheken  von  Berthold- 
Schneeberg36)  in  einem  Feuilleton  besprochen,  das  wohl  als  Vorläufer  einer  grösseren 
Arbeit  anzusehen  ist.  Das  Leben  des  Vf.,  Mauritius  Knauer  (geb.  14.  März  1613  in 
Weissmain,  1649  Abt  von  Langheim  und  Dr.  theol.,  gest.  1664),  wird  nach  neuem  Ma- 
terial dargestellt  und  vier  hs.  in  Bamberg  befindliche  Exemplare  seines  bis  1912  reichen- 
den „Calendarium  perpetuum"  kurz  charakterisiert,  das  erst  der  Erfurter  Arzt  Hellwig 
bei  der  ersten  (?)  Drucklegung  1701  in  einen  „hundertjährigen  Kalender"  verkürzte;  die 
Ausgaben  Hellwigs  waren  mehr  im  Norden,  Drucke,  die  Knauers  Original  näher  standen, 
mehr  im  Süden  zu  Hause ;  B.  kennt  bis  in  die  Gegenwart  gegen  200  Auflagen  und 
hebt  Eigentümlichkeiten  hervor.  Knauer,  der  durch  seinen  Kalender  der  Landwirtschaft 
dienen  wollte,  erlangte  die  Möglichkeit  weitreichender  Prophezeiungen  durch  die,  wie 
er  meinte,  empirisch  bestätigte  astrologische  Hypothese,  dass  die  Planeten  als  Jahres- 
regenten und  Helfer  regelmässig  abwechselten.  —  Eine  ähnliche  Vorstellung  von  regel- 
mässigem Turnus  setzen  die  Prophezeiungen  eines  ziemlich  ungeordneten  mittelnieder- 
deutschen Arzneibuchs  voraus  (Hs.  in  Utrecht),  das  wohl  in  den  Anfang  des  15.  Jh. 
gehört  und  wenigstens  in  seinen  lateinischen  Vorschriften  für  die  einzelnen  Monate  dem 
Wolfenbüttler  Arzneibuch  näher  steht  als  dem  Gothaer,  mit  dem  es  der  Herausgeber 
Gallee36-38)  in  Verbindung  bringt.  Das  Werkchen  bestimmt  den  Charakter  der  Jahre 
nach  den  Wochentagen,  mit  denen  sie  beginnen,  enthält  übrigens  auch  sonst  vielerlei 
medizinischen  Unsinn:  Mittel  festzustellen,  wer  von  zwei  Eheleuten  länger  lebt, 
Krankheitsprognosen  für  jeden  Tag  des  Monats  usw.  —  Einen  als  paracelsischer 
Schwärmer  berüchtigten  medizinischen  Schriftsteller  des  16.  Jh.,  den  Pfarrer  Michael 
Bapst  zu  Mohom,  erweisen  Schubert  und  Sudhoff^^)  in  einer  Untersuchung,  die 
nach  einer  kurzen  Biographie  seine  zahlreichen  ärztlichen  Bücher  nützlich  analysiert, 
vielmehr  als  total  unkritischen,  entsetzlich  nüchternen  Laien;  der  gute  Pfarrer  hat  ohne 
jede  eigene  Erfahrung  —  des  Kurpfuschens  scheint  er  sich,  auch  in  seinem  Pensionat, 
streng  enthalten  zu  haben  —  aus  etwa  einem  Vierteltausend  Büchern  Rezepte  und  ärzt- 
liche Lehren,  namentUch  über  Aphrodisiaca,  Frauenkrankheiten  und  Epilepsie,  urteilslos 
in  deutscher  Sprache  zusammengeschrieben,  um  sich  durch  diese  im  Publikum  viel- 
benutzten Hausbücher  Geld  zu  verdienen.  Grundsätzlicher  Anhänger  des  Paracelsus 
oder  latrochemiker  war  er,  trotz  Zusätzen,  die  der  Herausgeber  Tanck  seinem  letzten 
Buche  „Juniperetum"  eingefügt  zu  haben  scheint,  so  wenig,  dass  er  in  Paracelsus  sogar 
minder  belesen  war  als  in  seinen  meisten  anderen  Quellen  und  sich  durchaus  zu  Galenus 
bekannte,  nur,  da  er  überhaupt  keinen  Standpunkt  hatte,  nicht  mit  dem  heiligen  Zorn 
gegen  Paracelsus,  der  damals  für  gesinnungstüchtig  galt.  —  In  der  Bibliographie  Bapst- 
scher  Schriften,  die  Schubert  und  Sudhoff"  früher  (CBlBibl.  6,  S.  537  ff".)  gaben,  fehlt 
sein  „Kurtzer  vnd  warhaff^iger  Tractat,  Von  dem  jüngstgehörten  erschrecklichen  und 
brausenden  Erdbeben"  (Freiberg  1599) *0).  —  Mit  der  populären  Erdbebenlitteratur  des 
16.  Jh.,  die  immerhin  durch  ihre  thatsächlichen  Angaben  auch  für  die  Natxirwissenschaft 
ein  gewisses  Interesse  hat,  beschäftigt  sich  ein  Aufsatz  des  Münchener  Geographen 
Günther*!),  der  sich  freilich  auf  Münchener  Schriftchen  beschränken  will.  Er  druckt 
zunächst  eine  Reimerei  „Von  dem  Erdpidem  Anno  etc.  jm  aylffiten  jare  beschehen"  (1511) 
ab,  die  von  Hans  Schneiders  gleichzeitiger  Dichtung  verschieden  in  der  Naturerscheinung 


D.  Philosophisch  EhzuchtbUchlein  erneuert  u.  hearb.  v.  G.  Holtey-Weber.  (=  Bibl.  d.  Gesamt-Litteratur  des  In-  u. 
AuBlandes.  N.  364.)  Halle,  Hendel,  o.  J.  64  S.  M.  0,25.  —34)  Jakob  Bächtold,  Quellen  zu  , Aller  Praktik  Gross- 
mutter":  VLG.  3,  S.  201-35.  —  35)  Berth  old-Schneeberg,  D.  hundertjährige  Kalender:  LZg".  N.  43.  S.  169-72. 
—  36)  J.  H.  Gall6e,  Mittelniederdeutsches  Arzneibuch:  JbVNiederdSpr.  15,  S.  105—49.  —  37)  X  id-  Eene  profetie: 
TNederlTL.  9,  S.  231.  (D.  Prophezeihung  für  d.  mit  Mittwoch  beginnenden  Jahre,  aus  d.  N.  36  genannten  Schrift  ungenau 
abgedruckt.)  —  38)  X  '  d.  Van  den  ver  tyden  des  iares :  ib.  S.  134.  (Angabe  d.  Gothaer  Hs.  980,  welche  Monate  zu  d.  Tier 
Jahreszeiten  gehören.)  —  39)  E.  Schubert  u.  K.  Sudhoff,  Michael  Bapst  t.  Rochlitz,  Pfarrer  zu  Mohorn,  e.  popul.  medizin. 
Schriftsteller  d.  16.  Jh.:  NASSchsG.  11,  S.  77—116.  —  40)  W.  Schultze,  Ergänz,  zu  d.  Aufzählung  d.  Schriften  d.  Michael 
Bapst  V.  Rochlitz  v.  Schubert  u.  Sudhoff:   CBlBibl.  7,   S.  493.    —    41)  S.   Günther,  MUnchcner  Erdbeben-  u.  Prodigienlitt.  in 


11,5:  G.  Roethe,  Didaktik  des  15./lß.  Jahrhunderts.  107 

niclit  nur  die  göttliche  Strafe  sieht,  sondern  inkonsequent  auch  eine  physische  Erklärung 
versucht:  G.s  Gründe,  Dichtung  und  Druck  in  München  unterzubringen,  sind  nicht 
durchschlagend.  Es  folgen  in  Text  und  Anmerkungen  ausgiebige  Mitteilungen  über  den 
Wiener  Vielschreiber  Joh.  Rasch,  der  uns  bisher  fast  nur  als  Komponist  bekannt  war; 
in  Thüringen  zu  Hause,  wurde  er  nach  einer  geistlichen  Episode  Bürger  in  Wien  und 
Mathem.  artium  studiosus  und  lebte  namentlich  von  populär-wissenschaftlicher  Schrift- 
stellerei,  die  grossenteils  dem  Münchener  Verleger  Adam  Berg  zu  gute  kam.  Skrupellos 
schrieb  er  z.  B.  neben  einer  „Gegenpractic"  und  einem  Kometenbuch,  die  Kenntnisse 
und  Urteil  beweisen,  Kalender  und  Praktiken,  wie  sie  der  Schlendrian  den  Bedürfnissen 
des  gläubigen  Publikums  darbot.  Von  seinen  beiden  Traktaten  über  Erdbeben  ist  der 
erste  (1582)  nur  Kompilation  älterer  Arbeiten,  während  der  zweite  (1591)  mit  dem  ver- 
dienstlichen Erdbebenverzeichnis  und  der  Prüfung  der  Prognostika  immerhin  einen 
wissenschaftlichen  Standpunkt  einnimmt,  der  auch  ein  Jh.  später  nur  von  sehr  wenigen 
wirklich  überholt  war.  — 

Mehr  zur  gesellschaftlichen  Kurzweil  als  zu  ernstlicher  Prophezeiung  sollte 
„Eyn  lossbuch  auss  der  karten  gemacht"  dienen,  das  nach  dem  einzigen  erhaltenen 
Exemplar  photolithographisch  reproduziert  worden  ist:  der  Vf.  scheint  aus  Nürnberg, 
der  Druck  um  1500  in  Strassburg  bei  Math.  Schürer  besorgt  zu  sein.  Besonders  in- 
teressant ist  das  Loosbuch  dadurch,  dass  es  ein  vollständiges  deutsches  Kartenspiel  von 
48  Karten  (As  fehlt,  das  Banner  bedeutet  Zehn)  in  Abbildungen  enthält:  zu  jeder  Karte 
gehört  ein  Reimspruch  von  acht  Zeilen,  der  meist  auf  das  Gedeihen  oder  Misslingen  von 
Liebesaffairen  hinausläuft:  die  zutreffende  Karte  wurde  durch  die  Drehscheibe  bestimmt. 
Hofmeisters*^)  Einleitung  wendet  sich  gegen  die  einseitige  Vorstellung,  dass  die  volks- 
tümlichen deutschen  Loosbücher  auf  italienische  Arbeiten  zurückgehen,  während  sich 
Zusammenhang  mit  älteren  deutschen  Hss.  erweisen  lasse,  und  giebt  eine  nicht  ganz 
vollständige  Aufzählung  der  Loosbücher  des  16.  Jh.,  die  durch  ein  gleichfalls  nicht  er- 
schöpfendes Verzeichnis  Hayns*^)  jetzt  ergänzt  wird.  Hayn  aber  erstreckt  seine  Nach- 
weise bis  zum  Jahre  1800  (54  Nrr.),  berücksichtigt  italienische  Loosbücher  und  Lotto- 
litteratur  und  reiht  Tranchierbücher  (1620 — 1848,  30  Nrr.)  und  Komplimentierbücher 
(1645 — 1763,  59  Nrr.)  an;  das  alles  ist  bei  ihm  nur  Anhang  einer  Übersicht  der  deutschen 
Rätsellitteratur  (vgl.  o.  N.  22)  bis  zur  Gegenwart  (über  300 Nrr.),  die  freilich  die  deutschen 
Rätsel  des  Mittelalters  ganz  imzulänglich  und  die  meist  dialektischen  Sammlungen 
aus  dem  Volksmund  fast  gar  nicht  berücksichtigt;  dass  Schleiermachers  Name  nicht 
begegnet,  bestärkt  den  Zweifel  an  der  Vollständigkeit.  — 

Von  Prosamoralisten  wurden  behandelt  Eustachius  Schildo,  Kantor  in  Kirch- 
hani,  später  in  Luckau,  für  dessen  „Spielteufel"  Roethe'^)  stärksten  Einfluss  des  Fried- 
richschen  „Saufteufels"  nachweisen  komite,  und  der  fruchtbare  Wechmarer  Pfarrer  Michael 
Sachs  (1542 — 1618),  dessen  meist  prosaische,  zum  Teil  auch  reimweis  gefasste  Erbauungs- 
bücher A.  Schumann 45)  im  Anschluss  an  einen  Lebensabriss  aufzählt,  während  Goedeke 
sie  gar  nicht  berücksichtigt.  — 

Mehr  in  die  technische  Litteratur  hinein  gehört  der  litterarische  Nachlass  Albrecht 
Dürers,  dem  Conway*6)  ein  stattliches,  mit  Nachbildimgen  Dürerscher  Handzeichmmgen 
aus  den  Mss.  des  Britischen  Museums  reich  ausgestattetes  Buch  gewidmet  hat.  Der 
Vf.,  der  in  der  gesamten  Auffassung  Dürers  sich  durchaiis  bis  zur  Unselbständig- 
keit eng  an  Thausing  anschliesst,  fügt  einer  mit  Kenntnis  und  Geschmack  geschriebenen 
Biographie  Dürers,  die  das  Kulturhistorische  und  Persönliche  weit  stärker  betont  als  das 
Künstlerische,  Uebersetzungen  der  Briefe  und  Tagebücher  Dürers  ein;  leider  sind  sie, 
wie  ein  Vergleich  zeigt,  nach  Thausings  Erneuerung  auch  da  gearbeitet,  wo  der  Vf., 
wie  für  das  niederländische  Tagebuch  und  für  die  Briefe  an  Pirkheimer,  eine  wissen- 
schaftlichere Ausgabe  zur  Verfügung  gehabt  hätte.  Der  eigentliche  Wert  des  Buches 
liegt  aber  in  der  Ausnutzung  der  Dürermanuskripte  des  Britischen  Museums,  die  uns  die 
beharrliche  unermüdliche  Detailarbeit  des  Forschers  und  Schriftstellers  Dürer,  der  immer 
neue  Skizzen  entwarf  und  verwarf,  ebenso  veranschaulicht,  wie  den  grandiosen  Plan 
einer  Kunstencyklopädie ,  in  der  seine  vollendeten  Werke  nur  die  Rolle  von  Kapiteln 
spielen  sollten.  Was  C.  nach  den  Abschriften  des  Frl.  Lina  Eckenstein  mitteilt,  be- 
richtigt und  ergänzt  die  früheren  Auszüge  v.  Zahns  erheblich  (Jahrbücher  für  Kunst- 
wissenschaft 1,  S.  1  fi".),  zumal  da  es  ihm  mehrfach  gelungen  ist,  die  zeitliche  und  inhaltliche 


älterer  Zeit :  JbMünihG.  4,  S.  233—66.  —  42)  Eyn  losztuch  ausz  der  karten  gemacht  Und  alleyn  durch  kurtzweyl  erdacht, 
wer  aher  zu  glauben  sich  daran  wolt  keren  Das  selbig  Hess  sich  vnrecht  leren.  Photolithogr.  Rcprod.  d.  einz.  bek.  Exempl. 
im  Bes.  v.  Volckniann  u.  Jerosch,  Antiquariat  in  Kostock.  Mit  e.  Einl.  v.  Dr.  A.  Hofmeister.  In  100  num.  ExempU.  Rostock, 
Volckmann  u.  Jerosch.  VIII,  15  S.  M.  5,00.  —  43)  H.  Hayn,  D.  deutsche  Rätsellitt.  Versuch  e.  bihliogr.  Uehersicht  bis 
z.  Neuzeit.  Nebst  e.  Verz.  deutscher  Loos-,  Tranchier-  u.  Koniplimentier-Bücher :  CBlBibl.  7,  S.  516—56.  —  44)  Roethe, 
Eustachius  Schildo:  ADB.  31,  S.  209.  —  45)  A.  Schumann,  Michael  Sachs:  ADB.  30,  S.  129—30.  (Merkwürdigerweise 
ist  Sachs'  Drama  v.  heil.  Stephanus  übersehen.)  —  46)  W.  M.  Conway,  Literary  remains  of  Albrecht  Dürer.  With  transcripts 
roju  thp  british  jnuseum  manuscripts  and  notes  upon  them  by  Lina  Eckenstein.   Cambridge,  University  Press.    1889.    XI,  288 


108  11,5:  G.   Roethe,  Didaktik  des  15./16.  Jahrhunderts. 

Zusammengehörigkeit  der  losen  Blätter  richtiger  zu  bestimmen,  und v  da  er  mit  Wieder- 
gabe der  beigefügten  Zeichiningen  nicht  kargt.  Besonders  zu  rühmen  ist,  dass  er  ausser 
der  englischen  Uebersetzung  auch  buchstäbliche  deutsche  Abdrücke  gibt,  leider  nicht 
ganz  konsequent:  so  fehlt  der  deutsche  Text  der  Seiten  243 — 50.  — 

Schliesslich  sei  Birlingers^^)  Notiz  erwähnt,  dass  auch  in  Franks  „Medizinischer 
Polizei"  Augustin  Lercheimer  als  Pseudonym  des  Heidelberger  Professors  Witekind 
erkannt  wird.*^)  — 


11,6 

Luther. 

Gustav  Kawerau. 

Ausgaben  N.  1.  —  Neue  Funde:  Glossen  zu  Augustinus  N.  8.  —  Traktate,  Thesen,  Predigten  N.  9.  — 
Werke:  Briefe  N.  13.  -  Streitschriften  N.  14.  —  Taufliturgie  N.  17.  —  Lieder  N  18.  —  Thesen  N.  20  —  Bibelübersetzung 
N.  23.  —  Schriftauslegung  N.  29.  —  Katechismus  N.  30.  —  Verhältnis  zu  Zeitgenossen  und  Zeitfragen:  Fürsten 
N.  33.  —  Humanisten  N.  35.  —  Annen-  und  Gesundheitspflege  N.  38.  —  Socialpolitik  N.  41.  —  Bibel  und  Kirche  N.  42.  — 
Gesamtbeurteilung:  Angriffe  im  allgemeinen  N.  4.5.  —  „Selbstmord"  N.  56.  —  Abwehr  N.  70.  —  Luther  und  Goethe  N.  73.  — 

Jm  Berichtsjahre  ist  ein  neuer  Band  der  Weimarer  Ausgabe  nicht  erschienen; 
es  ist  nur  Koldes  i)  Besprechung  des  1888  ausgegebenen  6.  Bandes  hervorzviheben.  In 
dieser  erweckt  das  Urteil  des  Lutherforschers  über  Knaakes  scharfgeschnittene  Einleitung 
zu  der  Schrift  „An  den  christlichen  Adel"  mit  ihrer  unbarmherzigen  Polemik  gegen 
Kampschultes  phantasiereiche  Darstellung  des  Einflusses,  den  Crotus  und  Hütten  auf 
Luthers  Entwicklung  geübt  haben  sollten,  besonderes  Interesse.  Kolde  erkennt  an,  dass 
hier  mit  Recht  gegen  arge  Ueberschätzung  des  Einflusses  der  Humanisten  protestiert  ist, 
beanstandet  aber  nicht  allein  formell  den  Ton  dieser  Polemik,  zumal  gegen  einen  Ver- 
storbenen, sondern  sucht  auch  materiell  eine  ungeschichtliche  Ueberspannung  des  Gegen- 
satzes gegen  Kampschulte  in  Knaakes  Beweisführungen  nachzuweisen.  In  der  wichtigen 
Behauptung,  dass  Luther  die  fraglichen  Huttenschen  Dialoge  noch  gar  nicht  zu  Gesichte 
bekommen,  jedenfalls  nicht  beachtet  hatte,  als  er  „an  den  christlichen  Adel"  schrieb, 
gebe  ich  Knaake  Recht.  Aber  auch  abgesehen  von  diesem  Punkte  bietet  Koldes  An- 
zeige, gleich  denen  zu  den  früheren  Bänden,  eine  Reihe  wertvoller  litterar-kritischer  Er- 
örterungen. —  Eine  Bemerkimg  0.  Erdmanns  2)  zu  Band  8.  der  Weimarer  Ausgabe  hat 
das  Verdienst,  nicht  nur  auf  einen  bisher  wenig  beachteten  Rest  älteren  Sprachgutes  in 
Luthers  Sprache  (thete  =  entete,  in  der  Bedeutung  von  „nicht  vorhanden,  nicht 
wirksam  sein")  aufmerksam  gemacht,  sondern  zugleich  eine  Reihe  von  kürzeren  sprach- 
lichen Bemerkungen  zu  Luther  in  der  ZDPh.  eröffiiet  zu  haben,  für  welche  seitdem 
verschiedene  Gelehrte  Beiträge  geliefert  haben.  —  Auch  die  Erlanger  Ausgabe  hat  1890 
keinen  neuen  Band  erscheinen  lassen;  doch  ist  G.  Kaweraus  ^)  Besprechung  des  zu- 
letzt erschienenen  Bandes  von  Luthers  Briefwechsel  hier  zu  nennen,  die  sich  angelegen 
sein  lässt,  eine  Reihe  von  Nachträgen  und  Berichtigungen  zu  dem  von  Enders  gegebenen 
Kommentar  zu  liefern,  z.  B.  eine  Erklärung  für  den  von  Enders  im  Dunkeln  gelassenen 
Briefschreiber,  der  sich  mit  I  A  M  unterzeichnete  (=  Joh.  Antonius  Modestus). 
—  Inzwischen  ist  zu  den  deutschen  Lutlierausgaben,  zunächst  wenig  bei  uns  beachtet, 
ein  grosses  amerikanisches  Lutherwerk  hinzugetreten;  anfangs  nur  als  revidierter  Neu- 
druck Walchs  geplant,  doch  in  einzelnen  Teilen,  besonders  in  dem  1887  erschienenen, 
von  Hoppe  besorgten  Band  22  (Tischreden),  als  eine  selbständige  wissenschaftliche 
Arbeit  zu  schätzen.  Von  Hoppe  4)  ist  auch  der  im  Berichtsjahre  erschienene  Band  20. 
bearbeitet  worden,  dem  ähnliches  Lob  gespendet  wird  wie  dem  22.  Bande.  Uns  ist  er 
bisher  noch  nicht  zu  Gesichte  gekommen.     Buddensieg*"^)  hat  sich  das  Verdienst  er- 


S.  —  47)  A.  Birlinger,  Zu  Augustin  Lercheimer  oder  Hermann  Witekind:  Alemannia.  18,  S.  282/3.  (Bringt  audi  aus  des 
Thim.  Polus  „Neu  vermehrtem  lustigem  Schauplatz"  Parallelen  zu  Lercheimer.)  —  48)  X  f"-  X.  v.  Wegele,  Georg  RUxner:  AI)J$ 
30,  S.  62.     (Wertlos.)  —  • 

I)  Th.  Kolde,  Luthers  Werke,  krit.  Gesamtausg.  Bd.  6:  GGA.  I,  S.  481/8.  —  2)  0.  Erdmann,  Ueber  e.  Konjectur 
in  d.  neuen  Lutherausg.:  ZDPh.  23,  S.  41/3.  —  3)  G.  Kawerau,  Endors,  Luthers  Briefwechsel,  Bd.  3:  ThStK.  63,  S.  388— 98. 
—  ♦)  XX  M.  Luther,  Sämtliche  Schriften  her.  v.  Dr.  J.  G.  Walch.  Aufs  neue  her.  im  Auftrag  d.  Ministeriums  d.  deutschen 
ev.-luth.  Synode  v.  Missouri,  Ohio  u.  andern  Staaten.  Neue  rerid.  Stereotyp-Ausg.  20.  Bd.  Keformations8chrift«n.  2.  Abt. : 
Dogmatisch  -  polemische  Schriften.  B.  Wider  d.  Sakraraentierer  u.  andere  Schwärmer  sowie  auch  wider  d.  Juden  u.  Türken. 
St.  Louis,  M.  0.,  Luth.  Concordia-Verlag  (Dresden,  Naumann).  4".  VIII,  70,  2407  S.  M.  18,00.  |[B(udden8ieg?):  ThLBl.  1891, 
S.  437.]|  (Herausgeber  ist  Hoppe)  —  4a)  K.  Buddonsieg,  E.  amerikanisches  Lutherwerk:  DLZ.  11,  S.  824/6.  —  5)  Luthers 


n,6:  G.  Kaweraxi,  Luther.  109 

worben,  über  Anlass,  Redaktion  und  bisherigen  Fortgang  dieser  Missourischen  liuther- 
ausgabe  lehrreichen  Bericht  zu  erstatten.  —  Wie  hier  eine  zimächst  nur  praktischem 
Bedürfnis  dienende  Ausgabe  doch  teilweise  wissenschaftlichen  Charakter  angenommen 
hat,  so  ist  das  Unternehmen,  für  das  „christliche  Haus"  eine  Auswahl  aus  Luther  zu 
veranstalten  ^),  durch  das  Bedürfnis,  in  sprachlicher,  geschichtlicher  und  theologischer 
Beziehung  dem  Leser  alles  zum  Verständnis  Erforderliche  in  Anmerkungen  zu  sagen, 
dahin  geführt  worden,  für  einen  beträchtlichen  Teil  der  Schriften  Luthers  einen 
Kommentar  zu  liefern,  den  selbst  der  Fachgelehrte  in  mancher  Beziehung  willkommen 
heissen  kann.  Auch  ein  schonend  modernisierter  Luthertext  verlangt  noch  sprachliche 
Erläuterungen  in  beträchtlicher  Menge;  manche  Werke  aber  erheischen  geradezu  einen 
fortlaufenden  kirchenhistorischen  Kommentar.  Für  lateinische  Schriften  Liithers,  welche 
aufgenommen  werden  sollten,  ist  hier  zum  Teil  der  Versuch  einer  völlig  neuen  Ver- 
deutsclumg  gemacht,  so  bei  der  „Captivitas  babylonica".  Die  Behandlung  der  einzelnen 
Schriften  ist  bei  der  Verschiedenheit  der  Herausgeber  natürlich  nicht  ganz  einheitlich 
ausgefallen;  die  Einen  haben  mehr  eine  Volksausgabe,  die  Andern  mehr  eine  Pastoren- 
ausgabe im  Sinn  gehabt  und  demnach  den  Ton  der  Anmerkungen  niedriger  oder 
höher  gestimmt.  —  Den  Schülern  unserer  höheren  Schulen  ist  noch  nie  eine  so  vor- 
treffliche Auswahl  aus  Luther  in  so  zweclimässiger,  den  Standpunkt  der  Schule  wahren- 
der, aber  innerhalb  dieser  Schranken  nach  dem  Höchsten  strebender  Ausführung  ge- 
boten worden,  wie  jetzt  durch  R  Neubauer  6).  Wir  müssen  im  nächsten  Band  der  JBL. 
bei  Gelegenheit  des  Schlussheftes  darauf  zurückkommen.  —  Der,  welcher  für  Meyers 
Volksbücher  die  Tischreden  '')  aiiswählte,  hat  wohl  ohne  Plan  und  ohne  Ueberlegung 
gearbeitet:  bald  hält  er  eine  Auslese  aus  den  Abschnitten  der  Aurifaberschen  Samm- 
lung, bald  begnügt  er  sich,  einige  Kapitel  ganz  zu  überspringen  und  dafür  andere  voll- 
ständig abdrucken  zu  lassen;  so  auch  das  von  der  Ehe;  er  hat  dabei  wohl  einige  Spe- 
kulation mit  dem  Gelüst  nach  Pikantem  getrieben.  — 

Auch  das  Jahr  1890  hat  udeder  mehrere  neue  Schätze  der  Lutherforschung 
erschlossen.  Die  Zwickauer  Ratsschulbibliothek  hat  noch  nicht  aufgehört,  imter  Buch- 
walds  ^)  sorgfältiger  Durchstöberung  Neues  zu  spenden.  Was  er  im  Verein  mit  Beck 
diesmal  bietet,  ist  zunächst  der  Fund  von  Drucken  Augustinscher  Schriften  (,,Opus- 
cula",  ,,De  trinitate"  und  „De  civitate  Dei",  sämtlich  Likunabeln  von  1489),  denen  Luther 
seine  Randbemerkungen  beigeschrieben  hat.  Ein  Teil  der  letzteren  stammt  nachweislich 
vom  Jahre  1509,  aus  seinem  zweiten  Aufenthalt  im  Erfurter  Kloster,  ist  demnach 
von  Briefen  abgesehen  das  Aelteste,  das  wir  bislang  von  Luthers  Hand  besitzen,  und 
ein  wertvolles  Zeugnis  dafür,  in  wie  frühe  Zeit  sein  Studium  der  Theologie  Augustins 
hinaufreicht.  — 

Ferner  berichtet  Buchwald  ^)  über  eine  bisher  unbekannte  Ausgabe  des  von 
Knaake  Luther  beigelegten,  von  andern  ihm  abgesprochenen  „Tractatulus  de  his,  qui  ad 
ecclesias  confugiunt",  die  älter  sein  muss  als  Knaakes  Ausgabe  A  von  1517.  Die 
Varianten  teilt  B.  mit.  Der  Drucker  ist  Jakob  Köbel  in  Oppenheim.  Offenbar  stimmt 
dieser  Druckort  wenig  zu  Knaakes  Annahme.  Weiter  erhalten  wir  aus  einem  Plakat- 
druck Thesen  einer  Cirkulardisputation  Luthers  über  das  Verhältnis  der  Theologie  zu 
Aristoteles;  vielleicht  die  bei  de  Wette  1,  S.  15  erwähnten?  Endlich  ein  aus  Pre- 
digten Luthers  durch  Amsdorf  ausgezogenes  Gebet,  Leipzig  1519  gedruckt,  von  Spalatin 
hs.  ins  Lateinische  übertragen.  Von  beiden  Texten  giebt  B.  einen  Abdruck.  —  Eine 
wertvolle  Bereicherung  bieten  die  von  Kolde^O)  aus  einem  Berliner  Ms.  mitgeteilten 
Wittenberger  Disputationsthesen  aus  den  Jahren  1516 — 22;  nicht  nur  dass  eine  neue 
Reihe  Lutherscher  Thesen  (1520,  über  die  Sakramente)  dabei  ans  Licht  gekommen  ist, 
eine  Vorstudie  zur  „Captivitas  babylonica",  sondern  es  sind  auch  besonders  aus  der 
Zeit  des  Wartburgaufenlhalts  Luthers  eine  Anzahl  Thesen  aufgefiniden,  durch  welche 
ein  Mann  wie  Joh.  Dölsch  uns  erst  eine  bekanntere  theologische  Persönlichkeit  wird. 
Auch  für  die  Entwicklungsgeschichte  Karlstadts  ist  der  Fund  von  Bedeutung.  —  Der 
Nachtrag,  den  Brieger  !*'«•)  dazu  geliefert,  macht  uns  mit  einem  in  Wolfenbüttel  ge- 
fundenen Nachdruck  der  ältesten,  bibliographisch  nachgewiesenen,  aber  seit  Riederers 
Tagen  verschollenen  Thesensammlung  (1520)  und  aus  dieser  mit  einer  bisher  unbekannten 
Thesenreihe  Karlstadts  bekannt.  —  Die  von  G.  Kawerau^i)  in  der  Lübecker  Stadt- 
bibliothek   gefundenen    Thesen    de    excommunicatione    stammen    zwar    in    dieser  Gestalt 


Werke  f.  d.  christlielie  Haus.  Her.  v.  Buchwald,  Kawerau,  Köstlin,  Bade,  Schneider  u.  a.:  2.  Bd.  Reformatorische 
Schriften.  3.  u.  4.  Bd.  Keformatorisehe  u.  polemische  Schriften.  (Heft  6—21.)  Braunschweig,  Schwetschke.  511,  449, 
482  S.  jedes  Heft  M.  0,30  (bess.  Ausstatt.  M.  0,50).  |v.  Sallmann:  BLU.  N.  16.]|  —  6)  M.  Luther.  Ausgew.,  erl.  u.  bearb.  v. 
E.Neubauer.  (=  Denkmal,  d.  älteren  deutsclien  Litt.  her.  v.  G.  Bottich  er  u.  K.  Kinzel.  III,  2.)  Halle,  Buchh.  d.  Waisenhauses. 
VIII,  187  S,  M.  1,80.  (Vgl.  0.  I,  7  N.  68.)  —  7)  M.  Luther,  Tischreden.  Heft  2—4.  (=  Meyers  Volksbücher  N.  715/6,  751/3.) 
Leipzig,  Bibliogr.  Institut.  64,  59,  184  S.  M.  0,50.  —  8)  E.  Beck  u.  Buchwald,  E.  Stück  Gesch.  d.  Zwickauer  Ratsschul- 
bibliothek u.  d  neuesten  Lutherfundo  in  derselben:  LZg».  N.  91/3.  —  9)  G.  Buchwald,  Beitrr.  zu  Luthers  Schriften  aus  d. 
Zwickauer  Ratsschulbibliothek:  ThStK.  63,8.753—62.  —  10)  Th.  Kolde,  Wittenberger  Disputationsthesen  aus  d.  J.  1516—22.: 
ZKG.  11,  S.  448—71.  —  Ta)  S.  u.  11,7  N.  64.  —  II)  G.  Kawerau,  Thesen  Luthers  de  excommunicatione.  1518:    ib.  S.  477/9, 


110  11,0:  G.  Kawerau,  Liither, 

nicht  aus  Luthers  Feder;  aber  es  ist  ein  in  feindseliger  Absicht  aus  seiner  Predigt 
Exaudi  1518  gefertigter  Auszug,  durch  dessen  Verbreitung  man  ihm  hie  und  dort,  unter 
anderem  auch  bei  Kaiser  MaximiHan,  zu  schaden  suchte  und  gegen  den  sich  Luther 
dadurch  wehren  wollte,  dass  er  noch  nachträglich  (August  1518)  jene  Predigt  als  „Sermo 
de  virtute  excommunicationis"  herausgab.  —  Das  Material  der  erhalten  gebliebenen 
Predigten  Luthers  hat  eine  erhebliche  Bereicherung  erfahren,  indem  Buchwald  12)  in 
Cod.  74  der  Hamburger  Stadtbibliothek  ausser  etlichen  schon  anderweitig  überlieferten 
Predigten  eine  zusammenhängende,  lateinisch  geschriebene  Predigtreihe  vom  1.  Advent 
1525  bis  zum  3.  Osterfeiertag  1526  entdeckt  und  Luther  als  Vf.  erwiesen  hat.  — 

Dem  von  Enders  (Briefwechsel  Luthers  3,  S.  37),  ausgesprochenen  Zweifel,  ob 
Luthers  Schreiben  an  Bugenhagen  von  1520  echt  sei,  hat  Köstlin^^)  ein  Ende  gemacht  durch 
den  Nachweis,  dass  der  fr agh che  Brief  von  Bugenhagens,  nicht  Luthers,  Hand  auf  des 
letzteren  Traktat  „Epistola  Lutheriana  ad  Leonem  Decimum"  geschrieben  steht;  da  der 
Brief  aber  inhalthch  Begleitbrief  zur  Uebersendung  einer  Schrift  ist  und  diese  Schrift 
nvu*  jener  Traktat  sein  kann,  so  kann  nur  Luther  der  Vf.  des  Briefes  sein.  Die  kleine 
Veröffentlichung  ist  nebenbei  ein  lehrreicher  Beitrag  zu  der  Erfahrung,  wie  unglaublich 
unkritische  Auskunft  man  mitunter  von  gelehrten  Leuten  erhalten  kann.  Denn  im  Nach- 
trag muss  K.  auf  Grund  zuverlässigerer  Kunde  so  gut  wie  alles  widerrufen,  was  er 
vorher  auf  eines  Greifswalder  Fachgelehrten  Zeugnis  liin  Irriges  berichtet  hatte.   — 

Enders  1"^)  hat  damit  begonnen,  die  deutschen  zwischen  Luther  und  Hieronymus 
Emser  gewechselten  Streitschriften  in  billigem  Neudruck  mit  historischer  Einleitung 
zugänglich  zu  machen.  Zwar  sind  Luthers  Erwiderungen  in  den  Ausgaben  seiner  Werke 
zu  finden;  aber  von  den  deutschen  Schriften  des  Gegners  hat  auch  Walch  in  Band  18, 
wo  er  doch  so  manche  Gegenschrift  eingerückt  hat,  tms  nichts  mitgeteilt.  In  Heft  1 
erhalten  wir  ausser  Luthers  kleiner  Entgegnung  „An  den  Bock  zu  Leipzig"  die  in- 
teressante Antwort  Emsers  auf  die  Schrift  „An  den  christlichen  Adel",  eine  in  vielen 
Beziehungen  lehrreiche  Schrift.  Ich  erwähne  hier  nvu*,  dass  Emser  für  Luthers  berühmte 
„3  Mauern",  in  denen  man  Htterarische  Einflüsse  Huttens  entdecken  wollte,  für  die 
ich  selbst  dann  eine  Anknüpftmg  in  einem  Briefe  Capitos  an  Luther  nachgewiesen  hatte, 
eine  andere,  aber  jedenfalls  beachtenswerte  Herleitung  zu  nennen  weiss:  Vergil,  Aeneis 
VI,  549,  wo  der  Tartarus  geschildert  wird  als  eine  Stadt  „triplici  circumdata  muro". 
Oder  ich  verweise  auf  den  Abschnitt  über  die  Bettler,  wo  dem  reformatorischen  Pro- 
gramm: „Abschaffung  des  Bettels  und  Einrichtung  geordneter  Armenpflege"  in  völliger 
Schärfe  das  mittelalterliche  „der  Bettel  muss  bleiben,  damit  die  wohlhabenden  Christen 
durch  Almosen  sich  den  Himmel  verdienen  können"  entgegengestellt  wird.  Es  kaini 
nur  dringend  gewünscht  werden,  dass  uns  die  Streits chi'iften  gegen  Luther  in  möglichster 
Vollständigkeit  vorgelegt  werden;  sie  sind  uns  in  den  verschiedensten  Richtungen  zum 
Verständnis  Luthers  von  tiefgreifender  Bedeutung.  —  C.  Pranke  i^)  bietet  einige  allgemeine, 
zutreffende  Bemerkungen  über  Luther  als  Satiriker,  über  die  Mannigfaltigkeit  von  wirk- 
samen Darstellungsmitteln,  über  die  Luther  verfügt;  im  übrigen  ist  die  Charakteristik, 
die  er  von  einzelnen  Streitschriften  nach  Braunes  Neudrucken  giebt,  ziemlich  unbedeutend. 
—  Kolde  lö)  hat  uns  für  die  Datierung  einiger  Schriften  Luthers  von  1526  wertvollen 
Aufschluss  besonders  durch  gi-ündliche  Durcharbeitung  der  Korrespondenz  Zwingiis 
verschafft:  Luthers  Vorrede  zum  „Syngramma  Suevicum"  ist  danach  zwar  schon  im 
Frühjahr  1526  geschrieben,  denn  Oekolampad  hat  von  ihr  schon  am  9.  April  Kunde; 
zur  Ausgabe  gelangte  diese  Schrift  aber  erst  Anfang  Juli.  Der  „Sermon  wider  die 
Schwarmgeister"  aber  erweist  sich  als  eine  ohne  Luthers  Zuthun  aus  Nachschriften 
dreier  seiner  Predigten  vom  28.  und  29.  März  1526  zusammengestellte  Arbeit,  die  etwa 
Michaehs  1526  zur  Ausgabe  kam.  — 

In  G.  Kaweraus^'')  fünfter  und  letzter  Studie  zu  Luthers  Taufbüchlein  —  die 
1889  vorausgegangenen  vier  hatten  das  Verhältnis  der  Taufliturgie  Luthers  zu  den 
katholischen  Ritualien  vom  Ende  des  Mittelalters  und  die  Abhängigkeit  einer  ganzen 
Reihe  ähnlicher  Taufbüchlein  in  der  Landessprache  von  Luthers  Formular  untersucht  — 
ist  es  unternommen,  die  Unechtheit  der  unter  Luthers  Namen  gehenden  kvirzen  Tauf- 
liturgie von  1523  „Wie  man  recht  und  verstau diglich  einen  Christenmenschen  taufen 
soll"  nachzuweisen.   — 

Ellin geri*^)  protestiert  gegen  Knaakes  Versiich,  Ende  1527  als  Entstehimgszeit 
des  Liedes  „Ein  feste  Burg"  nachzuweisen.    Eine  eigene  positive  Ansicht  trägt  er  jedoch 


—  12)  G.  Buchwald,  Unbekannte  hg.  Predigten  Luthers  anf  d.  Hamburger  Stadtbibliothek:  ThStK.  63,  S.  341—57.  — 
13,  J.  Köstlin,  Luthers  Schreiben  an  Bugenhagen  v.  J.  1.520  u.  seine  Echtheit:  ib.  S.  597/8.  (Dazu  Nachtrag  S.  703/4.)  — 
14)  Flugschriften  aus  d.  Reformationszeit  8.  Luther  u.  Emser.  Ihre  Streitschriften  aus  d.  Jahre  1521,  her.  v.  L.  Enders. 
Bd.  1.  (=Neudrr.  deutscher  Litt.-Werke  d.  16.  u.  17.  Jh.,  N.  83/4.)  Halle,  Nienieyer.  VIII,  152  S.  M.  1,20.  —  15)  C.  Franke 
Luthers  Streitschriften:  ZDU.  4,  S.  524—33.  —  16)  Th.  K  olde,  Z.  Chronologie  Luthorscher  Schriften  im  Abendmahlsstreit: 
ZKG.  11,  S.  472/6.  —  17)  O.  Kawerau,  Liturgische  Studien  zu  Luthers  TaufbUchlein  v.  1523.  5.:  ZKWL.  10,  ii.  625—43.  — 
18)  G.  Ellinger,  Z.  Frage  nach  d.  Ent^tohnngszeit  d.  Luthcrliedcs :  ZDPh.  22,  .«!.  252/.1.    —    19)  R.  v.  Lil  ioncron,   D.  Non 


11,6:  G,  Kawerau,  Luther.  111 

nicht  vor.  Den  scharfsinnigen  Indizienbeweis  Knaakes  für  die  Existenz  eines  Witteii- 
berger  Gesangbuchs  von  1528,  in  welchem  das  Lied  sich  bereits  befand,  erledigt  er  mit 
der  Bemerkung,  dieser  Beweis  scheine  ihm  nicht  geglückt.  Daneben  bemerkt  er  sehr  richtig, 
mit  ,,Anldängen"  an  das  Lied  in  Briefen  oder  Schriften  Luthers  sei  bei  der  Häufigkeit  ihres 
Auftretens  zu  den  verschiedensten  Zeiten  nichts  für  die  Abfassungszeit  zu  gewinnen,  und 
weist  einen  solchen  „Anklang"  schon  in  einer  Sclirift  des  Jahres  1519  nach.  Zahlreiche, 
noch  weit  bedeutendere  Aehnlichkeiten  findet  man  in  J.  Linkes  Buch  über  dieses  Lied 
(1886)  gesammelt.  —  Einen  interessanten  kleinen  Eund  veröffentlicht  von  Lilien- 
croni^),  nämlich  den  von  ihm  in  Joacliim  Greifs  Drama  ,, Lazarus"  entdeckten  vier- 
stimmigen Satz,  den  Ludwig  Senfl  auf  Luthers  Wunsch  zu  seinem  Lieblingsspruch 
„Non  moriar"  (Psalm  118,  17)  1530  angefertigt  hatte,  und  vergleicht  ihn  mit  der 
von  Luther  selbst  im  Coburger  Schloss  damals  an  die  Wand  geschriebenen  Melodie 
dieser  Antiphonie;  Luthers  Wandinschrift  wird  nach  Poachs  Schrift  über  Matth.  Ratze- 
berger (1559)  gegeben.  — 

Lüde  mann  20)  stellt  die  Bedeutung  der  95  Thesen  in  engem  Anschluss  an 
die  Schrift  von  Bratke  (Göttingen  1884)  dar  und  beleuchtet  darauf  die  Stellung  der 
heutigen  katholischen  Kirche  zum  Ablasswesen.  Die  Auffassung  des  Vf.,  dass  Luther 
in  den  Thesen  „aus  taktischen  Gründen"  seine  prinzipiell  bereits  klare  und  gegensätz- 
liche Stellung  noch  nicht  habe  hervortreten  lassen,  halte  ich  nicht  für  einen  Schlüssel 
zum  Verständnis  der  Thesen.  Dass  der  Vf.  hier  nicht  selbständige  Studien  vorträgt 
und  mit  dem  Stande  der  Forschung  nur  unvollständig  bekannt  ist,  ersieht  man  unter 
anderem  S.  18  aus  den  verkehrten,  durch  Knaake  längst  beseitigten  Angaben  über  das 
Datum  der  Schrift  des  Prierias  und  über  Luthers  Antwort  darauf.  —  Von  zwei  Arbeiten 
in  englischer  Sprache 21-22)  gii^^  mir  nur  die  Titel  bekannt;  erstere  hat  es  mit  der 
lateinischen  Messe  von  1523,  letztere  offenbar  mit  dem  Sendschreiben  „An  die  Ratsherrn" 
(1524)  und  der  Predigt  „Dass  man  die  Kinder  zur  Schule  schicken  solle"  zu  thun.   — 

•  lieber  Luther  als  Bibelübersetzer  liegen  mehrfache  wertvolle  Beiträge  vor. 
W.  Walther23)j  ebenso  vertraut  mit  den  mittelalterlichen  Bibelübersetzungen  wie  mit 
Luther,  hat  in  einer  Frage,  welche  durch  eine  so  unmethodische  Arbeit  wie  die  des 
Bonner  Theologen  Krafft  (Bonn  1883)  und  durch  die  tendenziöse  Ausnutzung  ihrer 
„Resultate"  seitens  der  ultramontanen  Presse  gründlich  verwirrt  worden  war,  mit 
seiner  nüchternen  methodischen  Untersuchung  imd  überlegenen  Stoff beherrschung  wieder 
freie  Bahn  gemacht.  W.  erweist,  dass  die  Briefstelle  (Enders  3,  S.  271),  in  der  man 
Luthers  Geständnis  seiner  Bekanntschaft  mit  der  mittelalterliehen  gedruckten  Bibel 
finden  will,  dafür  nicht  beweiskräftig  ist.  Er  zeigt,  wie  täuschend  die  Nebenein- 
Anderstellung  von  Proben  beider  Uebersetzungen,  die  Luthers  Abhängigkeit  beweisen 
sollen,  ist,  wenn  nicht  klar  gestellt  wird,  was  denn  eigentlich  beim  Zusammentreffen 
zweier  Uebersetzungen  für  die  Behauptung  beweiskräftig  sein  kann,  dass  einer  den  anderen 
ausgeschrieben  habe.  Er  weist  nach,  dass  diese  „Uebereinstimmungen"  nur  an  leichtesten 
geschichtlichen  Stoffen  der  Bibel  bemerkbar  sind,  dagegen  verschwinden,  sobald  Ueber- 
setzungsschwierigkeiten  sich  einstell-en;  sonach  hätte  Luther  immer  gerade  nur  an  den 
leichten  Stellen  sich  jener  Hülfe  bedient.  Ferner  lässt  sich  zeigen,  dass  diese  Ueber- 
einstimmungen zwischen  Luther  und  der  mittelalterlichen  gedruckten  Bibel  geringer 
sind  als  zwischen  Luther  und  einer  nur  hs.  erhaltenen,  von  Luther  sicher  nicht  ge- 
kannten andern  Bibelversion  des  Mittelalters.  W.  macht  ferner  auf  die  völlig  ver- 
schiedenen Prinzipien  über  Wortstellung  und  Satzbau  bei  der  mittelalterlichen  und  der 
Lutherschen  Uebersetzung  aufmerksam:  diese  verschiedene  Methode  ist  so  konsequent  auf 
beiden  Seiten  angewandt,  dass  schon  lun  ihretwillen  Luther  mit  jener  Vorgängerin, 
selbst  wenn  sie  ihm  zur  Hand  war,  nur  ausserordentlich  wenig  hätte  anfangen  können. 
Freilich  hätte  er  seinen  Wortschatz  von  dort  entleihen  können.  Aber  auch  dies  ist 
nicht  anzunehmen,  da  Luther  in  einer  ganzen  Reihe  von  Fällen  erst  bei  der  Revision 
oder  Superrevision  seiner  Arbeit  auf  den  Ausdruck  fällt,  den  ihm  die  Vorgängerin  dar- 
bot. Und  selbst  das  ist  höchst  unwahrscheinlich,  -  dass  Luther  etwa  seine  Revision  mit 
Hülfe  jener  Bibel  vorgenommen  hätte;  denn  die  Fälle,  in  denen  er  den  Wortlaut  dieser 
einsetzt,  begegnen  uns  in  den  verschiedensten  Stadien  und  Zeitpunkten  (von  Dezember 
1522 — 1545);  sollte  er  immer  wieder  seine  Bibel  mit  jener  verglichen  haben,  um  hie  und 
da  eine  Vokabel  zu  entlehnen?  Höchst  instruktive  zahlreiche  Proben  erläutern  die  Be- 
weisgründe des  Vf.  Vortrefflich  scheint  mir  S.  33  geurteilt  zu  sein:  „Nicht  mit  reinerer 
Sprache  war  Luther  geboren,  sondern  mit  dem  Genie,  welches  ein  feines  Gefühl  für  die 


moriar  aus  Luthers  , schönem  Confitemini" :  VMusikW.  6,  S.  123—32.  —  20)  E.  Lüdemann,  D.  Bedeutung  d.  95  Thesen 
Luthers  f.  Vergangenheit  u  Gegenwart.  (Mit  e.  Anhang:  d.  95  Thesen  aus  „Luthers  Werken  für  d.  christliche  Haus".)  Braun- 
schweig, Sehwetschko.  III,  48  S.  M.  0,50.  —  21)  XX  A  liturgical  classic  [Luthers  Formula  of  the  Mass.]  II.:  The  Lutheran 
Church  Review.  S.  72/9.  —  22)  XX  P-  V.  N.  Painter,  Luther  on  education:  including  a  historical  introduction  and  a 
translation  of  the  Reforraer's  two  most  important  educational  treatises.  Philadelphia,  Lutheran  Pub.  Soc.  12".  II,  282  S.  — 
••3)    W.    Walther,    Luthers    BibelUhcrsetzung   kein   Plagiat.      Leipzig,    Deichert   Nachf.     III,   47    S.   M.   0,80.     (Erweiterter 


112  11,6:  Gr.  Kawerau,  Luther. 

charakteristischen  Eigentümlichkeiten  der  verschiedenen  Sprachen  und  vor  allem  für  ein 
klares  und  wohltönendes  Deutsch  besass.  Dieses  Genie  aber  trat  erst  in  dem  Moment 
in  Thätigkeit,  als  er  ein  Bibelübersetzer  zu  werden  beschloss  und  darum  sich  die  Er- 
fordernisse einer  guten  Uebersetzung  klar  machte.  Daher  kommt  es,  dass  ganz  plötzlich 
[zu  viel  gesagt!]  eine  neue  Epoche  in  der  Sprache  Luthers  eintritt."  Das  Ergebnis  der 
W.schen  Untersuchung  wird  meines  Erachtens  auch  dadurch  nicht  erschüttert,  dass  in 
einer  dem  Vf.  unbekannt  gebliebenen  Tischrede  (Hs.  des  Mathesius  Bl.  86**)  Luther 
seine  Uebersetzung  „tenebris  veteris  translationis"  gegenüberstellt.  Denn  den  Gregensatz 
bilden  bei  ihm  „Germanica  translatio"  und  ,,vetus  translatio";  er  wird  also  unter  dieser 
nicht  die  mittelalterliche  deutsche,  sondern  die  Vulgata  verstehen.  —  Einen  recht  ver- 
dienstlichen Beitrag  zur  Erkenntnis  der  Fortarbeit  Luthers  an  seiner  Uebersetzimg  der 
Psalmen  hat  Keyssner^^)  geliefert,  der  geradezu  von  dem  Versuch  einer  Nachdichtung 
hier  reden  zu  dürfen  meint.  Ich  hebe  den  Nachweis  hervor,  wie  Luthers  nachbessernde 
Thätigkeit  besonders  Anfang  und  Scliluss  der  Psalmen  ausfeilt,  um  eine  volle  und  starke 
Wirkung  zu  erzielen,  wie  sie  ferner  bestrebt  ist,  Verba,  die  nur  den  allgemeinsten  Aus- 
druck wiedergeben,  durch  speziellere,  anschaulichere  zu  ersetzen.  Eine  Eülle  inter- 
essanten Details  ist  hier  zusammengetragen  zum  Erweise,  wie  sehr  Luthers  Sprach- 
gefühl hier  lyrische  und  rhythmische  Beanlagung  bekundet.  K.  steht  noch  ganz  unter 
dem  Einfluss  der  oben  erwähnten  Krafftschen  Arbeit  über  Luthers  Abhängigkeit  von 
der  mittelalterlichen  deutschen  Bibel;  aber  für  den  Psalter,  den  er  genauer  untersucht 
hat,  verkündet  er:  „Hier  erscheint  Luther  völlig  selbständig  und  neuschöpferisch!"  — 
Burdach^ö)  hat  in  einer  Anzeige  Gelegenheit  genommen,  gegen  die  „protestantische 
Legende",  dass  Luther  der  Schöpfer  der  neuhochdeutschen  Sprache,  „d.  h.  ihrer  gram- 
matischen Gestalt"  gewesen,  zii  protestieren.  —  Welchen  Einfluss  Luther  thatsächlich 
auf  den  Wortschatz  unserer  Schriftsprache  ausgeübt  hat,  daran  mag  das  oberdeutsche 
Glossar  erinnern,  welches  Pietsch^^)  aus  dem  Stuttgarter  Exemplar  eines  Baseler 
Druckes  des  Alten  Testamentes  (Th.  Wolf,  1523)  mitteilt  und  mit  wertvollen  Erläute- 
rungen begleitet.  —  Wie  viel  durch  die  Bibel  Luthers  in  die  Volkssprache  an  Rede- 
wendungen und  sprichwörtlichem  Gut  gekommen  ist,  behandeln  einige  kleine  Artikel 
von  Sohns,  Cremer  und  Korneck^'');  ein  hübsches  Verzeichnis  volkstümlicher  Wen- 
dungen in  Luthers  Schriften  im  allgemeinen,  nicht  auf  die  Bibelübersetzung  beschränkt, 
bietet  übrigens  auch  Neubauer  (S.  o.  N.  6)  S.  14  ff.  —  Ein  Vortrag  von  E.  Hauptes) 
hebt  in  anziehender  Darstellung  und  auf  Grund  einer  genauen  Orientierung  an  den 
Quellen  an  Luthers  Bibelübersetzung  ,  vor  allem  die  persönliche  Leistung  hervor  und 
zwar  nicht  nur  nach  Seiten  seiner  schriftstellerischen  Genialität,  sondern  auch  nach 
Seiten  seines  Charakters  und  der  Reife  evangelischer  Erkenntnis.  Nirgends  ver- 
schwinden unserem  Blick  die  Schatten  seines  Charakters  so  völlig  wie  hier;  sein  kon- 
geniales Verständnis  aber  gleicht  die  Mängel  der  sprachlichen  Ausrüstung  in  solchem 
Maasse  aus,  dass  er  auch  da,  wo  er  falsch  übersetzt,  avif  der  Höhe  biblischer  Gedanken 
sich  hält.  Es  giebt  genauere  Uebersetzungen,  aber  keine,  die  als  Ganzes  so  von  innen 
heraus  des  Originals  mächtig  geworden  wäre.  Im  weiteren  wird  auch  die  Uebersetzung 
als  seine  gröSste  nationale  und  kirchliche  That  beleuchtet.  — 

Mit  dem  Schriftausleger  hat  es  Grundt^^)  zu  thun.  Da  ist  treffend  die 
Herrschaft  der  allegorischen  Schriftavxslegung  an  den  ältesten  exegetischen  Arbeiten  Luthers 
konstatiert  und  ebenso  richtig  aus  späteren  Werken,  besondei's  den  Tischreden,  Luthers 
Bruch  mit  dieser  Methode,  seine  prinzipielle  Absage  nachgewiesen.  Es  fehlt  der  Arbeit 
nur  das  Interessanteste,  das  Mittelstück:  der  Einzelnachweis,  wann  und  wie  und  unter 
welchen  Einflüssen  jener  Umschlag  sich  vollzieht,  sowie  die  Untersuchung,  wie  stark 
auch  noch  nach  dem  Bruch  mit  der  alten  Methode  die  Nachwehen  derselben  sich  be- 
merkbar machen.  Für  diese  Fragen  bietet  der  Vf.  viel  zu  wenig;  bedürfte  es  z.  B. 
nicht  der  Untersuchung,  wie  viel  Luther  thatsächlich,  wenn  auch  uneingestanden,  von 
Erasmus  gelernt  hat?  — 

Den  zahlreichen  Arbeiten  über  Luthers  kleinen  Katechismus  für  den  Ge- 
brauch in  Schule  und  Konfirmandenuntenncht  kann  hier  natürlich  nicht  nachgegangen 
werden.  Doch  verdient  A.  Ebeling^^)  genannt  zu  werden,  nicht  allein  wegen  des, 
meines  Erachtens  viel  zu  weit  gehenden,  Versuches,  der  Schule  statt  des  bisherigen 
Textes  eine  Ueberarbeitung  in  modernes  Schriftdeutsch  zu  bieten,  sondern  wegen  seiner 
Herstellung  eines  kritischen  Textes  mit  den  Varianten  zahlreicher  Ausgaben  des  16.  und 
17.  Jh.,  die  zwar  für  Gewinnung  des  Originaltextes  der  verlorenen  editio  princeps  nichts 


Abdraek  aus  NKZ.  1,  S.  369—92.)  —  24)   G.  Keyssner,  D.  drei  Psalterbearbeitungen  Luthers  v.  1524,  1528  u.  1531.    MUnch. 
Phil.  Diss.  Meiningen,  Keyssner.  83  S.  —  25)  K.  Burdaeh,  AI.  Reifferscheid,  Marcus  Evangelien  M.  Luthers:  DLZ.  S.  14.'>9— 61. 

—  26)  P.  Pietsch,  E.  unbekanntes  oberdeutsches  Glossar  zu  Luthers  Bibelübersetzung:  ZDPh.  22,  S.  325—36.  —  27)  Sohns. 
D.  Bibel  u.  d.  Volk:  ZDU.  4,  S.  9—29.  (Dazu  Ergänzungen  u.  Berichtigungen  v.  Korneck,  W.  Cremer  u.  .«Ohns,  ib.  590/8.) 

—  28)  E.  Haupt,  Was  wir  an  Luthers  Bibelübersetzung  haben  u.  haben  sollen:  DEBII.  I,  S.  1— 13.  —29)  F.  Grundt,  Luthers 
Verhältnis  z.  allegorischen  Schriftauslegung:  ZKWL.  10,  S.  C17— 25.  —  30)  A.  Eboling,  D.  Martin  Luthers  kleiner  Katechismus. 


ILO:  G.  Kawerau,  Liitlier.  11.^ 

austragen,  aber  für  die  weitere  Geschichte  und  das  Verständnis  des  Textes  von  Belang 
sind.  In  einer  Reihe  von  Anmerkungen  legt  E.  sein  eigenes  Wortverständnis  in  zweifel- 
haften Fällen  dar.  —  Wie  strittig  noch  immer  dies  Textverständnis  ist,  zeigen  die  Artikel 
von  Düsterdieck^i)  und  Bertheau^2^  über  die  Worte  der  Erldärung  ziu-  vierten  Bitte 
des  Vater  Unser:  „dass  er  uns  erkennen  lasse  und  mit  dancksagung  empfahen  vnser 
teglich  brod."  Der  eine  ergänzt  als  Objekt  zu  „erkennen"  den  vorausgegangenen  Satz 
(„Gott  gibt  teglich  brod")  und  zu  „empfahen"  ein  ,,wir",  versteht  also  „empfahen"  als 
1.  Pluralis;  der  andere  fasst  „empfahen"  als  Infinitiv,  regiert  von  dem  voraufgehenden 
„lasse",  also  Objekt  zu  beiden  Verben  „unser  teglich  brod".  Es  sei  hier  nur  bemerkt, 
dass  die  alten  lateinischen  Versionen  des  Katechismus  für  D.,  G.  Majors  plattdeutsclio 
(v.  1531)  dagegen  für  B.  Zeugnis  geben:  „dat  he  vns  vnse  dachlike  brodt  erkennen  late 
vnde  mit  dancksegginge  entfangen."  — 

Luthers  Verhältnis  zu  Zeitgenossen  und  Zeitfragen  wird  vielfach  mit 
Erfolg  behandelt.  Es  wäre  erfreulich,  wenn  Maurenbrecher  wie  unlängst  das  Kapitel 
„Reichstage  der  Reformationszeit"  so  jetzt  das  neue  ,, Beziehung  der  Fürsten  zu 
Luther"  von  seinen  Schülern  in  Angriff  nehmen  liesse.  Ueber  Friedrich  den  Weisen  vind 
über  Herzog  Georg  wäre  ja  noch  besonders  viel  zu  erforschen.  J.  Beckers^^)  Dissertation, 
die  Maurenbrechers  Anregungen  ihren  Ursprung  dankt,  untersucht  die  Beziehungen  des 
Kurfürsten  Johann  zu  Luther,  zunächst  bis  in  die  Packschen  Händel  hinein.  Das  Material 
ist  fleissig  zusammengetragen,  daneben  auch  manches  am  Wege  Liegende  erörtert,  z.  B. 
die  richtige  Datierung  der  Gutachten  Luthers  in  den  Packschen  Wirren.  Der  wichtigste 
Teil  der  Untersuchung,  der  Augsburger  Reichstag  und  was  damit  in  Verbindung  steht, 
wird  einer  Fortsetzung  vorbehalten,  ebenso  die  Zusammenstellung  des  Ertrags  aus 
all  den  Einzeldaten,  die  bisher  hier  vereinigt  sind.  —  T  seh  ackert^'*)  hat  zu  seinem 
1889  erschienenen  Atifsatz  über  den  Briefwechsel  zwischen  Herzog  Albrecht  und  Luther 
Nachträge  gegeben,  in  denen  er  eine  verlorene  Korrespondenz  aus  dem  Sommer  1525 
nachweist.  Danach  wurde  Luther  in  jenen  Tagen  feierlichst  nach  Königsberg  eingeladen, 
\nn  an  den  Beratungen  über  die  preussische  Kirchenordnung  teilzunehmen ;  Luthers  aus- 
führliche Antwort,  unter  anderm  de  ceremoniis  instituendis,  ist  iins  leider  auch  nicht  er- 
halten. —  Diese  kleine  Publikation  steht  in  Zusammenhang  mit  den  umfassenden  imd 
erfolgreichen  Studien  zur  preussischen  Reformationsgeschichte  Tschackerts  35),  die  Luthers 
Beziehungen  zum  Hochmeister  sowie  zu  den  in  Preussen  thätigen  Wortführern  der  Re- 
formation sorgfältig  verfolgen,  auch  z.  B.  dem  Nachdruck  und  der  Verbreitung  Lutherscher 
Schriften  im  Ordenslande  Aufmerksamkeit  schenken.  In  Bezug  auf  Datum  und  Ver- 
anlassung der  Schrift  Luthers  „An  die  Herren  Deutschs  Ordens"  befindet  sich  jedoch  T. 
noch  auf  falscher  Fährte,  wie  ich  inzwischen  (Weimarer  Ausgabe  12,  S.  229  f.)  meine 
nachgewiesen  zu  haben.  Auch  er  hat,  gleich  früheren  Forschern,  sie  dreiviertel  Jahr  zu 
früh  datiert.  —  Eine  interessante  Ergänzung  zvi  Tschack ert  hat  inzwischen  auch  Joachim 3^) 
geliefert.  Danach  beginnen  schon  im  Herbst  1521  die  ersten  Schritte  des  Hochmeisters, 
mit  Luther  Beziehungen  behufs  einer  Revision  des  Ordensbuches  und  einer  Reformation 
des  Deutschordens  anzuknüpfen.  — 

Eine  wertvolle  Studie  zu  der  viel  verhandelten  Frage  nach  dem  Einfluss  der 
Humanisten  auf  Luther  bietet  ReindelP'').  Hatte  Knaake  (vgl.  o.  N.  1)  sich 
gegen  Kampschulte  mit  Erfolg  gewendet,  so  zieht  R.  gegen  den  in  Kampschultes  imd 
Maurenbrechers  Geleisen  sich  behaglich  bewegenden  Werckshagen  (Luther  und  Hütten. 
Wittenberg  1888)  zu  Felde.  Auch  für  ihn  spitzt  sich  das  Problem  schliesslich  zu  der 
Frage  zu,  ob  die  Schrift  „An  den  christlichen  Adel"  von  Hütten  litterarisch  beeinflusst 
sei.  Er  giebt  jedoch  nicht  wie  Werckshagen  einen  Paralleldruck  ähnlich  klingender 
Stellen  aus  Hütten  und  Luther,  wohl  aber  eine  methodisch  angelegte  Analyse  der  Schrift 
an  den  Adel  in  Bezug  auf  die  ihr  zu  Grunde  liegenden  Quellen.  Der  w^ertvolle  Kom- 
mentar, den  er  hier  aus  der  Litteratur  der  vorangehenden  Jahre  liefert  (S.  71 — 106), 
erbringt  in  der  That  den  Nachweis,  dass  diese  Schrift  die  Frucht  eines  ausgedehnten 
kirchengeschichtlichen  Studiums  Luthers  ist  und  dass  sie  in  der  Frage  der  Quellen, 
d.  h.  der  stofflichen  Abhängigkeit,  in  keiner  Beziehung  zu  Huttens  „Vadiscus"  oder 
„Inspicientes"  steht.  Wohl  lässt  sich  seine  StofFsamndung  leicht  noch  in  mamiigfacher 
Richtung  vermehren ;  ich  erinnere  zum  Beispiel  an  Maximilians  Bemühungen  für  Kalender- 
und  Festtagsreform.    Aber  in  der  Hauptsache  scheint  mir  seine  Thesis  so  fest  begründet 


Urtext  netst  Vorschlägen  zu  spracliliclien  Aenderungen  u.  Anmerkungen.  Hannover,  C.  Meyer.  53  S.  M.  1,20.  —  31)  F.  DUster- 
dieck.  Sprachliches  zu  d.  lutherischen  Erklärung  d.  vierten  Bitte :  ThStK.  63,  S.  692/6.  —  32)  Carl  Bertheau,  Noch  einmal 
d.  Luthersche  Erklärung  d.  vierten  Bitte  im  Vaterunser:  ib.  64,  S.  161—71.  —  33)  J.  Becker,  Kurfllrst  Johann  v.  Sachsen 
u.  seine  Beziehungen  zu  Luther.  1.  1520 — 28.  Phil.  Diss.  Leipzig,  Gräfe.  82S.M.  1,60.  —  34)  P.  Tschackert,  Z.Korrespondenz 
Martin  Luthers:  ZKG.  11,  S.  620/2.  —  35)  P.  Tschackert,  Urkkhuch.  z.  Reformationsgesch.  d.  Herzogturas  Preussen.  1.  Bd. 
Einl.  2  Bd.  Urkk.  1.  Teil  1523—41.  (=  Publikationen  aus  d.  preuss.  Staatsarchiven.  Bd.  43  u.  44.)  Leipzig,  Hirzel.  XII,  389  S. 
M.  9,00;  yill,  436  S.  M.  10,00.  —  36)  Joachim,  D.  Hochmeisters  Albrecht  v.  Preussen  erster  Versuch  e.  Annäherung  an 
Luther:  ZKG.  12,  S.  116—22.  —  37)  W.  Keindell,  Luther,  Crotus  u.  Hütten.  E.  quellenmässige  Darstellung  d.  Verhältnisses 
Luthers  z.  Humanismus.  Marburg,  Ehrhardt.  134  S.  M.  2,70.  |[Knaake:  DLZ.  12,  S.  697/9;  Szamatölski:  ADA.  17, 
Jahresherichte  fllr  neuere  deutsche  Litteraturgeschichte  I(i>.  8 


114  11,0:  G.  Kawerau,  Luther. 

zu  sein,  dass  sie  nicht  wiecler  entkräftet  werden  wird.  R.s  Ausführungen  übei  Huttens 
Beziehungen  zu  Liither  fanden  von  kompetenter  Seite  manclien  Einspruch;  aber  in  der 
Hauptthesis  wurds  ihm  auch  hier  unbedingt  zugestimmt,  dass  nämlich  die  verwandten 
Bestrebungen  beider  Männer  1518 — 21  viel  weniger  aus  dem  Einfluss  des  Einen  auf 
den  Anderen,  als  aus  gemeinsamer  Beeinflussung  durch  gleiche  Verhältnisse  und  durch 
die  Lektüre  der  gleichen  Schriften  zu  erklären  ist.  — 

Das  grosse  Werk  Uhlhorns^^^  verdient  eine  Erwähnung  in  dieser  Uebersicht, 
da  liier  Luthers  Anschauungen  über  Nächstenliebe  und  Almosen,  Bettel  und  Armen- 
pflege, sowie  die  zum  Teil  unter  Luthers  Mitwirkung  erfolgte  Einrichtung  der  „ge- 
meinen Kasten"  und  Aufrichtung  von  Armenordnungen  im  Zusammenhange  der  Gesamt- 
geschichte christlicher  Liebesthätigkeit  eine  sachkundige  Darstellung  und  nüchterne 
Wiu"digung  gefunden  haben. 39)  — Hunnius  4'*)  zeigt  uns  Luther  in  seiner  Stellung  zu  den 
Fragen  der  Gesundheitspflege,  Diätetik  und  Gymnastik  sowie  in  seiner  Würdigung 
des  ärztlichen  Berufs.  — 

Graue  "^i)  erinnert  daran,  dass  Luther  nicht  ein  socialpolitisches  System 
aufstellt,  wohl  aber  als  Socialethiker  au  den  einzelnen  socialen  Erscheinungen  freimütig 
Kritik  übt.  Auch  liier  fügen  Luthers  Ansichten  sich  nicht  zu  einem  widerspruchslosen 
Ganzen,  auch  hier  begegnet  der  nicht  ausgeglichene  Gegensatz  überkommener  und  neuer 
Gedanken.  — 

E.ohnert*2)  ereifert  sich  gegen  die  ,,  Geschichtsfälscher",  die  bei  Luther 
von  einer  freieren  Stellung  zu  den  Büchern  der  Bibel  reden,  als  sie  die  später 
entwickelte  Lispirationslehre  gestattete.  Er  reiht  Citat  aus  Luther  an  Citat;  aber  mit 
all  diesen  Citaten,  die  in  dem  Tone  gehen,  dass  „kein  Buchstabe  in  der  heiligen  Schrift 
vergeblich  sei",  kann  er  die  Thatsache  nicht  hinwegschaifen,  dass  derselbe  Luther  in 
einer  anderen  ansehnlichen  Reihe  von  Stellen  von  sehr  erheblichen  Wertuntersclueden 
innerhalb  der  Schrift,  von  Irrtümern  der  Propheten  und  dergleichen  mehr  redet.  Wer 
Luther  verstehen  will,  muss  eben  beide  Reihen  von  Aussagen  ins  Auge  fassen,  nicht 
die  allein,  die  ihm  gerade  zusagt.  —  Zu  Luthers  Lehre  von  der  Kirche  bringt 
SenckeH^)  nichts  Neues  und  Selbständiges  vor,  nur  Lesefrüchte  aus  Köstlins  Mono- 
graphie von  1853  und  Thesen,  in  denen  er  die  an  die  Spitze  gestellte  Definition  von 
„.Kirche"  alsbald  selber  vergisst  und  daher  unklar  wird.*^)   — 

Einen  breiten  Raum  in  der  Lutherlitteratur  des  Berichtsjahres  hat  leider 
wieder  ultramontane  Betriebsamkeit,  bezüglich  die  dadurch  hervorgerufene  protestantische 
Replik  eingenommen;  es  gilt  hier  weniger  der  Behandlung  einzelner  Eragen  als  der 
Gesamtbeurteilung  Lutliers.  Döllingers  *5)  Tod  wurde  dazu  benutzt,  die  von  die- 
sem längst  widerrufene,  wie  man  sagt  auch  von  ihm  selbst  möglichst  aus  dem  Buch- 
handel entfernte  ,, Skizze"  von  1851  wieder  aufzvilegen.  —  Die  einzig  mögliche  Antwort 
darauf  war,  dass  man  von  Erlangen  aus  schleunigst  mit  einer  neuen  Auflage  der  ver- 
nichtenden Antwort  Hofmanns  4^),  der  einst  den  Apostel  Paulus ,  genau  nach  gleichem 
Rezept  verarbeitet,  dem  Vf.  jener  Lutherskizze  vor  die  Augen  gehalten  hatte,  replizierte. 
—  Dass  der  Konvertit  Evers*'')  mit  seiner  Abschlachtung  Luthers  fortfahrt,  sei  hier 
wenigstens  notiert.  Das  wird  allmählich  die  teuerste  und  wertloseste  Biograpliie  zu- 
gleich. —  Nirr  mit  Bedauern  kann  man  von  der  Fortsetzung  reden,  die  He  fei  es  ver- 
dienstvolle Konziliengeschichte  für  die  Reformationszeit  durch  Hergenröther ^8)  ge- 
funden hat.  Diese  Klage  gilt  durchaus  nicht  dem  Standpunkt,  sondern  der  völlig  un- 
genügenden Rüstung  des  Vf.  Da  hat  es  Janssen  denn  doch  ein  gut  Stück  ernster  mit 
seiner  Aufgabe  genommen.  Es  geht  nicht  an,  über  Luther  und  sein  Werk  mitreden  zu 
wollen,  wenn  man  mit  zufällig  zusammengeraffter  neuerer  Litteratur  sich  aufspielt,  aber 
daneben  nirgends  über  den  heutigen  Stand  der  Forschung  wirklich  unterrichtet  ist.  Für 
Hergenröther  existiert  von  Köstlin  nur  die  Auflage  von  1875;  Knaakes  Forschungen  in 
der  Weimarer  Ausgabe  sind  für  ihn  gar  nicht  vorhanden,  die  Tetzellitteratur  reicht  bei 
ihm  bis  1853  usw.  So  trägt  er  längst  abgethane  Irrtümer  (z.  B.  die  Zugehörigkeit 
der  Protestatio  Luthers  zu  den  95  Thesen,  die  Identifizierung  des  Augustinereremiten 
J.  Paltz  mit  dem  Chorherrn  in  Neuwerk  gleichen  Namens,  Luthers  Rede  für  den  Leitz- 
kauer  Propst    als    für    das  5.  Laterankonzil    bestimmt    und  dgl.)    in    aller  Harmlosigkeit 


S.  220/3.] I  —  38)  G.  Uhlhorn,  D.  christliche  Liebesthätiglceit.  3.  Bd.  Seit  d.  Reformation.  Stuttgart,  Gundcrt.  VIII,  520  S. 
M.  7,00.  —  39)  XX  If-  Blind,  Luthers  monuments  and  the  German  Kevohition  of  1525:  Scottish  Review.  S.  102—29.  — 
40)  C.  Hunnius,  Luther  im  medizinisch-hygieinischen  Rahmen:  MNEKR.  S.  282—97.  —  41)  G.  Graue,  Luthers  Stellung  zu 
d.  Streitigkeiten  über  weltlichen  Besitz:  PKZ.  37,  S.  812/8;  840/4.  —  42)  W.  Rohnert,  Was  lehrt  Luther  v.  d.  Inspiration 
d.  Heil.  Schrift?  Mit  d.  Reformators  eigenen  Aussprüchen  dargelegt.  Leipzig,  Böhme  Nachf.  28  S.  M.  0,25.  —  43)  Senckel, 
Z.  Lehre  Luthers  v.  d.  Kirche:  EKZ.  S.  183/5  u.  201/6.  —  44)  XX  H.  E.  Jacobs,  A  study  in  Luthers  eschatolcgy:  The 
Lutheran  Church  Review.  8.  232/9.  —  45)  J.  DOUinger,  Luther.  E.  Skizze.  [Aus  Wetzers  n.  Weites  Kirchenlexikon.]  Neuer 
Abdr.  Freiburg.  Herder.  03  S.  M.  0,40.  —  46)  .1.  f'li.  K.  Holiiianu.  l'nuhis.  e.  Döllingersche  Skizze.  Erwiderung  auf  D«llingers 
Luther.Mkizze.  In  2.  Aufl.  bor.  v.  T  h.  Kolde.  Leipzig,  Doichert  Nachf.  39  S.  M.  0,t'.0.  -  47)  G.  G.  Evers,  Martin  Lutlier. 
Lebens-  n.  Charakterbild  v.  ihm  selbst  gezeichnet  in  seinen  eigenen  Schriften  u.  Korrespondenzen.  13.  Heft.  Im  Genuss  d. 
Fruchte  d.  Revolution  u.  in  d.  Arbeit  z.  Rechtfertigung  derselben.  Mainz,  Kirchheim.  Bd.  (J,  1—368  S.  M.  3,45.  (Bd.  1-13  M.  33,60.) 


II,ß:  G,  Kaweraii,  Luther.  115 

wieder  vor.  Er  schreibt  ans  der  von  ihm  benutzten  Litteratur  gelehrte  Citate  dreist 
ab,  als  hätte  er  die  Bücher  selber  in  Händen  gehabt,  wobei  es  ihm  dann  z.  B.  begegnen 
kann,  dass  er,  zwei  Citate  bei  Maurenbrecher  verwechselnd,  S.  224  dem  Erlanger  Plitt  eine 
zweibändige  Erasmusbiographie  andichtet,  aus  der  er  dies  und  das  gelernt  haben  will! 
S.  317  bereichert  er  die  Litteratur  mit  den  „vielen  Fhigschriften,  die  C.  Güttel  seit  1533 
gegen  G.  Wizel"  verfasst  haben  soll.  Eine  klassische  Probe  der  Art,  wie  Janssen  hier 
ausgenutzt  ist,  bietet  S.  288,  wo  für  den  Satz,  dass  Luther  „der  blinden  Zerstörungswut 
voranleuchtete",  einfach  seine  ganze  Schrift  „Treue  Vermahnung  zu  allen  Christen,  sich 
zu  verhüten  vor  Aufruhr  und  Empörung"  als  Beleg  zitiert  wird.  Gelesen  wird  H.  sie 
schwerlich  haben  (citiert  er  doch  Lutherausgaben  immer  je  nach  dem  Autor,  dem  er 
gerade  nachsclireibt),  aber  schon  ihr  Titel  hätte  ihn  vor  dieser  Gedankenlosigkeit 
warnen  sollen.  Wir  lernen,  dass  Luther  in  seinen  Gottesdienstordnungen  „unvermerkt .  .  . 
die  Konsekration  fortliess"  (S.  506)  und  dgl.  mehr.  Bis  1536  reicht  diese  „Vorgeschichte 
des  Tridentiner  Konzils";  die  Lutherforschung  muss  bedauern,  hier  vom  Gegner  nichts 
oder  doch  nur  wenig  lernen  zu  können.  Dankenswert  ist  §  929  mit  seinen  ausführlichen 
Excerpten  aus  den  Censuren  der  Universitäten  Löwen  und  Paris  gegen  Luther,  wie  denn 
in  der  Masse  des  aufgehäuften  Stoffes  manches  Brauchbare  sich  findet.  Aber  je  genauer 
man  der  Mache  des  dicken  Buches  nachspürt,  um  so  mehr  schwindet  der  Respekt  vor 
der  Wissenschaftlichkeit,  die  sich  hier  in  zahlreichen  Anmerkungen  bläht.  —  G.  Ka- 
weraus'*9)  Scharmützel  mit  dem  Domkapitular  ßöhm  ^o)  diente  dem  Erweise,  dass 
Tetzels  berüchtigtes  Wort  vom  „Geld  im  Kasten"  nicht  eine  böswillige  Erfindung  der  Pro- 
testanten ist,  sondern  von  katholischen  Zeitgenossen  überreichlich  bezeugt  wird.  Koldes 
Recension  brachte  eine  dankenswerte  Vermehrung'  der  Zeugenreihe.  Da  R.  nicht  ein- 
gestehen wollte,  sich  verhauen  zu  haben,  versuchte  er  die  Debatte  auf  andere  Kon- 
troverspunkte hinüberzuspielen.  —  Wieser  ^i)  macht  sich  die  leicht  gewonnene  Freude, 
Schwankungen  und  Meinungswechsel,  ja  Widersprüche  in  den  verschiedensten  Fragen 
des  öffentlichen  Lebens  bei  Luther  nachzuweisen.  Im  übrigen  werden  die  Arbeiten 
grösseren  Stiles  fürs  Volk  verarbeitet  ^2-55^^  -y^j^ß^  (Jer  katholischen  Tagespresse  wird  das 
nötige  Material  für  Kampfartikel  bequem  zugerichtet.  — 

Das  Haupteffektstück  des  Jahres  war  Majunkes^^)  Kraftleistung  mit  Wieder- 
ausgrabung der  Lügende  von  Luthers  Selbstmord.  Eine  ganze  Litteratur ^'''-69)  ist 
darüber  hüben  und  drüben  emporgeschossen.  Dreimal  hat  Majunke  ^2-69^  seine  Mär 
vorgetragen,  seine  Zeugen  herausgestrichen,  auf  Luther  in  allen  Tonarten  geschimpft, 
die  protestantische  Lutherforschung  verhöhnt:  er  hat  doch  nur  eine  kühle.  Ablehnung 
bei  den  Anständigen  seiner  eigenen  Partei  gefunden.  Das  letzte  Wort  haben  wir  ihm 
in  diesem  Kampfe  gern  gelassen;  das  letzte  ist  ja  nicht  immer  das  beste.  Dankenswert 
ist  in  dem  ganzen  wüsten  und  alles  wissenschaftlichen  Ernstes  haaren  Vorstoss  dieses 
Herrn  allein  das  Eine,  dass  er  den  von  den  Lutherbiographen  bisher  übersehenen,  weil 
nur  einer  späteren  Ausgabe  der  „Commentaria  Joh.  Cochlaei"  beigegebenen  interessanten 
feindseligen,  aber  offenbar  aus  der  Nähe  stammenden  und  darum  beachtenswerten  Mans- 
feldschen  Bericht  über  Luthers  Tod  hervorgezogen  hat.  Den  Selbstmordroman  M.s 
kann  freilich  auch  dieser  nicht  stützen.  In  dem  ganzen  Intermezzo  war  lelirreich  und 
verdient,  notiert  zu  werden,  1)  dass  ein  Bruchteil  der  katholischen  Presse  diesen  Rauf- 
boldkatholizismus ablehnte  und  dafür  von  M.  in  seiner  zweiten  Schrift  echt  demagogisch 
angegriffen  wurde;  2)  dass  sich  ein  Honef^*)  fand,  der  es  für  angezeigt  hielt,  Majunke 
für  den  grossen  Haufen  zu  popularisieren  und  einem  noch  gröberen  Geschmack  anzu- 
passen, denn  für  die  Begriffe  dieses  seltsamen  Litteraten  war  Majunke  noch  viel  zu 
zart  luid    anständig    gewesen;    3)    dass    die    HPBll.    die    Gelegenheit  benutzten,    einem 


—  48)  S.  u.  11,7  N.  1.  —  49)  G.  Kawerau,  ,,Sobald  d.  Geld  im  Kasten  klingt,  d.  Seele  aus  d.  Fegfeuer  springt"  E.  offener 
Brief  an  Hrn.  Domkapitular  J.  Böhm  in  Passau.  (=  Freundschaftl.  Streitschriften.  N.  20.)  Barmen,  Wiemann.  22  S.  M.  0,20. 
|[Bossert:  ThLZ.  N.  5;  Kolde:  CliristlWelt.  S.  629—31,  646-50.]|  —  50)  J.  B.  Röhm,  Z.  Tetzel-Legende.  Offener  Brief 
an  Hrn.  Prof.  Dr.  G.  Kawerau  in  Kiol.  Hildesheim,  Borgmeyer.  33  S.  M.  0,30.  |[Bossert:  ThLZ.  S.  406/9.]|  -  51)  J.  Wieser, 
Doppeltes  Mass  in  d.  Lehre  Luthers:  ZKathTh.  S.  617—46.  —  52)  S.  Altenrath,  Z.  Beurt.  u.  WUrdig.  M.  Luthers.  I.Luthers 
Selbstbekenntnisse  über  sich  u.  sein  Werk.  2.  Protestantische  Zeugnisse  über  Luthers  Ansehen  in  Deutschland  im  ersten 
Halbjh.  nach  seinem  Tode.  2.  Aufl.  (=  Frankfurter  zeitgemässe  Broschüren.  NF.  Bd.  9,  Heft  8.)  Frankfurt  a.  M.,  Foesser 
Nachf.  23  S.  M.  0,50.  —  53)  S.  u.  II,  7  N.  22.  —  54)  J.  Rebbert,  Ignatius  v.  Loyola  u.  Martin  Luther.  Paderborn,  Bonifacius- 
Druckerei.  12".  64  S.  M.  0,20.  —  55)  D.  Segnungen  d.  Reformation,  geschildert  v.  Dr.  M.  Luther;  in  Erinnerung  gebracht  v.  e. 
deutschen  Patrioten.  (=  KathoL  Flugschriften  z.  Wehr  u.  Lehr.  N.  4.)  Berlin,  Germania.  16".  M.  0,10.  —  56)  P.  Majunke, 
Luthers  Lebensende.  E.  bist.  Untersuchung.  Mainz,  Kupferberg.  80  (101)  S.  M.  1,20.  |  [KölnVZg.  1889  v.  21.  Dez.;  TrierLZg. 
V.  2.  Jan.;  G.  Kawerau:  MagdebZg.  v.  18.  Feb.]  |  (1.-4.  [vermehrte]  Aufl.)  —  57)  Th.  Kolde,  Luthers  Selbstmord.  E. 
Geschichtslüge  P.  Majunkes,  beleuchtet.  Leipzig,  D ei chert  Nachf.  42  S.  M.  0,60.  |[PKZ.  N.  12;  Bossert:  ThLBl.  N.  12  ; 
G.  Kawerau:  ThLZ.  N.  9.]|  (1.  Aufl.,  desgl.  2.  Aufl.,  3.  verb.  u.  verm.  Aufl.  45  S.)  —  58)  G.  K[awerau],  Luthers  Lebens- 
ende in  neuester  ultramontaner  Beleuchtung.  ChristlWelt.  S.  197—201;  222/4,  250/5.  —  59)  G.  Kawerau,  Luthers  Lebensende 
in  neuester  ultramontaner  Beleuchtung.  Barmen,  Klein.  12".  40  S.  M.  0,40.  (1.— 4.  Aufl.)  —  80)  Dr.  Kolde  u.  d.  Schrift 
Majunkes  über  Luthers  Tod:  HPBll.  106,  S.  42-50.  —  61)  A.  Thenn,  Zu  d.  Anzeige  über  „Kolde,  Luthers  Selbstmord"  in 
N.  9  d.  ThLZ.:  ThLZ.  15,  S.  384/5.  (Nachtrag  dazu  G.  Kawerau:  ib.  S.  412.)  -  62)  P.  Majunke,  D.  bist.  Kritik  über 
Luthers  Lebensende.  Mainz,  Kupferberg.  106  S.  M.  1,50.  —  63)  Th.  Kolde,  Noch  einmal  Luthers  Selbstmord.  Erwiderung 
auf  Majunkes  neueste   Schrift.    Leipzig,   Deichert  Nachf.    28  S.   M.  0,50.    —    64)   M.    Honef,   D.  Selbstmord  Luthers,   geseb. 

8* 


116  n,ß:  Gr.  Kawerau,  Luther. 

Urteil  über  Majunke  vorsiclitig  ausweichend,  Kolde,  der  ihm  in  der  Rüstung  des 
Historikers,  aber  auch  in  der  Entrüstung  eines  Menschen,  der  krumme  Wege  hasst, 
entgegengetreten  war,  wegen  Intoleranz  und  Störung  des  konfessionellen  Friedens  zu 
denunzieren,  ja  die  Person  des  Prinzregenten  von  Bayern  hineinzuziehen;  lag  doch 
diesem  eben  Koldes  Wahl  zum  Prorektor  der  Universität  Erlangen  zur  Bestätigung 
vor.  Ueber  die  protestantischen  Antworten  sei  nur  kurz  bemerkt,  dass  das  Quellen- 
material am  eingehendsten  durch  KoldeS''-**^)  Prüfung  gefunden  hat,  dessen  Arbeit  die 
gelehrte  Erwiderung  ist.  Alle  andern  Antworten  wenden  sicli  an  das  grössere  Publikum, 
teils  auf  Grund  eigener  Bekanntschaft  mit  den  Quellen,  teils  in  Abhängigkeit  von  den 
Arbeiten  von  Kolde  und  Gr.  Kawerau-'>'^-59).  Die  kleine  Schrift  des  Letztgenannten  be- 
handelt die  Lüge  über  Luthers  Ende  als  Species  einer  ganzen  Gattung  der  im  16.  Jh. 
auf  allen  Seiten  üppig  wuchernden  tendenziösen  Märchen  über  das  Ende  kirchlicher 
Gegner.  W.  Walther^^)  analysiert  unter  psychologischen  Gesichtspunkten  die  Berichte 
der  Augenzeugen  über  Luthers  Sterbestunde,  um  auf  diesem  Wege  zu  zeigen,  wie  Ma- 
junkes  Rezept,  „verabredeter  Bericht,  um  den  Selbstmord  zu  vertuschen",  sich  als  un- 
anwendbar erweist.  — 

Walther ''0^  liat  dem  Verein  für  Reformationsgeschichte  ein  drittes  Heft  seiner  ver- 
dienstlichen Beleuchtung  des  Gerichtes,  das  römische  Abneigung  in  diesen  letzten 
Jahren  wieder  über  Luther  gehalten  hat,  geliefert,  um  allmählich  ein  vollständiges  Arsenal 
der  Abwehr  gegen  alle  die  landläufigen  Entstellungen  und  Verdrehungen  von  Luthers 
Geschichte,  Reden,  Absichten,  Verhalten  bereit  zu  stellen.  Diesmal  handelt  es  sich  um 
die  Vorwüi-fe  massloser  Selbstüberhebung  in  der  Schätzung  seines  Berufes,  um  die  un- 
lauteren Motive,  die  den  verschiedensten  seiner  Handlungen  untergelegt  werden,  um  die 
niedrige,  aber  auch  völHg  unzutreffende  Deutung,  die  man  seinen  häufigen  Anfechtungen 
gegeben,  endlich  um  den  in  neuester  Zeit  so  beliebten  Vorwurf  der  Eeigheit  und  Re- 
nommisterei. Auch  dieses  Heft  zeichnet  sich  durch  die  rein  sachHche  Darstellung  und 
die  unerschütterliche  Ruhe  aus,  die  W.  all  den  kleinen  Bosheiten  und  Unwahrhaftigkeiten 
gegenüber  bewahrt,  die  er  auf  Schritt  und  Tritt  blosszulegen  hat.  Dabei  ist  der  Vf.  von 
grosser  Vorsicht  und  Akribie,  so  dass  er  nicht  leicht  dem  Gegner  eine  willkommene 
Blosse  bietet.  Diese  notwendige  Verteidigungsarbeit  soll  weiter  fortgesetzt  werden. 
Leuten,  die  am  Verdächtigen  ihre  Freude  haben,  wird  freilich  auch  diu'ch  diese  Schutz- 
wehr das  Handwerk  nicht  gelegt  werden.  —  Mit  einem  älteren  Produkt  ultramontaner 
Luther-Litteratiu-  hat  es  ein  anonymer  Aufsatz''^)  zu  thun,  worin  Bericht  über  die  unglaub- 
lichen Roheiten  erstattet  ist,  die  sich  ein  itahenisches  Lutherpamphlet  anno  1876  geleistet 
hat.  —  Wenn  man  uns  die  Schrift  des  hessischen  Theologen  F.  Haupt  von  1863 — GG  über 
den  „Episkopat  der  deutschen  Reformation"  wieder  ausgräbt  und  als  höchst  zeitgemäss 
anpreist'^-),  so  müssen  wir  die  Kritiklosigkeit  solcher  Artikelschreiber  feststellen ;  denn  es 
handelt  sich  um  ein  durch  und  dm*ch  tendenziöses,  ohne  geschichthchen  Sinn  gearbeitetes 
Buch.  Die  Männer  der  „Hammersteinschen  Bewegung"  schaden  der  Sache,  die  sie  ver- 
treten, selber,  wenn  sie  einen  solchen  „Anwalt"  heraufbeschwören.  — 

Semler''^)  belehrt  uns,  dass  Luther  und  Goethe  zwar  ein  gemeinsames  Ziel, 
die  sittlich-ideale  Erhebung  der  Menschen,  erstreben,  aber  auf  verschiedenem  Wege: 
Luther  „durch  den  Glauben  —  für  das  Jenseits",  Goethe  „durch  das  Leben  —  für  das 
Leben".  Wie  misshch  solche  Schlagworte  sind,  möge  der  Vf.  daraus  ersehen,  dass  Leute, 
die  Luthers  Anschauungen  in  Vergleich  mit  den  Idealen  des  Mittelalters  gestellt  haben, 
sein  Werk  gerade  umgekehrt  als  „Verwelthchung"  des  Christentums,  als  ein  Fussfassen 
im  Diesseits  haben  bezeichnen  können.'*)  — 

erwiesen.  Mttnchen,  Liebfrauendruckerei.  IG«.  94  S.  M.  0,80.  —  65)  E.  BlUmel,  Luthers  Lebensende.  Widerlegung  d. 
durch  d.  röm.  Priester  Majunke  hervorgesuchten  u.  verarbeiteten  LUgenberichte.  Barmen,  Klein.  12.  80  S.  M.  0,75.  —  66)  K. 
Sallmann,  Luthers  angebl.  Selbstmord  nach  P.  Mi^unkes  GeschichtslUge.  Vortr.  Kassel,  Brunnemann.  16  S.  M.  0,50.  —  67) 
Trora morshausen,  Luthers  Tod  in  ultramontaner  Beleuchtung.  Vortr.  Saarbrücken,  Hofer.  29  S.  M.  0,10.  —  68)  W.  Walther, 
Luthers  Ende:  AELKZ.  23,  S.  1121/3,  1149-51.  —  69)  P.  Majunke,  E.  letztes  Wort  an  d.  Luther  -  Dichter.  Nebst  neuen 
Nachtragen.  Mainz,  Kupferberg.  52  S.  mit  Bild.  M.  0,75.  —  70)  W.  Walther,  Luthers  Beruf.  (Luther  im  neueston  römischen 
Gericht,  3.  Heft).  (=  Schriften  d.  Vereins  f.  Reformationsgesch.  N.  31.)  Halle,  Niemeyer.  160  S.  M.  1,20.  —  71)  Z.  ultramontanen 
Lutherlitt eratur:  EKZ.  125,  S.  786/8.  —  72)  E.  verschollenes  u.  doch  sehr  zeitgemässes  Buch:  DEKZ.  4,  S.  135/6.  —  73)  Ch. 
Semler,  D.  Weltanschauung  Luthers  u.  Goethes  u.  ihre  Bedeutung  fUr  unsere  Zeit.  (=  Deutsche  Zeit-  u.  Streit-Fragen.  NF. 
Heft  63.)  Hamburg,  Verlagsanstalt  u.  Druckerei  A.-G.  39  S.  M.  1,00.  —  74)  XX  J.  Sutter,  Luther  and  the  cardinal:  a  historical 
and  biographical  tale  of  the  reformation  in  Germany.  London,  Traet  Society.  2  sh.  6  d.  (Vermutlich  Uebertragung  v.  Armin 
Steins  hubscher  Erzählung.) 


11,7:  V.  Michels,  Reformationslitteratu'*.  117 


11,7 

Reformationslitteratur. 

Victor  Michels. 

Alldem eiueres:  Gesamtdarstellungen  N.  1.  —  Unterströmungen  N.  9.  —  Lokal  Umgrenztes:  Nürnberg, 
Wertheim  u.  a.  N.  20.  —  Preussen  N.  34.  —  Darstellungen  unter  litterarisclien  üosiclitspunkten:  Katechismus- 
litteratur  N.  35.  —  Der  christliche  Ritter  N.  37.  —  Einzelne  Wortführer:  Protestanten:  Molanchthon  N.  38;  Zwingli  und 
Oekolampadius  N.  45;  Mathesius  N.  47;  Bugenhagen  N.  50;  Rothmann,  Andreae  u.  a.  N.  56.  —  Katholiken:  Murner  N.  66; 
Emser  N.  69;  Wimpina  N.  71;  Cochlaeus  N.  73.  — 

Was  das  Berichtsjahr  an  wissenschaftlichen  Arbeiten  gebracht  hat,  die  für  die 
Kenntnis  der  litterarischen  Bewegung  zu  Gunsten  und  Ungunsten  der  Reformation  in 
Betracht  kommen,  geht  im  allgemeinen  mehr  von  theologischen  Gesichtspunkten  aus 
und  findet  an  dieser  Stelle  nur  insoweit  Berücksichtigung,  als  es  auch  der  litterar- 
historischen  Forschung  dienstbar  sein  kann.  Die  Gesamtheit  der  reformatorischen 
Bewegung  spiegelt  sich  in  dem  9.  Bande  von  Hefeies  Konziliengeschichte  aus  der 
Feder  des  Kardinals  Hergenröther i),  der  als  ein  gelehrter  und  gebildeter  Kirchen- 
fürst die  Reformation  wie  einen  Krankheitsprozess  ruhig,  wenn  aiich  nicht  immer  gerecht 
beiu'teilt;  für  die  innern  Triebfedern  der  Bewegung,  die  Persönlichkeiten  des  Zeitalters 
hat  der  Vf.  so  wenig  einen  Blick  wie  sein  System  einen  Platz  —  nicht  am  wenigsten 
zum  Nachteil  für  die  Gegner  Luthers  im  Iß.  Jh.,  die,  befreit  von  menschlichen  Schwächen 
und  Leidenschaften,  zu  Säulen  der  Kirche  versteinert,  in  einem  besonderen  Paragraphen 
aufgestellt  sind  und  das  matte  Lob  erhalten,  dass  ihre  Thätigkeit  „immerhin"  aller  Ehren 
wert  sei.  Doch  wird  sich  das  Buch  durch  das  reichhaltige  Material  und  die  beqvieme 
Uebersichtlichkeit  der  Forschung  förderlicher  erweisen  als  die  protestantischen  Lehrbücher 
und  Leitfäden  2-3).  —  "Was  sonst  zu  allgemeiner  Charakteristik  des  Reformationszeitall ers 
geschrieben  ist,  hat  fadenscheinig -populäre    und    zum  Teil    agitatorische  Zwecke  ^-8).  — 

Für  die  Unterströmungen  der  religiösen  Bewegung  kommen  L.  Kellers 
Forschungen  in  Betracht.  Sein  geistvolles  und  paradoxes  Buch  über  Staupitz,  das  zu 
einer  gänzlich  veränderten  Auffassung  namentlich  auch  der  Nürnberger  Verhältnisse  zu 
zwingen  und  neben  andern  auch  Hans  Sachs  zum  Sektierer  zu  stempeln  suchte,  wirkt 
noch  in  Recensionen  nach,  die  sich  im  allgemeinen  ablehnend  verhalten;  zu  nennen  sind 
die  von  Enders 9)  und  Lemme^o).  —  Auch  die  Predigten  Staupitzens  deren  Herausgabe 
Aumüller^i)  fortsetzt,  mit  ihrer  liebenswürdigen  Bildlichkeit,  der  katholischen  Naivetät 
des  Urteils  über  heilige  Dinge,  einem  leichten  Anflug  von  Pantheismus  sind  wenig  ge- 
eignet, Kellers  Urteil  zu  bestätigen.  Nur  von  interessierter  Seite  i--i3)  hat  er  auch  Bei- 
stimmung gefunden  mit  dem  V-ersuch,  praktische  Konsequenzen  zu  ziehen.  —  Ein  Un- 
genannter in  Holland'*)  sucht  im  Geist  dieser  Forschungen  festzustellen,  dass  Konrad 
Grebel  bei  dem  Zwist  mit  Zwingli  (1523)  viel  mehr  konservativ  als  radikal  eine  Sonder- 
kirche neben  der  Staatskirche  angestrebt  habe.  —  L.  Keller'S-ie)  selbst  setzt  seine 
Bestrebungen,  die  Kontinuität  der  evangelischen  Sekten  zu  erweisen,  in  mehreren  kleinen 
Aufsätzen  fort:  er  bringt  die  interessante  Bemerkimg  bei,  dass  das  Reichsgesetz  vom 
23.  April  1529  die  Wiedertäufer  als  eine  viele  Jahrhunderte  alte  Sekte  bezeichnet,  und 
sieht  darin  seitens  offenherziger  Juristen  das  Eingeständnis  einer  Thatsache,  die  nur 
schlaue  Parteilichkeit  der  Theologen  zu  verschleiern  suchte.  Dass  die  ersten  Wieder- 
täufer selbst  nirgends  ihre  Zusammengehörigkeit  mit  den  Waldensern  hervorheben, 
beruhe  darauf,  dass  „Waldenser"  ein  Scheltname  für  Ketzer,  Zauberer  und  Hexenmeister 


I)  C.  J.  V.  He  feie,  Konziliengeschichte.  Nach  d.  Quellen  hearb.  Fortges.  v.  J.  Cardinal  Hergenröther.  Bd.  9. 
Freiburg,  Herder.  VIII,  972  S.  M.  10,00.  (Besonders  §  843.)  -  2)  X  J-  H.  Kurtz,  Lehrbuch  d.  Kirchengesch.  für 
ritud.  11.  Aufl.  in  durchgängig  erneuter  Bearbeitung.  11,1.  Leipzig.  Neumann.  VIII.  359  S.  Tl.  1—4  M.  16,60.  —  3)  XJ  Bücher, 
0.  Zöckler,  Gesch.  d.  theol.  Litt.  =  Handbuch  d.  theol.  Wissensch.  her.  v.  0.  Zöckler.  1.  u.  2.  Aufl.  Supplementbd.  (A):  DLZ. 
11,  S.  121/4.  —  4)  Weber,  Reformation  u.  sociale  Frage.  (=  Flugschriften  d.  Evangel.  Bundes  47.)  Leipzig,  Ev.  Bund  (Braun). 
20  S.  M.  0,20.  —  5)  id.,  Reformation  u.  sociale  Frage.  Vortr.  geh.  bei  d.  4.  Generalvers.  d.  Evang.  Bundes  in  Stuttgart  am 
Mittw.  d.  24.  Sept.  1890.  Leipzig,  Ev.  Bund  (Braun).  22  S.  M.  0.20.  —  6)  id.,  Rom  u.  d.  sociale  Frage.  E.  Zusammenstellung 
V.  Thatsachen  aus  Lehre  u.  Leben  d.  Kirche  Roms.    (=  Freundschaftl.    Streitschriften.  24.)    Barmen,  Wiemann.    72  S.    M.  0,75. 

—  7)  Paulus  Cassel,  Reformation  u.  Revolution.  Vortr.  v.  31.  Okt.  1890.  (=:  Samml.  wissensch.  Abhandl.  u.  Vortrr.  2.)  Berlin, 
Rosenhaum  &  Hart.  o.  J.  15  S.  M.  0,50.  —  8)  id.,  Ich  u.  Ist  (Reformation  u.  Abendmahl).  Einige  Antithesen  z.  31.  Okt.  1890. 
(=  Samml.  wissensch.  Abhandl.  u.  Vortrr.  1.)  Berlin,  Rosenbaura  &  Hart.  o.  J.  42  S.  M.  0,50.  —  9)  L.  Enders,  Keller,  Johann 
V.  Staupitz:  ThLZ.  15,  S.  632/6.  —  10)  Leinme,  Keller,  Johann  v.  Staupitz  u.  d.  Anfänge  d.  Reformation:  ThStK.  63, 
S.  185-94.  —  II)  AumüUer,  Predigten  v.  Staupitz.  Fortsetzung:  JGGPÖ.  11,  S.  113-32.  —  12)  Lerp,  Thesen  über  d. 
Ludwig  Kellersche  Auffassung  d.  Reformation.  Privatdruck.  (Unter  d.  Titel  „E.  erfreuliches  Zeichen"  abgedr.  MenonBll.  37,  S.  4—5.) 

—  13)  C.  Härder,  In  Sachen  d.  Kellerschen  Forschungen:  MenonBll.  37,  S.  113/4.  —  14)  Z.  Beurteilung  Konrad  Grebels:  ib. 
S.  1-4.  —  15)  L.  Keller,  D.  Reichsgesetz  gegen  d.  sog.  Wiedertäufer  v.  23.  April  1529:  ib.  S.  109—11.    —    16)   id.,  Z.  Frage 


118  11,7:  V.  Michels,  Reformationslitteratur. 

gewesen  sei,  —  bei  allem  Scharfsinn  schwerlich  überzeugend,  i^-is)  —  Pür  die  BeurteDung 
der  Nürnberger  Bewegung  kommt  jetzt  auch  Koldes  Abhandlung  zum  Prozess  des 
Johann  Denk  und  der  drei  gottlosen  Maler  in  Betracht,  der  dritte  seiner  noch  zu 
besprechenden  Beiträge  zur  Kirchengeschichte  (vgl.  N.  73),  der  das  Bekenntnis  Denks,  das 
Gutachten  der  Nürnberger  Prediger  und  die  Verhörsprotokolle  aus  den  Akten  mitteilt 
und  Kellers  Forschungen  über  Denk  in  manchen  Punkten  berichtigt.  —  Ferner  Mummen- 
hoff s^^)  Artikel  über  Christoph  Scheurl,  der  das  Höfisch -Gewuj^dene  im  Cliarakter  des 
Nümbergers  schärfer  als  bisher  heraushebt  und  für  seine  Darstellung  neue  Mitteilungen 
eines  Nachkommen  benutzen  kami.  — 

Die  letztgenannten  Arbeiten  leiten  zu  der  lokal  umgrenzten  Forschung  über, 
der  Herolds^O)  Buch  über  Nürnberg  in  seinen  Gottesdiensten  zuzurechnen  ist, 
das  deshalb  wenigstens  Erwähnung  findet,  weil  hier  einiges  über  reformatorischen  Gottes- 
dienst und  damit  auch  über  die  reformatorische  Bewegung  in  der  litterarisch  so  bedeutsamen 
Stadt,  freilich  ziemlich  äusserlich,  zusammengestellt  ist.  —  Von  der  Reformation  in 
"Wertheim  liefert  in  anspruchslosester  Form  und  ohne  selbständige  Forschung  F.  Baum- 
garten^i)  ein  hübsches  Kulturbildchen:  einen  Hintergrund  für  Eberlin  von  Günzburg. — 
Die  Vorgänge  in  Hessen  beleuchtet  E.ady22)  zwar  auf  Grund  der  Lenzschen  Publikationen, 
aber  mit  einer  diirch  den  Parteistandpunkt  verschuldeten  Befangenheit  und  argen 
Schnitzern.23)  —  Was  über  die  Reformation  in  Strassburg^^)^  Baden 25-26),  Sachsen  2^-29), 
Brandenburg 30-31),  Polen ^2)  erschienen  ist,  hat  mehr  für  Historiker  und  Theologen  Interesse; 
beachtenswert  ist  aber  eine  Recension  G.  Kaweraus^^),  die  auf  den  Dresdener  Wolfgang 
Wulfer  und  seine  Schriften  gegen  Luther  aufmerksam  macht.  — 

Die  reifste  Frucht  auf  dem  ganzen  Gebiet  ist  jedenfalls  Tschack  er  ts^*)  Urkunden- 
buch  zur  Reformationsgeschichte  Preussens.  Für  den  hier  gebotenen  Standpunkt 
bildet  die  Wirksamkeit  Herzog  Albrechts  und  seines  getreuen  Georg  von  Polentz,  dem, 
wie  wir  nun  erfahren,  Erhard  von  Queiss  gleich  von  Anfang  an  als  energischer  Gesiinmngs- 
genosse  zur  Seite  steht,  nur  den  lebensvollen  Hintergrund,  von  dem  sich  die  Gestalten 
litterarisch  bedeutsamer  Männer  abheben.  Poliander  und  Briessraann  erhalten  scharf 
gezeichnete  Porträts;  Cosacks  Buch  überPaul  Speratus  wird  durch  die  neuen  Quellen 
nicht  nur  ergänzt,  sondern  in  vielen  Punkten  (ökonomische  Lage,  Verhältnis  zum  Herzog 
u.  a.)  berichtigt;  die  „Constitutiones  synodales  evaiigelicae"  werden  als  Schrift  des 
Speratus  unbedenklich  liingestellt.  Die  Königsberger  Zeit  des  Gnapheus,  seine  Wirk- 
samkeit am  Partikular  und  an  der  Universität,  wird  hell  beleuchtet:  sein  Zwist  mit  dem 
intriganten  Staphylus  und  seine  Vertreibung  als  Ketzer  im  wesentlichen  auf  Grund 
seiner  „Antilogia"  und,  trotz  der  anderwärts  hervortretenden,  nicht  ganz  einwandfreien 
Begeisteining  des  Vf.  für  das  landeskirchliche  Luthertum,  durchaus  zu  Gunsten  des 
Gnapheus.  Neue  Schlaglichter  fallen  auf  die  Thätigkeit  des  Crotus  Rubeanus  als 
Sekretär  des  Herzogs.  Der  eitle.  Sabinus  wird,  gegen  Töppens  „Gründinig  der  Universität 
Königsberg",  in  die  Linie  tüchtiger  Kollegen  zurückgestellt.  Auch  über  den  Königs- 
berger Buchdrucker  Weinreich  und  über  die  Gründung  der  Königsberger  Filiale  des 
Hans  Luft  unter  Osianders  Leitung  werden  wir  orientiert.  Verschiedene  Register  er- 
leichtem in  dankenswerter  Weise  die  Uebersicht  über  die  Quellen.  — 

Darstellungen  unter  litterarischen  Gesichtspunkten  liegen  verhältnis- 
mässig wenige  vor.  Von  den  verschiedenen  Zweigen  der  Reformationslitteratur  ist  nur 
den  katechetischen  Schriften  durch  zusammenhängende  Forschxmg  von  theologischer 
Seite    Pflege    zu    teil    geworden.      G.    Kaweraus^-^)    Neudruck    zweier    vorlutherischer 

nach  d.  Ursprung  d.  Wiedertäufer:  ib.  S.  117.  —  17)  X  Z.  Gesch.  d.  sog.  Wiedertäufer  im  Bistum  Mllnster  um  d.  .J.  1600:  ib. 
S.  88/9.  —  18)  X  Daniel  Sudermann  —  e.  Wiedertäufer:  ib.  S.  100/1  u.  10.5/6.  (Auszug  aus  Sepp.  Kerkhist.  Studien.)  — 
19)  Mummenhoff,  Christoph  Scheurl:  ADB.  31,  S.  145/54.  —  20)  M.  Herold,  Alt-NUrnberg  in  seinen  Gottesdiensten.  E. 
Beitr.  z.  Gesch.  d.  Sitte  u.  d.  Kultus.  Gütersloh,  Bertelsmann.  VII,  333  8.  M.  4,80.  |[H.  A.  Köstliii:  ThLZ.  16,  S.  446  f. 
(wann  lobend).]|  —  21)  F.  Baumgarten,  Wie  Wertheim  evangelisch  wurde.  (=i  Schriften  f.  d.  deutsche  Volk  her.  v.  Verein 
..  Refonnationsgeseh.  8.)  Halle.  Niemeyer.  66  S.  |[G.  Bessert:  ThLZ.  16,  S.  45.)  —  22)  J.  B.  Kady,  D.  Reformatoren  in 
ihrer  Beziehung  z.  Doppelehe  d.  Landgrafen  Philipp.  Nach  d.  in  d.  „Publikationen  aus  d.  preuss.  Staatsarchiven"  veröffentl. 
Briefwechsel  d.  Landgrafen  ra.  Bucer  dargest.  Frankfurt  a/M.,  Foesser  Nachf.  IV,  131  S.  m.  Portr.  M.  2,25.  —  23)  X  Schädel, 
D.  Martyrium  Philipps  d.  Grossmutigen  in  seiner  belgischen  Haft.  (=:  Flugschriften  d.  Evang.  Bundes.  44.)  Leipzig.  Braun.  15  S. 
—  24)  E.  Stricker,  Joh.  Calvin  als  erster  Pfarrer  d.  reform.  Gemeinde  zu  Strassburg.  Nach  urkundl.  Quellen.  Strassburg, 
Heitz.  66  S.  M.  1,20.  |[LCB1.  S.  1321/2.]|  —  25)  G.  Linder,  Simou  Sulzor  u.  sein  Anteil  an  d.  Reformation  im  LanJe  Baden, 
sowie  an  d.  Unionsbestrebungen.  Heidelberg,  Winter.  IV,  70  K.  M.  3,00.  |[Egli:  ThZSchw.  7,  S.  196  (lobend);  G.  Kawerau: 
ThLZ.  16,  S.  1.53  f.  („schätzenswerte  Chronik,  keine  Biographie  im  höheren  Sinne").]!  ~  26)  R.  Fester,  l).  Religinnsmandate 
d.  Markgrafen  Philipp  v.  Baden  1.522—33:  ZKG.  11,  S.  307—30.  —  27)  Könnecke,  Z.  3.50j.  Refonnationsjubiläum  d.  Alberti- 
nischen  Sachsen:  KM.  9,  S.  167-83.  —  28)  Georg  Mllller,  F.  H.  Baumgärtel,  D.  kirchl.  Zustande  Bautzens  im  16.  u.  17.  Jh. 
NASächsG.  11,  S.  167/8.  -  29)  id.,  Dibolius,  D.  Einführung  d.  Reformation  in  Dresden:  ib.  8.  167.  -  30)  (i.  Bessert, 
Heidemann,  D.  Reformation  in  d.  Mark  Brandenburg:  ThLZ.  15,  S.  121/3.  —  31)  P.  Tsehackert,  Heidijmann,  D.  Reformation  in 
d.  Mark  Brandenburg:  ThStK.  63,  S.  601—14.  (Zu  beachten  lllr  Briessmann.)  —  32)  J.  Sembrzycki,  D.Reise  d.  Vergerius 
nach  Polen  15.56/7:  AltprMschr.  27,  S.  513—84.  —  33)  G.  Kawerau,  Dibelius,  D.  EinfUlirun«?  d.  Reformation  in  Dresden: 
ThLZ.  15,  S.  256/7.  —  34)  P.  Tsehackert,  Urknndenbnch  z.  Reformationsgosch.  d.  Herzogtui'-is  Preussen.  Bd.  I:  Einleitung; 
Bd.  II  u.  III :  Urkunden.  (=  Publl.  aus  d.  K.  Preuss.  Staatsarchiven  43/5.)  Leipzig,  Hirzel.  XII,  389  S.  M.  9,00;  VIII,  436  S.  M.  10,00; 
373  8.  M.  9,00.  i[G.  Kawerau:  DLZ.  12,  S.  489-92;  B en rat h:  AltprMschr.  28,  S.  146/9;  LCBl.  1891,  S.  1456  f.]|  (Vgl.  o.  11,6 
N.  35  u.  ZKG.  11,  S.  274—306.)  -  35)  Zwei  älteste  Katechismen  d.  Luther.  Reformation  (v.  P.  Schultz  u.  Chr.  Hogondorf).  Neu  her. 
v.  G.   Kawerau.    (=  Neudrr.  deutscher  Litt-W.  d.  16./17.  Jh.  N.   92.)    Halle,   Niemeyer.    1890  (auf  d.  Umschlag  1891).    60  S. 


11,7:  V.  Michels,  Refonnationslitteralur.  119 

Kateclusmen,  von  denen  der  eine  völlig  unbekannt  war,  lässt  jetzt  in  der  Einleitung 
die  älteste  Katechismuslitteratur  überschauen.  —  Gooszen-^^)  giebt  einen  Abdruck  des 
Heidelberger  Katechismus  in  seiner  endgültigen  Fassung  nebst  dessen  Vorstiifen  und 
Quellen  im  Apparat,  dazu  die  ausführliche  Entstehungsgeschichte  in  fünf  einleitenden 
Kapiteln.  Nicht  Ursinus  und  Olevianus  allein  haben,  wie  hier  dargethan  wird,  den 
Textus  receptus  ausgearbeitet,  sondern  die  Entstehung  ist  bei  weitem  komplizierter,  in- 
dem Ursinus  aus  seinem  „Catechismus  maior"  auf  Befehl  des  Kurfürsten  Eriedrich  den 
„Catechismus  minor"  schuf,  Olevianus  diesen  übersetzte  und  leise  umänderte,  der  Kurfürst 
ihn  von  neuem  verbesserte,  endlich  ein  Heidelberger  Konvent  ihn  nicht  unbeträchtlich 
modifizierte.  Danach  ist  die  erste  Ausgabe  gedruckt.  Die  späteren  sind  durch  Ein- 
schiebungen  erweitert,  die  den  Unterschied  von  Messe  und  Abendmahl  feststellen. 
Litterarische  Quellen  sind  bei  den  verschiedenen  Stadien  besonders  katechetische  Schriften 
Bullingers,  Leo  Judas,  Calvins  grosser  Katechismus,  die  Londoner  Katechismen  und 
der  Emdener.  Im  übrigen  sei  auch  auf  das  ausführliche  Referat  von  Kohlschmidt 
hingewiesen.  — 

Unter  einem  originellen  Gesichtspunkte  gruppiert  Erich  Schmidt^'')  in  einem 
Vortrage  eine  Reihe  von  Dichtungen  des  16.  Jh.  und  reproduziert  so  ein  Ideal  der  Zeit, 
das  in  Luther  Fleisch  und  Blut  gewann,  die  Eigur  des  „christlichen  Ritters".  Nicht 
durch  die  Schärfe  der  Zeichnung,  aber  durch  die  frischeste  Earbengebung  entsteht  ein 
wirkungsvolles  und  bedeutsames  Bild.  S.  geht  von  Erasmus'  „Enchiridion  militis 
christiani"  aus  (das  übrigens  das  Thema  nicht  erst  in  die  Litteratur  einführt:  vgl.  v.  d. 
Hagens  Minnesinger  3,  S.  39a;  41a;  49a;  Meisterlieder),  nimmt  mit  H.  Grimm  Einfluss 
auf  Dürers  „Ritter,  Tod  und  Teufel"  an,  streift  rasch  Hütten  s  ritterliche  Gestalt  und 
lässt  uns  dann  die  Streitschriften-  iind  Erbauungslitteratur  (Hütten,  Luther ,  Schwarzenberg, 
Amandus,  Rhegius,  Huberinus,  Weller,  Ringwaldt)  mustern.  Aus  den  Kirchenliedern 
folgen  axif  Luthers  Kampflied  die  Dichtungen  von  Selneccer,  Eünkelin,  Anomäus,  Suder- 
mann; alle  werden  ganz  knapp  mit  ein  paar  Strichen  charakterisiert.  Ebenso  die 
Dramen  mit  der  „Moralite  Nouvelle  de  Mundus  Caro  et  Daemonia"  an  der  Spitze.  Eine 
schon  von  Scherer  gewürdigte  Scene  in  Kielmanns  „Tetzelocramia"  wird  besonders 
heraxisgehoben;  Rinckharts  Lutherdramen  sind  mit  Recht  ungünstiger  beiirteilt,  als 
dies  z.  B,  vom  Herausgeber  des  „Eislebischen  christlichen  Ritters"  geschieht.  Sonst 
sind  Laurimanus,  Bresnicer,  Dedekind,  Rivander,  Ebhart,  Hirtzwig,  Hartmann  u.  a.  bei'ührt.  — 

Dem  Leben  imd  Wirken  der  einzelnen  Wortführer  auf  protestantischer  Seite  hat 
im  Berichtsjahr  allein  die  theologische  Eorschxuig  Aufmerksamkeit  geschenkt,  während 
litterarhistorische  Studien  sich  um  die  Gegner  Luthers  bemüht  haben.  Unter  den  Vor- 
kämpfern der  Protestanten  beschäftigt  sich  wie  gewöhnlich  die  Forschung  neben 
Luther  besonders  mit  Melanchthon.  Seine  „Loci  commxmes"  hat  Kolde*^*^)  heraus- 
gegeben mit  einer  klaren  Einleitung,  die  Melanchthous  Entwickliuag  vom  Hvunanisten 
zum  Reformator  verfolgt  und  die  „Loci"  aus  Obelisken  zu  Petrus  Lombardus  heraus- 
wachsen lässt,  und  mit  Anmerkungen,  welche  allenthalben  die  Beziehungen  auf  scho- 
lastische Doktrinen  feststellen.  Dass  aber  die  zu  Grunde  gelegte  Ausgabe  nicht  der 
vermeinte  Urdruck,  sondern  em  stückweise  gefertigter  schlechter  Nachdruck,  inid  dass 
überhaupt  das  Philologische  des  Herausgebers  starke  Seite  nicht  ist,  zeigt  die  wichtige 
Recension  von  Knaake^^).  —  Als  selbständigen  Denker  auf  ethischem  Gebiet  sxicht 
Költzsch-'O)  Melanchthon  hinzustellen,  indem  er  die  philosophische  und  theologische  Ethik 
scheidet,  die  „Philosopliiae  moralis  epitome"  und  die  „Ethicae  doctrinae  elementa" 
analysiert,  aber  im  Gegensatz  zu  Zellers  und  Ueberwegs  Urteil  Melanchthons  Be- 
deutung als  Ethiker  wohl  überschätzt.  —  Verscliiedene  zum  Teil  ungedruckte  Briefe 
Melanchthons,  meist  an  den  Zwickauer  Rat  und  Zwickauer  Private,  sind  in  einem  Aufsatz 
Fabians^i)  mitgeteilt;  in  dem  Briefwechsel  wird  unter  andern  aixch  Georg  Thym,  der 
Vf.  des  „Thedel  von  Walmoden",  mehrfach  erwähnt,  und  Georg  Major  erscheint  unter 
den  Wittenbergem,  die  gemeinsam  an  den  Rat  schreiben.  —  Einen  eigenhändigen 
Empfelüungsbrief  (unterzeichnet  „Pliilippus  Melanthon")  veröifentlicht  von  Heinemann^s)^ 
gerichtet  an  alle  „honesti  viri"  (der  Herausgeber  drückt  sich  missverständlich  aus).  — 
Distel'^3)  bietet  nur  einen  Nachtrag  zu  einem  bereits  gedruckten  Briefe.  —  Ungedruckte 
Schreiben  an  Melanchthon  dagegen  teilt  Hartfelder**)  mit.     Sie   enthalten  Aussprüche 


M.  0.60.  (Vgl.  jetzt  auch  ThStK.  64,  S.  172/9.)  —  36)  M.  A.  Gooszen,  De  Heidelbergsclie  Catechismus.  Textus  receptus  met 
toelichtende  tek  sten.  Bijdrage  tot  de  Kennis  van  zijne  wordingsgeschiedenis  en  van  het  gerefonneerd  protestantisme.  Leiden, 
Brill.  VIII,  XIV,  252  S.  M.  8,35.  |  LKohl  schraidt:  PKZ.  37,  S.  650-00;  Weiffenbach:  ThLZ.  16,  S.  195/9.]|  —  37)  Erich 
Schmidt,  D.  christliche  Ritter,  e.  Ideal  d.  16.  Jh.:  DRs.  64,  S.  194—210.  —  38)  D.  Loci  communes  Ph.  Melanchthons.  In 
ihrer  Urgestalt  nach  G.  L.  Plitt  in  2.  Aufl.  v.  neuem  her.  u.  bearb.  v.  Th.  Kolde.  Erlangen  u.  Leipzig,  Deichert.  VIII,  279  S. 
M.3,50.  |[G.Kawerau:  DLZ.  11,  S.  279-99;  F.  Nitzsch:  ThLZ.  15,  S.  239  (lobend).]  |  —  39)  J.  K.  F.  Knaake,  D.  Loci  communes 
Philipp  Melanchthons  in  ihrer  Urgestalt,  her.  v.  Kolde:  ThStK,  64,  S.  601-17.  —  40)  F.  Költzsch,  Melanchthons 
philosophische  Ethik:  Leipz.  Diss.  Freiberg,  Craz  u.  Gerlach.  IV,  135  S.  M.  2,00.  —  41)  E.  Fabian,  D.  Beziehungen  Ph. 
Melanchthons  z.  Stadt  Zwickau:  NASächsG.  11,  S.  47—76.  —  42)  v.  Heinemann,  E.  Brief  Melanchthons.  Empfehlungsbrief 
Ph.  M.s  flir  Heinrich  Eiferen:  ZKG.  12,1,  S.  213/4.  —  43)  Th,  Distel,  Melanchthons  Abschrift  e.  eigenen  Briefes  an  d.  Könij 


120  11,7:  V.  Michels,  Reformatioiislitleratur. 

über  die  verschiedensten  Personen  und  Dinge  von  1531 — 57;  die  Absender  sind  Julius 
Pflug,  Andreas  Batizius,  Kaspar  Hedio,  Andreas  Tricesius,  Sigismund  Spalting,  Martin 
Gelenius,  Johannes  Aurifaber,  Andreas  Fabricius,  Moritz  Heiling,  Justus  Velsius  und 
Alexander  Alesius.  — 

Briefe  von  Zwingli^^)  und  Oekolampadius  finden    sich  bei  Wäschke^ß).  — 

Loesche^''-^^)  setzt  die  Forschungen  zu  Mathesius  fort:  er  liefert  eine  Biblio- 
graphie der  Predigten  mit  Inhaltsangabe  und  kurzer  Würdigimg  und  stellt  aus  den 
Predigten,  das  Pormale  nur  zum  Schluss  kurz  berührend,  die  exegetische  Art,  die 
dogmatischen  vmd  ethischen  Anschauungen  des  Mathesius  zusammen.  Er  giebt  ferner 
eine  Uebersicht  des  Briefwechsels,  darunter  74  neue  Briefe,  deren  Inhalt  in  Re- 
gestenform mitgeteilt  wird:  59  sind  darunter  von  Mathesius  an  Melanchthon,  Eber, 
Camerarius  (Vater  und  Sohn),  Caspar  von  Nidbruck,  Spalatin,  C.  Peucer,  Camitianus, 
Gigas,  Heidrich,  Prätorius;  die  übrigen  an  Mathesius  vom  Rat  von  Joachimsthal, 
Nidbruck,  Melanchthon,  Camerarius  (Vater),  C.  Heidrich.     (Vgl.  o.  II,  1  N.  13).  — 

Zu  Bugenhagens  Briefwechsel  bringt  0.  Vogt 5*^)  ein  paar  Nachträge,  während 
Köstlin^i-&2)  in  zwei  Aufsätzen  die  Echtheit  von  Liithers  Schreiben  an  Bugenhagen 
aus  dem  Jahre  1520  zu  erweisen  sucht:  in  dem  ersten  wird  auf  Gnmd  von  Angaben 
Zöcklers  behauptet,  die  Hand  sei  Luthers  und  es  Hessen  sich  die  Spitzen  der  weg- 
geschnittenen Buchstaben  „M-t-L-th-"  am  unteren  Rande  erkennen,  im  zweiten  auf 
Grund  eigener  Einsicht  ausgeführt,  die  Hand  sei  Bugenhagens  und  aus  dem  Weg- 
geschnittenen „e  s  t"  herauszulesen.53-54)  —  Eine  gut  gemeinte  populäre  Biographie 
Meinhofs^s)    enthält  nichts  Pörderndes.  — 

Von  Arbeiten  über  die  Kleineren  ist  vornehmlich  L.  Kellers ^^^  Aufsatz  über 
Bernhard  Rothmann,  der  zum  ersten  Mal  das  Leben  des  Münsterer  Wiedertäufers 
zusammenstellt  und  den  inneren  Kämpfen  des  Mannes  gerecht  wird,  geeignet,  Interesse 
zu  erregen.  —  L.  Keller^'')  giebt  auch  von  Michael  Sattler  eine  knappe  Charakteristik, 
bei  der  zugleich  einige  der  durch  seine  Hinrichtung  hervorgerufenen  Schriften  namhaft 
gemacht  werden.  Das  in  Wackernagels  Kirchenlied  3,  N.  404  abgedruckte  Lied  spricht 
R.  ihm  zu,  N.  520  dagegen  ab.  —  Eine  ziemHch  eingehende,  etwas  trocken  geschrie- 
bene Darstellung  der  äusseren  Lebensgeschichte  von  Bartholomäus  Sastrow  liefert  Pyl^s). 
Hauptquelle  ist  naturgemäss  die  Selbstbiographie. s^-^*)  —  Von  Jakob  Andrea  sind 
zwanzig  der  frühesten  Predigten,  leicht  modernisiert,  mit  einer  biographischen  Einleitung 
(nach  der  Selbstbiographie)  von  Schmoller^s)  herausgegeben  worden.  Sie  haben  die 
lutherische  Dogmatik  zum  Thema;  doch  zeigen  wenigstens  die  Kinderpredigten  hier  und 
da  einen  erfreulichen  bildlichen  Ausdruck. 

Unter  den  schriftstellerisch  bedeutenden  Katholiken  steht  Murner  im 
Mittelpunkt  der  Forschung  (s.  auch  o.  11,5  N.  26/9).  Mit  einem  kecken  Wurf  entrollt 
W".  Kawerau^^)  seine  Lebensgeschichte  bis  zu  dem  Moment,  wo  der  Kampf  gegen  die 
neue  Kirche  beginnt.  Die  Charakteristik,  für  welche  Urteile  der  Gegner  mit  grosser  Vorsicht 
benutzt  sind,  geht  auf  das  Unstäte  und  Sprunghafte  in  Wesen  und  Bildung  des  Mannes, 
der  rasch  ergreift:  Theologie  und  Rechtswissenschaft,  Humanismus  und  Möncherei,  hier 
einen  Treffer,  dort  eine  Niete,  und  ebenso  schnell  abthun  will.  Erworbenes  spielend 
mitteilen.  Verworfenes  mit  grober  Keule  zerschmettern.  —  Nur  äusserlichen  Schwung 
zeigt  im  Vergleich  mitKaweraus  flott  geschriebener  Skizze  die  Eiiüeitung  Balkes^'')  zu 
seiner  Murner -Ausgabe ;  nicht  frei  von  Versehen  und  Druckfehlern,  wichtig  durch  die 
Erwähnung  unbekannter  Ausgaben,  deren  Aufbewahrungsort  leider  in  der  Regel  nicht 
angegeben  ist.  Ungleich  ist  die  Behandlung  der  Texte  („Schelmenzunft",  „Narren- 
beschwörung",   „Von   dem  grossen  lutherischen  Narren"),    die  Orthographie  bald  verein- 


V.  Dänemark  (25.  Jau.  1558)  im  K.  S.  Hauptstaatsarclüve :  ib.  11,  S.  169.  —  44)  K.  Hartfelder,  Ungedriickte  Briefe  au 
Melanchthon:  ib.  12,  S.  187—207.  -  45)  X  J-  M.  Usteri,  Zu  Zwiiiglis  Elenchus:  ZKG.  11,  S.  161 '.5.  (Gegen  «aur  ZKG.  10, 
S.  330  ff.)  —  46)  H.  Wäschke,  Zwei  Reformatorenbriefe :  MVAnhaltG.  5,  S.  602/3.  —  47)  G.  Loescho,  D.  Predigten  d.  J. 
Mathesius:  ThStK.  63,  S.  687-749.  [[Scheuf fler:  ThLBl.  12,  S.  297/9.]|  -  48)  id.,  Mathesius  als  Pred'ger:  ZPTh.  12, 
S.  24-51,  121-46.  |[Schouffler:  ThLBl.  12,  S.  297/9  (lobend).]i  —  49)  D.  Briefwechsel  d.  Mathesius.  Gesammelt  u. 
erl.  V.  G.  Loesche:  JQGPÖ.  11,  S.  1—78.  —  50)  0.  Vogt,  Naclitrr.  zu  Dr.  Joh.  Bugenhagens  Briefwechsel.  Stettin.  Saunier. 
18  S.  -  51)  S.  o.  11,6  N.  13.  -  52)  S.  o.  11,6  N.  13.  -  53)  X  Th.  Distel,  E.  Schreiben  d.  Witwe  Bugenhagens  1563: 
ZKG.  11,  S.  483/4.  —  54)  (I,  6  N.  9).  —  55)  H.  Meiuhof,  Dr.  Pommer  Bugenliagen  u.  sein  Wirken.  D.  deutschen  Volke  dargest.  (=: 
Schriften  her.  V.  VRefonnationsgesch.  9.)  Halle,  Niemeyer.  39  S.  j  [G.  Bessert:  ThLZ.  16,  S.  46.J  |  -  56)  L.  K o  1 1  e r ,  Bernhard 
Rothmann:  MennoiiBll.  37,  S.  9-10;  13/5;  21/2.  (Aus  d.  ADB.  29,  S.  364-70  abgedruckt.)  —  57)  id.,  Michael  Sattler:  ADB. 
30,  S.  411/3.  (Auch  in  d.  MonnonBll.  37.  S.  93  f.  abgedruckt.)  —  58)  Pyl,  Bartholomäus  Sastrow:  ib.  S.  398—408.  —  59)  X 
.J.  Schneider,  Martin  Schalling:  ib.  S.  566/9.  —  60)  X  Martin,  Oseas  Schad  (Schadaeus) :  ib.  S.  495.  —  61)  X  H.  Klein- 
wächter, Paulus  Gericius,  deutscher  Prediger  augsburger  Konfession:  ZHGPosen.  5,  S.  219 — 44.  —  62)  X  Weitbrecht, 
Pirckheimer  u.  Hans  Sachs  in  ihrem  Verhältnis  %.  Reformation:  TRs".  10,  N.  33/4.  (Referat  über  Roth  ^Pirckheimer"  u. 
W.  Kawerau  „H.  Sachs".  —  63)  X  Tli.  Distel,  Schreiben  Lindemanns  an  Kurfflrst  August  zu  Sachsen   Placius  betreffend:  ZKG. 

11,  S.  330/2.  —  64)  X  Th.  B  rieger,  Thesen  Karlstadts :  ib.  S.  479—83.  —65)  Jacob  Andrea,  20  Predigten  aus  d.  J.  1557,  1559  u.  1560 
z.  300j.  Gedftchtnistag  seines  Todes,  d.  7.  Jan.  1890,  wieder  her.  v.  Dekan  Schmoll  er.  GlUersloh,  Bertelsmann.  VIII,  400  8. 
M.  5,00.|[G.Kawerau:  ThLZ.  16,  S.  154  f.]  |  —  66)  W.  Kawerau:  Thomas  Murner  u.  d.  Kirche  d.  Mittelalters.  (=  Schriften 
d.    Vereins    f.   Keformationsgesch.   30.)     Halle,   Niemeyer.    II,     103    S.     M.     1.20.    |(EKZ.    S.    824;    R.    Seeberg:     ThLBL 

12,  S.  426/8;  G.  Bessert:  ThLZ.  10,  S.  45.]|  (S.  64—82  auch  in  d.  PrJbb.  65,  S.  155—70  abgedruckt.)  —  87)  Thomas  Murner 


11,7:  V.  Micliols,  Eofonnalioiisliiteratur.  121 

facht,  bald  nicht:  am  schlechtesten  ist  die  „Schelmenzunft"  herausgegeben,  mit  zahlreichen 
Druckfehlern  des  Originals,  am  besten  der  „Lutherische  Narr" ;  hier  sind  die  Holzschnitte 
reproduziert,  auch  ist  ein  Exemplar  der  Editio  princeps  (im  Germanischen  Museum)  mit 
anderem  Schluss  und  einem  später  umgedruckten  Blatt  herangezogen.  —  Einen  Beilrag 
zur  letzten,  Oberehenheimer  Zeit  Murners  liefert  0.  Winckelmann^^)  durch  Abdruck  der 
Briefe  an  den  Strassbxu-ger  Rat,  in  denen  Murner,  doch  wohl  mehr  verzweifelt  als 
drohend,  um  Auszahlung  seiner  einbehaltenen  Pension  bittet.  — 

Die  Nachrichten  über  Ems  er s  Leben  stellt  Moser^^)  in  einer  Leipziger  Disser- 
tation sorgsam  zusammen  mit  dem  Versuch  der  Charakterisierung.  Im  Anhang  liefert  er 
eine  ausführliche  Bibliographie.  —  End er s ''*'■)  lässt  durch  einen  korrekten  Neudruck  Emsers 
ersten  Waffengang  mit  Luther  überschauen.  — 

Dass  Wimpina  der  Vf.  der  Tetzel  zugeschriebenen  Thesen  gegen  Luther  ist, 
macht  G.  Kawerau'^i)  durch  den  Hinweis  auf  desselben  „Anacephalaeosis"  (1528)  noch 
wahrscheinlicher,  als  es  ohnedies  war,  indem  er  zugleich  eine  falsche  aber  allgemein 
verbreitete  TJebersetzung  der  auf  das  bekannte  Ablassverschen  bezüglichen  These  be- 
richtigt; diese  soll  nicht  ableugnen,  sondeni  bestätigen  und  übertrumpfen  („Qui  dicit  — 
non  citius  quam  —  errat";  Vulgate:  „nicht  eher  —  bis",  Kawerau:  „nicht  noch  schneller  — 
als"  1^^  Anacephalaeosis:  „non  longe  velocius  —  quam";  gegenüber  dem  „Sobald  das 
Geld"  USW.T2)  _ 

Für  Cochläus  endlich  bringt  Kolde'''')  Beiträge,  indem  er  aus  einem  Brief  an 
Capito  (1521)  erkennen  lässt,  dass  Hoffnungen,  die  jener  auf  den  Mainzer  Hof  setzte, 
zu  der  plötzlichen  Sinnesänderung  und  Gegnerschaft  gegen  Luther  wenigstens  beigetragen 
haben.  Er  weist  ferner  gegen  C.  Otto  nach,  dass  Cochläus  nicht  der  Vf.  des  in  seine 
Traktate  aufgenommenen  sogenannten  zweiten  Breve  Adrians  an  Friedrich  den  Weisen 
sein  kann,  da  dasselbe  „Rom  1522"  datiert  und  Cochläus  noch  im  September  1523  in 
Frankfurt  ist;  übrigens  geht  die  Unechtheit  des  Schriftstücks  gleichwohl  aus  der  Un- 
vereinbarkeit seines  Lihalts  mit  den  auf  das  zweite  Breve  bezüglichen  Weimarer 
Akten  hervor. '^'i-'^^)  — 


11,8 

Humanisten  und  Neulateiner, 

Max  Herrmann  und  Siegfried  Szamatölski. 

Allgemeines:  Lokale  Gesichtspunkte  N.  2;  Leben  N.  5;  Wissenschaft  N.  6.  —  Erasmus  N.  20  —  Reuchlin  N.  21. 
-   Hütten  N.  24.  —  Lyrik  N.  30.  —  Epos  N.  41.  -  Drama  N.  48.  -  Didaktik  N.  55.  - 

Hat  das  Berichtsjahr  auch  keine  Gesamtdarstellung  der  humanistischen  und 
neulateinischen  Litteratur  Deutschlands  im  allgemeinen  geliefert,  so  hat  es  doch  die 
Begründung  eines  Unternehmens  gebracht,  dessen  Ziel  es  ist,  einen  Mittelpunkt  für  die 
Beschäftigung  mit  der  lateinischen  Litteratur  der  Renaissancezeit  zvi  bilden.  Die 
von  Herrmann  und  Szamatölski  i)  ins  Leben  gerufenen  „Lateinischen  Litteraturdenk- 
mäler  des  15.  und  16.  Jahrhunderts"  streben  der  Ankündigung  zufolge  eine  systematisch 
vorgehende  Erneuerung  herv^orragender  Werke  an,  die  unter  dem  Einfluss  der  Renais- 
sance, des  Humanismus  und  der  Reformationsbewegung  entstanden  sind,  mögen  sie  nun 
der  wissenschaftlichen  oder  der  besonders  reich  entwickelten  schönen  Litteratur  ange- 
hören. Die  Texte  sollen  in  kritischer  Herstellung,  ohne  Belastung  des  Apparats  mit 
Lesarten  sekundärer  Fassungen  und  unter  Verzicht  auf  di«  ki'ause  Orthographie  der 
Originale    geboten    werden,    die    beigegebenen    Einleitungen    ausser    den  erforderlichen 


u.  Ulrich  V.  Hütten.  Her.  v.  Dr.  Balke.  (=  DNL.  17.1  u.  17,2.)  Stuttgart.  Union.  LXXXIX,  306  S.,  333  S.  M.  5,00.  —  68)  0. 
Win  ekel  mann,  Neue  Beitrr.  z.  Lehensgesch.  Murners:  ZGORh.  NF.  6.  S.  121 — 31.  —  69)  P.  Mosen,  Hieronyraus  Emser, 
d.  Vorkampfer  Roms  gegen  d.  Reformation.  Leipz.  Diss.  Halle,  Kaemmerer.  77  S.  —  70)  Vgl.  o.  11,6  N.  14.  — 
71)  Vgl.  0.  II. 6  N.  49.  [[EKZ.S.  351.]|  — 72)  XJ-  B.  Röhm,    Z.  Tetzel  -  Legende.    (Allgera.   Bemerkk.   S.   o.  11,6  N.  50.)   — 

73)  Th.  Kolde,  Beitrr.  z.  Refonnationsgesch :  1.  AVie  wurde  Cochleus  z.  Gegner  Luthers?  2.  D.  zweite  Breve  Adrians  an 
Friedrich  d.  Weisen  v.  J.  1522.  3.  Z.  Prozess  d.  Johann  Denk  u.  d.  „drei  gottlosen  Maler  v.  Nürnberg".  4.  Nürnberg  u.  Luther 
vor   d.    Reichstage    zu    Augsburg    1530.     (=;  Abdr.   aus   d.   kirchongesch.  Studien,  S.  197 — 2G3.)      Leipzig,  Hinrichs.     M.  1,20.  — 

74)  X 'l'J'-15rieger,  Beitrr.  z.  Gesch.  d.  Augsburger  Reichstages  v.  1530.  Archival.  Mitteill.:  ZKG.  10,8.123—87.  (Z.  „Confutatio 
ponlitica"  S.  136—78.)  —  75)  X  M.  Koch,  E.  deutscher  Satiriker  d.  Reformationszeit:  MLJA.  59,  S.  103/6.  (Referat  ttber 
Jostes,  Daniel  v.  Soest.)  — 

I)  M.  Herrmann  u.  S.  Szamatölski.  Lateinische  Litteraturdenkmäler  d.  15.  u.  16.  Jh.  (Berlin,  Speyer  &  Peters) 
Berlin,  Dru  k  v.  Simion.  4  S.  |1.L.  Geiger:  ZVLR.  NF.  3,  S.  356,7,  476/8;  DLZ.  11,  S.  1365;  VossZgs.  N.  39;    RCr.  II,  8.239- 


122  11,8:  Herrmann  und  Szamatolski,  Humanisten  und  Neulateiner. 

textkritischen  und  bibliographischen  Angaben  die  Entwicklung  des  Werkes  aus  seinen 
biographischen  und  litterarischen  Bedingungen  möglichst  unter  Verzicht  auf  die  einfache 
Biographie  des  Vf  vorführen.  Die  gi-osse  Zahl  namhafter  Gelehrter,  die  dem  Werke 
ihre  Mitwirkung  zugesagt  haben,  und  mancherlei  litterarische  Zustimmungen  beweisen, 
„mit  welch  freudiger  Teilnahme  in  der  Gelehrtenwelt  der  glückliche  Gedanke  begrüsst 
worden  ist,  welcher  der  ganzen  Sammlung  zu  Grunde  liegt".  —  Ferner  aber  liat  das 
Berichtsjahr  eine  ganze  Reihe  von  Beiträgen  zu  Tage  gefördert,  welche  bestrebt  sind, 
\iusere  Auffassung  und  unsere  Kenntnis  der  in  jener  Litteratur  zum  Ausdruck  gekom- 
menen geistigen  Bewegungen  im  allgemeinen  zu  erweitern  und  zu  vertiefen.  Zwei 
Arbeiten  dieser  Art  gehen  von  lokalen  Gesichtspunkt  aus.  In  einen  Mittelpunkt 
liumanistischen  Lebens  versetzt  uns  ein  älterer  Artikel  Geigers  2),  entstanden  als  ein 
Erinnerungsblatt  zum  Heidelberger  Jubiläum  und  nunmehr  in  die  „Vorträge  und  Ver- 
suclie"  des  V£  aufgenommen.  Er  schildert  den  Humanismus  an  der  Universität  Heidel- 
berg auf  Grund  der  Arbeiten  von  Wattenbach,  v.  Bezold  und  Hartfelder,  ohne  über  die 
somit  als  Vertreter  der  älteren  Eichtung  vorgeführten  Humanisten  Peter  Luder,  Rudolf 
Agricola  und  Werner  von  Themar  in  der  GesamtaufFassung  oder  im  einzelnen  neues 
beizubringen,  auch  ohne  zu  zeigen,  warum  gerade  diese  eingehend  behandelt  und  andere 
wie  Wimpheling  und  Reuchlin  eben  nur  gestreift  werden.  Der  jüngere  Heidelberger 
Humanismus  wird  mit  einer  aus  Classen  geschöpften  Charakteristik  Micylls  und  einer 
Wiederholung  der  von  Geiger  in  der  ADB.  zusammengestellten  Notizen  über  Olympia 
Morata  abgethan;  was  daran  heidelbergisch  ist,  dürfte  wenigstens  der  hier  gegebenen 
Dai-stellung  schwer  zu  entnehmen  sein.  In  den  Anmerkungen  sind  einige  Zusammen- 
stellungen über  die  Heidelberger  Jubiläumslitteratur  neu  beigesteuert;  der  schon  1885 
in  der  Zeitschrift  für  allgemeine  Geschichte  erschienene  Aufsatz  Hartfelders  über  Heidel- 
berg und  den  Humanismus  ist  weder  hier  genannt  noch  für  den  Text  verwertet :  obwohl 
er  ebenfalls  nicht  aus  den  Quellen  schöpft,  giebt  er  doch  ein  viel  richtiger  gruppiertes 
Bild  des  Heidelberger  Humanismus  im  15.  Jh.  —  Von  Heidelberg  nach  München  führt 
ein  sehr  umfangreicher  Aufsatz  von  Reinhardstöttners  3),  der  Beiträge  „zur  Ge- 
schichte des  Humanismus  und  der  Gelehrsamkeit  in  München  unter  Albrecht  dem 
Eünften"  verheisst.  Thatsächlich  hat  R.  aus  Abfällen  der  von  ihm  geleiteten  ,, Bayerischen 
Bibliothek",  aus  Münchener  Archivalien  und  aus  den  Schätzen  der  Münchener  Hof- 
bibliothek unsere  Kenntnis  der  bayerischen  Hofgelehrsamkeit  unter  Albrecht  V.  mannig- 
fach gefördert,  ohne  indessen  irgend  wie  zu  zeigen,  dass  und  in  wie  weit  diese  Hof- 
gelehrsamkeit mit  dem  Humanismus  identisch  sei,  und  ohne  aus  dem  Durcheinander  des 
vorgeführten  Materials  irgend  ein  Nacheinander  und  Nebeneinander  der  Thatsachen  sich 
herausheben  zu  lassen.  Die  Einzelheiten  aber  sind  so  fleissig  und  so  wahllos  im  Text 
und  in  646  Anmerkinigen  zusammengestapelt,  dass  es  eine  schwierige  Aufgabe  ist,  die 
von  den  JBL.  vorgeschriebene  Analyse  vorzunehmen  und  das  Unbekannte  vom  längst 
Bekaimten,  das  einigermassen  Wichtige  vom  Wertlosen,  das  zur  Sache  gehörige  von 
dem  überall  mit  eingeschobenen  Fremden  zu  scheiden.  Es  fehlen  eigentlich  schon 
die  Beweise  dafür,  dass  Albrecht  V.  selbst  innerlich  dem  Humanismus  ergeben  gewesen 
sei;  aus  dem  von  R.  hier  zum  Teil  neu  beigebrachten  panegyrischen  Material 
geht  —  nach  Abzug  der  landläufigen  Phrasen  —  nur  hervor,  dass  man  in  Albrecht  den 
Patron  der  Münchener  Bibliothek  feierte:  aber  gerade  die  von  R.  beigesteuerten 
Beiträge  zur  Geschichte  der  Bibliothek  zeigen,  dass  bei  ihrer  Vermehrung  eigentlich 
humanistische  Principien  nicht  ziir  Anwendung  kamen.  Der  Satz  „Er  hatte  sein  Latein 
wohl  auch  dem  Donatus  zu  verdanken"  dürfte  schwerlich  jemanden  von  Albrechts  hu- 
manistischer Bildung  überzeugen.  Ebenso  sind  in  der  Umgebung  der  bayerischen  Her- 
zöge Humanisten  und  Nichthumanisten  oft  recht  irreführend  durcheinandergeworfen 
(was  sollen  in  diesem  Zusammenhang  Namen  wie  Andreas  von  St.  Mang,  Ulrich  Euetrer 
und  Martin  Mayer?),  und  Licht  inid  Schatten  ist  auch  bei  den  Einzelzeichnungen  selten 
richtig  verteilt.  Wenn  wir  aber  diese  Grundfehler  bei  Seite  lassen,  so  scheint  auch  hier 
manches  in  antiquarischer  Hinsicht  Neue  beigebracht,  meistens  als  Erweiterung  von 
Kobold  -  Gandersheimers  „Bayerischem  Gelehrtenlexikon",  das  R.  neben  Wiedemanns 
Aventinbiographie  und  Prantls  Geschichte  der  Universität  München  mit  gerechtfertigter 
Vorliebe  zu  Grunde  legt.  So  stehen  neben  mangelhaften  und  falschen  Angaben,  z.  B. 
liber  Hieronymus  Ziegler,  neben  unzureichenden  Beurteilungen,  z.  B.  des  Martinus  Bal- 
ticus,  auch  ein  paar  brauchbare  Ergänzungen  in  Kleinigkeiten,  z.  B.  zu  Castner,  Eisen- 
mann u.  a.,  und  manche  beachtenswerte  Fingerzeige  über  Leben  inid  SchrifteJi  bayerischer 
Litteraten  dieser  Zeit,  z.  B.  des  Ch.  Bruno  aus  Hyrsheim,  des  Elegien-  und  Epigi'ammen- 
dichters  Georg  Vaigel,  des  Joh.  Auerbach,  des  Joh.  Engerd  und  vornehmlich  des  Ingol- 

Polybiblion59,S.  380;  ZGORh.  44,  8.  545  u.U.  (d.  meisten  anderen  erst  bei  d.  Besprechung  d.  ersten  Bandes).  —  2)  L.  Geiger,  D. 
Hainanisuius  an  d.  Universität  Heidelberg.  (=  Vorträge  u.  Versucbe.  Beitrr.  z.  Litt.-Gesch.).  Dresden,  Ehlennann.  XVI,  318  S. 
M.  b,W).  ]|M.  Landau:  AZg.  1889,  N.  312B.;  Hermann:  BLU.  N.  13;  A.  Stern:  Nation».  7,  S.  180  n.  a.:  s.  u.  iy,l  N.  76.]  | 
l,!i.  35—43  u.  85J6.)    —    3)   K.  y.  BeiuhardstOttner,   Z.  Gesch.  d.  Humanismus  u.  d.  Gelehrsamkeit   in  München   unter  AI- 


11,8:  Herrmaiin  und  Szamatolski,  Huinaiiisteii  und  Neulateiuer.  123 

Städter  Professors  Hannard,  dessen  hier  analysiertes  Trauerspiel  „Pornius"  uns  nament- 
lich durch  einen  beigegebenen  Traktat  „De  tragoedia"  wichtig  ist.  Auch  die  Unterrichts- 
geschichte erhält  gelegentlich  einen  Baustein  zum  Geschenk  (die  Mitteilungen  aus  den 
Münchener  Kammerrechnungen  sind  freilich  grösstenteils  auch  in  R.s  „Balticus"  ver- 
wertet), und  für  die  Greschichte  des  Schrift-  und  Buchwesens  sind  die  Notizen  über  den 
Drucker  Adam  Berg  von  Bedeutung:  mit  ihm  Hess  sich  Herzog  Albrecht  auf  buchhänd- 
lerische Unternehmungen  ein,  die  sich,  um  R.s  unnachahmliches  Bild  nicht  zu  verwischen, 
,,wie  eine  Seeschlange  durch  die  Hof  kammerprotokolle  durchziehen".  Sehr  zu  bedauern 
ist  es,  dass  das  Ganze  nicht  in  Buchform  erschienen  und  daher  ohne  Namen-  und  Sach- 
register geblieben  ist,  denn  immerhin  wird  künftig  jeder,  der  mit  bayerischer  Scluift- 
stellerei  des  16.  Jh.  zu  thun  hat,  R.s  Arbeit  als  Nachtrag  zu  Kobold-Gandersheimer  in 
die  Hand  nehmen  müssen.  —  Auf  eine  ältere  Arbeit  v.  Reinhardstöttners  gründet  sich 
Westermayers  ^)  Artikel  über  den  Münchener  Uebersetzer  Simon  Schaidenreisser,  der 
zuerst  eine  deutsche  ,, Odyssee"  vorlegte;  neu  ist  hier  der  aus  der  Vorrede  des  Markus 
Tatius  zu  seinem  verdeutschten  Polydorus  Vergilius  geschöpfte,  bisher  vermisste  Nach- 
weis, dass  Schaidenreisser  1536  Münchener  Stadtschreiber  war.  — 

Eine  Gestalt,  die  uns  den  Einfluss  der  neuen  Bildvmg  auf  das  deutsche  Leben 
in  mannigfachen  Beziehungen  deutlich  macht,  ist  Thomas  Platter.  Seine  Selbstbiographie 
und  seines  Sohnes  Felix  Tagebuch,  von  Giistav  Freytag  in  den  „Bildern  aus  deutscher 
Vergangenheit"  als  bedeutsame  documents  humains  ihrer  Zeiten  behandelt,  haben  ihre 
Verfasser  zu  den  intimeren  Bekannten  jedes  Gebildeten  gemacht.  Insofern  darf  auch 
die  von  A.  Burckhardt  ^)  veranstaltete  Veröffentlichung  von  Thomas  Platters  Briefen 
an  seinen  Sohn,  wenngleich  sie  wenig  Neues  enthalten,  ein  grösseres  Interesse  bean- 
spruchen. Neues  biographisches  Material  ist  aus  den  Briefen  fast  gar  nicht  zu  schöpfen, 
da  sie  schon  der  erste  Leser,  ihr  Empfänger,  ausnutzte,  indem  er  ihre  Daten  in  sein 
Tagebuch  einarbeitete.  Aber  die  Briefe  des  Mannes,  der  sich  in  harten  Zeiten  vom 
Hirtenjungen  zum  Druckerherrn  und  Schulmeister  hinaufarbeitete,  an  den  Sohn,  dessen 
reicher  Begabung  er  die  Wege  zu  ebnen  bemüht  ist,  haben  neben  dem  biograpliischen 
und  historischen  auch  ein  gewisses  pädagogisches  Interesse.  Thomas  Platter  ist  auch 
einer  von  den  Vätern,  die  an  den  Söhnen  verwirklicht  sehen  möchten,  was  ihnen  selbst 
abgegangen.  Er,  der  durch  das  damalige  Schützen-  und  Bachantenleben  um  die  besten 
Jahre  seiner  Jugend  betrogen  wurde,  sixcht  vermittelst  dieser  Briefe  klug  und  beharrlich 
die  Lehr-  und  Wanderjahre  (1551 — 57)  des  jungen  Sohnes  zur  fruchtbaren  Grundlage 
des  ganzen  Lebens  zu  gestalten.  Die  Briefe  erscheinen,  da  auch  die  Erzählungen  von 
Familien-,  Stadt-  und  Reichsangelegenheiten  nicht  sehr  abwechslungsreich  und  bedeutend 
sind,  zum  grösseren  Teil  recht  eintönig  in  ihren  stets  wiederholten  Ratschlägen  und 
Ermahnungen,  die  nicht  gerade  einer  entlegenen  pädagogischeu  Provinz  entstammen, 
sondern  von  der  eigenen  Erfahrung  und  der  nächsten  Umgebung  abgenommen  sind. 
Immer  wieder  ermahnt  Thomas  seinen  Sohn,  das  medizinische  Studium  an  der  fran- 
zösischen Universität  auch  auf  Pharmacie  und  Chirurgie  auszudehnen,  damit  der  arme 
protektionslose  Schulmeisterssohn  den  Kampf  mit  denen  nicht  z\i  scheuen  habe,  ,,qui 
sibi  videbantur  esse  gross  pnurpfen".  Stets  von  neuem  wird  ihm  der  Verkehr  mit 
klugen  inid  gelehrten  Leuten  empfohlen,  von  denen  er  als  Fachmann  und  Mensch  lernen 
könne.  Auch  die  Ausbildung  in  fremden  Sprachen  und  gesellschaftlichen  Künsten  wird 
ihm  nahe  gelegt.  Mit  rührenden  Klagen  und  Bitten  tönt  immer  wieder:  „vale,  si  nos 
valere  vis",  und  man  begi*eift  jetzt  Felixens  Wort  im  Tagebuch  (ed.  Boos  S.  14.3),  dass 
er  von  seinem  Vater  „sunderlich  ...  in  der  frembde  aus  der  mossen  geliept  und  mit 
Schriften  solches  erscheint  worden".  Neben  diesen  näheren  Zielen,  deren  Erreichung 
mit  recht  weltlicher  Klugheit,  zuweilen  sogar  mit  einer  gewissen  Bauernschlauheit  an- 
gestrebt wird,  sind  es  Gottesfurcht  und  Frömmigkeit,  die  dem  Sohn  mit  stets  neu  an- 
stürmender Dringlichkeit  ans  Herz  gelegt  werden:  ,,Min  Felix,  Heb  got  Lieb  ob  allen 
dingen,  so  mag  dier  niemer  misselingen".  Die  ruhigen  Ermahnungen  steigern  sich  zu 
warnenden  Drohungen,  als  Thomas  seinen  französischen  Pflegesohn,  den  er  von  dem 
Pflegevater  seines  Felix  übernommen  hatte,  scheitern  sieht.  Mit  kluger  Berechnung  be- 
schränkt er  sich  nicht  bloss  auf  Ermalmvuigen,  um  den,  besonders  auch  von  der  Mutter, 
gefürchteten  Einfluss  der  welschen  Weiber  zu  bekämpfen;  er  leitet  geschickt  ein  Ver- 
löbnis des  Sohnes  mit  einer  Jugendfreundin  ein,  um  ihm  Heimweh  und  Liebessehnsucht 
zugleich  zu  erregen.  An  diesem  zarten  Bande  sucht  er  seinen  Felix  zur  Heimat  zu 
leiten,  als  dieser,  unbekümmert  um  die  ängstliche  Ungeduld  des  Vaters,  die  Entwicklung 
des  jahrelang  Entbehrten  endlich  mit  Augen  zu  sehen,  an  seine  Studienzeit  in  Montpellier 
noch  eine  Reise  nach  Paris  schliesst.     Der  letzte  Brief  des  alten  Platter,    der  nur  noch 


brecht  d.  Fünften:  JbMUnchG.  4,  S.  45—174.  —  4)  6.  Westermayer,  Simon  Schaidenreisser:  ADB.  30,  S.  552/3.  —  5)  Th. 
Platter.  Briefe  an  seinen  Sohn  Felix,  her.  v.  A.  Burckhardt.  Basel,  Detloff.  VI,  106  S.  M.  2,50.  |  [L.  Geiger:  ZVLR.  NF.  3, 
S.  2512;    id.:    AZgB.    1889,  K.  2C0;    K.  Ilartf  el  der:   HZ.    NF.  29,    S.  549-50;    G.Kaufmann:    DLZ.    11,    S.  1418/9.]]    — 


124  11,8:  Herrmann  und  Szamatölski,  Humanisten  und  Neulateiner. 

lakonisch  und  fast  verzweifelt  zur  Heimkehr  malmt,  trägt  die  Nachschrift:  „Vale  et  veni. 
Vola."  Die  Briefe  sind,  im  Gegensatz  zu  der  rein  deutschen  Autobiographie,  in  einem 
Gemisch  von  Deutsch  und  Latein  geschrieben,  das  schon  von  Boos,  als  er  die  Briefe 
für  seine  Ausgabe  von  Felixens  Tagebuch  benutzte,  richtig  cliarakterisiei't  wurde:  „So 
oft  gemütliche  häusliche  oder  innere  Angelegenheiten  berührt  werden,  verfällt  Thomas  aus 
einem  schulmeisterlichen  Latein  in  treuherziges  Deutsch."  Der  Herausgeber  hat  sich 
auf  ein  kurzes  Vorwort,  ein  Register  und  recht  karge  Anmerkungen  beschränkt,  in  denen 
überwiegend  Namenerklärungen  zu  finden  sind;  der  Benutzung  der  Briefe  durch  Felix 
wird  nicht  nachgegangen.  Das  Büchlein  ist  dem  Gymnasium  zu  Basel  zur  dritten 
Säkularfeier  gewidmet.  — 

Felix  Platters  Beruf  leitet  uns  hinüber  zur  Betrachtung  der  Wissenschaften, 
deren  Vertreter  der  neuen  Bildung  ergeben  waren.  Einem  anderen  Arzte  der  deutschen 
Renaissancezeit,  Laurentius  Scholz  von  Rosenau,  widmet  der  bekannte  Breslauer  Bota- 
niker Ferdinand  Cohn  6)  eine  warme  und  lebendige  Schilderung.  Aiisgehend  von 
einer  Betrachtung  der  Renaissance  als  Wiege  der  Naturwissenschaft  legt  C.  im  einzelnen 
dar,  wie  zugleich  mit  der  Kunst  der  Renaissance  die  in  Italien  wiedergeborenen  Wissen- 
schaften der  Anatomie  und  der  Botanik  in  Schlesien  eingezogen  seien.  Als  einen  der 
würdigsten  Vertreter  der  neuen  Gelehrsamkeit,  aber  auch  als  einen  der  liebenswürdigsten 
Repräsentanten  der  neuen  gesellschaftlichen  Bildung  führt  C.  den  sclilesischen  Arzt  zu- 
nächst in  seinen  Lebensschicksalen  vor.  Durch  eine  Geschichte  der  Kunstgärten  und 
der  Einwanderung  der  Schmuckpflanzen  hindurch  gelangen  wir  zu  dem  berühmten 
Garten  Scholzens  selber,  und  zwar  durch  das  Phantasiebild  eines  jener  „floraha 
Vratislavensia",  Breslauer  Bhimenfeste,  denen  wir  hauptsächlich  die  hier  besonders 
hervorzuhebenden  lateinischen  Gedichte  auf  den  Garten  verdanken.  Der  Ton  dieser 
reiclüich  ausgeschöpften  panegyrischen  Sammlung  hat  wohl  die  schöne  Wärme  der  Be- 
geisterung für  die  Leistungen  der  Renaissance  und  das  Wirken  des  Mitbürgers  und 
Kollegen  imwillkürlich  noch  gesteigert.  Nebenbei  berichtet  0.  über  die  jetzigen 
Aufbewahrungsstellen  einiger  Stücke  der  Scholzschen  Kiinstsammlungen.  —  Für  Medizin 
und  Botanik  besass  auch  der  Berner  Theologe  Benedict  Aretixis  (Bendicht  Marti)  leb- 
haftes Interesse;  zu  der  Würdigung  des  Mannes,  die  kürzlich  J.  H.  Graf  in  seiner  „Ge- 
schichte der  Mathematik  und  der  Naturwissenschaft  in  Bernischen  Landen"  versucht, 
liefert  jetzt  der  Paracelsusforscher  Sudhoff '')  einen  Nachtrag,  indem  er  auf  des  Aretius 
1572  gedruckte,  Graf  nur  dem  Namen  nach  bekannte  Veröffentlichung  „De  Medicamen- 
rurum  simplicium  gradibus"  näher  eingeht,  die  einst  schon  Albrecht  v.  Haller  gar  nicht 
übel  charaktei'isiert  hatte.  Sie  ist  im  Grunde  nichts  als  das  Kollegheft  eines  Baseler 
Studenten,  der  1527  bei  Paracelsus  ^)  eine  Vorlesung  hörte,  die  jetzt  in  den  fünf  ersten 
Bücl-ern  der  paracelsischen  Schrift  „De  gradibus  et  compositionibus  receptorum  et  na- 
tural um"  gedruckt  vorliegt.  Aretius  hatte  das  Heft,  wie  er  in  der  Vorrede  selbst  sagt, 
von  dem  späteren  Frankfurter  Arzie  Joh.  Stock  erhalten,  der,  als  Aretius  in  Marburg 
studierte,  sein  Stubengenosse  gewesen  war  und  es  verstanden  hatte,  den  Theologen  für 
anatomische  Studien  und  botanische  Exkursionen  zu  begeistern;  das  Vorwort  bietet 
auch  für  die  Verhältnisse  der  Universität  einige  beachtenswerte  Notizen.  —  Minder 
wichtig  ist  ein  Nachtrag,  den  Graf^)  selbst  herbeigeschafft  hat:  die  ]\Iitteilung  eines 
inhaltlich  recht  belanglosen,  an  S.  Castellio  gerichteten  Briefes  des  Aretius  vom  28.  Jan. 
1559.  —  Auf  Paracelsus  und  dazu  auf  Agrippa  kommt  auch  Carriere  ^^)  zu  sprechen, 
indem  er  kurzen  Bericht  über  neu  erschienene  Arbeiten  abstattet,  die  über  Giordano 
Bruno  und  CampaneUa  erschienen  sind.  —  Von  noch  grösserer  Bedeutinig  als  für  solche 
Studien  auf  dem  Gebiet  der  Heilkunst  und  der  Naturkunde  war  die  Wiederbelebung  des 
klassischen  Altertums  natürlich  für  die  Geisteswissenschaften.  Die  Forschung  hat  sich 
im  Berichtsjahr  zunächst  mit  zwei  Vertretern  der  Historiographie  beschäftigt.  In  seiner 
Biographie  des  schreibfrohen  Nürnbergers  Hartmann  Schedel  fasst  Wattenbach  ii)  die 
Ergebnisse  einer  einst  in  den  „Forschungen  zur  deutschen  Geschichte"  von  ihm  vorge- 
legten Arbeit  durch  einen  fast  zu  sparsamen  Auszug  zusammen;  hinziigekommen  sind 
nur  ein  paar  Worte  über  Schedels  Historiographie  nach  Wegele,  leider  von  dort  auch 
der  Fehler,  dass  der  Uebersetzer  der  Schedeischen  Weltchronik  Simon  Alt  statt  Georg 
Alt  genannt  wird,  und  endlich  die  in  jenem  älteren  Aufsatz  ausgefallene  Datierung  der 
Aachener  Reise  auf  1468;  dagegen  fehlt  der  ZVLR.  1,  S.  502/3  veröffentlichte  Hinweis 
auf  Schedels  Heidelberger  Aufenthalt  vom  Jahre  1479.  —  Wegele  ^2)  liefert  eine  in 
populärem    Stil    geschriebene,    aber   mit    gelehrten  Anmerkungen    versehene    Biographie 


6)  Ferdinand   Cohn,    Dr.  Laurentius   Scholz  t.  Bosenau,   e.    Arzt   u.  Botaniker   d.  Renaissance:    DRs.  62,   S.  109—26.    — 

7)  K.  Sudhoff:  Benedict  Aretius:  ZVLR.  NF.  3,  S.  143/5.  -  8)  X  Paracelsus  Uberd.  ungarischen  Aerzte:  UngR.  10,  S.  19— 21. — 
9)  .T.  H.  Graf.  Notizen  z.  Gesch.  d.  Mathematik  und  d.  Naturwissenschaft  in  d.  Schweiz:  MNaturfOBorn.  v.  J.  1S89  (1800), 
8.225;6.|[L.  Ooif?er:ZVLB.  NF.3,S.  390/1.11 -10)  M.  Carriöre,  Z.  Philosophie  d.  Renaissauce :  ZVLR.  NF.  3.  S.  236—41.— 
in  W.  Wattenbach,  Hartmann  Schedel:  ADB.  30,  S.  661/2.  —  I2>  F.  X  v.  Wegele,  Arentin.  f=  Bayerische  Bibliothek,  her.  v. 
K.  V.  Eeinhardstöttner  u.  K.  Trautmann.  Bd.  10.)  Bamberg,  Büchner.  68  S.  M.  1,40.  [[L.  Geiger:  ZVLR.  NF.  3,  S.  391; 


11,8:  Herrmann  und  Szamatolski,  Humanisten  und  Neidateiiier.  125 

Aventins^^),  die  sich  fast  ganz  auf  die  Lebensführimg  und  die  historischen  Schriften 
ihres  Helden  beschränkt  und  auch  über  diese  Punkte  nichts  wesenthch  Neues  beibringt, 
da  sie  sich  fast  ausschliesslich  auf  die  älteren  Arbeiten  über  Aventin  stützt  und  die 
noch  der  Erledigung  harrende  Aufgabe,  eine  neue  Behandlung  auf  die  nun  abgeschlossene 
Münchener  Ausgabe  der  Aventinschen  Schriften  zu  gründen,  nicht  einmal  in  Angiiff 
nimmt.  Selbständig  ist  eigentlich  nur  der  Versuch,  für  einen  durch  Horawitz  und  Hart- 
felder veröifentlichten  Brief  Butzers  an  Beatus  Rhenanus,  der  für  die  Aventinbiographie 
wichtig  ist,  eine  andere  Datierung  zu  gewinnen:  jene  haben  an  1523/4  gedacht,  W.  rät 
auf  1526.  In  einer  sehr  absprechenden  Beurteilung  giebt  M.  Herr  mann  einen  kurzen 
Ueberblick  über  die  Geschichte  der  Aventinforschung,  verbessert  eine  grosse  Zahl  von 
Fehlern,  die  das  Büchlein  verunzieren,  und  liefert  zum  Schluss  eine  gegen  die  bisherigen 
Darstellungen  gerichtete  Skizze  der  letzten  Lebensjahre  Aventins,  die  sich  hauptsächlich 
auf  neue  Datierungen  der  zur  Verfügung  stehenden  Quellen  gründet,  u.  a.  auch  jenes 
Butzerbriefs,  den  H.  in  längerer  Erörterung  dem  Beginn  des  Jahres  1529  zuweist. 
Aventin  hat  sich  schon  vor  seiner  Verhaftung  nach  einem  anderen  Wirkungskreis  um- 
gesehen, nicht  erst,  wie  man  bisher  glaubte,  nach  seiner  Freilassung.  Von  Salzburg 
hatte  er  eine  Einladung,  an  den  protestantischen  Hof  von  Wittenberg  wollte  er  gehen, 
um  hier  die  Mittel  für  die  Herstellung  seines  schon  1528  geplanten  „Zeitbuchs  über 
ganz  Deutscliland"  zu  erlangen.  Unmittelbar  nach  seiner  Befreiung  setzte  er  seine  Be- 
mühungen fort,  eine  neue  Heimat  zu  finden;  er  verhandelte  mit  Spalatin,  und  von 
Strassburg  aus  strebte  man,  ihn  für  die  neugegründete  Schule  zu  gewinnen.  Zur  Reife 
aber  gedieh  keiner  von  diesen  Plänen,  Aventin  blieb  bis  an  sein  Ende  in  Bayern,  und 
was  W.  mit  der  älteren  Forschung  von  späteren  Auswandei'ungsplänen  erzählt,  verweist 
H.  ins  Reich  der  Fabel.  —  Die  Stellung  Aventins  in  der  Gescliichtssclireibung  mag  man 
mit  der  des  Udalricus  Zasius  in  der  Rechtswissenschaft  vergleichen,  der  den  hervor- 
ragendsten Vertreter  der  vielbekämpften  Verbindung  der  Jurisprudenz  mit  dem  Huma- 
nismus darstellt ^4).  Neff^^-)  setzt  sich  die  Aufgabe,  die  von  Riegger  begründete,  von 
Stintzing  und  Schreiber  fortgesetzte  Zasiusforschung  an  der  Hand  des  alten  und  des  in 
neuerer  Zeit  aufgefundenen  Quellenmaterials  zu  prüfen  und  zu  ergänzen  und  dem  Hu- 
manisten Zasius  die  eingehende  Behandlung  angedeihen  zu  lassen,  die  der  Jurist  bereits 
gefunden.  Die  im.  Berichtsjahr  vorgelegten  drei  Kapitel,  Bildung  und  Lehrthätigkeit, 
Verhältnis  zum.  Humanismus,  zur  Reformation  und  zum  BauerTikriege  behandelnd,  bieten 
indessen  zwar  eine  wohl  lesbare  Darstellung,  aber  eigentlich  Neues  weder  im  einzelnen 
noch  in  der  Gesamtauffassung  des  Charakters,  dessen  besten  Seiten,  warmer  Vaterlands- 
liebe, toleranter  Religiosität  und  gründlicher  Gelehrsamkeit  auch  Stintzing  schon  gerecht 
geworden  war.  So  ist  die  Arbeit  zwar  nicht  ganz  unselbständig:  N.  steigt  fast  über- 
all wieder  zu  den  Quellen  hinab  und  benutzt  auch  die  neu  erschienene  Litteratur;  aber 
er  thut  das  eine  ausschliesslich  an  der  Hand  seiner  Vorgänger,  das  andere  nur  zur  Be- 
reicherung der  äusseren  Illustration  und  kann  daher  neue  Schätze  kaum  zu  Tage  fördern. 
Ein  paar  bisher  unbenutzte  Zasiana  werden  für-  die  Fortsetzung  versprochen,  hin  und 
wieder  (z.  B.  S.  29  und  31)  i§t  für  eine  alte  Hypothese  eine  neue  Begründung  beige- 
bracht. Leider  findet  sich  im  einzelnen  mancher  bedenkliche  Fehler,  zumal  Unsicherheit 
in  gelegenthch  angeführten  Jahreszahlen;  S.  19  wird  gar  Wimphelings  „Germania"  vom 
Jalu-e  1501  mit  dem  „Epitome  rerum  Germanicarum"  vom  Jahre  1505  verwechselt  usw.  — 
Vielseitiger  als  Zasius  war  sein  jüngerer  Kollege  an  der  Freiburger  Universität,  der 
Schweizer  Humanist  Glarean,  der,  als  Dichter,  Philologe  und  Mathematiker  bekannt,  be- 
sonders der  Geographie  und  der  Musikwissenschaft  seine  schriftstellerische  Tliätigkeit 
zuwandte.  Sein  Leben  und  seine  Scluiften  hat  0.  F.  Fritzsche  i*^)  zum  Gegenstand  einer 
zusammenfassenden  Arbeit  erwählt.  Seit  Schreibers  grundlegendem  Freiburger  Programm 
war  dem  Glarean  eine  umfänglichere  Behandlung  nur  durch  Freuler  zu  teil  geworden, 
dessen  Vorträge  jedoch  lediglich  eine  von  Lokalpatriotismus,  pastoraler  Beschaulichkeit 
und  Trivialgelehrsamkeit  unförmig  geschwollene  Wiederholung  der  älteren  Arbeit  bilden. 
Die  seitdem  durch  den  Fleiss  lokalliistorischer  Forschung  und  nun  durch  die  Bemühun- 
gen des  Vf.  selbst  gehobenen  Materialien  begründen  die  Daseinsberechtigung  der  neuen 
Darstellung.  Mit  emsiger  Benutzung  der  bezüghchen  Litteratur  und  lebendiger  Kritik 
seiner  Gewährsleute  hat  somit  F.  die  veraltete  Arbeit  Schreibers  auf  den  neuesten  Stand 
der  Forschung  gebracht;  ihm  fehlt  jedoch  eine  für  den  Biographen  imentbehrliche  Eigen- 
schaft: die  regestenartige  Form,  in  der  die  Lebensschicksale  und  Verhältnisse  vorgetragen 
werden,  entbehrt  jeglicher  Perspektive.  Am  stärksten  tritt  dieser  Mangel  hervor,  wo 
er  Glarean  in  seinen  Beziehungen  zu  bedeutenden  Zeitgenossen  darstellt:  statt  lebendiger 


G.  EUingcr:  NationB.  7,  S.  696  (beide  günstig);  K.  Hartfelder:  BPliWS.  10,  S.  1601/3.]]  -  13)  (IV,4  N.  56.)  -  14)  X  R- 
Ho  che,  Johannes  Saxonius:  ADB.  30,  S.  461.  (Hamburger  Jurist  u.  Philolog.  Fast  wörtlich  nach  Schröders  Hamb.  Sehrift- 
stellerlexikon  6,  S.  454  f.)  —  15)  J.  Neff,  Udalricus  Zasius.  E.  Boitr.  z.  Gesch.  d.  Humanismus  am  Oberrhein.  Progr.  d.  Gymn. 
Freiburg,  Lehmann.  4".  35  S.  |  [L.  Geiger:  ZVLR.  NF.  3,  S.  470/3;  Salis:  CBIRW.  10,  S.  10;  WSKPh.  11,  S.  183/5.]|  (Auch 
ZGFreiburg.  9,  S.  1-39.)  —  16)  0.  F.  Fritz  sehe,  Glarean.  Sein  Leben  u.  seine  Schriften.  Frauenfeld,  Huber.  VIII,  136  S.  M 


126  11,8:  Herrmann  und  Szamatolski,  Humanisten  und  Neulateiner. 

Paralleleji  eine  Reihe  biographischer  Fragmente.  Dieselbe  Unfähigkeit  des  Vf.  zur 
Biographie  höheren  Stils  zeigt  sich  in  der  Behandlung  der  „Schriften"  Glareahs,  die, 
losgerissen  von  dem  „Leben",  in  einem  besonderen  zweiten  Abschnitt  erscheinen:  statt 
einer  Entwicklungsgeschichte  dieser  Werke,  die  auf  die  Biographie  Glareans  und  auf 
die  Geschichte  der  Wissenschaften  gleichmässig  Rücksicht  zu  nehmen  hätte,  muss  eine 
chronologische  Aufzählung  der  Schriften  genügen,  die  überall  im  Bibliographischen  und 
in  einfachen  Inhaltsangaben  stecken  bleibt.  Gegen  diese  Arbeit  richtet  sich  ein  heftiger 
Ausfall  Geigers,  der  sich  durch  eine  kritische  Aeusserung  F.s,  die  sachlich  durchaus 
berechtigt,  in  der  Form  allerdings  herb  war,  beleidigt  fühlte.  G.  selbst  setzt  sich  ins 
Unrecht,  wenn  er  auf  T.s  etwas  zu  dringliche  Frage  nach  der  Quelle  einer  von  G.  er- 
zählten Geschichte  nichts  anderes  zu  erwidern  hat  als:  „Ich  bedaure,  ihm  darauf  keine 
Antwort  geben  zu  können,  möchte  ihm  aber  etwas  Aehnliches  zurufen,  wie  ich  einem 
andern  kampfbereiten  jungen  Herrn  zugerufen  habe".  Zu  bemerken  ist  übrigens, 
dass  es  sich  gar  nicht,  wie  G.  glaubt,  um  einen  jungen  Herrn  handelt,  dass  F.  vielmehr 
Züricher  Oberbibliothekar  und  Universitätsprofessor,  im  Jahre  1812  geboren  und  G.  so- 
mit um  volle  36  Jahre  überlegen  ist.  Die  Einmischung  persönlicher  Gefühle,  die  G. 
dem  von  ihm  verkannten  Gegner  zum  Vorwurf  macht,  hat  denn  auch  wohl  ihn  selbst  ohne 
sein  Wissen  dazu  verführt,  gegen  das  Werk  F.s  nicht  nur  ruhige  und  berechtigte  Kritik 
anzuwenden,  sondern  dazu  noch  einige  nicht  stichhaltige  Vorwürfe  zu  schleudern.  So 
sind  wir  im  Gegensatz  zu  G.  der  Ansicht,  dass  es  für  die  Entscheidung  über  die  Be- 
rechtigung einer  neuen  zusammenfassenden  Darstelhmg  ziemlich  gleichgültig  ist,  ob  neues 
Material  zu  einer  solchen  noch  ganz  ungedruckt  oder  an  verschiedenen  Stellen  nur  dem 
.Wortlaut  nach  veröffentlicht  ist.  G.  kann  ferner  nicht  einsehen,  weshalb  F.  die  im 
Freiburger  Archiv  vorhandenen  Briefe  nicht  angesehen  hat;  es  handelt  sich  aber  nur 
um  Anfragen  wegen  Besetzung  von  Lehrer-  und  Predigerstellen,  und  für  solche  kömien 
mittelbare,  von  sachverständiger  Seite  gewährte  Nachrichten  wirklich  genügen,  so  lange 
es  für  Archivforschungen  nicht  ausreichende  Staatsunterstützung  giebt.  Ungerechter  nocli 
ist  G.,  wenn  er  F.  zum  Vorwurf  macht,  dass  er  einen  imdatierten  Brief  Glareans  an 
den  doch  1519  gestorbenen  Max  I.  bei  der  Erzählung  der  Ereignisse  aus  den  vierziger 
und  fünfziger  Jahren  unterbringe ;  bei  minder  hurtiger  Lektüre  hätte  er  schon  dem  Aus- 
zuge F.s  entnehmen  können,  dass  es  sich  gar  nicht  um  einen  Brief  an  Max,  sondern 
um  ein  Schreiben  handelt,  in  dem  nur  auf  den  längst  verstorbenen  Kaiser  Bezug  ge- 
nommen wird;  und  sicherlich  hätte  ihn  ein  Blick  in  den  durch  Chmel  gegebenen  Ab- 
druck darauf  geführt,  den  Empfänger  in  Ferdinand  I.  zu  sehen  und  die  Abfassung  etwa 
ins  Jahr  1543  zu  verlegen.  —  Neben  dem  Vf.  des  „Dodekachordon"  mögen  hier  zwei 
harzische  Musiktheoretiker  erwähnt  werden,  über  die  E.  Jacobs  i'')  eine  neue  zum  Teil 
auf  archivalisches  Material  gegründete,  höchst  sorgsame  Untersuchung  vorlegt.  Der  eine 
ist  ein  Braunschweiger,  Autor  Lampadius  (gest.  1559),  der  Vf.  eines  oft  aufgelegten 
„Compendium  Musices",  der  auch  durch  seine  schriftstellerische  Beteiligung  an  den  re- 
ligiösen Kämpfen  Anspruch  auf  unsere  Teilnahme  hat.  Mehr  noch  haben  wir  die 
Thätigkeit  zu  beachten,  die  er  als  gräflicher  Schulmeister  zu  Wernigerode  dem  Schul- 
drama und  dem  geistlichen  Volksschauspiel  zuwandte;  J.  liefert  dazu  die  neue  urkund- 
liche Notiz,  dass  Lampadius  am  7.  Sept.  1539  „mit  den  knaben  vor  beiden  grafen  Wulf- 
gang und  Henrichen  den  latinischen  Josepf  gespilt  und  figuriert  hat",  doch  wohl  den 
„Josephus"  des  Cornelius  Crocus.  Seine  von  J.  zum  Teil  hs.  nachgewiesenen  Briefe 
sind  für  die  Geschichte  der  neuhochdeutschen  Schriftsprache  von  entschiedener  Bedeu- 
tung. Minder  interessiert  uns  hier  der  zweite  von  J.  behandelte  Musikschriftsteller,  der 
Wemigeroder  Heinrich  Baryphonus  (1581 — 1655),  der  neben  seinem  musikalischen 
Hauptwerk,  den  „Pleiades"  (1615),  u.  a.  auch  lateinische  und  sogar  griechische  Verse 
auf  dahingegangene  Freunde  verfasste.  —  Streben  schon  alle  diese  Männer  einer  uni- 
versalen Bildung  zu,  so  ist  der  Freiburger  Kartliäuserprior,  Gregor  Reisch,  dem  das 
Berichtsjahr  ebenfalls  eine  neue  Darstellung  gebracht  hat,  geradezu  Vf.  eines  encyklo- 
pädischen  Lehrbuchs,  der  „Margarita  philosophica".  Nachdem  schon  A.  von  Humboldt 
auf  seine  Bedeutung  aufmerksam  gemacht  und  Schreiber,  Böcking  und  Bader  ihm  be- 
sondere Abschnitte  ihrer  grösseren  Arbeiten  gewidmet  hatten,  legt  jetzt  Hartfelder  i^) 
eine  eigene  kleine  Monographie  vor.  Da  die  dürftigen  Nachrichten  über  Reischs  Lebens- 
gang nur  durch  ein  paar  Notizen  aus  Basler  Chroniken  zu  vermelu'en  waren,  so  liegt 
der  Schwerpunkt  der  Arbeit  zimächst  ii\  der  Gruppierung  des  Freundeskreises,  zu  dem 
D,  Ulsen,  Werner  v.  Themar,  Paul  Volz,  Erasmus,  Wimpheling,  Ringmannus  Philesius, 
Beatus  Rhenanus,  Ulrich  Zasius,  J.  Locher,  Otto  v.  Brunfels,  Geiler,  J.  Otther,  Job. 
Eck  und  Konrad  Pellicanus  gehörten;  den  meisten  dieser  Männer  widmet  H.  eine  kurze, 
auf   seine    reiche    Litteraturkenntnis    gegründete    Charakteristik.     Die    Behandlung    der 


Portr.  M.  3,00.    |[L.  öpigor:    ZVLR.  NF.  3,  S.  395/0;    0.  Kaufmann:  DLZ.  12,  Ü.  422.]|    -   17)  E.  Jacobs,  Zw<i  lj:ii/,isrlio 
Musiktlieoretiker  d.  16.  u.  17.  Jli.:  VjsMiisikw.  «,  S.  ',tl-122    -    18)  K.  llartf«ldpr,  D.  Karthausorprior  Ongor  lin-rh,  \r    d 


11,8:  Herrmann  und  Szamatolski,  Humanisten  und  Neulatelner.  127 

eigenen  litt  er  arischen  Thätigkeit  Reischs  ist  etwas  zu  kurz  geraten;  entschädigt  werden 
wir  einigermassen  durch  eine  ausgezeichnete  Bibliographie  der  „Margarita  philosophica", 
die  von  1503  bis  1583  zehnmal  aufgelegt  wurde.  Neun  Ausgaben  hat  H.  nach  eigener 
Einsichtnahme  genau  beschrieben ;  eine  zehnte  (Strassburg  1508),  die  er  nur  nach  anderen 
Bibliographien  unter  Hinweis  auf  französische  Provinzialbüchersammlungen  kurz  notieren 
kann,  befindet  sich  auch  in  Berhn  (A  4408).  —  Der  eben  genannte  Pellicanus  steht 
auch  im  Mittelpunkt  einer  sehr  andeutungsreichen  Veröffentlichung  Geigers  i8a)_  Aug 
Baseler  und  Züricher  Hss.  teilt  G.  allerhand  Nachträge  zu  seinen  ältereren  Arbeiten 
mit,  die  der  Beschäftigung  deutscher  Gelehrter  mit  der  hebräischen  Sprache  gelten: 
Auszüge  aus  meist  ganz  unbekannten,  wenigstens  aber  noch  nicht  gedruckten  Briefen 
Sebastian  Münsters  an  Pellican,  an  Bonifaz  Amerbach  und  an  Vadian,  aus  einem  Brief 
Pagius'  an  Bucer,  endlich  aus  Zuschriften  Pellicans  an  Vadian,  Amerbach,  W.  Musculus 
u.  a.  Handelt  es  sich  auch  meist  um  Hebraica,  die  uns  hier  nicht  interessieren,  so  er- 
giebt  sich  doch  aus  einer  Fülle  von  Andeutungen,  wieviel  für  die  Geschichte  des  Hu- 
manismus im  allgemeinen  aus  diesen  Hss.  zu  holen  ist:  da  ist  oft  die  Rede  von  Münsters 
„Kosmographie",  die  einer  Briefstelle  zufolge  von  manchen  Städten  als  Reklamekatalog 
betrachtet  wurde,  sich  aber  schlecht  verkaufte,  von  Baseler  und  Strassburger  Universitäts- 
verhältnissen usw.;  dann  auch  von  einer  ausführlich  beschriebenen  Reise  Münsters,  die 
ihn  u.  a.  in  die  grosse  Bibliothek  eines  Grafen  v.  Zimmern  führte,  in  dem  wir  wohl 
den  Vf.  der  vielgenannten  Chronik  sehen  dürfen.  — 

Wir  verlassen  die  Kreise  dieser  tüchtigen  Arbeiter,  um  uns  den  genialen 
Naturen  des  hier  behandelten  Litteraten tums  i^)  zuzuwenden,  die  zu  gross  sind,  als  dass 
sie  sich  in  irgend  eine  Dispositionsrubrik  einzwängen  Hessen.  Eigentümlich  genug  hat 
sich  die  Forschung  im  Berichtsjahre  mit  Erasmus  fast  gar  nicht  beschäftigt.  Eine 
interessante  Aufgabe  stellt  sich  Geiger  20)^  indem  er  den  grössten  unter  den  Humanisten 
auf  seiner  Reise  zu  den  Quellen  der  neuen  Bildung  begleitet,  auf  Grund  des  Buches 
von  Nolhac  „Erasme  en  Italic^'  eine  allgemeine  Charakteristik  versuchend.  G.  findet  es 
der  eigenartigen  Gelehrtennatur  des  Erasmus  entsprechend,  dass  auf  ihn  der  Zauber 
italienischer  Kunst  und  Natur  nicht  wie  auf  andere  Humanisten  wirken  konnte,  dass  er 
vielmehr  während  seines  dreijährigen  Aufenthalts  Italien  niu-  wie  eine  grosse  Studier- 
stube betrachten  musste.  Das  bei  Nolhac  zuerst  zusammengestellte  Material  scheint  ihm 
diese  vorgefasste  Annahme  zu  bestätigen;  nun  sind  es  aber  neben  dürftigen  gelegent- 
lichen Notizen  aus  späteren  Werken  im  ganzen  nur  elf  Briefe  oder  Billets,  bis  auf  zwei 
Florentiner  sämtlich  nur  aus  Oberitalien  stammend,  die  der  Beobachtung  zu  Grunde 
liegen ;  sie  sind  ferner  zum  grossen  Teil  der  Art,  dass  auch  Italienschwärmer,  die  statt 
der  lakonischen  Ironie  des  Erasmus  etwa  die  preisende  Wortfülle  schwärmender  Künstler 
der  Goethezeit  besässen,  ihren  Enthusiasmus  nicht  anbringen  könnten;  endlich  wird 
übersehen ,  wie  Erasmus  in  einem  Briefe  sein  Bedauern  ausspricht,  dass  ihn  die  Kriegs- 
zeiten verhinderten  „ea  Italiae  parte  frui,  quae  mihi  in  dies  magis  ac  magis  adridet". 
Vor  allem  aber  darf  man  Stellen  späterer  Briefe,  die  von  des  längst  Heimgekehrten 
melancholischer  Sehnsucht  nach  Rom  und  Italien  deutliches  Zeugnis  ablegen,  nicht  mit 
ungläubigem  Lächeln  bei  Seite  schieben.  Ehe  also  auf  Grund  neuer  Durchforschung 
des  Materials  die  Frage  nochmals  behandelt  wird,  wird  man  sich  doch  G.s  Aufstellung 
gegenüber  das  von  ihm  übergangene,  von  Nolhac  selbst  aus  seiner  Sammlung  gewonnene 
Urteil  gegenwärtig  halten  müssen :  „On  peut  prendre  au  serieux  ces  temoignages  souvent 
repetes,  ces  retours  melancoliques  vers  un  pays  et  vers  un  temps  oii  Erasme  fut  heureux. 
Jamais  le  grand  humaniste  ne  s'est  senti  mieux  chez  lui  qu'en  Italic,  et  peu  d'etrangers 
ont  goüte  comme  il  l'a  fait  le  charme  de  la  vie  romaine  de  la  Renaissance.  Le  voyage  . . 
.  •  .  .  a  exerce  sur  la  formation  de  son  esprit  et  l'achevement  de  sa  personnalite  ime 
mfluence  qui  n'a  pas  ete  assez  remarquee,  croyons-novis,  meme  par  les  ecx'ivains  qui 
ont  le  mieux  parle  de  lui."  — 

Für  Reuchlins  Uebersetzerthätigkeit,  von  der  eine  Probe  aus  der  Heidelberger 
Zeit  Hartfelder  in  seinem  Programm  über  deutsche  Ueb ertragungen  a\is  dem  Heidel- 
berger Humanistenkreise  gegeben  hat,  sind  aus  dem  K.  Sächsischen  Hauptstaatsarchiv 
Belege  veröffentlicht  worden,  die  in  die  Zeit  von  Reuchlins  erstem  schwäbischen 
Aufenthalt  führen:  Uebersetzungen  von  Lukians  zwölftem  Totengespräch  und  der  ersten 
olynthischen  Rede  des  Demosthenes,  durch  die  beiden  Ueberreichungsschreiben  an 
Herzog  Eberhard  von  Württemberg  auf  den  13.  Juli  bezw.  1.  August  1495  datiert.  Die 
Herausgabe  der  beiden  Uebersetzungen  stellt  Distelöl)  in  Aussicht:  „zur  Zeit  verhin- 
dern es  noch  viele  Corruptionen  im  Texte".    —    Eine  Aufzählung    der  dürftigen  Ueber- 


Margarita  philosophica:  ZGORh.  44,  S.  170—200.  |[L.  Geiger:  ZVLR.  NF.  3,  s!  405.]|  —  I8a)  L.  Geiger,  Z.  Gesch.  d. 
Studiums  d.  hebräischen  Sprache  in  Deutschland  witlirend  d.  16  .Jh.:  ZGJuden.  4,  S.  111— 26.  —  19)  R.  Hoche,  J.  J.  Scaliger: 
ADB.  30,  S.  4(U>-74.  —  20)  L.  G  e ige r,  Erasmus  in  Italien.  (=  Vortrage  u.  Versuche;  vgl.  o.  N.  2.)  S.  44—50  u.  86.  —  21)  Th. 
Distel,  E.  Reuchlinübersetzuug  aus  d. Ende  Juli  1485.  Lucians  XII.  Toteugespräeh,   auch   Nachrichten  Über  d.  Verdeutschung  e. 


128  11,8:  Herrmann  und  Szamatolski,  Humanisten  und  Neulateiner. 

raste  von  Eeuchlins  Gedichten  giebt  Holstein  22^  und  steuert  dazu  aus  der  inhaltreichen 
Humanistenhandschrift  zu  Upsala  zu  dem  bereits  bekannten  Material  neben  einer  Reihe 
Varianten  auch  ganz  neue  Nummern  bei,  die  auf  Tritheim,  Heinrich  von  Bünau  und 
WimpheHng  Bezug  haben.  —  Rück  23)  macht  darauf  aufmerksam,  dass  die  Textgestalt 
des  „Hanno"  in  Holsteins  Ausgabe  der  Reuchlinschen  Komödien  nicht  zufriedenstellend 
sei,  dass  das  Verhältnis  der  Hss.  in  Erfurt  und  in  Upsala  der  genügenden  Klärung  noch 
antbelu-e,  dass  die  Münchener  Hs.  immerhin  eine  genauere  Würdigung  verdiene;  endlich 
dürfe  die  Ausgabe  Basel  1498  nicht  als  editio  princeps  bezeichnet  werden,  da  ein  Druck 
Strassburg  (Grüninger)  1497  vorhanden  und  nur  augenblicklich  nicht  auffindbar  sei. 
Bei  aller  Anerkennung  der  litterarischen  Nachweise  vermisst  R.  in  Holsteins  Arbeit 
eine  genügende  ästhetische  Abschätzung  der  Dramen;  uns  scheint  sein  eigener  Vergleich 
der  Hennoübertragung  Hans  Sachsens  mit  Wielands  Lucianübersetzung  (beide  sind 
„eher  als  eine  von  einem  geistesverwandten  Künstler  gefertigte  Nachschöpfung  eines 
fremden  Originals  denn  als  eine  gewöhnliche  Uebersetzung  zu  betrachten")  nicht  eben 
glücklich.  — 

Umfangreicher  ist  die  Hütten  gewidmete  Litteratur  infolge  der  Nachwirkungen 
des  Jubiläums :  dieses  hat  wiederum  mehrere  Schriften  hervorgebracht,  die  nicht  sowohl 
eine  neue  Untersuchung  oder  einen  neuen  Beitrag  zu  bringen  beabsichtigen,  als  vielmehr 
unter  Benutzung  der  unerschöpflichen  Strauss  und  Böcking  Werke  und  Thaten  ihres 
Helden  von  neuem  ins  Volk  tragen  wollen.  Mit  den  grössten  Ansprüchen  tritt 
Votsch24)  auf  den  Plan:  er  will  Hütten  nach  seinem  Leben  und  seinen  Schriften  schil- 
dern, um  dem  gebildeten  Leser  auch  ohne  Strauss  und  Böcking  eine  erschöpfende 
Kenntnis  zu  ermöglichen:  die  Ausführung  dieser  hochtrabenden  Ankündigung  besteht 
in  einem  fast  plagiatorischen  und  dabei  nicht  einmal  fehlerfreien  Excerpt  aus  Strauss 
und  einer  Auswahl  aus  den  Briefen  Huttens  und  der  Dunkelmänner,  letztere  natürlicli 
aus  Böcking  entlehnt;  aus  eigenem  hinzugefügt  —  bei  den  Dunkelmännerbriefen  jedoch 
mit  Anlehnung  an  Binder  —  sind  oberflächliche  und  verwischende  Uebersetzungen  der 
lateinischen  Proben.  Dass  in  dieser  Auswahl  die  Schriften  Huttens  gar  nicht  ver- 
treten sind,  vermisst  man  um  so  mehr,  als  V.  in  der  Darstellung  nicht  tiefer  auf  sie 
eingeht. — Diesen  Mangel  vermeidet  das  bescheidene  Schriftchen  des  Pfarrers  Schall  25)^ 
der  in  richtiger  Würdigung  des  Bedeutsamen  weniger  bei  den  biographischen  Daten  als 
bei  der  Analyse  der  Werke  verweilt.  Nichtsdestoweniger  verwendet  er  die  für  gewisse 
biograpliische  Fragen  wichtigen  neueren  DepeschenveröfFentlichungen  vom  Wormser 
Reichstag,  die  den  übrigen  Biographen  fremd  geblieben  sind.  —  Aelteren  Datums  ist 
Geigers  26)  Jubiläums?. ufsatz,  den  er  in  seiner  Sammlung  hat  neu  drucken  lassen:  er 
unterscheidet  sich  vorLailhaft  von  den  übrigen  Huttenarbeiten  dadurch,  dass  er  das  Bild 
des  Helden  in  grösseien  Zügen,  unter  geschmackvoller  Zugrundelegung  des  spils  zu  Paris, 
zu  umreissen  sucht.  —  Etwas  jünger  ist  die  Schrift,  mit  der  eine  angesehene  populäre 
Sammlung  ihren  verspäteten  Beitrag  zum  Jubiläum  brachte :  sie  verdient  festgenagelt  zu 
werden  wegen  des  ebenso  dreisten,  wie  lächerlichen  Centos,  den  ihr  Vf.  2')  sich  leistete. 
Dabei  ist  er  dem  interessanten  Thema,  das  auf  dem  Titel  steht,  natürlich  in  keiner 
Weise  gerecht  geworden.  —  Ebenso  dürftig  und  unselbständig  wie  die  Arbeit  von 
Votsch  ist  die  Einleitung,  mit  der  Balke28)  seine  Auswahl  aus  Huttens  deutschen 
Dichtungen  versehen  hat  Eine  solche  Auswahl  gehört  zu  den  erwünschtesten  Hervor- 
bringungen der  weitschichtig3n  Huttenlitteratur  der  letzten  Jahre,  da  die  grosse  Ausgabe 
schwer  zugänglich  ist.  Freilich  hat  sich  B.  seine  Arbeit  ziemlich  leicht  gemacht,  indem 
ar  statt  nach  den  Originalen  nur  nach  Böckings  Text  und  zwar  ohne  diese  Anleihe  be- 
sonders zu  betonen,  folgende  Stücke  zum  Abdruck  bringt:  „Klage  über  den  Lutherischen 
Brand",  „Klage  und  Vermahnung",  das  Lied,  „Vermahnung  an  die  freien  Städte"  (durch 
den  Anschluss  an  Böcking  ist  der  Herausgeber  auf  die  verballhornte  zweite  Ausgabe 
verfallen,  vgl.  Szamatolski:  QF.  67,  S.  112  £),  die  gereimten  Vor-  und  Schlussreden  des 
„Gesprächbüchleins",  den  verdeutschten  Dialog  „Inspicientes",  U!id  zwei  Lieder  Leffels 
auf  Hütten.  Der  Unterschied  von  Böcking  besteht,  abgesehen  von.  einer  regellosen  Ver- 
gewaltigung der  Orthographie  und  einer  beträchtlichen  Menge  von  Druckfehlern,  nur 
darin,  dass  B.  die  Konjekturen  seines  Vorgängers  übernimmt,  ohne  sie  in  dieser  Eigen- 
schaft kenntlich  zu  machen,  und  sogar  solche,  die  jener  nur  in  den  Anmerkungen  ge- 
wagt hatte.     Die    wenigen   sachlichen  Erläutei-ungen,    die    neben  dem  gewohnten  Ueber- 


demosthenischen  Rede:  ZVLR.  NF.  3,  S.  360/1.  —  22»  H.  Holstein,  Eeuchlins  Gedichte:  ib.  128-36.  -  23)  K.  RUck,  Hol- 
stein, Reuchlins  Komödien:  BBG.  26,  258—61.  —  24)  Votsch,  Ulrich  v.  Hütten  nach  se  nein  Leben  u.  seinen  Scliriften  ge- 
schildert. Hannover,  Hahn.  X,  75  S.  M.  1,20.  |[S.  Szamatölski:  ADA.  17,  S.  336/7  J  |  -  25)  J.  Schall,  Ulricli  v.  Hütten. 
E.  Lehensbild  aus  d.  Zeit  d.  Reformation.  (=:  Schriften  f.  d.  deutsche  Volk,  her.  v.  Ver.  f.  Ref.- Gesch.)  Halle,  Niemeyer.  59  S. 
M.  0,15.  —  26)  L.  Geiger,  Ulrich  von  Hütten.  (—  Vortrr.  u.  Versuche  [s.  o.  N  2.]  S.  50-63  u.  83).  —  27)  Christian 
Meyer,  Ulrich  v.  Hütten  u.  Franz  v.  Sickingen  als  Vorkamjifer  unsernr  nationalen  Einheit:  Samml.  gemeinverständl.  wissen- 
schaftl.  Vortrr.,  her.  v.  Virchow  u.  Wattenbach.  N.  86.  Hamburg,  Verlagsanstalt  1889.  44  S.  M.  1,00.  (D.  Plagiat  enthüllt 
Toa    S.    Szamatölski:  Nation»     9,    S     167  8     -    28)    b.    o.    11.7  N.  67     -    29)  S.  o.  11,6  .N    37.    -    3U)    K.  llartCelder, 


11,8:  Herrmaini  und  k^zamatolslci,   Hiinmnisten  und  Neulateiner.  129 

fluss  sprachlicher  Erklärungen  erscheinen,  zeugen  nicht  gerade  von  tiefem  Eindringen 
in  den  Stoff,  wenn  B.  z.  B.  in  der  übrigens  bereits  erledigten  Frage  nach  dem  Drucker 
des  „Gesprächbüchleins"  dem  Hans  Schott  einen  neuen  Rivalen  in  dem  von  ihm  ge- 
schaffenen Anshelm  Schott  gegenüberstellt,  für  den  der  Zuerstgenannte  den  Vatersnamen, 
der  thatsächliche  Drucker,  Thomas  Anshelm,  den  Vornamen  hat  liefern  müssen.  Ueber 
den  sprachlichen  Wert  der  deixtschen  Schriften  wird  nach  der  alten  Schablone  geurteilt; 
weitere  Beachtung  verdient  dagegen  die  Bemerkung  über  den  Einfluss  der  lateinischen 
Metrik  (vgl.  QE.  67,  S.  67  f.).  —  Reindells29)  Schrift  über  Luther,  Crotus  und  Hütten 
ist  in  ihrer  Bedeutung  für  die  Auffassung  von  Luthers  Verhältnis  zum  Humanismus 
bereits  an  dem  entsprechenden  Platze  gewürdigt.  Eür  die  Geschichte  des  Humanismus 
ist  hier  noch  zvmächst  herauszuheben,  dass  R.  an  die  Stelle  von  Werckshagens  Ge- 
schichtsspielerei den  wohlgelungenen  Versuch  gesetzt  hat,  Luthers  Einfluss  auf  Crotus 
Rubeanus  darzulegen.  Besonders  aber  muss  an  dieser  Stelle  betont  werden,  dass  die 
Hütten  betreffenden  Teile  nicht  gelungen  sind,  wie  Szamatölski  in  seiner  Recension, 
die  R.s  Arbeit  sonst  in  einem  Ueberblick  über  die  vorangegangene  Forschung  warm 
anerkennt,  unter  mehrfacher  Bezugnahme  auf  sein  inzwischen  erschienenes  Buch  über 
Ulrichs  von  Hütten  deutsche  Schriften  dargethan  hat.  Missglückt  ist  darnach  R.s  Ver- 
such, in  Umkehrung  der  alten  Meinung  Luthers  Einfluss  auf  Hütten  und  zwar  in  dessen 
Uebergang  zur  deutschen  Sprache  und  zum  biblischen  Stil  und  in  seiner  Wendung  zu 
den  Städten  nachweisen  zu  wollen.  Verfehlt  ist  auch  die  Darstelking  von  Huttens 
Entwicklung  zum  Revolutionär:  sie  ist  nur  an  der  Hand  gerade  der  deutschen  Schriften 
vollkommen  zu  verfolgen  ist,  die  allerdings  in  der  chronologischen  Unordnung  bei  Strauss 
inid  Böcking  bisher  nicht  ausgenutzt  werden  konnten.  Nach  einigen  andern  Ausstel- 
lungen schliesst  S.  mit  dem  Hinweis,  dass  die  durch  R.s  negatives  Ergebnis  von 
neuem  angeregte  Aufgabe,  die  EntstehuAgsgeschichte  der  Schrift  an  den  Adel  nicht 
mehr  mit  Rücksicht  auf  Luthers  Beziehungen  zum  Humanismus  zu  schreiben,  sondern 
von  ihrer  gemeinsamen  Grundlage,  der  nationalen  Bewegung  des  beginnenden  16.  Jh., 
auszugehen,  bereits  vor  Jahren  eine  treffliche  Bearbeitung  durch  0.  Waltz  (HZ.  41, 
S.  229  ff.)  gefunden  hat,  deren  gründliche  Beachtung  der  Wissenschaft  manchen  Umweg 
hätte  ersparen  können.  — 

Von  diesen  Fürsten  der  "heuen  Bildung  müssen  wir  nicht  nur  in  Bezug  auf  die 
Bedeutung,  sondern  zunächst  auch  in  Bezug  auf  die  Zeit  rückwärts  gehen,  wenn  wir 
uns  nun  der  eigentlich  schönen  Litteratur  der  Humanisten  und  Neulateiner  und  zuerst 
der  Lyrik  zuwenden,  soweit  sie  im  Berichtsjahr  Beachtung  gefunden  hat.  In  die  Zeit 
des  Kampfes  zwischen  dem  aufstrebenden  Humanismus  und  dem  alten  Universitätswesen 
führt  die  von  Hartfelder  ^o)  veröffentlichte  Korrespondenz  zwischen  Konrad  Celtis  und 
dem  der  neuen  Bildungsweise  freundlich  gesinnten  Juristen  Sixtus  Tucher,  aus  der 
Ingolstädter  Zeit  des  Erzhumanisten:  siebzehn  Briefe  des  Celtis  nach  den  vermutlich 
originalen  Manuskripten  der  Münchener  Universitätsbibliothek  und  vier  Briefe  des  Tucher 
aus  einer  Klüpfelschen  Abschrift  der  Freiburger  Bibliothek.  Die  ersteren  sind  undatiert, 
fallen  jedoch  ebenso  wie  die  letzteren  in  die  Jahre  1491 — 1496;  genauere  Daten  können 
nur  vermutet  werden.  Die  Briefe  sind  bedeutsam  für  die  freundschaftlichen  Beziehungen 
der  beiden  Schreiber,  besonders  aber  für  Celtis'  Verhältnis  zur  Universität  Ingolstadt; 
von  verschiedenen  Werken  des  Celtis  wird  gesprochen,  zwei  Gedichte  erscheinen  in 
ursprünglicher  Gestalt.  Der  Herausgeber  hat  eine  Fülle  von  Anmerkungen  über  die  in 
den  Briefen  erwähnten  Briefe  und  Sachen  beigesteuert  und  neben  einer  allgemeinen 
Charakterisierung  des  Briefwechsels  einen  Lebenslauf  des  Sixtus  Tucher  vorausge- 
schickt. —  In  eine  andere  Sphäre  des  Humanismus,  in  den  Münsterer  Kreis,  gehört 
Heinrich  Scheve,  dessen  Gedichte  1519  gedruckt  win-den;  ihm  widmet  von  Liliencron^i) 
eine  kurze  Skizze,  in  der  die  litterarische  Charakteristik  sehr  zu  kurz  kommt.  Der  Vf. 
schliesst  sich  durchaus  an  eine  ältere  Arbeit  von  Nordhoff  an  und  ändert  nur  das  dort 
einleuchtend  berechnete  Datum  der  Geburt  Scheves  ohne  Angabe  eines  Grundes,  indem 
er  sie  von  1494  in  die  siebziger  oder  achtziger  Jahre  des  Jh.  zurückverlegt.  —  Ueber 
den  aus  dem  Schwärm  der  lateinischen  Lyriker  hervorragenden  Georg  Sabinus  handelt 
Ellinger^2^,  indem  er  hinsichtlich  der  Lebensführung  und  der  philosophischen  Schrift- 
stellerei  Töppens  eingehender  Darstellung  folgt;  selbständig  werden  dagegen  die  Gedichte, 
besonders  die  Elegien  des  Sabinus  charakterisiert;  in  ausführlichen  Analysen  werden 
mit  Recht  die  vielfach  lebenswarmen  Liebesgedichte  und  aus  der  Reihe  der  erzählenden 
Dichtungen  die  Türkengedichte  besonders  hervorgehoben,  die  freilich  über  versifizierte 
Historiographie  auch  noch  nicht  weit  hinauskommen.  Nur  möchte  man  wünschen,  E. 
hätte  hier  und  in  der  kurzen  Charakteristik,  die  er  den  kleineren  Gedichten,  namentlich 
den  Epigrammen,  zu  teil  werden  lässt,  die  Art    des  Sabinus    gegen    die  Leistungen  der 


Konrad  Celtis  u.  Sixtus  Tücher :  ZVLR.  NF.  3,  S.  331-49.  —  31)  von  L  [iliencron] ,   Heinrich   Scheve:   ADB.  31,   S.  158.   - 
32)  G.  Ellinger,  Georg  Sabinus:  ib.  30,  S.  107—11.    —    33)  D.  Jacoby,   Joh.  Sascerides:  ib.  S.  396/7.    —    34)  B.  Hoche, 
Jahresberichte  für  neuere  deutsche  Litteraturgeschichte  I  (i).  9 


130  II,H:  Herrmann  iind  Szaniatolski,  Hiimanisten  und  Neulateiner. 

verwandten  Dichter  schärfer  abgegrenzt.  Ueberraschend  Neues  scheint  der  Satz  zu 
bringen:  „Gegen  einen  Verkleinerer  Hussens  wendet  sich  ein  Epigramm,  und  schön  wird 
von  Huss  gesagt  .  .  .  ."  Schlägt  man  das  Gedicht  nach,  so  zeigt  sich,  dass  hier  diu-ch 
ein  Versehen  eine  Verwechslung  zwischen  Huss  und  Hütten  vorliegt  —  Aehnlich  wie 
um  diese  Arbeit  steht  es  um  D.  Jacobys^^^)  Artikel  über  Johannes  Sa§cerides.  Selb- 
ständig ist  die  Charakteristik,  die  J.  der  Poesie  seines  Helden  widmet:  er  stellt  ihn  als 
einen  Horatius  christianus  dar;  die  bio-  und  bibliographischen  Angaben  J.s  sind  dagegen 
auf  Eördams  „Kjöbenhavens  Universitets  Historie"  zurückzuführen.  Wer  Genaueres 
wissen  will,  muss  immer  noch  zu  dem  dänischen  Buche  greifen;  vor  ihm  voraus  hat 
J.s  Artikel  die  Mitteilung  einer  Stelle  aus  einem  Briefe  Melanchthons,  auf  den  bei  Rördam 
nur  verwiesen  ist.  —  Durch  eine  an  Eoban  gerichtete  Elegie  ist  der  1580  verstorbene 
Gaspar  Schetz  bekannt;  was  Hoche^*)  über  ihn  erzählt,  ist  im  wesentlichen  eine  sehr 
sorgfältige  Kopie  der  Notizen  des  alten  Jöcher  ohne  den  geringsten  Versuch  einer 
Kritik;  geändert  ist  eigentlich  nur  Jöchers  Seitenzahl:  es  muss  IV,  157,  nicht  257  heissen. 
Eine  neue  Quellenschrift  fügt  H.  freilich  hinzu:  des  Goropius  Becanus  „Origines  Ant- 
werpianae"  (15G8);  die  einzige  neue  Notiz  aber,  die  hier  zu  holen  war,  dass  nämlich  der 
holländische  Humanist  auch  nach  römischen  Münzen  graben  Hess,  hat  H.  verschmäht.  — 
Ueber  den  schlesischen  Arzt  und  Schulmann  Ch.  Schilling,  dessen  Leben  sich  durch  die 
Reformationskämpfe  sehr  stürmisch  gestaltete,  bringt  D.  Erdmann  35)  einige  Angaben, 
geht  aber  leider  auf  Schillings  griechische  und  lateinische  Gedichte,  die  uns  hier  inter- 
essieren, nicht  ein;  wertvoll  sind  die  Hinweise  auf  ungedrucktes,  z.  T.  hs.  Material  in 
Breslau  und  in  Hirschberg.  —  Ein  Schlesier  von  Geburt  war  auch  der  Jenenser  Professor 
Nikolaus  Reussner  (1545 — 1602),  ein  Gelegenheitshofdichter  von  Beruf;  kein  Wunder, 
dass  er  auch  nicht  vergessen  hat,  den  kunstfreundlichen  Markgrafen  Ernst  Eriedrich 
von  Baden-Durlach  zu  besingen.  Die  Beziehungen  zwischen  beiden,  schon  aus  den 
Werken  des  Dichters  zu  belegen,  weist  jetzt  von  Czihak^o)  auch  aus  einem  hs.  in  der 
Breslauer  Stadtbibliothek  bewahrten  Stammbuch  Reussners  nach,  das  u.  a.  auch  viele' 
Eintragungen  markgräflicher  Hofleute  enthält;  uns  geht  hier  davon  höchstens  ein 
lateinisches  Gedicht  des  Leibarztes  J.  Pistorius  an,  des  Begründers  der  badischen 
Geschichte:  C.  sagt  leider  nicht,  welcher  Art  die  nichtbadischen  Einzeichnungen  sind. 
Die  kurze  Lebensbeschreibung,  die  Reussner  dxu-ch  ihn  erhält,  ist  durch  Eisenbarts 
schon  1889  in  der  ADB.  erschienenen  Artikel  im  ganzen  überholt.  —  Einen  besseren 
Biographen  als  Ho  che  37)  hätte  der  auf  dem  Gebiete  der  Lyrik  thätige  Polyhistor 
Joh.  Sambucus  immerhin  verdient;  H.  besclu-änkt  sich  auf  die  Benutzung  der  Von  Jöcher 
angezogenen  älteren  Darstellungen,  denen  er  bibliographische  Angaben  nach  Boissard 
und  das  selbständige  Urteil  hinzufügt,  dass  Sambucus  als  Herausgeber  lateinischer 
und  griechischer  Texte  kein  Lob  verdiene.  Sonst  ist  Quellenkritik  nirgends  angewendet, 
kenntnisreichere  Vorgänger,  wie  etwa  Horanyi  und  Hamel,  sind,  weil  Jöcher  sie  nicht 
kannte,  nicht  benutzt;  manche  Seite  der  Thätigkeit  des  Sambucus,  z.  B.  die  juristisclie, 
wird  ganz  mit  Stillschweigen  übergangen,  und  seine  poetische  Wirksamkeit  wie  seine 
Epistolographie  sind  mit  der  bei  H.  beliebten  Wendung  abgethan,  dass  sie  „vergessen" 
sei,  während  doch  z.  B.  die  Berliner  Bibliothek  manche  seiner  gedruckten  Carmina 
bewahrt  und  während  aus  seiner  Korrespondenz  mindestens  die  eifrig  gepflegte 
mit  Camerarius  Hervorhebung  verdient.  —  Ueber  die  poetische  Thätigkeit  des  dem  An- 
fang des  17.  Jh.  angehörigen  Philologen  Joh.  Rutgers  giebt  Hoche^»)  niu-  einen  einzigen 
Satz  allgemeinster  Art,  der  über  Jöcher  nicht  hinausführt  und  den  dort  richtig  an- 
geführten Namen  Nikolaus  Heinsius  fälschlich  durch  Daniel  Heinsius  ersetzt.  Das  Inter- 
essanteste an  den  meisten  dieser  Artikel  scheint  uns  die  Thatsache  zu  sein,  dass  der 
alte  Jöcher  immer  noch  so  vielfach  fast  die  einzige  Grundlage  für  die  moderne  ADB. 
bildet.  39-40)  — 

In  der  Forschung  über  die  epische  Litteratxir  ist  die  ADB.  durchaus  nicht 
mit  so  vielen  Nummern  beteiligt.  Die  bisher  vergebens  gesuchte  lateinische  Fassung 
einer  in  der  Weltlitteratur  wichtig  gewordenen  Novelle ^i),  der  Geschichte  von  Marina 
oder  vom  klugen  Prokurator,  veröffentlicht  nach  einer  Augsburger  Hs.  M.  Herrmann*^)^ 
ohne  diese  Fassung  aber  geradezu  für  die  ursprüngliche  Aufzeichnung  zu  erklären:  er 
führt  vielmehr  eine  Anzahl  von  Punkten  an,  die  die  Mögliclikeit  der  Existenz  einer 
älteren  italienischen  Gestalt  durchaus  offen  lassen.  Ein  Stammbaum,  der  die  Entwick- 
lung des  Stoffes  in  der  Weltlitteratur  veranschaulicht,  zeigt  indessen,  dass  für  sie  die 
Grundlage  wenigstens  zum  grössten  Teil  der  lateinische  Text  gewesen  ist.   Nach  Deutsch- 


Gaspar  Schetz:  ib.  31,  S.  141.  —  35)  D.  Erdmann,  Christoph  Schilling:  ib.,  S.  253/5.  —  36)  E.  t.  Czihak,  D.  Beziehungen 
d.  Markgrafen  Ernst  Friedrich  v.  Baden-Durlach  zu  d.  Humanisten  Nikolaus  Reussner:  ZGORh.  44,  S.  249/54.  —  37)  B.  Hochei 
.loh.  Saniliucus:  ADB.  30,  H.  307/rt.  —  38)  id  ,  .loli.  Rutgers:  ib.  H  42/4.  —39)  X  A.  Tille:  Meniorabilia  quaedam  Argentorati 
obsRrvata:  JbUEIisLutbr.  «,  8.  «2/8.  —  40)X '!'''•  Vulpinus,  Drei  lateinische  elsUssiscbo  Kaisergedichte  aus  alter  Zeit.  Ueber- 
setzt:  ib.,  S.  1—10.  —  41)  XX  Pius  II.  (Aeneas  Sylvius  I'iccolomini),  Lukrezia  u.  Euryalus.  E.  Liebesgeschichte.  Aus  d.  Lat. 
Bbertr.  t.  K.  v    Hütten.    Leipzig,   Laudien.    XII,   83  8.    M.  1,00.    —    42)    M.  Horrmann,   D.    lateinische  «Marina":   VLG.  3, 


11,8:  Heri'mann  und  Szamatolski,  Humanisten  und  Neulateiner.  131 

land  gehören  die  Bearbeitung  durch  einen  Anonymus  des  15.  Jh.,  der  nicht,  wie  Strauch 
geglaubt  hatte,  mit  Niklas  von  Wyle  identisch  ist,  durch  Albrecht  von  Eyb,  durch  den 
Sammler  des  „Speculum  exemplorum",  der  vielleicht  Heinrich  Gran  liiess,  durch  Hans 
Sachs,  der  eine  Komödie  daraus  machte,  und  durch  Goethe;  die  verschiedene  Auffassung 
und  Darstellung  seitens  aller  dieser  Autoren  wird  von  H.  im  einzelnen  charakterisiert 
und  namentlich  für  Goethe  im  Gegensatz  zu  einer  älteren  Düntzerschen  Arbeit  nachge- 
wiesen, dass  nicht  der  Italiener  Malespini,  sondern  die  französische  Fassung  der  „Cent 
nouvelles  nouvelles"  als  Grundlage  gedient  hat.  H.  zeigt  auch,  dass  Goethe  nicht  eigentlich 
nvir  Nacherzähler  ist,  sondern  den  Versuch  einer  ethischen  Vertiefung  durch  eine  leise 
Aenderung  gewagt  hat,  die  man  vielleicht  nicht  als  Besserung  bezeichnen  kann.  —  Eine 
tiefe  Kluft  liegt  zwischen  der  entzückenden  Grazie  dieser  Novelle  und  der  plumpen 
Form,  die  in  den  Dichtungen  Ludwig  Dringenbergs  zu  Tage  tritt.  Auch  die  jetzt  von 
Schüddekopf43)  in  einer  Londoner  Hs.  entdeckten  Verse,  überaus  schlechte  gereimte 
Hexameter,  die  eine  Geschichte  vom  Narren  und  Löwen  erzählen  und  auf  die  Moral 
hinauslaufen,  dass  die  Dornen  zwar  stechen,  aber  auch  schützen  können,  auch  diese 
Verse  zeigen,  dass  der  Zweifel  immer  noch  berechtigt  ist,  ob  Dringenberg  wirklich  des 
Humanistengeistes  einen  Hauch  verspürt  hat.  Trotzdem  sind  wir  bei  der  Spärlichkeit  des 
Materials  aus  der  Frühzeit  des  deutschen  Humanismus  für  die  Gabe  dankbar  und  zu- 
gleich für  den  durch  S.  gebotenen  Hinweis,  dass  sie  die  durch  Peter  Schott  und 
Wimpheling  schon  bekannte  Neigung  Dringenbergs  für  knappe  Denksprüche  und  be- 
sonders auch  für  den  Austausch  zwischen  deutschem  und  lateinischem  Gut  riiit  ihrer 
auch  in  deutschen  Reimen  formulierten  Nutzanwendung  bestätigt.  —  In  die  Zeit  der 
deutschen  Frührenaissance  gehört  auch  der  geheimnisvolle  Arigo,  der  Vf.  der  deutschen 
Dekameronübersetzung.  Dass  dieser  Arigo,  wie  vor  allem  J.  Grimm  und  Goedeke 
meinten,  mit  Heinrich  Steinhöwel  identisch  sei,  glaubt  heutzutage  wohl  niemand  mehr; 
trotzdem  hat  es  Wunderlich ^4)  unternommen,  durch  eine  syntaktische  Untersuchung 
sich  Gewissheit  zu  verschaffen.  Er  thut  es,  indem  er  die  seit  Strauchs  Feststellung 
(ADA.  14,  S.  249  f.)  dem  Niklas  von  V7yle  endgültig  abgesprochene  und  Steinhöwel 
zuerteilte,  auf  Petrarcas  Latein  zurückführende  deutsche  Griseldis  unter  Heranziehung 
anderer  Steinhöwelschen  Schriften  wie  Aesop  und  Apollonius  mit  der  Griseldisübertragung 
des  deutschen  Dekamerons  unter  Ausblick  auf  seine  übrigen  Teile  in  syntaktischer 
Hinsicht  vergleicht  und  die  Eigentümlichkeiten  der  beiden  Stilisten  in  Bezug  auf  die 
syntaktische  Verwendung  der  Pronomina,  der  Partikeln,  der  Kasus-,  Tempus-  und 
Modusregeln  und  der  Wortstellung  einander  gegenüberrückt.  Auf  die  gewiss  beachtens- 
werten sprachgeschichtlichen  Ergebnisse  der  ausführlichen  Zusammenstelhmgen  W.s 
haben  wir  hier  nicht  einzugehen;  das  litterarhistoHsche  Resultat  ist  natürlich  das  mit 
Recht  vorausgesetzte:  die  Dekameronübersetzung  kann  unmöglich  von  Steinhöwel  her- 
rühren. Eine  zeitliche  Trennung  beider  Stilisten  hält  W.  nicht  für  ratsam;  die  am 
Schluss  des  ersten  Artikels  verheissene  Untersuchung  über  die  Notwendigkeit  einer 
örtlichen  Scheidung  hat  er  nicht  geliefert.  Dagegen  beginnt  und  beendet  er  seine 
Arbeit  mit  einem  Versuche,  wenigstens  der  Arbeitsweise  des  unentdeckten  Arigo  näher 
zu  kommen,  land  das  geht  natürlich  die  Litteraturgeschichte  an.  Er  stellt  zunächst  fest, 
dass  jener  Arigo,  aus  der  Sprecherrolle  des  Pamphileo  fallend,  mit  den  Worten  „han 
ich  Arigo  in  das  wercke  machen  vnd  in  teutsche  zungenn  schreibenn  wollen"  sich  nicht 
nur  die  Uebersetzung,  sondern  auch  die  Vorlage  zuschreibt.  Dagegen  wird  W.s  halb 
zweifelnd  vorgebrachte  Annahme,  dass  Arigo  ähnlich  wie  der  erste  französische  Deka- 
meronübersetzer  Laurens  du  Premierfait  nicht  nach  dem  Italienischen,  sondern  nach 
einer  eigens  für  ihn  angefertigten  lateinischen  Zwischenübersetzung  gearbeitet  habe, 
schwerlich  Beifall  finden;  die  von  W.  herausgesuchten  Latinismen  wird  man  wolil  mit 
Strauch  dadurch  erklären,  dass  sich  der  Gedankenprozess  des  Uebersetzers  in  den 
Fügungen  der  lateinischen  Sprache  vollzogen  hat.  Uebrigens  erschüttert  W.  durch 
solche  Annahme  die  Grundlagen  seiner  syntaktischen  Untersuchung,  für  die  er  durch- 
aus den  italienischen  Wortlaut  herangezogen  hat.  —  Auch  von  andern  Stilisten  der 
Zeit  ist  bei  Wunderhch  zuweilen  die  Rede,  z.  B.  von  Niklas  von  Wyle,  dem  sich  auch 
sonst  während  des  Berichtsjahres  einige  Veröffentlichungen  zuwandten.  Joachim- 
sohn 4^)  bringt  aus  dem  Nürnberger  Kreisarchiv  die  bisher  felxlenden  Belege  für  Wyles 
Nürnberger  Aufenthalt:  zwei  Briefe  des  Rates  an  den  bekannten  Nikolaus  Muffel  und 
an  die  Stadt  Radolfszell,  datiert  vom  24.  März  1447,  in  denen  von  der  bevorstehenden 
Ankunft  des  neuen  Ratsschreibers  gesprochen  wird,  sodann  ein  Schreiben  an  die  Stadt 
Esslingen  vom  13.  Dezember  desselben  Jahres,  in  dem  Wyle  die  aus  Gesundheitsrück- 
sichten erbetene  Erlaubnis  zum  Uebertritt  in  das  Esslinger  Stadtschreiberamt  erhält.  — 
Geiger  46)  hat  eine  schöne,  Niklas    von  Wyle  betreffende   Entdeckung  gemacht,  die  er 


S.  1-27.    —    43)  C.  Schüddekopf,  E.  Gedicht  Dringenbergs:  ZVLR.  NF.  3,  S.  136/8.   —   44)  H.  Wunderlich,  Steinhöwel 
u.  d.  DeTcameron.  E.  syntaktische  Untersuchung :  ASNS.  83,  S.  167-210.84,8.241-90.  —45)  P.  Joachimsohn,  Zu  Nikolaus  v. 

9* 


132  II.8:  Kerrniann  und  Szamatölski,  Humanisten  und  Neulafciner. 

aber  durchaus  nicht  zugeben  will.  In  einer  Hs.  der  Pariser  Nationalbibliothek,  Fonds 
allem.  238.  (Acq.  nouv.)  in  4°,  trat  ihm  der  Name  des  Niklas  von  Wyle  in  der  Ueber- 
schrift  verschiedener  Stücke  entgegen,  z.  B.  über  einem  „Tractatus  de  variis  modis 
scribendi",  einer  Uebersetzung  „Ob  ein  wirt  gest  ladende  dank  sagen  soll  seinen 
gasten  ....  zeigt  pogius  florentinus  durch  Nie.  v.  Wyle  getützt".  An  die  Verfasser- 
schaft des  alten  Wyle  aber  mag  G.  nicht  glauben,  weil  die  Stücke  Daten  des  16.  Jh. 
(1526,  1529)  tragen  und  weil  der  Schreiber  der  Hs.  in  einem  grossen  Abschnitt  „Hie 
inveniuntur  quedam  acta  pretenta  de  me  et  aliis  rebus  tempore  meo  acta  et  facta"  Er- 
lebnisse aus  seiner  schweizerischen  Heimat  erzählt,  die  in  die  Jahre  1518  bis  1550 
fallen.  So  denkt  Gr.  an  einen  jüngeren  Schriftsteller  desselben  Namens.  Aber  ist  denn 
der  Vf.  jener  zuerst  genannten  Werke  wirklich  mit  dem  Schreiber  der  Hs.  und  Autor 
der  Memoiren  identisch?  Der  Erzähler  nennt  seinen  Namen  nicht,  wenigstens  sagt  Gr. 
nichts  davon,  und  so  steht  der  Annahme  nichts  im  Wege,  dass  er  sich  jene  beiden 
Werke  seines  alten  Landsmanns  (und  vielleicht  noch  mehr?)  in  seinen  Codex  einge- 
tragen hat.  Zur  Gewissheit  aber  wird  die  Annahme  durch  den  von  G.  überselienen 
Umstand,  dass  jene  Poggiusverdeutschung  thatsächlich  mit  der  längst  gedruckten  fünften 
Translation  Wyles  identisch  ist,  und  so  dürfen  wir  gewiss  in  jenem  orthographisclien 
Traktat  die  bisher  nicht  gefundene  Quelle  zu  seiner  achtzehnten  Deutschung  vermuten; 
die  verwirrenden  Daten  sind  natürlich  nur  Schreibervermerke.  Jedenfalls  aber  verdient 
die  Hs.  eine  nähere  Untersuchung.  —  Endlich  noch  ein  Gang  in  eine  sein-  entlegene 
Ecke  des  Berichtsgebietes.  Der  siebenbürgische  Bischof  Teutsch  *'')  stellt  aus  der  bis- 
her bekannten  Litteratur  die  Lebensdaten  seines  Landsmanns  Schesaeus  gut  zusammen, 
der  von  etwa  1536 — 1585  lebte  und  als  lateinischer  Dichter  und  Historiker  thätig  war, 
giebt  eine  recht  lebendige  Einführung  in  sein  poetisches  Hauptwerk  ,.Ruinae  Pannoniae", 
das  er  aber  wolil  in  verzeihlichem  Lokalpatriotismus  überschätzt,  und  behandelt  kurz 
die  dem  Nikolaus  Seinecker  gewidmete  Schrift  „Imago  boni  pastoris"  sowie  eine 
reformationsfreundliche  Rede  vom  Jahre  1580;  ohne  Grund  wird  völlig  verschwiegen, 
dass  Schesaeus  auch  noch  andere  Werke  verfasst  hat,  deren  Liste  man  bei  Seivert  an 
dem  von  T.  angeführten  Orte  trifft  und  unter  denen  sich  u.  a.  ein  Bändchen  Epigramme 
befindet.  — 

Wesentlich  gefördert  wird  unsere  Kenntnis  des  humanistischen  Dramas  durch 
eine  treffliche  Arbeit  von  Liliencrons '^^),  die  aufs  neue  für  die  von  dem  Vf.  so  oft 
befürwortete  engere  Verbindung  zwischen  Litteratur-  und  Musikgeschichte  eintxitt. 
L.  ging  von  der  Vermutung  aus,  dass  der  musikhistorisch  so  überaus  bedeutsame  Ueber- 
gang  vom  Eiguralstil  zum  homophonischen  Gepräge  sich  wesentHch  in  den  Chorgesängen 
des  humanistischen  Dramas  vollzogen  haben  müsse,  das  ja  wie  nichts  anderes  die  Ver- 
mittlung zwischen  der  Schule  und  dem  öffentlichen  Leben  des  ganzen  V'^lkes  bildete, 
und  hat,  um  die  Bestätigung  zu  finden,  gegen  220  lateinische  Dramen  Deutschlands  aus- 
der  Zeit  von  1497  bis  1620  durchmustert.  Er  macht  uns  zunächst  mit  den  Stationen 
seines  Vorgehens  in  einer  grossen  chronologisch  geordneten  und  mit  reichen  Notizen 
versehenen  Liste  der  von  ihm  eingesehenen  Stücke  bekannt  und  trägt  dann  die  Ergeb- 
nisse in  zusammenfassender  Darstellung  vor.  Dabei  kommt  er  nicht  nur  zu  dem  ge- 
wünschten musikgeschichtlichen  Residtat,  das  er  an  zahlreichen  Musikbeilagen  erläutert, 
sondern  er  weiss  auch  dem  Litterarhistoriker  über  die  Stellung  des  Chors  im  humanisti- 
schen Drama  die  anregendsten  Mitteilungen  zu  machen.  Sie  beziehen  sich  auf  die  Chöre 
des  deutschen  wie  des  lateinischen  Schuldramas  ^''),  da  L.  einen  Unterschied  in  der  Ent- 
wicklung beider  Gattungen  nicht  aufzufinden  vermochte.  Der  Chor  ist  in  den  aller- 
meisten Fällen  dazu  bestimmt,  die  Zwischenakte  auszufüllen :  das  liess  sich  von 
1497  bis  1615  verfolgen;  viel  seltener  sind  diejenigen  Stücke,  in  denen  sich  auch  dem 
letzten  Akte  ein  Chor  anschliesst,  und  noch  seltener  die,  die  ein  Chorlied  auch  als 
Ouvertüre  bringen.  So  schliessen  sich  denn  inhaltlich  die  Gesänge  gewöhnlich  an  die 
Ereignisse  des  voraufgegangenen  Aktes  an.  Ueber  die  Form  der  Chöre  handelt  L.  ein- 
gehend, über  die  Verwendung  verschiedener  antiker  Metren  im  lateinischen,  über  die 
Nachbildung  des  Hof-  und  Gesellschaftsliedes  im  deutschen  Drama;  deutsclie  Chöre  in 
antiken  Massen  sind  nur  spärlich  vertreten.  Auch  auf  das  Vorkommen  blosser  Sprech- 
chöre und  auf  die  gar  nicht  seltenen  Tanzclu)re  wird  hingewiesen.  Nur  75  von  den 
220  iintersuchten  Stücken  enthalten  Chortexte;  aber  in  vielen  anderen  finden  sich  An- 
deutungen, dass  es  auch  ohne  besondere  Angaben  nicht  an  dem  musikalischen  Aiisputz 
fehlte.  Mehr  eine  Ausnahmestellung  nehmen  die  Fälle  ein,  wo  die  Zuscliauer  zur  Ab- 
singung geistlicher  Lieder  herangezogen  werden  oder  wo  mit  einer  Andeutung  darauf, 
dass  als  Schauspielhaus  die  Kirche  gedacht  wird.  Orgelspiel  vorgeschrieben  ist.     Scharf 

Wyle:'ZVLR.  3,  8.  405,'6.  -  46)  L.  Geiger:  ib.,  S.  473/4.  (In  d.  Kubrik:  '/..  Litt.  d.  Renaissance  in  Deutschland,  Frankreich 
n  Italien.)  — 47)  G  D.  Ten  tsch ,  Ch.  Schesaeus:  AVK.  .31,  S.  139-40.  -  48)  S.  o  11,4  N.  47. -49)  XX  H.  F.  Wagner,  D. 
Sihuldmraa  in  Salzburg.   Salzburg,  Dieter.  7  S.  \[ll.  M.  Werner:  ADA.  17,  S.  75/76.]|   (S.-A.  aus  d.  SalzbLehrerZg.    Nicht  zu- 


II,S:  Herrmanii  und  Szamatolski ,  Humanisten  und  Neulateiner.  133 

hebt  L.  die  bedeutsame  Stellung  des  schweizerischen  Volksdramas  heraus.  Ursprüng- 
lich habe  es  den  Anstoss  dazu  gegeben,  dass  das  Humanistendrama  von  der  lateinischen 
zur  deutschen  Sprache  übergegangen  sei  (als  Vermittler  wird  besonders  Sixt  Birk 
charakterisiert),  und  späterhin  sei  von  ihm  noch  einmal  eine  folgenreiche  Einwirkung 
ausgegangen:  die  Verwendung  der  Instrumentalmusik,  zu  der  die  Schweizer  bürgerlichen 
Spieler  für  die  Ausschmückung  ihrer  Aufführungen  aus  Mangel  an  chorgesangskundigen 
Schulgelehrten  greifen  mussten,  habe  sich  mit  dem  Zwischenaktsprinzip  der  Humanisten- 
chöre, diese  verdrängend,  verschmolzen,  und  so  habe  sich  unsere  heutige  Zwischenakts- 
musik vorbereitet.  Im  Gegensatz  zu  diesen  Zusammenhängen  zwischen  dem  schweize- 
rischen Volks-  und  dem  Gelehrtendrama  wird  darauf  hingewiesen,  dass  Hans  Sachs  ^^)  und 
seine  Nachfolger  bis  zu  Heinrich  Julius  von  Braunschweig  auch  bei  unmittelbarer  Nach- 
ahmung humanistischer  Stücke  niemals  den  Chor  oder  etwas  ihm  ähnliches  in  An- 
wendung gebracht  haben.  Auch  jene  grosse  chronologische  Liste,  in  der  zum  ersten 
Male  seit  Goedeke  wieder  ein  kenntnisreicher  Gelehrter  eine  Art  Gesamtüberblick  zu 
geben  bemüht  ist,  enthält  neben  einzelnen  Irrtümern  (G.  Corrarus  ist  kein  deutscher 
Dramatiker  aus  dem  Jahre  1538,  sondern  ein  italienischer  aus  dem  15.  Jh.)  doch 
mancherlei  rörderliches,  u.  a.  sogar  die  freilich  mitten  unter  bekanntem  Material 
gegebenen  Hinweise  auf  Dramatiker,  die  Goedeke  ganz  entgangen  sind,  wie  Placentius 
Evangelistes,  M.  Schmidder,  J.  Gassarus,  0.  Casparius,  M.  Gravius  und  auf  wichtige 
Dramen,  die  der  Vorgänger  übersehen  hat,  wie  vor  allem  auf  Georg  Rollenhagens 
„Tobias".  Goedekes  Massenhäufung  gegenüber  ist  auch  ein  gewisser  Einteilungsversuch 
L.s  wertvoll,  der  freilich  recht  versteckt  gegeben  wird:  sind  auch  die  Angaben  über  die 
ersten  Jahrzehnte  des  Humanistendramas  nicht  ausreichend,  so  scheint  uns  um  so 
beachtenswerter  der  Vorschlag,  1559  mit  dem  Erscheinen  von  Zieglers  „Abel  iustus" 
die  erste  Periode  des  deutschen  Humanistendramas  abzuschliessen  und  die  zweite  zu 
beginnen,  deren  bedeutendster  Dichter  dann  Erischlin  wird.  -^  Tritt  bei  Liliencron  der 
sonst  in  den  Untersuchungen  über  das  Drama  des  16.  Jh.  so  beliebte  Gesichtspunkt 
der  Stoffverfolgung  ganz  ziirück,  so  stellt  ihn  umsomehr  Spengler ^i)  in  den  Vorder- 
grund, der  an  eine  Besprechung  des  Programms  von  Edw.  Schröder  über  Schöpper 
eine  nützliche  Zusammenstellung  derjenigen  Stücke  des  16.  und  17.  Jh.  schliesst,  die 
von  der  „Monomachia  Davidis  et  Goliae"  handeln.  Die  Vff.  sind  ausser  Schöpper,  dem 
Dramatiker,  der  den  Stoff  einführte,  mehrere  Schweizer:  V.  Boltz,  H.  v.  Rute  und  ein 
Anonymus,  ferner  J.  Teckler,  A.  Pape,  G.  Mauritius  und  J.  Goetz;  H.  Sachs  und 
M.  Holzwart  haben  die  Monomachie  in  ihre  Sauldramen  eingeflochten.  Boltz  und  Pape 
gehen  jedenfalls  auf  Schöpper  zurück,  der  erstere  vielleicht  durch  Vermittlung  des 
Schweizer  Epikers  R.  Gwalther,  dessen  „Monomachia"  aber  erst  noch  verglichen  werden 
muss.  Der  von  S.  versuchte  Nachweis,  dass  Schöppers  Drama  nur  eine  Nachahmung 
der  „Judith"  Sixt  Birks  sei,  scheint  uns  noch  nicht  gesichert.  —  Ein  für  die  haupt- 
sächlich populären  Zwecke  der  „Bayerischen  Bibliothek"  recht  ungeeignetes  Material 
beutet  von  Reinhardstöttner  ^2)  aus,  indem  er  dem  Dramatiker  und  Schulmann 
Martinus  Balticus  eine  besondei'e  Monographie  widmet:  denn  dieser  an  sich  wackere 
und  tüchtige  Autor  ragt  doch  zu  wenig  aus  der  grossen  Masse  hervor,  als  dass  er  auf 
allgemeine  Beachtung  Anspruch  machen  dürfte,  und  R.s  panegyrischer  Ton  wird  daran 
nichts  ändern.  Nur  den  Eachmann  interessieren  seine  Lebensschicksale,  die  in  die 
letzten  sieben  Jahrzehnte  des  16.  Jh.  fallen  und  sich  hauptsächlich  in  München  und 
Ulm  abspinnen,  seine  pädagogische  Thätigkeit,  seine  Gedichte,  unter  denen  sich  eine 
an  Melanchthon  gerichtete  Selbstbiographie  befindet,  und  seine  im  Anschluss  an  H.  Ziegler 
verfassten  Dramen  „Joseph"  (lateinisch  und  deiitsch),  „Daniel",  „Christogonia"  imd 
„Senacheribus".  Was  die  Besprechung  von  Balticus'  Leben  vuid  Schriften  Neues  bringt, 
liess  sich  nicht  feststellen,  da  K.  Trautmanns  Aufsätze  über  den  Dichter  (MünchNN. 
1884,  N.  86  und  87)  nicht  zugänglich  waren.  Jedenfalls  wird  man  unter  solchen  Um- 
ständen jetzt  am  besten  zu  R.s  Darstellung  greifen;  freilich  muss  man  dabei  im  Auge 
behalten,  dass,  wie  M.  Herrmanns  Besprechung  nachweist,  eigentlich  litterarhistorische 
Forschung  so  gut  wie  ganz  fehlt  und  dass  im  einzelnen  vieles  zu  berichtigen  ist;  so  ist 
z.  B.  Balticus  spätestens  1531  geboren,  und  seine  älteste  dichterische  Thätigkeit  fällt 
vor  die  Münchener  „Poeten"-Zeit.  Mancherlei  Wertvolles  zur  Ulmer  und  Münchener 
Schulgeschichte  ^enthalten  die  Anmerkungen,  zu  denen  Trautmann  reiche  Beiträge  ge- 
spendet hat.  —  Des  Martinus  Balticus  Sohn  Georg,  der  dem  Vater  durch  seinen  Ueber- 
tritt  zum  Katholizismus  viel  Kummer  bereitete,  hat  sich  ebenfalls  als  humanistischer 
Dichter  versucht:    Reinhardstöttner^s)    teilt    ein  lateinisches  Weihnachtsgedicht    von    53 

gätiglicb  )  —  50)  X  0.  Crusius,  NachträglicLcs  z.  Comedia  Bile  u.  zu  Hans  Sachs:  Hermes  25,  S  469— 71.  (Gehört  eigentlich 
zu  11.3.  Gegen  Bolte,  Hermes  21,  S.  314  wird  erklart,  H.  Saclis  habe  fUr  seine  epische  Bearbeitung  nicht  e.  interpolierten  deut- 
schen Plutarch,  sondern  d.  ,,Lectiones  antiquae"  d.  ital.  Humanisten  Caelius  Rhodiginus  benutzt.)  —  51)  F.  Spengler,  Edw. 
Schröder,  J.  Schöpper  v.  Dortmund:  ZOG.  41,  S.  442/7.  —  52)  K.  v.  Reinhardstöttner,  Martinus  Balticus,  e.  Humanisten- 
leben aus  d.  16.  Jh.  (=  Bayerische  Bibl.  Bd.  1.)  Bamberg,  Buchner.  85  S.  M.  1,20.  |[L.  Geiger:  ZVLR.  NF.  3,  S.  249 
bis    51;    M.    Herrniann:    ADA.     17,    S.    123/5;  JBSchulw.    4,    S,    I9.]|    —    53)   id.,    Georg   Balticus,    d   Martinus  Sohn : 


134  11,8:  Herrmann  und  Szamatolski,  Humanisten  und  Neulateiner. 

Distichen  im  Auszuge  mit,  das  1591  zu  Erfurt  gedruckt  worden  ist.  —  Bolte^)  weist 
den  Andreas  Saurius,  den  Vf.  eines  Sodomdramas,  1606 — 9  in  Strassburg,  später  als 
Syndikus  in  Aalen  nach,  macht  auf  Elegien  und  Epigramme  aufmerksam,  die  Saurius 
1606  und  1609  veröffentlichte,  und  giebt  eine  tüchtige  Analyse  des  genannten  Stückes 
samt  einer  Charakteristik  der  Stellung,  die  es  in  der  Geschichte  des  lateinischen  Dramas 
einnimmt,  sowie  eine  Notiz  über  die  deutschen  Bearbeitungen  durch  Spangenberg 
\ind  Merck.  — 

fast  alle  hier  erwähnten  Dramen  gehören  zugleich  auch  in  das  Gebiet  der 
Didaktik,  deren  Betrachtung  wir  uns  zum  Schlüsse  zuwenden.  Durch  und  durch 
didaktischer  Schriftsteller  ist  Aeneas  Sylvius,  der,  ein  Mittler  bedeutsamster  Art,  in  sicli 
die  Kultur  seiner  Heimat  liach  Deutschland  trug  und  daher  naturgemäss  in  unsern 
Bericht  gehört;  er  ist  didaktischer  Schriftsteller  auch  da,  wo  er,  mit  der  Eachwisseji- 
scliaft  kokettierend,  Zeitgeschichte  schreibt.  Von  demjenigen  seiner  Werke,  in  dem  diese 
Beziehungen  den  eigensten  Aiisdruck  fanden,  der  „Historia  Eriderici  III.",  ist  eine 
deutsche  Uebersetzung  durch  Ilgen  55)  veranstaltet  worden.  In  einer  ausführlichen 
Einleitung  bemüht  sich  J.  in  anerkennenswerter  Weise  über  seinen  Vorgänger  Bayer 
hinauszukommen,  indem  er  eine  in  manchen  Punkten  gelungene  Clxarakteristik  der 
schriftstellerischen  Form  des  Aeneas  Sylvius  liefert.  Seine  Unzuverlässigkeit,  seine 
Parteilichkeit,  seine  feuilletonistische  Oberflächlichkeit  sind  gründlich  herausgearbeitet; 
freilich  hätte  die  eigentlich  humanistische  Art  des  Aeneas  schärfer  betont,  die  Charak- 
teristik nicht  an  verschiedene  Stellen  verzettelt  und  endlich  die  richtige  Nutzanwendung 
der  gewonnenen  Erkenntnis  gezogen  werden  sollen,  statt  dass  in  allen  entscheidenden 
Fällen  dem  Aeneas  eine  ganz  mechanische  Arbeitsweise  angedichtet  wird.  Ueber  Titel 
und  Abfassungszeit  macht  J.  neue,  aber  nicht  haltbare  Angaben;  hinsichtlich  der 
Quellenfrage  wird  eine  Wiener  Eede  von  1452  als  Grundlage  behauptet,  aber  nicht  be- 
wiesen, die  schon  bekannte  Benutzung  Ottos  von  Ereising  eingehender  dargethan  und 
dazu  neu  und  übei'zeugend  die  Entlehnung  vieler  Stellen  aus  den  Dekaden  des  Elavio 
Biondo  gezeigt  und  nicht  übel,  wenn  auch  nicht  erschöpfend  kritisiert.  Gegen  O.Lorenz' 
Annahme,  den  zeitgenössischen  Partien  läge  ein  Tagebuch  des  Autors  zii  Grunde,  wird 
glücklich  polemisiert,  ohne  dass  J.  seine  Gegenaufstellung,  alles  sei  aus  der  Erinnerung 
aufgeschrieben,  zur  Evidenz  bringen  kann.  Zu  den  zwei  Redaktionen,  die  wir  bisher 
kennen,  will  J.,  gestützt  auf  einen  von  Cugnoni  1883  entdeckten  Codex,  die  dritte  fügen; 
es  gelingt  ihm  aber  nicht,  uns  auf  Grund  der  dürftigen  Angaben,  die  ihm  zu  Gebote 
stehen,  zu  überzeugen.  Leider  ist  auch  die  deutsche  Bearbeitung  insofern  unkritisch, 
als  J.  mit  Ausnahme  der  gelegentlich  von  Bayer  vorgeschlagenen  Verbesserungen  keinen 
Versuch  macht,  den  ganz  unzulänglichen  Text  der  zu  Grunde  gelegten  Ausgabe  von 
Kollar  (1762)  auf  Grund  der  Wiener  Autogi'aphen  zu  bessern.  Die  Uebersetzung  selbst 
stellt  sich  einigen  Stichproben  zvifolge  als  fliessend,  wenn  auch  nicht  als  fehlerlos  heraus, 
in  den  Noten  ist  manches  Nützliche  beigesteuert,  z.B.  auch  Nachweise  benutzter  Stellen 
antiker  Autoren.  Zu  einem  von  Bayer  abweichenden  Gesamturteil  über  das  Werk 
kommt  J.  aber  nur,  indem  er  eine  falsche  Stelle  (S.  184  f.  statt  205  f.)  der  Bayerschen 
Schrift  citiert.  —  Kein  Schüler  des  Aeneas  Sylvius,  sondern  erst  als  gereifter  Mann 
mit  ihm  in  Verbindung  getreten  ist  der  hervorragendste  unter  den  ältesten  devitschen 
Humanisten,  Albrecht  von  Eyb.  Eybs  deutsche  Schriften  legt  in  zwei  Bänden  M.  Herr- 
mannSe)  vor.  Der  erste  enthält  das  Ehebüchlein  und  eine  umfangreiche  Einleitung  H.s, 
die  einerseits  die  verwickelten  textkritisch-bibliographischen  Fragen  erledigt,  andrerseits 
sich  als  ein  Beitrag  zur  Geschichte  der  Textbehandlung  in  den  ältesten  deutschen 
Druckereien  darstellt.  Von  den  H.  bekannt  gewordenen  zwölf  Drucken  und  fünf  Hss. 
aus  der  Zeit  von  1472  his  1540  werden  zunächst  neun  Drucke  und  vier  Hss.  als 
sekundär  ausgeschieden;  ihr  stark  verzweigtes  Verwandtschaftsverhältnis  wird  fest- 
gestellt und  jede  einzelne  Nummer  kurz  charakterisiert,  um  damit  die  Arbeitsweise 
wichtiger  alter  Offizinen  (Bämler,  Landsberger,  Mancz,  S.  Otmar,  Schobsser,  Schöns- 
perger,  Steiner)  zu  kennzeichnen.  Die  übrigen  vier  Texte,  z.  T.  wieder  untereinander 
näher  verwandt,  gehen  in  genau  ermitteltem  Verhältnis  auf  eine  nicht  erhaltene  gemein- 
same Vorlage  zurück,  die  die  Abschrift  des  verlorenen  Originals  ist.  Eine  kritische 
Herstellung  des  Textes  schloss  die  Sachlage  völlig  aus,  und  so  giebt  H.  einen  Abdruck 
des  Kobergerschen  Druckes  von  1472  oder  73,  dazu  aber  unter  Heranziehung  der  vielen 
Hundert  lateinischer  von  Eyb  mosaikartig  benutzten  Quellensätze    teils  unter  dem  Text, 


JbMünchG.  4,  S.  437/8.  —  54)  J.  Holte,  Andreas  Saurius:  ADB.  30,  S.  420.  —  55)  Aeneas  Silvius,  D.  Gesch.  Kaiser  Fried- 
richs III.  Hebers,  v.  Th.  Ilgen.  2  Teile  (=  Geschichtsschreiber  d.  deutschen  Vorzeit.  Lief.  85  u.  87.)  Leipzig,  Dyk.  1889-90. 
LX,  285,  340  S.  M.  9,00.  |[M(ar)kg(ra)f :  HZ.  60,  S.  555/6.]  |  —  56)  A.  v.  Eyb,  Deutsche  Schriften.  Her.  u.  eingel.  v.  M.  Herr - 
mann.  1.  Bd. :  D.  Ehebüchlein.  2.  Bd. :  D.  DrameuUbertrag^ngen.  Bacchides  Meneachnii  Philogenia.(=:  Schriften  z.  gerin.  Phil.,  her.  v, 
M.  Eoediger.Bd.  4/5.  Berlin,  Weidmann.  LH,  106  S.  M.  6,00;  XLIII,  156  S.M.  7,00.  |  [Bd.  I.E.  Matthias:  ZI)Ph.2»,  S.  269-71; 
S.Waetzoldt:  ASNS.  86,  S.  311/3;  C(reizenach):  LCBl.  S.  1746;  L.  Geiger:  ZVI<R.  NF.  3,  S.  393.  —  Bd.  2:  C(reize- 
nach):  LCBl,  lööl,  S.4J7;J.  BolteiWSKPh.  8,  S.  1067.  —  Bd.  1  u.  2:  K.  Hartfelder:  DLZ.  12,  S.  1673/4;  A.Ch(uquet); 


11,8:  Herrmann  und  Szamatolski,  Humanisten  \mä  Neulateiner.  135 

teils  in  der  Einleitung  die  Abweichungen  des  Creussnerschen  und  des  G.  Zainerschen 
Druckes  sowie  der  Nürnberger  Hs.,  solche,  die  sicher  das  ursprüngHche  besser  bewahren, 
solche,  die  eine  Entscheidung  nicht  zulassen,  und  endlich  solche,  die  für  die  willkürliche 
Behandlung  des  Textes  in  den  genannten  Druckereien  von  Belang  sind.  Die  Forschungen 
über  solche  Fragen,  für  die  wenigstens  in  Bezug  auf  deutsche  Texte  so  gut  wie  nichts 
gethan  scheint,  sind  gewiss  nicht  ohne  Bedeutung.  Wenn  es  bei  einer  Textbehandlung 
auf  Grund  hs.  Ueberlieferung  wichtig  ist,  darauf  zu  achten,  ob  verschiedene  Schreiber 
an  der  Herstellung  der  Hs.  beteiligt  gewesen  sind,  „warum  sollte  es  nicht  empfehlens- 
wert sein,  bei  den  ältesten  Drucken,  deren  Anfertigung  kaum  minder  grosser  Willkür 
des  Handwerkers  unterliegt,  die  Verschiedenheit  der  Setzer  in  Betracht  zu  ziehen". 
Leider  nur  verrät  sich  der  Setzer  nicht  sofort  durch  die  neue  Hand:  es  müssen  also  in 
Lautsj'stem  und  Orthographie,  in  Interpunktion,  Abkürzungen  und  Wortabteilungen 
Kriterien  gesucht  werden.  H.  giebt  n\ui  eine  minutiöse  statistische  Tabelle  über  den 
Gebrauch  von  elf  verschiedenen  Abkürzungen  und  zwei  Satzzeichen  auf  den  57  Blättern 
des  Kobergerschen  Druckes.  TJeber  den  Wert  dieses  Verfahrens,  das  im  vorliegenden 
Ealle  zu  einem  Ergebnis  nicht  führt,  sondern  allgemein  methodisch  anregen  will, 
gehen  die  Urteile  auseinander.  Um  aber  auch  für  den  Eybschen  Text  solche  Unter- 
suchungen zu  ermöglichen,  bringt  H.  schliesslich  ein  aus  einer  Eichstätter  Hs.  ein  von 
ihm  aufgefundenes,  von  Eyb  verfasstes  und  geschriebenes  Rechtsgutachten  zum  Ab- 
druck. —  Auch  die  Einleitung  zum  zweiten  Bande,  der  die  zuerst  Augsburg  1511, 
36  Jahre  nach  dem  Tode  des  Vf.,  als  Anhang  seines  „Spiegels  der  Sitten"  gedruckten 
Dramenübertragungen  nach  Plautus  und  dem  italienischen  Neulateiner  Ugolino  Pisani 
enthält,  beschäftig-t  sich  mit  textkritisch-bibliograpliischen  Dingen,  die  aber  hier  rascher 
erledigt  sind:  die  Dramen  sind  nur  noch  dreimal,  zuletzt  1550  als  Anhang  zu  Paulis 
„Schimpf  und  Ernst",  wiedergedruckt.  Der  Stammbaum  wird  aufgestellt,  die  beteiligten 
Drucker  Würsung,  Steiner,  Jacob  werden  charakterisiert.  Besonders  eingehend  sind 
der  „Spiegel  der  Sitten"  und  die  drei  ausser  dem  Autor  an  dessen  Vollendung 
beteiligten  Personen  behandelt:  Eybs  Neffe,  der  Bischof  Gabriel  von  Eichstätt,  der  mit 
Eck  und  Aventin  in  litterarischer  Verbindung  stand,  sein  Kaplan  J.  Huff,  der  sehr  un- 
geschickt und  liederlich  die  Redaktion  des  nachgelassenen  Ms.  besorgte,  und  der  (ungenannte) 
Drucker  J.  Otmar,  für  dessen  Thätigkeit  auch  hier  jene  oben  beschriebene  Abkürzungs- 
tabelle geliefert  wird.  Ferner  hat  H.  auch  für  die  verwickelte  Geschichte  der 
Plautusüberlieferung  seit  dem  Jahre  1429,  in  der  bekanntlich  auch  Eybs  schon  von 
Ritschi  verwertetes  Zeugnis  eine  Rolle  spielt,  neues  Material  beigebracht.  Eyb  besass 
schon  um  1450  Excerpte  aus  den  neugeliindenen  zwölf  Komödien,  die  er  wohl  in  Bo- 
logna von  den  Humanisten  Johannes  Lamola,  Nicolaus  Vulpes  oder  Nicolaus  Perotti 
empfangen  hatte,  und  er  studierte  um  1455  drei  derselben,  „Menaechmi",  „Bacchides" 
und  „Poenulus",  genauer  bei  dem  Universitätslehrer  Balthasar  Rasinus  zu  Pavia;  seine 
damals  gefertigte  Abschrift  dieser  Stücke  mit  den  Erläuterungen  des  Rasinus,  die  er 
dann  seiner  Uebertragung  zu  Grunde  legte,  hat  H.  in  der  Augsburger  Hs.  126  entdeckt. 
In  den  Anmerkungen  zu  dem  Dramentext  giebt  er  aus  diesem  Codex  die  vielen  Scenen- 
argumente  und  Inhaltsangaben,  die  Rasinus  seinen  Schülern  diktierte  und  die  Eyb  be- 
nutzte, und  ebenso  alle  Lesarten,  Schollen  und  Glossen  wieder,  die  auf  die  Gestaltung 
der  Eybschen  Uebertragung  von  Einfluss  gewesen  sind.  Endlich  aber  wird  eingehend 
die  Nachgeschichte  betrachtet,  die  sich  auf  Hans  Sachsens  Menaechmenkomödie  von 
1548  und  Martin  Glasers  Fastnachtspiel  von  der  Philogenia  bezieht;  das  letztgenannte 
Stück,  über  dessen  Vf.  spärliche  archivalische  Nachweise  gegeben  werden,  hat  als  das 
erste  mehraktige  Fastnachtspiel  besonderes  Anrecht  auf  unser  Interesse.  Beiden  Stücken 
liegt  Eybs  Prosa  zu  Grunde,  was  wenigstens  für  das  Glasersche,  bei  Goedeke  überhaupt 
übersehene  Stück  nicht  bemerkt  war.  H.  vergleicht  beide  Bearbeitungen  bis  ins  einzelne 
mit  der  Vorlage  und  zeigt,  dass  bei  mancherlei  geschickten  dramaturgischen  Massnahmen 
Hans  Sachs  in  seiner  Unfähigkeit,  die  Lebendigkeit  des  plautinisch-eybschen  Dialogs 
unverkürzt  wiederzugeben,  ebensowenig  die  Urkraft  seiner  Originale  nur  entfernt  erreicht 
wie  Martin  Glaser  in  seiner  unbeholfenen  Treue,  die  doch  nicht  davor  zurückschreckte, 
die  beiden  packendsten  Scenen  der  Vorlage  einfach  zu  streichen.  —  Wie  wir  hier  durch 
Eyb  wieder  halb  in  die  Kreise  des  Dramas  zurückgeführt  werden,  so  geschieht  es  auch 
durch  den  letzten  Didaktiker ^T)  der  diesjähi'igen  Reihe,  durch  den  Epigrammatiker  Job. 
Sapidus.  Auf  Grund  hs.  Materials  und  neuerer  gedruckter  Arbeiten  berichtigt  Knods**) 
die  fehlerhaften  Angaben,  die  sich  über  das  Leben  und  die  Thätigkeit  des  Elsässer 
Schulmanns  und  Dichters  seit  Röhrichs  Darstellung  (Mitteil,  aus  d.  evang.  Kirche  d. 
Elsass  1852)  in  der  Litteratur  erhalten  haben.  Ueber  sein  Geburtsjahr  (1490),  seine 
Herkunft,  seinen  Studiengang,  der  ihn  auch  nach  Paris  führte,  wird  fördernd  gehandelt, 
namentlich    über    sehie  Tliätigkeit    als  Leiter    der  Schlettstädter  Stadtschule,    an  der  er 


KCr.  25,  S.  448-50;  JBGPh.  13,  S.  271.]|  —  57)  (11,5  N.  16).  —  58)  G.  Knod,  Joh.  Sapidus:  ADB.  30,  S.  369/71.  — 


1B6  11,8:  Herrmann  und  Szfimatolski,  Humanisten  und  Neulateiner. 

dem  Humanismus  zum  Siege  verhalf;  unter  ihm  wirkte  sogar  ein  Lehrer  des  Griechischen, 
Melissopolitanus,  inid  um  1520  stand  hier,  wo  sich  ein  glänzender  Kreis  von  Humanisten, 
unter  ihnen  vor  allem  Wimpheling,  zusammengefunden  hatte,  die  neue  Bildung  auf  einem 
Glanzpunkte  ihrer  Entfaltung.  Ueber  Sapidus'  Beteiligung  an  der  Reformation  erfahren 
wir  nichts  Neues,  dagegen  wusste  man  bisher  niclit,  dass  sein  1525  erfolgter  Rücktritt 
ein  unfreiwilliger  war  und  dass  er  schon  1526  in  Strassburg  auftauchte;  auch  ein  in 
der  Zeit  der  Müsse  verfasstes  Gedicht,  die  Züchtigung  eines  päpstlich  gesinnten  Flick- 
schneiders, ist  zwar  von  Goedeke  verzeichnet,  aber  bisher  nicht  beachtet.  Der  Bericht 
über  den  letzten  Lebensteil  lehnt  sich  an  die  bekannte  Litteratur,  nur  der  Hinweis  auf 
eine  Rede  zur  Feier  seiner  Bestattung  (15G1)  ist  hinzugekommen.  Iva  ganzen  sind  un- 
sere Kentnisse  über  das  Leben  und  die  pädagogische  Thätigkeit  des  Sapidus  durch  K. 
wesentlich  bereichert,  dagegen  fehlt  es  so  gut  wie  ganz  an  einer  litterarischen  Charak- 
teristik des  Dichters  Sapidus  und  seiner  einzelnen  Werke :  hier  musste  eine  blosse  Auf- 
zählung der  Ausgaben  genügen,  welche  K.  von  Epigrammen,  Epitaphien,  Oden  und  der 
Lazaruskomödie  kennt.  Dabei  kommt  einiges  Unbeachtete  zu  Tage,  während  Bekanntes 
verschwiegen  wird:  so  führt  K.  z.B.  eine  deutsche  Uebersetzung  des  „Lazarus"  von  1565 
an,  während  er  die  GrefFsche  Bearbeitung  von  1545  nicht  namhaft  macht.  — 


-■-<# 


JAHRESBERICHTE 


FÜR 


NEUERE 

DEUTSCHE  LITTERATURGESCHICHTE 


(JAHR  1890.) 

ZWEITER  HALBBAND. 


III.  Vom  A.Tifang  des  17.  bis  zur  ]Vf  itte  des 

18.  Jalirtiunderts. 


111,1 

Allgemeines. 

Alexander  Reifferscheid. 

Politische  und  wirtschaftliche  Verhältnisse  N.  1.    —    Geistesleben  N.  4.  —  Gesellschaftliche  Zustände:  Gespräch- 
spiele N.  6;  die  Frauen  N.  7.  —  Poetischer  Stil  N.  10.  — 

Die  politischen  und  wirtschaftlichen  Verhältnisse  des  Zeitraums  fanden 
ausgiebige  Behandlung  in  mehreren  Arbeiten,  zunächst  in  zwei  Werken  der  „Bibliothek 
deutscher  Geschichte",  von  denen  zur  Zeit  je  der  erste  Band  vorliegt.  Der  Anlage  der 
Sammlung  entsprechend,  bieten  sie  eine  Erzälilung  der  Begebenheiten  und  Scliilderung 
der  Le  bensverliältnisse  des  deutschen  Volkes,  die  für  Gescliichtsfreunde,  nicht  flu*  Fach- 
gelelirte  bestimmt  ist  und  daher  nicht  in  die  wissenschaftliclie  Einzelforschung  eindringen 
will.  Sie  benutzen  die  gedruckte  Litteratvir,  verwerten  die  fremden  Forschungen  und 
suchen  sie  nach  Mögliclikeit  durch  eigene  Untersuchungen  in  allen  Hauptpunkten  zu 
erweitern,  sie  beabsichtigen  aber  nicht,  neue  Ergebnisse  aus  noch  unbekannten  archiva- 
lischen  Quellen  vorzulegen.  Ritter i)  will  eine  zusammenfassende  Darstellung  der 
deutschen  Geschichte  im  Zeitalter  der  Gegenreformation  und  des  30j.  Krieges 
geben,  die  an  Fülle  und  Zuverlässigkeit  die  bisherigen  übertreffen  soll.  Er  fügt  sich 
nur  ungern  den  einschränkenden  Vorschriften  der  Sammlung,  die  ihm  nicht  gestatten, 
die  Gründe  seiner  Aufstellungen  in  eingehenden  Anmerkungen  darzulegen.  Er  steht 
freilich  mit  dem  einen  Eusse  noch  in  der  vorigen  Periode :  der  erste  Band  ist  der  Zeit  von 
1555 — 86  gewidmet.  Der  Schwerpunkt  des  Werkes  liegt  aber  im  Zeitalter  des  30j. 
Krieges,  daher  wird  es,  sobald  der  zweite  Band  vorliegt,  hier  ausfülirlich  zu  besprechen 
sein.  Eür  den  ersten  Band  genügt  eine  kurze  Inhaltsangabe,  aus  der  die  Art  der  Be- 
handlung zu  erkennen  ist.  Das  1.  Buch  über  die  Lage  Deutschlands  in  der  Mitte  des 
16.  Jh.  behandelt  die  Verfassungsverhältnisse  des  Reiches,  der  Fürstentümer  und  der 
Städte,  sowie  die  Religionszustände.  Aus  dem  Inhalte  des  2.  Buches  über  das  Vor- 
dringen der  Protestanten  und  die  Wiederherstellung  der  katholischen  Kirche  sind  be- 
sonders die  Abschnitte  über  die  Bildung  der  protestantischen  Partei,  die  Machterweiterung 
der  Calvinisten,  das  Trienter  Konzil  und  die  Jesuiten  hervorzuheben.  Das  3.  Buch 
enthält  die  Darstellung  der  Gegenreformation  in  Deutschland  luid  der  Einwirkung  der 
französisch-niederländischen  Religionskriege,  das  4.  die  des  Kampfes  um  das  geistliche 
Fürstentum  (Köln).  Die  religiösen  und  kirchengeschichtlichen  Momente  finden  überall 
eine  eingehende  unparteiische  Würdigung.  Man  sieht  sofort,  dass  es  R.  nur  auf 
die  geschichtliche  Wahrheit  ankommt  und  dass  er  allein  für  sie  Partei  nimmt.  — 
H.  von  Zwiedineck-Südenhorst'-)  stellt  sich  die  Aufgabe,  die  deutsche  Geschichte 
im  Zeitraum  der  Gründung  des  preussischen  Königtums,  von  1648 — 1740,  darzustellen. 
Der  erste  Band  verfolgt  die  Entwicklung  bis  zum  Tode  des  grossen  Kurfürsten  (1688). 
Mit    bestem  Erfolge    benutzt  Z.    die  Erzeugnisse   der    zeitgenössischen    Publizistik,    die 


I)  M.  Kitter,  Deutsche  Gesch.  im  Zeitalter  d.  Gegenreformation  u.  d.  30 j.  Krieges  (1555—1648).  I.  (1555—1586.) 
(=:Bibl.  deutscher  Gesch.)  Stuttgart,  J.  G.  Cotta  Nachf.  1889.  XV,  646  S.  M.  8,00.  |  [LCBl.  S.  1021;  AZg».  1891, 
N.  43.]  I  —  2)  H.  von  Zwiedineck-SUden hörst,  Deutsche  Gesch.  im  Zeitraum  d.  Gründung  d.  preuss.  Königtums.  I. 
Vom  westfäl.   Frieden   his    z.  Tode    d.    grossen    Kurfürsten.    (=  Bibl.  deutscher  Gesch.)    Stuttgart,    J.  G.  Cotta  Nachf.    XII, 

1 


2  in,l:  AI.  Reifferscheid,  Allgemeines  des  17. /IS-  Jahrhunderts. 

Flugscliriften  und  Zeitungen,  x\m  die  Strömungen  in  den  politischen  Ansichten  aufzuweisen 
und  zum  Verständnis  der  geistigen  Beweginig  zu  führen.  Auf  das  Kulturleben  nimmt 
er  gebührende  Rücksicht,  sowohl  in  eingehenden  Erörterungen  als  in  gelegentlichen 
Bemerkungen,  die  sich  den  Ereignissen  anschliessen.  Er  zeigt  überall  aufriclitige  Teil- 
nahme für  die  Geschicke  des  deiitschen  Volkes  und  hofft  zur  Verallgemeinerung  der 
Ueberzeugung  beizutragen,  dass  die  Beurteilung  der  deutschen  Politik  nicht  mehr  von 
landesüblichen  Vorurteilen  \ind  subjektiven  Standpunkten  abhänge,  sondern  dass  alle 
wahrhaft  Deutschgesinnten  in  diesen  Fragen  übereinstimmen.  Hier  kommt  vorzugsweise 
das  1.  Buch  über  den  Zustand  des  Reiches  nach  dem  westfälischen  Eriedensschlusse  in 
Betracht.  Zuerst  bespricht  Z.  die  staatsrechtlichen  Verhältnisse,  die  politischen 
Theorien  von  Chemnitz,  Pufendorf,  Leibniz,  Seckendorf.  Er  weist  die  Entwicklung  des 
modernen  Staatsbegriifs  nach:  die  grösseren  Staaten  nahmen  sich  die  Einrichtungen  der 
wohlgeordneten  Städte  zum  Vorbild.  Die  allgemeine  Wohlfahrt  wurde  der  Hauptzweck 
des  Staates,  die  Stände  erhielten  ihre  besondere  Stellung  zu  seiner  Gesamtwirtschaft. 
Unter  Berufung  auf  den  Zweck  des  Staates  bemühten  sich  die  Landesfürsten  in  allen 
Teilen  des  Reiches,  ihren  Wirkungskreis  zu  erweitern  und  seine  verfassungsmässige 
Bescliränkung  durch  die  Landstände  zu  beseitigen.  Im  folgenden  Abschnitt 
erörtert  Z.  die  wirtschaftlichen  und  moralischen  Eolgen  des  30j.  Krieges,  in  der  rich- 
tigen Ueberzeugung,  dass,  bei  der  unleugbaren  Wechselwirkung  zwischen  socialen  Ver- 
hältnissen und  politischen  Ideen,  die  Darstellung  der  materiellen  Verhältnisse  nicht  mir 
das  Verständnis  des  Kulturlebens  erschliesse,  sondern  auch  die  Wandlung  der  politischen 
Anschauungen  und  staatlichen  Einrichtungen  begreiflicher  mache,  als  das  bei  einseitiger 
Behandlung  der  politischen  Geschichte  möglich  sei.  Eine  ausreichende  Darstellung  der 
wirtschaftlichen  Folgen  des  Krieges,  auf  deren  Wichtigkeit  Gustav  Ereytag  schon  vor 
dreissig  Jahren  hingewiesen,  ist  bei  dem  Mangel  fast  aller  Vorarbeiten  zur  Zeit  noch 
nicht  zu  erwarten.  Hier  könnten  die  zahllosen  Geschichtsvereine  ein  reiches  Feld  für 
zielbewusste  Thätigkeit  finden.  Den  allgemeinen  Wolilstand  vor  dem  Kriege  bekundet 
die  Menge  prachtvollen  und  gediegenen  Havisrates  aus  dem  ersten  Viertel  des  17.  Jh., 
der  sich  in  öffentlichen  und  privaten  Sammlungen  noch  findet.  Schon  die  Zeitgenossen 
erkannten  die  schlimmsten  Folgen  des  Krieges,  wie  das  aus  einer  Flugschrift  „Der  Krieg 
selbst"  vom  Jahre  1641  deutlich  erhellt.  Die  masslosen  Forderungen  der  Heerführer 
und  der  Soldaten  sogen  das  Land  systematisch  aus.  Z.  zeigt  an  typischen  Details  die 
unglaubliche  Steigerung  der  Verpflegungskosten  und  der  Kontributionen.  Er  benutzt 
die  erhaltenen  Visitations-  imd  Schätzungsberichte,  um  den  Durchschnittsverlust  an 
Menschen  und  Gebäuden  zu  bemessen.  Bei  dem  gänzlichen  Mangel  an  Arbeitskräften 
musste  in  vielen  Gegenden  Hungersnot  ausbrechen,  die  zum  schrecklichsten  Kannibalis- 
mus führte.  Es  trat  eine  Kidturvernichtung  ein,  wie  sie  weder  vorher  noch  nachher 
vorgekommen.  Nur  langsam  konnte  eine  Besserung  erfolgen.  Am  frühesten  erholte 
sich  die  Landwirtschaft,  ihre  Erzevignisse  erzielten  aber  bei  dem  argen  Rückgang  der 
Bevölkerungszahl  nur  äusserst  niedrige  Preise.  Die  Bauern  wurden  ganz  der  Willkür 
der  Grossgrundbesitzer  preisgegeben,  meistens  Abenteurern,  die  durch  den  Krieg  reich 
geworden  waren.  Alles  Gewerbe  lag  darnieder.  Nicht  minder  das  geistige  Leben.  Von 
allen  Schulen  litt  die  Volksschule  am  meisten:  da  die  ordentlich  ausgebildeten  Schul- 
halter fehlten,  übernahmen  alte  Soldaten  die  Leitung,  Bei  der  allgemeinen  Not  mussten 
Studenten  zeitweise  Kriegsdienste  thun,  um  zur  Fortsetzung  ihrer  Studien  Geld  zu  er- 
werben. Sie  verpflanzten  so  die  Roheit  des  Soldatenwesens  ins  akademische  Leben, 
das  jetzt  immer  mehr  ausartete.  Aber  ganz  so  schlimm,  wie  Z.  will,  stand  es  nicht  um 
das  gesamte  geistige  Leben  der  Zeit  und  besonders  nicht  um  die  deutsche  Dichtung; 
dem  Urteile  Treitschkes  durfte  er  sich  nicht  mehr  anschliessen.  Mit  Recht  feiert  er 
Rist  und  Moscherosch  als  wahrhaft  patriotische  Männer,  die  in  ihren  Dichtungen  ein- 
dringend gegen  die  herrschenden  Laster  der  Zeit  auftraten.  Er  führt  mehrere  packende 
Stellen  aus  des  erstem  „Friedewünschendem  Deutschland"  und  aus  Pliilanders  Gesichten 
an.  Es  waren  aber  nicht  bloss  Dichterlinge,  wie  Z.  behauptet,  die  die  schwedischen 
Freunde  besangen.  Männer  wie  Weckherlin  und  Moscherosch  bemühten  sich  tun  die 
Ehre,  politische  Agenten  der  Schweden  zu  werden,  was  allerdings  nur  Opitz  und 
Schuppius  gelangt).  Am  Schlüsse  des  Abschnittes  gedenkt  Z.  kurz  der  gewaltsamen 
Gegenreformation  in  den  Alpenländern  und  in  Schlesien  und  konstatiert,  dass  trotz  aller 
Missstände  das  Volk  tiberall  mit  ruhiger  Ergebenheit  in  das  harte  Geschick  sich  fügte: 
das  deutsche  Gemüt  war  frisch  und  gesinid  geblieben.  „Mitten  in  dem  gi'össten  Un- 
glück, von  dem  die  Deutschen  betroffen  werden  konnten  .  .  .  .,  war  auch  der  Keim  neuen 
Lebens  schon  entsprossen,  unerkannt  und  ungeahnt  gedieh  er  iind  trotzte  in  seiner  ur- 
sprünglichen Rüstigkeit  allen  Stürmen,  die  noch  über  ihn  dahin  brausen  sollten."  Aus 
dem  weiteren  Inhalt  des  ersten  Bandes  ist  noch  hervorzuheben  der  Nachweis  (S.  399  ff.), 


688S.    M.8,00.       [LCBl.  S.  1564;  PrJbb.  66,  S.  301/6   (Dangers);  MHL.  18,  S.  352;5  (F.    Hirscli).J|    -    3)    S.    u.    III,    5 


III,  1 :  AI.  Reifferscheid,  Allgemeines  des  17. /18.  Jahrhunderts.  3 

dass  unter  dem  Eindruck  der  Sclilacht  von  Fehrbellin  1675  die  deutsche  Publizistik 
esinen  erfreulichen  nationalen  Aufschwung  nahm.  —  Mit  v.  Zwiedineck  wetteifert  in  der 
Bearbeitung  desselben  Zeitraumes  der  deutschen  Geschichte  Erdmannsdörfer  *).  Auch 
er  will  nicht  Fachleviten,  sondern  den  weiteren  Kreisen  der  Geschichtsfreunde  die  ge- 
sicherten Ergebnisse  wissenschaftlicher  Forschung  in  ansprechender  Form  vorlegen. 
Von  seinem  Werke  sind  erst  einige  Abteilungen  erschienen,  die  kein  abgeschlossenes 
Ganze  bilden,  sondern  nach  der  Art  des  ganzen  Sammelwerkes  mitten  in  der  Darstellung 
abbrechen.  Trotzdem  empfahl  es  sich  aus  mehrfachen  Gründen,  gegen  die  Grundsätze 
der  JBL.,  das  der  Zeit  des  Erscheinens  nach  hierhin  Gehörige  schon  jetzt  zu  berück- 
sichtigen. Das  Werk  ist  in  mehrere  Bücher  geteilt.  Im  ersten  Buche  interessiert  mis 
neben  dem  dritten  Kapitel  über  Reich  inid  Reichsstände  nach  dem  Frieden,  in  dem  die 
staatsrechtlichen  Verhältnisse  und  die  politischen  Theorien  von  Chemnitz  vmd  Pufendorf 
besprochen  werden,  besonders  das  vierte  über  die  materiellen  und  geistigen  Zustände 
nach  dem  Kriege.  Auch  nach  E.  lässt  sich  zvir  Zeit  noch  keine  erschöpfende  Gesamt- 
ansicht und  noch  kein  inneres  Verständnis  von  den  Zuständen  nach  dem  30j.  Kriege 
gewinnen;  er  hofft,  die  wirtschaftlich  geschichtliche  Forschung  werde  die  Lücken  mit 
der  Zeit  ausfüllen.  Er  weist  mit  Recht  darauf  hin,  dass  uns  nur  über  die  grenzenlosen 
Verwüstungen  Nachrichten  zu  Gebote  stehen,  während  uns  fast  jede  Auskunft  fehlt  über 
die  Gegenden,  in  denen  sich  verhältnismässig  erträgliche  Zustände  erhalten  hatten.  Die 
Schilderungen  äusserster  Not  verdienen  nach  seiner  Ansicht  nicht  iinbedingten  Glauben, 
einerseits  wegen  des  Interesses  der  Berichterstatter,  ihre  Lage  so  trostlos  wie  möglich 
darzustellen,  andrerseits  wegen  der  unleugbaren  Neigung  der  Zeit  zum  Ungeheuerlichen ; 
so  sei  besonders  strenge  Kritik  geboten  gegenüber  den  Berichten  von  Theologen,  die 
an  drastische  Uebertreibimgen  gewöhnt  gewesen  wären.  Aber  selbst  bei  diesem  Vor- 
behalte gesteht  E.  ein  ungeheures  Mass  nationalen  Unglücks  vmd  Verfalls  zu.  Er  er- 
örtert dann  die  Entvölkerung  und  die  Verarmung  besonders  der  bäuerlichen  Elemente, 
die  am  schwersten  heimgesucht  worden,  und  die  entsetzliche  Verschuldung  des  Grund- 
besitzes, avif  die  bisher  nicht  genug  geachtet  wiu-de.  Durch  Mitteilungen  aus  einer  zeit- 
genössischen Flugschrift,  einem  Gespräche  zwischen  einem  Doktor,  einem  Edelmann, 
einem  Biü'ger  und  einem  Bauer,  lässt  er  inis  einen  Blick  thun  in  die  Stimmungen  und 
Verhältnisse  der  Zeit.  Nach  einem  kurzen  Ueberblick  über  die  städtischen  Verhältnisse, 
den  Rückgang  von  Handel  und  Industrie  bespricht  E.  das  geistige  Leben  der  Zeit,  die 
Fremdländerei,  das  Alamodewesen,  die  Bestrebungen  für  Pflege  vaterländischen  Siinies 
xmd  i'ür  Reinhaltung  der  Muttersprache,  mit  Anerkennung  des  idealen  Zuges  und  des 
gesunden  Kerns,  aber  aiich  mit  gerechtfertigtem  Tadel  für  das  Uebertriebene  und 
Unnatürliche  dabei.  Er  vergleicht  dasselbe  mit  der  wunderlichen  Deutschtümelei  und 
dem  falschen  Enthusiasmus  zu  Anfang  des  19.  Jh.  Auch  in  den  politischen  Flugschriften 
der  Zeit  gewahrt  man  mit  Freuden  ein  Erstarken  der  vaterländischen  Gesinnung.  Ver- 
einzelt und  erfolglos  dachte  man  damals  an  eine  Einigung  imd  Versöhnung  der  ver- 
schiedenen Bekenntnisse.  Zum  Schlüsse  des  Abschnittes  erinnert  E.  an  die  beachtens- 
werten pädagogischen  Reformbestrebvnigen  des  Ratich  und  des  Comenius  und  an  das 
Volksschulgesetz  Herzog  Ernsts  des  Frommen  von  Gotha.  Die  zweite  Hälfte  des 
17.  Jh.  verdiene  überhaupt  den  Namen  des  methodesuchenden  Zeitalters.  Man  dürfe  in 
gewissem  Sinne  mit  Gervinus  von  den  fördernden  Anregungen  sprechen,  die  dem  ICriege 
ixnd  seinen  Folgen  entsprungen.  Dieser  Grundgedanke  wird  von  E.  wieder  aufgenommen 
im  4.  Kapitel  des  3.  Buches,  welches  die  inneren  Reformbestrebungen  in  den  deutschen 
Staaten  behandelt.  Es  hebt  an  mit  dem  Satze,  das  Zeitalter  sei  erfüllt  gewesen  von 
dem  Bewusstsein,  dass  die  Grundlagen  des  materiellen  und  des  geistigen  Lebens  einer 
Erneuerimg  bedürftig  seien.  In  den  Jahrzehnten  nach  dem  Kriege  sei  überall  in  Deutsch- 
land redlich  gearbeitet  worden,  um  die  Schäden  des  Krieges  zu  heilen  und  neuen  Wohl- 
stand zu  begründen.  Zu  dem  praktischen  Bedürfnisse  und  seiner  Befriedigiuig  habe 
sich  die  theoretische  Einsicht  und  die  wissenschaftliche  Erörterung  hilfreich  gesellt. 
Einzelnes  wird  dann  beispielsweise  hervorgehoben;  besonders  gerühmt  wfrd  der  Kur- 
fürst Karl  Ludwig  von  der  Pfalz,  der  Mannheim  nexi  begi-ündete  und  nach  dem  Muster 
holländischer  Gemeinwesen  ausstattete,  der  auch  die  Universität  Heidelberg  zu  neuem 
wissenschaftlichen  Leben  erweckte  und  dort  in  wahrem  Freisinn  die  Gleichberechtigung 
der  Bekenntnisse  durchführte,  ferner  der  um  das  Volksschulwesen  hochverdiente  Herzog 
Ernst  der  Fromme  von  Gotha.  Von  dem  Antritte  seiner  Regierung  an  (1640)  war  der 
Herzog  darauf  bedacht,  das  zerrüttete  Kirchen-  und  Schulwesen  in  seinem  Lande  wieder 
herzustellen.  In  der  Ueberzeugung,  dass  den  Erwachsenen  ein  regelrechter  Religions- 
unterricht nötiger  sei  als  der  Schuljugend,  richtete  er  die  „Informationen"  ein,  regel- 
mässige Unterrichtsstunden,    in    denen    die  Pfarrer   allen  Erwachsenen,    die    noch    nicht 


N.  13.    —   4)   B.   Erdmannsdörffer,   Deutsche    Gesch.   v.   westfäl.   Frieden   bis    z.   Regierungsantritt   Friedrichs    d.    Gr. 
1648—1740.    Mit   Portr.,  lUustr.   u.    Karten.    (=  Allgem.  Gesch.  in  Einzeldarst.  her.   v.    Oncken,    III,  7.  Abt.  14(5,  160,  181. 

1* 


4  111,1:  AI.  Reifferscheid,  Allgemeines  des  17. /18.  Jahrhunderts. 

j.genug  gegründet"  waren,  Katechismus  und  Bibel  erklärten.  Er  brachte  es  dahin,  dass 
seine  Bauern  frömmer  und  gelelirter  waren  als  anderswo  die  Edelleute.  Noch  segens- 
reicher wirkte  er  auf  dem  Gebiete  des  Schulwesens.  Er  erHess  1642  eine  Schulordnung, 
aus  der  1648  der  berühmte,  für  die  Grescliichte  des  Volksschulwesens  wichtige  „Neue 
Methodus"  wurde,  inid  führte  die  Realien  zuerst  in  die  Volksschule  ein.  Das  patriar- 
chahsche  fromme  Walten  dieses  Landesfürsten  spiegelt  sich  wieder  in  den  staats- 
wissenschaftlichen Werken  V.  L.  von  Seckendorfs,  dem  „Fürstenstaat"  und  dem  „Christen- 
staat", von  denen  das  erste,  imter  den  Augen  Emsts  des  Frommen  entstanden,  zum  all- 
gemein gültigen  politischen  Lehrbuch  für  das  protestantische  Deutschland  wurde  und 
bis  in  die  zweite  Hälfte  des  18.  Jh.  in  fast  kanonischem  Ansehen  bUeb.  Von  wirklichem 
Werte  sind  die  dem  Werke  E.s  beigegebenen  zahlreichen  wohlgelinigenen  Nachbil- 
dungen von  Porträts,  Trachtenbildern,  Militärtypen  und  Elugblättem:  sie  geben  für  sich 
schon  eine  klare  Vorstellung  der  geschilderten  Zeit.  —  Aufzeichnungen  des  sieben- 
bürgischen  Predigers  Matthias  Victor  (geb.  1622  zu  Birthalm,  gest.  1680  als  Hauptpfarrer 
zu  Mühlbach)  aus  den  Jahren  1655 — 1664  über  die  Kriegswirren  in  Siebenbürgen  ver- 
öffentlichte von  Hannenheim^),  Leider  hat  er  nur  die  Stellen  von  allgemeiner 
landesgeschichtlicher  Bedeutung  zum  Abdruck  gebracht  und  alles  auf  Privatverhältnisse 
bezügliche  weggelassen:  so  fehlt  dieser  Veröffentlichung  gerade  das  kulturhistorisch 
wichtige  Detail.  Die  Aufzeichnungen  haben  trotz  des  lokalgeschichtlichen  Charakters 
(es  kommen  nur  die  Kriege  der  siebenbürgischen  Sachsen  mit  den  Türken  in  Betracht)  nun 
doch  einen  allgemeineren  Wert.  Sie  illustrieren  die  politische  Wirtschaft  und  die  Kriegs- 
führung der  ganzen  Zeit.  Die  Grossen  sind  niu"  in  der  Bedrückung  des  Volkes  einig; 
dm-ch  ihren  unersättlichen  Ehrgeiz  führen  sie  stets  aufs  neue  kriegerische  Verwicklungen 
herbei,  die  ihre  Unterthanen  am  schwersten  treffen,  aber  auch  ihnen  keinen  Segen  bringen. 
Die  Soldaten,  die  das  Land  schützen  sollen,  verheeren  es  ärger  als  die  Feinde  und  er- 
regen durch  ihre  sodomitischen  Laster  allgemeine]!  Schrecken.  Gottesfurcht  kennen  sie 
nicht  mehr,  mit  religiösen  Uebungen  treiben  sie  ihren  Spott.  Man  beachte  besonders 
S.  717,  719,  720  (722  findet  sich  dieselbe  Stelle  mit  einigen  stilistischen  Aenderungen; 
fast  möchte  man  glauben,  dass  sich  aus  der  Hs.  eine  doppelte  Fassung  der  Aufzeich- 
nungen, wenigstens  einzelner  Teile  derselben,  nachweisen  lasse),  723  vmd  716.  — 

Eine  sichere  Grundlage  für  die  Geschichte  des  deutschen  Geisteslebens 
während  des  17.  Jh.  soll  ein  Unternehmen  Reifferscheids^)  bilden,  das  in  mehreren 
umfangreichen  Bänden  eine  sorgsam  gesichtete  Auswahl  aus  der  reichen  noch  un- 
gedruckten hs.  Litteratur  der  Zeit  auf  Grund  planmässiger  Durchforschung  der  Biblio- 
theken und  Archive  Deutschlands  und  des  Auslandes  zu  geben  verspricht.  In  Betracht 
kommen  die  vielen,  teils  aus  politischen,  teils  aus  socialen  Gründen  nur  im  Kreise  von 
Gesinnungs-  und  Standesgenossen,  bloss  hs.  verbreiteten  deutschen  Dichterwerke,  wie 
z.  B.  die  umfangreichen,  auch  für  die  politische  Gescliichte  der  Zeit  höchst  wertvollen 
Dichtungen  Daniel  Czepkos,  deutsche  vnid  lateinische  Gelegenheitsgedichte,  welche  in 
die  Studien,  die  litterarischen  Verbindungen,  das  Privatleben  der  beteiligten  Personen 
vollen  Einblick  gewähren,  und  vor  allem  die  Briefe  hervorragender  litterarischer  Persön- 
lichkeiten, welche  die  gehaltreichsten  Quellen  sind,  da  sie  im  ganzen  Jh.  das  freie  Wort, 
die  litterarischen  und  die  politischeii  Zeitungen,  ersetzen.  Alle  diese  Scluiften  sollen 
aber  nur  insofern  berücksichtigt  werden,  als  sie  für  die  Erkenntnis  des  Standes  und  der 
Entwicklung  des  geistigen  Lebens  in  Deutschland  während  des  17.  Jh.  von  wirklicher 
Bedeutung  sind.  Der  erste  Band  enthält  mehr  als  900  Briefe,  fast  alle  —  bis  auf  einige 
deutsche  von  Joh,  Christian  von  Brieg,  J.  M.  Moscherosch,  M.  Opitz,  J.  Rist,  B.  Schupp, 
G.  R.  Weckherlin,  und  einige  französische  von  B.  Venator  —  in  lateinischer  Sprache; 
sie  sind  zum  allergrössten  Teile  bisher  ungedruckt,  den  Originalhss.  oder  zuverlässigen 
gleichzeitigen  Absclu-iften  entnommen.  Vorzugsweise  entstammen  sie  dem  Heidelberg- 
Strassburger  Kreise,  der  eigentlichen  Geburtsstätte  der  neuen  Litteratur,  dessen  gei- 
stigen Mittelpunkt  der  pfalzische  Geheimrat  G.  M.  Lingelsheim  büdet,  ein  genauer 
Kenner  der  klassischen  und  der  modernen  Litteratur,  der  fast  an  allem  Bedeutenden, 
was  in  der  ersten  Hälfte  des  17.  Jh.  in  politischer,  socialer,  religiöser  und  litterarischer 
Beziehung  geschah,  thätigen  Anteil  genommen,  der  vertraute  Freund  von  J.  Bongars, 
J.  Casaubonus,  P.  Melissus,  M.  Freher,  J.  J.  Scaliger,  J.  A.  Thuanus,  H.  Grotius, 
J.  Gruterus,  D.  Heinsius,  der  unermüdliche  und  geniale  Förderer  von  M.  Bernegger, 
M.  Goldast,  M.  Opitz,  Ch.  Colerus,  R.  Robertin,  B.  Venator,  J.  Zincgref.  Lingelsheim 
war,  wie  sich  jetzt  mit  Sicherheit  behaupten  lässt,  selbst  vielfach  als  Schriftsteller  auf- 
getreten. 1601  veröffentlichte  er  seine  lateinische  Uebersetzung  der  Abhandlung  „De 
militia  Romana"  des  Engländers  H.  Savils  (vgl.  S.  689),  1612  schrieb  er  als  Tarraeus 
Hebius    nobüis    a  Sperga    zu  Gunsten  J.  J.  Scaligers    gegen  C.  Scioppius    die  Schmäh- 


Berlin,  G.  Grote.  1888,  89,  90.  4ß4  S.  M.  18,00.  —  5)  J.  von  Hannenheim,  Mattliias  Vietors  zeitgenössiscbe  Auf- 
zeitlinungen  aus  d.  17.  Jh.:  AVSiebenbL.  N.  F.  22.  S.  088-738.  —  6)  AI.  Kei  ffer scheid,  Quellen  z.  Gesch.  d.  geistigen 
Lebens    in  Deutschland  wahrend    des  17.  Jh.   nach  Uss.  her.  u.  erl.  I.    C=  Briefe  G.  M.  Lingelsheims,  M.  Berneggers  n.  ihrer 


111,1:  AI.  Reifferscheid,  Allgemeines  des  17. /18.  Jahrhunderts.  5 

Schrift  „Cave  canem"  (vgl.  S.  714),  1620  übernahm  er  die  Verantwortung  für  die  Ver- 
öffentlichung des  grossen  Geschichtswerkes  von  J.  A.  Thuantis,  um  die  wirklichen 
Herausgeber  zu  decken  (vgl.  S.  735).  Er  war  der  intellektuelle  Urheber  der  Schriften 
des  P.  Denaisius  gegen  die  Jesuiten  und  gegen  J.  Lipsius  (vgl.  S.  689,  693  ff.),  des 
„öyllabus  autorum  irenicorun",  der  Heidelberger  Ausgabe  des  Apologeticus  Grotii. 
Er  förderte  die  kirchenpolitischen  Arbeiten  des  H.  Grotius,  veranlasste  die  deutsche 
Uebersetzting  von  dessen  Schrift  „De  veritate  religionis  christianae",  ferner  die  lateinische 
der  Hauptsclu*iften  Galileis  durch  Bernegger  (vgl.  S.  1024).  All  dies  that  er,  um  freieren 
Anschauungen  Bahn  zu  brechen.  Dafür  legt  auch  sein  Briefwechsel  Zeugnis  ab.  Niu- 
welliges  war  bisher  daraus  bekannt.  Zur  Einführung  in  das  Verständnis  der  Zeit  und 
der  Bestrebungen  der  Calvinisten  zu  Beginn  des  Jalu-hunderts  werden  aus  gedruckten 
Sammlungen  einige  Briefe  Lingelsheims  an  J.  J.  Scaliger,  J.  Bongars  und  M.  Goldast 
mitgeteilt.  Neu  sind  die  35  Briefe  des  H.  Grotius  an  Lingelsheim  mit  reichen  Beiträgen 
für  die  Geschichte  der  kirchenpolitischen  Bewegung  in  Deutschland  und  in  den  Nieder- 
landen und  des  Kulturkampfes  in  den  Niederlanden.  Die  freien,  geklärten  religiösen 
Ansichten,  die  Grotius  in  diesen  Briefen  vertritt,  spricht  er  am  bündigsten  aus  in  dem 
bisher  ungedruckten  „Hymnus  ad  Christum  pro  unitate  ecclesiae".  Ferner  enthält  dieser 
Band  der  Quellen  unter  76  neuen  Briefen  des  J.  Gruter  43  an  Lingelsheim  mit  wichtigen 
Nachrichten  über  die  Verhältnisse  in  Heidelberg  vor  und  nach  der  Belagerung  und  über 
alles,  was  die  Zeit  damals  bewegte,  politische  und  litterarische  Vorkommnisse.  Sie 
bieten  sicheres  Material  zur  Beurteilung  Gruters,  seiner  Lebensverhältnisse,  seiner  ge- 
lelu"ten  und  populären  Arbeiten,  seiner  Beziehungen  zu  Freunden  und  Gegnern.  Von 
den  andern  neuen  Briefen  an  Lingelsheim  verdienen  noch  die  drei  des  0.  Giphanius, 
die  sechs  des  J.  W.  Zincgref,  die  siebzehn  des  M.  Opitz,  die  fünfzehn  des  B.  Venator 
ihrer  Reichhaltigkeit  wegen  besondere  Erwähnung.  Alle  Briefe  an  Lingelsheim  sind 
voll  Anerkennung  für  Lingelsheims  seltene  Selbstlosigkeit  und  Unermüdlichkeit  im 
Dienste  der  höchsten  Interessen.  Noch  grössere  Ausbeute  gewährt  der  umfassendere 
Briefwechsel  Berneggers  mit  einem  ausgedehnten  Freundeskreise  (vgl.  S.  1004  ff,). 
Bernegger  stand  im  regsten  Briefverkehr  mit  den  bedeutendsten  Zeitgenossen,  von 
denen  die  meisten  ihm  nahe  befreundet  und  verpflichtet  waren.  Die  verschiedensten 
geistigen  Literessen  werden  behandelt,  denn  Bernegger  war  von  einer  seltenen  Viel- 
seitigkeit. Er  war  Mathematiker  und  Philolog,  vertrat  an  der  Universität  Strassburg 
Geschichte  und  Beredsamkeit  und  entfaltete  als  Gelehrter  und  als  Publizist  eine  erfolg- 
reiche schriftstellerische  Thätigkeit.  Als  Besitzer  einer  grossen  Buchdruckerei  hatte 
er  vielfach  Gelegenheit,  die  Schliche  der  Buchhändler  und  Verleger  seiner  Zeit  genau 
kennen  zu  lernen.  Als  akademischer  Lehrer  wirkte  er  äusserst  anregend;  bedeutende 
Männer,  die  sich  später  auch  um  die  deutsche  Dichtung  verdient  gemacht,  verdankten 
ihm  ihre  Ausbildung  und  vielfache  Anregung,  u.  a.  Ch.  Coler,  Gh.  Cunrad,  D.  Czepko, 
S.  Gloner,  J.  M.  Moscherosch,  R.  Robertin,  J.  W.  Zincgref,  Berneggers  Briefe  geben 
zuverlässige  Auskunft  über  das  Leben  und  Treiben  an  der  Universität  Strassburg;  sie 
charakterisieren  ebenso  die  engherzigen  Professoren,  die  nur  Einheimische  oder  Vettern 
befördern,  keine  Auswärtigen  und  vor  allem  keine  Calvinisten  berufen  wollten,  wie  die 
betriebsamen  Studierenden,  die  mit  Vorliebe  die  Erträge  der  gehörten  Vorlesungen  als 
Doktorarbeiten  verwerteten.  An  Zerwürfnissen  mit  den  Strassburger  Theologen  hat  es 
dem  freisinnigen  Bernegger  nicht  gefelilt,  so  eifrig  er  auch  als  Publizist  gegen  die 
Jesuiten  aufgetreten  war;  aber  sein  Interesse  für  die  irenischen  Bestrebungen  auf  religiösem 
Gebiete  war  den  Orthodoxen  zu  aufrichtig  und  zu  lebhaft.  Dazu  kam,  dass  er  auf 
Veranlassung  Lingelsheims  die  Hauptschriften  Galileis  in  lateinischer  Uebersetzung 
verbreitet  hatte,  was  ihm  so  viel  Unannehmlichkeiten  bereitete,  dass  er  zuletzt  selbst 
an  den  Konsequenzen  Galileis  irre  wurde.  Aus  patriotischem  Interesse  für  deutsche 
Sprache  und  Poesie  war  Bernegger  ein  warmer  Verehrer  des  M.  Opitz  und  seiner  Dicht- 
art. Die  Geschichte  der  von  Zincgref  besorgten  ersten  Ausgabe  der  Opitzschen  Gedichte 
lässt  sich  aus  dem  Briefwechsel  Berneggers  und  Zincgrefs  bis  ins  einzelne  verfolgen. 
Ebenso  erwünschten  Aufschluss  geben  die  Briefe  Berneggers  und  seiner  Freunde  über  die 
übrigen  Dichtwerke  von  Opitz  und  über  die  Dichtungen  von  Ch.  Coler,  Ch.  Cunrad, 
J.  V.  Andreae  u.  a.  Eine  Reihe  kleinerer  Kreise,  so  der  von  A.  von  Bibran,  von 
C.  Domavius,  von  J.  H.  Boeder,  von  J.  B.  Schuppius,  von  J.  Rist  u.  a.,  die  mit  den 
Angehörigen  des  Hauptkreises  in  Verbindung  stehen,  erscheinen  hier  durch  Veröffent- 
lichung bisher  unbekannter  und  unbenutzter  Briefe  in  neuer  wirkungsvoller  Beleuchtung. 
Ganz  besondere  Berücksichtigung  finden  endlich  die  geistigen  Beziehungen  Deutschlands 
zu  Schweden,  zu  Gustav  Adolf  und  seinem  Reichskanzler  Oxenstierna.  Der  erste  Band 
enthält  eine  grosse  Zahl  politischer  Briefe  von  Opitz  und  Schuppius,  die  diese  als 
schwedische  Agenten  geschrieben,  femer  Probeberichte  von  Weckherlin  und  Moscherosch, 


Freunde.)    Heilbronn,    Gebr.    Henninger.    1889.    XIX,    1048    S.    M.  30,00.    |[LCB1.    S.   867/8   (G.   W[ittko wsk]i);   LBlGEPli. 


6  111,1:  AI.  Reifferscheid,  Allgemeines  des  17./18.  Jahrhunderts. 

mit  denen  dieselben  sich  als  Agenten  den  Schweden  empfehlen  wollten.  Reine  Be- 
geisterung für  die  Schweden,  besonders  für  Gustav  Adolf,  atmen  allein  die  Berichte 
J.  von  Rusdorfs.  Lehn-eich  sind  auch  die  Briefe  von  D.  Heinsius,  dem  schwedischen 
Hofrat  und  Reichshistoriographen :  trotz  vielfach  dem  Könige  und  dem  Reichskanzler 
gegenüber  ausgesprochenem  Wunsche  erhält  er  kein  offizielles  Material  für  die  ihm  auf- 
getragene Geschichte  des  moskowitischen  Krieges;  oifenbar  erwartete  man  von  ihm  keine 
objektive,  sondern  nur  eine  panegyrische  Darstellung.  Später  reklamierte  er  ebenso 
erfolglos  das  ihm  zugewiesene  Gehalt  für  viele  Jahre  und  die  baaren  Auslagen  für  den 
verstorbenen  schwedischen  Gesandten,  seinen  Schwager  J.  Rutgers.  In  einem  Anhange 
werden  Auszüge  aus  Briefen  des  Strassburger  Schulrektors  J.  Stvu-m  an  den  Strassburger 
Jvu-isten  J.  Lobbetius  aus  den  Jahren  1579 — 1584  mitgeteilt.  Sie  geben  manchen  neuen 
Aufschluss  mit  interessantem  Detail  über  die  Konflikte  dieses  freisinnigen  Schulmannes 
mit  den  Orthodoxen  in  Strassburg.  Dem  Texte  folgen  Anmerkungen.  Für  diese  sind 
zahllose  seltene  Drucke  des  17.  Jh.  benutzt  und  verwertet  worden,  unter  wörtlicher  An- 
führung besonders  entscheidender  Stellen,  ferner  eine  Fülle  hs.  Materials,  Briefe  und 
Gelegenheitsgedichte,  von  denen  die  bedeutendsten  in  den  Anmerkungen  zur  Erklärung 
von  Textstellen  oder  zur  Charakterisierinig  der  im  Texte  genannten  Persönlichkeiten  ver- 
öffentlicht werden.  Die  Anmerkungen  benutzen  die  Ergebnisse  des  umfangreichen 
Materials  für  die  Biographie  und  Charakteristik  der  Briefschreiber  und  der  Briefempfänger; 
sie  bieten  reichhaltige  Beiträge  für  die  Biographien  z.  B.  von  J.  V.  Andreae,  John  Barclay, 

C.  Barth,  J.  Bartsch,  M.  Bartsch,  M.  Bernegger,  A.  von  Bibran,  J.  H.  Boeder,  A.  Buchner, 

D.  Bucretius,  Ch.  Coler,  G.  Cothurnius,  C.  Ciniradus,  Ch.  Cunradus,  D.  Czepko,  P.  Denaisius, 
C.  Dornavius,  M.  Preher,  J.  Preinshemius,  G.  Galilei,  Scipio  Gentilis,  0.  Giphani\is, 
S.  Gloner,  M.  Goldast,  D.  Gothofredus,  H.  Grotius,  J.  Gruterus,  A.  Gryphius,  J.  Heben- 
streitus,  D.  Heinsius,  N.  Heinsius,  H.  Hirtzwigius,  J.  Hotomannus,  J.  Keller,  J.  Kepler, 
C.  Kirchner,  F.  Lingelsheim,  G.  M.  Lingelsheim,  J.  Lipsius,  Z.  Lundius,  P.  Melissus, 
J.  M.  Moscherosch,  M.  Nüssler,  B.  W.  Nüssler,  M.  Opitz,  Ph.  Pareus,  A.  Pawel,  S.  Pufendorf, 
G.  Remus,  Q.  Reuter,  J.  Rist,  C.  Rittersluisius,  R.  Robertinus,  J.  Rutgers,  C.  Salmasius,  Andr. 
Senftleben,  A.  Scultetus,  Joh.  Scultetus,  J.  J.  Scaliger,  J.  B.  Schuppius,  G.  Scioppius,  Alb. 
Sebisius,  J.  Sturmius,  J.A.Thuanus,  A.  Tscherning,  B.  Venator,  M.  Virdung,  G.R.Weckherlin, 
J.  W.  Zincgref.  Vier  Inhaltsverzeichnisse  am  Schlüsse  des  Bandes  lassen  die  Reich- 
haltigkeit des  Gebotenen  erkennen  imd  erleichtern  die  Benutzung  des  Werkes.  —  Car- 
riere'')  bespricht  zwei  Urteile  Giordano  Brunos  über  die  Deutschen,  um  zu  zeigen, 
wie  weit  sie  uns  zur  Selbsterkenntnis  und  zur  Mahnung  dienen  können.  G.  Bruno,  der 
die  Jahre  1586 — 91  in  Deutschland  zugebracht,  verspottete  in  seinem  „Spaccio  della 
bestia  triomfante"  die  Deutschen  als  Trunkenbolde,  gewissenlose  Streber  und  Kriecher, 
während  er  sie  in  einer  Rede,  die  er  am  Schlüsse  seiner  Wittenberger  Lehrthätigkeit 
hielt  und  deren  panegyrischer  Charakter  nicht  zu  verkeimen  ist,  als  die  eifrigsten  Jünger 
der  Weisheit  feierte.  Seine  Anerkennung  der  Deutschen  gipfelt  in  dem  Ausspruche: 
„Göttlich  ist  der  Geist  dieses  Volkes,  das  nur  in  dem  nicht  hervorragt,  woran  es  keine 
Freude  findet.  Gebe  Gott,  dass  die  Deutschen  ihre  iCraft  erkennen  und  ihren  Sinn  auf 
grosse  Dinge  richten."  — 

In  die  gesellschaftlichen  Zustände  des  17.  Jahrhunderts  führt  uns 
ein  Büchlein  Hodermanns^).  Er  schildert  vornehme  Herren  und  Damen,  die  sich 
zu  Nürnberg  in  den  vierziger  Jahren  nach  der  Art  Harsdörffers  im  „Gespräch- 
spiel" üben,  mit  Wendungen  und  Sätzen  aus  Harsdörffers  „Frauenzimmergespräch- 
spielen" so  geschickt,  dass  die  Darstellung,  trotz  einiger  Anachronismen,  einen  einheit- 
lichen Charakter  erhält  und  lebhaft  jene  Art  und  Zeit  vergegenwärtigt.  Es  sind  rechte 
Menschen  mit  gutem  luid  tüchtigem  Willen,  die  sich  in  der  Schreckenszeit  des  30j.  Krieges 
den  Sinn  für  das  Ideale  bewahrt  haben ;  sie  unterhalten  sich  über  alles,  was  Kunst  und 
Wissenschaft  liebliches  und  erfreuliches  enthalten,  indem  sie  so  viel  wie  möglich  Gegen- 
stand und  Form  der  Behandlung  ändern,  damit  die  Teilnehmer  keinen  Vordruss  em- 
pfinden. Sie  üben  sich  also  in  der  Kunst  der  Unterhaltung,  sie  pflegen  aus  Liebe  zum 
Vaterlande  in  der  traurigsten  Zeit  Deutschlands  den  Sinn  für  geistige  Interessen  und 
wissen  auch  die  Frauen  dafür  zu  gewinnen.  Dass  das  Streben  dieser  Leute,  besonders 
ihres  geistigen  Leiters,  der  den  Namen  des  „Spielenden"  als  Ehrennamen  trug,  trotz 
aller  Spielerei  ein  ernstes  gewesen,  zeigt  die  dem  Büchlein  beigegebene  „Schutzschrift 
für  Die  Teutsche  Spracharbeit  und  Derselben  Beflissene",  die  Harsdörffer  1644  den 
Gesprächspielen  als  Beigabe  anfügte.  „Es  scheint  die  waare  Lieb  hier  zu  der  Teutschen 
Sprach",  heisst  es  mit  Recht  am  Schlüsse  der  voraufgeschickten  Zuschrift  „an  den 
Hohnecklenden  ßücherrichter".  Die  Schutzschrift  handelt  von  der  Wimligkeit  und 
Wichtigkeit  der  deutschen  Sprache  und  giebt  das  Absehen  der  deutschen  Spracharbeit, 
der  deutschen  Philologie  jener  Zeit  kiirz    und   bündig  an.     Sie    sei    eine  Friedenskunst, 


11,  S.  10  (t.  d.  Roi.p)]l   -  7)  M.  Carriire,   Giordano  Bruno,   Uebcr  die  Deutschen:  DR.  15,  S.  320/7.    -    8)  R.  Hoder- 
mann,  Bilder   aus  d.  deutschen  Leben  d.  17.  Jh.   I.   E.  Tornehme   Gesellschaft.    (Nach  Harsdörffers  Gcsiirächsxiielen.)    Mit 


111,1:  AI.  Reifferscheid,  Allgemeines  des  17./18.  Jahrhunderts.  7 

die  wohl  „bei  so  beharrlich  rasenden  Kriegszeiten"  zu  unternehmen  sei.  Man  mtisse 
die  Muttersprache  aber  auch  eifrig  studieren,  reinigen  und  ausbilden.  Es  sei  ein  Wahn, 
dass  durch  Erhebung  des  Deutschen  das  Lateinische  fallen  werde ;  das  eine  werde  vielmehr 
durch  das  andere  gefördert.  Zum  Schluss  verteidigt  Harsdörifer  die  deutsche  Sprach- 
arbeit ihren  Feinden  gegenüber,  besonders  gegen  die,  welche  sie  für  Schulfuchserei  halten. 
Der  Abdruck  der  Schutzschrift  lässt  leider  die  Druckfehler  des  Originals  vmangetastet.  — 

Eine  Charakterschilderung  der  deutschen  Frauen  des  17.  Jh.  versuchte 
Steinhausen^)  auf  Grund  von  Frauenbriefen,  die  aus  jener  Zeit  auf  uns  gekommen 
sind.  Während  in  Frankreich  die  vornehme  Frau  dvu-ch  den  Zauber  ihrer  Persönlich- 
keit, durch  Anmut  imd  geistreiches  Wesen  in  den  Salons  glänzte  und  allmählich  sogar 
in  litterarischen  Dingen  den  Ton  angab,  lebten  in  Deutschland  sowohl  die  adligen  wie 
die  bürgerlichen  Fravien  ausschliesslich  für  die  Familie  und  in  der  Familie ;  sie  verstanden 
sich  nicht  auf  geistreiche  Unterhaltung,  sondern  gaben  sich  natürlich,  wie  sie  waren. 
S.  zeigt  das  in  überzeugender  Weise  an  der  Hand  der  erhaltenen  Frauenbriefe.  Schon 
in  der  Handschrift  tritt  das  Eigenartige  derselben  hervor.  Die  Schrift  ist  aufrecht, 
steif,  unförmlich,  dem  entsprechend  ist  auch  der  Stil  ungeschickt  und  unbeholfen,  be- 
wegt sich  am  liebsten  in  althergebrachten  Formeln,  doch  überall  leuchtet  Wahrheit 
und  Natürlichkeit  durch.  Die  Frauenbriefe  stehen  im  rechten  Verhältnis  zur  weiblichen 
Bildung  der  Zeit.  Die  Frau  blieb  in  Deutschland  aufs  Haus  beschränkt.  Die  Erziehung 
der  Töchter  lag  in  der  Hand  der  Mütter.  Diese  Abgeschlossenheit  war  eine  Schutzwehr 
gegen  das  Fremde;  sie  erhielt  den  deutschen  Frauen  ihr  Gemüt,  ihre  Frömmigkeit  und 
Natürlichkeit,  ihren  Frohsinn  und  gesunden  Mutterwitz.  Sie  retteten  so  das  Gute  durch 
die  schlimmen  Zeiten,  bis  es  im  18.  Jh.  seine  Verwertung  finden  konnte.  Gegen  Ende 
des  17.  Jh.  änderte  sich  indessen  der  Charakter  der  Frauen  in  mehrfacher  Beziehung; 
ja,  schon  um  die  Mitte  des  Jh.  erweiterte  sich  ihr  geistiger  Gesichtskreis,  sie  fingen  an 
sich  lebhaft  an  der  geistigen  und  litterarischen  Bewegung  der  Zeit  zu  beteiligen.  Sie 
nähmen  später  thätigen  Anteil  an  der  deutschen  Dichtung  und  zeigten  besonders  für 
den  Pietismus  grosse  Empfänglichkeit.  Ihr  Leben  gestaltete  sich  allmählich  freier,  aber 
sie  vergassen  doch  nicht,  dass  ihr  Glück  auf  dem  Hause  und  der  Familie  beruhte,  i")  — 
Das  Alltagsleben  einer  deutschen  Frau  zu  Anfang  des  18.  Jh.  beschrßibt  bis  ins  einzelne 
Alwin  Schultzii)  auf  Grund  des  reichhaltigen  „Fravienzimmerlexikons"  von  Amaranthes 
(G.  W.  Corvinvis),  unter  ausgiebiger  Benutzung  zeitgenössischer  Schriften,  besonders 
der  Werke  Abrahams  a  St.  Clara  und  der  satirischen  Komödien  des  Jesuiten  Franz 
Callenbach.  Das  Buch  tritt  als  kleine  Ferienarbeit  auf,  die  auf  wissenschaftliche  Be- 
deutung keinen  Anspruch  erheben  soll;  es  leistet  aber  der  Wissenschaft  gute  Dienste 
und  giebt  ein  lebensvolles  und  lebenswahres  Bild  der  ganzen  Zeit  und  der  das  ge- 
wöhnliche Leben  beherrschenden  Anschauungen,  nicht  streng  systematisch,  sondern 
leicht  und  zwanglos.  S.  lässt  seine  Gewährsmänner  möglichst  ausführlich  zu  Wort 
kommen,  was  für  das  Verständnis  nur  dienlich  ist.  Manchmal  vermisst  man  freilich 
die  Angabe,  wie  weit  die  offenbar  übertreibenden  Aeusserungen  der  Zeitgenossen  sich 
von  der  Wahrheit  entfernen.  S.  behandelt  den  reichen  Stoff  in  folgenden  Abschnitten, 
die  aber  meistens  mein*  enthalten,  als  was  die  Ueberschriften  in  Aussicht  stellen: 
1.  Liebe  und  Verlöbnis ;  2.  Kleider;  3.  Die  Hochzeit;  4.  Haus  und  Haushaltung;  5.  Täg- 
liches Leben  und  Vergnügungen;  6.  Geburt  eines  Kindes,  Taufe,  Erziehung;  7.  Tod, 
Begräbnis.  Obgleich  in  allen  diesen  Abschnitten  die  abergläubischen  Meinungen  der 
Zeit  berücksichtigt  sind,  kommt  noch  ein  8.  Kapitel:  Exkurs  über  den  Aberglauben  der 
Zeit,  das  aber  nur  von  Vorzeichen  und  vom  Alpdrücken  handelt.  Zuletzt  bespricht  S. 
noch  mancherlei  Einzelheiten,  die  sich  in  den  früheren  Abschnitten  nicht  recht  hatten 
unterbringen  lassen:  die  Anstellung  der  Beamten,  die  Verschwendung  der  Frauen,  die 
Unterschlagungen  der  Männer,  den  Hochmut  der  Beamtenfrauen,  die  Freuden  eines 
Hofbeamten,  die  Verschwendung  bei  Hofe,  Abrahams  a  S.  Clara  Urteil  über  seine  Zeit, 
den  Kampf  gegen  das  französische  Wesen,  die  patriotische  Begeisterung  für  das  deutsche 
Vaterland  in  den  „Eclipses  politico-morales"  Callenbachs.  Besondere  Anerkennung 
verdient,  dass  der  Text  durch  eine  grosse  Anzahl  wohlgelungener  Nachbildungen  seltener 
Trachtenbilder  jener  Zeit  ergänzt  und  verdeutlicht  wird.  — 

Ueber  die  Entwicklinig  des  poetischen  Stils  dieser  Periode  liegen  keine 
umfassenden  Untersuchungen  vor.  Eine  Reihe  lesenswerter  Aufsätze  über  den  Marinis- 
mus veröffentlichte  Land  au.  12)  Er  geht  aus  von  der  Besprechung  des  zügellosen 
Streb ens  nach  dem  Neuen  und  Ungewohnten  in  Gestalt  und  Form,  das  sich  heutzutage 


e.  Neudruck  a.  SchutzscLrift  f.  d.  Teutsche  Spracharbeit.  Paderborn,  Schöningh.  81  S.  M.  1,20.  |[BHJ.  S.  494  (Sall- 
mann);  ZDU.  4,  S.  393  (Fränkel);  ZDKG.  1,  S.  231  (Steinhau  sen).]  |  —  9)  G.  Steinhausen,  D.  deutschen  Frauen  im 
17.  Jh.:  ZDKG.  N.  F.  1,  S.  10  ff.  -  10)  X  F.  von  Kopp  en,  Königin  Sophie  Charlotte  u.  ihr  Hof:  Fels  z.  Meer,  S.  765/9. 
(Der  Hofdichter  Besser  u.  Canitz  wird  kurz  gedacht.)  —  II)  Alw.  Schultz,  Alltagsleben  e.  deutschen  Frau  zu  Anf.  d.  18.  Jh. 
Mit  33  Abbild.  Leipzig,  Hirzel.  XV,  278  S.  M.  6,00.  |[LCB1.  1891,  S.  72i3.]i  —  12)  M.  Landau,  Z.  Gesch.  d.  Barockstils 
in  der  Litt.:  AZg".  N.  63,  65,  66,  71,  80,  87.  — 


8  111,1:  AI.  Reifferschei  d,  Allgemeines  des  17. /18.  Jahrhunderts, 

seit  einiger  Zeit  in  der  schönen  Litteratur  geltend  macht.  Das  Wesentliche  der  neuen 
Richtung  sei  nicht  die  minutiöse  Treue  in  der  Darstellung  des  Wirklichen,  auch  nicht  die 
Vorliebe  für  die  Schilderung  des  Gemeinen,  sondern  das  Revolutionäre,  die  bew\isste 
Opposition  gegen  den  bisher  lierrschenden  Geschmack.  Zum  Verständnis  der  gegen- 
wärtigen Bewegung  empfehle  es  sicli,  eine  ähnliclie  frülierer  Zeit  zu  studieren.  L.  be- 
handelt dann  eingehend  das  Leben  des  Marino,  ferner  das  Eigentümliclie  seiner  Dicht- 
art, seines  Stils  und  seiner  Darstellungsweise,  wie  sie  besonders  im  „Adonis"  und  in 
den  lyrischen  Gedichten  hervortritt.  Das  Charakteristische  sei  das  Haschen  nach 
Eifekt,  das  Ueberwiegen  des  Aeusserlichen.  Hauptzweck  des  Dichters  sei  es  nach 
Marino,  Staunen  und  Verwunderung  zu  erregen.  Dieses  Streben  schliesse  wahre  Leiden- 
schaft und  tieferes  Gefühl  aus  und  lasse  mithin  den  Leser  kalt.  Daher  wirkten  selbst 
die  lascivsten  Stellen  solcher  Dichtungen  nicht  demoralisierend,  man  merke  das  Ge- 
künstelte und  Unwahre  und  bleibe  teilnahmslos.  Dabei  werde  man  geblendet  durch 
den  Reichtum  der  Bilder,  die  bunte  Pracht  endloser  Beschreibungen  und  Schilderungen, 
die  keine  klare  Vorstellung  aufkommen  lassen.  Ueberdruss  erwecke  aber  nicht  das 
Uebertriebene  und  Unnatürliche  in  den  einzelnen  Bildern,  das  Gezwungene  in  den  Ver- 
gleichen, das  Ueberspannte  in  den  Metaphern,  sondern  die  Massenhaftigkeit  und 
nutzlose  Verschwendung  all  dieser  Stilmittel.  Ausführlich  bespricht  L.  darauf  den 
gewaltigen  Einfluss  des  Marinismus  auf  die  italienische,  spanische,  französische,  englische 
und  deutsche  Dichtung.  Vorläufer  des  deutschen  Marinismus  sind  ihm  P.  Fleming  und 
A.  Gryphius;  Schirmer  leitet  über  zu  den  Hauptvertretern  Chr.  Hofman  von  Hofmans- 
waldau  und  Casper  von  Lohenstein,  während  Neukirch  schon  den  Uebergang  zur  Ana- 
kreontik  und  zum  pedantischen  Klassizismus  bezeichnet,  Brockes  dem  pedantischen 
Klassizismus  gegenüber  das  Gute  des  Marinismus  für  eine  bessere  Zeit  rettet.  — 


111,2 

Lyrik. 

Max    Freiherr    von  Waldberg. 

BibliograpBisches  N.  1.  —  Aelteres  Volkslied:  Fortloben  N.  2.  —  Uebergang  in  das  Kunstlied  N.  20.  —  Kunst- 
dichtung  der  Renaissancelyriker:  Opitz  N.  26.  —  Fleming  N.  28.  —  Simon   Dach  N.  33.  —  Andreas  Tscherning  N.  34 

—  Petrus  Mederus  N.  35.  —  J.  Eist  und  Georg  Strube  N.  3fi.  —  Georg  Greflinger  N.  39.  —  H.  H.  Scher  N.  40.  -  David 
Schirmer  N.  41.  —  W.   Scherflfer  v.   Scherffenstein  N.  42.  —  Ph.   v.  Zesen  N.  43.  —  J.  H.  Schein  N.  44.  —  Schwieger   N.  45. 

—  Antike  Motive  N.  46.  -  G.  W.  Sacer  N.  47.  —  Geistliche  Lyrik:  Christoph  Jager  N.  48.  -  M.  Rinckliart  N.  49.  — 
Paul  Gerhard  N.  51  —  Friedrich  Spee  N.  52.  —  M.  Schirmer,  J.  U.  Sebellenbauer,  ü.  B.  Scharff,  J.  Schaitberger  und  J.  G. 
Scharff  N.  53.  —  J.  L.  v.  Caprivi  N.  58.  —  Die  zweite   schlesische  Schule   und   ihre  Gegner:  Graf  Brandis  N.  60. 

—  Gh.  Günther  N.  61.  —  J.  S.  Scholze  (Sperontes)  N.  62.  —  Das  Volkslied  im  17.  und  beginnenden  18.  Jh.:  Jahr- 
marktslied N.  63.  —  Historische  Lieder  N.  64.  —  Volkslieder  vom  Doktor  Faust  N.  65.  — 

Für  die  wissenschaftliche  Beschäftigung  mit  der  Lyrik  des  17.  Jh.  zeigt  sich 
nach  den  zusammenfassenden  Arbeiten  der  vorangegangenen  Jahre  wenig  Neigung. 
Mit  vollem  Recht!  Grössere  wissenschaftliche  Entdeckungen,  die  dem  von  d'er  For- 
schung festgestellten  Bilde  der  lyrischen  Produktion  jenes  Jh.  neue  wesentliche  Züge 
beifügen  könnten,  sind  kaum  zu  erwarten,  und  der  Stoif  ist  nach  der  aesthetischen 
Seite  nicht  erfreulich  genug,  um  geringerer  Ergebnisse  willen  zu  erneuter,  intensiver 
Durchforschung  zu  locken.  Am  meisten  dürfte  die  rein  bibliographische  Seite 
ernsterer  Bemühung  wert  sein.  Das  Ideal  der  deutschen  Bücherkunde,  wie  es  schon 
1858  Hoffmann  von  Fallersleben  in  seinem  bibliographischen  Versuch  über  Opitz  an- 
gedeutet, hat,  wiewohl  es  von  Berufenen,  z.  B.  Schnorr  v.  Carolsfeld  (CBlBibl.  2,  S.  500  ff.), 
wiederholt  angeregt  wurde,  auch  nach  dem  Erscheinen  der  zweiten  Auflage  von 
Goedekes  „Grundriss",  soweit  die  Lyrik  in  Betracht  kommt,  seine  Erfüllung  nicht 
gefunden.  Bei  dem  Umstände,  dass  die  deutsche  weltliche  Lyrik  jener  Zeit  im  wesent- 
lichen Gelegenheitsdichtung  im  schlechteren  Sinne  des  Wortes  ist,  kann  der  Wunsch 
nach  vollständiger  Inventarisierung  der  zahllosen  Einzeldrucke,  die  von  der  Bibliographie 
arg  vernachlässigt  wurden,  nicht  dringend  genug  wiederholt  werden.  Das  treffliche 
Verzeichnis  der  Opitzschen  Einzeldrucke  von  Oesterley  (CBlBibl.  2,  S.  383  ff.),  das 
schon  vor  längerer  Zeit  erschienen  ist,  zeigt,  wie  viel  Material  noch  nicht  gebucht  ist, 
und  daher  wird  ein  Versuch  wieHayns^)  Verzeichnis  der  deutschen  Hochzeitsgedichte, 

t)  H.  Hayn,  Bibliotheca  Germanorum  nuptialis.  Verz.  y.  Einzeldrucken  deutscher  Hochzeitsged.  u.  Hochzeits- 
scherze  in   Prosa   t.   Mitte  d.  16.  Jh.  bis  zur  Neuzeit.    Köln,  Fr.  Teubner.    VI,   90  8.    M.  4,00.    | [Oscar  Moyor:  DLZ.  12, 


111,2:  M.  Frhr.  v.  Waldberg,  Lyrik  des  17./18.  Jahrhunderts.  9 

wie  wenig  vollständig  es  auch  ist,  dankbare  Aufnahme  und  hoffentlich  auch  baldige 
Nachfolge  für  andere  Gattungen  der  Gelegenheitsdichtung  finden.  Schon  in  seiner, 
allerdings  lückenhaften  und  gelegentlich  unfreiwillig  scherzhaften,  erotischeji  Bibliographie 
hat  H.  eine  grosse  Zahl  älterer  Hochzeitsgedichte  verzeichnet;  hier  liefert  er  uns 
eine  wesentlich  bereicherte  Uebersicht,  die  durch  Mitteilung  der  Standorte  und  Biblio- 
thekssignaturen und  ein  gutes  Register  sehr  brauchbar  geworden  ist.  Die  Hochzeits- 
dichtimgen  bieten  oft  durch  genaue  Angaben  der  Personen  und  Städtenamen  und  vieler 
persönlicher  Umstände  wertvolles  biographisches  Material,  was  bisher,  obwohl  bei 
manchem  Dichter  jener  Zeit  die  Quellen  der  Lebensgeschichte  spärlich  fliessen,  nicht 
genügend  beachtet  wurde.  Im  ganzen  werden  513  Gedichte  in  alphabetischer  Ordnung 
verzeichnet,  eine  Zahl,  die  leicht  durch  Nachträge  bedeutend  vermehrt  werden  könnte.  — 
Zu  den  interessantesten  litterarhistorischen  Problemen,  die  sich  bei  der  Be- 
schäftigung mit  der  Lyrik  des  17.  Jh.  aufdrängen,  ist  die  Präge  nach  dem  Fortleben 
der  älteren  Volkslieder  in  jener  Zeit  zu  rechnen.  Während  es  von  der  älteren 
Forschung  geleugnet  wurde,  ist  v.  "Waldberg  in  seinem  1888  erschienenen  Buche  über  die 
deutsche  Renaissance-Lyrik  für  die  gegenteilige  Anschauung  eingetreten.  Den  genaueren 
Nachweis  für  seine  Ausführungen  erbringt  von  Waldberg2)  nun  im  Neudruck  eines 
Liederbuches  aus  der  Mitte  des  Jh.,  des  „Venusgärtleins".  In  der  Einleitung  weist  er 
auf  die  Verbreitung  dieser  Liedersammlung  hin,  von  der  ihm  drei  Exemplare  dreier 
verschiedener  Ausgaben,  deren  es  aber  mindestens  sechs  gegeben  haben  muss,  bekannt 
sind ;  dann  werden  für  die  nach  der  ältesten  Ausgabe  (1656)  abgedruckten  Lieder  die 
früheren  Drucke  oder  Autoren  nachgewiesen.  Aus  diesem  Nachweis  ergiebt  sich,  dass 
neben  den  volkstümlichen  Dichtungen  der  Kunstlyriker  wie  Opitz,  Dach,  Greflinger, 
Rist,  Göring,  Albert  u.  a.  auch  ältere  Volkslieder  wie  das  jüngere  Hildebrandslied, 
das  Lied  von  den  Vitalienbrüdem,  „War  ich  ein  wilder  Falcke"  und  viele  andere  um 
die  Mitte  des  17.  Jh.  bekannt  waren  und  gesungen  wurden.  —  Ein  gleiches  Ergebnis 
würde  die  genaue  Untersuchung  der  anderen  bekannten  Liederbücher  jener  Zeit,  deren 
Erhaltung  Meusebachs  rührendem  Sammelfleiss  zu  danken  ist,  bieten.  Einer  dieser 
Liedersammlungen  hat  Meusebach  selbst  einen  für  seine  Zeit  trefflichen  hs.  Nachweis 
der  Quellen  beigelegt.  Häyn^)  hat  ihn  vor  Jahren  im  „Serapeum"  (durch  einige  Druck- 
fehler entstellt)  weiteren  Kreisen  zugänglich  gemacht;  nun  bietet  er  ihn  wieder,  genauer 
mit  dem  Original  kollationiert,  als  selbständiges  Schriftchen.  Ob  nicht  der  Abdruck 
des  nur  in  einem  Exemplare  bekannten  Liederbuches  oder  mindestens  die  Wiedergabe 
der  Meusebachschen  Notizen,  aber  vermehrt  durch  Ergänzungen,  wünschenswerter  wäre, 
soll  hier  nicht  erörtert  werden.  So  wie  das  Verzeichnis  vorliegt,  bringt  es  ein  Register 
der  201  Lieder  des  „Tugendhaften  .  .  .  Zeitvertreibers"  und  etwa  75  Quellennachweise, 
eine  Zahl,  die  mit  den  jetzigen  Hilfsmitteln  leicht  auf  das  Doppelte  gebracht  werden 
könnte.  —  Einzelne  Nachweise  sind  auch  schon  an  verschiedenen  Stellen  geliefert 
worden*— 5).  Wie  solche  Quellennachweise  gegeben  werden  sollen,  ist  schon  früher  von 
Bolte  (JbVNiederdSpr.  13,  S.  55  ff.)  mit  seinen  Mitteilungen  über  die  niederdeutschen 
Lieder  aus  dem  Liederbuche  des  Petrus  Fabricius,  einer  aus  dem  Anfange  des  17.  Jh. 
stammenden  Hs.,  gezeigt  worden.  Die  aus  diesem  Liederbuche  stammenden  ober-  und 
niederdeutschen  Reime  und  Sprüche,  apologische  Sprichwörter,  Priameln,  60  Liebesreime 
usw.  hat  Bolte^)  an  anderer  Stelle  veröffentlicht.  Die  Liebesreime  sind  besonders 
interessant,  weil  sie  zahlreiche  Fragmente  älterer  Volkslieder  enthalten,  die  noch  in 
späteren  Jahrzehnten  des  17.  Jh.  immer  wiederkehren.  —  Bruchstücke  von  Lieder- 
existenzen finden  sich  auch  in  der  volkstümlichen  Lehr-Prosa  wieder,  so  z.  B.  bei 
Abraham  a  St.  Clara  Fragmente  von  Volksliedern,  Trinkliedern  und  Spottversen  auf 
einzelne  Stände;  auf  Einzelnes  hat  Laucherf)  hingewiesen.  —  Ein  voller  Ueber- 
blick  über  das  Nachleben  der  alten  Volkslieder  wird  nicht  so  bald  zu  erlangen 
sein,  da  der  grösste  Teil  der  fliegenden  Blätter  und  Hss.  des  17.  Jh.  verloren 
gegangen  oder,  wenn  vorhanden,  in  Sammelbänden  öffentlicher  und  privater  Biblio- 
theken versteckt  ist.  Um  so  dankenswerter  ist  die  Veröffentlichung  einzelner  Volks- 
lieder   aus    solchen    Quellen.      Birlinger,^)    Crecelius^-is)    und    Bolte^^-is)    haben 

8.  87/8.]l  —  2)  Venusgärtlein.  E.  Liedertuch  d.  17.  Jh.  her.  v.  M.  Freiherrn  von  Waldherg.  (Neudr.  deutscher  Litt.- 
Werke  d.  16.  u.  17.  Jh.  N.  86/9.  Halle,  Niemeyer.  XLVI,  220  S.  M,  2,40.  [[Creizenach:  LCBl.  S.  1776/7;  Wollerner: 
LMerkur.  10,  S.  369.]  |  —  3)  H.  Hayn,  Tugendhafter  Jungfrauen  u.  Junggesellen  Zeit-Vertreiber.  E.  Weltliches  Lieder- 
Büchlein  d.  17.  Jh.  .  .  .  Nachweisungen  d.  Quellen,  aus  denen  d.  201  Lieder  geschöpft  sind.  Als  Beitr.  z.  Gesch.  d.  deutsehen 
Volksliedes.  Köln,  Fr.  Teuhner.  24  S.  M.  1,50.  —  4)  A.  Kaufmann,  Christinchen  sass  im  Garten.  Volkslied:  ZVolkskunde. 
2,  S.  115/6.  —  5)  J.  Bolte,  Z.  Alemannia  16,  S.  80:  Alemannia.  17,  S.  272.  (Vgl.  auch  ib.  S.  28.)  —  6)  id..  Aus  d. 
Liederbuche  d.  Petrus  Fabricius:  ib.  S.  248 — 61.  —  7)F.  Lauchert,  Volkslieder  bei  Abraham  a.  S.  Clara:  ib.  S.  119—21. 
—  8)  A.  Birlinger,  Lieder  aus  d.  Anfange  d.  17.  Jh.  1.:  ib.  S.  191|2.  —  9)  W.  Crecelius,  Trink-  u.  Liebeslieder  aus 
d.  17.  Jh.:  ib.  S.  25/9.  —  10)  id.,  Geschichtl.  Lieder  aus  d.  17.  Jh.  2.:  Alemannia  18,  S.  1—15.  —  II)  id..  Vier  Lieder 
über  d.  Leiden  u.  Sitten  d.  Zeit  aus  d.  J.  1622:  Alemannia.  17,  S.  42—51.  —  12)  id..  Zwei  erzählende  Ged.  aus  d.  16/7.  Jh.: 
1.  Alda.  2.  Lorenzo  u.  Elisabetha:  ib.  S.  29—42.  —  13)  J.  Bolte,  D.  Reiter  u.  d.  Jungfrau:  ib.  S.  261/2.  —14)  id.,  Bauren- 
Gespräch.  Schwäbisch :  Alemannia.  18,  S.  62/4.  —  15)  i  d.,  E.  Totentanz  d.  17.  Jh. :  i  b.  S.  65—71.  —  16)  i  d.,  E.  weiterer 
Totentanztext:  ib.    S.  127—31.  —  17)  id.,  Zu  d.  Knaben  Wunderhorn :_ i b.  S.  72/4.  —  18)  id.,  Lieder  v.  e.  fliegenden  Blatte: 


10  in,2:  M.  Frhr.  v.  Waldberg,  Lyrik  des  17./18.  Jahrhunderts. 

häufig  recht  wertvolles  Material  mitgeteilt,  das  in  seiner  Mannigfaltigkeit  den  ver- 
schiedensten litterar-  und  kulturhistorischen  Interessen  dienlich  sein  kann:  Lieder  aus 
dem  Anfange  des  17.  Jh.,  Trink-  und  Liebeslieder  späterer  Jahrzehnte,  geschichtliche 
Lieder  dieser  Epoche,  solche  über  Leiden  und  Sitten  der  Zeit,  erzählende  Gedichte,  von 
denen  eines  den,  schon  durch  die  Uebersetzung  Adam  Wernhers  v.  Tliemar  in  der 
deutschen  Litteratur  bekannten,  „Alda"-Stoff  behandelt,  eine  Ballade,  ein  in  schwäbischer 
Mundart  gehaltenes  Bauerngedicht,  Totentänze,  ein  Alamodelied  usw.  —  Sehr  lehr- 
reich ist  das  von  Bolte  lö)  veröffentlichte,  aus  einer  auf  der  Kgl.  Bibliothek  in  Kopenhagen 
aufbewahrten  Hs.  stammende  „Trompeterständchen",  das  dort  nach  einem  fliegenden  Blatte 
wiedergegeben  ist.  Es  setzt  sich  in  seinen  einzelnen  Strophen  zum  Teil  aus  Fragmenten 
und  Versen  älterer  Volkslieder  zusammen,  führt  Hero  und  Leander,  Pyramus  und  Thisbe 
als  berühmte  Liebespaare  auf,  mischt  also  volkstümliche  Eorm  mit  Renaissancemotiven, 
—  eine  Erscheinung,  die  für  das  volkstümliche  Lied  aus  dem  Ende  des  16.  Jh.  und 
das  daraus  hervorgegange  Gesellschaftslied  des  17.  Jh.  fast  typisch  ist.  — 

Der  allmähliche  Uebergang  des  Volksliedes  in  das  Kunstlied  erfolgte 
durch  Vermittlung  der  unter  dem  Einflüsse  der  volkstümlichen  italienischen  Musik 
stehenden  deutschen  Komponisten  jener  Zeit.  Für  die  Entwicklungsgeschichte  jener 
Lyrik  ist  daher  die  Kenntnis  der  hervorragenden  Musiker,  die  ja  meist  ihre  eigenen  Text- 
dichter waren,  von  besonderem  Wert.  Eine  dieser  charakteristischen  Persönlichkeiten 
führt  uns  Reinhard  Kade^o)  in  einer  liebevollen  Studie  über  Christoph  Demantius 
vor.  Er  entwirft  ein  lebendiges  Bild  des  Dichterkomponisten  und  seiner  musikalisch- 
poetischen Thätigkeit.  In  den  „Neuen  teutschen  weltlichen  Liedlein"  (1595)  sind  die 
Texte  nicht  auf  Demants  Rechnung  zu  setzen,  da  sich  die  Liedertexte  meist  schon  in  Scan- 
dellus'  und  Regnarts  Sammlungen  wiederfinden.  In  seinen  „Siebenundsiebzig,  neue  auss- 
erlesene.  Liebliche,  Zierliche,  Polnische  und  Teutsche  Art  Tänze  .  .  ."  (Nürnberg  1601) 
ist  er  aber  zweifellos  sein  eigener  Dichter,  wenn  auch  der  von  K.  unter  anderem  dafür  an- 
geführte Beweis,  der  akrostichische  Bau  vieler  Lieder,  nicht  von  zwingender  Beweis- 
kraft ist.  Auch  für  die  späteren  Sammlungen  liefert  Demantius  selbst  die  Texte,  die 
allerdings  sich  gleichfalls  zum  Teil  aus  Versen  älterer  Lieder  zusammeii setzen  dürften. 
Lehrreich  ist  K.s  Hinweis  auf  „die  Ungebundenheit  der  alten  Künstler,  mit  fremdem 
Gut  nach  freiem  Ermessen  zu  schalten  und  walten",  weil  aus  der  angedeuteten  Art  des 
musikalischen  Schaffens  sich  wichtige  Analogien  für  die  Dichtungsweise  der  damaligen 
Poeten  ergeben.  Am  Schlüsse  wird  auch  Christoph  Demantius'  gleichnamiger  Sohn,  der 
u.  a.  Vf.  einer  Sammlung  lateinischer,  ferner  einiger  deutscher,  im  „Teutschen  Medusen- 
Bächlein"  1646  abgedruckter  Gedichte  ist,  kurz  behandelt.  —  Der  Zusammenhang  zwischen 
älterer  Volksdichtung  und  volkstümlicher  Lyrik  des  17.  Jh.  wird  auch  durch  BoltesSi) 
Ergänzung  zu  R.  M.  Meyers  öfter  angefochtenem ,  aber  höchst  anregendem  Aufsatz  über 
alte  deutsche  Volksliedchen  (ZDA.  29,  S.  133  ff.)  angedeutet,  indem  er  für  die  im  Minne- 
sang des  12.  Jh.  auftauchende  Formel  „Du  bist  min,  ich  bin  din"  Parallelen  von  der 
ältesten  Zeit  bis  auf  Paul  Heyse  und  Glasbrenner  bringt,  wobei  der  direkte  Uebergang 
aus  der  Dichtung  des  16.  in  die  des  17.  Jh.  durch  die  Belege  nicht  unwahr- 
scheinlich wird.  —  Einige  Motive  lassen  sich  auf  ihrer  Wanderung  am  besten  in 
den  einzelnen  Ständen  gewidmeten  Liedern  verfolgen.  So  auch  in  Boltes22)  Sammlung 
von  Bauemliedern,  in  der  er  nach  der  Art,  wie  Schade,  R.  Köhler,  die  Brüder  Keil  und 
Hans  Ziegler  die  Lieder  der  Handwerker,  Bergleute,  Studenten  und  Soldaten  gesammelt 
haben,  nun  auch  verschiedene  Bauernlieder  veröffentlicht  und  in  einer  knappen,  aber  in]\alt- 
reichen  Einleitung  die  Wandlungen  in  der  Bauerndarstellurg  der  Volks-  und  Kunst- 
dichtung skizziert.  Für  die  Lyrik  des  17.  Jh.,  wo  sich  die  interessante  Scheidung  zwi- 
schen rustikaler  und  pastoraler  Poesie  entwickelt,  sind  die  von  B.  beigebrachten 
Lieder  sehr  bezeichnend.  Im  Anschluss  an  seine  Auswahl  der  Bauernlieder  giebt  er 
ein  Verzeichnis  aller  ihm  bekannt  gewordenen  Lieder  über  den  Bauernstand.  Es  sind 
im  ganzen  242  Lieder,  ihrem  Inhalt  nach  in  16  Unterabteilungen  geordnet.  In  einer 
Musikbeilage  werden  auch  einige  Weisen  gebracht,  u.  a.  das  vielgesungene  VoigtliiinIcrisclH' 
Lied  „Geht  ihr  HöfFUng  gehet  immer".  —  Umspannt  Boltes  Arbeit  zeitlich  d'w.  gaiizo 
Lyrik,  so  zieht  sich  L.  Frank el^^)  in  einem  Aufsatze,  in  welchem  er  das  Motiv  „Um 
Städte  werben"  verfolgt,  engere  Grenzen.  Schon  R.  Köhler  hat  das  eigenartige 
Bild,  das  die  Stadt  als  die  Braut  des  sie  Begehrenden  darstellt,  in  der  volkstümlichen 
Poesie  des  17.  Jli.  verfolgt  (Archiv  für  Litteraturgeschichte  1,  S.  228  ff.).  Dem  ver- 
einzelten Nachtrag  in  J.  M.  Wagners  Archiv  (S.  160)  folgt  jetzt  eine  reiche  Naclilese 
aus  der  Lyrik  des  16.  und  17.  Jh.     Für  das  letztere  kommen    besonders    die  Lieder   in 


ZVolksltunde.  2,  S.  312/4.  —  19)  id.,  TrompctersUndchon  d.  17.  Jh.:  JbMUnchG.  4,  S.  427,'8.  —  20)  Reinhard  Kade, 
Christoph  Demant.  1567—1643:  VMusikG.  6.  S.  469—522.  —  21)  J.  Holte,  Du  bist  min,  ich  bin  din:  ZDA.  34,  S.  161/3.  — 
22)  id.,  D.  Bauer  im  deutschen  Liede.  32  Lieder  d.  15./9.  Jh.  nebst  e.  Anh.  (=  Acta  Germanica.  Her.  v.  R.  Henning  u. 
J.  Hoffory.  3.)  Berlin,  Mayer  &  Mttller.  130  u.  IV  S.  M.  4,00.  |[0.  Fleischer:  VMusikG.  6,  S.  416;  JBGPh.  12, 
8.  135.] I  —  23)  L.  Fränkel,  Um  Städte  werben  u.  verwantes  in  d.  deutschen  dichtung  d.  16.  u.  17.  Jh..  nebst  parallelen  aus 


111,2:  M.  Frhr.  v.  Waldberg,  Lyrik  des  17./18.  Jahrhunderts.  11 

Betracht,  die  auf  die  Belagerung  Magdeburgs  und  auf  den  Fall  Strassburgs  Bezug  neh- 
men, —  Im  gleichen  Sinne,  als  „deflorierte"  Braut  wird  Strassburg  auch  in  drei  Liedern 
aus  dem  Jahre  1681  dargestellt,  welche  von  B ölte  und  Martin^*)  veröffentlicht  wurden. 
—  Wie  hier  „Argentorat",  so  bildet  am  Anfange  desselben  Jh.  der  Winterkönig 
den  Mittelpunkt  der  politisch-historischen  Volkspoesie.  Wolkan25)^  der  eine  Samm- 
lung dieser  Winterköniglieder  ankündigt  und  aus  der  Zeit  von  1619 — 1621  mehr  als 
zweihixndert,  oft  mehrfach  aufgelegte  Lieder  kennt,  entwirft  nach  kleineren  Proben  ein 
Bild,  wie  der  Winterkönig  im  Liede  seiner  Zeit  dargestellt  wurde.  — 

Für  die  Kunstdichtung  der  Renaissancelyriker  hat  sich  gleichfalls  selten 
eiü  tieferes  Interesse  in  der  litteraturgeschichtlichen  Forschung  des  Berichtsjahres  be- 
kundet. Die  wissenschaftliche  Beschäftigung  mit  Opitz,  die  eine  Zeit  lang  sich  fast 
allzu  lebhaft  entwickelte,  hat,  seitdem  die  Frage  nach  den  Quellen  seiner  „Poeterey" 
erschöpfend  gelöst  wurde,  diesmal  weniges  zu  Tage  gefördert.  Witkowski^^),  dem 
wir  eine  treffliche  kommentierte  Ausgabe  des  „Aristarchus"  und  der  „Poeterey"  ver- 
danken, hat  ein  imgedrucktes  Gedicht  des  „Boberschwans"  mitgeteilt,  das  aus  der 
Ktinzelschen  Autographensammlung  stammt.  Es  enthält  dreiundzwanzig,  an  einen,  wie  W. 
vermutet,  Bremer  Freund  Opitzens  gerichtete  lateinische  Verse,  die  viele  Anklänge  an 
antike  Muster  verraten.  Wegen  des  heiteren  Schlusses  des  ziemlich  inhaltsleeren  Ge- 
dichtes möchte  der  Herausgeber  folgern,  dass  es  der  Jugendzeit,  vielleicht  den  Studenten- 
jahren, angehöre.  —  Eine  andere  Veröffentlichung  ist  Opitzens  Uebersetzung  der  So- 
phokleischen  „Antigone"  gewidmet.  IIeuwes27)  giebt  in  den  ersten  zwei  Kapiteln  der 
Untersuchung,  von  der  nur  der  erste  Teil  vorliegt,  eine  sehr  knappe  Uebersicht  über 
den  Entwickelungsgang  der  deutschen  Uebersetzungskunst  bis  auf  Opitz,  stellt  dessen 
Stellung  zur  klassisclien  Philologie,  insbesondere  zur  Uebersetzungskunst,  nicht  tief  ein- 
dringend dar,  bespricht  die  Umstände,  die  den  Dichter  gerade  zur  Wahl  der  „Antigone" 
als  Uebersetzungsobjekt  veranlasst  haben  mögen  und  sucht  die  Hilfsmittel  der  Ueber- 
setzung aufzuweisen.  Im  dritten  Kapitel,  das  sich  mit  der  speciellen  Aufgabe  zu  be- 
schäftigen beginnt,  werden  nur  die  allgemeinen  Bemerkungen,  die  sich  aus  dem  Ver- 
gleiche der  Uebersetzung  mit  dem  Originale  ergeben,  gebracht  und  die  Betrachtung  des 
Einzelnen,  besonders  der  Dialoge  für  den  zweiten  Teil  vorbehalten.  — 

Axich  über  Fleming  ist  wenig  Bemerkenswertes  erschienen,  obgleich  die  am 
2.  April  erfolgte  zweihundertundfünfzigste  Wiederkehr  seines  Todestages  zu  eingehender 
Wiirdigung  seiner  Bedeutung  als  Lyriker  wohl  hätte  locken  können.  Zwei  Flemingsche 
Stammbuciiblätter,  die  Bolte-^)  bekannt  gemacht  hat,  führen  uns  nach  Livland.  Das 
eine  ist  einem  seiner  Reisegefährten,  dem  Dolmetscher  der  nach  Persien  geschickten 
Gesandtschaft,  dem  Dorpater  Johann  Arpenbeck,  das  zweite  einem  stud.  theol.  Johannes 
Kniper  aus  Reval  gewidmet.  —  Eine  novellistisch  gefärbte  Schilderung  aus  Flemings 
Liebesleben  imd  seinen  Beziehimgen  zu  Esabe  Niehusen  bietet  Beck29-!i2).  — 

Simon  Dach  ist  ein  längerer  Artikel  von  Bornhak^^)  gewidmet,  in  welchem 
eine  Analyse  der  von  Dachs  Witwe  1661  zu  Königsberg  herausgegebenen  Sammlung 
seiner  patriotischen  Gelegenheitsgedichte  „Churbrandenburgische  Rose  Adler  Löwe  Scep- 
ter"  gegeben  wird  und  zugleich  die  historischen  Ereignisse  angemerkt  werden,  welche 
diese  Poesien  veranlassten.  — 

Das  Leben  Andreas  Tschernings,  des  „Schwans  auf  der  Warnen  Helikon", 
de-m  gegenüber  Dach  sein  Singen  „rauhes  Gansgeschrei"  nannte,  wird  in  einem  Rostocker 
Lokalblatt 34),  mit  Beziehung  auf  seine  fünfzelmj ährige  Wirksamkeit  als  Professor  der 
Poesie  an  der  dortigen  Universität,  gründlicher  als  man  es  an  solchen  Stellen  gewöhnt 
ist,  behandelt.  Der  Vf.  schöpft  aus  wenig  bekannten  Quellen  —  dem  „Rostocker  Etwas" 
von  1742  —  erläutert  in  kurzen  Notizen  Tschernings  Beziehimgen  zvi  seinen  Freunden, 
unter  denen  wir  die  ersten  Namen  der  Zeit  finden,  bespricht  die  einzelnen  Werke  und 
Ausgaben  der  Gedichte,  die  er  ebenso  wie  die  üblichen  Lobeserhebungen  der  Zeitgenossen 
lokalpatriotisch  überschätzt.  — 

Sieben  Gedichte  eines  ehemaligen  Rostocker  Studenten,  der  nach  der  Zeit  seines 
Rostocker  Aufenthaltes  zu  schliessen  wohl  ein  Studiengenosse  Tschernings  hätte  sein 
können,  des  siebenbürgisch- sächsischen  Poeta  laureatus  Petrus  Mederus,  die  jetzt 
veröffentlicht  wurden  ^5)^  bekunden  zwar  keine  grosse  Begabung,  zeugen  aber  für  die 
Wirkungen  deutscher  Kunst  auch  im  entlegenen  Südosten  des  Habsburgischen  Reiches. 
Die    Gedichte    sind:    1.    Pestgesang  (1647),    2.    Beim    Antritt    eines    geistlichen    Amtes 

d.  18.  u.  19.:  ZDPh.  22,  S.  336—64.  —  24)  J.  Bolte  u.  E.  Martin,  3  Lieder  auf  Strassburgs  Uebergabe  1681:  JbGElsLothr. 
6,  S.  76— 83. —  25)  K.  Wolkan,  D.  Winterkönig  im  Liede  seiner  Zeit:  ZGW.  2,  S.  390—409.  —  26)  G.  Witkowski,  E. 
ungedrucktes  Gedicht  v.  Martin  Opitz:  ZVLB.  3,  S.  127/8.  —  27)  S.  u.  III,  4  N.  8.  —  28)  J.  Bolte,  Zwei  Stammbucii- 
blätter Paul  Flemings:  ZDA.  34,  S.  78—80.  —  29)  M.  Beck,  Paul  Flemings  Eischen:  LZg»-  N.  105.  —  30)  X  L.  Gold- 
stein, Paul  Flemming  z.  250.  Wiederkehr  seines  Todestages:  KönigsbHartZg.  N.  78.  —  31)  X  L.  Franke),  Paul  Fleming 
u.  d.  Gegenwart.  HarabCorr.  v.  2.  Apr.  —  32)  XX  Kirchner,  Vortrag  y.  Leben  u.  Dichten  v.  Paul  Fleming,  geh.  am 
25.  März  1890  im  deutschen  Sprachver.  zu  Stuttg. :  SchwäbKron.  N.  72.  —  33)  G.  Bornhak,  Simon  Dach:  Bär.  16,  S,  342/4 
u.  355/6.  —  34)  Kl.,  Andreas  Tseherning.    E.  Eostocker  Professor  u.  Dichter  d.  17.  Jh.:  RostockZg.  N.  101.  —  35)  7  Gedichte 


12  ni,2:  M.  Frhr,  v.  Waldberg,  Lyrik  des  17./18.  Jahrhunderts. 

(1-649),  3.  Danksage  für  erhaltenen  Sieg  (1655),  4.  Gebet  für  einen  Witwer  (1655), 
5.  Danksagung  (1656),  6.  Gebet  für  ein  krankes  Kind  (1660)  und  7.  Hochzeitsgedicht. 
Das  letzteist  der  Trauchschen,,  Sammlung  von  Hochzeits-  und  Leichengedichten"  entnommen. 
Der  ungenannte  Heraiisgeber  trägt  zu  allen  Gedichten  die  historischen  Nachweise  bei, 
die  litterarische  Würdigung  überlässt  er  „berufenen  Fachgenossen".  In  der  Einleitung 
wird  der  Lebenslauf  des  etwa  1606  geborenen,  1678  gestorbenen  Dichters  gezeichnet. 
Mit  einem  gewissen  Nachdruck  wird  darauf  hingewiesen,  dass  Mederus  vom  „Pfalz- 
grafen" Hadrian  von  Minsicht  1658  mit  dem  Lorbeerkranze  als  Dichter  gekrönt  wurde.  — 

Welchen  Wert  solche  Auszeichnungen  hatten,  erhellt  aus  Dräsekes^ß)  Ab- 
handlung über  Johann  Rist  als  Pfalzgrafen.  Auf  Grund  der  von  Otto  Prick  im  JB. 
1886  der  Bürgerknabenschxile  zu  Burg  bei  Magdeburg  veröffentlichten  Urkunde,  mit 
welcher  Rist  als  kaiserlicher  Hof-  und  Pfalzgraf  dem  Rektor  der  Domschide  zu  Havel- 
berg, Georg  Strube,  die  Würde  eines  kaiserlichen  gekrönten  Poeten  verlieh,  wird  ein 
Bild  der  kleinlich-geschäftigen,  von  materiellen  Interessen  nicht  ganz  unbeirrten  Thätig- 
keit  Rists  als  Dichterkröner  entworfen,  aus  dem  zu  ersehen  ist,  wie  leicht  man  damals 
zu  der  Ehre  der  Krönung  gelangen  konnte.  Diese  Mitteilungen  bestätigen  die  Dar- 
stellung, die  von  Waldberg^^)  Rist  gewidmet  hat:  seine  eigenartige  Lebens- 
führung und  die  mit  den  Jahren  zunehmende  Reizbarkeit,  sein  patriarchalisches  Wesen 
und  der  gleichzeitig  vorhandene,  fast  kindische  Ehrgeiz  Avird  hier  aus  den  Quellen  heraus 
gescliildert.  Die  litterarische  Würdigung  Rists  gipfelt  in  der  Bemerkung,  dass  seine 
unleugbare  Begabung  an  der  Vielschreiberei,  am  Mangel  künstlerischer  Bildung  und  an 
der  wahllosen  Abhängigkeit  von  fremden  Mustern  scheiterte,  — 

In  Dräsekes^S)  Arbeit  über  Rist  werden  nähere  Mitteilungen  über  dessen  ge- 
krönten Schützling  Georg  Strube  gemacht.  Für  die  Geschichte  der  Lyrik  fällt  dabei 
nicht  viel  ab,  da  von  Strubes  litterarischer  Thätigkeit  —  wenn  man  sein  hier  nicht  in 
Betracht  kommendes  Epos  ausnimmt,  —  nur  kümmerliche  Reste  erhalten  sind:  Bnich- 
stücke  zweier  lateinischer  Epitaphien,  einige  Verse  im  Jederitzer  Kirchenbuch  und  ein 
dem  Vf.  nicht  zugängliches,  von  Küster  (Bibl.  bist.  Brandenburg.  S.  487)  erwähntes  Jubel- 
lied über  den  Sieg  des  grossen  Kurfürsten  bei  Fehrbellin:  „Victoria  digna  triumpho 
Frid.  Wilhelme  1675".  — 

Wie  schwer  übrigens  das  gesamte  geistige  Schaffen  eines  Dichters  des  17.  Jh. 
zu  buchen  ist,  dafür  bietet  Georg  Greflinger  ein  treffendes  Beispiel.  Zu  der  reichen 
Bibliographie,  die  v.  Oettingen  im  zweiten  Abschnitt  seiner  Monographie  gebracht  hatte, 
konnte  C.  Walther  (ADA.  10,  S.  80  if.)  in  fast  erdrückender  Fülle  eine  Naclilese  der  in 
Hamburg  entstandenen  Gelegenheitsgedichte  folgen  lassen  und  ebenso  Bolte  (ib.  13, 
S.  103  ff.)  verschiedene  in  Danzig  geschriebene  oder  durch  Danziger  Familienbeziehungen 
veranlasste  Gelegenheitspoesien  verzeichnen.  Nun  hat  Neubauer^")  eine  weitere 
Liste  von  sechsundzwanzig  zum  Teil  neu  aufgefundenen,  zum  Teil  ihrer  Entstehungszeit 
nach  genau  bestimmten  Dichtungen  Greflingers  mitgeteilt.  Daneben  berichtigt  er 
V.  Oettingens  und  Walthers  Angaben  über  Greflingers  Zeitschrift,  den  „Nordischen 
Merkiir",  indem  er  durch  ein  in  Cassel  aufgefundenes  Exemplar  der  Zeitschrift  den  Beweis 
erbringt,  dass  sie  auch  1665  erscheinen  ist.  Auch  sonst  ist  der  Aufsatz  an  Mitteilungen 
über  Greflinger  und  seine  Danziger  Beziehungen  sehr  reich.  Nummer  24  der  verzeich- 
neten Gedichte  hat  für  die  Kenntnis  der  persönlichen  Verhältnisse  des  Vf.  besonderen 
Wert.  In  einer  Anmerkung  wird  auch  ein  Verzeichnis  der  deutschen  Bibliotheken,  die 
Greflingers  Werke    besitzen,  mit  Angabe  der  einzelnen  Werke  gebracht.  — 

Für  einen  anderen  in  Hambm-g  wirkenden  Dichter,  Hermann  Heinrich  Scher, 
hat  von  Waldberg^o)  nur  kümmerliches  biographisches  Material  beschaffen  können. 
Für  die  Geschichte  der  Lyrik  kommt  er  nur  mit  den  wenigen  lyrischen  Einlagen  in 
seiner  „Waldkomödie",  die  auf  den  Boden  der  Poesie  Rists  stehen,  und  einigen  nieder- 
deutschen Gedichten,  humoristischen  Genrebildern  von  echt  niederländischem  Realismus, 
in  Frage.  — 

Auch  die  Biographie  David  Schirmers,  die  von  Waldberg^i)  gesclu-ieben, 
bietet  nur  geringes  Interesse.  Er  ist  eine  jener  zahlreichen  litterarischen  Existenzen 
des  17.  Jh.,  deren  von  Natur  aus  nicht  geringe  Begabung  durch  die  trüben  Zeit- 
verhältnisse erstickt  wurde.  In  einigen  Beziehungen  bereitet  er  schon  auf  die  spätere 
marinistische  Richtung  der  deutschen  Lyrik  vor.  — 

Von  grösserer  Vielseitigkeit  und  Bedeutung  ist  der  Schlesier  W.  Scherffer 
von  Scherffenstein,  die  aber  in  Drechslers  Monographie  nicht  so  anschaulich  dar- 
gestellt   wird   wie  in  Erich  Schmidts*^)  knapper  und    frischer    biographischen  Skizze. 


d.  Petrus  Mederus,  e.  sächsischen  Poeta  lanreatus  d.  17.  Jh.:  AVSiebenbL.  23,  S.  190—214.  —  36)  J.  Dräseke,  Johan  Bist 
als  Kaiserl.  Hof-  u.  Pfalzgraf.  Progr.  Wandsbeck,  Realgymn.  u.  Bealprogymn.  4".  XXII  S.  (Vgl.  u.  N.  38.)  —  37)  M. 
V.  Waldberg,  Johann  Rist:  AHB.  30,  S.  79-85.  —  38)  S.  o.  N.  36;  vgl.  u.  111,3  N.  10.  —  39)  L.  Neubauer,  Georg  Greflinger. 
6.  Naclilese:  AltprMschr.  17.  8.  476-503.  —  40)  M.  t.  Waldberg,  H.  H.  Scher  t.  Jerer:  ADB.  31,  S.  97/8.  —  41)  id., 
David  Schirmer:    ib.  8.  311/2.    -  42)   Erich  Schmidt,  W.  Soherfter  v.  Scherffenstein:   ib.   8.  116/8.   —   43)  K.  Dissel, 


111,2:  M.  Frhr.  v.  Waldberg,  Lyrik  des  17./18.  Jahrhunderts.  13 

S.  fasst  am  Schhisse  das  Urteil  in  die  Worte  zusammen:  „ScherfFer  ist  da  geniessbar, 
wo  er  nicht  opitzieret,  sondern  sein  eigen  Gesicht,  die  frischen  Züge  eines  populären 
Sclilesiers  zeigt.  Er  hat  IndividuaKtät,  was  wenigen  seiner  reimenden  Zeitgenossen 
nachgesagt  werden  kann."   — 

Eineder  eigenartigsten  litterarischenPersönlichkeiten  des  17.  Jh.,  Philipp  v.  Zesen, 
harrt  noch  immer  des  kundigen  und  gewandten  Biographen,  vorläufig  ist  nur  sein  Ver- 
hältnis zur  deutschgesinnten  Genossenschaft  von  Dissel^^)  dargestellt  worden.  — Zesen 
ist  ebensowenig  Opitzianer  im  engeren  Sinne  des  Wortes  wie  J.  H.  Schein,  den 
Eitner44)  behandelt.  Der  Begriif  „Opitzieren"  ist  überhaupt  in  seiner  Anwendung  ver- 
schiedenartig zu  deuten,  bald  wird  darunter  die  metrische  bald  die  stilistische  Nach- 
ahmung Opitzens  gemeint.  — 

Aber  auch  der  inneren  Form  nach  giebt  es  ein  „Opitzieren",  z.  B.  im  Verwenden 
gewisser  E-enaissanceelememte.  In  diesem  Sinne  wäre  auch  Jacob  Schwieger  ein 
Opitzianer.  Allerdings  geht  er  auch  auf  die  Antike  direkt  zurück.  So  sind  ihm  für 
seine  „Geharnschte  Venus",  seit  sie  durch  Raehses  Neudruck  bekannter  geworden,  wieder-^ 
holt  antike  Vorbilder  nachgewiesen  worden,  ztdetzt  von  Puls*^)^  der  besonders  Parallelen 
aus  Tibull  und  Properz  verzeichnet.  — 

Viel  Neues  bieten  die  Quellennachweise  antiker  Motive  nicht,  da  ja  die  freie 
Benutzung  antiker  Dichtungen  luid  Motive  als  ein  charakteristisches  Kennzeichen  jener 
Lyrik  schon  früher  erkannt  und  deutlich  genug  ausgesprochen  wurde.  In  einzelnen 
Fällen  ist  trotzdem  eine  solche  Untersuchung  auch  jetzt  noch  reizvoll,  so  wenn  das 
Motiv  von  dem  Honig  entwendenden  Amor  verfolgt  wird,  dem,  als  er  seiner  Mutter 
über  Bienenstiche  klagt,  die  Antwort  zu  teil  wird,  dass  er  ja  auch  klein  sei  und  Wun- 
den mache.  Kade^ß)  weist  dieses  theokritische  und  pseudo-anakreontische  Motiv  in  der 
neuhochdeutschen  Lyrik  nach.  Ein  häufiges  Vorkommen  in  der  früheren  Lyrik  hat  bereits 
V.  Waldberg  bezeugt.  — 

Die  gleichmässige  Ausnützung  derselben  Motive,  die  banausische  Behandlung 
von  Stoff  und  Form  in  der  Lyrik  des  17.  Jh.  hat  schon  ein  Zeitgenosse  jener  Poeten, 
G.W.  Sacer,  wie  von  Waldberg*'')  ausführt,  wahrhaft  genial  in  seiner  litter  arischen  Sa- 
tire „Reime  dich  oder  ich  fresse  dich"  gegeisselt.  In  der  Begünstigung  erlebter  Dich- 
tung gegenüber  der  handwerksmässigen  Konversations-  und  Gelegenheitspoesie  seiner 
Zeit  bekundet  er  ein  fast  modenies  ästhetisches  Empfinden.  Die  Mitlebenden  aber  ver- 
standen ihn  nicht,  und  Sacer  dankt  seinen  Ruhm  seinen  geistlichen  Liedern,  die  aber 
durch  forcierte  Kraft  und  Mangel  an  Innigkeit  weit  liinter  der  geistlichen  Lyrik  vieler 
mitstrebenden  Zeitgenossen  zurückbleibt.  — 

Die  Geschichte  der  geistlichen  Lyrik  des  17.  Jh.  ist  leider  bisher  von  der 
Litteraturforschung  arg  vernachlässigt  worden,  obgleich  gerade  hier  sich  die  Dichtung 
zu  unvergänglichen  Leistungen  aufgeschwimgen  hat.  Die  Behandlung,  die  ihr  von 
Hymnologen  zu  teil  wird,  genügt  oft  nicht  den  wissenschaftlichen  Anforderungen  der 
modernen  Litteraturgeschichte,  und  wenn  irgendwo,  so  ist  hier  noch  reiche  Ernte  zu 
halten.  Es  ist  daher  bedauerlich,  dass  ein  Organ,  welches  dieser  Forschung  gewidmet 
war,  die  „Blätter  für  Hymnologie",  gerade  im  Berichtsjahre  eingegangen  ist.  Wie  un- 
zureichend auch  die  litterarhistorische  Seite  der  Beiträge  war,  so  sind  sie  doch  durch 
die  Mitteilung  sonst  unbekannter  oder  schwer  zugänglicher  Materialien  unserer  Wissen- 
schaft förderlich  gewesen.  Avis  den  Artikeln  des  letzten  Jahrganges  sei  hier  mir  der 
Beitrag  A.  Fischers^s)  erw^ähnt,  welcher  zu  Opitzens  bekanntem  Lied  „Wohl  dem,  der 
weit  von  hohen  Dingen"  eine  wenig  bekannte,  geistliche  Nachahmung  von  Christoph 
Jäger  aus  dem  Saubertschen  Gesangbuche  (Nürnberg  1676)  nachweist.  — 

Der  Vf.  eines  der  Kemlieder  der  evangelischen  Kirche,  das  ein  protestantisches 
Seitenstück  zum  ambrosianischen  Lobgesange  bildet,  des  Liedes  „Nun  danket  alle  Gott", 
Martin  Rinckhart,  wird  in  seiner  vielseitigen  Wirksamkeit  als  Dramatiker,  Theoretiker 
und  geistlicher  Liederdichter  in  der  biographischen  Skizze  von  Waldbergs*^)  gewürdigt 
und  die  Geschichte  seines  „Tischgebetleins"  angedeutet,  wie  der  Poet  bescheiden  sein 
berühmtes  Lied  nainite.  Ausserdem  werden  durch  Gröpler^o^  ^^g  einer  Autographen- 
sammlung einige  Verse  desselben  Dichters  veröffentlicht.  — 

Der  geistliche  Sänger,  den  viele  neben,  einzelne  sogar  über  Luther  stellen, 
Paul  Gerhard,  hat  in  Gerok^'),  dem  nun  auch  dahingeschiedenen  Dichter,  einen  be- 
geisterten, liebevollen  Herausgeber  gefunden.  Die  Ausgabe  will,  wie  G.  selbst  ein- 
gesteht, mehr  dem  praktisch-erbaulichen    als    dem    litterarhistorischen  Bedürfnis  dienen, 


Philipp  V.  Zesen  u.  d.  deutscligesinnte  Genossenschaft.  Hamburger  Progr.  Hamburg,  Herold.  4".  66  S.  M.  2,50.  (Vgl.  u. 
III,  5  N.  7.)  -  44)  E.  Eitner,  J.  H.  Schein:  ADB.  31,  S.  715/8.  —  45)  A.  Puls,  Römische  Vorbilder  f.  Schwiegers 
„Geharnschte  Venus":  VLG.  3,  S.  236—51.  —  46)  R.  Kade.  Amor  d.  Honigdieb:  Gartenl.  N.  1.  S.  17/8.  —  47)  M.  von 
Waldberg,  G.  W.  Sacer:  ADB.  30,  S:  111/3.  —  48)  A.  Fischer,  Wol  dem,  d.  weit  v.  hohen  Dingen.  BllHymnol.  7, 
S.  23/5.  —  49)  M.  V.  Waldberg,  Martin  Rinckhart:  ADB.  30,  74/6.  —  50)  0.  Gröpler,  MGVAnhalt.  5,  S.  658.  (S.  o. 
I,  4  N.  11.)    —  -51)   Paulus    Gerhardts    Geistl.   Lieder.    Mit   Einl.  u.  Lebensabriss  v.  K.  Gerok.    4  unv.  Aufl.    Leipzig,  C.  F. 


14  111,2:  M.  Frhr.  v.  Waldberg,  Lyrik  des  17./18.  Jahrhunderts. 

sie  schliesst  sich  in  den  Lesarten  an  die  Baclimaniische  Ausgabe  unter  Vergleichung 
der  Schulzsclien  an.  Bei  der  Einteilung  des  Stoffes  scliwebte  Wackernagels  Anordnung 
als  Muster  vor.  Die  vorausgeschickte  Lebensbeschreibung  Gerhards  ist  nach  den  be- 
kannten Monographien  dargestellt;  trotzdem  wird  es  auch  für  den  Litteraturhistoriker 
nicht  ohne  Wert  sein,  einen  so  feinsinnigen  Kermer  und  Schöpfer  geistlicher  Poesie 
über  das  leuchtende  Vorbild  evangelischer  Lyrik  sich  äussern  zu  hören.  — 

Auch  ein  katholischer  geistlicher  Dichter,  Friedrich  Spee,  hat  eine  neue 
Ausgabe  seines  Hauptwerkes,  der  „Trutznachtigall",  erhalten.  Sie  ist,  und  zwar  durch 
Pannier^ä^,  „sprachlich  erneut"  worden  und  daher  für  wissenschaftliche  Zwecke 
gänzlich  unbrauchbar,  — 

Eine  Reihe  geistlicher  Dichter,  meistens  aus  der  zweiten  Hälfte  des  17.  mid 
dem  Anfange  des  18.  Jh.,  sind  in  kurzen  Lebensabrissen  geschildert  worden.  So 
M.  Schirmer  durch  Jonas ^3)^  sodann  J.  H.  Schellenbauer,  der  Herausgeber  eines 
anonymen  Gesangbuches  „Geistl.  Herz-  und  Seelenbereitung"  (Zweite  Auflage  1688), 
worin  sein  bekanntes  Lied  „Lebt  jemand  so  wie  ich"  enthalten  ist,  durch  Schott^*), 
ferner  G.  B.  Scharff,  der  Amtsnachfolger  Benjamin  Schmolcks  und  orthodoxer  Lieder- 
dichter, und  Joseph  Schaitberger,  der  u.  a.  auch  ein  Salzburger  Exulantenlied  im 
Dialekt:  „I  bin  a  armer  Exulant"  gedichtet  hat,  durch  WagenmannSs-sß).  endlich  ist 
J.  G.  Scharff,  unter  dessen  zahlreichen  geistlichen  Liedern  „Ich  weiss  wohl,  dass  ich 
sterben   soll"  das  am  häufigsten  gesungene  war,   von  Pfitzner^'?)  behandelt  worden.  — 

Wohl  mehr  aus  aktuellem  als  aus  wissenschaftlichem  Literesse  ist  Hau- 
sigg 58-59)  Untersuchung  über  den  gräflich  Wernigerodischen  Kanzler  Julius  Leopold 
von  Caprivi  als  Kirchenliederdichter  hervorgegangen.  Zuerst  als  Zeitschriftenaufsatz  er- 
schienen, ist  die  Studie  dann  erweitert  mid  in  Buchform  herausgegeben  worden.  Li 
der  Einleitung  wird  über  Caprivis  Leben  eine  kurzgefasste  Notiz,  ferner  eine  Charak- 
teristik seiner  Dichtung  nach  Kochs  Geschichte  des  Kirchenliedes,  eine  Mitteilung  über 
die  Gesangsbücher,  in  denen  die  achtzehn  Caprivischen  Lieder  gedruckt  sind,  geboten 
und  endlich  acht  dieser  Lieder,  sowie  eine  Melodie  J.  G.  Hillers  abgedruckt.  Die  Dich- 
tungen verraten  nirgends  irgendwelche  Originalität.  Sie  stehen  unter  dem  sichtbaren 
Einflüsse  der  Halleschen  Pietisten  und  charakterisieren  ihren  Vf.  als  einen  Mann  von 
guten  Absichten,  aber  schwacher  Kraft.  — 

Noch  weit  weniger  rege  und  ergebnisreich  als  bei  den  bisher  behandelten  litte- 
rarischen Richtungen  innerhalb  der  Lyrik  des  17.  Jh.  zeigt  sich  die  Forschung  bei  der 
Dichtung  der  zweiten  schlesischen  Schule  und  ihrer  Gegner.  Der  tirolische 
Poet  Graf  Brandis,  dem  PichlerßO)  eine  frisch  anmutende  Skizze  widmet,  könnte 
nur  wegen  einzelner  Einlagen  seiner  im  Manuskript  erhaltener  Dramen  zu  dieser  Dichter- 
gruppe gezählt  werden.  Aber  die  Proben,  die  geboten  werden,  sind  leider  zu  spärlich, 
um  eine  klare  Vorstellung  von  der  Richtung  seines  lyrischen  Schaffens  zu  geben.  — 

Ein  Gegner  der  schlesischen  Marinisten,  J.  Ch.  Günther,  ist  von  KadeCi)  in 
einem  fördernden  Aufsatze  betrachtet  worden.  Der  Vf  bringt  manches  Neue  über  des 
Dichters  Beziehungen  zu  Leipzig.  Günther  betrat  1717  zum  ersten  Male  das  „angenehme 
Pleisseathen",  und  der  dortige  Aufenthalt  bedeutet  einen  Umschwung  in  seiner  geistigen 
Entwicklung.  Seine  Beziehungen  zu  J.  B.  Mencke  werden  gestreift  und  in  die  ver- 
worrenen Liebesverhältnisse,  die  die  Datierung  der  einzelnen  Gedichte  so  erschweren, 
einiges  Licht  gebracht.  Es  glückt  dem  Vf.,  ein  Günthersches  Gedicht  als  akrostichisch 
gebaut  zu  erkennen  und  so  den  Namen  von  Günthers  „Rosette"  als  Anna  Rosina  Langin 
zu  bestimmen.  Die  weiteren  Ausführungen  und  Forschungen  über  die  Familie  der  Langin 
und  Günthers  Verkehr  mit  ihr  stehen  auf  weniger  festem  Boden.  — 

Zu  einem  in  seinem  Lebensschicksal  und  im  Dichten  verwandten  Landsmann 
Günthers  führt  uns  wiederum  eine  Arbeit  Kades^^^^  die  sich  mit  Sperontes'  „Singende 
Muse  an  der  Pleisse"  (1738)  beschäftigt.  Spitta  hat  früher  (VMusikG.  1,  S.  38  ff.)  in 
einer  methodisch  trefflichen  Untersuchung  als  den  Vf.  dieser  Odensammlung  den  ver- 
bummelten Studenten  Johann  Sigismund  Scholze  aus  Lobendau  bei  Liegnitz  (geb. 
1705,  gest.  1750  in  Leipzig)  festgestellt.  Auf  Grund  der  Spittasclien  Forschungen 
charakterisiert  nun  K.  diese  Odensammlung,  von  der  1740 — 1747  vier  Auflagen  und 
mehrere  Reihen  erschienen  sind,  und  deutet  den  Gedankengang  an,  der  auf  die  Spur 
von  Scholze  als  Vf.  dieser  Sammlungen  geführt  hat.  Scholze  prunkt  auch  mit  Be- 
ziehungen zu  Günther.    Seiner  „Singenden  Muse"  wird  ein  „Anhang  aus  J.  C  Günthers 


Amelang.  XXXVIII,  424  S.  M.  3,00.  —  52)  Trntznachligall  v.  Friedrich  Spoe,  erneut  v.  K.  Pannier.  (=r  Unir.-Bibl. 
N.  2596/8.)  Leipzig,  Reclani.  gr.  16».  280  S.  M.  0,60.  -  53)  F.  Jonas,  Michael  Schiriner:  ADB.  31,  S.  315.  -54)Th. 
Schott,  J.  H.  Schellenbauer:  ADB.  30,  S.  762.  —  55)  Wagenmann,  Gottfried  Balthasar  Scharff:  ib.  S.  586/7.  — 
56)  id.,  Joseph  Schaitberger:  ib.  S.  553/5.  -  57)  Pfitzner,  Johann  Georg  Scharff:  ib.  S.  688.  —  58)  F.  Ilausig,  D.  grttfl. 
Werningerödische  Kanzler  Jul.  Leop.  v.  Caprivi  als  Kirchenliederdichter:  EKZ.  S.  384—90,  407/8.  —  59)  i  d.,  D.  gräfl.  Wernigerödische 
Kanzler  Jul.  Leop.  v.  Caprivi  als  Kirchenliederdichter.  Berlin,  G.  Nauck.  29  S.  M.  0,50.  —  6J)  A.  Pichler,  F.  A.  Graf 
V.  Brandis.  E.  Beitr.  z.  deutschen  Litt.-Gesch.:  WienZg.  N.  65.  —  61)  R.  Kade,  Ch.  Günther  in  Leipzig:  Grenzb.  49, 
8.  66-74.  -  62)  id.,  Sperontes,  Singende  Muse  an  d.  Pleisse-  1736:   LZg».  N.  106.    —    63)  Th.  Distel,  E.  Jahrmarktslied 


111,2:  M.  Frhr.  v.  Waldberg,  Lyrik  des  17./18.  Jahrhunderts.  15 

Gedichten",  16  an  der  Zahl,  beigegeben.  Eines  seiner  Gedichte  legt  er  Günther 
bei  und  parodiert  das  berühmte  „Brüder  lasst  ims  lustig  sein".  Sonst  enthält  die  Oden- 
sammhnig  Lieder,  die  zu  bekannten  Klavierkompositionen  gedichtet  sind.  Sie  besingen 
Liebe  und  Wein  und  „Pleissathen"  in  frischen,  wenn  auch  nicht  originellen  Versen 
und  lassen  Günthers  Einfluss  nicht  verkennen.  — 

Dass  mit  dem  Emporkommen  der  Kunstdichtung  immer  weitere  Kreise  dem 
Volkslied e  entzogen  werden,  ist  eine  bekannte  feststehende  Erscheinung.  Nur  über  die 
Stärke  des  Verkistes  beim  Volksliede  ist  nicht  immer  Klarheit  vorhanden.  Das  Volks- 
lied wird  am  Ende  des  17.  und  im  beginnenden  18.  Jh.  immer  mehr  zu  Gunsten 
gesungener Kinist-Dichtungen  verdrängt,  und  nur  einzelne,  liistorisch  eingreifende  Ereignisse 
vermögen  das  Schwinden  der  Gattung  aufzuhalten.  Ganz  ausgestorbeii  aber  ist  sie  so 
wenig  wie  in  der  ersten  Hälfte  des  17.  Jh.  Schon  der  Umstand,  dass  pasquillartige 
Gedichte,  wie  das  Jahrmarktslied  aus  dem  J.  1685,  welches  Distelöl)  herausgegeben, 
die  äussere  Form  des  Volksliedes  annehmen,  spricht  dafür.  — 

Von  den  um  jene  Zeit  neuentstandenen  Volksliedern  sind  viele  historisch 
oder  noch  besser  bezeichnet:  soldatisch.  Ein  häufiges  und  charakteristisches  Kenn- 
zeichen der  Volkslieder,  die  dunkle  Entstehungsgeschichte,  haftet  auch  einzelnen  dieser 
Lieder  an,  und  so  braiichte  es  z.  B.  mancher  Nachforschung,  bis  es  Tappert*^)  ge- 
lungen ist,  für  das  Volkslied  vom  Prinz  Eugen  statt  der  falschen  Jahreszahl  1711,  die 
richtige  1719  als  Entstehungsjahr  zu  ermitteln.  — 

Die  Schwierigkeiten,  dem  Ursprung  einzelner  Stücke  auf  die  Spur  zvi  kommen, 
zeigen  sich  besonders  deutlich  bei  den  Volksliedern  vom  Doctor  Faust.  Tilleß^-ßö) 
hat  in  einer  vimfangreichen  Arbeit  mit  einer  wahren  Verschwendung  von  Geduld  und 
Mühe  vier  epische  und  acht  lyrische  Faustlieder,  von  denen  eins  inzwischen  wieder 
eliminiert  werden  musste,  festgestellt,  und  mit  sehr  grosser  Mühe,  die  bedeutenderer 
Ergebnisse  wert  wäre,  die  Ueberlieferung,  Verwandtschaftsverhältnisse,  Vorgeschichte, 
Strophen-  oder  Versbau,  die  einzelnen  Drucke  vmd  die  Beziehung  der  einzelnen  Lieder 
zu  einander  und  zum  Volksschauspiel  untersucht.  Die  peinliche  Sorgfalt,  die  er  auch 
den  kleinsten  Aeusserlichkeiten  seiner  Texte  und  fliegenden  Blätter  widmet,  ergiebt 
manches,  was  auch  losgelöst  vom  behandelten  Stoife  bemerkenswert  ist.  So  wenn  T., 
um  seinen  Druck  I A  zu  datieren,  eine  genaue  Untersuchung  anstellt,  seit  wann  in 
deutschen  Drucken  als  Satzteilzeichen  das  Komma  an  Stelle  des  Schrägstriches  ver- 
wendet wird.  Er  findet,  dass  während  die  Antiquadrucke,  welche  anfangs  ausser  dem 
Punkte  kein  Satzteilzeichen  kennen,  im  16.  Jh.  das  Komma  gebraiichen,  es  in  den 
Fraktin-drucken  erst  1709  auftritt.  1720  hat  dann  das  Komma  den  Schrägstrich  aus  der 
gelehrten  Litteratur  verdrängt,  während  es  in  der  nicht  gelehrten  sich  bis  1732  erhält. 
Dieses  Hilfsmittel  der  Datierung  lässt  sich  —  die  Richtigkeit  der  Einzelheiten  voraus- 
gesetzt —  auch  auf  andere  Drucke  jener  Zeit  verwenden,  inid  verdient  daher  weiter  be- 
kannt zu  werden.  Diese  Andacht,  die  T.  solchen  Einzelheiten  widmet,  diese  Neigung 
zu  spinösen  Untersuchungen  durchzieht  das  ganze  Buch,  ohne  aber  für  den  behandelten 
Stoff  viel  Förderndes  an  den  Tag  zu  bringen.  Die  verzeichneten  Volkslieder  umspannen 
die  Zeit  vom  Beginne  des  18.  Jh.  bis  in  das  unsrige  hinein,  und  es  wird  aus  ihrer  Ver- 
breitung und  Lebensdauer  von  neuem  ersichtlich,  dass  der  gewaltige  Stoff,  der  den 
deutschen  Geist  seit  der  Reformation  beschäftigt,  in  allen  Wandlungen  des  deutschen 
Geisteslebens  fortlebt  und  dass  selbst  neben  dem  Goetheschen  Faust  noch  das  Bedürfnis 
nach  volkstümlicher  Gestaltung  des  Stoffes  vorhanden  war.  — 


111,3 

Epos. 

Julius  Elias. 

Zur  Amadis-Litteratur  N.  1.  —  Der  Romeo  und  Julia-Stoff  N.  2.  —  Flugblätter  N.  4.  —  Siraplicius  Simplicissimus, 
Herzog  Anton  Ulrich,  Sibylla  Ursula  von  Braunschwoig  N.  8.  —  Georg  Strube  N.  10.    — 

Nur  wenige  Forscher  haben  sich  mit  der  erzählenden  Litteratur  des  Zeitraumes 
beschäftigt,  der  hier  in  Frage  kommt.  Eine  gut  geschriebene  Arbeit  Gessnersi)  be- 
handelt eingehend    das  Leben  und  Wirken  des  fahrenden  Ritters,  wie  er  im  „Amadis" 

aus  d.  J.  1685:  VLG.  3,  S.  394  8.  (Auch  als  Sonder- Abdr.  erschienen  mit  bes.  Paginiorung,  S.  1—7,  Weimar.)  —  64)  W. 
Tappert,  Deutsches  Volkslied  über  Prinz  Eugen  v.  1719:  NBMusikZg.  44,  S.  93/4.  —  65)  A.  Tille,  D.  deutschen  Volks- 
lieder V.  Doktor  Faust.  Halle,  Niemeyer.  VIII,  208  S.  M.  5,00.  |  [L.  Fränkel:  BLU.  S.  754;  Minor:  GGA.  S.  1015/6; 
JBGPh.  12,  S.  134;  Creizenach:  LCBl.  1891,  S.  1083/4;  XX  S  zamatöls  ki:  ADA.  36,  S.  114— 34  (bekämpft  Methode  u.  Er- 
gebnis).]! —  66)  id.,  E.  episches  Volkslied  v.  Doktor  Faust:  HambCorr^  N.  34.  (Auszug  aus  d.  Buche.) 

I)   E.   G essner,   D.   Vorbild   d.   Don    Quijote.    Festschr.    d.   Französ.    Gymn.    Berlin.    47    S.    (Sonderabdr.)    — 


16  ni,3:  J.  Elias,  Epos   des  17./18.  Jahrhunderts. 

seinen  Typixs  fand.  Wenngleich  die  Schrift  durchaus  in  der  spanischen  Litteratur- 
geschichte  wurzelt,  so  leistet  sie  doch  mittelbar  auch  dem  deutschen  Litter aturstudium 
insofern  Dienste,  als  ja  der  „Amadis"  bei  uns  in  Uebei-tragungen  und  Umbildungen  bis 
tief  in  das  17.  Jh.  hinein  (1667)  gewirkt  hat  ebenso  wie  sein  satirisches  Gegenstück,  die 
Dichtung  des  Cervantes,  welche  1621  übersetzt  herauskam  und  bis  1734  fünf  Ausgaben 
erlebte.  Während  sich  G.s  Mitteilungen  zur  Entstehungsgescliichte  des  spanischen 
Ritterromanes  wesentlich  auf  Bartet  und  Braunfels  gründen,  ist  die  sorgfältige  Samm- 
lung der  Motive,  aus  denen  sich  das  Bild  des  Amadisritters  zusammensetzt,  ebenso 
selbständig  und  aufhellend  wie  die  scharfe  Gegenüberstellung  der  entsprechenden  Züge 
des  Don  Quijote.  Ausser  den  beiden  Grundwerken  sind  noch  andere  Quellen  heran- 
gezogen worden:  die  Cidromanzen,  der  „Esplandian",  der  „Palmerin"  und  die  ritterlichen 
Gesetzbücher  „Partidas"  und  „Doctrinal  de  Caballeros".  Man  empfängt  Belehrung  über 
Eahnenwacht,  Ritterschlag  und  den  Ehrendienst,  der  den  Frauen  bei  dem  bunten  Cere- 
moniell  obliegt.  Dann  werden  Beweggründe  und  Zwecke  der  ritterlichen  Thatenlust 
im  einzelnen  zergliedert  und  die  Gattungen  der  Riesen,  Ungeheuer  und  Zauberer  ge- 
schildert, mit  denen  der  Kämpe  es  zu  thun  hat.  Der  Vf.  prüft  die  notwendigen  Eigen- 
schaften des  Ritters,  Kühnheit  und  Frömmigkeit,  auf  ihren  sittlichen  Wert  und  weist 
den  Widerspruch  auf  zwischen  dem  Gotteskämpfer  und  dem  Raufbold,  zwischen  dem 
Kirchenlaufen  und  der  innerlichen  Abkehr  von  Gott  zur  Dame  des  Herzens  hin.  Die 
Skala  der  Ehren  wird  aufgestellt:  sie  gipfeln  im  „weithin  schallenden"  Ruhm  und  der 
Anwartschaft  auf  Fürstenthrone.  Der  Gefolgschaft  des  Ritters,  im  besondern  dem 
Knappen,  dem  Kampfe  und  seiner  Entscheidung,  zumal  dem  Duelle,  sind  besondere 
Abschnitte  gewidmet.  Den  häufigen  und  harten  Anstrengungen  muss  der  Körper  ge- 
wachsen sein,  und  so  vei-breitet  sich  die  Studie  über  die  Stählung  des  Leibes  und  die 
Art,  wie  er  unempfindlich  gemacht  wurde  gegen  Hieb  und  Stich,  um  dann  überzugehen 
auf  die  Heilung  schwerer  Wunden  —  durch  Universalmittel  und  Balsame,  deren  Be- 
reitung oft  geheimnisvolle  Kräfte  erforderte.  Die  medizinischen  Kenntnisse  der  mittel- 
alterlichen Frauen  und  ihre  Fähigkeiten  zur  Krankenpflege  erläutert  G.  genau;  so  leitet 
er  über  zu  einer  ausführlichen  Darstellung  des  Verhältnisses  zwischen  Dame  und  Ritter. 
Er  unterscheidet  niedere  und  hohe  Minne;  dort  gi-obe  Sinnlichkeit,  hier  phantastische 
Abgötterei.  Wie  wenig  moralische  Mängel  bedeuten  in  dieser  Welt  der  Abenteuer, 
wie  sehr  aber  auch  die  Keuschheit  geehrt  wird,  welche  die  „Probe"  sicher  besteht  — 
das  wird  unter  reichen  Beispielen  anmutig  geschildert.  Des  Weibes  vornehmste  Eigen- 
schaft ist  die  Schönheit,  auf  Herzensgaben  wird  nicht  gesehen.  Wer  ihr  den  Ruhm 
der  höchsten  Schönheit  versagt,  ist  des  Ritters  geschworener  Feind.  Ihr  Anblick  macht 
den  Haudegen  schamrot  und  thränenselig.  Vor  der  Gefahr  betet  er  zu  ihr.  In  der 
Treue  unwandelbar  bis  zum  Sterben,  flieht  er  die  Welt,  wenn  sich  die  Geliebte  in  Wirk- 
lichkeit oder  nur  zur  Prüfung  von  ihm  lossagt.  — 

Ebenfalls  die  Uebersetzungslitteratur  des  17.  Jh.  berührt  ein  Aufsatz  L.  H.  Fi- 
schers 2).  Es  wird  darin  gezeigt,  auf  welche  Art  der  Romeo  und  Julia-Stoff  von 
deutschen  Prosaisten  aus  fremden  Vorlagen  geschöpft  und  verbreitet  worden.  Wohl 
war  es  bekannt,  dass  Aeschacius  Major  (Joachim  Cäsar)  unter  den  fünf  Historien  seines 
„Glücks  vnd  Liebeskampff"  (1615)  die  Sage  von  „Rohmeo  und  Julieta"  erzählt,  doch 
niemals  war  die  Quelle  ausdrücklich  bezeichnet  worden,  obwohl  Major  in  dem  Vorwort 
selbst  bemerkt  hat,  dass  seine  Historie  „erstlich  in  Italianischer,  hernach  in  Frantzö- 
sischer  Sprache  verzeichnet  gewesen".  Auch  Bobertag  in  seiner  „Geschichte  des  Ro- 
mans" (2,  S.  15/6)  nennt  den  Urtext  nicht.  Es  sind  die  „Histoires  tragiques" 
von  Pierre  Boisteau  (Paris  1557),  Uebertragungen  aus  Bandello;  die  Ausgabe,  welche 
F.  vorlag,  ist  die  von  Belle-Forest  um  zwölf  Stücke  vermehrte  Edition  von  1564.  ^ )  Als 
Probe  für  Majors  Uebersetzungsweise  stellt  der  Vf.  die  Einleitung  des  fraiizösischen 
Romeo  und  Julia-Textes  und  das  zugehörige  Stück  des  deutschen  Buches  zusammen. 
Aus  einer  Vergleichung  geht  allerdings  hervor,  dass  Major,  bei  allem  Anschluss  an 
Boisteau,  sich  im  Ausdrucke  freie  Paraphrasen  erlaubt  und  die  ohnehin  schon  breite 
Art  des  Franzosen  noch  breiter  schlägt.  Willkürliche  Zusätze  fehlen  nicht,  Uebersetzungs- 
fehler  und  auch  sachliche  Versehen,  die  aus  dem  Originale  kritiklos  hinübergenommen 
werden.  Andrerseits  aber  teilt  F.  gewisse  Stellen  mit,  die  der  französischen  Fassung 
gegenüber  wirkliche  Verbesserungen  bedeuten  mid  von  einer  bestimmten  dichterischen 
Anschauung  zeugen.  Zur  „Historie  von  Eduard  III."  trägt  F.  übrigens  die  bemerkens- 
werte bibliographische  Notiz  bei,  dass  Major  das  Stück  schon  früher  unter  dem  Titel 
„Rationis  et  adpetitus  pugna"  lateinisch  bearbeitet  habe.  Eine  ganz  neue  Form  der  Er- 
zählung von  Romeo  und  Julia  weist  der  Vf.  in  den  deutschen  „Reflexiones  Politico- 
Consolatoriae"  (1661,  S.  31 — 49)  des  Fuldaer  Geheimen  Rates  Ignaz  Wilhelm  Schütz 
nach.     Auch  hier  ist  als  ziemlich  sicher  anzunehmen,  dass  die  Bearbeitung  aus  Boisteau 

2)  L.  H.  Fischer,  D.  Sage  t.  Bomeo  n.  Julia  in  deutschen  Prosadaratellungen  d.  17.  Jh.:  JDShakespeareG.  26,  S.  124—31. 
—   8)    X  L.    Frankel,    Untersuchungen  z.  Entwicklungsgesch.    d.  Stoffes    v.  Romeo  u.  Julia:    ZVLK.  3,    S.  171—219.    (Vgl. 


111,3:  J.  Elias,  Epos  des  17./18.  Jahrhunderts.  17 

geflossen.  Der  Liebenden  Schicksal  gilt  Schütz  als  „Beispiel",  wie  ein  scheinbar  Glück 
sich  plötzlich  in  Unglück  verwandeln  kann.  Kürze  ist  der  notwendige  Charakter  dieser 
Darstellung;  verschiedene  Motive,  die  der  Novellist  behaglich  ausmalt,  unterdrückt  der 
moralisierende  Schriftsteller.  Auf  Schütz  fusst  ein  Pseudonymus,  J.  E.  S.  Mercurius, 
der,  um  „der  Weiber  grosse  Liebe"  zu  erweisen,  in  seiner  „Keuscher  Liebe  Sitten- 
Schule"  (1671,  S.  177 — 207)  den  gleichen  Gregenstand  vorträgt.  Schon  16G9  war  nach 
E.s  Angabe  der  Stoff  (wohl  gleichfalls  nach  Boisteau)  wiederum  in  einigermassen 
veränderter  Grestalt  vom  Dichter  des  weitberühmten  Schäferromanes  „Schauplatz  der  Ver- 
liebten" behandelt  worden.  Die  üeberschrift  lautet:  „Historij  der  verzweiffeiten  Lieb- 
habern" (S.  242 — 52).  Dementgegen  lässt  sich  nun  aber  feststellen,  dass  bereits  die  Aus- 
gabe vom  J.  1659  die  Erzählung  aufweist  (S.  243 — 53).  Einige  Unterschiede  von  der 
französischen  Eorm  treten  hervor,  Namensveränderungen,  die  zum  Teil  auf  kleine 
In'tümer  zurückgeführt  werden,  vor  allem  aber  dieser:  Lorenzo  verabredet  mit  Julia, 
er  werde  sie  avis  dem  Grabgewölbe  nach  Modena  zu  Romeo  bringen  lassen,  während 
er  bei  Bandello-Boisteau  dem  Mädchen  verspricht,  er  wolle  zu  B,omeo  senden  und  mit 
ihm  die  Scheintote  aus  der  Gruft  tragen,  damit  nach  dem  Erwachen  der  Geliebte  sie  fort- 
führen könne.  Da  aber  der  Autor  doch  schliesslich  noch  den  Lorenzo  einen  Boten 
senden  lässt  zu  Romeo,  so  ist  die  Abweichung  nicht  so  schwerwiegend,  dass  man 
auf  eine  andere  Quelle,  vielleicht  den  Luigi  da  Porto  („Hystoria  nouellamente  ritrouata 
di  due  nobili  Amanti",  zuerst  1524)  schliessen  müsste.  So  vieles  Neue  die  Abhandlung 
E.s  auch  darbietet,  so  erschöpft  sie  doch  keineswegs  den  Gegenstand;  sie  verhält  sich 
nur  andeutend  und  lässt  der  kommenden  Forschung  noch  manches  zu  thun  übrig.  — 

Die  Kenntnis  der  Flugschriften,  welche  der  behandelten  Epoche  angehören, 
ist  um  ein  merkwi'irdiges  Stück  bereichert  worden.  Das  Blatt  (1675  gedruckt,  mit 
drei  Porträts),  das  man  dem  „Verein  für  die  Geschichte  Berlins"  in  der  Sitzung  vom 
10.  Mai  vorgelegt  hat^),  beschreibt  im  wesentlichen  die  Belagerung  Rathenows  durch 
die  Schweden,  die  Entsetzung  der  Stadt  durch  den  grossen  Kurfürsten  und  die  Schlacht 
bei  Fehrbellin:  vier  Spalten  gereimten  Textes  gliedern  sich  in  24  Strophen.  Zwar  ist 
der  „Sieger-Muht"  zu  preisen,  doch  kann  man  wünschen,  dass  endlich  die  „Glüht  des 
Krieges  erkalten"  möge.  Das  ist  der  Lihalt  des  Hauptabschnittes,  der  die  Kämpfe  in  der 
der  Mark  schildert.  Der  mittlere  Teil  behandelt  Montecuculis  Wiedereroberimg  des 
Elsass  und  den  Tod  Turennes;  am  Schlüsse  steht  eine  Grabschrift  auf  den  franzö- 
sischen General,  die  dem  kriegsgewandten  und  tapferen  Feinde  ein  gerechtes  Lob  spendet. 
Der  Poet  lässt  sich  im  übrigen  die  gute  Laune  nicht  verderben ;  er  singt:  „Auf  die  Zeitung 
schmeckt  ein  Suff."^— '')  — 

Grimmeishausens  „Simplicius  Simplicissimus"  ist,  in  der  Bearbeitung  von 
0.  L.  B.  Wolff ,  die  von  1848  bis  1882  dreimal  erschienen,  aufs  neue  herausgegeben 
worden^).  Der  modernisierte  Text,  der  bei  aller  Freiheit  im  einzelnen  doch  den  Geist 
und  die  innere  Gestaltung  des  Originales  nicht  antastet,  hat  bis  auf  sehr  wenige  ortho- 
graphische Aenderungen  einen  wortgetreuen  Abdruck  erfahren.  Titelkupfer  und  Titel- 
blatt sowie  die  nicht  modernisierte  Vorrede  sind  nach  der  Fassung  von  1671 
wiedergegeben,  die  Bobertag  in  seiner  Ausgabe  (Kürschner  33)  benutzt  hat.  —  Ein  Nachtrag 
Boltes^)  zu  den  Briefen  der  Herzogin  Elisabeth  Charlotte  an  Sophie  von  Hamiover 
ist  überaus  charakteristisch  für  die  Wirkung,  welche  die  langgestreckten  Romane  des 
Herzogs  Anton  Ulrich  von  Braun  schweig  auf  vorgeschrittene  und  geistreiche  Zeit- 
genossen ausübten:  die  Lektüre  der  „Römischen  Octavia"  würde,  hintereinander  betrieben, 
sehr  ermüdend  sein,  meint  die  aufrichtige  Frau  in  einem  Briefe  vom  15.  Mai  1704,  um 
freimütig  hinzuzusetzen:  „ich  lese  aber  nur  ein  bladt,  3  oder  4,  wen  ich  met  verlofft 
auf  den  ....  stul  morgends  und  abends  sitze,  so  amusirt's  mich."  Nicht  so  derb,  doch 
auch  mit  überlegenem  Spott  schreibt,  ebenfalls  nach  B.s  Mitteilung,  die  Herzogin 
Sophie  an  ihren  Bruder  Karl  Ludwig,  den  Kurfürsten  von  der  Pfalz :  von  der  „ Aramena" 
möchte  sie  sagen,  dass  darin  der  gute  Anton  Ulrich  „avoit  mis  la  Bible  en  burlesqvie". 
Ueber  den  hs.  Nachlass  des  dichtenden  Fürsten  giebt  B.  einige  Anhaltspunkte  nach 
dem  Kataloge  der  Wolfenbüttel  er  Bibliothek:  u.  a.  befindet  sich  darunter  das  erste 
Buch  eines  Romanes  „Die  vortreffliche  Neronia  oder  der  wüthende  Nero",  ferner  zwei 
Komödien-Fragmente.  Zudem  fand  er  an  andrer  Stelle  eines  Unbekannten  Schauspiel, 
dessen  Stoff  der  „Aramena"  entnommen  wurde.  Von  Wichtigkeit  ist  B.s  Mitteilung, 
dass   auch  des  Herzogs  ältere   Schwester,    die  Prinzessin  Sibylla  Ursula  (1629 — 71), 


über  Boisteau  oder  Boaistuau  u.  seinen  Fortsetzer  S.  173,  l78,  182,  186,  187/8,  190.)  —  4)  E.  Flugblatt  aus  d.  J.  1675  auf  d. 
Besetzung  Rathenows  :  VossZg.  N.  233.  (Vereinsbericht.)  —  5)  X  F.  Bobertag,  Kokoko-Arkadien :  Fels  z.  Meer.  2,  S.  903/9. 
(D.  Vf.  charakterisiert  d.  Schäferdichtung  d.  16.  u.  17.  Jh.,  erzählt  d.  Inhalt  v.  Montemajors  „Diana"  u.  hebt  aus  Zesens 
„Adriatischer  Rosemund"  d.  Episode  v.  „blauen  Wunder"  heraus.  Vgl.  seine  Gesch.  d.  Romans  1,  S.  419—57  u.  2,  S.  65—75.) 
—  6)  X  id.,  G.  Witkowski,  Diedrich  v.  d.  Werder:  ZDPh.  22,  S.  125.  —  7)  X  F.  Jonas,  Michael  S.  Schirmer:  ADB.  31, 
S.  315.  (Enthält  über  d.  Verdentscher  u.  Bearbeiter  d.  Aeneis  [1668]  nichts.)  —  8)  Grimmeishausens  Simplicius  Simpli- 
cissimus. (=:Bibl.  d.  Ges.-Litt.  N.  439—44.)  Halle,  Hendel.  VIII,  570  S.  M.  1,50.  —  9)  J.  Bolte,  Z.  d.  Romanen  d. 
Jahresberichte  fUr  neuere  deutsche  Litteraturgeschichte  1 1«),  2 


18  111,3:  J.  Elias,  Epos  des  17./18.  Jahrhunderts. 

sich  litterarisch  bethätigt  habe.  Von  ihrer  Hand  giebt  es  Uebertragungen  der  „Casandra" 
und  „Cleopatra"  (Teil  4 — 12)  von  Calprenede,  sodann  ein  Schauspiel  in  Prosa,  „Comedia 
von  des  Glückes  Unbeständigkeit"  (der  fünfte  Akt  unvollendet;  1649 — 50)  und  zwei 
Sammlungen  frommer  Lieder  „Das  geistliche  Kleeblatt"  (1655)  und  „Precationes 
germanicae"  (1647 — 68).  — 

In  der  Person  Georg  Strubes,  des  von  Johann  Rist  gekrönten  Poeten,  führt 
Dräseke^o)  einen  neuen  Epiker  ein.  lieber  das  Leben  des  vergessenen  Mannes  hat 
er  folgendes  gesammelt:  Strube  ist  1640  als  der  Sohn  eines  Predigers  zu  Alvensleben 
bei  Magdeburg  geboren,  besuchte  die  Schulen  von  Haldensleben,  Braunschweig  und 
Stendal  und  kam  1660  auf  die  Helmstädter  Universität.  1663  wird  er  als  Konrektor 
nach  Kyritz  berufen,  doch  noch  in  demselben  Jahre  machte  man  ihn  zum  Leiter  der 
Domschule  in  Havelberg,  zugleich  erhält  er  dort  und  in  Jederitz  eine  Pfarrstelle.  Strube 
blieb  bis  1696,  dann  ging  er  nach  Werben  an  der  Elbe  als  Pastor,  wo  er  im  Oktober  1702 
starb.  D.  hat  sich  der  Mühe  unterzogen,  sein  Hauptgedicht,  das  in  Hexametern  ge- 
schriebene „Epos  memorabile"  (Stendal  bei  Aug.  Günther  Bartge  1692)  so  treu  wie  möglich 
zu  übersetzen.  Es  sind  277  Verse,  die  sich  in  drei  Abschnitte  sondern:  Lob  der  Patrone 
und  Mitglieder  des  Domkapitels;  Verzeichnis  aller  Bischöfe  von  der  Gründung  des 
Stiftes  bis  zu  des  Dichters  Zeiten;  Beschreibung  der  eigenen  Hävislichkeit  und  Gebet 
zu  Gott.  Es  ist  die  durchschnittsmässige  Lateinverselei  der  Zeit,  die  sich  enkomiastisch 
an  Gönner  und  Grosse  wendet  und  das  bescheidenste  Verdienst  zur  ruhmreichen  That 
aufbauscht.  Strube  hält  sich  allen  Ernstes  für  einen  Dichter  und  meint,  dass  die  spiess- 
bürgerliclien  Helden  seines  Sanges  durch  ihn  zur  Unsterblichkeit  gelangen  werden.  Eine 
gewisse  Kunstfertigkeit  spricht  sich  in  der  Art  aus,  wie  Strube  die  Namenfülle  der 
endlosen  Geschichtstabelle  in  wohlgebaute,  glatte  Verse  bringt.  Er  ist  gelehrt  und  kennt 
alle  Schlagwörter  der  Renaissancepoesie;  doch  als  Geistlichem  und  überzeugungstreuem 
Lutheraner  dringt  ihm  christliche  Anschauung  in  das  Schema  des  antikisierenden  Aus- 
drucks ein:  Jehova  und  die  „pierischen  Miisen",  der  Parnass  und  Christus  werden 
vermischt.  Es  soll  nicht  verkannt  werden,  dass  durch  das  breite  Pathos  hier  und 
da  ein  warmer,  naiver  Ton  dringt:  mit  ansprechendem  Humor  ergeht  Strube  sich  über 
den  dünnen  Wein  der  Heimat,  und  die  Schilderung  des  häuslichen  Tisches  wirkt  drollig 
und  echt  durch  eine  unbewusste  Selbstironie.  — 


111,4 

Drama. 

Wilhelm  Creizenach. 

Biblisches  Drama  und  Totentanz  N.  1.  —  Englische  Komödianten  und  Hamlet  in  Deutsehland  N.  4.  —  Opitz  als 
Dramatiker  N.  7.  —  AuiFührungen  in  Königsberg,  Dresden  und  Bern  N.  9.  —  Christian  Reuter  N.  16.  —  Hallmann  N.  17.  — 
Frisch  N.  18.  —  Theatergeschichte  einzelner  Städte:  Rostock  und  Stuttgart  N.  19.  —  Hamburger  Oper  N.  21.  —  Beziehungen 
zum  Ausland  N.  23.  —  Volksschauspiel  Tom  Doktor  Faust  und  Puppenkoraödien  N.  2C.  ~  Komische  Figur  N.  32.  —  Ober- 
ammergauer  Passionsspiel  N.  37a.  — 

Biblisches  Drama  und  Totentanz.  Joachim  Schlues^)  Komödie  vom  gottes- 
fürchtigen  und  gehorsamen  Isaak  (1606)  hat  Freybei^)  herausgegeben,  nachdem  sie  früher 
bereits  von  Gaedertz  in  seiner  Monographie  über  Gabriel  Rollenhagen  (1881)  besprochen 
und  von  E.  selber  in  seinem  Buche  „Altdeutsches  Leben"  (1880)  in  einer  hoch- 
deutschen Bearbeitung  mitgeteilt  worden  war.  Die  Lücken  in  dem  Exemplar  des  alten 
Drucks,  welches  sich  in  der  Universitätsbibliothek  zu  Rostock  befindet,  sind  nach  dem 
einzigen  Exemplar,  das  sich  sonst  noch  erhalten  hat  (in  der  Stiftsbibliothek  zu  Linköping 
in  Schweden),  ergänzt.  Die  Benutzung  früherer  Isaak-Dramen  durch  Schlüe  hat  bereits 
Gaedertz  nachgewiesen;  über  die  Motive,  die  in  den  komischen  Scenen  verwertet  sind, 
bringt  F.  manches  neue,  zum  Teil  nach  Mitteilungen  Boltes.  Sein  Hauptaugenmerk 
hat  aber  der  Herausgeber  auf  zwei  Punkte  gerichtet.  Zunächst  auf  das  Verhältnis  der 
hochdeutschen  Bestandteile  des  Stückes  zu  den  niederdeutschen;  das  Niederdeutsche 
findet  nämlich  bei  Schlue  nicht  bloss  in  den  komischen,  sondern  auch  in  den  ernsten 
Scenen  Verwendung.     Sodann    bespricht  E.  sehr    ausführlich  die  Verhältnisse  des    han- 


Herz.  Anton  Ulrich  v.  Braunachw.:   ZVLR.  NF.  3,  S.  454/6.  -  10)  Dräseke,  Joh.  Rist.    S.  o.  III,  2  N.  36  (S.  IX-XXII).  - 

I)  X  A.  Hofmeister,  J.  Schlue:  ADB.  31,  S.  00.3/4.    la)  J.  Schlue,  Comedia  v.  d.  frommen  etc.  Jsaak.  Her.  v.  A. 

Freybe.  Festschr.  d.  Friedr.  Franz-Gymn.   in  Parchim,  Progr.  N.  636.    Norden,   Soltan.    4«.  VII,  88,  39  S.    |[EKZ.  N.  29.] |  — 


III,4:  W.  Creizenach,  Drama  des  17./18.  Jahrhunderts.  lö 

sischen  Kontors  in  Bergen;  hier  hat  Schlue  seine  Lehrzeit  durchgemacht,  und  dem 
Olderman  dieses  Kontors  hat  er  sein  Stück  gewidmet.  Wir  erfahren  auch  aus  dem 
Widmungsbrief,  dass  es  unter  den  jungen  Leuten  des  Kontors  Sitte  war,  „herrliche 
Comedien  und  Tragedien"  aufzuführen.  —  Ueber  den  Vf.  wissen  wir  nur  sehr  wenig, 
über  seine  ramilienverhältnisse  hat  Koppmann 2)  zwei  urkundliche  Notizen  auf- 
gefunden. 2a)  —  Einen  Totentanz  aus  dem  17.  Jh.  teilt  B ölte 3)  mit,  auf  Grund  eines 
Augsburger  Drucks,  der  etwa  aus  der  Mitte  des  Jh.  stammt  (Berlin  Yd  7854,23).  Ein 
früherer  Druck  (Innsbruck  1627)  wird  in  Wellers  Annalen  verzeichnet,  wie  B.  in 
seiner  Schlussbemerkung  hervorhebt.  Die  Melodie  zu  den  vierzeiligen  Strophen  „Im 
Thon  wie  man  die  Kayserin  singt"  ist  dem  Ganzen  vorangedruckt.  — 

Einen  Beitrag  zur  Geschichte  der  englischen  Komödianten  in  Deutsch- 
land liefert  Sittard*),  der  nach  der  Erzählung  Rists,  in  der  „Alleredelsten  Belusti- 
gung etc.",  über  eine  Aufführung  der  Komödie  vom  englischen  Königssohn  und  der 
schottischen  Königstochter  in  Hamburg  1625  berichtet.  —  Pinloche^)  behandelt  die 
Tragödie  „Der  bestrafte  Brudermord"  und  ihr  Verhältnis  zu  Shakespeare.  Seine  Unter- 
suchung zeugt  jedoch  von  mangelhafter  Litteraturkenntnis  und  ebenso  mangelhaftem 
Urteil.  Der  Vf.  beschränkt  sich  im  wesentlichen  darauf,  längst  abgethane  Irrtümer  zu 
wiederholen.  Er  steht  noch  auf  dem  Standpunkt,  dass  der  „Bestrafte  Brudermord" 
nicht  auf  Shakespeare  zurückgehen  könne,  weil  in  dem  Ealle,  dass  der  deutsche  Be- 
arbeiter Shakespeares  Dichtung  vor  sich  gehabt  hätte,  es  unbegreiflich  erscheinen  müsste, 
dass  er  sich  so  viele  Schönheiten  seines  Originals  entgehen  Hess;  ein  Argument,  das  für 
solche,  welche  die  Repertoirstücke  der  Englischen  Komödianten  kennen,  keiner  Wider- 
legung bedarf.  —  Sarrazin*^),  welcher  in  seinen  Untersuchungen  über  die  Entstehung 
von  Shakespeares  „Hamlet"  die  Ansicht  vertritt,  dass  die  älteste  Ausgabe  von  Shakespeares 
Drama  (Quarto  A  1603)  die  Bearbeitung  eines  Dramas  von  Kyd  sei,  sucht  auch  durch 
Heranziehung  der  alten  deutschen  Hamletbearbeitung  Stützpunkte  für  diese  Ansicht  zu 
gewinnen.  Vor  allen  Dingen  sucht  er  nachzuweisen,  dass  das  Vorspiel  von  der  Nacht 
und  den  Furien  nicht  etwa  zu  den  Vorspielen  aus  dem  Geisterreich  gehöre,  wie  sie  die 
wandernden  Komödianten  in  Deutschland  auch  sonst  wiederholt  an  ihre  englischen 
Repertoirstücke  anfügten.  Nach  S.  soll  dies  Vorspiel  vielmehr  aus  Kyds  Drama 
stammen.  Er  vermutet,  dass  auch  die  Scene  zwischen  Hekate  und  den  Hexen  im  dritten 
Akt  des  „Macbeth"  auf  das  angeblich  Kydsche  Vorspiel  von  der  Nacht  und  den  Eurien 
zurückgehe.  Allerdings  giebt  er  zu,  dass  sich  in  dem  deutschen  Vorspiel  Stellen  finden, 
die  zu  dem  folgenden  Drama  nicht  passen.  Diese  Diskrepanzen  sollen  aber  nicht  etwa 
daher  kommen,  dass  die  deutschen  Schauspieler  das  Stück  von  anderswoher  nahmen 
und  an  den  „Hamlet"  anfügten,  ähnlich  wie  sie  beispielsweise  das  Vorspiel  eines  Dekker- 
schen  Dramas  an  ihre  Bearbeitung  von  Marlowes  „Eaust"  anschlössen.  Das  Zeugnis  der 
hauptsächlich  hier  in  Betracht  kommenden  Stelle,  wo  die  Nacht  die  Furien  auffordert, 
sie  sollten  in  die  Ehe  des  Usurpators  mit  der  Königin- Wittwe  „Gift  mischen  und  Eifer- 
sucht in  ihre  Herzen",  dieses  Zeugnis  bemüht  sich  S.  durch  die  Vermutung  zu  ent- 
kräften, dass  in  Kyds  „Hamlet"  das  Verhältnis  zwischen  Claudius  und  Gertrud  wohl 
etwas  anders  dargestellt  gewesen  sei  als  bei  Shakespeare.  — 

Mit  Opitz  als  Dramatiker  beschäftigen  sich  zwei  Abhandlungen.  0.  Tauberf) 
berichtigt  auf  Grund  archivalischer  Nachweise  eine  früher  von  ihm  gemachte  irrige  An- 
gabe über  das  Datum  der  ersten  Aufführung  der  „Daphne"  von  Opitz  und  stellt  fest, 
dass  diese  erste  Aufführung  1627  am  23.  April  (alten  Stils)  in  Torgau  stattfand;  zugleich 
giebt  er  ein  chronologisches  Verzeichnis  aller  der  Festlichkeiten,  mit  denen  die  zur 
Hochzeit  der  Kurprinzessin  Sophie  Eleonore  versammelten  Herrschaften  geehrt  wurden. 
Darunter  waren  bekanntlich  auch  Aufführungen  der  englischen  Komödianten ;  doch  weiss 
auch  T.  nicht  die  Titel  der  betreffenden  Stücke  mitzuteilen.  —  Heuwes^)  stellt 
fest,  dass  Opitz  für  seine  Uebersetzung  der  „Antigone"  die  damals  gangbare  Turnebussche 
Textrezension  zu  Grunde  legte,  und  zwar  in  einer  Ausgabe,  in  welcher  nach  den  Grund- 
sätzen Ganters  die  strophische  Responsion  der  Chorgesänge  durchgeführt  war.  Die 
Schollen  hat  Opitz  nur  wenig  benutzt;  an  einigen  Stellen,  wo  er  hier  Belehrung  über 
den  Sinn  hätte  finden  können,  übersetzt  er  falsch.  Jedenfalls  aber  zog  er  die  lateinische 
Uebersetzung  des  Wittenberger  Professors  Winsemius  zu  Rate.  H.  giebt  auch  einige 
Andeutungen  für  die  ästhetische  Beurteilung  der  Opitzschen  Arbeit.  Vor  allem  weist  er 
darauf  hin,  dass  Opitz  oft  vom  Gedanken  die  ursprüngliche  poetische  Form  abstreift, 
ihn  sich  in  verstandesmässiger  Einfachheit   denkt  und  ihn  alsdann  in  der  Uebersetzung 

2)  S.  u.  N.  19.  —  2a)  X  A.  V.  Weilen,  Spengler,  D.  verlorene  Sohn  im  Drama  d.  16.  Jh.:  ADA.  16  S.  119.  (Einige  neue 
Mitteilungen  Über  Aufführungen  d.  Dramen  v.  verlorenen  Sohn  im  17.  Jh.)  —  3)  J.  Bolte,  Totentanz  a.  d.  17.  Jh.:  Alemannia. 
18,  S.  65—71.  —4)  J.  Sittard,  D.  engl.  Komödianten  in  Hamburg:  Hamh.  Corr.  N.  141/2.  —  5)  A.  Pinloche,  De  Shakes- 
pearii  Hamleto  et  germanica  tragoedia  quae  inseribitur  „Der  bestrafte  Brudermord".  Thesis  facultati  Litterarum  Parisiensi 
proposita.  Paris,  Colin.  82  S.  —  6)  G.  Sarrazin,  D.  Entstehung  d.  Haralet-Tragoedie.  II.  D.  Corambus-Hamlet  u.  Thomas 
Kyd:  Anglia.  N.  F.  1,  S.  117—40.  —  7)  0.  Taubert,  2.  Nachtrag  z.  Gesch.  d.  Pflege  d.  Musik  in  Torgau.  Torgau,  Jacob.  40. 
15  S.   M.  0,50.  —  8)  Heuwes,  Beitrr.  z.  Würdig,  d.  Opitzschen  Uebersetz.  d.  Sophokleischen  Antigone.  Gymn.Progr.  N.  358. 

2* 


20  in,4:  W.  Creizenach,  Drama  des  17/18,  Jahrhunderts. 

„mit  den  eiteln  FHttern  einer  lehr-  und  lernbaren  Rhetorik"  ausschmückt.  Ferner  macht 
er  für  die  arienhaft  gehaltenen  Chorgesänge  auf  den  italienischen  Einfluss  aufmerksam. 
Hoffentlich  bleibt  H.  seinem  Vorsatz  treu,  diese  anziehenden  Beobachtungen  „bei  nächster 
Gelegenheit"  weiter  auszuführen,  ^a)  — 

Aufführungen  in  Königsberg,  Dresden  undBern.    In  der  Bibliothek  der 
Petersburger  Akademie    der  Wissenschaften    hat  B ölte 9)    eine  Komödie    gefunden,    die 
am  27.  Aug.  1G44   in  Königsberg    bei  Gelegenheit  der  Universitäts-Jubelfeier    aufgeführt 
und    später    gedruckt    wurde.     Es    ist  eine  deutsche  Prosa-Uebersetzung    von  Erischlins 
„Hildegardis  magna";  der  Uebersetzer  ist  unbekannt,    vielleicht  ein  Königsberger  Schul- 
mann.    Interessanter  als  die  Uebersetzung  sind  jedoch  drei  gereimte  Zwischenspiele    im 
Königsberger  Dialekt,  die  B.  zum  Abdruck    bringt.      Sie   stehen  mit  der  Haupthandlung 
in  keinem  Zusammenhang;    alle    di'ei    behandeln    sie  Motive,    die  uns  auch  sonst  in  der 
Possenlitteratur  öfters  begegnen:  einen  Streit  zwischen  einem  Bauer  und  einem  diebischen 
Landsknecht,   eine  bäuerische  Liebeswerbung    und  einen  Bagatellprozess  vor    dem  Dorf- 
gericht.     In    der  Einleitung   weist    B.    die    hier  verwerteten    komischen  Motive  auch  in 
andern    gleichzeitigen    und    früheren    Dichtungen    nach;    die  Anmerkungen    beschäftigen 
sich    hauptsächlich    mit    der  Worterklärung,    die    mancherlei    Schwierigkeiten    darbietet. 
Die  Scenen  sind  ebenso  anspruchslos  wie  lebendig  und  lustig  und  haben  auch  das  ver- 
diente   Interesse    erregt,    wie    die    später    erschienenen    Beiträge    zur  Wort-    und    Sach- 
erklärung 10-12^   beweisen.  —  Georg  Müller^^)  veröffentlicht    einen    merkwürdigen  Bei- 
trag zur  Geschichte  der  Jesuitenkomödien  und  ihrer  Verbreitung    auch    über  den  prote- 
stantischen Teil  von  Deutschland,  wo  diese  Komödien  indes  auf  den  erbittertsten  Wider- 
stand von  Seiten  der  Geistlichkeit  stiessen.    Die  Streitigkeiten,  zu  welchen  die  Aufführung 
eines  jesuitischen  Dramas  in  der  Leipziger  Thomasschule  1G62  Anlass  gab,    sind    schon 
früher  von  Wustmann  dargestellt  worden;  jetzt  erfahren  wir,  dass  das  sächsische  Ober- 
konsistorium   zwei   Jahre    später    in    ähnlicher    Weise    gegen    einen   Studenten    vorging, 
der    in  Dresden    eine    ins  Deutsche   übersetzte  Jesuitenkomödie  zur  Aufführung  brachte. 
Wir  erhalten  nicht    nur    eine  Schilderung  des  Verlaufs  der  Streitigkeiten,    sondern  auch 
eine  Inhaltsangabe    der  Komödie,  welche    die  Erscheinung  Christi  aiif  Erden  allegorisch 
behandelt.     Gott    ist   der    König    Dicaeocritus,    Christus    sein  Sohn  Zäma,    der  den  von 
Voluptas  verführten  Statthalter  Democritus  zur  Rechenschaft  zieht  und  von  diesem  zum 
Tode  verurteilt  wird.     Ferner  giebt  uns  der  Vf.  eine  Inhaltsübersicht  des  Gutachtens,  in 
welchem  der  Hofprediger  Weller  die  Verstösse  der  Komödie  gegen  die  reine  Lehre  nach- 
zuweisen sucht.  —  G.  Tob  1er  1*)    berichtet   über    den    Berner  Schulmann    Jakob  Anton 
Vulpius  (gest.  1684),    unter    dessen  Namen    ein  Schuldrama    in  Alexandrinern    aus    dem 
Jahre  1663  erhalten  ist:   „Einfältiges  Gespräch  zwischen  Eugenium,  Lucianum,   Martialis 
und  seinem  Jungen".    Der  fleissige  Eugenius  ist  von  Martialis  aufgefordert  worden,  mit 
ihm  in  die  Welt  hinauszuziehen,  sein  Vetter  Lucianus  bringt  ihn  aber  davon  ab :  er  könne 
in    der  Heimat  noch  manches  lernen.     Ein  anderes  Drama,  „Zweyer  Vätter  ungleich  ge- 
reisste  Kinder",    in    achtsilbigen   Versen  stellt  dar,    wie   es  dem  Eugenius  und  Martialis 
weiter  ergangen.    Bei  diesem  Stück  ist  der  Verfassername  nicht  überliefert,  doch  können 
wir  es  unbedenklich  gleichfalls  dem  Vulpius  zuschreiben.    Hier  wird  uns  eine  Unterredung 
der  beiden  Väter  vorgeführt.    Wir  erfahren  da,  wie  Eugenius  erst  in  der  Heimat  die  phi- 
losophischen Studien    absolvierte    und   später    in  Saumur    und    Leyden  —  also    an    den 
Sitzen    der    reformirten  Wissenschaft   —    mit    glänzendem  Erfolg  sich  weiter  ausbildete. 
Martialis  dagegen  hat  sich  nach  Paris  gewendet  und  ist  dort  in  einem  liederlichen  Leben 
verkommen.    Schliesslich  kehren  die  Jünglinge  aus  der  Fremde    zurück;   Eugenius  wird 
von  seinem  Vater  freundlich  begrüsst,  Martialis  von  dem  seinen  mit  Schimpf  und  Schande 
fortgejagt.     Wir  haben  es  also  hier  mit  einer  der  zahlreichen  Komödien  vom  Studenten- 
leben   zu    thun,    und    zwar    mit    der  Abart,   in  welcher  ein  liederlicher  Student  und  ein 
Musterknabe    in  Kontrastwirkung    gegenübergestellt    sind,    ähnlich  wie  dies  um  dieselbe 
Zeit  Johann  Georg  Schoch  in  semer  Komödie  vom  Studentenleben  that.    Das  Vulpiussche 
Machwerk    ist  jedoch    durchaus    undramatisch,    es    besteht    fast    ganz    aus    lehrhaften 
Dialogen,   die    mehr    für    die    Geschichte    der   Pädagogik    als    für    die    des  Dramas  von 
Interesse  sind^^).  — 

Vier  Dramen  Reuters  bringt  Ellingeri^)  zum  Abdruck,  die  beiden  Lustspiele 
von    der   Frau    Schlampampe    und    die    beiden   Harlekin- Singspiele.     In    der  Einleitung 


Warendorf,  Schnell.  40.  21  S.  —  8a)  (111,2  N.  40).  —  9)  J.  Bolte,  3  Königsberger  Zwischenspiele  aus  dem  J.  1644:  Altpr. 
Mschr.  27,  S.  112—40.  —  10)  J.  Sembrzycki,  Sprachl.  Bemerkgen.  zu  d.  3  KOnigsb.  Zwischenspielen  v.  1644.  ib.  S.  321/5. 
—  II)  J.  Bolte,  Zu  d.  Königsb.  Zwischenspielen  ▼.  1644.  ib.  S.  349—51.  —  12)  R.  Buchholz,  Erklar.  u.  Emendationen  zu 
d.  3  Königsb.  Zwischenspielen  aus  d.  J.  1644.  ib.  S.  585-98.  —  13)  Georg  Müller,  E.  Dresdner  Komödienverbot  v.  J.  1662: 
NASachsG.  12,  8.  298-309.  —  14)  G.  Tobler,  Zwei  bemische  Schuldramen  d.  17.  Jh.:  BernerTb.  1890,  S.  174-88.  — 
|[NZUrichOTZtg.N.  33;  Sonntagsbl.d.  Berner  Bund.  N.  9  (Hidber).]|  —  15)  X  K.  Heine,  J.Veiten,  d.  Begründer  d.  modernen 
Schauspielkunst  in  Deutschland:  FZ.  N.  276.  1.  Morgenbl.  (Feuilleton  n.  d.  Verfassers  Disscit.  über  Y.)  —  16)  Chr.  Reuter, 
D.  ehrliche  Erau  nebst  Harlequins  Hochzeits-  u.  Kindbetterin-Schmaus.  D.  ehrlichen  Frau  Schlampampe  Krankheit  u.  Tod. 
Her.  V.  0.   ElUnger.  (=  Neudr.  deutscher  Lilt.-Werke  d.  16.  u.  17.  Jh.    No.  90/1.)     Halle,  Niemeyer.   XXII,    142  S.   M.  1,20. 


111,4:  W.  Creizenach,  Drama  des  17./18.  Jahrhunderts.  21 

untersucht  er  die  schwierige  Frage  nach  dem  Verhältnis  des  gedruckten  Kindbetterinnen- 
schmauses  zum  Wiener  handschriftlichen  Kindtaufenschmaus,  den  er  etwas  zu  über- 
schätzen scheint.  Weiterhin  beschäftigt  er  sich  mit  Reuters  Vorbildern  und  bringt  ausser 
Bekanntem  auch  ein  paar  neue  Einzelheiten.  Die  prinzipielle  Einteilung  in  Entlehnungen 
aus  dem  Volksdrama  und  solche  aus  dem  Kunstdrama  lässt  sich  indes  für  die  komische 
Dichtung  jener  Zeit  kaum  durchführen.  — 

F.  Kuntzei'')  giebt  unter  dem  Titel  „Zur  Geschichte  vom  kranken  Königssohne" 
Nachträge  zu  einem  früher  bereits  von  ihm  veröif entlichten  Aufsatze  über  die  verschie- 
denen Darstellungen  der  Geschichte  von  Stratonica  und  Antiochus ;  in  diesen  Nachträgen 
erzählt  er  u.  a.  auch  den  Inhalt  des  Hallmannschen  Trauer-Freudenspiels  „Die  merk- 
würdige Vaterliebe  oder  der  vor  Liebe  sterbende  Antiochus  und  die  vom  Tode  errettete 
Stratonica".  Mit  Recht  hebt  er  hervor,  dass  der  Stoff  zu  einem  fünfaktigen  Drama  un- 
geeignet ist  und  dass  die  von  Hallmann  zur  Ausfüllung  der  Lücken  herbeigezogene 
Nebenhandlung  —  eine  Verschwörung  gegen  das  Leben  des  Seleucus  —  mit  der  Haupt- 
begebenheit in  keinem  Zusammenhang  steht.  — 

Joh.  Leonh.  Frischs  „Unsauberkeit  der  falschen  Dicht-  und  Reimkunst" 
—  von  L.  H.  FischeriS)  herausgegeben  —  ist  nicht  sowohl  ein  Drama  als  vielmehr 
ein  Schulaktus.  Das  Werk  zerfällt  in  zehn  Abhandlungen.  In  jeder  derselben  erscheint  ein 
„Anfänger  in  der  wahren  Dicht-  und  Reimkunst"  mit  einem  „Anführer";  alsdann  treten 
mehrere  Gruppen  von  Schülern  auf,  einer  produziert  sich  jedesmal  mit  einem  Gedicht, 
dessen  Fehlerhaftigkeit  alsdann  nachgewiesen  wird.  So  wird  zuerst  ein  Gedicht  mit 
unreinen  Reimen  vorgetragen,  dann  eines  mit  sinnstörenden  Enjambements,  dann  Ge- 
dichte mit  gehäuften  Fremdwörtern,  dann  eines  mit  geschmacklos  überladenen  mytholo- 
gischen Anspielungen,  dann  ein  ausgelassenes  Soldatenlied,  dann  das  Lied  eines  „Zeitung- 
sängers", dann  triviale  Lieder  im  volksmässigen  Ton,  Leberreime,  Rätsel,  Bilderreime 
(Verse  in  Gestalt  einer  Krone,  einer  Säule,  eines  Bären,  eines  Altars,  einer  Glocke), 
dann  ein  fehlerfreies  Gedicht,  das  aber  aus  Versen  „guter  Poeten",  nämlich  Harsdörffers, 
Knorrs,  Lohensteins  und  Hoffmannswaldaus  zusammengesetzt  ist.  Die  abschreckenden 
Beispiele  sind  mit  gutem  Humor  abgefasst,  die  Kritiken  sind  zum  Teil  gereimt  und 
lassen  uns  in  dem  Vf.  einen  tüchtigen  und  für  jene  Zeit  auch  geschmackvollen  Schul- 
mann erkennen.  Die  lateinische  Einleitungsschrift  zu  dem  Schulaktus  ist  mitabgedruckt; 
es  sollte  damit  der  126.  Stiftungstag  des  Gymnasiums  zum  Grauen  Kloster  (22.  Nov.  1700) 
festlich  begangen  werden.  Wie  die  Bilderverse  vorgetragen  worden  sein  mögen,  kann 
man  sich  allerdings  schwer  vorstellen.  Die  Einleitung  des  Herausgebers  belehrt  uns 
über  die  Person  des  Vf.,  die  Anmerkungen  enthalten  reichliche  Nachweise  über  die  ver- 
schiedenen litterarischen  Unsitten,  die  der  V£  verspottet.  — 

Noch  sind  zwei  Werke  z\ir  Theatergeschichte  einzelner  Städte  zu  er- 
wähnen, die  manche  Aufschlüsse  über  den  liier  besprochenen  Zeitraum  enthalten.  Kopp- 
manni^)  stellt  auch  für  das  17.  Jh.  die  Nacln-ichten  über  Auffülu-ungen  in  Rostock 
zusammen,  wobei  die  Darstellung  Bärensprungs  durch  einige  neue  Mitteilungen  ergänzt 
wird.  Zunächst  erwähnt  er  die  Studentenaufführungen  (1605  „Susanna",  1620  „Jakob 
und  Joseph"  und  „Hercules"),  alsdann  die  Auffülu-ungen  der  wandernden  Schauspieler. 
Hier  wird  aus  den  Akten  gezeigt,  dass  der  Rostocker  Rat  die  fremden  Komödianten, 
die  ihm  nicht  passten,  mit  grosser  Energie  zurückwies,  auch  wenn  sie  sich  der  Pro- 
tektion hochgestellter  Persönlichkeiten  erfreuten ;  das  mussten  die  enghschen  Komödianten 
1619  und  eine  Gesellschaft  hochdeutscher  Komödianten  1682  erfahren.  Nur  von  einem 
Stück,  das  im  Jahre  1650  aufgeführt  ward,  ist  der  Titel  erhalten:  „Vom  Krieg  zwischen 
Spanien  und  Portugal,  vom  klugen  Narren,  mit  einem  Ballet  und  lustigen  Aufzuge". 
Ich  vermute,  dass  damit  eine  Bearbeitung  von  Kyds  „First  part  of  Jeronymo  and  spa- 
nish  Tragedy"  gemeint  ist.  Sehr  ausführlich  berichtet  K.  über  die  Angriffe  der  Geist- 
lichkeit gegen  das  Theater.  Der  Prediger  Joachim  Schröder  polemisierte  1642  und  1651 
gegen  die  Aufführung  von  Komödien  des  Plautus  und  Terenz  durch  die  Schüler,  ebenso 
1650  (1651?)  gegen  die  Berufsschauspieler;  er  erwähnt  in  seiner  Polemik  ein  Stück,  in 
welchem  die  Geschichte  des  Actaeon  vorkam.  1683  entstand  zwischen  dem  Rat  und 
der  Geistlichkeit  ein  Streit  wegen  eines  Quacksalbers,  der  ein  Puppenspiel  aufführte,  in 
welchem  eine  der  beliebten  Scenen  zwischen  dem  Tod  vmd  der  lustigen  Person  vor- 
gekommen sein  muss.  —  Sittard 20)  stellt  die  Geschichte  der  Musik  und  des  Theaters 
am  Stuttgarter  Hofe  nach  archivalischen  Quellen  dar.  Der  vorliegende  1.  Band  ist 
hauptsächlich  musikgescliichtlichen  Inhalts.     Hier    ist  der  Vf.  offenbar    mehr    zu  Hause 


|[LCB1.  N.  51  (Creizenach);  LMerkur  10,  S.  369  ( Wollerner).]  1  —  17)  F.  Kuntze,  Z.Geschichte  v.  kranken  Königssohne: 
Grenzb.  49,  S.  227—38.  —  18)  Joh.  Leonh.  Frisch,  Schulspiel  v.  d.  Unsauberkeit  d.  falschen  Dicht-  u.  Keimkunst 
her.  T.  L.  H.  Fischer:  SVGBerlin,  H.  26.  Berlin,  Mittler  &  Sohn.  XX,  65  S.  M.  1,60.  |  [NatZg.  N.  192.]  1  -  19)  K.  Kopp  mann, 
Z.  Gesch.  d.  dram.  Darstellungen  in  Rostock  im  16.  u.  17.  Jh.:  BGRostock.  S.  37-62.  (Vgl.  o.  N.  2.)  —  20)  J.  Sittard, 
Z.  Gesch.  d.  Muaik  u.  d.  Theaters  am  Württemberg.  Hofe.  1.  Bd.  1458-1733.  Stuttgart,  Kohlhammer.  X,  354  S.  M.  5,00. 
|[Creizen»ch:    LCBl.   N.  27;   N&S.   64,    S.   267;   Eitner:     MhMubikG.    22,    S.   45;7;    HambCorr.   N.    126;    Üesellsohaft 


22  111,4:  W.  Creizenach,  Drama  des  17./18.  Jahrhunderts. 

als  in  der  Theatergeschichte,  wo  er  wohl  gethan  hätte,  sich  auf  Mitteilung  des  von  ihm 
neu  gefundenen  Materials  zxi  bescliränken.  Was  er  im  allgemeinen  über  die  deiitsche 
Theatergeschiclite  jener  Zeit  zu  sagen  weiss,  beruht  auf  sehr  mangelhafter  Sachkenntnis. 
Flir  die  Vorstellungen  der  englischen  Komödianten  in  Stuttgart  ergeben  die  Akten 
wenig  Neues,  und  dies  Wenige  ist  leider  nicht  ausführlich  mitgeteilt.  Um  so  reichhaltiger 
ist  die  Ausbeute  für  die  Haupt-  und  Staatsaktionen,  von  denen  sich  mehrere  in  Stutt- 
gart hs.  erhalten  haben.  S.  teilt  die  Titel  mit,  und  es  wäre  erwünscht,  wenn  jemand 
diese  Stücke  genauer  untersuchen  wollte.  Die  Titel  lauten:  „Die  heillose  Königin  Odo- 
mire",  „Die  bestrickte  und  wieder  erquickte  Prinzessin",  „Glück  und  Liebstück"  (Liebes- 
streit?), offenbar  nach  Calderons  „Lances  de  amor  y  de  fortuna".  Das  erste  Stück  hat 
der  Pickelhäring  Janetzky  der  Herzogin  Magdalena  Sibylla  dediziert.  Ein  Titel  bringt 
uns  einen  merkwürdigen  Beleg  dafür,  dass  auch  noch  in  der  Restaurationszeit  das  eng- 
lische Drama  auf  das  Repertoir  der  Wandertruppen  einwirkte;  ein  „englischer  Künstler", 
Kaspar  Spannagel,  übersetzte  die  „Comoedia  genannt  der  spanische  Münch  (the  spanish 
friar,  1681)  von  Johann  Dryden  höchstberühmten  Poeten."  Die  musikgeschichtlichen 
Teile  des  Werkes  enthalten  dankenswerte  Mitteilungen  über  die  Operntexte.  — 

Ferner  sind  zwei  kleine  Beiträge  ziir  Geschichte  der  hamburgischen  Oper 
zu  erwähnen.  Chrysander^i)  beschreibt  das  grosse  Modell  vom  Tempel  Jerusalems, 
das  der  Ratsherr  Gerhard  Schott  in  Anlehnung  an  Posteis  Oper  „Die  Verstöhrung 
Jerusalems"  1692  mit  ungemeinen  Kosten  (nach  heutigem  Werte  über  100000  Mark) 
hatte  herstellen  lassen.  Eine  Zeitlang  war  es  in  Hamburg  im  Opernhaus  am  Gänse- 
markt zu  sehen,  1725  wurde  es  in  London  ausgestellt,  wo  auch  eine  Beschreibung  mit 
Kupferstichen  erschienen  ist  (Exemplar  in  der  Hambtirger  Stadtbibliothek).  —  Die 
Musikgesellschaft  in  Zürich 23)  giebt  in  ihrem  Neujahrsblatt  eine  Uebersicht  über  die 
Gesclüchte  der  Oper  in  Deutschland,  dazu  die  Nachbildung  des  Titelblattes  von  Keisers 
„Hannibal".  — 

Pur  die  Geschichte  der  Beziehungen  des  deutschen  Dramas  zum  Aus- 
land bringt  Paludan23)  einen  interessanten  Beitrag.  Er  erörtert  die  Präge,  inwieweit 
Holberg  von  dem  deutschen  Drama  abhängig  sei;  es  kommen  bei  seiner  Untersuchung 
hauptsächlich  deutsche  Dramen  des  17.  Jh.  in  Betracht.  Wenn  Holberg  in  seinem 
„Jakob  von  Thybo"  einen  prahlerischen  Soldaten  und  einen  Pedanten  gegenüberstellt, 
so  könnte  er  die  Anregung  hierzu  durch  den  „Horribilicribrifax"  des  Andreas  Gryphius 
erhalten  haben.  Pur  die  Satire  gegen  die  Wochenstubenvisiten  in  dem  Lustspiel  „Barsel- 
stuen"  konnte  Holberg  nach  P.s  Ansicht  in  der  „Wochencomödie"  des  Wigandus  Sex- 
wochius  Bohemus  (1662)  möglicherweise  ein  Vorbild  finden,  ebenso  für  den  „Politischen 
Kannegiesser"  in  dem  „Verwirrten  Haus  Jakob"  von  Barthold  Feind;  in  beiden  Fällen 
hätte  jedoch  Holberg  lediglich  die  Grundidee  in  den  allgemeinsten  Zügen  aus  den  deut- 
schen Werken  entnommen.  Dagegen  wendet  sich  Holbergs  Satire  wiederholt  gegen  die 
deutsche  Litteratur,  im  „Kannegiesser"  gegen  die  Staatsromane  und  ähnliche  Produkte, 
im  „Ulysses"  gegen  die  Haupt-  und  Staatsaktionen.  Gelegentlich  der  Besprechung  des 
„Ulysses"  stellt  P.  zusammen,  was  sich  von  Ankündigungszetteln  der  Haupt-  \ind  Staats- 
aktionsspieler in  Dänemark  erhalten  hat;  auch  berichtet  er  über  eine  Sammlung  von 
deutschen  Dramen  aus  den  Jahren  1625 — 1680  in  der  Kopenliagener  Universitätsbiblio- 
thek. In  dieser  Sammlung  befindet  sich  unter  anderm  ein  „Poetisches  Freudenspiel  von 
des  Ulysses  Wiederkunft  in  Ithaken"  1668,  das  indes  nach  Inhalt  und  Stil  keine  Be- 
rührungspunkte mit  der  Holbergschen  Komödie  aufweist.  —  Haek^*)  undLooten^s)  be- 
handeln Vondels  Leben  und  Werke,  der  eine  in  einem  populären  Vortrag,  der  andere 
in  einer  sorgfältigen  und  gründlichen  Monographie ;  der  Einfluss  Vondels  auf  das  deutsche 
Drama  findet  jedoch  bei  beiden  keine  eingehendere  Berücksichtigung.  — 

Engel26)  hat  den  Text  des  Volksschauspiels  vom  Doktor  Faust,  der 
bereits  in  dem  ersten  Heft  seiner  deutschen  Puppe nkomödien  (1874)  erschienen  ist, 
abermals  zum  Abdruck  gebracht  und  zwei  Scenen  eingefügt,  die  sich  auf  Fausts  Vater 
beziehen,  eine,  wie  Faust  seinen  Vater,  der  ilin  warnen  will,  zur  Thür  hinausweist,  eine 
andere,  wie  er  in  der  Nacht  auf  dem  Friedhof  der  Leiclie  seines  Vaters  das  Herz  aus- 
reissen  will.  Was  E.  über  die  Herkunft  dieser  Scenen  bemerkt,  ist  sehr  unklar,  für  die 
Scene  am  Grabe  des  Vaters  hat  er  vermutlich  den  Bericht  F.  L.  W.  Meyers  über  die 
Faustaufführungen  bei  der  Kurzschen  Truppe  benutzt.  Als  Anhang  giebt  er  mehrere 
einzelne  Scenen;    die    erste  darunter   ist  aus  der  Hs.  von  Schmieders  „Faust"    entlehnt 


8.  1245;  Reimann:  BLU.  N.  44;  NWUrzburgZg".  N.  24;  SchwabMerV.  N.  12ö.]|  —  21)  F.  Chrysander,  Der  Tempel 
Salomonl«:  HambCorr.  N.  87.  —  22)  D.  Gesch.  d.  Oper  in  Deutschland:  8.  Neigahrsbl.  d.  allgem.  Mnsikgesellsch.  in  ZUrich. 
Zürich,  Orell,  Fttssli.  40.  25  S.  |[NZUrichZg.  N.  53.]|  —  28)  J.  Paludan,  Holbergs  Forhold  til  det  aeldre  tyske  Drama. 
Kopenhagen,  Bianco  Lunos,  Kgl.  Hof-Bogtrykkeri.  66  H.  (S.-A.  aus  HTd-  6.  R.  II.)  —  24)  D.  Haek,  Justus  van  den 
Vondel.    (=  Samml.    gemeinTerst.    wissenschaftl.  Vortrr.    NF.    Ser.  5.    Heft  108.)     Hamburg,  Verlagsanstalt.  44  S.    M.  0,50.  — 

25)  C.   Looten,   Etudo   litt^raire    sur    le   po6te    N6«rla..aai8   Vondol.     Brüssel,    Soci6t6    Beige  de  Librairie.     1889.  322  8.  — 

26)  Deutsche  PuppenkomOdien  9.    D,  beiden  alten  deutscben  Volksschauspiele  v,  Dr.  Job,  Faut>t  u.  Chr.  Wagner  usw,  her.  t. 


111,4:  W.  Creizenach,  Drama  des  17. /18.  Jahrhunderts.  ;23 

und  enthält  eine  Umarbeitung  der  Perhcke-Perlacke-Scene,  bei  den  anderen  fehlt  die 
Quellenangabe.  Das  Volksschauspiel  von  Cliristoph  Wagner,  Fausts  Famulus,  das  im 
5.  Band  der  Puppenkomödien  in  unvollständiger  Gestalt  abgedrxickt  war,  erscheint  hier 
„nach  verschiedenen  Lesarten  vervollständigt".  —  Tille^^-ss^  hat  das  Volksschauspiel 
vom  Doktor  Faust  in  einer  Fassung  publiziert,  die  1889  auf  dem  Sommertheater  zu 
Plagwitz  bei  Leipzig  aufgeführt  wurde.  Es  ist  das  insofern  interessant,  als  es  sich  hier 
um  eine  Darstelhmg  mit  lebenden  Personen  handelt,  während  das  Stück  ja  sonst  in 
unsrer  Zeit  auf  das  Puppentheater  beschränkt  blieb.  Der  Text  ist  offenbar  durch  Kon- 
tamination aus  dem  Strassbm^ger  und  Augsburger  Puppenspiel  entstanden,  die  Ab- 
weichungen bezielien  sich  zum  Teil  auf  politische  Tagesereignisse,  sie  enthalten  nichts, 
was  auf  alte .  Tradition  zurückwiese.  —  An  einem  andern  Ort  berichtet  Tille  29)  über  ver- 
schiedene Fassungen  des  alten  Volksschauspiels,  u.  a.  über  die  Puppenkomödie,  die 
Kralik  und  Winter  1885  herausgaben,  und  knüpft  daran  eine  Darlegung  der  historischen 
Entwicklung  des  Stückes.  —  Kollmann^O)  gab  eine  vorläufige  Mitteilung  über  die  von 
ihm  geplante  Ausgabe  einer  Sammlung  von  Puppenspielen ^i),  die  er  selber  im  Verkehr 
mit  fahrenden  Leuten  zusammengebracht  hat.  — 

La  Reulings32)  Monographie  über  die  komische  Figur  gehört  das  fünfte 
Kapitel  (Englische  Komödianten)  zum  Teil,  das  achte  (Dramen  aus  der  Zeit  des  30j. 
Krieges)  vollständig  in  die  Litteraturgeschichte  des  17.  Jh.  Das  letztere  Kapitel  lässt 
viele  wichtige  Erscheinungen  unberücksichtigt,  die  Auswahl  der  besprochenen  Stücke 
ist  durchaus  willkürlich  und  prinziplos  getroffen:  Hollonius'  „Somnium  vitae  humanae", 
Mitternachts  „Politica  Dramatica",  die  Dramen  Filidors  und  Hallmanns,  das  Volksschau- 
spiel vom  Doktor  Faust;  das  neunte  Kapitel  beschäftigt  sich  mit  Weise,  das  zehnte  mit 
Stranitzkys  „OUa  Potrida".  Einen  wirklichen  Ueberblick  über  die  Entwicklung  der 
komischen  Figur  kann  man  aus  R.s  Darstellung  auch  schon  deshalb  nicht  gewinnen, 
weil  er  sich  begnügt,  bei  jedem  Dichter  festzustellen,  welche  Motive  sich  bei  seinen 
deutschen  Vorgängern  finden:  die  ausländischen  Einflüsse  lässt  er  gänzlich  unberück- 
sichtigt. Doch  auch  in  dieser  Beschränkung  zeigt  er  sich  nicht  als  Meister.  Indes 
kann  es  nicht  fehlen,  dass  seine  Darstellung  für  diejenigen,  welche  die  betreffenden  Stücke 
nicht  kennen,  manches  Interessante  bietet.  Am  besten  ist  verhältnismässig  der  Abschnitt 
über  die  „011a  Potrida".  —  Eugen  Wolff^^)  und  R  M.  Werner^-t)  handeln  über  das  Vor- 
kommen des  Namens  Hanswurst  vor  Stranitzky;  beide  wiederholen  manche  bekannte  Daten, 
doch  bringen  sie  auch  einige  neue  Nachweise;  interessant  ist  Werners  Beschreibung 
von  Hanswurstbildern  im  Salzburger  Museum.  —  Das  Fortleben  der  lustigen  Person 
wird  unter  dem  Titel  „Zur  Naturgeschichte  des  Clowns"  von  einem  „Signor  Salta- 
rino"35)  behandelt.  Seine  Angaben  über  die  Narren  gestalten  der  Bühne  in  früherer 
Zeit  sind  sehr  ungenau;  dagegen  weist  er  mit  offenbarer  Sachkenntnis  nach,  wie  die 
stehenden  komischen  Figuren,  da  sie  vom  Theater  immer  mehr  verschwanden,  im  Circus 
einen  neuen  Wirkungskreis  gefunden  haben.  Die  Clowntypen,  die  sich  hier  entwickelten, 
werden  verfolgt  bis  zur  letzten  Neuerung  auf  diesem  Gebiete,  dem  dummen  Stallmeister 
August,  „der  überall  geschäftig  zugreift  und  doch  allen  andern  im  Wege  ist  und  selbst 
nichts  thut".  —  Für  die  Wiener  Theater  Verhältnisse  in  der  Epoche  der  Herrschaft  Hans- 
wursts ist  ein  Dokument^^-sT)  yon  Wichtigkeit,  das  „nach  einer  aus  der  Zeit  des  Ori- 
ginals stammenden  Abschrift"  mitgeteilt  wird.  Es  ist  dies  ein  Theaterprivileg,  unter- 
zeichnet „Wienn  den  12.  Mart.  728".  Im  Namen  des  Kaisers  wird  zwei  Unternehmern, 
Francesco  Borolini  (Borosini)  luid  Josef  Sellier  für  zwanzig  Jaln-e  das  ausschliessliche 
Recht  zur  Veranstaltung  von  Komödienaufführungen  verliehen.  Dafür  werden  sie  aber- 
mit  hohen  Abgaben  belastet.  Nicht  nur  haben  sie  einen  monatlichen  Beitrag  an  das 
Zuchthaus  zu  zahlen,  sie  müssen  auch  während  der  ersten  drei  Jahre  ein  Drittel  des 
Reingewinns  an  das  kaiserliche  Aerar  abliefern;  für  die  folgende  Zeit  behält  sich  die 
Regierung  vor,  anstatt  des  Drittels  von  der  jährlichen  Nettoeinnahme  ein  Sechstel  von 
der  täglichen  Bruttoeinnahme,  „wie  in  Frankreich  gebräuchig",  für  sich  zu  behalten. 
Die  Art  und  Weise  der  Einkassierung  und  Kontrolle  der  Einnahmen  wird  genau  ge- 
regelt. Ausserdem  soll  die  Witwe  des  Hanswursts  Stranitzky  dafür  entschädigt  werden, 
dass  sie  von  dem  Privileg  zurücktritt,  welches  ihr  eigentlich  noch  für  drei  Jahre  ge- 
bührte.   Sie  soll  in  den  ersten  drei  Jahren  des  neuen  Unternehmens  jährlich  720  Gulden 


K.  En  gel.  Oldenburg  u.  Leipzig,  Schulze.  V,  119  S.  M.  1,60.  |[S.  u.  27.]  |  —  27)  Deutsche  Puppenkomödien.  lO.""  Dr.  Joh 
Faust.  Vülksschauspiel  v.  Flagwitzer  Sommertueater,  nach  d.  Bühnenhs.  d.  Dresslerschen  Truppe  her.  v.  A.  Tille.  Oldenburg 
u.  Leipzig,  Schulze.  V,  39  S.  M.  0,60.  |[B  ransewetter:  MLJA.  N.  39;  Fränkel:  BLU.  N.  48;  S  zamatölski:  ASNS. 
88,  S.  88/9.]  I  —  28)  X  A.  Tille,  GoetheJh.  11,  S.  201/4.  (Auszug  aus  d.  Plagwitzer  Stück  n.  Bericht  über  d.  Aufführung.) 
29)  id.,  Dr.  Faust  in  Tirol  u.  Steiermark:  NFPr.  N.  9359.  —  3C)  A.  Kollmann,  Puppenspiele:  Grenzb.  N.  50.  —  31)  X  Th. 
Ebner,  D.  Puppenspiele  u.  ihre  Gesch.:  LeipzTBl.  N.  159.  —  32)  Eeuling,  D.  komische  Figur.  S.  o.  II,  4  N.  3.  — 
33)  Eugen  Wolff,  R.  M.  Werner,  D.  Wiener  Hanswurst:  ZVLB.  3,  S.  241/5.  —  34)  B.  M.  Werner,  Y.  Hanswurst,  ib. 
S.  368—70.  —  35)  Signor  Saltarino,  Z.  Naturgesch.  d.  Clowns:  WienFrBl.  N.  86.  —  36)  v.  R.,  E.  Theater-Direktions- 
wechsel in  Wien  i.  J.  1728:  Presse  N.  239.   —   37)  X  0.  Tann -Bergler,  Studenten  als  Schauspieler:   DeutsehZg.  N.  6654. 


24  ni,4:  W.  Creizenach,  Drama  des  17. '1 8.  Jahrhunderts. 

erhalten,  und  zwar  soll  diese  Summe  von  dem  jährlichen  Reingewinn  jedesmal  abgezogen 
werden,  noch  bevor  die  obenerwähnte  Dreiteilung  des  Reingewinnes  stattfindet.  — 

Die  Oberaramergauer  Passionsspiele^'»)    haben    im  Jahre  1890  eine  reiche 
Litteratur  zu  Tage  gefördert.     Sehr    gering    ist   jedoch  die  Zahl  der  Werke,  welche  auf 
die  Geschichte  dieser  Spiele  näher  eingehen.     Für  die  Entstehiingsgeschichte    blieb  frei- 
lich nach  den   grundlegenden  Untersuchungen  Hartmanns  (1880)    kaum    noch    etwas    zu 
thun  tibrig;    er  hat  bekanntlich  nachgewiesen,  dass  der  älteste  Text  (von  1662)  aiif  Kon- 
tamination von  zwei  früheren,  aus  Augsburg  stammenden  Passionsspielen  beruht.    Für  die 
weitere    Gescliichte    des    Spiels,    bis    zu    der    Umarbeitung    durch    Ottmar  Weiss    1815, 
hat  Trautmann^s)  viele  interessante  neue  Thatsachen    ans  Licht    gefördert.     In  Bezug 
auf  die  Einschiebung  einer  Reihe  von  Stellen  aus  dem  Aelblschen  Passionsspiel,    die  im 
Jahre  1680  vorgenommen  wurde,  begnügt  sich  T.  mit  ein  paar  kurzen  Andeutungen;  er 
bemerkt  mit  Recht,  dass  durch  die  Zwiegespräche  zwischen  der  Seele  und  einem  Engel, 
die  hier  neu  eingeschoben  wurden,  schon  die  Richtung  angedeutet  ist,  nach  welcher  das 
Spiel  sich  zu    entwickeln  begann.     Ueber    die  Umgestaltungen,    die    zwischen  1680    und 
1750  vorgenommen  wurden,  weiss  er  nichts  mitzixteilen,  da  die  Texte  aus  dieser  Zeit  in 
Oberammergau  nicht  mehr  aufzufinden  sind.    Ausführlicher  bespricht  er  die  Umarbeitung 
des  Ettaler  Benediktiners  Ferdinand  Rosner  (1750),  die  ihm  in  einer  Hs.  der  Bibliothek 
des    Münchener    Metropolitankapitels    vorlag.      Rosner    operiert    hauptsächlich    mit    den 
Effektmitteln  der  Jesuitenbühne ;  von  bleibendem  Einfluss  auf  die  spätere  Gestaltung  der 
Oberammergauer  Bühne  wurde  er  vor  allem   durch    die  Einführung  der  „Schutzgeister", 
welche  die  „Exhibitionen"  aus  dem  alten  Testament  erläutern.    Der  Kampf,  den  alsdann 
die  Oberammergauer  im  Zeitalter  der  Aufklärvmg    mit  den  Behörden    um    ihr  Passions- 
spiel führen  mussten,   wird  auf  Grund  archivalischer  Quellen  sehr  anschaulich  und  lehr- 
reich geschildert.    In  Bezug  auf  die  späteren  Umarbeitungen  durch  Knipfelberger,  Weiss 
und  Daisenberger    beschränkt    sich   T.    auf  kurze  Andeutungen.     Dagegen    bespricht    er 
ausfülu-lich    die  Oberammergauer  „Mysterienbühne"    und  vertritt    die  von    manchen    mit 
Unrecht  angezweifelte  Thatsache,    dass  diese  Bühne  denselben  Typus  aufweist,    wie  der 
Mustertheaterbau  der  Renaissance,  das  teatro  olimpico  in  Vicenza.     Er  zeigt,  wie  dieser 
Tjrpus  durch  Vermittlung  der  Jesuitenbühne  seinen  Weg  auf  das  Bauerntheater  fand.  — 
Panitza^ö)  bespricht  auf  Grund  der  Oberammergauer  Hs.  aus  dem  17.  Jh.  die  Rolle  des 
Teufels  im  Passionsspiel,    zunächst  den  Teufelsprolog,    der    aus  Aelbls  Passionsspiel    in 
den  Text  eingeschoben  wurde,  sodann  die  Scenen  zwischen  den  Teufeln  und  Judas  und 
die  Scene  von  Christi  Höllenfahrt    Auf  eine  gründliche  Untersuchung  der  Quellen  lässt 
er  sich  nicht  ein ;  der  Teufelsprolog  mit  der  ironischen  Aufforderung  zur  Unaufmerksam- 
keit findet  sich  schon  in  Wickrams  „Tobias"  (1551)  und  in  Schlayss'  „Joseph"  (1593).  — 
Mehrere  Schriftsteller  haben  die  Geschichte  des  Oberammergauer  Spiels  40-49)  mj^  Hervor- 
hebung   einiger  Hauptpunkte,    jedoch    nicht    mit    gleichmässiger  Berücksichtigung    alles 
Wesentlichen,    in  anziehender  populärer  Form  dargestellt ^"-53),     Eine    klare,    gründliche, 
das  gesamte  vorhandene  Material  verwertende    litterarhistorische  Behandlung   des  dank- 
baren Themas  ist  leider  noch  immer  nicht  vorhanden.      Dankenswert    ist  es,    dass  dies- 
mal der  ganze  Text^*)    durch    den  Druck  bequem  zugänglich    gemacht  wiu-de,    während 
man  früher  nur    den  Text    der  Gesangsstücke    zur  Hand    hatte    und    sich    für    den    ge- 
sprochenen Text  mit  den  stenographischen  Aufzeichnungen  Wyls    begnügen    musste.  — 
Auch    eine    Umarbeitung    des    gesprochenen    Prosatextes  in    Jamben,    die    der    Pfarrer 
Daisenberger^ß)  (gest.  1883)  hs.  hinterlassen  hat,  ist  nunmehr  im  Druck  erschienen.  —  Die 
zahlreichen  Aufführungsberichte   und  Touristenwegweiser s^-el)^    so    dankenswert    sie    an 


(Aus  d.  Wiener  Theatergescli.  d.  16—18.  Jh.)  —  37a)  (1,4  N.  88)  —  38)  K.  Trautmann,  Oberamraergau  u.  sein  Passionsspiel. 
(=Bayer.  Bibl.  her.  v.  Reinhardstö ttner  u.  Trautmann:  Bd.  15.)  Bamberg,  Buthner.  108  S.  M.  1,40.  ItLCBl.  N.  33; 
HPBll.  106,  S.  234;  AZg.  N.  212.]  |  —  39)  O.Panitza,  D.Teufel  im  Oberammergauer  Passionsspiel:  Gesellschaft.    S.  997—1022 

—  40)  X  P-  Schien ther,  D.  Passion  in  Oberammergau:  VossZgS-  N.  20.  —  41)  X  J-  Elias,  D.  Oberammergauer  Passions- 
spiel: Nation».  7,  S.  518—20.  —  42)  X  F-  Lemmermay er,  D.  Passionsspiel  in  Oberammergau:  Monatsbände.  März  1891. 
Teschen,  Prochaska.  43)  X  K.  Kiniel,  D.  Passionsspiel  in  Oberammergau:  ReichsboteS-  N.  25/6.  —  44)  X  W.  Kawerau, 
Kunstgesch.  Skizzen.  Halle,  Niemeyer.  192  S.  M.  3,00.  (S.  97—151.)  —  45)  X  S.  M.  Prem,  D.  Passionsspiel  zu  Ober- 
ammergau: WienZg.  N.  127/8.  —  46)  X  Gemming,  D.  Passionsspiel  in  Oberammergau:  FränkKur.  N.  18.  —  47)  X  D- 
Passionsspiel  in  Oberammergau  i.  J.  1890.  D.  Gesch.  d.  Passionsspiels.  D.  Darstellung  d.  Passion.  Erläut.  Ausfuhr.  Zahlr. 
Illustr.  usw.  2.  Aufl.  München,  Schuh  &  Co.  26  S.  M.  0,20.  —  48)  X  F.  Lemmermayer,  Aus  d.  Passionsdorfe:  WienFrBl. 
N.  142.  —  49)  X  Adolf  Stern,  D.  Passionsspiele  in  Oberammergau  nebst  Anh.:  Wanderung  durch  die  Ostschweiz.  3.  Ausg. 
Leipzig,  Reinboth.  108  S.  M.  1,00.  —  50)  Hyacinth  Holland,  D.  Entwicklung  d.  deutschen  Theaters  im  Mittelalter  u.  d. 
Passionsspiel  in  Oberammergau.  2.  Aufl.  München,  MerhofF.  66  S.  M.  1,00.  —  51)  W.  Wyl,  Maitage  in  Oberammergau.  E. 
artist.  Pilgerfahrt.  Mit  d.  z.  1.  Mal  veröfl'entl.  Text  d.  Passionsdramas,  3  Proben  aus  Dedlers  Musik  u.  d.  Bildnissen  d.  Haupt- 
darsteller. 2.  Aufl.  Zürich,  Schmidt.  X,  143  u.  135  S.  M.  2,00.  —  52)  F.  Gross,  Oberaramergauer  Passionsbriefe.  Neue 
Aufl.  Leipzig,  Elischer.  57  S.  M.  1,00.-68)  C.  A.  Regnet,  Nach  Oberammergau)  Wohlunterrichteter  Begleiter  z.  Passions- 
spiele, welcher  sagt,  wie  d.  Spiel  entstand  usw.,  neu  bearb.  v.  A.Enge  Im  an  n.  5.  Aufl.  München,  Ackermann.  16«.  94  S.  M.  0,60. 

—  54)  Oesamttext  d.  Oberammergauer  Passionsspiels  v.  1890.  Getreuer  Wortlaut  d.  Gesangs-  u.  Prosa-Textes.  MUnchen, 
Litterar.  Inst.  12*.  143  S.  M.  1,40.  —  £6)  J.  A.  Daisenberger,  Text  d.  Oberammergauer  Passionsspiels  in  poetischer 
Umarbeitung.  Mit  e.  Vorwort  v.  C.  t.  Brentano.  München  u.  Oberammergau,  Korff.  VIII.  222  S.  M.  1,50.  —  56)  X  Hermann 
Roth,  Im  Passionstheater.    E,  Führer  durciti  Passionsspiel.    München,  Litterar,  Inst.    57  S,    M,  0,50,  —  57)  X  C,  v.  Bren- 


111,4:  W.  Creizenach,  Drama  des  17./18.  Jahrhunderts.  25 

sich  sein  mögen,  verdienen  in  iinserm  Bericht  keine  Besprechung.  —  Die  Zeit- 
schrift „Oberammergau er  Blätter" ^2)  jgf,  vor  allem  wegen  ihres  reichen  bildlichen 
Schmucks  bemerkenswert.  Es  sind  von  ihr  fünf  Nummern  mit  deutschem,  französischem 
und  englischem  Paralleltext  erschienen.  Unter  den  Mitarbeitern  ist  vor  allem  Sepp  zu 
erwähnen,  der  die  Passionsspiele  schon  seit  1850  kennt.  Sein  Aufsatz  „das  Passions- 
spiel in  Oberammergau"  zieht  sich  durch  die  drei  ersten  Hefte;  S.  bemüht  sich  hier 
nachzuweisen,  dass  die  Vertreibung  der  Wechsler  aus  dem  Tempel  im  Oberammergauer 
Text  zu  sehr  als  Hauptursache  der  Passion  in  den  Vordergrund  gestellt  wird.  —  Wyl^^^ 
widmet  dem  Darsteller  Christi,  Joseph  Mayr,  „als  Menschen  und  Künstler"  eine  sehr  weit- 
läufige Besprechung.  — 


111,5 

Didaktik. 

Julius  Elias. 

Religiöse  Bestrebungen:  Leibniz  und  Antoinette  Bourignon  N.  1.  —  Zinzendorf  N.  2.  —  Sprachgesell- 
schaften: Zesen  N.  7.  —  Pegnesischer  Blunienorden  N.  8.  —  Satiriker:  Moscherosch  N.  10.  —  Lauremherg  N.  12.  — 
Schupp  N.  13.  —  Abraham  a  St.  Clara  N.  15.  —  Streit  der  drei  Brüder  N.  19.  —  Nicotianische  Police!  N.  20.  —  Epigramma- 
tiker:   Grob  N.  23.  —  Wernicke  N.  24.  — Verschiedenes:  Sprichwörter  N.  25.  —  Anekdoten  N.  30.  —  ReisebUcher  N.  31.  — 

Die  Kenntnis  der  religiösen  Bestrebungen  bereichert  Bodemanni)  durch 
den  Abdruck  von  vier  Briefen,  die  Leibniz  überAntoinette  Bourignon,  die  mystische 
Religionsstifterin  und  „Mutter  der  Gläubigen",  geschrieben  hat.  Die  französisch  ab- 
gefassten  Dokumente  gehören  der  Kgl.  Bibliothek  zu  Hannover  und  liegen  nur  in  den 
Konzepten  vor.  Die  beiden  ersten  Schreiben  (1680)  sind  an  einen  Herrn  von  Brayd- 
longne  gerichtet,  der  Leibnizens  Urteil  aufgerufen  hatte,  das  dritte  (1681)  und  das  vierte 
tragen  keine  Adresse.  Sollte  der  Empfänger  nicht  jener  Herr  de  la  Barre  sein,  der, 
wie  aus  dem  ersten  Brief  hervorgeht,  wegen  der  gleichen  Erage  sich  mit  Leibniz  in 
Verbindung  gesetzt  hatte?  Der  klare,  ruhige  Denker  hält  über  die  ekstatische  Schwär- 
merin und  prophetische  Neuerin  Gericht;  sie  irrte  damals  Anhänger  werbend  durch  das 
nördliche  Deutschland.  Leibniz  ist  bestrebt,  parteilos  die  Erscheinung  anzuschauen, 
doch  xniwillkürlich  fliessen  ihm  leichter  Spott  und  feine  Ironie  in  die  Feder.  Besitze 
Antoinette,  wie  sie  vorgiebt,  „aussergewöhnliche  Gnaden",  so  können  diese  nur  bestehen 
in  „Verstand"  und  „Willen".  Viel  hat  sie  geschrieben  über  die  Tugend,  doch  sie  selbst 
hat  die  gleichen  Schwächen  wie  die  andern  Menschen.  Nicht  Eine  Wahrheit  haben 
ilu-e  Bücher  ihm  offenbart,  die  nicht  jeder  vernunftvolle  Mensch  auch  für  sich 
finden  könnte.  Er  möchte,  sich  zu  bekehren,  herzlich  gern  etwas  von  ihr  sehen,  das 
„wir  elenden  Sünder  nicht  nachahmen  können".  Ueber  den  Charakter  der  Sektirerin 
fallen  einige  bezeichnende  Worte:  Eifer  inid  Thatenlust  besitzt  sie  genug,  doch  wohl 
nicht  genug  Einsicht  und  Liebe.  Gleichwohl  erkennt  Leibniz  den  Kern  der  Lehre  an, 
insofern  sie  darauf  zielt,  die  Menschen  aus  der  Lethargie  aufzurütteln;  die  Heftigkeit 
ist  aus  ihrer  impulsiven,  temperamentvollen  Natur  zu  erklären.  B.  legt  ferner  vier 
authentische  Schriftstücke  vor,  welche  die  letzte  Lebenszeit  und  den  von  der  ost- 
friesischen Regierung  „ex  crimine  notariae  haereseos"  eingezogenen  Nachlass  der  Bourignon 
betreifen.  — 

G.  E.  von  Natzmer^),  dem  sich  die  Schätze  des  Herrenhuter  Archives  er- 
schlossen, bringt  hauptsächlich  über  die  frühe  Lebens-  und  Entwicklungsgeschichte 
Zinzendorfs    neue    Aufklärungen    in    drei    Aufsätzen,    deren    Wirkung    freilich    durch 


tano,  Führer  z.  Oberammergauer  Passionsspiel  mit  Schild,  d.  Spieltextes.  Passau,  Abt.  60  S.  M.  0,50.  —  58)  X  A.  Ach- 
teitner,  Im  Passionsdorfe.  München,  Scherzer.  48  S.  M.  0,50.  —59)  X'AIban  v.  Hahn,  Nach  Oberammergau.  Wanderung 
z.  Passionsspiel.  Mit  10  Text-Abbild.  Leipzig,  Spamer.  90  S.  M.  2,00.  |  [HambCorr.  N.  146.]|  —  60)  X  R-  Calwer,  Prakt. 
Führer  z.  Passionsspiel  1890.  München,  Administr.  d.  Oberammerg.  Blätter.  12«.  32  S.  M.  0,50.  —  öOXWaltenberger, 
D.  Passionsspiel  in  Oberammergau  i.  J.  1890.  Mit  d.  vollst.  Texte  d.  Chorges.,  e.  bist.  Einleitg.,  ausführl.  Beschreibg.  d.  leb. 
Bilder,  Beiserouten  usw.  2.  Aufl.  Augsburg,  B.  Schmid.  gr.  160.  72  s.  M.  0,80.  —  62)  Oberammergauer  Blätter.  Oberammergau 
Weekly  News,  Revue  d'Oberammergau.  Herausgeber  R.  Calw  er.  5  Hefte.  Oberammergau,  Gemeindl.  koncessionierte  Kunst-  u. 
Verlagsanst.  4".  82  S.  Jede  N.  M.  0,50.  —  63)  W.  Wyl,  D.  Christus-Mayr.  Neue  Studien  aus  Oberammergau.  Berlin,  Fontane, 
lY,  160  S.   M.  1,50.  — 

I)  E.  Bodemann,  Briefe  Leibnizens  u.  offizielle  Aktenstücke  z.  Gesch.  d.  Antoinette  Bourignon:  ZKG.  12,  S.  362—80. 
—   2)   G.  E.  V,  Natzmer,   Aus  d,  Jugendzeit  Zinzendorfs;    ConsMschr,   47,   S.  249—63,  482/9,  610/6.   —   3)   id.,   V.  d.  Eltern 


26  in,5:  J.  Elias,  Didaktik  des  17./18.  Jahrhunderts. 

eine  ungeschickte  Disposition  des  Stoffes  abgeschwächt  wird.  Der  junge  Student  der 
Rechte  muss  Halle  und  seinen  Francke  verlassen  aixf  Wunscli  des  Vormunds,  des  Feld- 
zeugmeisters  Zinzendorf,  um  in  Wittenberg  sich  weiter  zu  bilden.  Schwer  fiel  ihm  der 
Abschied  von  Halle  (8.  April  1716  an  die  Mutter),  wo  er  „dasjenige  erlernt,  was  ihm  in 
Zeit  und  Ewigkeit  glückselig  machen  kann".  lieber  Utrecht  begiebt  er  sich  nach  Paris 
im  September  1719  als  „studiosus  jvu-is,  historices  et  politices".  Der  Jüngling  tritt 
in  enge  Beziehungen  zum  Cairdinal  von  Noailles,  mit  dem  er  auch  weit  über  den 
Pariser  Aufenthalt  in  dauernder  Korrespondenz  blieb.  Um  sein  Glaubensbekenntnis 
befragt,  setzt  er  es  ihm  in  einem  französischen  Briefe  auf,  dessen  entscheidende  Stelle 
lautet:  ,,L'eglise  que  l'on  professe  ä  Rome  a  quitte  absolument  la  foi  des  apotres  .  .  . 
Notre  sentiment  est  toujours  fonde:  que  l'eglise  de  Jesus  Christ  ne  se  renferme  point 
dans  les  temples  bätis  des  mains  des  hommes,  mais  qu'elle  est  partout."  Zinzendorf 
kam  an  den  französischen  Hof  und  ward  1720  durch  die  Herzogin  Elisabeth  Charlotte 
dem  Regenten  zugeführt.  Sie  bewundert  seinen  festen  und  bescheidenen  Siiui:  ,,Hen' 
Graf,  ich  muss  Ihm  sagen,  dass  ich  wunder  Gutes  von  ihm  höre,  man  spricht.  Er  kann 
die  Schrift  fast  auswendig."  Er  muss  Paris  noch  im  Frühling  verlassen,  besonders 
wegen  der  Kosten.  Auf  dem  Nürnberger  Gute  seiner  Tante,  der  Gräfin  von  Polheim, 
verliebt  er  sich  in  die  hübsche  Base  Juliane.  Das  Mädchen  erwiedert  diese  Liebe  und 
würde  sich  für  ihn  entschieden  haben,  wenn  ihre  Hand  nicht  schon  dem  Bruder  gehört 
hätte.  Zinzendorf  reisst  sich  los  und  eilt  zu  den  Seinigen.  Von  seinen  Verwandten  lässt 
er  sich  zum  Staatsbeamten  machen,  weil  er  den  „Beruf  des  Gehorsams"  fühlt,  doch  er 
setzt  sich  zuvor  mit  seiner  Grossmutter,  Henriette  von  Gersdorff,  auseinander.  Gegen 
seinen  Willen  geht  er  in  den  Dienst,  weil  er  glaubt,  dass  ,,im  Lande  ein  grösserer 
Segen  auf  ihn  warte".  Doch  der  Himmel  hat  es  für  jetzt  anders  gewollt,  und  so  wird  er 
sich  der  neuen  Sache  ,, ernstlich  und  munter  annehmen".  Dann  folgt  ein  Bekenntnis, 
das  in  seine  Seele  leuchtet:  „Ich  kann  nach  der  wenigen  Einsicht  in  die  oeconomie 
Gottes  anders  nicht  schliessen,  als  dass  es  in  der  That  wahr  sei,  dass  Gott  mich  Un- 
würdigen zu  einem  Werkzeug  und  Mitarbeiter  an  seiner  Philadelphischen  Gemeine  er- 
sehen habe."  In  einer  Reihe  von  Briefen  und  Billets  (Jan.  1719  bis  Sept.  1722)  giebt 
Carl  Dubislav,  Zinzendorfs  Stiefbruder,  mit  kindlicher  Zärtlichkeit  seiner  Bewunderung 
für  den  fertigen  Mann  Ausdruck,  in  dem  er  ein  leuchtendes  Vorbild  sieht. 
Er  beteiligt  sich  an  Zinzendorfs  Uebertragung  von  Arnds  „Wahrem  Christentum"  und 
sendet  ihm  allerlei  Aufsätze,  Reden  und  Gedichte  als  Zeugnisse  seines  Fleisses.  — 
Zinzendorfs  Mutter  3)  scliildert  in  ihren  Aufzeichnungen  ihre  peinliche  Lage  nach  dem 
Tode  des  ersten  Mannes  und  ihre  Anstrengungen,  für  sich  und  ihren  Kleinen  das 
Väterliche  zu  retten.  Es  war  eine  ruhige,  ernste  Neigung,  die  sie  mit  dem  General 
V.  Natzmer  zusammenfülu*te.  Natzmer  nimmt  sich  des  Knaben  an  und  lässt  ihn  auf 
seine  Kosten  erziehen,  doch  mit  dem  idealen  Teile  der  Ausbildung  will  er  nichts  zu 
schaffen  haben.  Der  Musterbrief  einer  grossgesinnten,  frommen  Mutter  ist  das  um- 
fassende Ermahnungsschreiben  (16.  Dez.  1721),  worin  die  Generalin  die  Heiratspläne 
ihres  Sohnes  nach  allen  Richtungen  hin  erwägt.  Die  Komposition  des  Schriftstückes 
ist  geradezu  künstlerisch,  der  Ausdruck  zeigt  wahrhaft  poetische  Wendungen.  Sie 
möchte  den  Sohn  in  strengste  Selbstprüfung  leiten,  xmd  dauert  sein  Entschluss  über 
Stunde  und  Tag,  so  wird  auch  sie  mit  der  Einwilligung  nicht  zögern.  Unter  dem 
9.  Mai  1722  antwortet  Zinzendorf:  seine  Wahl,  Erdmuth  Gräfin  Reuss,  steht  fest;  er 
will  aus  den  Herzenswirrungen  der  letzten  Jahre  herauskommen.  In  den  grossen  finan- 
ziellen Schwierigkeiten  der  Familie  während  der  späteren  Zeit  beweist  er  der  Mutter 
ein  hochhei'ziges  Entgegenkommen 4).  Am  18.  Juni  1739  schreibt  er:  „Wie  ich  meiner 
unsiclitbaren  Mutter  Jerusalem,  die  da  droben  ist,  unsichtbar  ergeben  bin,  so  will  ichs 
an  der  sichtbaren,  der  auch  auf  mancherlei  Art  sauer  worden  bin,  beweisen."  Ueber 
seine  Missionsreisen  und  die  Entwickelung  der  Kolonie  giebt  die  Korrespondenz  be- 
deutsame Kimde.ö-'')  — 

Mit  aer  Geschichte  der  Sprachgesellschaften  hängt  die  Arbeit  Dissels'') 
zusammen,  welche  eine  abschliessende  Monographie  über  Zesen  vorbereiten  soll.  Zur 
Hauptaufgabe  hat  sich  der  Vf.  gemacht,  für  die  Lebensbeschreibung  die  sichersten  Grund- 
lagen zu  gewinnen.  M.  Gebhards  Studie  (1888)  gewährt  ein  unvollkommenes  Bild,  weil 
die  Hss.  der  Hamburger  Stadtbibliothek  nicht  benutzt  wurden  und  auch  der  gedruckte 
Stoff  dem  Vf.  keineswegs  vollständig  ersclilossen  war.     D.  nun  verzichtet  im  grossen 


Zinzendorfs:  ConsMschr.  46,  S.  1272—82  u.  47,  S.  30/7.  —  4)  id.,  Zinzendorf  im  Verhältnis  zu  seiner  Mutter:  ConsMschr.  47, 
S.  142—64.  —  5)  X  H.  Reuter,  Graf  Zinzendorf  u.  d.  Gründung  d.  BrUdorRemoinde:  ZKG.  12,  S.  1—20.  (Vf.  bestimmt  d. 
geschio.htlichen  Bedingungen,  aus  denen  Zinzendorfs  Schöpfung  erwuchs.)  —  6)  X  S.  Eck,  Zinzendorf  u.  seine  Nachwirkung 
in  d.  Gegenwart.  Nebst  e.  Anhang:  D.  soziale  Krisis  u.  d.  evang.  Kirche.  Leipzig,  Grunow.  VllI,  104  S.  M.  2,00.  (Sonderabdr. 
aus  Bd.  4  d.  , Christi.  Welt".  Vf.  sucht  vorhandene  Forschungen  u.  Anschauungen  zu  popularisieren,  zumal  nach  Ritschi,  Titzen 
11.  B.  Becker.  Er  giebt  reichliche  AuszUge  aus  d.  Werken  Zinzendorfs.)  —  7)  K.  Dissel,  Philipp  v.  Zesen  u.  d.  Deutsch- 
tfesinnte  Genossenschaft.    Progr.  d.  Wilhelmsgymn.    Hamburg,  Herold.    40.   66  S.    M,  2,50.    UHambCorrB.   N.  16;   ZADSprV.  5. 


111,5:  J.  Elias,  Didaktik  des  17./18.  Jahrhunderts.  27 

und  ganzen  auf  eine  ästhetische  und  kritische  Würdigung;  darüber  aber  lässt  er  keinen 
Zweifel,    dass  sein  künftiges  Buch   sich   als  eine  massvolle  Rechtfertigungsschrift  geben 
wird.     Das   Wort   „Zesen"   soll   erst  vom  Dichter  aus   dem  ramiliennamen  Caesius  ge- 
prägt worden   sein.     Auf  der  Lateinschule  in  Halle  weilit  Rektor  Gueintz   den  Knaben 
in  seine  gelehrten  Beschäftigungen  ein,  indem  er  u.  a.  ihm  eine  orthographische  Studie 
zur  Abschrift  übergiebt.  Es  steht  jetzt  fest,  dass  Zesen  während  des  Sommersemesters  1641  in 
Leipzig  studiert  hat,  nachdem  er  spätestens  im  März  Wittenberg  verlassen.    Den  Magister- 
grad hat  er    erworben,    nicht  usurpiert,    in    Leipzig   oder    in    Wittenberg.      Seine    An- 
kunft in  Hamburg  fällt  bestimmt  in  den  Oktober  1641 ;  dort  findet  er  in  dem  Wittenberger 
Theologen    Hülsemann,    dem  Vertrauten    seines  Vaters,    einen    Führer.     Ln    Jan,    1642 
hält  er  sich   zeitweilig  zu  Reinbeck  auf     Die  nächste  Zeit  bringt  die   Annäherung    an 
Rist.     Zwei  Schreiben,    welche  D.   zum   ersten  Male  veröffentlicht,    widerlegen  die  Ver- 
mutung,   es   sei  gleich   am  Anfang  zu   einem  Bruch   gekommen.     Der  Pastor    bittet    am 
4.  April  1642  unter  freundschaftlichen  Ausdrücken,  ihm  eine  Druckprobe  seiner  „Galathea" 
zu  besorgen,  die  bei  Jacob  Rebenlein  herauskommen  sollte,   und  die  „Ausfertigung"  des 
Werkes  zu  überwachen.     Auch  der  zweite  Brief  (24.  Aug.  1644)  zeigt  noch  Wendungen 
der  Ergebenheit.     Im   Sommer    1642    durfte  Zesen    seine    früheren  Beziehungen    zu    der 
Schlesierin  D.  E.  v.  Rosenthal  erneuern,    mit  der  ihn   übrigens,    wie  D,  gegen  Gebhard 
nachweist,  keineswegs  ein  Herzensband  einte.     Die  „Rosenwälder"  sind  wohl  im  Nachhall 
jener  gemeinsam  verlebten  Sommertage  entstanden.     Es  folgt  die  erste  holländische  Reise, 
von   der  Zesen   spätestens  im  April   1643   nach  Hamburg  zurückgekelu-t  ist.     Als  Quelle 
für  den  zweiten  niederländischen  Aufenthalt   (vom  Ende  Juli   ab)   benutzt  D.   sehr  ge- 
schickt die  „Adriatische  Rosemimd",  indem  er  in  „Markholds"  Erscheinung  die  Dichtung 
von   der  Wahrheit    zu   scheiden    sucht.     So    gelingt    es  ihm,    Gebhards  Anschauung  zu 
widerlegen,    Rosemund     sei     mit    dem    Fräulein    von    Rosenthal     identisch;    er    findet, 
dass  Zesens  Flamme  eine    Venetianerin  Florentine  Dorothee  gewesen  sein  muss,    die   er 
durch   die  Braut  eines  Freundes    „Adelmund"   (namens    Anne    Margarete    Ludwiche)  in 
Amsterdam  kennen  lernte.    Dass  an  eine  Heirat  gedacht  wurde,  ist  nicht  unwahrscheinlich. 
Jedenfalls   deckt  D.   zwei  Motive   auf,    die   sich   auf  pekuniäre   und  religiöse  Hindernisse 
beziehen  können.     Florentines  früher  Tod  hat  das  Verhältniss,    das  zwei  bis  drei  Jahre 
dauerte,  gegen  1645  jäh  beendet.     Im  Verlauf  der  Darstellung  legtD.  einen  Brief  Dietrichs 
von  dem  Werder  vom  14.  Mai  1649  vor,    der    in  die  Zeit  führt,  da  Zesens  Konflikt  mit 
dem   Oberhaupte   der   „Fruchtbringenden   Gesellschaft"    begann.      Werder  hat  die  neue 
Ausgabe  des  „Deutschen  Helikon"  gelesen,  welche  Fürst  Ludwig  ihm  zur  Begutachtung 
übersandt,  und  verweist  nun  auf  sein  Urteil ;  er  fügt  einige  Verse  über  das  Buch  hinzu, 
die  Zesen  ihm  „aufgetragen".     Bei   Rists  Polemik  verweilt  D.   geraume  Zeit  unter  ent- 
schiedener Parteinahme  ftii' Zesen;  er  führt  gegen  Th.  Hansen  aus,  dass  Rist  schon  1647 
im  „Friedewünschenden  Deutschland",  und  niclit  erst  1653,  Galle  verspritzt  habe.    Zum 
Lebensunterhalt    Zesens    tragen,    ausser    dem  Lohn  für  eine   ausgedehnte  Gelegenheits- 
poesie und  den  Geschenken,  väterliche  Unterstützungen  bei  (bis  1667).  Bis  Mitte  1655  lebte 
er    aufs    neue    in    Amsterdam,    vertraut    mit    den    einflussreichsten  Männern.     Er  nimmt 
sogar   einen  städtischen  Auftrag  nach  Anhalt  mit.      Ende   1655    trifft   man    ihn  wieder 
in    Holland.       Ein    Brief    des    Adam    Olearius    an    Zesen    (23.    Juli    1656)    trägt    noch 
den  Bestimmungsort  Amsterdam.     Nach  Rists   Tode    (1667)    hebt    für  Zesen    eine    neue 
Zeit  ruheloser  Wanderschaft  an;  im  Dezember  ist  er  in  Hamburg  (vgl.  Hochzeitsgedicht 
für    Joh.   Naumann).      Der    Mai    1668    bringt    das     25jährige   Stiftungsfest    des    Rosen- 
ordens.   D.  zieht  aus  den  Hamburgischen  ungedruckten  „Ehrengedichten  vom  Jahre  1668" 
(25.  Dez.)    die  erste  Erwähnung  von  Zesens  Pfalzgrafenwürde    hervor,   die    dem  Dichter 
kurz  vor  oder  kurz   nach  dem   Stiftungsfeste  übertragen  wurde.     D.   stellt  weiter  fest, 
dass  1676 — 79  Zesen  seinen  bestimmten  Wohnsitz  in  Hamburg  hatte.    Im  Mai  1677  be- 
grüsst  ihn  nach   einer  Reise  in    die  Heimat    die   Genossenschaft   feierlichst    mit    einem 
lateinischen  Poem;  am  8.  Okt.  überrascht  ihn  der  Senat  mit  einem  Gebinde  Rheinwein, 
wofür  Zesen   ein  „Lobschallendes  Ruhm-  und  Reim-geschenke"  zurückgiebt,   das   bei  D. 
8.  65   gedruckt  ist.     1678  singt  N.   Jungius    ihn  in  einem  dreizehnstrophigen   Gedichte 
an.     Ein   „Reiselied"   von  M.  Steinfass   berichtet   1679,   dass  Zesen   im  Aufbruche  nach 
Holland  begriffen  sei.     1683  sucht  er  Hamburg  auf,  wo  er  bis  zu  seinem  Ende  verbleibt. 
Von    seiner  Todessehnsucht    giebt    ein  Leichengedicht    (8.  Okt.  1688)  Kunde,    und    am 
Geburtstag  1689  bewillkommnet  ihn  der  Rosenorden  zum  letzten  Male  mit  einem  offiziellen 
Glückwunsch.     Eine  „Lyram  querulam"  widmete  ihm  P.  G.  Krüsike.     Die  Entwickelung 
der  „Deutschgesinnten  Genossenschaft"  bringt  ein  neues  Mitgliederverzeichnis  vor  Augen, 
das    D.   zusammengestellt   und    mit  den  Jahreszahlen   der  Aufnahme  versehen  hat.     Die 
Vergleichung  mit   Goedekes   Liste   (vgl.  Grundriss  3 2,   S.    16 — 18)  ergab   ein  Mehr  von 
21  Teilnehmern,  die  D.  nach  Peiskers  Tabelle  und  nach  Gelegenheitsgedichten  bestimmt. 
Auch  in  Bezug  auf  Namen  und  Beinamen  wird  Goedeke  vielfach  berichtigt.     Zu  dem 
Konventikel    der    drei  Freunde    traten  1644   elf,  1645  einundzwanzig,  1646 — 47  je    drei, 


28  in,5:  J.  Elias,  Didaktik  des  17./18.  Jahrhunderts. 

1648  einer,  1648 — 53  zwei,  1654  zwölf,  1667 — 69  achtzehn  neue  Mitglieder.  Als  seinen 
Nachfolger  im  Vorsitz  empfahl  Zesen  Heinrich  Gabler  aus  Frankfurt.  Das  Grundgesetz 
erschien  zwar  erst  1669,  doch  schon  1644  war  ein  Entwurf  vorhanden.  D.  macht  einen 
Brief  Harsdörffers  v.om  23.  Dez.  1644  bekannt,  der  gleich  nach  der  Aufnahme  geschrieben 
ist:  das  neue  Mitglied  erlaubt  sich  Ratschläge  zum  inneren  und  äusseren  Betriebe  des 
Unternehmens  und  empfiehlt  u.  a.  Claj,  Moscherosch,  Betulius  als  Kandidaten.  — 

Der  „Pegnesische  Blumenorden"  giebt  seit  der  2(X)j.  Jubelfeier  (1844) 
wieder  das  erste  Lebenszeichen  von  sich.  Die  Publikation  ^ )  gilt  dem  Andenken  des 
1888  verstorbenen  Präsidenten  Heinrich  Heerwagen.  Die  neun  hier  zusammengefassten 
Vorlesungen  Heerwagens  (1861 — 72)  erstrecken  sich  über  die  mannigfachsten  Gebiete  des 
Wissens  und  zeigen  den  Vf.  als  gewandten  Rhetor.  Das  Buch  wird  mit  einer  Lebens- 
skizze Heerwagens  eingeleitet  und  mit  einem  Verzeichnis  aller  Vorträge  des  Blumen- 
ordens von  1863  bis  1889  beschlossen.^)  — 

Die  bedeutenden  Satiriker  der  Epoche  sind  nur  in  Einzelstudien  behandelt 
worden.  Elias i^)  steuert  eine  Erklärung  des  Namens  Moscherosch  bei,  die  er  von 
seinem  Lehrer  Konrad  Hofmann  empfangen  hat.  Die  Hauptform  zerlegt  sich  in  „Mosen" 
(^-=  Monsenor,  Herr)  und  rosch  (=  ruix,  Abkürzung  von  Rodrigo).  Das  ganze  Wort  be- 
deutet also  „Herr  Rodrigo".  ii)  — 

Laurembergs  Scherzgedichte  hat  Sprenger^^j  ujj^  einer  dänischen  Ueber- 
setzung  verglichen,  die  gleich  nach  dem  Erscheinen  des  Originals  angefertigt  und  jetzt 
von  J.  Paludan  in  Kopenhagen  neu  herausgegeben  wurde.  Dabei  hat  sich  unmittelbar  und 
mittelbar  für  die  Gestaltung  des  Textes  wie  für  die  Erklärung  des  Ausdruckes  mancher- 
lei ergeben.  — 

Der  urkundliche  Stoff,  den  1882  Bindewald  der  Biographie  Schupps  zufülirte, 
wird  jetzt  aus  Darmstädter  Arcliiven  durch  Nebel '3)  vermehrt.  Den  Nachrichten  über 
Studienreisen  und  Lehrthätigkeit  schliessen  sich  nun  Briefe  an,  die  über  Schupps 
Aufenthalt  in  Braubach  und  seine  Thätigkeit  beim  Eriedenskongress  in  Münster  die  ge- 
wünschte Aufklärung  gewälu-en;  die  Dokumente  reichen  vom  7.  Apr.  1648  bis  zum 
2.  Febr.  1649,  berühren  aber  auch  mittelbar  die  voraufgehende  Zeit.  Leider  zeigt  N. 
zwar  redliche  Begeisterung  für  Schupp  und  anerkennensw^erten  Spüreifer,  jedocli  über 
die  Pflichten  eines  wissenschaftlichen  Herausgebers  ist  er  sich  nicht  überall  klar  ge- 
worden. Der  geringste  Teil  der  Briefe  ist  wörtlich,  die  Masse  wird  nm-  in  indirekter  Rede 
wiedergegeben.  Es  fehlen  jegliche  Anmerkungen,  welche  die  kleinlichen,  in  der  Ferne  kaum 
übersehbaren  staatsrechtlichen  Erörterungen  aufhellend  begleiten  sollten.  Auch  die  Datie- 
rung ist  nicht  immer  zuverlässig:  das  Hauptstück  N.  12  ist  nicht  am  3.  Okt.,  sondern  zweifel- 
los am  3.  Nov.  geschrieben.  Landgraf  Johann,  einer  Darmstädter  Nebenlinie  angehörig,  hatte 
Schupp  von  Marburg  nach  Braubach  zwar  als  Prediger  berufen,  doch  den  vielseitigen  welter- 
fahrenen Theologen  auch  in  anderen  Aufgaben  verwendet.  Als  Schupp  zumFriedenskongress 
fuhr,  hatte  er  sich  wohl  schon  vorgenommen,  in  sein  Braubacher  Amt  nicht  wiederzukehren: 
Verleumdungen  und  Hetzereien,  deren  Art  und  Ursache  nicht  aufgedeckt  werden,  ver- 
bitterten ihm  das  Leben  (Brief  3  und  4),  nicht  minder  „Untreu  und  Undiscretion"  seiner 
Geschwister,  denen  gegenüber  er  sich  als  „Joseph  in  Egypten"  fülilte  (Br.  18).  Auch 
suchte  er  nach  besseren  Lebensbedingungen;  rät  er  doch  selbst  dem  Fürsten,  aus  Spar- 
samkeitsrücksichten seine  Stelle  aufzuheben.  Von  Münster  aus  liess  sich  damals  Carriere 
machen.  Schupp  unterhält  die  hei^orragendsten  Verbindungen,  die  freilich  weniger 
seine  untergeordnete  politische  Sache  als  der  Zauber  seiner  humorvollen,  klaren  Persön- 
lichkeit und  sein  geistlicher  Beruf  ihm  verschafft  haben.  Seine  diplomatische  Sendung 
war  nicht  leicht,  denn  die  Darmstädter  Linien  befanden  sich  bei  den  Friedensverhand- 
lungen als  erklärte  Anhänger  des  Kaisers  nicht  im  Vorteile.  Schupp  schwenkt  ziel- 
bewusst  zu  den  tonangebenden  Schweden  ab  und  gewinnt  sich  nach  und  nach  ihr  völliges 
Vertrauen.  Er  besorgt  den  Oxenstiema  Vater  und  Sohn,  den  Salvius  und  Beren- 
clow  aushilfsweise  den  Gottesdienst  und  erteilt  ihnen  das  Abendmahl  (Br.  8).  Die 
Dokumente  voni  3.  und  28.  Nov.  gehören  zum  edelsten,  was  die  Brieflitteratur  des  17.  Jh. 
hervorgebracht  hat.  Landgraf  Johann  hatte  sich  in  das  gefahrliche  Unternehmen  ein- 
gelassen, seinem  regierenden  Bruder  Georg  11.,  in  dessen  Diensten  ja  auch  Schupp 
einst  gestanden,  das  ius  primogeniturae  insofern  streitig  zu  machen,  als  er  nachträgliche 
Ansprüche  auf  die  väterliche  Erbschaft  erhob  und    auch    sonst   reichlichere  „Deputate" 


S.  166.]  I  (S.  0.  III,  2  N.  43.)  —  8)  Altes  u.  Neues  aus  d.  PeRnesisclien  Blumenorden.  D.  Erinnerung  an  Dr.  Hoinr.  Heerwagen 
geweiht.  Nürnberg,  Schräg.  1889.  IV.  271  S.  |[HambCorr».  N.  5;  AZg".  N.  46.] |  (Vgl.  Autorenregister  unt«r  „Heerwagen").  — 
9)  X  0.  Seh  webe  1,  D.  Geschlecht  d.  Carp/ow:  NorddAZg".  N.  3.  (Charakteristik  d.  Gelehrtenfamilie  bis  auf  Johann 
Benedikt  II.,  geb.  1720,  gest.  1803.)  —  10)  J.  Elias,  Konrad  Hofmann:  Nation».  8,  S.  122.  —  II)  X  A-Ia-mode-Kehraus.  Z. 
Geburtstag  d.  Elsässers  J.  M.  Moscherosch  gewidmet  v.  e.  deutschen  u.  deutschgesinnt«n  Elsässer:  StrassbPost  N.  61.  (AuszUge 
ans  d.  „Kehrans"  mit  patriotischen  Seitenhieben  auf  gegenwärtige  Zustände.)  —  12)  R.  Sprenger,  Zu  Joh.  Laurembergs 
Scherzgedichten:  JbVNiederdSpr.  15,  S.  84—91.  —  13)  W.  Nebel,  Briefwechsel  J.  B.  Schupps  mit  d.  Landgrafen 
Johann    v.    Hessen    zu    Branbacb    aus    d.    Zeit    seiner    Beteiligung    an    d.    FriedensTerhandlungen    zu    Osnabrück    u.   UUuster 


ni,5:  J.  Elias,  Didaktik  des  17./18.  Jahrhunderts.  29 

sich  zu  erwirken  vorhatte.  Wohl  bringt  Schupp  viele  begründete  Einwände  gegen  den 
politischen  und  juristischen  Teil  der  Angelegenheit  vor,  doch  im  allgemeinen  sucht  er 
den  Bruderstreit  vom  staatsrechtlichen  auf  das  moralische  Gebiet  liinüber  zu  ziehen. 
Er  wendet  sich  an  des  Grafen  Empfindung  und  Gewissen  mit  feuriger  Beredsamkeit, 
als  bibelfester  Lutheraner,  Philosoph  und  überlegener  Weltmann,  der  sich  auf  die 
Menschen  versteht.  Als  Wurzel  des  Wagnisses  erkennt  er  die  Unthätigkeit  des  Grafen. 
Er  giebt  ihm  landwirtschaftliche  und  merkantile  Ratschläge:  er  möge  seinen  Wein 
bauen,  Viehzucht  treiben,  Fischereien  anlegen,  die  Wildbahnen  hüten,  Brauereien  er- 
richten und  Rentämter  organisieren.  Ein  guter  Knecht  und  „Kaufmannsdiener"  ist 
besser  als  ein  doctor  iuris,  der  seinen  Brotgeber  in  Prozesse  hetzt.  Er  empfiehlt  dem 
Grafen  ferner,  seine  „Waffen"  gegen  Pension  andern  Ländern  zu  verpflichten  und  sich 
selbst  nach  einer  lohnenden  Administration  umzusehen,  z.  B.  in  Ostfriesland,  wo  der 
Regent  im  Sterben  liegt  (Br.  15).  Der  Landgraf  ehrte  die  freie  Sprache  seines  Geist- 
lichen und  empfiehlt  ihn  sogar  in  einem  Briefe  an  den  Hamburger  Rat  als  Seelsorger 
(Br.  14).  Wie  Schupp  berichtet,  bewarben  sich  damals  Bremen,  Augsburg  und  Osna- 
brück um  ihn,  doch  er  zieht  als  praktischer  Mann  Hamburg  vor:  „Wegen  Education 
meiner  Kinder,  und  anderer  Kommoditäten  halber  deuchte  mich,  es  sei  ein  Pastorat  zu 
Hamburg  besser,  als  anderswo  ein  grosser  Titel"  (Br.  18).  —  Erscheint  in  diesen  neuen 
Schriftstücken  der  praktische  Politiker,  so  würdigt  ein  Beitrag  Bischoffs'*)  zum  ersten 
Male  die  politische  Theorie  Schupps,  und  eben  darin  liegt  das  Fördernde  des  Buches, 
das  ausserdem  eine  Lebensskizze  und  Kapitel  über  den  Schulreformator  und  Prediger 
umfasst,  doch  über  Bloch,  Bindewald,  Vial,  Oelze,  Baur  nicht  hinausgelangt  und  auch 
philologisch  nicht  unanfechtbar  ist.  Der  Vf  entwickelt  die  beiden  Flugschriften  des 
Hamburger  Pfarrers  „Ein  holländisch  Pratgen"  und  „Ambrosii  Mellilambii  Sendschreiben 
an  einen  vornehmen  Cavallier".  Beide  Stücke  beschäftigen  sich  mit  dem  scliwedisch- 
polnischen  Krieg  und  sind  vom  April  bis  Juni  1657  entstanden.  Der  Dialog  gilt  dem 
Nebenkriege,  den  Dänemark  gegen  Schweden  vorbereitete.  Schupp  wünscht  diesen 
Kampf  aus  der  Welt  zu  schaffen;  eine  persönliche  Zusammenkunft  der  beiden  Könige 
könne  vieles  ändern;  doch  die  „Staatsraison"  säet  Zwietracht  zwischen  zwei  Völkern, 
die  mit  einander  im  Frieden  leben  sollten.  Wenn  sie  zusammenhielten,  so  würden  sie 
stark  genug  sein,  „den  Türeken  auss  gantz  Thracia  zu  jagen."  Denn,  soll  Krieg  in 
der  Welt  sein,  so  wende  er  sich  gegen  die  Barbarei  der  meineidigen  Russen  und  des 
Orientes.  Den  Kernpunkt  der  zweiten  Abhandlung  bildet  gleichfalls  die  Russen-  vnid 
Türkenfrage,  in  der  B.  den  Schupp  mit  Recht  als  einen  Propheten  charakterisiert. 
Schupp  nimmt  Stellung  gegen  Polen,  doch  er  ist  für  die  Fehler  Schwedens  auch  keines- 
wegs blind.  Er  mahnt  eindringlich  zum  Frieden  und  wendet  sich  scharf  gegen  die  Erb- 
feinde europäischer  Sitte  und  Kultur.  Dann  könnten  auch  die  Jesuiten  zeigen,  „ob's 
ihnen  wirklich  Ernst  damit  sei,  die  Religion  fortzupflanzen".  Die  Wirkung  dieser  Schriften 
war  für  den  Augenblick  berechnet,  Schupps  grösstes  politisches  Werk  dagegen,  ,,Salomo 
ein  Regentenspiegel",  ist  als  ein  litterarisches  Besitztum  für  immer  gedacht.  B.  giebt 
eine  klare  und  genaue  Analyse  des  Werkes,  wie  er  auch  im  übrigen  sich  weit  mehr 
berichtend  als  beurteilend  verhält.  Er  liefert  eine  Geschichte  der  Fürstenspiegel  und 
erörtert  den  geistigen  Zusammenhang  zwischen  dem  „Salomo",  Seckendorfs  ,, Fürsten- 
staat" und  der  ,, Biblischen  Polizey"  des  Dietrich  von  Reinkingk,  der  Schupps  Schwieger- 
vater war.  Wie  Seckendorff  seinen  Herzog  Ernst  von  Gotha  im  Auge  hatte,  so  dachte 
Schupp  im  Stillen  an  den  Landgrafen  Johann,  als  er  die  staatsrechtlichen  und  national- 
ökonomischen Anschauungen  der  Bibel  ins  moderne  Leben  zu  übertragen  begann.  — 
Ein  zeitgenössisches  Zeugniss  für  die  Wirkungen,  die  Abraham  a  Sancta 
Clara  als  Kanzelredner  ausübte,  hat  R.  M.  Werner^^)  gefunden  in  Fassmanns  Spott- 
schrift auf  Gundling  „Der  Gelelirte  Narr"  (1729).  Der  Autor  besucht  1711  in  Wien  mit 
anderen  Lutheranern  die  Predigten  Abrahams,  „weil  wir"  (so  heisst  es)  „gemeiniglich 
so  viel  zu  Ohren  fasseten,  dass  wir  hernach  die  gantze  Woche  durch  darüber  lachen 
kunten".  Fassmann  giebt  Scherze  zum  besten,  die  ihm  hi  den  freimütigen  Improvisationen 
des  Paters  besonders  gefielen,  und  kennzeichnet  launig  die  heftige,  bewegliche  Vortragsart 
des  Augustiners.  —  Dreiundvierzig  Nummern  von  Abrahams  „Etwas  für  Alle"  i^)  (I.Buch  1699) 
sind  neu  gedruckt  worden,  doch  die  Auswahl  erfolgte  offenbar  nicht  nach  der  Original- 
ausgabe, sondern  nach  der  Halleschen  Edition  von  1785,  die  Johann  Christian  Hendel 
veranstaltet  hatte.  Die  antikatholischen  Anmerkungen  dieses  Druckes  hat  der  Heraus- 
geber teilweise  und  nach  Entfernung  aller  tendenziösen  Spitzen  benutzt.  Hier  und  da 
fallen  stilistische  und  orthographische  Aenderungen  auf.  i''-''*)  — 


i.  J.  1648:  MOberhessGV.  2,  S.  49—94.  —  14)  Th.  Bischoff,  J.  B.  Schupp.  Beitrr.  zu  seiner  Würdigung.  Nürnberg, 
Ballhorn.  218  S.  M.  2,40.  |[Th.  Ziegler:  DLZ.  11,  S.  1614/5;  LCBl.  S.  1484/5;  H.  Rinn:  HambCorrB.  N.  ll.]| 
—  15)  R.  M.  Werner,  Abraham  a.  St.  Clara  als  Kanzelredner:  VLG.  3,  S.  608—11.  —  16)  Abraham  a  St.  Clara,  Etwas  fUr 
Alle.  (=Bibl.  d.  Gesamt-Litt.  N.  3767.)  Halle,  Hendel.  XV,  194  S.  M.  0,50.  —  17)  X  *'■  Laucher t,  Priameln  bei  Abraham 
a  St.  Clara:  Alemannia.  18,  S.  173/7.    (Unfruchtbare  Sammelarbeit.)   -    18)  X  id..   Zu  Alemannia  16,  232:  ib.  S.  288.  -    19)  L. 


30  in,5:  J.  Elias,  Didaktik  des  17./18.  Jahrhunderts. 

Den  „Streit  der  drei  lasterhaften  Brüder"  betrifft  ein  Artikel  L.  Eränkels^^), 
welche  eine  Studie  Szamatolskis  erweitern  soll,  doch  Neues  eigentlich  nicht  beizubringen 
vermag.  Szamatölski  hatte  Sebastian  Francks  Bearbeitung  der  „Declamatio  Philippi 
Beroaldi  de  tribus  fratibus  ebrioso,  scortatore  et  lusore"  als  die  Quelle  eines  Fastnachts- 
spieles von  Hans  Sachs  nachgewiesen  und  eine  neue  Form  des  „Streites"  im  17.  Jh.  zum 
ersten  Male  erwähnt:  den  „Lustigen  Prozess  dreyer  Adelicher  Brüder"  (1655).  F.  findet 
zu  dieser  späten  Umarbeitung  einen  Nachdruck  aus  dem  Jahre  1669,  den  „Blasius 
Multibibus"  seinem  „Jus  potandi,  Oder  Zech  Recht"  angehängt  hat.  Dazu  sammelt  F. 
nun  verschiedene  Nachweise  über  das  Fortleben  des  Motives  der  drei  Laster  aus 
der  zweiten  Hälfte  des  17.  und  dem  Beginne  des  18.  Jh.  Während  F.  durch  die 
Art,  wie  er  das  „Jus  potandi"  mit  dem  „Prozess"  verknüpft,  der  Anschauung  Vorschub 
leistet,  als  brauche  die  Ausgabe  von  1655  nicht  die  früheste  zu  sein,  weil  ja  auch  vom 
„Zeclirecht"  frühere  Ausgaben  existierten,  hat  Szamatolski  seinerseits  mit  einer  wohl- 
begründeten Entgegnung  dieser  Hypothese  den  Boden  entzogen.  — 

Ein  satirisches  Kuriosum  aus  dem  Jahre  1719,  dem  freilich  ein  besonderer 
litterarischer  Wert  nicht  innewohnt,  die  „Nicotianische  Policey  oder  Tobacks- 
Ordnung"20)  ist  aufs  neue  herausgegeben  worden.  Li  der  äusseren  Form  erscheint  die 
kleine  Schrift  als  das  Statut  eines  Raucherklubs;  sie  verbindet  mit  dem  Spott  über  un- 
vernünftigen Genuss  eine  Technik  der  Kunst,  die  Pfeife  regelrecht  zu  schmauchen.  Als 
Quelle  lässt  sich  die  Schwank-  und  Anekdotensammlung  „Recueil  von  allerhand  Col- 
lectaneis  und  Historien  auch  Moral- Curieux-C'ritic  luid  lustigen  Satyrischen  Einfällen"  usw. 
(Elftes  Hundert  1719,  S.  70 — 88)  nachweisen.  Vorher  hatte  der  „Recueil"  bereits  eine 
Verspottung  der  Jagdlust,  den  „ Hirschfänger orden",  gebracht,  die  sich  auf  dem  gleichen 
System  aufbaut.  21-22 )  _ 

Den  Epigrammatisten  Johann  Grob  (1643 — 97)  entreisst  Zschokke23)  der 
unverdienten  Vergessenheit.  Dem  Vf.  standen  neben  manchem  unbekannten  Druck- 
material die  hs.  Quellen  des  Stiftsarchives  und  der  Bibliothek  zu  St.  Gallen  und  der 
Kirchen-  wie  der  Stadtverwaltungen  zu  Oberglatt  und  Herisau  zu  Gebote.  Für  Grobs 
Leben  hat  die  Untersuchung  einzelne  neue  Ergebnisse  geliefert,  nicht  minder  für  die 
Genealogie  der  angesehenen  Familie.  Johannes  wurde  am  6.  Sept.  1643  zu  Enzenschwyl 
geboren.  Sein  Bildungsgang  war  unvollkommen;  nahezu  drei  Jahre  hat  er  „in  Dresden 
ein  rotes  Kleid  getragen  als  junger  Hofsoldat",  wie  es  im  neu  vorgelegten  Vierzeiler  heisst. 
Von  seinem  „dapffern  und  mannhaften"  Verhalten  giebt  das  beigefügte  Zeugnis  Kunde. 
Bereits  1666  liegt  Grob  eine  kleine  Gedichtsammlung,  die  Frucht  von  Mussestunden,  vor. 
Am  22.  Mai  1670  erhält  er,  an  des  abdankenden  Vaters  Stelle,  das  Ehrenamt  eines 
Landeskommissärs;  doch  bald  erfolgte  die  Uebersiedelung  der  Familie  nach  Herisau 
(Ende  1674)  aus  Gründen  religiöser  Reibereien,  über  die  Z.  sehr  anschaulich  nach  den 
Akten  berichtet.  Die  Toggenburger  Erfahrungen  klingen  in  einigen  bitteren  Epigrammen 
wieder.  Am  5.  Februar  1678  verliert  Johannes  den  Vater,  am  18.  Juli  1680  ver- 
mählt er  sich  mit  Katharina  Ziegler  aus  Gais.  Li  seiner  neuen  Heimat  nimmt  er  die 
ehrenvollste  Stellung  ein:  die  Mission  an  den  Kaiserhof  bezeugt  es,  deren  national- 
ökonomischen Anlass,  Ausführung  und  Erfolg  der  Vf.  genau  schildert.  Den  Adel,  auf 
den  er  niemals  irgendwelches  Gewicht  gelegt,  empfing  Grob  weder  infolge  seiner 
politischen  für  Oesterreich  wirkenden  Schriften,  noch  wegen  einiger  Huldigungspoeme, 
sondern  für  die  ganze  Gedichtsammlung.  Li  der  Familie  traf  den  wackeren  Mann 
mancherlei  Missgeschick.  Bestimmte  Nachrichten  über  sein  frühes,  gottergebenes  Ende, 
über  seine  Bestattung  und  Hinterlassenschaft  sowie  über  die  Schicksale  seiner  Nach- 
kommen (der  letzte  Sprössling  stirbt  um  1838)  beschliessen  den  Abriss.  Die  Be- 
schreibung der  Ausgaben  erweist,  dass  Grob  selbst  noch  die  Sammlung  von  1700  vor- 
bereitet hat.  Die  litterarischen  Belege  Z.s  beseitigen  den  letzten  Zweifel  an  der  Identität 
Grobs  mit  „Reinhold  von  Freientahl".  Nach  den  Aufzeichnungen  des  Herisauer  Land- 
ammanns Neff  hat  Grob  19  Gelegenheitsgedichte  geschrieben,  von  denen  leider  nur 
die  Titel  überliefert  werden.  Dagegen  Hessen  sich  aus  den  ungedruckten  Vorlesungen 
des  Pfarrers  J.  M.  Fels  von  St.  Gallen,  welchem  der  hs.  Nachlass  des  Dichters  noch 
vorgelegen  hat,  sechs  verschollene  Stücke  ziehen,  im  ganzen  72  Verse  (vier  in  französischer 
Sprache),  Epigrammatisches  und  ein  grösseres  darstellendes  Gedicht  über  das  Abenteuer 
dreier  Damen,  die  „vom  Platzregen  überfallen  werden".  Dem  Inventarium  kann  man 
ferner    entnehmen,    dass    eine  „Copie    des    1.  Theils    von  Talei  Rhetorik  in  lateinischer 


Fränkel,  D.  Fabel  v.  Streite  d.  drei  lasterhaften  Brüder  im  17.  Jh.:  ZVoUtskunde.  2,  S.  289-93.  (Entgegnung  v.  Szamatolski, 
Germania  37,  S.  110/4:  Im  Streit  um  d.  Streit  d.  drei  BiUder.)  —  20)  Erneuerte  Nicotianische  Policey  oder  Tobacks-Ordnung. 
Allen  u.  jeden  Liebhabern  u.  Zunftgenossen  d.  edlen  Toback-Schmauchs  zu  sonderlichem  Besten  in  Druck  gegeben  v.  Blasius 
Fumarius  Edler  Herr  v.  Rauchhausen.  Schmauchburg  1719.  Köln,  Fr.  Teubner.  17  S.  M.  1,00.  —  21)  X  P-  Zimmermann, 
Jacobus  S.  Sackmann:  ADB.  30,  S.  160;  1.  (Vf.  bespricht  d.  Popularität  d.  derben  u.  naiv-komischen  Seelsorgers.)  —  22)  X  K. 
Gander,  Wahrheit  u.  Dichtung  aus  d.  Leben  e.  Spassvogels  vor  200  Jahren:  NorddAZg".  N.  18.  (Scherze  aus  d.  Leben  d. 
Freiberrn    v.   Kyau   nach   bekannten    Quellen.)    —    28)   E.  Zschokke.  D.  Toggenburger  Epigrammatiker  Johannes  Grob.     Diss. 


m,5:  J.  Elias,  Didaktik  des  17./18.  Jahrhunderts.  31 

Sprache"  und  eine  Wörter-  und  Phrasensammking  nach  Salkist  vorhanden  waren;  auch 
wird  von  anderer  Seite  als  ungedrucktes  Werk  eine  „Satyre  de  l'Argyrophilie"  genannt. 
Uebrigens  hat  sich  Z.  für  eine  neue  Ausgabe  der  Gedichte,  die  seit  1700  nicht 
wieder  in  ihrer  Gesamtheit  aufgelegt  worden,  schon  die  erforderliche  kritische 
Grundlage  bereitet.  In  künstlerischer  Hinsicht  stellt  er  den  Epigrammatisten 
über  den  Lyriker  und  Lateindichter.  Er  verkennt  nicht  die  Beschränkung, 
die  dem  strebsamen,  doch  keineswegs  hervorragend  begnadeten  Mann  die  Enge  der 
Lebensverhältnisse  auferlegten.  Von  den  unmittelbaren  litterarischen  Einwirkungen, 
welche  dieser  späte  Opitzianer  erfuhr,  weiss  man  nichts.  Die  Untersuchung  und  Dar- 
stellung der  epigrammatischen  Motive  geht  im  allgemeinen  nicht  tief:  über  die  beson- 
deren ostschweizerischen  Zustände,  die  Grob  vielfach  den  Stoff  lieferten,  erfährt  man 
nur  ein  kurzes  Wort  der  Charakteristik.  Die  Lieder  gewähren  hier  und  dort  Einblick 
in  des  Poeten  Gemütsleben,  das,  allen  Leidenschaften  fern,  ernst,  sittlich  und  religiös 
gestaltet  war.  Auch  Grob  huldigte  der  üblichen  Gelegenheitsdichtung,  doch  nicht  so 
ausgiebig  wie  seine  litterarischen  Zeitgenossen.  Hinsichtlich  der  Form  findet  Z.  in  den 
Epigrammen  eine  gewisse  Gebundenheit  (Alexandriner  und  achtfüssiger  Trochäus),  in  den 
Liedern  dagegen  eine  auffallende  Mannigfaltigkeit  der  Versmasse.  Im  Ausdrucke,  der 
übrigens  von  alemannischen  Elementen  durchsetzt  ist,  zeigt  sich  Schlichtheit  gegenüber 
dem  Bombast  der  tonangebenden  Litteratur.  Als  politischer  Schriftsteller  hat  Grob 
sich  um  das  Vaterland  redlich  verdient  gemacht:  der  „Eydgenösische  Auffwecker" 
rüttelte  die  Stammesgenossen  in  ihrer  politischen  Nachgiebigkeit  gegen  Frankreich  auf, 
das  durch  Geld,  Werbungen  und  Umtriebe  die  Schweiz  um  ihre  Freiheit  bringen 
wollte.  Die  Gegen-,  Verteidigungs-  und  Erläuterungsschriften,  welche  Grobs  patrio- 
tisches Unternehmen  hervonief,  werden  zum  ersten  Male  vollständig  aufgeführt  und 
ausreichend  gekennzeichnet.  — 

Zwölf  Briefe,  welche  Ch.  Wer  nick  es  Leben  und  Thätigkeit  in  Paris  angehen, 
veröffentlicht  Elias^-i).  Die  Originale,  Abschriften  von  Wernickes  Hand,  liegen  im 
Kopenhagener  Geheimarchiv  unter  den  Depeschen,  die  er  mit  seiner  Regierung  wechselte. 
Im  Zusammenhange  mit  den  „Relationen"  stellt  E.  das  freundschaftliche  Verhältnis  dar, 
das  zwischen  der  klugen,  witzreichen  Fürstin  und  ihrem  gewandten,  satirisch  begabten 
Landsmanne  sich  herausgebildet  hatte.  Im  allgemeinen  sind  die  Dokumente  recht 
selten,  welche  Elisabeth  in  unmittelbarem  politischen  Verkehre  mit  fremden  Gesandten 
zeigen,  und  auch  aus  diesem  Grunde  ist  der  Korrespondenz  einiger  Wert  beizumessen.  — 

Unter  den  hervorragenden  Sammlungen  von  Sprichwörtern  aus  dem  17.  Jh. 
hatte  Christoph  Lehmanns  „Florilegium  politicum"25)  schon  lange  eine  Auffrischung  ver- 
dient, wie  sie  Lessing  ins  Auge  fasste  und  Hoffmann  v.  Fallersleben  andeutete.  Der 
„Blumengarten",  der  schon  1879  von  „einem  Liebhaber  deutscher  Sprache  und  Weis- 
heit" (vgl.  Lessing,  Lachmann  1839,  9,  S.  666  und  670  ff.)  „ausgejätet,  aufgeharkt  und 
umzäumt"  worden  war,  hat  eine  zweite  (Titel-)  Auflage  mit  veränderter  Einleitung  und 
vermehrt  um  ein  „drittes  Beet  sententiae  et  observationes"  erfahren.  Der  Vf  hat  seiner 
geschmackvollen  und  sorgfältigen  Auswahl  die  letzte  und  umfassendste  Ausgabe  des 
17.  Jh.  zu  Grunde  gelegt,  ohne  jedoch  auf  Modernisierungen  zu  verzichten.  26)  —  Ver- 
einzelte Sprüche  erneuert  Birlinger^''— 28)  nach  fhegenden  Blättern  der  Jahre  1610  und 
1621.  Mehr  das  „Bahrrecht"  als  „ius  talionis"  berührt  das  Motiv  von  der  litthauischen 
Kindesmörderin.  In  dem  anderen  Stück  wird  gegen  das  „böse  Geld,"  das  gleich  Ratten 
und  Mäusen,  Flöhen  und  Läusen  der  „Teufel  in  die  Welt  führt",  als  Radikalkur  „Auf- 
hängen und  Verbrennen"  empfohlen.  —  Hodermann^^)  zieht  aus  dem  „Grossen  Schau- 
platz" des  Harsdörffer  (1656)  ein  populäres  Spottverschen  auf  die  Abstammung  des 
Zipperleins,  als  dessen  Vater,  Mutter  und  Hebamme  Bacchus,  Venus  und  Ira  erkannt 
werden.  Diese  gebundene  Form  des  Gedankens  soll  auch  Rist  für  sein  „Aller  Edelstes 
Nass  der  Gantzen  Welt"  vorgelegen  haben.  — 

Eine  Sammlung  von  Anekdoten  teilt  Bächtold^o)  aus  einer  Hs.  mit,  die  fast 
ein  halbes  Tausend  „Schimpf  und  Glimpfreden"  zumeist  ostschweizerischer  Herkunft 
enthält.  In  dem  Sammler  wird  ein  Thurgauer  oder  Züricher  Pfarrer  vermutet.  Es  sind 
grösstenteils  Spottgeschichten,  satiTische  Ausfälle  und  Wortspiele,  gelehrte  wie  volks- 
mässige;  vieles  scheint  aus  der  Gegenwart  für  die  Gegenwart  entstanden  zu  sein.     Un- 


ZUricli.  IV,  70  S.  —  24)  J.  Elias,  Briefwechsel  zwischen  Elisabeth  Charlotte  v.  Orleans  u.  Christian  Wernicke.  ("Romanische 
Forschungen  5  Bd.:  Festschrift  Konrad  Hofmann  z.  70.  Geburtstage  gew.  v.  seinen  Schülern,  S.  285—98.)  —  25)  Altdeutsche 
Reime  u.  Sprüche.  Ausw.  v.  Weisheit  u.  Witz  aus  Christoph  Lehmanns  Florilegium  politieum.  (Lübeck  1630).  Her.  v.  e.  Lieb- 
haber alter  deutscher  Sprache  u.  Weisheit.  2.  verm.  Aufl.  Berlin,  Duncker.  160.  VII,  201  S.  M.  3,00.  —  26)  X  P-  Pumpe, 
Spruchweisheit  u.  Volkshumor:  ConsMschr.  47,  S.  1080/7.  (E.  sehr  ausführliche  Besprechung  u.  Charakteristik  v.  N.  25:  D.  Vf. 
bringt  zu  einzelnen  Motiven  entsprechende  süddeutsche  Formen  bei  u.  versucht,  allerdings  ganz  unzulängliche,  Erklärungen  d. 
Sprache  zu  geben;  d.  derben  Stücken  gegenüber  verfährt  er  zimperlich.)  —  27)  XA.  Birlinger,  Alte  gute  Weisheit:  Alemannia. 
18,  S.  15/6.  (Wertlose  Lesefrüchte.)  —  28)  id.,  Erinnerung  an  ius  talionis.  E.  Spruch  v.  d.  Falsch-  u.  LeichtmUnzern:  ib.  S.  52- 
29)  R.  Hodermann,  D.  Eltern  d.  Podagras:  Grenzb.  49,  S.  136/7.  —  30)  E.  Mundvoll  kurzweiliger  Schimpf-  u.  Glimpf- 
reden.   Observiert   anno    1651/2.    Her.   t.   J.    Bächtold.    Für   Reinhold  Köhler    z.  24.  Juni  1890    gedr.    Fraueufeld,  J.  Hubers 


32  111,5:  J.  Elias,  Didaktik  des  17./18.  Jahrhunderts. 

bedenklich  giebt  der  Anekdotenmann  die  bedenklichsten  Dinge,  zumal  Ehestandsscherze, 
zum  besten.  Wirtshauslauferei,  Studentengrobheit,  die  Prüderie  der  Sittenbehörden, 
Aberglauben  hechelt  er  kräftig  durch.  Eine  Erzählung  wie  die  vom  Kuhhirten  und 
Bürgermeister,  die  mit  Ramlers  „Junker  und  Bauer"  eng  verwandt  ist,  zeigt,  dass  die 
vollständige  Erschliessung  dieses  schweizerischen  Anekdotenkorpus  der  einschlägigen 
Quellenforschung  nur  förderlich  werden  kann.  — 

Zur  frühesten  Litteratur  der  deutschen  Reisehandbücher  giebt  C.  Walther^i) 
einen  merkwürdigen  Beitrag,  indem  er  über  die  zweite  Ausgabe  eines  für  den  praktischen 
Gebrauch  bestimmten,  jetzt  sehr  selten  gewordenen  Wegweisers  „Von  zehn  Hauptreisen 
aus  der  Stadt  Hamburg"  auszugsweise  berichtet,  der  zweifellos  den  vielseitigen  Gref- 
linger  zum  Urheber  hat.  Als  weitgereister  Mann  beschreibt  Greflinger  die  günstigsten 
Fahrgelegenheiten  nach  Venedig,  Genf,  Kopenhagen,  Stockholm,  Danzig,  Berlin-Breslau; 
für  Wien  und  die  grossen  Städte  der  Niederlande  werden  verschiedene  Routen  an- 
gegeben. Zu  eigenen  reichen  Erfahrungen  zieht  Greflinger  sorgsam  bei  befreundeten 
Reisenden  und  in  den  Postkontors  Informationen  ein.  Er  charakterisiert  die  Städte, 
hebt  aus  ihrer  Vergangenheit  das  Wesentliche  hervor,  äussert  sich  über  Wirtshäuser 
und  Verpflegung,  über  die  Natur  der  Landschaften,  die  Beschaffenheit  der  Heeresstrassen 
und  die  gangbaren  Geldsorten.  W.  druckt  den  lokalgeschichtlich  grundlegenden 
Exkurs  über  Hambiu-g,  der  von  warmer  Begeisterung  eingegeben  ist,  wörtlich  ab.  An 
das  Ende  setzt  Greflinger  einen  Hymnus  über  den  gesegneten,  unvergleichlichen  Eib- 
strom und  einen  Achtzeiler  zum  Preise  Hamburgs.  W.  findet  die  Gedichte  bereits  in 
zwei  gleichzeitigen  Ausgaben  von  der  „Lustigen  Gesellschaft"  (1660)  des  Pseudonymen 
Joh.  Petrus  de  Memel  (wahrscheinlich  der  Colonellschreiber  und  Protokollist  Gottfried 
Schultze)  und  berichtet  über  Zeit  und  Anlass  ihrer  Entstehung.  Die  Mss.  der  beiden 
Gelegenheitspoeme  liegen  in  der  Hamburger  Stadtbibliothek.  Die  Verse  gehen  auf  ein 
lateinisches  Epigramm  des  Professors  Johann  Huswedel  zurück,  der  seinerseits  Sanna- 
zars  berühmtes  Lob  der  Stadt  Venedig  nachahmte.  Das  italienische  Original  hatte 
schon  Opitz  und  hat  später  Wernicke  und  E.  W.  Happel  (Relat.  curiosae  1687,  3, 
S.  720)  zur  Uebertragung  gereizt,  ^s— 34')  — 


Druckerei.  16  S.  (Nicht  im  Handel.)  —  31)  C.  Walther,  Georg  Greflingers  Hamburgisches  Reisehandbuch  u.  Beschreibung  v. 
Hamburg  i.  J.  1674:  ZVHambG.  9,  8.  122-49.  Hamburg,  Druck  v.  LUtcke  &  Wulff.  28  S.  (Sonderabdr.)  -  32)  X  „Närrische 
Weisheit  u.  weise  Narrheit":  NFPr.  N.  9130.  (AuszUge  aus  d.  also  betitelten  Werke  d.  Chemikers  u.  Volkswirtes  Joh.  Joachim 
Becher,  e.  Sammlung  v.  Erfindungen  u.  Recepten,  die  1682  z.  ersten  Male  herauskam.  Auf  e.  frllhe  Art  v.  Telephon  u.  Phonograph 
wird  aufmerksam  gemacht.)  —  33)  X  F.  Katzel,  Joh.  Jak.  Saar:  ADB.  30,  S.  106/7.  (Vf.  charakterisiert  S.s  Beisebeschreibung 
Über  Ostindien.)  —  34)  X  id.,  Hieronymus  S.  Scheidt:  ib.  S.  712.    (Vf.  beleuchtet  S.s  Palästinafahrt  u.  sein  Reisewerk.)  -- 


— T^^^^ 


IV.  Von  der  IMitte  des  18.  Jahrhunderts 
bis  zur  Geg-en^^^art. 


IV,1 

Allgemeines. 

Gustav  Roethe. 

Allgemeines:  LitteraturgescWchte  N.  1.  —  Moderne  Belletristik  N.  4.  —  Anthologien  N.  8.  —  Politische  Ge- 
schichte N.  10.  —  Gesclüchte  geistiger  Strömungen:  Allgeraeines  N.  15;  NationalgefUhl  N.  22;  Philosojjhie  N.  27;  Religiöses 
N.  32.  —  Einzeldarstellung  und  Einzelforschung:  Methodische  Bemerkungen  N.  34.  —  Gesammelte  Aufsätze  N.  39. 
—  Quellen:  Autographen  und  Handschriften  N.  44;  Briefwechsel  N.  49;  Selhsthiographien  N.  56.  —  Lokale  Litteratur- 
geschichte :  Oesterreich  und  Wien  N.  64 ;  Süddeutsehland  und  Schweiz  N.  67 ;  Norddeutschland  N.  71 ;  Berlin  N.  77 ,  Juden 
N.  80.  —  Zeitungen:  Allgemeines  N.  85;  Biographien  von  Publizisten  N.  90.  —  Friedrich  der  Grosse  N.  96.  —  Beziehungen 
zu  fremden  Litteraturen :    Antike  N.  108;  Franzosen  N.  109;  Engländer  N.  123;  Dänen  N.  128;  Ungarn  N.  129.  — 

Der  altbewährte  und  noch  immer  geflissentHch  wiederholte  Vorwurf,  dass  die 
deutsche  Litteraturgeschichte  eigensinnig  bei  Goethes  Tode  Halt  mache  und  für 
die  weitere  Entwicklung  unserer  Litteratur  vornehm  die  Augen  verschliesse,  hat,  wenn 
er  je  berechtigt  war,  längst  jeden  Sinn  verloren.  Heutzutage  sündigt  sie  zuweilen 
schon  nach  der  entgegengesetzten  Seite  hin.  Die  unwissenschaftliche  und  in  ihrer  Ein- 
seitigkeit wenig  erfreuliche  Sucht,  überall  ausschliesslich  nach  den  angeblichen  Bedürf- 
nissen der  Gegenwart  zu  fragen,  macht  sich  auch  darin  fühlbar,  dass  jedem  dichterischen 
Homunculus  mit  unbedächtiger  Schnelle  sein  Plätzchen  in  der  Litteraturgeschichte  an- 
gewiesen und  dass  gerade  die  Dichtung  seit  Goethes  Tode  mit  einer  innerlich  kaum 
gerechtfertigten  Ausführlichkeit  gepflegt  wird.  So  hat  uns  das  vergangene  Jahr  keine 
zusammenfassende  Darstellung  der  Litteratur  des  18.  Jh.  gebracht,  das  sonst  mit  Recht 
das  Lieblingsgebiet  litterarliis torischer  Arbeit  war  und  ist,  wohl  aber  mehrere  Bücher 
über  die  Geschichte  der  Dichtung  unseres  Säkulums.  In  jeder  Hinsicht  voran  steht 
der  vierte  Band  des  grossen  Werkes  von  Julian  Schmidt i),  der  die  Zeit  von  1797 
bis  1814  behandelt;  in  den  Vordergrund  stellt  er  die  ältere  und  jüngere  Romantik: 
Schiller  und  selbst  Goethe  ragen  zwar  als  imponierende  Gestalten,  aber  doch  nicht 
eigentlich  beherrschend,  ja  fast  nur  episodenhaft  herein.  Der  Band  entspricht  seinem 
Inlialte  nach  der  zweiten  Hälfte  des  ersten  Bandes  von  S.s  „Geschichte  der  deutschen 
Litteratur  seit  Lessings  Tod" ;  doch  nur  Anklänge  in  den  Analysen  erinnern  wörtlich 
an  das  ältere  Werk.  Die  frühere,  etwas  nachlässige  Art  der  Anordntmg  hat  einer  sehr 
viel  übersichtlicheren  und  besser  gegliederten  Einteilung  Platz  gemacht,  die  nicht  nur 
sachliche,  sondern  auch  zeitliche  Zusammengehörigkeit  gut  veranschaulicht;  die  Dar- 
stellung, der  Hayms  treftliches  Werk  über  die  romantische  Schule  ausgiebig  zu  gute 
kam,  ist  präciser  und  viel  knapper  geworden,  zuweilen  schrumpft  sie  geradezu  zum  ver- 
bindenden Text  zusammen  für  die  zahllosen  Citate  aus  Werken  und  Briefen  der  Schrift- 
steller, die  den  grössten  Teil  des  Buches  bilden.  Diese  wesentlich  citierende  Dar- 
stellungsweise dringt  mit  ihrer  forcierten  Objektivität  nie  in  den  Kern,  aber  sie  ist 
nicht  übel  angebracht  gegenüber  dem  launisch,  selbst  krankhaft  Persönlichen  der  Roman- 
tiker; sie  versagt  bei  reifen,  über  die  Augen blicksstimmung  erhabenen  Kunstwerken, 
wie  „Wallenstein"  und  „Eaust",  dessen  ersten  Teil  S.  auifallend  unrichtig  beurteilt,  da 
er  sich  dabei  bereits  von  den  Gedanken  des  zweiten  bestimmen  lässt:  auch  das  Ver- 
ständnis der  Hegeischen  Phänomenologie  wird  ihm  durch  diese  Dichtung  erleichtert.  — 


I)  Julian  Schmidt,  Gesch.  d.  deutschen  Litt.  v.  Leibniz  bis  auf  unsere  Zeit.   4.  Bd.    1797—1814.   Berlin,  Hertz. 
Jahresberichte  für  neuere  deutsehe  Litteraturgeschichte  I  (-).  3 


B4  IV,1:  Gr.  Roethe,  Allgemeines  des  18. /19.  Jahrhunderts. 

Die  Missachtung  des  Chronologischen  ist  sonst  Schmidts  Fehler  nicht;  um  so  fühlbarer 
macht  sie  sich  in  dem  wissenschaftlich  nur  sehr  leichtwiegenden  Buche  von  Heinze 
und  Goette-),  das  von  Goethes  Tode  bis  auf  die  Gegenwart  führt,  aber  in  der  aus- 
führlichen Einleitung  bis  an  den  Anfang  des  Jh.  zurückschaut.  Gerade  in  der  ver- 
wirrenden Fülle  der  Erscheinungen,  die  diese  Periode  aufweist,  bei  dem  engen  Zu- 
sammenhange der  modernen  Dichtung  mit  dem  politischen  Leben,  bei  dem  Mangel 
leitender  Persöidichkeiten  und  der  Rapidität  unserer  geistigen  Entwicklung  war  es  doppelt 
geboten,  die  zeitliche  Folge  fest  im  Auge  zu  behalten:  eine  Gruppierung,  die  z.  B, 
Kretzer  und  Bleibtreu  lange  vor  Gottfried  Keller  behandelt,  richtet  sich  selbst.  H.  und 
G.  sind  in  der  Einteilung  durchweg  nicht  eben  glücklich:  das  Streben,  um  jeden  Preis 
grössere  Gruppen  zu  bilden,  lässt  sie  Zusammengehöriges  auseinander  reissen,  Disparates 
vereinigen,  zumal  sie  jeden  Dichter  möglichst  nur  einmal  besprechen.  Wie  schief,  wenn 
Wilhelm  Müller  unter  die  „Dichter  der  staatlichen  Wiedergeburt"  gerät,  Börne  unter 
den  „Humoristen"  zwischen  Jean  Paul  und  Hebel  steht,  weit  getrennt  von  Heine,  wenn 
Knapp  zu  den  „Nachklängen  der  schwäbischen  Dichtung",  Gerok  dagegen  zu  den 
„Dichtern  der  strengen  Kunstform"  gesclilagen  wird!  Die  Abteilungen  „Dichter  der 
freien  Kunötform"  und  „Dichter  der  strengen  Kunstform"  arten,  dehnbar  und  nichts- 
sagend, wie  ihr  Titel  ist,  zumal  bei  der  jüngeren  Generation  in  wüste,  ungeordnete 
Kataloge  aus;  eine  lange  Reihe  der  obskursten  sächsischen  Lokalgrössen  wird  uns  mit 
wärmstem  Lobe  vorgeführt,  Raimund  und  Nestroy  suchte  ich  vergebens.  Geschichtlicher 
Blick  für  die  Entwicklung,  für  das  geistig  oder  technisch  Bedeutende  fehlt  den  Vff. 
ebenso  wie  die  Gabe  der  Charakteristik:  man  lese  die  jammervollen  Abschnitte 
über  Grillparzer,  Mörike,  E.  T.  A.  Hoffmann,  Anastasius  Grün,  Gottfried  Keller!  Tiecks 
Dichtung  war  nach  H.  und  G.  anfangs  „von  unbefangener  Frische",  Hauif  hat  auf  sie 
meteorartig  blendend  gewirkt,  Annette  Droste  ist  die  grösste  Dichterin  aller  Zeiten  und 
Völker,  Stifter  der  Schöpfer  der  Novelle  „im  heutigen  Sinne",  Harts  „Wollen  ist  riesen- 
haft, und  sein  Können  bleibt  nicht  liinter  diesem  zurück".  Dies  und  andere  phrasenhaft 
thörichte  Urteile  werden  begreiflich,  wenn  man  sich  z,  B.  aus  dem  über  „Lucinde"  Be- 
merkten überzeugt,  dass  H.  und  G.  harmlos  über  Werke  schreiben,  die  sie  nie  gelesen 
haben:  hätten  sie  uns  statt  der  fast  600  Dichter,  die  sie  mit  ihren  gleichgültigen  Ur- 
teilen versehen  aufzählen,  lieber  mit  gesunder  Auswahl  ein  Viertel  vorgeführt,  diese 
aber  wirklich  studiert!  —  Vermissen  wir  hier  jeden  gegründeten  Standpunkt,  so  lässt 
sich  der  feste  Standpiuikt  Lindemanns 3)  bekanntier  Litteraturgescliichte  freilich  nicht 
absprechen,  deren  dritte  Abteilung,  das  19.  Jh.  umfassend,  in  der  sechsten  Auflage  von 
Seeber  neu  bearbeitet  wurde.  Unstreitig  sind  der  Vf  wie  der  Bearbeiter  ernster  zu 
nehmen  als  Heinze  und  Goette.  Freihch,  sie  stehen  auf  streng  katholischem  Stand- 
punkt, und  es  ist  komisch,  wenn  sie  deshalb  verlotterte  Konvertiten  zu  Heroen  unserer 
Litteratur  glauben  aufbauschen  zu  müssen,  es  ist  unwürdig  und  ärgerlich,  wenn  S,  z.  B. 
Baumgartners  bewusst  entstellenden  Urteilen  über  Goethe  gelegentlich  Raum  gewährt.  Aber 
seine  eigenen  Bemerkungen  sind  meist  massvoll,  er  opponiert  sogar  gelegentlich  gegen 
Heisssporne  wie  Brunn  er  ;  es  fehlt  ihm  nicht  an  Belesenheit;  sein  Katholizismus  ist  zwar 
humanistischen  Idealen  unbillig  abhold,  aber  nirgends  undeutsch,  und  ich  bin  weit  ent- 
fernt, dem  religiösen  Gesichtspunkt  in  der  Litteraturgeschichte  die  Berechtigung  ganz 
absprechen  zu  wollen;  der  Mut  ehrlicher  Meinung  ist  zudem  selten  völlig  unfruchtbar. 
Auch  hier  wäre  straffere  Rücksicht  auf  die  Chronologie  wünschenswert,  auch  hier 
werden  viel  zu  viel  unbedeutende  Dichternamen  gehäuft  (auffallend  zahlreich  sind  die 
Frauen  vertreten),  während  z.  B.  Gottfried  Keller  und  Otto  Ludwig  mit  zwei  Zeilen 
abgethan,  K.  F.  Meyer,  Seidel  u.  a.  gar  nicht  erwähnt  sind.  Entschieden  nützlich  ist  die 
eingehende  und  Hebevolle  Erörterung  der  katholischen  Dichtung  und  des  modernen 
protestantischen  Kirchenlieds,  die  in  den  landläufigen  Litteraturgeschichten  mit  ungerecht- 
fertigter Gleichgültigkeit  abgethan  wird.  Hier  liegt  die  Stärke  des  Buches,  —  nur 
sollten  Geschmacklosigkeiten  vermieden  werden,  wie  die,  dass  Helles  „Jesus  Messias" 
Klopstocks  Vorzüge  besitze  ohne  seine  Schwächen  u.  a.  m.  Mit  besonderer  Vorliebe 
sind  femer  von  S.  die  österreichischen  Dichter  besprochen,  unter  die  nur  der  Kronprinz 
Rudolf  nicht  gehörte;  auch  hier  ergänzt  er  die  gewöhnlichen  Bücher:  allerdings  macht 
es  gegen  sein  Urteil  misstrauisch,  dass  er  Dichter  wie  Grillparzer  und  Hebbel,  Raimund 
und  Gilm  gar  so  kühl  bespricht  oder  gar  nachdi'uckslos  in  der  Masse  untergehen  lässt. 
Ganz  ungenügend  ist  der  Abschnitt  über  die  Philosophen;  in  der  trockenen  Aufzählung 
der  Uebersetzer  steht  Swoboda,  der  talentvolle  Dichter  des  deutschen  Textes  der 
Königinhofer  Handschrift,  mit  Unrecht.  — 


VIII,  474  S.  M.  8,00.  |[WIDM.  68  S.  287;  A.  Scliröter:  BUI.  S.  356/7;  SchlesZg.  N.  205.]|  -  2)  P.  Heinze  u. 
R.  Goette,  Gesch.  d.  deutschen  Litt.  v.  Goethes  Tode  bis  z.  Gegenwart.  Mit  e.  Einl.  Hber  d.  deutsche  Litt.  v.  1800-32. 
Mit  10  Bildnissen  u.  Namenszeichnungen  deutscher  Dichter.  Dresden-Striesen,  Heinze.  VI,  460  S.  M.  6,00.  |[Manitius: 
AZ».  N.  117  (unverstandig  lobend);  LCBl.  S.  482/3;  Hauffen:  DLZ.  S.  672/3.]|  —  3|W.  Linde  mann,  Gesch.  der  deutschiii  Lift. 
6.  Aufl.  3.  Abt.  (Schlu.ss.)    y.  Anfang  d.  19.  Jh.  bi«  /.Gegenwart,  bearb.  v.  J.  Seeber.    Freiburg,  Herder.   1889.  XU,  741-H7ti  S. 


IV,1:  G.  Roethe,  Allgemeines  des  18. /19.  Jahrhunderts,  35 

Trotz  der  scharfen  Kritik  lütramontaner  Litteraturgeschichte,  mit  der  er  ein- 
setzt, huldigt  Vorberg*)  mindestens  derselben  engherzigen  Einseitigkeit,  wenn  er  die 
moderne  Belletristik,  zumal  den  Roman,  auf  ihre  Stellung  zum  positiven  Christen- 
tum hin  durchmustert.  Das  möchte  gehen,  wenn  ihn  nur  pädagogische  Erwägungen 
leiteten.  Aber  „klassisch  ist,  was  bleibt"  und  „kein  Dichter  behauptet  sich  in  der 
Liebe  des  Volkes,  der  sich  gegen  die  Religion  versündigt".  So  läuft  es  auf  eine 
Klassizitätsprobe  heraus,  vor  der  Goethes  „Ewiger  Jude"  ebenso  schlecht  bestehen 
würde,  wie  der  Isolde  Kurz  „Weltkritik".  Das  hindert  ja  nicht,  dass  gewisse  Gruppen, 
wie  der  biblische  Geschichts-,  der  christliche  Familienroman  leidlich  zutreffend  zusammen- 
gefasst  und  beurteilt  werden;  die  Einzelcharakteristik  leidet  regelmässig  unter  V.s  engem 
Gesichtskreis:  wie  könnte  er  sonst  Fontane  der  „Stine"  wegen  mit  Bleibtreu  und 
Alberti  in  einem  Atem  nennen,  wie  könnte  er  sonst  den  „Grünen  Heinrich"  mit  dem 
Stichwort  „öde,  rationalistische  Manier"  abthun  wollen?  —  Auch  sonst  hat  die  neueste 
Dichtung  mancherlei  zusammenfassende  Besprechungen^—'')  erfahren,  die  aber,  auch  ganz 
abgesehen  von  blossen  Parteipamphleten,  gar  zu  sehr  des  geschichtlichen  Blicks  tmd 
Interesses,  des  sicliern  theoretischen  Standpunkts  entbeln-en,  um  in  den  Rahmen  dieser 
Berichte  zu  fallen.  — 

Die  Ergänzung  litterarliistorischer  Darstelhingen  für  ein  weiteres  Publikum 
durch  eine  daran  angelehnte  Auswahl  von  Proben  ist  wohl  motiviert.  So  will  die  in 
zweiter  Ausgabe  erschienene  reichhaltige  Anthologie  von  Hellinghaus**)  das  Werk 
Lindemanns  (vgl.  N.  3)  ergänzen,  und  sie  teilt  demgemäss  seine  katholische  Richtung. 
H.  beschränkt  sich  auf  solche  abgeschlossenen  Gedichte,  die  der  christlichen  Schule  und 
Familie  unbedenkKch  vorgelegt  werden  können;  trotzdem  war  es  schwerlich  richtig  oder 
gar  nötig,  A.  W.  Schlegel  vorwiegend  durch  Legenden  zu  vertreten,  bei  Mörike  „das  ver- 
lassene Mägdlein",  bei  Platen  die  Oden,  z.  B.  das  „Bessere  Teil",  bei  Scheffel  die 
Rodensteiner  Lieder  ganz  fehlen  zu  lassen,  von  Immermann,  Sallet,  Gottfried  Keller, 
Gilm,  Fontane  gar  keine  Proben  zu  bringen,  während  doch  Dichter  erheblich  niederen 
Ranges,  wie  Muth,  Lmse  Hensel,  Bone,  Guido  Görres,  Schlüter,  Grimme  ausgiebig  be- 
rücksichtigt sind.  —  Die  Auswahl  des  Deutsch -Franzosen  Adler-Mesnard'-* ),  die  in 
neuer  Bearbeitung  erschien,  war  ihrer  Zeit  gewiss  ein  nützliches  Hilfsmittel  und 
teüt  die  Schwächen  des  Hellinghausschen  Buches  nicht:  sie  ist  zwar  sehr  viel  knapper, 
zumal  sie  auch  Prosastücke  bringt,  aber  die  Proben  sind  unbefangen  und  mit  Takt  ge- 
wählt. Doch  war  das  Buch,  das  sich  an  Heinrichs  „Histoire  de  la  litterature  allemande" 
anschloss,  leider  daneben  auch  ein  eigenes,  von  den  abenteuerlichsten  Fehlern  wimmelndes 
litterarhistorisches  Resume  brachte,  längst  veraltet,  und  der  Neubearbeitei',  ein  unge- 
nannter Professeur  de  l'Academie  de  Paris,  hat  sich  seine  Aufgabe  empörend  leicht  ge- 
macht; soviel  ich  sehe,  hat  er  lediglich  ein  paar  Zeilen  hinzugefügt,  die  mehr  noch  von 
Unwissenheit,  als  von  nationaler  Befangenheit  zeugen.  Ich  verdenke  es  ihm  nicht,  wenn 
ihm  die  deutsche  Litteratur  aus  der  zweiten  Hälfte  des  Jh.  nicht  sonderlichen  Eindruck 
macht:  aber  lediglich  die  Kriegslyrik  von  1870/71  zu  erwähnen  („vme  meute  formidable 
de  poetes  de  tout  pelage  a  rempli  l'Allemagne  de  ses  aboiements")  und  Freytag,  Heyse, 
Hebbel,  Reuter,  Schopenhauer,  Ludwig,  Keller,  K.  F.  Meyer,  Fontane,  Wildenbruch  u.  a. 
in  Einleitung  und  Proben  nicht  mit  einem  Wort  zu  berühren,  das  erklärt  sich  nur  aus 
vollkommner  Unkenntnis;  mit  Redwitz  und  Vamhagen  zu  schliessen,  geht  heiitzutage 
doch  nicht  mehr  an.  — 

In  der  grossen  schweren  Kunst,  mit  sicherem  Blick  das  Wesentliche  vom  Un- 
bedeutenden zu  sondern,  mit  sicherer  Hand  die  Grundlinien  der  Entwickelung  fest  und 
doch  künstlerisch  befriedigend  zu  ziehen,  mit  sicher  begründetem  Urteil  das  Schöne  und 
Verheissungsvolle  über  das  Hässliche  und  Unfruchtbare  zu  erheben,  hat  diesmal  ein 
Vertreter  der  politischen  Geschichte  die  Litterarhistoriker  vom  Fach,    die  wir  eben 


M.  2,00.  —  4)  M.  Vorberg,  E.  Streifzug  durch  d.  moderne  Belletristik.  Gotha,  Perthes.  54  S.  M.  0,80.  —  5)  X  Anton 
Schmid,  D.  deutsche  Litt,  in  d.  Klemme.  E.  litt.  Randglosse.  Weimar,  Weissbach.  VIII,  45  S.  M.  1,00.  (D.  burschikose 
Schriftchen  wünscht  d.  Deutschen  e.  National-,  d.  h.  Idealrealisten  ;  es  bespricht  d.  jUngstdeutsche  Litt.,  unter  der  es  Wildeu- 
bruch,  Voss,  d.  Harts,  Holz,  Fitger,  Kirchbach,  Conrad,  Kretzer  allzu  hoffnungsvoll  behandelt,  Bleibtreu  verspottet;  d.  krankhafte 
Vorliebe  für  d.  Geschlechtliche  wird  mit  Recht  bedauert.)  —  6)  X  E.  litt.  Reise  durch  Deutschland.  (=  Neue  litt.  Volkshefte. 
9.  Litt.-Briefe  an  e.  deutschen  Marineoffizier  in  üstafrika.)  Berlin,  Eckstein  Nachf.  32  S.  M.  0,50.  (Gesunde  Charakteristik 
einiger  moderner  Dramen  u.  Romane;  vor  allem  über  Sudermanns  „Ehre",  d.  Arbeiten  v.  Holz-Schlaf,  Kretzers  „Bergpredigt", 
Spielhagens  „Neuen  Pharao'',  Hoffmanns  „Iwan".)  —  7j  X  E.  Berliner  Theaterreise.  (;=  Neue  litt.  Volkshefte.  8.  Litt.-Briefe 
an  e.  deutschen  Marineoffizier  in  Ostafrika.  Berlin,  Eckstein  Nachf.  32  S.  M.  0,50.  (Verständige  Bemerkungen  über  neuere 
Berliner  Theaterereignisse,  z.  B.  über  Hauptmanns  „Vor  Sonnenaufgang",  Wildenbruchs  „Generalfeldoberst";  im  Anhang  sind 
einige  jUngstdeutsche  Albernheiten  über  Goethe  zusammengestellt.)  —  8)  0.  Hellinghaus,  Deutsche  Poesie  v.  d.  Romantikern 
bis  auf  d.  Gegenwart.  Proben  z.  Litt.-Gesch.  ausgew.  unter  bes.  Berücksichtigung  v.  Lindemanns  Litteraturgesch.  2.  Aus-, 
gäbe.  I'reiburg,  Herder,  o.  J.  XII,  463  S,  W.  2,00.  —  9)  M.  Adler-Mesnard,  La  Littörature  Allemande  au  XIX.  Siecle 
Morceaux  choisis  des  meilleurs  Poetes  et  Prosateurs  de  cette  ^pocjue,  pr6c6d6s  d'un  resume  de  l'histoire  de  cette  litt6rature, 
de  notices  biographiques  et  bibliographiques,  accompagn^s  de  notes  explicatives  et  d'un  traitö  de  prosodie  allemande.  Recueil 
en   un  volume    continu^   jusqu'ä   nos  jours  et  annot^  par  un  professeur  de  l'acad^mie  de  Paris,   agr^gö  de  Tuniversite.    Paris 

3* 


36  IV,1:  G.  Roethe,  Allgemeines  des  18./19.  Jahrlmnderts. 

kennenlernten,  weit  geschlagen.  Treitschkes^O)  knappe  Darstellung  des  künstlerischen 
und  wissenschaftlichen  Lebens  in  Deutschland  zwischen  1830  ■  und  1840,  zumal  seine 
Schilderung  des  Jiuigen  Deutschlands  im  7.  Kapitel,  ist  ein  Meisterstück  des  Forschers 
wie  des  Schriftstellers,  an  dem  ich  nicht  bemäkeln  mag,  dass  die  Beleuchtung 
zuweilen  gar  zu  grell  gerät.  In  dem  gewaltigen  Bilde  Goethes,  der  in  dem  zweiten 
Teile  des  „Faust"  die  nie  ganz  verwirklichte,  aber  ewig  sich  verwirklichende  Idee  ge- 
staltet, den  ein  mächtiges  Zukunftsgefühl  über  die  kleinlichen  Tagesinteressen  hoch 
hinaushebt,  spiegelt  sich  der  anspruchsvoll  nüchterne,  beschränkt  diesseitige  Rationalismus 
der  französierenden  Liberalen  in  seiner  ganzen  Plattheit  und  Armseligkeit.  TVefflich 
werden  Bettina  und  Rahel  kontrastiert,  Heine  und  Börne,  deren  Judentum  T.  stark  betont, 
werden  in  ihrem  Pariser  Verfall  geschildert,  sehr  lehrreich  stellt  er  dar,  wie  das  Junge 
Deutscldand  lediglich  norddeutsches  Gewächs  ist,  in  Süddeutschland  gar  keinen  Anklang 
fand,  wie  ungerecht  das  liberale  Geschrei  über  die  angebliche  Denunziation  Menzels 
war,  dessen  Stellung  zu  den  Juden  Geiger ^i)  durch  ein  Citat  aus  seiner  Litteratur- 
geschichte  beleuchtet.  Vortrefflich  werden  Mörike  und  Immermann  von  T.  gewürdigt, 
vortrefflich  die  Entwicklung  der  historischen  Wissenschaften  (Ranke,  Schlosser,  Dahl- 
mann,  W.  v.  Humboldt,  J.  Grimm)  verfolgt,  höchst  anschaulich  wird  die  Spaltung  des 
Hegeltums  in  eine  Rechte  und  Linke  erzählt.  Auch  ausserhalb  dieses  ausschliesslich 
litterarischen  Kapitels  berührt  T.  allenthalben  unser  Gebiet:  in  den  Verfassungskämpfen 
der  Kleinstaaten  treten  so  manche  litterarische  Grössen  hervor;  Niebuhrs  Charakterbild 
wird  uns  nahe  gebracht,  die  Polendichterei  und  die  zweifelhafte  Poesie  des  Unbedingten 
in  das  Licht  verdriesslicher  Komik  gerückt,  die  Katastrophe  in  Göttingen  in  Verlauf 
und  Folgen  eingehend  erörtert.  Die  starke  reife  Männlichkeit  des  Urteils,  das  künst- 
lerische Feingefühl  des  Verständnisses  giebt  den  litterarischen  Abschnitten  des  T.schen 
Geschichtswerkes  einen  bleibenden  Wert,  der  ausser  Verhältniss  steht  zu  ihrer  geflissent- 
lichen Knappheit  und  den  nur  befangene  Parteiverblendung  verkennen  kann.  —  Auch 
die  populäre  und  kurze  „Geschichte  Deutschlands"  von  Volz^^)^  die  T.s  politischem 
Standpunkt  nahesteht,  nur  konservativer  und  zur  Schönfärberei  geneigt  ist,  berücksichtigt 
Kultur-  und  Litteraturverhältnisse  durchweg,  nicht  nur  in  ihrem  sechsten,  einer  ge- 
drängten Ueberschau  über  Litteratur  vind  Kunst  gewidmeten  Buche.  Ohne  auf  diese 
schnell  orientierende,  aber  in  Anordnung,  Auswahl  und  Urteil  nicht  einwandfreie  kurze 
Uebersicht  einzugehen,  weise  ich  auf  die  an  andrer  Stelle  vorgetragene  Ansicht  hin,  die 
Schicksalstragödie  sei  ein  Ergebnis  der  Metternichschen  Reaktionspolitik;  wenn  V.  die 
politische  Lyrik  von  Prutz,  Freiligrath,  Hoffmann  dem  Jungen  Deutschland  und  Herwegh 
als  erheblich  harmloser  und  freudiger  gegenüberstellt,  so  ist  das  kaum  zu  verstehen.  — 
Flüchtig  nur  wird  das  litterarische  Leben  berührt  in  Wilhelm  Müllers  ^3^  verbreitetem 
und  flott  im  Sinne  des  süddeutschen  Liberalismus  gesclu'iebenen  Geschichtsbuch,  in  dem 
mir  nur  die  Behauptung  auffiel,  die  Agende  Friedrich  Wilhelms  III.  sei  entstanden  unter 
demEinfluss  der  Romantik.  — -  Auch  Biedermanns**)  Erzählung  des  Vierteljahrhunderts 
von  1815/40,  von  seinen  „Dreissig  Jahren  deutscher  Geschichte"  durch  den  Mangel  eigener 
Erfahrungen  wesentlich  unterschieden,  geht  auf  litterarische  Fragen  über  das  Allbekannte 
hinaus  nicht  ein.  — 

Steht  in  den  zuletzt  besprochenen  Werken  die  politische  Geschichte  als  das 
eigentliche  Thema  planmässig  im  Vordergrund,  so  lag  die  Aufgabe  anders  fürSchmidt- 
Weissenfels  i5)j  wenn  er  die  Geschichte  der  geistigen  Strömungen  im  all- 
gemeinen, der  ideellen,  nationalen  und  Kultxirentwickelung  unseres  Jh.  sckreiben 
wollte.  Sein  gemässigt  demokratischer  Standpunkt  macht  sich  viel  stärker  als  in 
einzelnen  bestimmten  Aeusserungen  darin  fühlbar,  dass  er  viel  zu  wenig  in  seiner  ge- 
schichtlichen Bedeutung  zu  schätzen  weiss,  was  ihm  als  Kaviar  fürs  Volk  erscliienen 
sein  mag,  dass  er  über  dem  Lärm  der  Tagesfragen  die  leiseren  und  tieferen  Regungen 
des  geistigen  Wachstums  überhört.  Dieser  Anschauung  ist  Goethe  und  Hegel  minder 
wichtig  als  Männer  wie  Ludwig  Feuerbach  und  Strauss.  So  wird  die  Litteratur  durcli- 
weg  unverhältnissmässig  karg  bedacht:  S.  erörtert  kurz  die  Stellung  der  deutschen 
Dichtung  zu  Napoleon,  ihre  Bedeutung  für  die  nationale  Erhebung  der  Freiheitskriege, 
beleuchtet  das  internationale  Zusammenklingen  der  romantischen  Strömungen  in  Frank- 

Delavigne.  1889.  12«.  XCII,  575  S.  [[Gegenwart  S.  351.]|  —  10)  H.  v.  T rei tschke,  Deutsche  Gesell,  im  19.  Jli. 
4.  Teil.  Bis  z.  Tode  König  Friedrich  Wilhelms  III.  1.  u.  2.  Aufl.  (=  Staatengesch.  d.  neuesten  Zeit.  27.  Bd.)  Lrip/.it;,  Hirzel. 
1889.  VIII,  753  S.  M.  10,00.  —  II)  L.  G(eiger),  Wolfgang  Menzel  über  d.  Juden  in  d.  deutschen  Litt.:  ZGJudeii.  4,  S.  97/8. 
(I>.  V.  Geiger  ausgehobene  Stelle  bedauert  d.  unwürdige  Lage  d.  Juden,  denen  Heines  u.  Börnes  Benehmen  nur  ticliade.)  — 
I2i  B.  Volz,  Gesch.  Deutschlands  im  19.  Jh.  v.  Lüneviller  Frieden  bis  z.  Tode  Kaiser  Wilhelms  I.  Leipzig,  Spamer.  1891. 
VIll,  «22  8.  M.  0,00.  |[Wilhelm  MUller:  BLU.  S.  668/9.] |  (Erschien  in  sechs  einzelnen  Abt.  schon  1890.)  — 
13)  Wilhelm  HUUer,  Politische  Gesch.  d.  Neuesten  Zeit  1816 — 90  mit  bes.  Berücksichtigung  Deutschlands.  4  verb.  u.  verm. 
Aufl.  Stuttgart,  Neff.  XXIV,  676  S.  M.  0.00.  —  W)  K.  Biederm  ann,  1815—40.  25  Jahre  deutscher  Geschichte.  V.  Wiener 
Kongress  bis  z.  Thronwechsel  in  Preussen.  E.  Ergänzung  nach  rückwärts  zu  d.  Vf.  ,30  Jahren  deutscher  Gesch.  1840—70" 
Bd.  1.  Breslau,  Schottländer.  YIII.  846  S.  M.  3,50.  |  [Bauingarten:  AZ».;  Walther  Schnitze:  BLU.  S.  187/8; 
KZ.  N.  1;  C.  R.:  TglBs».  N.  9;  SchwäbKron.  N.  15;  VossZg.  N.  93;  .ScIiI.s/l'.  N  l'H';  <•.  Ue. :  LZ».  N.  9.)  (S.  144.  161  e. 
interessante   Bemerkung  Über   d.  Verbreitung   d.  „Deutschen   Blatter'.)    -    I5i   S .  I,  n     1 1    \V  eissenfel  s,    1).  19.  Jh.     Gesch. 


IV,1:  Gr-  Roethe,  Allgemeines  des   18./19.  Jahrhiiiiflerfs.  37 

reich,  Deutschland  und  England,  wobei  er  unbegreiflicher  Weise  Frankreich  zeitlich  den 
Vortritt  lässt,  und  verweilt  bei  dem  modernen  Realismiis,  als  dessen  poetische  Vertreter 
in  Deutschland  aber  nwv  Gutzkow  und  Freytag  flüchtig  gestreift  werden.  S.s  Werk 
steht  an  geschichtspsychologischer  Vertiefung  jedenfalls  erheblich  ziirück  hinter  dem 
verwandten  Versuche  Dubocs  „Hundert  Jahre  Zeitgeist  in  Deutschland",  das  freilich 
nach  Bergiö)  den  Zeitgeist  gleichfalls  als  Geist  der  Massen  fasst  und,  allzusehr  von 
Feuerbach  beherrscht,  der  Entwicklung  über  Stirner  zu  Schopenhauer  nicht  gerecht  wird: 
auch  Silesius*'')  erörtert  in  kritischer  Anlehnung  an  Duboc  den  Fortgang  von  Feuer- 
bachs realistischem  Idealismus  über  Schopenhaiiers  Pessimismus  zum  ethischen  Materia- 
lismus, der  des  Bankerottes  sicher  nur  nach  stärkster  Genusserregung  ringt;  davon 
sollen  —  Wagners  Musikdramen  zeugen!  Ebenso  sieht  Lady  Blennerhasset  ^^ )  in 
diesen  ein  Ergebnis  des  Einflusses,  den  die  unreif  übertriebenen  materialistischen  Kon- 
sequenzen aus  Darwins  Lehre  auf  die  moderne  Kunst  geübt  habe:  ihr  sonst  gesunder 
und  gut  geschriebener  Aufsatz  über  zeitgenössische  Gedankenströmungen  berücksichtigt 
deutsche  Litteratur  wenig;  nur  Max  Müller  wird  bei  Gelegenheit  des  Buddhismus  ge- 
streift und  auf  eine  französisch  dichtende  Deutsche,  Luise  Ackermann,  liingewiesen,  aus 
deren  Versen  der  theoretische  Pessimismus  spreche.  —  Als  litterarische  Epidemien  mit 
allen  obligaten  Krankheitserscheinungen  beleuchtet  ein  geistreicher  Essay  Goldbaums  i^) 
den  pessimistisch-naturalistischen  Herdentrieb,  der  hinter  Ibsen  und  Zola  herlaufen  lässt, 
wie  den  durch  Shakespeare  verschuldeten  „Sturm  und  Drang",  die  durch  Goethe 
inokiilierte  Empfindsamkeit  und  den  in  Byron  gipfelnden  Weltschmerz  vergangener  Tage.  — 
Diesen  insbesondere  begleitet  Breitinger^o)  von  der  axißna  des  Mönchslebens  mid 
Shakespeares  „Hamlet"  bis  zu  Rene  und  Childe  Harold;  den  Ausdruck  „Weltschmerz" 
hat  zuerst  Julian  Schmidt  im  heute  üblichen  Sinne  gebraucht,  in  Anlehniuig  freilich  an 
eine  vergleichbare  Anwendung  Heines.  In  wie  hohem  Grade  die  geistigen  Interessen, 
der  ästhetische  Geschmack  modischen  Wandlungen  unterworfen  sind,  denen  sich  niemand 
so  leicht  entzieht,  das  erläutert  Volbehr^i)  an  Urteilen  Reisender  über  Nürnberg  von 
1735  bis  in  die  Mitte  unseres  Jh.  hinein.  — 

Von  diesem  Gesetze  ewigen  Wandels  ist  auch  das  Nationalgefühl  nicht  aus- 
genommen: während  es  in  diesem  Jh.  nahezu  die  mächtigste  Triebfeder  der  politischen 
Entwicklung  ward,  sah  das  vorige  Jh.  mit  weltbürgerlichem  Stolze  auf  Bestrebimgen 
herab,  die  mehr  dem  Vaterlande  als  der  Menschheit  galten.  Die  imgemein  interessante 
Entwickelung  des  nationalen  Bewusstsein  imd  Stolzes  in  Deutschland  seit  1700  hat  uns 
nun  ein  Franzose,  Levy-Bruhl  22-23)^  ohne  tiefdringende  Forschung,  auch  nicht  er- 
schöpfend, aber  klar,  verständlich  und  leidlich  luibefangen  geschrieben:  schade  nur, 
dass  er  —  der  Grund  ist  leicht  zu  erraten  —  schon  beim  Jahre  1848  abbricht.  Er  geht 
nicht  überall  auf  die  Quellen  zurück;  aber  er  gesteht  das  ehrlich,  wo  er  es  unterlässt, 
und  er  hat  gute  Hilfsmittel  zu  Rate  gezogen:  nur  für  die  Goethe  gewidmete  Betrachtung 
reichte  Mezieres  nicht  aus,  und  der  Abschnitt  fällt  bedauerlich  ins  Wasser,  Der  Franzose 
macht  sich  selten  störend  fühlbar:  die  äussere  Politik  Friedrichs  des  Grossen  verstellt 
er  freilich  nicht,  und  die  halb  naiv  verwunderte,  halb  spöttische  Art,  mit  der  er  berichtet, 
der  Deutsche  glaube,  der  Geist  seiner  Sprache  tauge  nicht  zur  Lüge,  mit  der  er  die 
deutsche  Loyalität  aus  einer  mystischen  Ueberzeugung  von  der  Identität  des  Rechts  und 
des  Erfolges  erklärt,  \'errät  doch  den  Ausländer.  Dahin  gehört  es  wohl  auch,  wenn  er 
parallel  dem  sich  steigernden  Nationalgefühl  einen  wachsenden  Franzosenhass  bei  inis 
beobachten  will,  der  uns,  abgesehen  von  Momenten  der  Leidenschaft,  stets  fern  lag  und 
hoffentlich  liegt,  und  wenn  er  gleichgültige  Dinge  wie  Mauvülons  „Lettres  fran^aises  et 
germaniques"  dafür  mit  verantwortlich  macht.  Doch  das  greift  nicht  tief:  im  allgemeinen 
darf  L.  nachgesagt  werden,  dass  er  das  Wachstum  der  nationalen  Idee  in  Deutschland 
mit  der  unverhohlenen  Sympathie  verfolgt,  die  dem  Angehörigen  einer  Nation  von  altem 
starkem  Staatsbewusstsein  wohl  ansteht.  Die  Hauptpunkte  sind  scharf  und  richtig  dar- 
gestellt, und  zumal  die  vom  18.  Jh.  handelnden  Partien  sind  auch  einem  deutschen 
Publikum  zu  empfehlen,  dem  für  die  Geschichte  unserer  Einheitsbestrebungen  in  späterer 
Zeit  freilich  tiefer  eindringende  Bücher  zu  Gebote  stehen.  L.  beginnt  mit  einer  Schilderung 
des  Patrioten  Leibniz,  dem  es  nicht  nur  auf  Wertschätzung  der  Muttersprache,  auf 
Gründung  einer  deutschen  Akademie  ankam,  sondern  der  Deutschland  gerne  die  Religions- 
einheit und  allen  alten  Reichsbesitz,  zumal  das  teure  Strassburg,  zurück  verschafft  hätte, 


seiner  ideellen,  nationalen  u.  Kulturentwicklung.  Berlin,  Lüstenöder.  VIII,  477  S.  M.  8,00.  —  16)  L.  Borg,  100  Jahre  deutscher 
Zeitgeist:  LittBll.  1,  S.  22/6.  —  17)  Silesius,  100  Jahre  Zeitgeist:  MLJA.  59,  S.  365/9,  374/7.  —  18)  Lady  Blennerhassct , 
Zeitgenössische  Gedaukenströraungen :  DRs.  63,  S.  223— 33,  364—77.  —  19)  W.  Goldhaura,  Litt.  Epidemien :  NFPr.  N.  9172/3.  — 
20)  H.  Breitingor,  Neues  Über  d.  aiten  Weltschmerz  1884.  (=  Breitingers  „Studien  u.  Wandertage".  Frauenfeld,  Huber. 
XXXVI,  327  S.  M.  3,00.  S.  246—62.)  —  21)  Th.  Volbehr,  Z.  Gesch.  d.  Geschmackswaudlungen  in  Deutschland:  AZ.  N.  189. 
—  22)  L.  L6vy-Bruhl,  L'Allemagne  dcpuis  Leibniz.  Essai  sur  le  döveloppement  de  la  conscience  nationale  en  Allemagne 
1700—1848.  Paris.  Hachette.  18».  IV,  491  S.  Frcs.  3,50.  |[Silesius:  MLJA.  S.  447:'lCB1.  S.  1088-91;  Jauet:  JSav.  Sept.; 
AnnELScPoI.  N.  3.]|  —  23)  id.,  L'Allemagne  litteraire  et  Napol6on  I.:  BPL.  45,  S.  462/5.     (=  Liv.  III.  cap.  1  d.  unter  N.  22 


38  IV,1:  Gr.  Roethe,  Allgemeines  des  18./19.  Jahrhunderts. 

während  Wolf,  dessen  Einfluss  doch  wohl  tiberschätzt  wird,  und  Gottsched  lediglich 
auf  das  Ansehen  deutscher  Wissenschaft  und  Litteratur  eiferstichtig  sind;  auch  Thomasius 
und  die  moralischen  Wochenschriften  werden  beachtet.  Nicht  Triedrichs  des  Grossen 
fast  Hegeische  Staatsomnipotenz,  wohl  aber  die  Thaten  des  7j.  Krieges  steigern  das 
Natioualgefühl,  doch  auch  nur  in  Preussen:  selbst  Lessing,  der  Dichter  der  „Minna", 
will  kein  Patriot  sein,  sieht  im  Staat  ein  notwendiges  Uebel.  Erst  Herder,  der  bewusste 
Weltbürger,  kommt  doch  durch  seine  Liebe  zur  Volkspoesie  und  durch  sein  tiefes  Ver- 
ständnis für  die  Ideale  des  deutschen  Geistes,  der  sich  ihm  geradezu  zu  einem  Charakter- 
bilde verdichtet,  unwillkürlich  zu  einer  so  hohen  Würdigung  deutscher  Eigenart,  dass 
der  Kosmopolitismus  davor  nicht  bestehen  kann :  wenn  Herder  auch  meint,  des  Deutschen 
Weltaufgabe  sei,  sich  für  die  Menschheit  zu  opfern,  so  glaubt  er  damit  im  Grunde  doch 
an  die  Notwendigkeit  seiner  Existenz.  L.s  zweiter  Teil  behandelt  die  deutsche  Presse 
vor  und  während  der  französischen  Revolution,  wesentlich  nach  Wencks  Zusammen- 
stellungen, beachtet  aber  zu  wenig  die  Briefwechsel  der  Zeit,  die  für  ein  Stimirinnp;s- 
bild  dieser  Art  ungleich  ergiebiger  wären;  besser  gelungen  ist  die  Darstellung  Kants. 
der  die  Macht  des  nationalitätslosen  Rationalismus  durch  seine  Kritik  an  der  Vernuiifr 
schwächt  und  das  kraftvolle  sittliche  Pflichtgefühl  der  Befreiungskriege  vorbereitet.  In 
Fichte,  der  zugleich  der  Mann  der  reinen  Spekulation  wie  der  entschlossenen  That  ist, 
vollzieht  sich  vorbildlich  der  Umschwung  vom  Kosmopoliten  zum  energischen  Patrioten. 
Aus  dem  dritten  Abschnitt,  der  mit  der  Romantik  imd  der  Gründung  der  Berliner 
Universität  beginnt,  hebe  ich  hervor  die  Auszüge  aus  Görres,  der  Preussens  künftige 
Rolle  ahnt,  die  Darstellung  der  Hegeischen  Staatslehre,  die  Bemerkungen  über  Heine, 
der  nicht  Nationen,  nur  Parteien  kenne;  das  Junge  Deutschland  wird  mit  Recht  gering 
geschätzt;  ein  letztes  Kapitel  beschäftigt  sich  vorzugsweise  mit  der  Professorenpolitik: 
Gervinus'  Litteraturgeschichte  heisst  da  ein  Pamphlet  in  fünf  Bänden,  das  beweisen  soll, 
die  Zeit  der  Litteratur  sei  vorbei,  die  der  Aktion  (gegen  Frankreich!)  sei  gekommen; 
sympathischer  gerät  Dahlmanns  Gestalt;  dass  ein  organischer  Abschluss  fehlt,  liegt  an 
der  sachlich  unbegründeten  und  von  Schultheiss^*)  mit  Recht  getadelten  Zeitgrenze,  die 
sich  L,  gesteckt  hat.  Wenn  Faguet^s)  bezweifelt,  dass  Kant  und  Goethe  in  jenen 
Zusammenhang  gehören,  da  die  Litteratur  das  Nationalgefühl  nicht  schaffe,  sondern  nur 
wiederspiegle,  so  irrt  er  durchaus;  mehr  Recht  hat  er  leider  mit  der  Klage,  dass  das 
Deutschland  des  entwickelten  Nationalgefühls  seine  alte  geistige  Stärke,  seine  idealen 
Aufgaben  gar  so  schmählich  vergessen  habe.  —  Für  die  Zeit  von  1807  bis  1814  ergänzt 
Goette^*')  Levy-Bruhls  Arbeit  durch  eine  Zusammenstellung  von  Aeusserungen  deutscher 
Schriftsteller  und  Zeitungen  über  die  staatliche  und  innerliche  Wiederherstellung  des 
zertrümmerten  Reichs;  charakteristisch  genug  tritt  die  Sehnsucht  nach  dem  guten  Alten, 
selbst  nach  dem  habsburgischen  Kaiser  stärker  hervor  als  der  ernste  Gedanke  an  Neu- 
bildungen; ja,  es  giebt  Publizisten,  die  auch  Frankreich  die  für  Deutschland  so  segens- 
reiche Rückbildung  in  Völkerschaftsstaaten  anraten;  machtvoll  ragen  über  alles  Andre 
Fichtes  Reden  empor,  in  denen  ihm  die  Deutschen  als  ein  heiliges  Urvolk  von  welt- 
historischer Mission  sich  darstellen.  — 

Diese  Auffassung  wurzelt  tief  in  Fichtes  Philosophie  der  Geschichte,  die  jetzt 
im  5.  Kapitel  des  ausgezeichneten  Buches  von  Festerä'?)  „Rousseau  ixnd  die  deutsche 
Geschichtsphilosophio"  eingehend  entwickelt  worden  ist.  Der  Titel  weist  auf  eine 
Schwäche  des  Werkes  hin:  F.  betont  allzu  geflissentlich  die  Beziehungen  der  deutschen 
Philosophie  zu  Rousseau,  mit  dem  sie  schon  von  Fichte  an  nur  noch  durch  sehr  lose 
Fäden  verknüpft  ist.  Sehen  wir  von  diesem  Kompositionsfehler  ab,  der  sich  wohl  aus 
der  Entstehungsgeschichte  erklärt,  so  dürfen  F.s  lichtvolle  Entwickhnig  und  anschau- 
liche Darstellung  rückhaltlos  gerühmt  werden:  dass  ihm  Schellings  unruhige  Produk- 
tivität und  Friedrich  Schlegels  aphoristischer  Dilettantismus  minder  gelingen,  als  Hcrdoi-, 
Kant,  Schiller,  Fichte,  das  liegt  in  der  Natur  der  Sache.  Seine  Grundlage  schafit  sich 
F.  durch  eine  Entwicklung  der  zu  verschiedenen  Zeiten  sehr  verschiedenen  gescliiclits 
philosophischen  Ansichten  Rousseaus:  der  des  historischen  Sinns  im  Grunde  l>rtre 
Philosoph  geht  zwar  aus  von  leidenschaftlicher  Rücksehnsucht  nach  der  naiven  Unschuld 
des  Naturzustandes,  aber  er  arbeitet  sich  doch  an  der  Hand  seiner  Lehre  von  der 
menschlichen  Perfektibilität  durch  zu  dem  Ideale  eines  sittlichen  Staates,  der  in  ge- 
schichtlicher Entwicklung  sich  ausbilden  und  die  Vorzüge  der  Natur  mit  der  ent- 
wickelten Intelligenz  und  Moral  vereinen  soll.  Während  die  Bildinigsphilister  der  Auf- 
klärung, unter  denen  namentlich  Moses  Mendelssohn  Rousseau  gegenüber  in  fast  be- 
lustigende Trivialität  verfallt,  entschiedene  Stellung  zu  ihm  nicht  gewinnen,  hat  Lessing 


erwähnten  BucIir.)  —  24)  G.  Schul  tli  eiss,  E.  franz.  Buch  IUmt  il.  Knt«  i(l<liiiit,'  <1.  deutschen  Nationalbewusstseiiis:  Gpkp"w. 
38,  S.  280/1.  —  25)  t.  Faguet,  Psychologie  d'un  penple.  L'All.iin.'ii..  .Ir|,uis  I.nhiiiz:  BPL.  45,  8.781/4.  —26)  K.  (ioette, 
DentBcher  Volksgeist  in  d.  Jahren  1807— 14  u.  seine  politische  KoU>> :  TglUs.  S.  12  :i;  15/7;  49—51.  —  27)  R.  Fester.  Rousseau 
u.  d.  deutsche  Oeschichtsphilosophie.  E.  Beitr.  z.  Gesch.  d.  deutschen  lflp;ilisniiis.  Stuttgart,  Göschen.  X,  340  S.  M.  5,50. 
|[Gegenw.  8.  364;   M.  K.:    NatZg.   N.  640  u,   646;   MahrenhoUz:   ASNS,  8(i.    S.   112   u.  ZFranzSL.  13,  S.  74/B;   Borinski: 


IV,1:  Gr.  Roethe,  Allgemeines  des  18./19.  Jahrhunderts.  39 

Rousseaus  Gedanken  über  den  Wert  geschichtlicher  Bewegung  wenigstens  für  die 
Religion  in  der  „Erziehung  des  Menschengeschlechts"  fortgebildet.  Das  streng  historische 
Denken  wendet  sich  gegen  den  Genfer  Philosophen  weniger  in  Moser  und  Iselin  als  in 
Herder.  Hübsch  zeigt  F.,  wie  Herder  gerade  in  der  früheren  Periode,  für  die  seine 
Beschäftigung  mit  Rousseau  gesichert  ist,  sich  schnell  und  entschieden  von  seinem  Ein- 
flüsse löst,  wie  sich  dagegen  in  der  grandiosen  Erucht  seiner  Reife,  in  den  „Ideen" 
Rousseaus  Perfektibilität  überrraschend  geltend  macht;  zwar  interessiert  den  Indivi- 
dualisten viel  mehr  das  einzelne  Volk,  der  einzelne  Mensch  als  die  Menschheit  und  der 
Staat,  aber  er  glaubt  doch  an  die  Entwicklung  der  Gattung  und  an  das  vernünftige 
Glück  des  Einzelnen  durch  die  Gattung.  Durch  Kant  wird  Rousseaus  moralischer 
Idealismus  eine  Macht;  auch  den  Staatsgedanken  weiss  er,  freilich  rationalistisch  aus 
der  Erziehung  für  den  Staat  zur  Erziehung  durch  den  Staat  gemodelt,  sich  anzueignen. 
Aber  ihm  ist  der  Mensch  von  Natur  böse  und  kann  nur  durch  völliges  Ausleben  in  der 
Gattung  zu  dem  höchsten  Ziel  und  Gut,  der  Identität  von  Glück  und  Tugend,  gelangen. 
Dass  die  Weltgeschichte,  deren  Bedeutung  Rousseau  unterschätzt,  für  die  er  aber 
objektivste  Sachlichkeit  in  Eorschung  und  Darstellung  mit  Recht  fordert,  das  einzige 
Mittel  sei,  das  Individuum  in  die  Gattung  überzuführen,  indem  wir  uns  durch  sie  mit 
der  Vergangenheit  zusammenfassen,  diese  geschichtsphilosophisch  einschneidende  An- 
schauung schwebt  Herder  und,  wiederum  rationalistisch  ernüchtert,  auch  Kant  vor;  zur 
vollen  Klarheit  gelangt  sie  durch  Scliiller.  Der  Staat  als  Endziel  der  Entwicklung  liegt 
ihm  fem:  die  ethische  Erziehung  Kants  ersetzt  und  ergänzt  er  durch  die  ästhetische 
und  hat  damit  sogar  auf  Kant  einen  gewissen  Einfluss  geübt.  Zwischen  dem  roh 
physischen  und  erhaben  ethischen  Leben  des  Menschen  muss  die  ästhetische  Periode 
liegen:  die  Freude  an  der  Schönlieit  macht  gleichgiltig  gegen  die  plumpe  Realität  und 
giebt  eben  dadurch  Macht  über  die  Aussenwelt.  So  liegt  alles  Heil,  mittelbar  auch 
das  moralische,  in  der  Kunst;  der  ideale  Grieche  wird,  freilich  nur  für  die  konstruierte 
Uebergangszeit,  die  aber  unwillkürlich  Selbstzweck  wird,  der  Typus  des  idealen  Menschen. 
Mit  dieser  Wertschätzung  der  Kunst,  der  höchsten  Kulturblüte,  ist  in  dem  gereiften 
Schiller  der  denkbar  stärkste  Gegensatz  zu  Rousseau  erreicht,  dessen  Einfluss  auf  den 
jungen  Schiller  Kvmo  Fischers  Buch  „Schillers  Jugend-  und  Wanderjahre"  eingehender 
entwickelt  hat,  als  F.  das  thut.  Fichte  lernt  von  Rousseau  zwar  die  sittliche  Natur 
des  Staats,  aber  er  vermissf  in  ihm  die  Energie  der  That,  macht  ihm  zum  Vorwurf, 
dass  er  durch  Denkfehler  den  Idealzustand  der  Zukunft  zum  Urzustand  gestempelt  hat. 
Neben  und  vor  der  politischen  Erziehung  braucht  der  Mensch  die  philosophische,  die 
die  Aufgabe  der  Gelehrten  ist.  Apriorisch  konstruiert  Fichte  fünf  weltgeschichtliche 
Epochen  vom  einfachen  Vernunftinstinkt  bis  zur  freien  Herrschaft  der  Vernunft;  die 
erziehende  Kraft  fällt  je  einem  Normalvolk  zu:  das  der  neueren  Geschichte  sind  die 
Deutschen.  Schön  erweist  F.,  wie  in  diese  rein  spekulativen  Epochen  doch  thatsächliclie 
geschichtliche  Eindrücke  hineinspielen.  Die  hyperspartanische  Staatserziehung,  die 
Fichte  unter  Einwirkung  der  Fremdherrschaft  wünscht,  ist  ebenso  ein  Ergebnis  des 
Systems  wie  der  schweren  Zeit.  Auch  Schelling  glaubt  an  den  Fortschritt  zur  Vernunft, 
die  im  Sündenfall  zuerst  die  Unschuld  abzulösen  begann;  ein  zweiter  Sündenfall  war 
der  Untergang  der  Natur,  die  der  Grieche  repräsentierte,  im  Christentum.  Die  Identität 
von  Notwendigkeit  und  Freiheit,  von  Natur  und  Geschichte  enthüllt  sich  in  der  Ge- 
schichte, aber  nur  in  der  ganzen  und  abgeschlossenen;  wir  müssen  also  glauben.  Schade, 
dass  F.  versäumt  hat,  die  Identitätslehre  durch  Adam  Müllers  Lehre  vom  Gegensatz  zu 
ergänzen.  Friedrich  Schlegel,  dem  der  Katholizismus  schliesslich  wird  was  Schopenhauer 
der  Wille,  erkennt  für  die  Philosophie  nur  Ein  Werden  an,  dessen  Wissenschaft  eben  die 
Geschichte  ist.  Fichtes  zwei  Urvölker,  die  Wilden  und  die  Normalen,  kehren  bei 
Schlegel  in  den  atheistischen  Kainiten  und  den  religiösen  Sethiten  wieder,  Sah  er  an- 
fangs nur  bei  den  Griechen  organische  Entwicklung,  wie  er  sie  einzig  von  Goethe 
wieder  erhoffte,  so  wird  ihm  später  das  Mittelalter  die  gelobte  Zeit  der  Gesinnung, 
vor  der  die  Meinimgen  der  Neuzeit  nicht  Stich  halten.  Durch  die  Einheit  von  Staat 
und  Kirche  soll  die  Menschheit  wieder  zu  einem  Individuum  werden,  in  die  durch  den 
Sündenfall  verlorene  Freiheit  zurückkehren.  Von  der  unwillkürlichen  Rousseauvariation, 
zu  der  es  hier  ein  absolutistischer  Tendenzphilosoph  bringt,  führt  F.  über  Schopen- 
hauer, Herbart  und  Krause  (Menschheitsbund,  vier  Hauptlebensalter)  zu  W.  v.  Humboldt, 
der  im  Gegenteil  eine  möglichst  individuelle  Ausbildung  fordert,  die  der  Staat  nur  er- 
leichtern, nie  nivellieren  darf;  in  starker  geschichtlich -philologischer  Begabung  betont 
er,  wie  dem  Menschen  in  jeder  Periode  „nur  Ein  Funken  seines  Wesens  hell  und 
leuchtend  schimmere",  wie  also  eine  wahre  Erweiterung  unseres  Daseins  „auf  historischem 
Wege  nur  durch  Anschauen  gewesenen  Daseins  möglich  sei",  und  gelangt  so  zum  Plane 
vergleichender  Anthropologie.    Femer  führt  F.  uns   zu  Hegel  28),  dem  Staat,  Geschichte 


AZ»,  1891.  N.  284;  LCBl.  1892,  S.  110/1;  Herr:  RCr.  26,  S.  32/5.]i  —  28)  X  L-  Büchner.  Fremdes  u.  Eigenes  aus  d.  geistigen 


40  IV,1:  Ct.  Roethe,  Allgenieiiips  des  18./19.  Jahrhunderts. 

und  Vernunft  sich  aufs  nächste  verknüpfen  und  dei-  das  Organische  des  Staates  stärker 
herausarbeitet  als  einer  seiner  Vorgänger,  freilich  auch  er  gleich  Fichte  bei  seinen 
Konstruktionen  inibewusst  geleitet  durch  thatsächliche  politische  Erfahrungen.  Ein  An- 
hang über  die  Ideen  des  ewigen  Friedens  bei  Kant  luid  Herder  schliesst  F.s  sehr  lehr- 
reiches Buch,  dessen  geschlossenen  Inhalt  keine  knappe  Analyse  auch  nur  andeuten  kann 
und  dessen  Kenntnis  auch  der  Litterarhistoriker  nicht  entraten  darf:  wie  die  grossen 
Probleme  der  Erziehung  und  der  idealen  Ziele  des  Menschengeschlechts  mit  der  Frage 
nach  den  höchsten  Aufgaben  der  Kunst  auf  weite  Strecken  zusammenfallen,  so  ist  ihre 
Geschichte  eng  und  oft  unlöslich  verbunden.  —  In  ähnlicliem  Sinne  kommt  auch 
Wundts^^)  Centennarbetrachtung  über  den  Zusammenhang  der  Philosophie  mit  der 
Zeitgeschichte  dem  Verständnis  unserer  Litteratur  zu  gute:  geistvoll  entwickelt  W.  die 
Verwandtschaft  zwischen  Kants  Ethik  und  dem  Staate  Friedrichs  des  Grossen,  zwischen 
Fichtes  Ich -Philosophie  in  ihren  Wandlungen  und  dem  Umschwung  der  napoleonischen 
Weltherrschaft,  zwischen  Hegels  Staatslehre  und  der  Restauration,  zwischen  Feuerbachs 
Menschengöttlichkeit  und  den  revolutionären  Bestrebungen  des  Jungen  Deutschlands, 
zwischen  Schopenhauers  Pessimismus  und  dem  politischen  Rückschlag  nach  1848.  — 
Gute  Wirkungen  der  Aufklärungsepoche  veranschaulicht  Jahncke'^*')  in  seiner  Dar- 
stellung der  segensreichen  Thätigkeit  des  Freundes  Gellerts,  des  Freiherrn  F.  E.  v.  Rochow, 
der  auf  seinem  Gute  Rekahn  unter  Friedrichs  II.  und  des  Ministers  Zedlitz  Zustimmung 
die  Landschulen  besserte  und  auch  durch  eigene  Lehr-  und  Lesebücher  an  ihrer  Hebinig 
mitarbeitete;  die  krankhaften  Ausschreitungen,  die  die  Ueberschätzung  der  Aufklärerei 
mit  sich  bringt,  illustriert  Ludwig s^i)  Aufsatz  über  den  Tempel  der  Vernunft  in  Strass- 
burg,  der  mit  einer  aus  Eulogius  Schneiders  „Argos"  entnommenen  Korrespondenz  des 
Strassburger  Mtinsterturms  mit  dem  Freiburger  anhebt.   — 

Aber  aiich  die  pathologischen  Folgen  der  entgegengesetzten  Geistesrichtung 
wurden  geschildert  und  zwar  in  einer  Arbeit  Finslers32)  über  die  zum  Teil  grauen- 
vollen Erscheinungen  religiösen  Wahnsinns,  die  sich  in  den  zehner  und  zwanziger 
Jahren  unseres  Jh.  in  dem  sonst  so  nüchternen  Volke  der  Schweiz  abspielten;  sie  ge- 
hören hierher,  weil  Frau  v,  Krüdener,  die  Sibylle  der  heiligen  Allianz,  die  intellektuelle 
Urheberin  dieser  Störungen  war.  —  Nippolds^S)  milde  und  fleissige,  leider  doch  etwas 
enge  und  unanschauliche  „Geschichte  des  Protestantismus  seit  den  Befreiungskriegen" 
weiss  der  engen  Verquickung  der  Theologie  mit  dem  gesammten  geistigen  und 
litterarischen  Leben  unserer  Zeit  nicht  ganz  gerecht  zu  werden:  Schleiermachers 
Wirkung  auf  seine  Zeit  wird  dargestellt,  Novalis  ein  überraschend  starker  Einfluss 
auf  ihn  und  Rothe  zugeschrieben  (S.  102  ff.),  ein  kiirzer,  nicht  eben  kritischer  Ueber- 
blick  gegeben  über  die  Anregungen,  welche  der  Theologie  aus  der  Poesie  erwuchsen: 
Arndt,  Hey  und  Geibel  treten  dabei  stark  hervor.  Fördernder  scheint  mir  die  an  Strauss, 
Feuerbach  und  Stinier  geübte  Kritik  und  die  begeisterte,  eingehende  Schildennig 
Rothes  und  Binisens,  die  beide  auch  mit  der  Dichtung  empfangend  und  selbstschaffencl 
eine  bemerkenswerte  Fühlung  hatten.  — 

Während  die  bisher  besprochenen  Arbeiten  überwiegend  der  zusammenfassenden 
Wiedergabe  längerer  geistiger  Entwickelungsreihen  gelten,  hat  auch  die  Einzeldar- 
stellung und  Einzelforschung  in  der  Litteratur  des  18.  und  19.  Jh.  nicht  gefeiert, 
wie  zumal  die  folgenden  Abschnitte  zeigen  werden.  Ich  stelle  hier  einige  methodische 
Bemerkungen  voran.  Geiger34-35)  erteilt  in  einer  Uebersicht  über  zahlreiche  neuere 
Schriften  „Zur  deutschen  Litteraturgeschichte  des  18.  Jh."  den  verständigen  Rat,  bei 
der  Publikation  von  Briefwechseln  strenge  Auswahl  zu  üben  oder  sich  auf  Mitteilung 
des  Wichtigsten  zu  beschränken,  damit  wir  nicht  durch  die  Fülle  interesselosen  Materials 
erdrückt  Ueberblick  \md  Lust  verlieren.  Andrerseits  betont  R.  M.  Werner,^^)  ^ig, 
notwendig  es  sei,  auch  die  Dichter  zweiten  imd  niedereren  Ranges  zu  bearbeiten,  weil 
sich  nur  so  die  Einwirkung  der  Klassiker  auf  ihre  Zeit  studieren  lasse:  wenigstens  als 
ein  Programm  dieser  Aufgabe  schätzt  er  Fischers  Heftchen  über  „Klassicismus  und 
Romantik"  in  Schwaben.  —  Die  ursprüngliche  Bedeutung  dieser  beiden  vielgebrauchten, 
aber  nicht  immer  unzweideutigen  litterarhistorischen  Stichworte  erörtert  eine  Wortstudie 
von  Breitinger37)j   der   „classicus"   im    heutigen   Sinne    zuerst    bei  dem   französischen 

Leben  d.  Gegenwart.  2.  Aufl.  Leipzig,  Spohr.  397  S.  M.  7,00.  (Tragt  S.  34  fl".  in  steigernder  Zustimmung  zu  Fouelier  de  Careil 
Über  Hegel,  Kaut,  Scliopenbauer  usw.  Dinge  vor,  die  nur  d.  geistlosen  u.  bo.scbrankten  Materialismus  d.  Vf.,  aber  nicht  unsere 
Philosophen  charakterisieren.)  —  29)  W.  W  u  n  d  t ,  Ueber  d.  Zusammenhang  d.  Philosophie  mit  d.  Zeitgoseh.  E.  Centennarbetrachtung. 
Rektoratsrede  gehalten  31.  Okt.  1889  in  Leipzig:  DKs.  62,8.25-44.  -  30)  H.  Jahncke,  Rekahn.  E.  Brennpunkt  d.  geistigen 
Aufklärung  vor  100  .lahren:  Bftr.  16.  S.  498/9,  510/2,  522/4,  534/7.  -  31)  H.  Ludwig,  D.  Tempel  d.  Vernunft  in  Strassburg: 
LZ".  N.  73,  S.  289—92.  —  32)  G.  Finsler,  D.  religiöse  Erweckung  d.  10"  u.  20"  Jahre  unseres  Jh.  in  d.  deutschon  Schweiz: 
ZörcherTb.  N.  F.  13,  S.  90—129.  —  33)  F.  Nippold,  Gesch.  d.  Protestautismus  seit  d.  deutschen  Befreiungskriege.  1.  Buch: 
Gesch.  d.  deut.scbeu  Theol.  (::::  Handbuch  d.  neuesten  Kirchongesch.  3.  umgearb.  Aufl.  III,  1.  Abt.)  Berlin,  Wiegandt  u.  Schotte. 
XII,  623  S.  M.  9,00.  —  34)  L.  Geiger,  Z.  deutschen  Litt.-Gosch.  d.  18.  Jh.:  AZ».  N.  239-40,  248/9,  257/8.  -  35)  X  H. 
Wölfflin,  Z.   Kichtigstellung:  AZ".  N.  262.    (Berichtigung  zu  Geigers  in  N.  34  enthaltenem  Referat  llber  W.s  „(iessner".)  — 

36)  R.  M.  Werner,   H.  Fischer,   Klassizismus  u.  Romantik  in  Schwaben  zu  Anfang  unseres  Jh.:    DLZ.    11,    S.  919—20.    — 

37)  H.  Breitinger,  Klassisch  u.  Romantisch.    E.  Wortstudie  1886.    (=  Breitingers  „Studien  u.  Wandertage"  —  s.  o.  N.  20  — 


IV J  :  G.  Roethe,  Allgemeines  des  18./19.  Jahrhunderts.  41 

Humanisten  Biidaeus  findet;  was  er  über  „romantisch"  bemerkt,  ist  freilich  durch  Hirzels 
Aufsatz  (ADA.  15,  S.  223)  gründlich  überholt.  —  Anknüpfend  an  den  alten,  neuerdings 
wieder  lebhafter  geführten  Streit,  in  wie  weit  Goethe  der  Dichter  des  „Heidenrösleins" 
sei,  berührt  Minor'^*^)  auch  andere  Eigentumsfragen,  die  sich  um  Werke  Goethes,  Schillers 
(„Gesetzgebung  des  Lykiu-g"  von  Nast)  und  Halms  (Enk  v.  d.  Burg,  Bacherl)  drehen.  — 
In  Sammelbänden  vereinigte  Aufsätze  werden  nach  dem  Plane  der  JBL.  an 
ihre  Stellen  verteilt  und  einzeln  besprochen.  So  bleibt  es  mir  nur  übrig,  auf  einige 
Sammlungen  hinzuweisen,  die  zu  einer  eingehenderen  Besprechimg  keinen  Anlass  geben, 
weil  sie  lediglich  ältere  Arbeiten  zusammenfassen  oder  gar  zu  wertlos  sind.  Dieser 
zweite  Grimd  lässt  mich  hier  Lau  es  3»)  unerlaubt  stümperhaftes  Machwerk  schnell  ab- 
thun,  das  in  plumpem  Stil  und  mit  stumpfer  Charakteristik  allerlei  allbekannten  bio- 
graphischen und  litterarhistorischen  Kram  über  Bodmer  und  Gottsched,  die  Bremer 
Beiträger,  die  Halleschen  und  Göttinger  Dichter,  über  Klopstock,  Wieland,  Lessing  und 
Herder  verständnislos  ausgewählt  vorträgt:  für  welches  Publikum,  weiss  man  nicht.  — 
Auf  einer  andern  Stufe  steht  es  immerhin,  wenn  Pröhle^O)  eine  Reihe  von  Aufsätzen 
zusammendruckt,  die  früher  in  der  Sonntagsbeilage  der  Vossischen  Zeitung  oder  an 
anderen  dem  Pachmann  nicht  bequem  zugänglichen  Orten  erschienen  waren.  Meist  be- 
ziehen sie  sich  auf  Goethe;  P.  schildert  seine  Harzreisen  mit  Lokaldetails,  glaubt  z.  B. 
in  den  Anlagen  von  Harbke  das  Urbild  des  Gartens  der  „Wahlverwantschaften"  wieder- 
zufinden; er  erzählt  Goethes  Beziehungen  zu  Berlin,  wobei  er  den  poetischen  Kreis  von 
Schmidt -Werneuchen  streift;  er  berichtet  über  die  Lebensvei'hältnisse  von  Personen, 
denen  Goethe  näher  stand  (Minna  Herzlieb,  St.  Schütze,  Pfeil)  und  über  die  erste 
(Braunschweiger)  Faustaufführung  von  1829;  daneben  reiht  er  diesen  nützlichen  Materialien 
auch  ein  paar  haltlose  Kombinationen  an,  durch  er  die  Goethes  „Iphigenie"  mit  dem 
„Wintermärchen",  den  fallenden  Zeiger  im  zweiten  Teil  des  „Paust"  mit  der  Uhr  von 
Sanssouci,  das  Pamilienidyll  in  „Hermann  und  Dorothea"  mit  dem  Idyll  von  Paretz  in 
Verbindiuig  bringt;  andere  Bemerkungen  über  die  geschichtlichen  Grundlagen  der 
Goetheschen  Epopöe  sind  stichhaltiger.  Von  den  Schiller  betreffenden  Aufsätzen  be- 
handelt der  erste,  der  auch  bei  seinem  ersten  Erscheinen  nichts  Neues  bot,  die  Jugend 
Schillers  kurz  und  dürftig;  der  dritte  ergänzt  Fuldas  Buch  über  Charlotte  von  Lengefeld 
durch  ein  paar  uninteressante  Notizen  über  Schillers  zweiten  Sohn  Ernst;  der  mittlere 
weist  Anklänge  der  „Räuber"  an  Pfeils  „Lucie  Woodvil"  und  an  ein  Lied  auf  Stralsiuider 
Räuber  nach.  Für  den  älteren  Körner  wird  sein  Briefwechsel  mit  Gleim  verwertet,  für 
Karl  Philipp  Moritzens  Beziehinigen  zu  Heinitz  und  seine  Bemühungen  um  Aufnahme 
in  die  Berliner  Akademie  der  Künste  und  der  Wissenschaften  werden  die  Urkunden 
des  Preussischen  Staatsarchives  herangezogen.  Bürgers  Balladendichtung  scheint  P.  den 
echten  Ton  der  Volksballade  nicht  zu  treffen;  als  Quellen  der  „Lenore"  gelten  ihm  eine 
Ballade  in  der  Art  der  durch  Schröer  aus  Gottschee  mitgeteilten  \md  eine  norddeutsche 
Sage,  nicht  aber  das  unechte  (Bürger  nachgedichtete)  Lied  im  „ Wunderhorn " ;  ein  paar 
flüchtige  Notizen  über  Bürgers  Leben  knüpfen  an  P.s  ältere  Biographie  an.  Den  Schluss 
bilden  Briefe  Knesebecks  an  Gleim  über  die  Feldzüge  von  1792/98,  die  eine  Art  Seiten- 
stück zu  Goethes  Kriegsschriften  bilden  sollen;  in  den  Anmerkungen^  die  zum  Teil 
andre  Artikel  des  Vf.  excerpieren  oder  abdrucken,  findet  u.  a.  eine  ausführliche  Lebens- 
beschreibuiig  E.Th.  Langers,  des  Nachfolgers  Lessings  in  Wolfenbüttel,  ihren  Platz.  Schrift- 
stellerisches Verdienst  besitzen  alle  diese  Aufsätze  nicht;  auch  das  seiner  Zeit  neue 
Material,  das  grösstenteils  dem  Gleimarchiv  entnommen  war,  betrifft  selten  wesentliche 
litterarhistorische  Fragen ;  so  wäre  eine  strengere  Sichtung,  Kürzungen  und  Auslassungen, 
um  so  notwendiger  gewesen,  als  es  sich  doch  eben  lediglich  um  den  Wiederabdruck 
längst  bekannter  Arbeiten  handelt.  —  Aehnliche  Bedenken  dürfen  vor  Carrieres^i ) 
„Lebensbildern",  in  denen  der  greise  Denker  eine  Reihe  älterer  und  auch  schon  anderswo 
publizierter  biographischer  Skizzen  zusammenstellt,  mit  Fug  hier  verstummen.  Spiegelt 
sich  doch  in  allen  eine  tüchtige,  in  sich  geschlossene  Persönlichkeit  und  Weltanschauung, 
besitzen  sie  doch  alle  mehr  oder  weniger  Kunstform,  die  vor  schnellstem  Veralten 
schützt,  gewinnen  sie  doch  streckenweise  durch  die  persönlichen  Lebensberührungen 
des  Vf.  mit  seinen  Helden  einen  Vorzug  an  Frische,  den  auch  die  matten  Farben  der 
Charakteristik,  die  etwas  zerflossene  Art  der  Darstellung,  wie  sie  C.  liebt,  nicht  be- 
seitigen.    Während    der    1871    gehaltene  Vortrag   „Deutsche    Geisteshelden    im    Elsass" 


S.  239—45.)  —  38)  J.  Minor,  D.  Autorscliaftsfrage  bei  Goethe  u.  neueren  Dichtern.  Aus  d.  Vortrage  v.  Prof.  J.  Minor,  d. 
18.  Febr.  1800:  ChrWGoetheV.  5,  S.  9—11.  -  39)  M.  Laue,  D.  hallesche  Kreis.  Bodmer-Gottsched.  Bremer  Beitrage.  Klop- 
stock u.  seine  Anhänger.  Hainbund  u.  Wieland,  Lessing,  Herder.  Langensalza,  Schulbuchhandlung.  III,  136  S.  M.  1,20.  — 
40)  H.  Pröhle,  Abhandlungen  Über  Goethe,  Schiller,  Bürger  u.  einige  ihrer  Freunde.  Mit  Knesebecks  Briefen  an  Gleim  als 
Seitenstück  zu  Goethes  „Campagne  in  Frankreich".  Potsdam,  Stein.  1889.  XII,  264  S.  M.  3,00,  ![LCP.l.  S.  1140;  ChrWGoetheV. 
5.  S.  19— 20.]|  —  41)  M.  Carriere,  Lehensbilder.  Leipzig,  Brockhaus.  VIII,  470  S.  M.  9,00.  |[v.  Basedow.  BLU.  1889, 
S.  728-30;  MünchNN.  1889,  N.  601;  v.  Hartmarun:  Gogenw.  36,  S.  359-60;  LCBl.  S.  550;  Grenzb.  49,  S.  47;  PrJhb.  66, 
S.  211;  WJDM.  68.  S.  8.54;  Marcks:  DLZ.  11,  S.  1724/7;  Bormann:  AZ».  N.  231.]|  (Ausser  d.  im  Text  erwähnten  bringt  d. 
Buch  Biographien  Gromwells,  Cornelius',  H.  J.  Fichtes,  Ulricis,  Joh.  Hubers,  d.  missglückten  Scherz  „Wer  ist  d.  Faustdichter", 


42  IV,1:  Gr.  Roethe,  Allgemeines  des  18./19.  Jahrhunderts. 

schon  seiner  inhaltlichen  Unzulänglichkeit  wegen  den  Druck  nicht  verdient  hätte,  besitzt 
das  Lebensbild  Bettinas,  wenigstens  soweit  es  ihrer  späteren  Zeit  gilt,  noch  heute  seinen 
Wert;  Herman  Grimm*^)  hat,  durch  den  Neudruck  der  Skizze  angeregt,  zwei  von 
Goethe  an  Bettina  geschickte  Sonette  (I.  tind  VII.  in  der  Sammlung  der  Sonette)  aus 
der  Originalhs.  in  Bettinas  Nachlass  buchstäblich  abgedruckt  und  besprochen.  Er  hebt 
mit  Recht  weiterhin  Carrieres  Aufsatz  über  die  Freundschaft  zwischen  „Liebig  und 
Platen"  rühmend  hervor,  der  uns  den  spröden  edlen  Dichter  menschlich  näher  bringt, 
als  das  meiste  in  der  leider  recht  unerquicklichen  Platenlitteratxir.  Essays  über 
Börne,  Freiligrath,  Melchior  Mayr,  der  namentlich  als  Philosoph  geschildert  wird,  vor 
allem  eine  treffliche  Würdigung  Geibels  bilden  den  übrigen  uns  hier  interessierenden 
Inhalt  des  Bandes,  der  uns  darum  nicht  unwert  erscheinen  soll,  weil  sein  milder,  auch 
wohl  vager  Idealismus  von  dem  geistreichen  Litterarhistoriker  der  Mode*^)  ebenso  alt- 
modisch absticht,  wie  von  den  nach  Pröhles  Weise  vorzüglich  im  neuen  Material,  in 
neuen  „Thatsachen"  schwelgenden  Philologen.  — 

Die  Publikation  massenhaften  unverarbeiteten  Materials  wird  hoffentlich  ent- 
behrlicher werden,  wenn  das  endlich  greifbarer  gewordene  Streben  zur  Gründung  von 
Litteraturarchiven,  wie  das  Goethe -Schiller -Archiv  allmählich  eines  werden  wird,  von 
Erfolg  gekrönt  sein  sollte.  Dann  wird  es  hoffentlich  nicht  so  leicht  wieder  vorkommen, 
dass  eine  als  litterarhistorische  Quelle  eminent  wichtige  Sammlung  von  Autographen 
und  Hss.  in  alle  Winde  verweht  wird,  wie  das  nach  dem  Berichte  Weissteins*'*-*'') 
noch  auf  der  Auktion  vom  27/8.  Febr.  1890  mit  W.  v.  Maltzahns  kostbaren  Hand- 
•schriftenschätzen  gegangen  ist.  Der  Buchhändler  Albert  Cohn*'')  hat  den  Auktions- 
katalog mit  Beschreibungen,  Proben  des  Inhalts,  ja  selbst  Facsimiles  so  dankenswert 
ausgestattet,  dass  er  auch  zur  wissenschaftlichen  Orientierung  brauchbare  Fingerzeige 
giebt:  schade  nur,  dass  Gedrucktes,  Ungedrucktes,  bisher  völlig  Unbekanntes  nur  ganz 
unregelmässig  gekennzeichnet  wird.  Aus  der  Fülle  des  Interessanten,  das  der  Katalog 
anführt,  seien  hervorgehoben  mehrere  inhaltreiche  Briefe  Gellerts,  ein  Schreiben 
Kants  an  Fritz  Jacobi  (30.  Aug.  1789),  zahlreiche  Briefe  Zimmermanns  (1776 — 1785) 
mit  verdriesslichen  Urteilen  über  Goethe,  der  wichtige  Briefwechsel  Lessings  mit  Jacobi 
(in  der  Auktion  zerstreut,  ein  Brief  Lessings  für  776  M.),  Briefe  Nicolais  (26  an  der 
Zahl),  Wielands  (106),  Lavaters  (90,  meist  auf  den  Druck  der  „Physiognomischen 
Fragmente"  bezüglich)  an  den  Verleger  Reich,  sogar  ein  Manuskript  Wielands  über  das 
„merkantilische  Verhältnis"  zwischen  Schriftsteller  und  Verleger;  die  Originalhs.  der 
Shakespearerede  Goethes  (für  2060  M.  verkauft),  das  „Concerto  dramatico",  zwei  Feder- 
zeichnungen Goethes,  die  aber  nichts  mit  ,.Faust"  zu  schaffen  haben,  wie  0.  meint; 
Liebesbriefe  der  Corona  Schröter  an  Einsiedel;  Briefe  Schillers  an  Crusiiis,  Jacobi, 
Knebel;  ungedruckte  Briefe  Hegels;  selbstgeschriebene  Gedichte  Chamissos;  Briefe  Heines 
an  die  Weidmannsche  Buchhandlung  mit  dem  Bleistiftportrait  des  Dichters  von  Johannots 
Hand;  das  Album  eines  KarlssChttlers  (um  1780);  vor  allem  ein  grosser  Stoss  wiclitiger 
Manuskripte  von  Lenz,  die  zum  Glück  ungeteilt  für  5100  M.  an  die  Berliner  Kgl. 
Bibliothek  tibergegangen  sind.  —  Von  einer  andern,  freilich  nicht  entfernt  vergleichbaren 
Autographensajnmlung,  der  Schuelerschen  in  Karlsruhe,  berichtet  Lamey*'')  in  wort- 
kargem Register  ohne  Andeutung  des  Inhalts:  die  an  K.  L.  Reinhold,  Johanna  Schopen- 
hauer, Schueler  u.  a,  gerichteten  Briefe  stammen  z.  B.  von  Arndt,  Baggesen,  Castelli, 
Fichte,  Goethe  (5),  Herder,  Iffland,  Knebel,  Elise  v.  d.  Recke,  Reinhold,  Riemer, 
F.  L.  Schröder,  Tieck,  Tiedge,  Villers,  Voss,  Wieland  (3),  P.  A.  Wolff,  Caroline 
V.  Wolzogen  her.  —  Ein  in  Prag  befindlicher  Briefband *8)  aus  der  Korrespondenz  des  Prager 
Theaterdirektors  J.  N.  Stiepanek  enthält  ausser  Kleinigkeiten  (z.  B.  von  K.  E.  Ebert) 
nicht  uninteressante  Regisseurbemerkungen,  die  Raimund  für  die  „Gefesselte  Phantasie" 
luid  den  „Alpenkönig"  einsendet;  auch  hier  tritt  bei  dem  ehrgeizigen  Dichter  jene 
bekannte  ungerechtfertigte  Schwäche  für  seine  ernsten  Leistungen  hervor.  — 

Was  1890  aus  Briefwechseln  der  Oeffentlichkeit  mitgeteilt  wurde,  findet  bei 
den  einzelnen  Korrespondenten  Erwähnung;  hier  niu*  einige  Varia,  die  sich  der  Ein- 
ordnung an  besonderer  Stelle  entzogen.  Der  Benediktiner  P.  Placidus  Amon  (geh  10. 
Dez.  1700,  gest.  16.  Jan.  1759)  in  Melk,  zuletzt  in  Traiskirchen,  besass  ein  überaiis 
reges  Interesse    für    deutsche  Sprache    und    Litteratur    (plante    er    doch    ein    deutsches 


e.  Friedeiisbrief  an  Renan  ii.  Erinnerungen  au«  Carrieres  Wirken  an  d.  MUnchener  KunstaVadcmie.)  —  42)  H.  Grimm,  Moriz 
Carri^re:  DRs.  62.  S.  478—80.  —  43)  X  ö.  Brandes,  Anastasius  QrHn,  Herwegh,  Dingelstedt  u.  Ludwig  Feuerbach:  FZp. 
N.  .303/4.  (Abdr.  d.  26.  Kap.  v.  Brandes  „.Tungem  Deutschland";  der  Radikalismus  d.  Vf.  ist  besonders  in  der  Ueberschfttzung 
Feuerbachs  fühlbar.)  —  44)  O.  Weisstein,  W.  v.  Maltzahns  Naclilass:  Sammler  11,  S.  444— 51.  (Skizziert  hilbsch  Maltzahns 
r.eben  n.  Liebhabereien  u.  teilt  einige  d.  auf  d.  Auktion  erzielten  Preise  mit.  Dazu  «ei  d.  Notiz  aus  d.  NZilricliZg.  N.  106 
gestellt,  dass  e.  Brief  Lavaters  an  Reich  in  d.  Besitz  d.  Zllrcher  Stadtbibl.  Überging.)  —  45)  X  K.  W.  Whistling,  W.  v.  Malt- 
zahns Ooethe-  u.  Schiller-Hss.  unter  d.  Hammer:  LeipzigTBI.  6.  Mürz.  (Lediglich  Notizen  aus  N.  46  mit  Angabe  auffallender 
Anktiongpreise.)  —  46)  Albert  C o h  n ,  Katalog  e.  Autographen- Sammlung  aus  d.  Besitze  d.  Herren  W.  von  Maltzahn  usw. 
(S.  o.  1,4  N.  12;  vgl.  auch  IV,  11«  N.  4.)  —  47)  Laniey,  D.  Schuelersche  Antographensammlung.  (S.  o.  1,4  N.  10.)  — 
48)  E.  interessanter  Hss. -Bd.:  Bohemia".  24.  Apr.  —  49)  R.  Schachinger,  D.'Bemllhungen  d.  Benediktiners  P.  Placidus  Amon 


rV,l:  G.  Roethe:  Allgemeines  des  18./19.  Jahrhunderts.  43 

Wörterbuch),  das  ihn  zu  umfassender  Korrespondenz  nicht  nur  mit  allerlei  Kloster- 
und  Stiftsbibliotheken,  sondern  auch  mit  auswärtigen,  selbst  norddeutschen  Gelehrten 
(z.  B.  J.  G.  Wächter)  veranlasste.  In  seinen  Briefen,  die  Schachinger*^)  herausgab, 
paart  sich  rührende  Bescheidenheit  mit  ehrlichstem  Patriotismus:  beides  tritt  hervor  in 
den  Briefen  an  seinen  gleichstrebenden  jüngeren  geistlichen  Freund  Graser,  namentlich 
aber  in  den  Briefen  an  Gottsched,  dem  er  wie  Graser  eine  fast  kritiklose  Hochschätzung 
weiht.  Amons  Briefwechsel  mit  Gottsched  war  Danzel  nicht  entgangen,  aber  für  ihn 
minder  ergiebig,  da  ihm  Gottscheds  Antworten  fehlten;  sie  bringen  u.  a.  die  scharfe 
Ablehnung  eines  Bekehrungsversuchs,  den  der  gute  Pater  ungeschickt  genug  anstellte, 
um  die  Seele  des  verehrten  Mannes  zu  retten.  —  Ein  paar  flotte  hallesche  Studenten- 
briefe, die  Unruh^O)  abdruckt,  führen  uns  auf  Bahi'dts  Weinberg,  berichten  von  seiner 
Verhaftung  und  von  einer  Vorlesung  über  Wielands  „Oberon"  und  machen  uns  bei 
einer  Reise  des  Schreibers  zu  Zeugen  einer  begeistert  aufgenommenen  Schillerschen 
Vorlesung  und  einer  Herderschen  Traurede.  —  Eine  satura  aller  möglichen  Briefe  aus 
dem  Nachlasse  von  J.  H.  Voss  schüttet  Eugen  Wolffß^)  über  uns  aus,  unter  denen 
ich  den  albernen  Brief  K.  G.  Lessings  an  Boie  gern  vermisst  hätte;  hervor  hebe  ich 
einen  Brief  Millers  an  Voss  vom  17.  Aug.  1775,  in  dem  er  Wagner  als  Vf.  für 
„Prometheiis,  Deukalion  und  seine  Recensenten"  nennt,  was  R.  M.  Werner  durch 
einen  Brief  Gülchers  an  Nicolai  vom  27.  Dez.  1775  bestätigt;  einen  Brief  Bürgers  an 
Voss  (7.  Nov.  1776),  nach  dem  er,  über  Stolbergs  Absicht  einer  Homerübersetzung  ver- 
driesslich,  seinen  eigenen  Plan  am  liebsten  aufgäbe,  um  ein  lang  beabsichtigtes  grösseres 
episches  Volksgedicht  zu  vollenden;  eine  Reihe  von  Briefen  Ernestinens  an  ihren  Sohn 
Abraham  Voss,  die  von  der  burschenschaftlichen  Bewegung  1817,  von  Jean  Pauls 
entzückt  aufgenommenem  Besuch,  von  Voss'  Schrift  gegen  Stolberg,  seinem  Verhältnis 
zu  Goethe  mancherlei  Bemerkenswertes  melden.  Auch  den  Anfang  einer  burschikosen 
Ballade  Höltys  „Leander  und  Hero"  teilt  W.  aus  derselben  Fundgrube  mit,  sowie 
Lesarten  aus  Originalhss.  des  Höltyschen  „Befreiten  Sklaven"  und  des  „Hexenliedes", 
die  überraschend  genug  uns  wenigstens  in  einem  Falle  die  hohe  Wahrscheinlichkeit 
gewähren,  dass  älteste  Höltysche  Fassung  war,  was  Halm  für  Ueberarbeitung  Vossens 
ansehen  musste;  diese  Entdeckung  könnte  immerhin  Konsequenzen  haben.  —  Höchst 
erquicklich  wirken  die  Briefe  Victor  Hehns,  dieses  durchaixs  gesunden  und  selbständigen 
Kernmenschen,  dem  ich  kaum  Besseres  nachzurühmen  weiss,  als  dass  er  die  wahren 
Bedürfnisse  seiner  Zeit  gerade  darum  so  gut  verstand,  weil  er  sich  erlaubte  unmodern 
zu  sein  und  zu  fühlen.  Die  Darstelhmgen''*--''-*),  zu  denen  sein  Tod  Anlass  gab,  lehren 
ihn  uns  kennen  in  der  Liebe  zu  seinem  Leitstern  Goethe,  in  der  Bewunderung  der  Alten, 
deren  Studium  ihm  für  alle  menschliche  Bildung  so  sehr  die  unerlässliche  Vorbedingung 
ist,  dass  er  aus  ihrer  Vernachlässigung  die  russische  Kulturtünche  ableitet,  der  nun  wohl 
auch  wir  langsam  aber  sicher,  von  der  Schulreform  getragen,  entgegentreiben.  Hehns 
Briefe  an  seinen  nahen  Freund  Wichmann^S),  von  diesem  in  überraschender  Unbefangen- 
heit alsbald  und  ungekürzt  herausgegeben,  sind  voll  von  bedeutenden,  herzerfreuenden 
Urteilen,  die  freilich  nie  für  die  Oeffentlichkeit  gedacht  oft  im  behaglichen  Hausgewand, 
zuweilen  in  kräftig  greller  Beleuchtinig  und  ungerechter  Einseitigkeit  auftreten:  Geplauder 
vom  langweiligen  Berlin  zum  Lande  seiner  Sehnsucht,  Rom,  hinüber  gesandt;  uns 
interessieren  hier  zumal  die  Bemerkungen  über  Goethes  Verhältnis  zu  Hegel  (S.  128), 
dann  zerstreute  Worte  über  Herman  Grimm,  Ranke,  Scherer,  Julian  Schmidt,  die  freilich 
viel  zu  sehr  Eingebungen  des  Augenblicks  sind,  als  dass  sie  für  uns  nicht  mehr  den 
Sprechenden  denn  die  Besprochenen  charakterisierten.   — 

Das  ist  das  gute  Recht  der  Selbstbiographieen-'^''— 5''),  an  denen  das  Jahr  be- 
sonders fruchtbarwar.  Ich  will  daher  an  manchem  sonderbaren  Urteil,  das  Spi  elhagen^''^)  in 
seinem  Buche  „Finder  und  Erfinder"  zum  besten  giebt,  z.  B.  über  Immermanns  „Oberhof", 
über  G.  Freytag,  gegen  den  er  durchavis  ungerecht  ist  aus  Parteinahme  für  Gutzkow 
und  leider  auch  aus  andern  Gründen,  nicht  weiter  Kritik  üben.  Der  Vergleich  des 
S. sehen  Werks    mit  „Dichtung    und  Wahrheit"  drängt    sich  unwillkürlich,  z.  B.  bei  S.s 


um  d.  deutsche  Sprache  u.  Litt:  StMBCO.  10,  S.  1-68.  —  50)  Th.  Unruh,  Studentenbriofe  aus  Halle  v.  .1.  1789.  E.  Säkular- 
Erinnerung:  NorddAZgS.  N.  7.  —  51)  Eugen  Wolff,  Eutiner  Findlinge:  VLG.  S.  S.  541—55.  (Ausser  d.  oben  erwähnten  e. 
Brief  Lavaters  an  Hellwag,  März  1777.  «her  d.  Wert  d.  Physiognomik;  e.  Brief  A.  W.  Schlegels  an  H.  Voss  jun.  v.  2.  Okt.  1807 
Über  V.s  Uebersetzung  v.  „Lear"  u.  , Othello";  e.  Dank  Oehlensclilägers.  26.  Juli  1810,  an  Voss  jun.  fUr  Hilfe  bei  seiner  Selbst- 
Ubersetzung.)  —  52)  (i.  Ellinger,  Viktor  Hehn:  Nation".  7,  S.  654/7.  (Giebt  e.  liehe-  u.  verständnisvolle  Analyse  d.  Haupt- 
werke Hehns  u.  wttrdigt  seine  Individualität  gerecht.)  —  53)  L.  Geiger,  Victor  Hehn.  E.  Gedenkblatt:  AZg".  N.  73.  (Berück- 
sichtigt namentlich  Hehns  Verhältnis  zu  u.  seine  Arbeiten  Über  Goethe.)  —  54)  -y-,  Victor  Hehn:  ib.  N.  84.  (Hauptsächlich  tiber 
Hehns  Lebensschicksale  u.  über  seine  Schätzung  d.  klass.  Altertums.)  —  55)  Briefe  Victor  Hohns  r.  1876  bis  zu  seinem  Tode 
23.  März  1890  an  seinen  Freund  H.  Wichmann.  Stuttgart,  Cotta.  IV,  203  S.  M.  3,00.  —  56)  X  I-'-  Michaelis,  Selbstbiographie 
d.  Andreas  Hintzel:  KBlVSiebenbLK.  13,  S.  98—102.  (Aus  d.  „Stammbuch"  e.  in  Duisburg  u.  Helmstädt  studierenden  Sieben- 
blirger  Theologen;  unbedeutend.)  —  57)  X  R-  K-.  Aus  d.  Denkwürdigkeiten  e.  tapferen  deutschen  Frau :  SchlesZg.  N.  43,  49,  .58.  (Aus- 
züge aus  d.  bekannten  Reise-  u.  Kriegsschilderung  d.  Freifrau  Friederike  v.  Kiedesel,  die  1776  ihrem  Manne  nach  Nordamerika 
folgte,  wo  er  d.  braunschweigischen  Hilfstruppen  befehligte;   kaum  hergehörig.)    —    58)  F.   Spielhagen,    Finder  u.  Erfinder. 


44  IV,1:  G.  Roethe:  Allgemeines  des  18./10.  Jalirhnnderts. 

Spinozastudien,  und  sehr  zur  Ungunst  des  Modernen  auf.  Wie  arm,  farh-  und  interesselos 
erscheint  S.s  Milieu;  wie  nüchtern  fasst  er  es  auf;  seihst  die  Revolutionstage  machen 
nur  zum  kleinen  Teil  eine  Ausnahme;  wie  schädigt  er  sich  durch  eine  mattherzige 
Diskretion,  zu  der  der  Selhstbiograph  kaum  mehr  das  Recht  hat;  wie  ist  Goethes  köst- 
liches Werk  zugleich  typischer  und  individueller;  \ind  wie  unendlich  vor  allem  überragt 
es  den  jüngeren  Dichter  durch  geschichtliche  Selbsterkenntnis,  durch  historischen  Blick ! 
Dass  es  S.  an  diesem  fehlt,  ist  der  Grundfehler  des  Buches:  er  würde  uns  die  platte 
Bekämpfung  des  Heroenktilts  wohl  geschenkt  haben,  wenn  er  für  die  treibenden  Kräfte 
der  Geschichte  mehr  Verständnis  besässe.  Aber  er  dringt  selbst  in  die  litterarischen  Vor- 
aussetzungen seiner  eigenen  Dichtung  so  wenig  ein,  dass  er  sich  über  eine  Kritik  lustig 
macht,  die  offenliegende,  natürlich  ihm  unbewusste,  mittelbare  oder  unmittelbare  Zusammen- 
hänge aufdeckt.  Das  Werk  schliesst  schon  beim  Erscheinen  der  „Problematischen  Naturen" 
und  giebt  einige  fragmentarische  Fingerzeige  für  das  Verständnis  dieser  und  seiner 
früheren  Arbeiten,  vor  allem  „Clara  Vere".  Die  zahlreichen  ästhetischen  Exkurse  des 
Werks  gehören  trotz  einer  gewissen,  fast  jugendlichen  Naivität  zu  den  besseren  Partien : 
da  spricht  er  über  Humoristen  und  Naturalisten,  über  den  Humor,  über  Realismiis  und 
Idealismus,  über  den  Essay,  vor  allem  übt  er  eine  ausführliche,  aber  leicht  zu  wider- 
legende Kritik  an  Schillers  Schrift  „lieber  naive  inid  sentimentalische  Dichtung".  Dazu 
einige  hü})sche  Porträtstudien,  die  Bilder  des  Schulfreundes  A.  Mecklenburg,  der  Studien- 
genossen Schurz,  Strodtmann,  von  dem  wir  ein  sonderbares  Revolutionsdrama  kennen 
lernen,  des  Redakteiirs  Eichholtz;  weiter  einige  gelegentliche  Notizen  über  Freiligrath, 
Gutzkow,  A.  V.  Sternberg,  und  der  dem  Litterarhistoriker  wertvolle  Inhalt  der  Bände 
ist  erschöpft.  —  Erheblich  unergiebiger  noch  ist  freilich  der  erste  Band  von  Dalins''^) 
„Erinnerungen",  da  er  in  ermüdender  Länge  nur  bis  an  das  Ende  der  Schuljahre  führt 
imd  sich  wesentlich  damit  beschäftigt,  den  Zusammejihang  zwischen  den  Ritterspielen 
der  Flegeljahre  und  den  Ritterromanen  und  -dramen  des  Mannes  vor  uns  auszubreiten. 
Mehr  als  die  Proben  und  Mitteilungen  von  allerlei  Jugenddichtung  berührt  uns  liier  die 
kurze  Notiz  über  Dramenvorlesungen,  die  Ernst  v.  Schenk,  Laube,  Gutzkow  u.  a.  vor 
dem  Vater  Regisseur  gehalten  haben.  —  Einen  ganz  andern  Charakter  tragen  die  Memoiren 
Bodenstedts  und  Wehls,  denen  es  beiden  nicht  in  erster  Linie  darauf  ankommt,  das 
eigene  Werden  zu  schildern,  die  vielmehr  das  Denkwürdige,  das  sie  um  sich  sehen,  in 
den  Vordergrund  ihrer  anspruchsloseren  Berichte  stellen.  So  führt  uns  Bodenstedt*^o~) 
von  München,  wo  er  Göires  auf  dem  Katheder,  Fallmerayer  durch  nahen  Verkehr  kennen 
lernt  und  sich  von  Dr.  Kolb,  dem  Redakteur  der  Allgemeinen  Zeitung,  Heines  Begabung 
und  Lust  zu  einer  Münchener  Professur  entwickeln  lässt,  nach  Escheberg,  a\if  das  Schloss 
des  aus  Geibels  Biographie  wohl  bekannten  Barons  von  Malsburg  und  weiter  nach 
Italien  (1847  f.);  hier  trifft  er  auf  der  Reise  W.  Alexis  und  G.  v.  Putlitz  und  zu  Venedig 
in  sonderbar  imponierender  politischer  Rolle  den  unfruchtbaren  Jungdeutschen  Heinricli 
Stieglitz.  Als  Redakteur  des  „Lloyd"  nach  Triest  und  dann  nach  Wien  übergesiedelt, 
erlebt  B.  in  unmittelbarster  Nähe  die  Schrecken  der  Oktoberrevolution:  in  ihren  Graus 
mischen  sich  Berührungen  mit  dem  Philosophen  Stirner,  dem  Sprachforscher  Schleicher, 
mit  Berthold  Auerbach,  der  einen  dramatischen  „Andreas  Hofer"  plant,  und  endlich  mit 
dem  pe.ssirnistischen  Dichter  Hieronj'^mus  Lorm;  gastliche  Häuser  Berlins  durchstreift 
der  Schlussabschnitt  des  Bandes.  —  Formloser,  halb  Tagebuch,  halb  Briefsammhuig, 
aber  stofflich  reichhaltiger  als  alle  die  besprochenen  Werke  stellen  sich  Wehls*'!) 
Aufzeichnungen  „Zeit  und  Menschen"  dar.  Sie  reichen  von  1863 — 84;  da  sie  aber 
überall  da  zurückschauend  Halt  machen,  wo  der  Tod  einer  interessanten  Persönlichkeit 
gemeldet  wird,  mit  der  W.  irgendwie  in  Berührung  gekommen  ist,  über  die  er  etwas 
zu  sagen  hat,  da  sie  dann  auch  wohl  auf  lange  Strecken  durch  Briefe  des  Gestorbenen 
unterbrochen  werden,  so  führt  das  Werk  gerade  mit  seinem  wertvollsten  Inhalt  in  eine 
erheblich  früliere  Zeit  zurück.  Die  litterarischen  Anekdoten,  die  befangenen  politischen 
Urteile,  die  W.  auftischt,  geben  dem  Buche  seine  Existenzberechtigung  nicht,  auch  nicht 
das  fast  chauvinistische  Schelten  auf  die  Vorliebe  der  Deutschen  für  ausländische 
Dichtung,  ein  Schelten,  das  man  dem  wenig  erfolgreichen  Autor  zu  Gute  halten  mag, 
auch  nicht  die  allerdings  erbaulichen  Erfahrungen,  die  W.,  der  Nicht-Schwabe,  als 
Stuttgarter  Intendant  selbst  mit  Männern  wie  Vischer  auszukosten  hatte.  Besser  aber 
steht    es  mit  den  zahlreichen  Porträtstudien  nach  dem  Leben,  die  den  Kern  des  Werkes 


ErinneronKen  aus  meinem  Leben.  2  Bde.  Leipzig,  Staackmann.  XII,  404  u.  XI,  447  S.  M.  10,00.  —  59)  Felix  Dahn, 
Erinneninxen.  1.  Buch.  Bis  z.  Universität  (1834—50).  3.  Aufl.  Mit  d.  Bildnis  d.  Vf.  Leipzig.  Breitkopf  &  Härtel.  322  S.  M.  .5,00. 
—  60)  F.  BodenKtedt,  Erinnerungen  aus  meinem  Leben.  Berlin,  Allg.  Verein  f.  deutsche  Litteratur.  IV.  3(i8  S.  M.  B,00. 
IIF.  Walther:  BLTI.  S.  .552/3;  TglBsi:.  N.  148;  NWIlrzburgZg.  N.  302;  DeutsehZg.  N.  6640;  VossZg.  N.  297;  AZg.  N.  lo«; 
NatZg.  N.  345;  I)ida»k.  N.  108;  HainbCorr.  N.  258;  KönigsbHZ.  N.  15|7.]|  —  61)  F.  Wehl,  Zeit  u.  Menschen.  Tagehuch- 
Aufzeichnungen  ans  d.  .laliren  von  1863  bis  1884.  2  Bde.  Altona.  Reher.  188».  III,  3.32  u.  315  S.  .Teder  Bd.  M.  .H,60. 
(Ausser  d.  im  Text  erwahnf/en  L'rtoilo  Wehls  u.  Dawisons  über  Kleists  „HerinHnnscIilBoht",  Notizen  über  Tiecks  „Vogelscheuche", 
die  K^KP'i  Theodor  Hell  gemllnzt  war,  Über  Lessings  u.  Schillers  Bemühungen  fllr  e.  Nationaltheater,  Heineanokdoten   u.  a.)  — 


1V,1:  G.  Roethe:  Allgemeines  des  18./19.  Jahrhunderts.  45 

aiismachen:  der  gebildete  Litterat,  der  zudem  stets  in  regen  Beziehungen  zum  Theater 
lebte,  hat  wirklich  viel  bemerkenswerte  Leute  kennen  gelernt  und  ihre  Persönlichkeiten 
gut  aiifgefasst,  während  freilich  die  litterarische  Charakteristik  weichlich  imd  unsicher 
gerät,  dazu  in  unverständlicher  Abhängigkeit  von  E,.  Gottschall  sich  bewegt.  Ich  weise 
hier  hin  auf  die  Bemerkungen  über  Otto  Ludwig,  dem  W.,  die  Krankheitshemmungen 
allzu  stark  betonend,  nicht  gerecht  wird,  auf  das  Bild  Julius  Mosens,  der  namentlich 
auch  als  Dramatiker  geschildert  wird,  auf  die  warme  und  interessante  Würdigung  des 
Lyrikers  Prutz  („Aus  goldnen  Tagen")  und  des  Dichters  der  „Heroldsrufe",  Geibel; 
Laube  wird  wegen  seiner  Vorliebe  für  das  französische  Theater  getadelt,  Kinkel  unbe- 
greiflich überschätzt,  Dingelstedt  zu  misstrauisch  beurteilt;  Klara  Mundt  (d.  i.  Luise 
Mühlbach),  die  Tiecks  „Rothkäppchen"  in  ihrem  Hause  zur  Aufführung  bringt,  kommt 
besonders  schlecht  fort,  doch  wird  W.  hier  durch  seine  kritiklose  Wertschätzung  Varn- 
hagens  immerhin  mitbestimmt;  auch  von  Grillparzer,  „dem  Mörike  des  Dramas",  von 
L.  Pfau,  Gerstäcker,  Hoffmann  v.  Pallersleben,  Grün,  Freiligrath,  Beck,  K.  v,  Holtei, 
Mosenthal,  Charlotte  Stieglitz,  dem  Botaniker  und  Dichter  Schleiden,  von  Auerbach, 
Edmund  Höfer,  den  Schauspielern  Marr,  Emil  Devrient,  C.  A.  Görner,  dem  Kritiker 
Uhde  bekommen  wir  Skizzen;  immer  wieder  führen  W.  seine  Erinnerungen  zu  Gutzkow 
hin,  dessen  Gestalt  auch  hier  massgebender  hervortritt,  als  wir  es  ohnedem  annehmen 
möchten;  seine  Herzensbeziehungen  zu  Therese  von  Bacheracht  hat  W.  aus  nächster 
Nähe  kennen  gelernt,  sein  „Dionysius  Longinus"  ist  ihm  der  „furchtbare  Wehschrei 
eines  rasenden  Aias",  sein  polemisches  Verhältnis  zu  Preytag  beurteilt  auch  W.  allzusehr 
von  Gutzkows  Standpvmkt.  Durch  reichliche,  meist  lesenswerte  Briefmitteilungen  werden 
die  Schilderungen  Moritz  Hartmanns,  von  dem  W.  ein  Urteil  über  Mörike  wiedergiebt, 
Glasbrenners,  Brachvogels  (die  Briefe  gelten  meist  den  dramaturgischen  Arbeiten), 
Dawisons  u.  a.  illustriert;  besonders  lange  Briefreihen  kommen  von  zwei  Prauen,  von 
Charlotte  Birch- Pfeiffer  und  von  Ludmüla  Assing,  zum  Abdruck,  zu  denen  beiden  W. 
in  freundschaftlichem  Verhältnis  stand.  Die  Briefe  der  Birch  berichten  über  ihre  Theater- 
erfolge,  über  ihren  bekannten  Zank  mit  Auerbach  aus  Anlass  von  „Dorf  und  Stadt", 
über  das  Berliner  Repertoir,  die  Litendantur  Hülsens;  ungleich  interessanter  als  die 
Herzensergüsse  der  guten  Prau,  der  man  nicht  glaubt,  wenn  sie  einmal  Memoiren  aus 
giftgetränkter  Peder  verheisst,  sind  die  Briefe  Ludmillas,  die  wohl  auch  W.s  viel  zu 
günstiges  Urteil  über  den  charakterlosen  Varnhagen  bestimmt  hat;  das  Geplauder 
dieser  Briefe  berührt  z.  B.  Gottfried  Kellers  „Grünen  Hehiricli",  den  Romancier 
Sternberg  in  seiner  Berliner  Geselligkeit,  namentlich  und  wiederholt  in  fesselnder 
Detailmalerei  die  ewig  junge  Bettina,  deren  naive  Lebensfrische  im  Alter  uns  um  so 
deutlicher  sich  aufdrängt,  je  weniger  Verständnis  Ludmilla  für  sie  besitzt.  —  Die  Jugend- 
erinnerungen des  Preiburger  Stadtpfarrers  Hansjakob^^),  wohlthuende  Bilder  aus  dem 
Kindertreiben  eines  weltentlegenen  süddeutschen  Gebirgsstädtchen,  deren  gemütlich 
warmem  Ton  die  zuweilen  etwas  schwerfällige  Schreibweise  des  Vf.  eben  so  wenig 
.schadet  wie  seine  ausgesprochen  katholische  Gesinnung,  halten  sich  doch  so  geflissentlich 
in  der  engen  Sphäre  eines  fast  dörflichen  Kleinlebens,  dass  sie  sich  mit  unsern  Interessen 
kaum  irgendwie  berühren ;  nur  auf  ein  paar  Dreikönigslieder,  auf  ein  Rudolfslied  und  auf 
etwas  veraltete  Kinderlitteratin-,  wie  Volksbücher,  Gottbüchlein  u.  ä.  kommt  H.  mit  Liebe  zu 
sprechen.  —  Dass  ein  Weimarer  Stadtkind  uns  mehr  zu  erzählen  hat,  als  der  Haslacher 
Bäckersohn,  ist  selbstverständlich.  Schwabes^ä)  ^^Harmlose  Geschichten"  stehen  Hans- 
jakob schriftstellerisch  unzweifelhaft  nach,  bringen  auch  allerlei  unbedeutenden  Klatsch 
und  gleichgiltige  Anekdoten.  Aber  der  Mann  hat  in  der  Schule  von  Böttiger  Schillersche 
Balladen  vor  dem  Druck  vorlesen  hören,  hat  in  Wielands  und  Herders  Hause  mit 
ihren  Kindern  gespielt,  und  seiner  Mutter  hat  Goethe  einmal  ein  Gedicht  einstudiert. 
So  blättert  man  das  bescheidene  Büchlein  gerne  und  dankbar  durch:  dem  Epigonen- 
geschlecht thut's  doch  wohl,  von  vergangener  grosser  Zeit  zu  hören,  imd  wenn  es  das 
Kleine  und  Aeusserliche  ist.  Der  Goethe  geweihte  Abschnitt  erläutert  an  zahlreichen, 
meist  bekannten.  Geschichtchen  das  Wort  des  Bergbeamten  Mahr:  „0,  er  war  die 
Liebe  selbst",  ein  Thema,  das  heute  zum  Glück  nicht  mein-  so  umstritten  ist,  wie  noch 
vor  Jcurzem.  Ueber  Schillers  Totenfeier  wiederholt  S.  kurz  eigene  frühere  Mitteilungen ; 
über  Karl  Augusts  derbe  Einfachheit,  über  den  sonderbaren  Prinzipienreiter  Riedel,  den 
Erzieher  der  Prinzen,  über  Napoleon  in  Weimar,  über  Reinhold  und  Luden  in  Jena 
kramt  er  allerlei  Quisquilien  aus,  die  kein  Interesse  hätten,  wenn  sie  nicht  auf  die 
grosse  Zeit,  in  das  alte  grosse  Weimar  zurückwiesen.  — 

Was  dieser  litterarischen  Grossstadt  und  ihrer  klassischen  Epoche  gilt,  hat 
unter  allen  Umständen  ein  mehr  als  örtliches  Interesse,  während  litterarische  Einzel- 
arbeiten über  die  Litteratur  selbst  von  Wien  und  Berlin  bis  in  den  Anfang  unsers  Jh. 


62)  H.  Hansjakob,  Aus  meiner  Jugendzeit.   2.  verb.  u.  erweiterte  Aufl.   Heidelberg,  Weiss.   VIII,  287  S.   M.  3,20,  gebd.  4,00.  — 

63)  J.Schwabe,  Harmlose  Oescliichten.    Erinnerungen  e.  alten  Weimaraners.   Frankfud  a.  M.,  Diesterweg.     IV,  215  S.  M.  2,40. 


46  IV,1:  G.  Roethe,  Allgemeines  des  18./19.  Jahrhunderts. 

sich  über  den  Charakter  der  Lokalgeschichte  kaum  herausheben.  Sie  führen  zmiächst 
nach  Oesterreich.  iHiX)  war  es  hundert  Jahre  her,  dass  Joseph  IL  starb,  ein  Ereignis, 
das  seiner  Zeit  merkwürdig  wenig  Erregung  liervorrief,  wenigstens  nach  den  Journal- 
stimmen und  Briefen  zu  urteilen,  die  üuglia**^)  zusammenstellt  und  unter  denen 
Wielands  „Teutscher  Merkur",  Schlözers  „Ötaatsanzeigen",  Boies  „Neues  deutsches 
Museum",  Männer  wie  Jacobi,  (i.  Eorster,  J.  v.  Müller  vertreten  sind,  Ueber  die  Zeiten 
der  krassen  Aufklärung  war  man  1790  doch  so  weit  hera\is,  dass  man  das  systematische 
Denken  und  Verfahren  dieses  aufgeklärten  Despotismus  als  willkürlich  und  künstlich 
empfand.  Wie  selbständig  und  bewusst  im  System  der  Kaiser  oft  über  die  Köpfe  der 
Hofkanzlei  hinweg  entschied,  lehren  wieder  Gr.  Wolfs t^^)  „Joseiina",  Mitteilungen  aus 
den  Akten  der  Josephinischen  Regierung:  sie  lehren  zugleich,  wie  abgeneigt  im  Grunde 
Joseph  trotz  aller  Toleranz  wirklicher  Religionsfreiheit,  wie  entschieden  fromm  er  war 
und  wie  schnöde  er  über  Dichter  und  Gelehrte  dachte:  er  gab  sehr  strenge  Censur- 
vorscliriften ;  Sonnenfels  wird  z.  B.  angewiesen,  das  Extemporieren  der  Wiener  Schau- 
spieler im  Theater  zu  überwachen  und  zu  verhindern.  Dass  es  zwei  Decennien 
später  in  Wien  mit  den  Censurverhältnissen  nicht  besser  stand,  zeigt  uns  Wertheimer"*»  j 
im  zweiten  Bande  seiner  sonst  rein  politischen  „Geschichte  Oesterreichs  und  Ungarns 
im  ersten  Jahrzehnt  des  19.  Jh.":  der  enge  und  finstere  Geist  der  Wiener  Censur  von  1807, 
die  an  der  „Recensurierung"  noch  dazu  das  Mittel  besass,  selbst  ein  bereits  durchgelassenes 
Werk  nachträglich  zu  fassen,  erschwerte,  belustigend  genug,  sogar  dem  bestens  an- 
geschriebenen Renegaten  F.  Schlegel  seine  Vorlesungen  und  gestattete  den  Ovid  nur 
in  castigierten  Ausgaben ;  den  Ungarn,  bei  denen  deutsches  Theater  und  deutsche  Litte- 
ratur  wenigstens  in  Pest  unbestritten  herrschte,  wurde  der  sonst  beliebte  Besuch  Jenas 
verboten,  weil  der  Atheist  Fichte  dort  lehre  usw.  Unter  diesen  Umständen  spielten 
Dichter  und  Gelehrte  in  Oesterreich  nicht  entfernt  die  Rolle  bei  der  Erhebung  gegen 
Napoleon  wie  später  in  Preussen:  nur  Collins  „Wehrmannslieder",  die  selbst  in  den 
Theatern  gesungen  wurden,  treten  hervor.  — 

Andere  Arbeiten  betreiFen  Süddeutschland  und  die  Schweiz.  Den 
Münchener  Staatsmann  J.  H.  v.  Schenk,  den  Freund  Jacobis  und  Mitarbeiter  sehies 
„Woldemar",  der  Bayern  gern,  aber  ohne  Napoleons  Diktatur,  zum  modernen  Staat 
umgeschatfen  hätte,  schildert  kurz  Hei  gel  **''),  die  litterarischen  V^erhältnisse  Basels, 
das  sich  in  den  siebziger  Jahren  des  vorigen  Jh.  unter  Sprengs,  Iselins  und  Sarasins 
Einfluss  von  den  französischen  Frivolitäten  zu  ernsterer  deutscher  Litteratur  bekehrte, 
skizzierte  Wieland^s).  —  Von  neuerer  schwäbischer  Dialektdichtung  in  Prosa  gab 
Flaischlen**^)  eine  hübsche,  mit  Inhaltsangaben  und  Proben  reich  ausgestattete  Zu- 
sammenstellung, der  er  ein  paar  allgemeine  Bemerkungen  über  mundartliche  Litteratur 
beifügte:  es  bedürfe  für  sie  keiner  philologisch  konsequenten  Durchführung  einer  ganz 
bestimmten  Mundart;  in  ihr  müsse  das  kulturhistorische  Element  besonders  stark  sich 
geltend  machen;  dass  Humor  und  Satire  überwiege,  sei  begreiflich,  schliesse  aber  den 
Ernst  nicht  aus.  Li  den  Prosafarcen  S.  Sailers  findet  F.  nur  Witz  und  Derbheit,  keine 
gemütliche  Versenkung  in  die  Volksart.  Diese  besitzt  dagegen  vollkommen  G.  F.  Wagner, 
der  sehi-  wertvolle  und  lebenswahre  dramatische  Satiren  auf  bäuerliche  Selbstverwaltung 
geschafien  hat;  in  ihnen  erörtert  er  die  grosse  Frage  „Ist  das  Volk  mündig?".  Joh.  Neil' len, 
der  „Vetter  aus  Schwaben",  brachte  zu  seinen  satirischen  Skizzen  aus  dem  Bauerleben 
oft  gute  Beobachtung,  nie  aber  künstlerische  Gestaltungskraft  mit;  voll  Verständnis 
für  die  Bedürlhisse  der  Bauern  hält  Dreisler  seine  „Dorfpredigten",  die,  gemütvoll  und 
fein,  doch  den  Charakter  echter  Volkstümlichkeit  tragen ;  den  Schluss  bilden  F.  Th.  Vischer 
mit  sehiem  Scherze  „Nicht  I  a",  in  dem  ein  unanfechtbares  Honoratiorenschwäbisch 
gesprochen  wird,  und  die  etwas  eintönigen  Novellisten  K.  und  R.  Weitbrecht.  —  In 
die  Tage  der  zweiten  französischen  Herrschaft  hi  Mainz  führt  uns  Bockenheimers''0) 
umfassendes  Werk,  das  freilich  nur  von  Lähmung  des  Zeitungsw^esens,  des  Buchhandels, 
des  Theaters  (S.  114  ff".),  von  thörichter  Centralisierung  des  Schulwesens  (S.  290), 
von  wertlosen  Spottstücken  auf  Geistliche  (S.  241)  zu  berichten  hat  und  höchstens  noch 
beiläufig  mit  der  Biographie  des  charakterlosen  politischen  Schriftstellers  A.  G.  F.  Rebmann 
(S.  240  ü'.)  hierher  gehört.  — 

Nach  Norddeutschland  leitet  die  mit  hübschen  Bilderchen  geschmückte, 
begeisterte    Schilderung    Jenas    des    alten    Burschenschafters    Kein'),     der    in    Jena 


[[Gegenwart  S.  349;  FZg.  N.  293.]  |  —  64)  E.  Guglia,  D.  Thronwechsel  v.  1790  u.  d.  öffentliche  Meinung  in  Deutsch- 
land: AZ".  N.  54/5.]i  —  65)  G.  Wolf,  Joseiina.  Wien,  Holder.  IV,  128  S.  M.  2,40.  |[M(arcus)  L(andau):  AZ.  N,  HIB; 
Th.  Tupetz:  HZ.  68,  S.  137.]|  —  66)  E.  Wertheimer:  Gesch.  Oesterreichs  u.  Ungarns  im  1.  Jahrzehnt  d.  19.  Jh.  Bd.  2: 
V.  Pressburg  bis  Schönbrunn.  Leipzig,  Duncker  &  Humblot.  XXH,  441  S.  M.  10,00,  cpl.  M.  18,00.  |[Th.  Tupetz:  HZ.  68, 
S.  143/4.  —  67)  Heigel,  J.  H.  Ritter  v.  Schenk:  ADB.  31,  S.  47/9.  —  68)  C.  Wieland,  Einiges  aus  d.  Leben  zu  Basel 
wkhrend  d.  18.  Jh.:  BaselerJb.  S.  170/218.  (Ueber  Basler  Zeitungen  S.  198;  J.  J.  Spreng  gegen  allzulange  Predigten  S.  209.)  — 
69)  C.  Flaischlen,  «euere  schwäbische  Dialektdichtung.  Prosa:  LBSW.  S.  81— 97,  137—44.  -  70)  K.  G.  Bockenheimer, 
Gesch.  d.  SUdt  Mainz  wahrend  d.  zweiten  französischen  Herrsehalt  (1798— 1Ö14J.  Mainz,  Kiipforberg.  VIll,  44t5  S.  mit  Plan  u. 
2  Hlustr.-Tafeln.     M.  6,50.  -  71)  R.Keil,  Jena.     Z.    75j.    Burschenschaftsjubiläum :    FelszMeer.    1890/1.    S.  9— 19.    —    72)  R. 


IV,1:  Ct.  Koetlie,  Allgemeines  des  18./19.  Jahrhunderts.  47 

einen  Hort  akademischer  und  geistiger  Freiheit  feiert  und  diesen  Ruhmestitel  schon  durch 
ein  Gediclit  von  1763  belegt;  unter  den  Lehrern  der  Blütezeit  wird  K.  L.  Reinhold  als 
Begründer  der  Bedeutung  Jenas  gerühmt;  das  Lob  Jenas  wird  auch  iuBriefenA.v.  Humboldts 
und  Arndts  an  den  Vf.  gesungen;  über  die  Wohnungen  berühmter  Jenenser,  vor  allem 
Schillers,  bringt  K.  nur  das  Bekannte.  —  In  einer  ganz  ähnlich  angelegten  Skizze  Euthis 
gedenkt  Hell  wag '^2)  des  regen  geistigen  Verkelu's,  der  zu  den  Tagen  von  Stolberg  und 
Voss  das  Städtchen  berühi'te,  und  schildert,  durch  Abbildungen  unterstützt,  die  Häuser 
der  hervorragenden  Eutiner  sowie  das  Prinzenholz,  den  •  Schauplatz  der  „Luise".  — 

Ueber  Oldenburg  "'S )  und  Halle -Magdeburg ''4 )  führt  uns  der  Weg  weiter  nach 
Berlin ''5),  dem  einzigen  Ort,  dessen  Lokalforschung  im  Jalu-e  1890  der  Litteratur- 
geschichte  etwas  reicheren  Ertrag  gebracht  hat.  Dem  hübschen,  kurz  zusammenfassenden 
Bilde,  das  Geiger'^'ß)  von  dem  Berlin  des  Jahres  1788  entwirft,  hätte  ich  freilich  eine 
minder  freundliche  Beleuchtung  der  Berliner  Aiifklärung  gewünscht,  als  sie  namentlich 
in  dem  Abschnitt  über  das  Religionsedikt  und  die  dadurch  veranlassten  Scliriften  (von 
Würzer,  Schulze;  Bahrdts  dramatische  Satire)  sich  fühlbar  macht.  G.  schaut  nach  allen 
Seiten  iim,  lässt  uns  einen  Blick  in  die  harmlosen  Zeitungen  thun,  teilt  ims  gleichzeitige 
Beschreibungen  des  Berliner  Lebens  mit  (eine  sehr  feindlich  gehaltene  Ch.  v.  Stolbergs), 
begleitet  den  Berliner  in  seine  Assembleen  (Montags-  und  Mittwochsgesellschaft),  be- 
gleitet ihn  in  seine  Vergnügungen,  namentlich  also  ins  Theater,  von  dessen  Durch- 
schnittskost er  Proben  giebt:  er  belegt  dabei  die  lehrreich  laue  Aufnahme,  die  man 
Schiller  und  Goethe  in  dieser  Metropole  der  Aufklärung  gewährte.  —  Wie  sich  das 
Bild  der  Hauptstadt  dem  Volke  darstellte,  lehrt  die  kleine  Sammlung  von  allerlei  Liedern 
auf  und  über  Berlin,  die  Bolte'''')  aus  Einzeldrucken  der  Meusebachschen  Bibliothek 
zusammenbrachte,  uns  aber  leider  in  usum  delphini  bis  auf  acht  Nummern  verkürzte: 
die  Lieder  reichen  von  1790  bis  1840;  G.s  Aufsatz  findet  namentlich  Ergänzung  in  den 
wundersamen  Schilderungen  der  Berliner  Landpartien  (7)  und  des  Stralauer  Eischzugs  (8j, 
deren  bunter  sachlicher  Inhalt  für  den  geringen  poetischen  Wert  entschädigt;  in  dieser 
Hinsicht  stehen  höher  die  Abschiedslieder,  zumal  „0  Berlin,  ich  muss  dich  lassen"  (3), 
das  freilich  auch  jeder  andern  Stadt  gelten  könnte,  während  N.  4  „Von  dir  muss  ich 
scheiden,  prächtiges  Berlin"  das  prononcierte  Lokalkolorit  trägt.  N.  5  „Unter  den  Akazien 
wandeln  gern  die  Grazien"  gehört  nicht  eigentlich  her,  da  es  F.  H.  Bothe  zum  Vf.  hat.  — 
Nicht  auf  volkstümliche  Dichtung  beschränkt  sich  das  hübsche  Berliner  Gedichtbuch, 
das  uns  Geigers'''^)  bewährter  Sammelfleiss  für  die  Zeit  von  1763 — 1806  darbietet.'^) 
Wenn  ich  es  auch  bedaure,  dass  G.  charakteristische  Gedichte  (wie  die  von  Schmidt- 
Werneuchen  u.  a.)  lediglich  darum  vollständig  ausschliesst,  weil  sie  bereits  anderweitig 
neu  gedruckt  sind,  so  ist,  dank  zumal  der  Göritz-Lübeckschen  Sammlung  und  dem  vxm- 
sichtigen  Spürsiini  des  Herausgebers,  das  Bild  noch  immer  reich  und  rund  genug  aus- 
gefallen, das  sich  uns  von  der  Berliner  Poesie  jener  Tage  hier  aufrollt.  Der  Geist 
Friedrichs  des  Grossen  herrscht  noch  bis  zuletzt  mit  überraschender  Kraft;  erst  die 
Katastrophe  von  1806  hat  da  auch  litterarisch  Wandel  geschaffen.  Der  Ton  schwankt 
zwischen  leerem  Pathos,  stumpf  witzelnder  Satire  und  einem  sehr  platten  Humor:  ob- 
gleich die  besten  Berliner  Dichter  der  Periode  vertreten  sind,  namentlich  Moritz,  Spalding, 
Gedicke,  Göckingk,  Held,  der  Reimprediger  N.  Baumgarten,  K.  G.  v.  Raumer,  Müchler, 
F.  Schlegel,  C.  L.  v.  Klenke,  Raufseysen,  Burmann,  Jenisch,  Cranz,  J.  F.  Reichardt, 
Bernhardi  u.  a.,  von  Nicht-Berlinern  Conz,  Pfeffel,  Gleim,  Tiedge,  so  steht  doch  das 
poetische  Niveau  dieser  Gedichte  erschreckend,  fast  anachronistisch  tief:  ein  paar  Strophen 
von  Moritz  bilden  neben  einigen  anspruchslosen  anonymen  Scherzen  das  einzig  Erträgliche ; 
die  Berliner  Aufklärung  ist  eben  nichts  weniger  als  poetisch  oder  auch  nur  geistvoll. 
Um  so  reicher  ist  der  kultur-  und  lokalhistorische  Wert  der  Sammlung,  deren  einzelne 
Stücke  der  kundige  Herausgeber  in  der  Vorrede  mit  gut  orientierenden  Bemerkungen 
begleitet:  in  sie  hat  er  auch  einige,  für  den  Text  nicht  geeignete  Strophen  (z.  B.  auf 
Madame  Schuwitz)  aufgenommen.  Er  beginnt  mit  „Königsliedern ":  auch  Friedrichs 
des  Grossen  Nachfolger  werden  immer  im  stillen  Hinblick  oder  unter  ausdrücklichem 
Hinweis  auf  den  grossen  Vorfahren  gefeiert:  sein  Geist,  den  Rückert  bald  auf  die  Wetter 
der  Freiheitsschlachten   herniederschauen  Hess,    muss   hier  (N.  6)   eine   Revue  Friedrich 


Hell  wag,  Bilder  aus  Eutin  mit  Originalzeichnungen,  ÜL&M.  64,  S.  787/9.  —  73)  X  A.  Sehwartz,  D.  litt. -gesellige  Verein 
in  Oldenburg.  Denkschr.  z.  50j.  Stiftungsfeste.  Oldenburg  u.  Leipzig,  SchulzescLe  Hofbuehhandluug.  1889.  68  S.  M.  0,60. 
(Gesch.  d.  v.  Stahr  uiitbegrlindeten  Vereins;  S.  13  e.  B'estgruss  v.  J.  Mosen  z.  Schillerfeier  1859.)  —  74)  X  A.  Chuquet, 
Kulturbilder  aus  d.  Zeit  der  Aufklärung:  ECr.  24,  1,  S.  34/5.  (Kurze  Inhaltsangaben  v.  Kaweraus  Büchern  „Aus  Magdeburgs  Ver- 
gangenheit" u.  „Aus  Halles  Litteraturleben").  —  75)  X  Dr.  E.  K.:  Aus  Berlin  in  d.  40er  u.  50er  Jahren :  TglRs».  S.  14/5,  17/8. 
(Excerpte  aus  d.  auf  Berlin  bezügl.  Partien  v.  Wehls  „Zeit  u.  Menschen",  vgl.  N.  61.)  —  76)  L.  Geiger,  Berlin  vor  100  .Jahren. 
Vortr.  gehalten  6.  Dez.  1888  im  Verein  d.  jungen  Kaufleute  Berlins.  (=  Vorträge  u.  Versuche.  S.  153—92.  Dresden,  Ehlermanu. 
318  S.  M.  5,00.  |[D.  Jacoby:  DLZ.  10,  S.  1801 ;  K.  E.  Franzos:  DDichtung.  8,  S.  1 ;  A.  Chuquet:  RCr.  24,  1,  S.  474.]|) 
—  77)  J.  Bolte,  Berlin  in  d.  Volksdichtung:  MVOBerlin».  S.  77—82.  —  78)  Berliner  Gedichte  1763—1806  gesammelt  u.  her. 
V.  L.Geiger.  (=  Berliner  Neudrr.  2.  Serie,  Bd.  3.)  Berlin,  Gebr.  Paetel.  LVI,  197  S.  M.  6,00.  |[L.  Fränkel,  BLU.  S  516/7; 
N&S.   55,   S.    151;  NPreussZg.  N.  273.]  |  —  79)  X  —  rt— ,  Berliner  Poesie  vor  100  Jahren:   TglKs''.  S.  485/7.    (AustUhrl.  Referat 


48  IV,  1:  G.  Roethe,  Allgemeines  des  18./19.  Jahrhunderts. 

Wilhelms  III.  bewundern ;  merkwürdig,  wie  ahnungslos  friedenssicher  noch  ein  poetischer 
Glückwunsch  zu  Königs  Geburtstag  am  3.  Aug.  1806  klingt  (N.  9).  Die  „Zeitgedichte" 
beginjien  mit  Friedensliedern  (N.  1011)  am  Schluss  des  7j.  Krieges;  der  Befreiungs- 
kampf Amerikas  hat  die  Berliner  nicht  sonderlich  aufgeregt,  ihm  gilt  nur  ein  Sang, 
noch  dazu  eines  Nichtberliners  (N.  13).  Und  die  französische  Revolution  hat  in  den 
loyalen  Berlinern  so  ausnahmslos  das  Gefühl  der  Treue  und  des  Unterthanenglücks  er- 
weckt, dass  G.  ein  in  Biesters  „Berlinische  Monatsschrift"  aufgenommenes  Gedicht 
Pfeifeis  (N.  14)  abdrucken  mussj  um  nur  eine  sympatliische  Stimme  zu  Gehör  zu  bringen ; 
der  gegen  die  „Freiheitstrunkenbolde"  sonst  angeschlagene  Ton  lässt  oft  (N.  18 — 20)  an 
Derbheit  nichts  zu  wünschen.  Ein  schwülstiges  Gedicht  F.  Schlegels  (N.  25)  ruft  zum 
Anfang  des  Jh.  in  des  Geistes  heiigen  Krieg;  eine  „Trost"  betitelte  Ode  (N.  27)  atmet 
das  volle  Unbehagen  und  dumpfe  Angstgefühl,  das  vor  dem  Geschick  von  1806  Berlin 
doch  stärker  beherrscht  haben  muss,  als  man  vielfach  annimmt.  Die  „Berliner  Land- 
schaft" würdigen  Gedichte  auf  den  Weidendamm,  den  Tiergarten  (N.  28/9;  Wilmsen) 
u.  a.,  die  nur  in  ihrem  pompös  aufbauschenden  Pathos  doch  den  rechten  Ton  für  solche 
bescheidenen  Reize  verfehlen.  Besonders  reichhaltig  ist  der  der  „Gesellschaft"  gewidmete 
Abschnitt.  In  einem  ganz  netten,  gesucht  naiven  Lied  (N.  37)  beschreibt  Annchen  von 
Wensikendorf  Berlins  Wunder,  wie  sie  sich  dem  Landmädchen  darstellen;  eine  Satire 
„Berlin"  von  Jenisch  (N.  34)  schilt  auf  den  Schmutz  der  Strassen,  giebt  Anekdoten  zum 
besten,  schildert,  ebenso  wie  die  „Litaney  für  Berlin"  (N.  35),  die  socialen  Zustände 
als  sehr  korrumpiert,  läuft  aber  doch  in  volltöniges  Lob  der  grossen  Männer  Berlins 
aus.  Ein  Abschnitt  aus  der  „Welt  im  Argen"  (N.  36)  verhöhnt  die  Knaben,  denen 
A.  W.  Schlegel  und  Fichte  den  Kopf  verdreht  hätten.  Allerlei  Devisen,  Reimchroniken 
u.  a.  (N.  37 — 40)  lehren  uns  die  Personen  von  Stande,  die  Gelehrten  des  Montagklubs  usw., 
in  meist  recht  langweiligen  und  charakterlosen  Versen  kennen.  Wie  fürchterlich  die  Auf- 
klärer im  Gesangbuch  von  1780  alte  schöne  Kirchenlieder  zugerichtet  haben,  wird  durch 
Proben  veranschaulicht  (N.  43).  Der  Kaffee  und  Tabak,  das  Euphon,  das  Schauspielhaus 
und  die  Luftschiffahrt,  die  Kuhpocken  und  andere  „Wunderdinge  unserer  Tage"  bilden 
die  Themata  für  weitere  ernst-  und  scherzhafte  Tagesgedichte  (N.  46 — 54).  Unter  den 
„Gedichten  auf  einzelne  Personen"  sei  ausser  den  üblichen  Trauer-  und  Gratulations- 
oden ein  satirisches  Poem  erwähnt,  das  Quintus  Icilius  und  andere  dem  Beelzebub  in 
die  Klauen  fallen  lässt,  ferner  rühmende  und  satirische  Gedichte  auf  den  Schauspiel- 
direktor Döbbelin  (N.  60),  seine  Tochter  (N.  59),  auf  Fleck  (N.  73),  Susanne  Mecour 
(N.  65),  die  Sängerin  Angelika  Romberg  (N.  74),  ja  auf  Bürgers  Elise  (N.  78),  die  die 
Theaterleidenschaft  der  Berliner  kennzeichnen,  hinter  der  selbst  die  Begeisterung  für 
Friedrichs  Generale  zurücktritt;  Lessings  italienische  Reise  veranlasste  ein  überwarmes 
Epigramm  (N.  56),  sein  Tod  eine  Ode  von  Moritz  (N.  61);  Glucks  Tod  wird  beklagt 
(N.  G6),  der  Mutter  Karschin  widmet  die  Tochter  ein  Gedicht,  wert  von  der  Mutter 
selbst  geleistet  zu  sein  (N.  69);  J.  v.  Müller  wird  noch  1806  ob  seiner  Teutonischen 
Tugend  gefeiert  (N.  77);  mit  Recht  schliesst  G.  die  Reihe  durch  eine  Trauerode  auf 
Friedrich  Nicolai  (N.  79).  Von  Goethe  und  Schiller  ist  hier  bezeichnenderweise  nirgends 
die  Rede.  — Eine  Ode  Göckingks  auf  Marcus  Herz  (N.  75)  deutet,  wie  die  preisende  Er- 
wähnung, die  Herz  und  Friedländer  in  Jenischs  „Satyre"  finden,  auf  die  aufsteigende 
Rolle  der  Berliner  Juden  hin,  mit  deren  Geschichte  sich  Geiger^")  auch  sonst  mehrfach 
beschäftigt  hat.  Namentlich  in  zwei  Sammlungen  von  Kleinigkeiten  81-82)  trägt  er  Lese- 
früchte und  Notizen  aller  Art  zur  Geschichte  der  Juden  in  Berlin  bei.  Aus  der  Menge 
unerheblicher  Einzelheiten  seien  heravisgegriffen  die  poetischen  Huldigungen  s-^),  din-cli 
die  die  Judenschaft  dem  Königshause  ihre  Loyalität  erwies,  darunter  Uebersetzungen 
aus  dem  Hebräischen  ohne  alle  poetische  Form;  Schriften  über  den  bekannten  Mendels- 
sohn-Lavaterschen  Streit;  die  anspruchsvolle  Empfindlichkeit,  mit  der  sich  der  jüdisclie 
Kritiker  Herz  im  „freimütigen  Kaffeegespräch"  über  die  edle,  aber  komische  Bühnen- 
figur des  Juden  Pinkus  in  Stephanies  „Abgedankten  Offizieren"  beklagt;  Notizen  über 
jüdische  Gelehrte  in  biographischen  Werken  der  Zeit;  eine  Recension  der  durch  Goethe 
berühmten  „Gedichte  von  einem  pohlnischen  Juden"  in  den  Berliner  „Mannigfaltigkeiten", 
luid  anderes  der  Art.  Den  späteren  grossen  Aufschwung,  den  das  jüdische  Element  in 
der  guten  Berliner  Gesellschaft  nahm,  berührt  nur  von  ferne  ehie  Lebensskizze  des 
Kunstsammlers  Moritz  Robert-tornow  **),  eines  Bruders  der  Rahel,  der,  zum  Teil  in 
Varnhagens  Begleitung,  nach  Italien  gereist  ist  und  dort  den  Grund  zu  seiner  Kunst- 
liebhaberei gelegt  hat.  — 

Über  N.  78.)  —  80)  X  L-  Geiger,  Briefe  v.  Lazarus  Bendavid  an  J.  J.  Bellermann:  ZO.Iuden.  4,  S.  75—86.  (Unbedeutend; 
beleuchtet  d.  Verkehr,  d.  Bellermann  mit  jüdischen  Gelehrten  unterhielt,  u.  fragt  nach,  wo  wohl  d.  Naehlass  v.  Marcus  u.  Henriette 
Herz  u.  a.  geblieben  sein  könne.)  —  81)  id.,  Kleine  Beitrr.  z.  Gesch.  d.  Juden  in  Berlin  (1700— 1817):  ib.  S.  29— 65.  |[ROr.  24,  S.  59.]| 
—  82)  id.,  Mitteilungen  aus  Berliner  Zeitungen,  Zeitschriften  u.  BrochUren  (1741—1830):  ib.  S.  289— 300.  —  83)  id.,  Empfang  d. 
Prinzessin  (späteren  Königin)  Louise  durch  d.  Berliner  Judenschaft:  ib.  S.  370/72.  (Darin  wertlose  Gedichte  D.  Friedländers.)  — 
84)  W.  Kobert-t.irniiw,  Ferdinand  Robert-tornow,  d.  Sammler  u.  d.  Seinigen.    E.  Bcitr.  z.  Gesch.  I'.mlins:  DRs.  65,  S.  428—4«.  — 


IV,  1:  Gr.  Roethe,  Allgemeines  des  ]8./l^.  Jahrhunderts.  49 

Die  Zeitungen  85-86^  ^^(j  Wochenschriften,  die  in  Berlin  spät  und  anfangs 
unbedevitend  auftraten,  werden  von  Geiger  ^7)  in  ihrer  allegorisierenden  und  morali- 
sierenden Lehrhaftigkeit  („Das  moralische  Fernglas",  „Der  Weltbürger")  kurz  und  flott 
charakterisiert.  —  Den  Inhalt,  den  Zeitschriften  vor  100  Jahren  hatten,  erörtert  eine 
Plauderei  Gviglias  s^),  die  von  der  Gründung  eines  Journallesezimmers  in  Frankfurt  a.  M. 
1788  ausgeht,  an  einzelnen  Beispielen,  dem  „Joiirnal  von  und  für  Deutschland",  dem 
„Deutschen  Museum",  dem  „Deiitschen  Merkur" ;  uns  fällt  auf,  dass  weder  die  französische 
Revohition  noch  auch  unsere  Klassiker  in  diesen  Blättern  auch  nur  entfernt  die  Be- 
vorzugung finden,  die  wir  erwarten  möchten.  —  Der  Entwicklung  des  Zeitungswesens 
in  einem  einzelnen  Orte,  in  Luzern,  widmet  Albisser  ^9)  eine  nützliche  Studie:  er 
begleitet  es  von  Hautts  „Lucernerischer  Dienstags-Zeitung",  die  der  bayerische  Erb- 
folgekrieg 1743  hervorrief  und  die  reich  war  an  Rätseln  in  Gedichtform,  bis  zu  den 
Zeitungen  der  Helvetik,  unter  deren  Regime  das  gut  unterrichtete  und  von  Pestalozzi 
gilt  redigierte,  aber  unpopuläre  offizielle  „Volksblatt"  und  der  von  Zschokke  in  sehr 
glücklich  volkstümlichem  Tone  geschriebene  „Schweizerbote"  entstanden;  die  etwas 
jüngere  „Helvetische  Zeitung"  brachte  1799  ein  lateinisches  Gedicht  von  Denis  auf  die 
Schlacht  bei  Abukir.  — 

Unter  den  biographischen  Abrissen,  die  P\iblizisten90-92 j  (j^r  Epoche  ge- 
widmet worden  sind,  hebe  ich  hervor  Pröhles ^3)  Biographie  des  betriebsamen  Heraus- 
gebers und  höchst  untergeordneten  Kritikers  Schmid  (des  Giessener  Schmid),  die  un- 
verhältnismässig ausführlich  seine  Jugend  behandelt,  dagegen  sein  Verhältnis  zur  Firma 
Dodsley,  die  auffallenden  Uebereinstimmungen  seines  Leipziger  Musenalmanachs  mit  dem 
Göttinger  nur  eben  streift;  von  Biedermanns^*)  Lebensskizze  des  Vielschreibers  und 
Musikschriftstellers  Rochlitz,  des  Begründers  der  „Allgemeinen  musikalischen  Zeitung", 
dessen  Beziehungen  zu  Goethe  berührt  werden;  Schlossars^^)  gerechte  Charakteristik 
des  widerwärtig  geschmacklosen  Witzbolds  und  heinisch  sentimentalen  Lyrikers  Saphir, 
dessen  kulturhistorisch  interessante  Erfolge  eben  nur  den  niederen  Stand  der  damaligen 
österreichischen  Bildung  kennzeichnen;  vor  allem  aber  die  eingehende  treffliche  Würdi- 
gung, die  Frensdorff^ö)  dem  Göttinger  Historiker  A.  W.  Schlözer  zu  teil  werden  Hess. 
Seine  „Staatsanzeigen"  bildeten  geradezu  eine  von  ausgezeichneten  Korrespondenzen 
bediente,  höchst  verbreitete  und  einflussreiche  Zeitung,  die  als  der  ersten  eine  sich  auf 
Leitung  imd  Verwertung  der  öffentlichen  Meinung  verstand.  Schlözer  war  ein  harter, 
trotziger  Mann,  wie  das  ja  auch  in  seinen  Streitigkeiten  mit  Herder  und  Kästner  her- 
vortrat, ohne  jedes  Verständnis  für  Kunst  und  schöne  Wissenschaft,  von  einer  geradezu 
feindseligen  Abneigung  gegen  das  Griechentum;  doch  war  es  ungerecht,  wenn  Goethe, 
der  ihn  nach  Julian  Schmidt  im  Schuhu  der  „Vögel"  gemeint  hätte,  seine  Zeitung 
die  Unternelimung  eines  schlechten  Menschen  schilt;  das  Urteil  erklärt  sich  nur  daher, 
dass  es  eben  noch  aus  der  ersten  Kindheit  der  politischen  Zeitungen  herstammt.  — 

Dass  die  Zeitung  eine  Macht  sein  könne,  erkannte  der  Realist  Friedrich  der 
Grosse  mit  seinem  scharfen  Thatsachenblick  sehr  schnell,  und  entschlossen  ward  er 
selbst  zum  Zeitimgsschreiber.  Scheele  9'^)  hat  im  Anschluss  an  Droysen  eindringend 
den  Anteil  untersucht,  den  der  König  an  den  „Lettres  d'un  officier  prussien",  den  in 
seinem  Auftrag  in  die  Presse  lancierten  Berichten  vom  Kriegsschauplatz,  genommen 
hat;  von  den  Briefen  über  den  ersten  schlesischen  Krieg  nimmt  er  ausser  den  schon 
von  Droysen  bemerkten  noch  die  Briefe  17  und  18  für  Friedrich  in  Anspruch;  auch  aus 
dem  zweiten  schlesischen  Krieg  heraus  war  der  König  an  mindestens  22  lettres  be- 
teiligt oder  ihr  Vf.  Die  Briefe,  die  die  Briefform  übrigens  nicht  streng  festhalten,  haben 
die  allsgesprochene  Absicht,  die  durch  österreichische  Lügen  irregeführte  öffentliche 
Meinung  Europas  zu  berichtigen.  Diese  Absicht  bringt  eine  gewisse  Färbung  mit  sich: 
so  zeigen  auch  die  Berichte  aus  den  ernsten  Tagen  des  ersten  Krieges  nie  Kopfhängerei, 
vielmehr  ein  forciertes  Sicherheitsgefühl,  wie  es  Friedrich  damals  in  Wahrheit  schwer- 
lich besessen  haben  wird.  Um  mehr  aber  als  eine  leise  Abtönung  der  Stimmung  ent- 
fernt sich  diese  relation  modeste  von  der  Wahrheit  nicht,  nie  also  von  der  Wahrheit 
der  Thatsachen,  in  bemerkenswertem  Unterschied  von  der  Technik  der  Gegenpartei. 
Von  der  „Histoire  de  mon  temps"  unterscheiden  sich  die  Briefe  als  ergänzende  historische 
Quelle  dadurch,  dass  sie,  ihrem  Zweck  entsprechend,  mehr  das  Detail  des  Augenblicks, 


85)  X  K.  R.  V.  Görner,  D.  sechste  Grossmaclit:  DeutscheZg.  15.  Apr.  (Kurzer  Bericht  Über  e.  Vortrag,  den  G.  über  d.  Entwicklung 
d.  Zeitungswesens  speziell  in  Oesterreich  geh.  hat.)  —  86)  X  K.  E.  Klopfer,  Aus  d.  Reiche  d.  siebenten  Grossmacht.  Plauderei. 
Didask.  S.  590/1.  —  87)  L.  Geiger,  D.  ältesten  Berliner  Wochenschriften.  (=  Vorträge  u.  Versuche.  S.  88—94.)  —  88)  E. 
Guglia,  Was  vor  100  Jahren  in  deutschen  Zss.  stand:  FZg.  N.  298  —  89)  (Albisser),  Z.  Gesch.  d.  luzernischen  Zeitungs- 
wesens: Wöchentl.  Unterhaltungen.  Beil.  z.  LuzernTBl.  N.  16—22.  —  90)  X  R-  Boxberger,  J.  D.  Sander:  ADB.  30,  S.  350. 
(War  Mitherausgeber  v.  Kotzebues  , Freimütigem".)  —  91)  X  Carstens,  G.  B.  v.  Schirach:  ib.  31,  S.  307/8.  -  92)  X  K- 
Ho  che,  A.  H.  F.  Schlichtegroll:  ib.  S.  484/7.  (Betont  mehr  Schlichtegrolls  eigentliche  Gelehrtenthätigkeit  als  d.  „Necrolog", 
durch  d.  er  hierher  gehört.)  —  93)  H.  Pro  hie,  Chr.  H.  Schmid:  ib.  S.  650/5.  —  94)  W.  v.  Biedermann,  J.  F.  Rochlitz:  ib. 
30,  S.  85-91.  —  95)  A.  Schlossar,  M.  G.  Saphir:  ib.  S.  364/9.  —  96)  F.  Frensdorff,  A.  L.  Schlözer:  ib.  31,  S.  567—600. 
—  97)  G.  Scheele,  D.  „Lettres  d'un  Officier  Prussien"  Friedrichs  d.  Grossen.  Strassburger  Diss.  Strassburg,  Trübner. 
Jahresberichte  fllr  neuere  deutsche  Litteraturgeschichte  I  (S),  4 


50  1V,1:  Gr.  Hoethe,  Allgemeines  des  18./19.  Jahrhunderts. 

mehr  l'histoire  des  hussards  berücksichtigen.  —  Das  schöne  Werk,  das  Koser^s) 
unserem  grossen  Könige  widmet,  verweilt  in  seinem  ersten  Halbband  fast  ausschliesslich 
bei  der  politischen  Geschichte :  nur  kurz  wird  S.  8  ff.  Triedrichs  leider  französierender 
Reform  der  Berliner  Akademie,  S.  34  und  53  der  Anfänge  seiner  Freundschaft  mit 
Voltaire  gedacht:  die  späteren  Abschnitte  werden  auch  für  unser  engeres  Interesse 
mehr  ergeben,  ^^j  —  Ein  lebenswahres  Kulturbild  aus  der  guten  adligen  Gesellschaft 
der  Zeit  entwerfen  die  Memoiren  C.  W.  v.  Hülsens  aus  seiner  Junkerzeit  im  7j.  Krieg  und 
vor  allem  seine  äusserst  lebendigen  und  flotten  Briefe  an  seine  Braut,  die  uns  Helene 
von  Hülsen^oo)  zugänglich  gemacht  hat:  liebenswürdiger,  wenn  auch  etwas  steif-galanter 
Humor  paart  sich  da  mit  strengem  Ehr-  und  Pflichtgefühl;  litter  arisches  Interesse  fehlt 
freilich,  auch  die  eingelegten  Verse  sind  meist  oder  nur  landläufige  Citate;  der  grosse 
König  steht  dominierend  im  Hintergrund,  aber  doch  nur  in  seiner  Soldatengrösse.  —  Die 
Vielseitigkeit  seiner  Schriftstellerei  beleuchtet  Merkensioi)^  ohne  die  Grenzen  seines 
Aufklärerhorizonts  herauszuftililen,  in  der  kiu-zen  und  flüchtigen  Einleitung  zu  einer  ganz 
kleinen,  nur  populären  Auswahl  von  Lichtstrahlen  (noch  dazu  übersetzten)  aus  Eriedrichs 
Werken:  irgend  welchen  wissenschaftlichen  Interesses  entbehrt  diese  Auslese  schon 
darum,  weil  sie  gar  nicht  den  königlichen  Denker  selbst  charakterisieren  will,  sondern 
lediglich  Gedanken  Eriedrichs  zusammensucht,  die  ihn  noch  als  Zeugen  für  Probleme 
des  modernen  Lebens  erscheinen  lassen;  in  der  Schlussabteilung  finden  auch  ein  paar 
Citate  aus  der  Schrift  „De  la  litterature  allemande"  ihren  Platz.  —  Das  unvermeidliche 
Thema  „Eriedrich  der  Grosse  und  die  deutsche  Litteratur"  ^^2)  ]-ia^  j^^^u  auch  im  ver- 
gangenen Jahre  wieder  seinen  Bearbeiter  gefunden,  freilich  ohne  dabei  irgend  welche 
Eörderung  zu  erfahren,  Bergers^^a^  akademische  Antrittsrede  liest  sich  ganz  hübsch 
und  enthält  manche  glückliche  Wendung;  irgend  einen  neuen  Gesichtspunkt,  auch  nur 
irgend  eine  neu  verwertete  Thatsache  konnte  ich  niclit  entdecken;  höchstens  der  Hin- 
weis auf  Friedrichs  Bedeutung  für  die  Geschichtsschreibung,  die  er  als  Schüler  Voltaires 
kulturhistorisch  fasste,  lag  nicht  gleich  auf  der  abgetretensten  Heerstrasse.  —  Gohr^o*) 
behandelt  mit  populär  panegyrischer  Rhetorik  einen  einzelnen  Abschnitt  jenes  Themas, 
indem  er  eine  Parallele  zwischen  dem  philosophischen  Helden  Friedrich  und  dem  helden- 
haften Philosophen  Lessing  mit  Hervorkehrung  ihrer  Richtung  auf  Selbsterkenntnis, 
Selbstthätigkeit,  Selbstvervollkommnung  vorträgt;  die  tönenden  Worte  verbergen  doch 
nicht,  wie  wenig  scharf  G.,  der  nur  aus  den  nächstliegenden  Quellen  schöpft,  die  philo- 
sophischen Gedanken  seiner  Helden  gefasst  hat.  —  Eriedrichs  Beziehungen  zur  franzö- 
sischen Litteratur,  speziell  zu  Voltaire,  haben  sogar  mehr  als  Eine  Feder  beschäftigt. 
Wychgramios)  leitet  die  Zuneigung  des  Königs  zum  Französischen  aus  seinem  schrift- 
stellerischen Schaifenstrieb  ab,  den  er,  unfähig,  sich  einen  ästhetisch  befriedigenden 
deutschen  Stil  neu  zu  schaffen,  nur  in  der  geprägten  Eleganz  der  französischen  Sprache 
befriedigen  konnte;  er  verfolgt  weiter  des  Königs  Verhältnis  zu  Voltaire,  das  nach 
starken  Schwankungen  und  Stössen  in  den  kühleren,  aber  behaglichen  Briefwechsel  des 
Alters  auslief;  Eriedrich  missachtete  den  Menschen,  der  aufrichtig  bewunderte  Denker 
und  Schriftsteller  war  ihm  unentbehrlich.  —  Ein  Wandervortrag  Geigers^^^)  erklärt 
diese  Unentbehrlichkeit  aus  dem  geistigen  Boden  der  Aufklärung,  in  der  sie  beide 
wurzeln  und  die  sie  um  so  sicherer  zusammenführt,  je  mehr  sie  in  ein  jüngeres  Geschlecht 
hineinragen;  er  hebt  aus  dem  Briefwechsel  Eriedrichs  mit  Voltaire i^'^)  Proben  der  über- 
legenen Kritik  und  historischen  Einsicht  des  Franzosen  heraus;  er  charakterisiert  die 
eminente  Subjektivität  des  Schriftstellers  Friedrich,  der  nur  von  sich  redet;  zu  dem 
längst  Bekannten,  was  meist  auch  Wychgram  über  Voltaires  Sünden  in  Berlin  mitteilt, 
fügt  er  die  auch  nicht  neue  und  sehr  unsichere  Vermutung,  dass  der  eitle  Franzose 
daran  dachte,  des  Königs  Schwager  durch  die  Prinzess  Ulrike  zu  werden.  — 

So  viel  für  Friedrich  Frankreichs  Litteratur  bedeutete,  seinen  Deutschen  wünschte 
er  doch  eine  bessere  Kost,  die  Griechen;  es  ist  neuerdings  wiederholt  betont  worden, 
wie  grosser  Anteil  dem  König,  dessen  Lebensanschauung  viel  mehr  Antikes  als  Französisches 
hatte,  an  der  humanistischen  Begründung  der  deutschen  Schulbildung  gebührt,  an  der 
kurzsichtige  Epigonen  jetzt  allenthalben   so  eifrig  rütteln.     Die  Bedeutung  der  antiken 


1889.  79  S.  M.  2,00.  —  98)  R.  Koser,  König  Friedrich  d.  Grosse.  (=Bibl.  deutscher  Gesch.  her.  v.  H.  v.  Zwiedineck- 
SUdenhorst.  Lief.  45/8.)  Stuttgart,  Cotta.  293  S.  M.  4,00.  |[B  .  .  r:  NFPr.  N.  9280a;  NatZg.  N.  137;  HambCorr«.  N.  10.]|  - 
99)  X  C.  Osthaus,  Modem  German  Literature.  Aus  d.  Staat  Friedrichs  d.  Grossen  v.  G.  Freytag,  ed.  by  Herman  Hager 
Ph.  D.  (Lips.),  Boston,  Heath  &  Co.:  MLN.  5,  S.  301/3.    (D.  Anz.  geht  nur  auf  d.  Einrichtung  d.  Ausgabe  fllr  Schulzwecke  ein.) 

—  100)  Helene  v.HUlsen,  Unter  Friedrich  d.  Grossen.  Aus  d.  Memoiren  d.  Aeltervaters.  1752—73.  Berlin,  Gebr.  Pätel.  207  S. 
M.  4,00.  —  101)  H.  Merkens,  Aus  d.  Werken  Friedrichs  d.  Grossen.  (=  Meyers  Volksbücher  N.  796/7.)  Leipzig  u.  Wien^ 
Bibiiogr.  Institut,  o.  J.  88  S.  M.  0,20.  —  102)  X  L-  Hölscher,  B.  Suphan,  Friedrich  d.  Grossen  Schrift  über  d.  deutsche 
Litt.:  ASNS.  84,  S.  153/4.  (EUhmende  Inhaltsaugabe.)  —  103)  A.E.  Berger,  Friedrich  d.  Grosse  u.  d.  deutsche  Litt.  Akadem. 
Antrittsrede.  Bonn,  Strauss.  38  S.  M.  1,00.  |[BLU.  S.  447;  ML  JA.  59,  S.  472;  Schirlitz:  LMerkur.  10,  S.  272;  Geiger: 
AZ.  N.  305».] I  —  104)  R.  Gohr,  Lessing  u.  Friedrich  d.  Grosse.  E.  Parallele.  (Vortr.  z.  56.  Stiftungsfeste  d.  Danziger  Lehrer- 
vereins.): Paedagogium.  12,  S.  681—94.  —  105)  J.  Wychgram,  Friedrich  d.  Grosse  u.  Voltaire:  Fels/.Meer.  1889/90.  S.  1206—30. 

—  106)  L.  Geiger,  Voltaire  u.  Friedrich  d.  Grosse.  (=  Vortrr.  u.  Versuche  [s.  o.  N.  76].  S.  102—31.)  —  107)  XA.  Kressner, 
Correspondance  de  Fr<id«irie  le  Grand   avec  Voltaire   her.    t.  0.  Hoffmann:    Franco  -  Gallia.    7,   S.  35.    (Unbedeutende  Anzeige.) 


IV,1:  Cr.  Roethe:  Allgemeines  des  18./19.  Jahrhunderts.  51 

Dichtixng  für  unsere  moderne  Litteratur  wurde  wenigstens  in  einem  Beispiele  dargelegt : 
Beheim  -  Schwarzbach^os)  stellt  nach  unerlaubt  ixnzidänglichen  Bemerkungen  über 
Homer  im  deutschen  Mittelalter  allerlei  Einwirkungen  der  homerischen  Epen  auf  die 
Poesie  des  18.  und  19.  Jh.  zusammen:  den  hohen  Wert  der  Vossschen  Uebersetzung, 
neben  der  Bürgers  Versuche  zvirücktreten,  illustriert  er  durch  einen  Vergleich  mit  Popes 
Homer;  er  zeigt  den  homerischen  Geist  in  „Hermann  und  Dorothea",  homerische  Züge 
in  Schillers  Montgomeryscene  auf  (alles  altbekannt);  bespricht  die  „Nausikaa"  ohne  aus- 
reichende Litteratu^rkenntnis,  die  „Achilleis"  ohne  sicheren  Geschmack  und  schliesst,  und 
das  ist  der  beachtenswerteste  Teil  des  Aufsätzchens,  mit  dem  frappanten  Nachweis,  dass 
Freytags  „Ingo"  wesentlich  eine  germanische  Umdichtung  homerischer  Motive  ist.  — 

Dass  Deutschland  in  seinen  Beziehungen  zur  französischen  Litteratur  bei 
weitem  nicht  nur  der  empfangende  Teil  wari09-ii0)  (vgl.  auch  N.  27),  hat  Süpfles^) 
inhaltreiches  Buch  über  die  Geschichte  des  deutschen  Kultureinflusses  auf  Frankreich 
mit  einer  überraschenden  Fülle  von  Thatsachen  belegt.  Der  1890  erschienene  letzte  Halb- 
band setzt  mit  Louis  Philipp  ein.  Er  führt  uns  zunächst  in  eine  Flutzeit  deutscher 
Einwirkungen.  Guizot  ging  beim  deutschen  Schulwesen  in  die  Schule ;  Didots  griechische 
Klassiker  besorgten  fast  nur  Deutsche;  die  deutsche  Fremdenkolonie  in  Paris  war  an 
Zahl  und  geistiger  Bedeutung  stark  (A.  v.  Humboldt,  die  Schlegel).  Börne  und  Heine 
mit  ilu-en  ungerechten  Urteilen  über  das  Vaterland,  mit  ihrer  fast  blinden  Verehrung 
für  Frankreich  schädigten  die  gesunden  geistigen  Beziehungen  der  beiden  Länder  mehr 
als  sie  nützten;  das  gilt  zumal  von  Heine;  Börne,  der  die  Vorzüge  der  Franzosen  als 
mehr  „weiblich"  erkennt,  ringt  sich  aus  wahren  Wutanfallen  doch  manchmal  zu  einem 
gewissen  Verständnis  für  die  männlichere  genial  schöpferische  deutsche  Art  durch  und 
bemüht  sich,  auch  den  Franzosen  die  Augen  dafür  zu  öffnen  (zumal  in  der  „Balance, 
revue  allemande  et  fran9aise");  aber  er  blieb  stets  ohne  Wirkung.  Die  politische  Ver- 
stimmung von  1840  geht  schnell  vorüber,  zumal  bei  den  liberalen  Wortführern  in 
Deutschland;  avif  Frankreich  übt  Kant  einen  wachsenden  Einfluss;  die  Junghegelianer 
wie  Rüge  träumen  von  einem  Bund  deutscher  Philosophie  mit  französischer  Freiheit; 
doch  bestehen  die  diesem  Zwecke  geweihten  „Deutsch -französischen  Jahrbücher"  (1844) 
nicht  lange.  Die  Elsässer  spielen  als  Vermittler  deutscher  Art  in  Frankreich  nur  eine 
sehr  schüchterne  Rolle;  S.  rühmt  Willm,  den  Geschichtsschreiber  der  deutschen  Philosophie, 
und  Matter,  der  den  Franzosen  eine  Rundschau  über  unser  gesamtes  geistiges  Leben 
zu  gewähren  sucht.  Viel  stärker  als  die  deutsche  Poesie,  von  der  seit  1830  lediglich 
die  Lyrik  beachtet  wird  (ühland;  Zedlitz'  „Nächtliche  Heerschau";  Heines  Lyrik  erst 
spät),  gewinnt  die  Musik  Macht  über  die  Franzosen.  Die  wachsende  Entfremdimg  der 
beiden  Völker,  die  mit  Napoleon  III.  beginnt,  schädigt  die  wissenschaftlichen  Beziehungen 
wenig;  1858  wird  die  ,, Revue  germanique"  (jetzt  ,, Revue  moderne"),  um  dieselbe  Zeit 
die  ,, Revue  critique"  begründet,  die  beide  noch  heute  bestehen;  ausser  Kant  gewinnt 
aiich  Hegel  (durch  Vera  u.  a.)  Boden,  während  die  Extravaganzen  der  Junghegelianer, 
der  seichte  Aufklärungsfanatismus  Büchners  auf  verdienten  Widerstand  stossen.  Die 
grossen  Errungenschaften  der  deutschen  Sprachforschung,  Philologie,  Pädagogik,  Natur- 
wissenschaft knüpfen  wissenschaftliche  Bande,  die  auch  die  stärkere  Probe  von  1870 
bestanden  haben.  Dagegen  verlor  die  deutsche  Dichtung  seit  dem  zweiten  Kaiserreich 
immer  mehr  an  Einfluss,  wenn  Buchon  auch  Hebel  überträgt  und  Dumas  Iffland  und 
Kotzebue  zu  benutzen  weiss;  auch  der  deutsche  Roman  wurde  trotz  einer  Würdigimg 
Ren6 - Taillandiers  kaum  beachtet:  nur  Auerbachs  „Dorfgeschichten",  die  von  Erckmann- 
Chatrian,  Töpffer,  Buchon  nachgeahmt  werden,  ging  es  besser,  und  deutsche  Kinder- 
imd  Volksbücher  fanden  überraschenden  Eingang.  Seit  dem  Kriege  hat  dann  auch 
Schopenhauer  Liebhaber  gefunden;  dass  unsere  neueste  Litteratur  für  Frankreich  be- 
deutungslos blieb,  brauchte  S.  nicht  aus  politischen  Gründen  abzuleiten;  denn  nie  haben 
die  poetischen  Schöpfungen  Deutschlands,  die  es  verdienten,  sorgfältigere  Pflege  gefunden 
als  in  der  jüngsten  Generation  französischer  Litterarhistoriker.  In  seinem  Schlusskapitel 
spricht  S.,  ähnlich  wie  Carriere^iä)^  den  heissen  Wunsch  aus,  Frankreich  und  Deutsch- 
land möchten  sich  wieder  zu  engerem  Zusammenwirken  im  Kampfe  gegen  die  Barbarei 
an  einander  schliessen:  da  stimme  ich  gewiss  von  Herzen  ein;  aber  wenn  sich  die  Wage 
des  Vergleichs  zwischen  den  beiden  Völkerindividualitäten  bei  S.  noch  immer  auf  die 
deutsche  Seite  neigt,  weil  wir  die  Vertreter  der  Idealität,  weil  wir  an  sittlichem  Ernst, 


-  108)  M.  Beheim- Schwarzbach,  Homer  in  d.  deutschen  Litt.:  PrJbb.  66,  S.  610-33.  -  109)  X  R-  Mahrenholtz,  A. 
Ehrhard,  Moliere  en  AUemagne,  ASNS.  84,  S.  216/7.  (Ehrhard  entdeckt  nach  M.  manche  Uebereinstimmungen  deutscher  Dichter 
d.  18.  Jh.  mit  Moliere,  schädigt  sein  Buch  aber  durch  Chauvinismus  u.  ungenügende  Kenntnisse.)  —  110)  X  id.,  Moliere  in 
Deutschland :  Franco-Gallia.  7,  S.  65|8.  (Giebt  an  d.  Hand  d.  Ehrhardschen  Buches  e.  Skizze  d.  Moliere-Einflusses  auf  Deutschland, 
den  M.  für  überwunden  hält;  bemerkenswert,  dass  d.  Romantiker  v.  Moliere  wenig  wissen  wollen,  d.  Junge  Deutschland  sich 
ihm  zuneigt;  Moliöres  Einwirkung  schwächte  sich  ab,  sowie  d.  Bewusstsein  d.  nationalen  Gegensatzes  sich  verschärfte.)  — 
IM)  Th.  SUpfle,  Gesch.  d.  deutschen  Kultureinflusses  auf  Frankreich  mit  bes.  Berücksichtigung  d.  litt.  Einwirkung.  11,2.  Gotha, 
Thienemann.  X,  166  S.M.  3,60.  |[C'h.  J.:  RCr.  24,2  S.  456— 61  (ausführliche,  lobende  Inhaltsübersicht) ;  0.  Knauer:  ZFranzSL.  13, 
S.  167— 77.]  I  —  112)  M.  Carriöre,  Deutschland  SU.  Frankreichs  geraeinsame  Kulturaufgaben.  (=  Lebensbilder  S.  122—38  [s.  N.  41].) 

4* 


52  1V,1:  Gr.  Roetho,  Allgemeines  des  18./19.  Jahrhunderts. 

an  Tiefe  des  Denkens  und  Fühlens  den  Nachbarn  jenseits  der  Vogesen  überlegen  seien, 
so  wünschte  ich  freudiger  auch  da  mich  anschliessen  zu  können:  wo  ist  das  Deutschland 
geblieben,  von  dem  S.  spricht,  als  lebten  wir  noch  mitten  inne?  —  Eine  bequeme  Ueber- 
sicht  über  neuere  französische  Ausgaben  und  Uebersetzungen  deutscher  Werke  ermöglicht 
Laportes'i^)  ,, Bibliographie  contemporaine".  Der  7.  Bd.,  der  von  Hatin  bis  Hugo  reicht 
und  fast  zur  Hälfte  mit  einer  Biographie  Victor  Hugos  erfüllt  ist,  bringt  kurze  Notizen 
auch  über  Hegel,  Heine,  dessen  Geistesverwandtschaft  mit  Voltaire  richtig  bestritten 
wird,  über  Herder,  „le  messie  du  grand  dogme  de  la  fraternite  humaine  et  de  la  soli- 
darite  sociale",  endlich  über  Hoffmann,  „le  genie  le  plus  original,  le  plus  passionne, 
mais  le  plus  bizarre  de  notre  epoque".  —  Nachdem  die  geistreiche  Französin,  die  ihren 
siegreichen  Landsleuten  die  Augen  zu  öffiien  suchte  über  die  geistige  Ueberlegenheit 
der  armen  Besiegten,  kürzlich  in  Lady  Blennerhassett  eine  gelehrte  und  umständliche 
deutsche  Biographin  gefunden  hat,  deren  Buch  jetzt  auch  ins  Französische  übertragen 
ist^'4),  hat  SorePiSj  ein  knappes,  aber  recht  lesenswertes  biographisches  Denkmal 
folgen  lassen,  das  freilich  mehr  auf  Darstellung  als  auf  Forschung  Gewicht  legt  und 
aiaf  jeder  Seite  verrät,  wie  viel  mehr  sein  Vf.  politische  und  historische  als  litterarische 
Zusammenhänge  begreift.  So  gerät  ihm  vortrefflich  z.  B.  das  Bild  des  Salons,  den  Frau 
von  Stael  während  der  Revolution  in  Paris  unterhält;  ihr  Verhältnis  zu  Deutschland  ist 
ihrem  neuesten  Biographen  kaum  mehr  als  eine  sonderbare  Kuriosität,  und  er  unterlässt 
nicht,  seinen  Landsleuten  zur  Beruhigung  zu  versichern,  dass  seine  Heldin  stets  die 
Rheingrenze  verlangt  habe  und  dass  das  heutige  Deutschland  viel  mehr  dem  Bilde 
ähnele,  das  Frau  v.  Stael  damals  von  Frankreich  entwirft,  als  ihrem  Deutschland.  Für 
die  philosophischen  Neigungen  ihres  Lieblingslandes  besitzt  sie  keinen  Schlüssel,  aber 
sie  unterscheidet  sicher  Goethes  „poesie  de  la  nature"  (naive  Dichtvmg)  von  der  „poesie 
de  l'äme",  die  sonst  in  Deutschland  herrsche.  Dass  S.  die  Faustauffassung  der  geist- 
vollen Frau  billigen  kann,  erweist  mir  wieder,  wie  fremd  er  unserem  Geistesleben  gegen- 
über steht  und  wie  flüchtig  er  das  eigentlich  Aesthetische  und  Litterarische  an  seinem 
Thema  abgemacht  hat;  so  wird  denn  auch  der  Einfluss  des  Buches  ,,De  l'Allemagne" 
auf  Nodier,  Hugo,  Musset  u.  a.  nur  kurzweg  übers  Knie  gebrochen,  und  auch  die  übrigen 
Werke  der  Stael  werden  weder  als  werdende  noch  als  fertige  analysiert  ^iß).  —  Diesen 
Mangel  ersetzt  für  die  Romane  ein  hübscher  Aufsatz  von  Brunetiere  i'^),  der  ihre 
eigenartige  Bedeutung  darin  sieht,  dass  hier  eine  feinfühlige  Frau  der  guten  Gesellschaft 
diese  Gesellschaft  ehrlich  und  mit  instinktiver  Sicherheit  zu  schildern  unternimmt.  — 
Das  biographische  Material  vermehren  jetzt  durch  eine  Veröffentlichung  Breitingers  ^'8) 
Mitteilungen  aus  den  mehr  als  hundert  Briefen  der  Stael  an  einen  Freund  ihres  Hauses, 
an  den  Züricher  Jacob  Heinrich  Meister,  die  von  Dez.  1793  bis  Febr.  1817  reichen. 
Anfangs  handelt  es  sich  meist  um  Versuche,  für  ihre  alten  Pariser  Freunde  (Narbonne, 
Montmorency  u.  a.)  ein  verborgenes  Asyl  in  der  Schweiz  zu  finden ;  später  treten  neben 
dem  überwiegenden  politischen  Lihalt  auch  allerlei  Notizen  auf,  die  uns  hier  näher  an- 
gehen. Ihr  Buch  „Vom  Einfluss  der  Leidenschaften"  möchte  sie  schon  Okt.  1796  an 
Wieland  und  Goethe  senden;  als  dieser  ihr  den  „Wilhelm  Meister"  schickt,  kann  sie, 
des  Deutschen  unkundig,  das  Buch  nicht  verstehen,  giebt  sich  mit  einer  thörichten 
Sudelei  Constants  zufrieden  und  beauftragt  Meister  mit  dem  obligaten  Dankbrief 
Dass  er  beider  Sprachen  mächtig,  bewundert  sie  erst  recht,  als  sie  selbst  mit  dem 
deutschen  Studium  Ernst  macht,  und  betraut  ihn  wiederholt  mit  Bücherkäufen,  später 
mit  der  Besorgung  eines  deutschen  Erziehers  für  ihre  Kinder;  als  ein  solcher  in  der 
Person  A.  W.  Schlegels  gefunden,  taucht  auch  er  zuweilen  in  diesen  Briefen  mit  einem 
Bonmot  oder  einem  litterarischen  Plane  auf;  von  ihren  Reisen  in  Deutschland  ist  nicht 
weiter  die  Rede.  —  Der  Adressat  jener  Briefe,  H.  Meister,  darf  übrigens  selbst  zu  den 
Vermittlern  deutschen  und  französischen  Geistes  zählen:  er  war,  wie  eine  gewandte 
Plauderei  Breitingers  i^^)  berichtet,  lange  ein  thätiger  Mitarbeiter  Melchior  Grimms  und 
gehörte  seiner  ganzen  geistigen  Richtung  nach  zu  den  französischen  Moralisten  des 
iS.  Jh.;  aber  er  schrieb  auch  in  deutscher  Sprache  vier  Predigten  und  einen  satirisch- 
politischen Dialog  zwischen  Frankreich  und  der  Schweiz.  Wie  mit  Frau  v.  Stael  war 
er    auch    mit    Julie    Bondeli     befreundet.     Als    1768    sein    freisinniges   Schriftchen  „De 


—  113)  A.  Lap orte,  Bibliographie  contemporaire.  Hist.  litt,  du  19.  siecle,  manuel  critique  et  raisonnd  de  livres,  rares,  curieux  et 
singuliers,  d'^ditions  romantiques,  d'ouvrages  tirös  k  petit  nombre,  de  röimpressions  d'auteurs  anciens  etc.,  depuis  1800  jusqu'ä 
nos  jours;  avec  l'iodication  du  prix  d'apr^s  les  catalogues  de  ventes  et  de   libraires.  7.    Paris,   Bouillon.   8".   316    S.   Fr.   10,00. 

—  114)  Lady  Blennerhassett,  Mme.  de  Staßl  et  son  toinps,  trad.  de  TÄUemand,  par  A.  Dietricli.  3  vol.  Paris,  West- 
hausser.  |[BrunetiÄre:  RDM.  99,  S.  682;  Ph.  Gille:  Figaro.  N.  148.]|  -  115)  A.  Sorel,  Mme.  de  Stael.  (=  Le.s 
grauds  Äcriyains  franjais.)  Paris,  Hachette.  16".  216  S.  u.  1  Portr.  Fr.  2,00.  |[Eli.:  LCBl.  S.  irjlS;  Nation».  8,  S.  94;  AZ. 
N.  329»;  A.  Filon:  EPL.  46,  S.  285/6.  (Eleganter,  der  Heldin  sehr  abhold  gehaltener  Essay.)  —  116)  X  Tarsus,  A  propos  d'un 
livre  sur  Mme.  de  StaBl :  .RPL.  46,  S.  317|8.  (Betont  aus  Anlass  d.  Sorelschen  Buches,  dass  es  nur  auf  d.  Persönlichkeit  d.  Frau 
ankomme;  ihre  Werke  seien  nur  d.  Ausdruck  d.  weiblichen  Unbefriedigtheit.)  —  117)  F.  Brunetit-re,  Les  romans  de  Mme.  de 
8ta8l:  RDM.  99,  8.  682—97.  —  118)  H.  Breitinger,  D.  Briefe  d.  Frau  v.  StaBl  an  J.  H.  Meister:  ZUrclifirTb.  N.  F.  13,  S.  1.30-51. 

—  119)    id.,    Heinrich    Meister,    d.   Mitarbeiter   Melchior   Grimms    (1885)  (=    Studien    u.   Wandertage.      S.  71  —  108.  .S.o.  N.  20, 


IV,1:  G.  Roethe,  Allgemeines  des  18./19.  Jahrhunderts.  53 

l'origine  des  principes  rehgieiix"  ilnn  in  Zürich  einen  Prozess  auf  den  Hals  zog,  spielte 
dort  von  litterarischen  Würdenträgern  Lavater  eine  recht  zweifelhafte,  Bodmer  eine  sehr 
verständige  Rolle.  —  Ein  anderer  Freund  der  Trau  von  Stael,  auch  Dorothea  Schlözer 
herzlich  ergeben,  Charles  de  Villers,  dem  M.  Kohn'20)  einen  sympathischen  Artikel 
gewidmet  hat,  verfasste  für  Napoleon  einen  Abriss  der  Kantischen  Lehre,  wirkte  während 
der  Occupation  mit  leidenschaftlichem  Eifer  für  die  Erhaltung  der  deutschen  Universitäten, 
die  man  in  Fachschulen  verwandeln  wollte,  und  lehrte  an  giner  derselben,  in  Göttingen, 
mit  Hingebung,  bis  ihn  zu  Steins  Entrüstung  Professorenintriguen  vertrieben ;  er  glaubte 
stets  an  den  endlichen  Sieg  seiner  zweiten  Heimat,  da  der  deutsche  Geist  stärker  sei 
als  der  französische:  die  Deutschen  sind  ihm  die  wahren  Griechen,  d.  h.  etwa  in 
Eichteschem  Sinne  das  erziehende  „Normalvolk"  des  neueren  Europa.  —  Eine  Episode 
aus  dem  Wirken  des  hochgestellten  Deutschfranzosen  K.  F.  Reinhard,  seine  unerquickliche 
Gesandtschaftszeit  in  der  Schweiz  1800/1  erzählt  Lang  121);  so  herzlich  und  hoffnungsvoll 
ihn  Lavater  begrüsst,  von  dem  mehrere  Briefe  mitgeteilt  werden,  so  wenig  vermag 
Reinhard  das  unerträgliche  Aussaugesystem  seiner  Regierung  abzustellen,  und  er  scheitert 
zumal  an  dem  Misstrauen  der  helvetischen  Parteien,  zwischen  denen  er  vermitteln  will. 
Zu  Usteri  knüpft  er  litterarische  Beziehungen,  mit  seinem  Landsmann  Cotta  liest  er 
auf  der  Petersinsel  im  Bieler  See  Schillers  „Wallenstein".  Die  Bewunderung  für  die 
deutsche  Litteratur  webt  zwischen  dem  französischen  Staatsmann  und  seiner  alten  Heimat 
neue  festere  Bande,  als  sie  die  Geburt  geschaffen.  Und  diese  Bewunderung  konzentriert 
sich  in  der  grenzenlosen  Verehrung  für  Goethe,  der  Reinhard  schliesslich  wie  ein  litte- 
rarisclier  princier,  ein  Dictator  gleich  Napoleon  erscheint.  Seine  von  Lang  122^  an 
anderer  Stelle  veröffentlichten  Briefe  an  den  Kanzler  Müller  und  Wessenberg,  die  von 
1823  bis  1836  reichen,  zeigen  den  Grad  dieser  Hingabe:  Reinhard  ist  für  jede  Zeile 
Goethes  dankbar,  nur  weil  sie  ihm  das  Recht  giebt,  die  Korrespondenz  mit  ihm  seiner- 
seits fortzuführen;  sogar  die  Farbenlehre  scheint  ihm  eins  der  genialsten  Werke  Goethes, 
während  er  über  den  zweiten  Teil  des  „Faust"  ein  freilich  zweifelndes  Urteil  vorträgt, 
das  kaum  zutreffend  genannt  werden  kann;  als  er  die  Nachricht  von  Goethes  Tode 
erhält,  ruft  er:  „Triste  oui,  pour  moi  que  Goethe  avait  adopte  depuis  25  ans,  .  .  .  mais 
pour  lui  .  .,  c'est  le  commencement  de  son  apotheose!  car  il  etait  aussi  bon  qu'il 
etait  grand;  tout  en  lui  etait  devenu  harmonie."  — 

Ein  Vergleich  zwischen  Rousseau  und  Byron,  der  uns  von  den  Franzosen  zu 
den  Engländern  hinüberleiten  mag,  kommt  der  deutschen  Litteraturgeschichte  mehr 
zu  gute,  als  sein  V£  0.  Schmidt^^a)  es  wohl  selbst  spl\rt,  da  er  sich  der  Seitenblicke 
auf  Deutschland  so  streng  enthält,  dass  er  (S.  22)  neben  den  Wanderern  Rousseau  und 
Byron  124)  nicht  einmal  des  grössern  Wanderers  Goethe  gedenkt.  Der  Wert  der  Parallele, 
die  sich  eindringend  über  einen  reichen  Stoff  erstreckt,  aber  freilich  allzu  oft  in 
pedantische  Details  und  gleichgiltige  Allgemeinheiten  gerät,  liegt  für  uns  darin,  dass 
sie  in  vielen  Punkten  geradezu  die  ganze  Zeit  mit  charakterisiert,  die  durch  jene  beiden 
Namen  umfasst  wird.  —  Eine  zusammenhängende  Uebersicht  über  den  Einfiuss  der 
englischen  Litteratur  auf  das  Deutschland  des  18.  Jh.  versucht  Seidenstickeri25);  ich 
hätte  nur  gewünscht,  dass  die  von  arger  Unkenntnis  zeugenden  Rückblicke  auf  die 
englisch-deutschen  Litteraturbeziehungen  vor  1700  fortgeblieben  wären;  nicht  einmal 
Herfords  treffliches  Buch  scheint  S.  bekannt  zu  sein;  der  Name  Weckherlin  z.  B.  kommt 
tiberhaupt  nicht  vor.  Ueber  das  18.  Jh.  ist  S.  immerhin  besser  orientiert,  ohne  dass 
seine  flüchtige  Skizze  unsere  Kenntnisse  irgendwie  ei'weiterte;  nur  ist  es  doch  arg,  dass 
der  Göttinger  Dichter  nicht  mit  einer  Silbe  gedacht  wird.  Sonst  sind  die  wichtigsten 
Thatsachen  übersichtlich  und  in  richtiger  Beleuchtung  verzeichnet,  von  Addison-Gottscheds 
„Cato"  bis  auf  die  philosophische  Litteratur,  die  sich  an  Berkeley,  Hume  und  Shaftes- 
bury  anschloss;  mit  Recht  wundert  sich  S.  über  die  starke  Wirkung  Popes  und  Swifts, 
über  die  Beachtung  Butlers,  der  für  Deutschland  im  Grunde  kaum  ein  Interesse  bieten 
konnte,  und  er  bedauert,  dass  dagegen  Johnson  fast  unbemerkt  geblieben  sei.  Im  Vorder- 
grunde stehen  wie  billig  ausser  Shakespeare  und  Milton  vor  allem  Thompson  und  Young, 
Defoe,  Richardson,  Sterne  vnid  Goldsmith,  Lillo,  Ossian  und  Percys  „Reliques";  das 
jüngere  englische  Drama  wird  dagegen  wohl  zu  beiläufig  erwähnt  (Lessing!).  Ein  kurzer 
Anhang  berücksichtigt  den  Einfiuss  der  Deutschen  auf  England,  der,  durch  Vorurteile 
erschwert,  lange  nur  auf  dem  Gebiete  der  geistlichen  Poesie  und  Prosa,  sowie  in  Ueber- 


|[Mähly:  Gegenw.  S.  335;  NZürichZg.  N.  117.]!)  —  120)  Maximilian  Kohn,  E.  geistiger  Vermittler  zwischen 
Deutschland  u.  Frankreich:  Deutschland.  S.  376,7.  —  121)  W.  Lang,  K.  Fr.  Reinhard  als  Gesandter  in  d.  Schweiz  (1800/1): 
HZ.  65,  S.  385—414.  —  |?2)  id.,  Briefe  v.  Keinliard  an  Kanzler  Müller;  als  Anhang:  Auszüge  v.  Reinhard  an  Wessenberg 
GoetheJb.  11.  S.  42—63.  —  123)  Otto  Schmidt.  Rousseau  u.  Byron,  E.  Beitr.  z.  vgl.  Litt.Gesch.  d.  Revolutionszeitalters.  Oppeln, 
Franck.  IV.  183  S.  M.  3,00.  |[R.  Mahrenholtz:  ZFranzSL.  11,  S.  149—53;  L.  Fränkel:  BLU.  S.  574/5.]|  -  124)  X  C. 
Flai schien,  Lord  Byron  in  Deutschland:  CBlBiW.  7,  S.  455—73.  (Vgl.  1,4  N.  89;  biWiogr.  Verz.  aller  deutschen  Byron- 
übersetzungen: die  gesamten  Werke  haben  11,  „Manfred"  ausserdem  22,  „HaraW  17,  „Don  Juan"  11  usw.  Uebertragungen  erlebt.) 
r-  l?5)  0.  Beidensticker,  The  relatioji  of  english  to  german  literature  in  the  18.  Century:  Poet-lore.  2,  S.  57—70,  169—85. 


54  IV,  1:  G.  Roethe,  Allgemeines  des  18./ 19.  Jahrhunderts. 

Setzungen  historischer  Werke  (Mascov,  Flitter)  sich  äusserte;  von  andern  Dichtern  fand 
zuerst  Gessner  Boden;  über  das  langsame  Eindringen  Goethes  und  Schillers  sind  wir 
sonst  besser  untemchtet,  als  wir  es  hier  werden;  notiert  sei  W.  Taylors  Urteil  über 
Kotzebue,  der  ihm  „the  gi-eatest  dramatic  genius  since  Shakespeare"  scheint.  Ein 
Schlusswort  sieht  den  Unterschied  der  beiden  Litteraturen  und  den  Schlüssel  zu  ihrem 
Verhältnis  im  18.  Jh.  darin,  dass  die  englische  Litteratur  damals  reif  entwickelt,  minder 
kosmopolitisch,  stärker  der  Erosa  zugeneigt  war  und  in  London  einen  Mittelpunkt  besass, 
wie  er  Deutschland  glücklicherweise  bis  heute  fehlt.  —  Einzelne  Kapitel  dieses 
Gesamtbildes  sind  dann  auch  für  sich  behandelt  worden.  Die  unfruchtbare  und  unselb- 
ständige Arbeit  Jennys  1^6)  über  Miltons  „Verlorenes  Paradies"  in  der  deutschen  Litteratur 
des  18.  Jh.  charakterisiert  zunächst  die  Miltonübersetzungen  von  Haake,  die  er  gar 
nicht  selbst  kennt,  von  G.  v.  Berge  und  von  Brockes  mehr  mit  den  Urteilen  anderer 
als  durch  eigene  Darstellung,  verfährt  ähnlich  mit  Bodmers  Prosaübertragung,  stellt, 
auch  wieder  wesentlich  an  der  Hand  bekannter  Citate,  Miltons  Einfluss  auf  die 
schweizerische  Theorie  dar,  bringt  endlich  die  Entstehungsgeschichte  des  Bodmerschen 
„Noah",  der  anfangs  mehr  von  Milton,  später  mehr  von  IQopstock  Earben  und  Motive 
nimmt,  und  weist  auf  den  Zusammenhang  des  Hallerschen  Lehrgedichts  „Vom  Ursprung 
des  Uebels"  mit  Milton  hin.  Ein  letztes  Kapitel  handelt  endlich  von  Klopstocks 
„Messias";  der  ursprüngliche  Entwurf  in  Prosa  wird  aus  Bodmers  Miltonprosa  erklärt; 
sonst  bietet  der  lange  Abschnitt  nicht  den  geringsten  eigenen  Gedanken,  und  der  Ver- 
gleich der  beiden  Dichtungen  ist  sogar  so  oberflächlich  ausgeführt,  dass  er  hinter  dem, 
was  wir  längst  wissen,  nur  zurückbleibt.  —  Auch  E.  Walthers  ^^7^  Arbeit  über  Shakespeares 
Einfluss  auf  unsere  Stürmer  und  Dränger  zeigt  nicht  den  leisesten  Ansatz  zu  eigener 
Untersuchung,  die  gewiss  noch  immer  ergiebig  wäre,  wenn  man  ernstlich  an  einer  be- 
stimmten Stelle  einsetzte,  sondern  begnügt  sich  damit,  bekannte  Aussprüche,  alier- 
bekannteste  Anklänge  durch  ein  verbindendes  Gerede,  das  nirgends  den  Besitz  genügender 
Kenntnisse  verrät,  zu  einem  trivialen  Brei  zusammenzurühren ;  ich  weiss  wirklich  nicht, 
wem  eigentlich  durch  den  Druck  solcher  Arbeiten  gedient  ist,  die  nicht  einmal  durch 
den  Reiz  der  Darstellung  ein  Spürchen  Existenzberechtigung  bekommen  und  sich  über 
das  Niveau  des  Primaneraufsatzes  höchstens  durch  ihren  Umfang  erheben.  Nur  der 
Schlussabschnitt,  der  über  die  Bedeutung  Shakespeares  für  die  deutsche  Tagesbühne 
und  Schauspielkunst  handelt,  berührt  einen  Gesichtspunkt,  der  nicht  geradezu  zu  den 
unvermeidlichen  gehört:  aber  um  Neues  zu  schauen,  reichen  auch  da  W.s  Eleiss  und 
Scharfblick  nicht  aus.  —  In  den  Hauptetappen  (Gerstenberg,  Lessing,  Herder,  Goethe, 
Lenz)  berührt  er  sich  mit  dem  Vortrage,  den  Suphan^^s)  zum.  25.  Jahrestage  der 
deutschen  Shakespearegesellschaft  gehalten  hat.  Aber  wie  anders  wirkt  dies  Zeichen 
auf  mich  ein!  Nach  einleitender  Charakteristik  des  Wielandschen  Shakespeare  und 
der  Gerstenbergschen  Erkenntnis  von  Shakespeares  überlegener  Kunst  führt  er  uns 
zurück  zu  den  „Shakespearegesellschaften"  jener  Zeit,  dem  Kreise  in  Strassburg  (Herder, 
Goethe,  Lenz)  und  dem  in  Göttingen  (Bürger,  Schlegel)  und  gelangt  namentlich 
durch  Herders  und  Lenzens  Betrachtungen  über  die  Rolle,  die  das  Schicksal  in  Shake- 
speares Dramen  spielt,  zu  dem  bedauernden  Zugeständnis,  dass  wir  Modernen  zwar  im 
Einzelwissen  unendlich,  im  Allgemeinverständnis  aber  sehr  wenig  oder  garnicht  über 
jene  ersten  deutschen  Shakespearefreunde  hinausgekommen  sind.  — 

Eür  die  Bekanntschaft  Deutschlands  mit  der  Litteratur  der  Dänen  sorgte  in  der 
zweiten  Hälfte  des  vorigen  Jh.  der  Dichter  und  Uebersetzer  Christ.  Lävin  Sander  aus 
Itzehoe,  von  dessen  Schaffen  Brummer  129)  eine  kvuze  Uebersicht  gab.  — 

Ueber  die  Beziehungen  des  Ungarn  Petöfi  zur  deutschen  Dichtung  hat 
Glücksmann^^)  einen  Vortrag  gehalten,  der  nach  den  mir  einzig  zugänglichen  kurzen 
Referaten  den  persönlichen  Einfluss  K.  Becks,  den  litterarischen  Schillers,  Heines, 
Lenaus  nachwies  und  betonte,  dass  das  Deutsche  für  Petöfi  erst  das  Französische  und 
Englische  vermitteln  musste.  — 


—  126)  G.  Jenny,  Miltons  ,, Verlornes  Paradies"  in  d.  deutschen  Litt.  d.  18.  Jh.  Leipz.  Diss.  St.  Gallen,  Zollikofer.  fl9  S. 
M.  1,60.  itA.  Köster:  ADA.  17,  S.  259-60;  AI.  Koch:  ZVLR.  4,  S.  120;  L.  Fränkel:  BLU.  1892,  S.  26.]|  (Im  Anhange 
Anszttge  aus  Benkowitz'  Beurteilung  des  „Messias"  u.  2  Briefe  Bodmers  an  Gotter  [1776/7],  dem  er  eigene  Dramen  Übersendet, 
z.  Ausgabe  Veldekes  nach  der  gothaischen  Hs.  rät  u.  e.  paar  Worte  über  Stolbergs  u.  BUrgers  Wettstreit  im  L'ebersetzen 
Homers  schreibt.)  —  127)  E.  Walther,  D.  Einfluss  Shakespeares  auf  d.  Sturm- u.  Drangperiode  unserer  Litt,  im  18.  Jh.  JB.  d. 
techn.  Staatslehranstalten.  Chemnitz,  Pickenhahn  &  Sohn.  4«.  28  S.  M.  1,60.  —  128)  B.  Suphan,  Shakespeare  im  Anbruch 
d.  klass.  Zeit  unserer  Litt.  Einleitender  Vortr.  z.  25.  Jahrestage  d.  deutschen  Shakespeare-Gesellschaft:  JbDShakespG.  25, 
S.  1-20.  —  129)  F.  Brummer,  C.L.Sander:  ADB.  30,  S.  347/8.  -  130)  H.  Glücksmann,  A.  Petölis  deutsche  Beziehungen. 
Vortr.  am  3.  März  im  Wissenschaft!.  Klub  in  Wien  geh.:  NFPr.  N.  9170.    (Referat.)  — 


IV,2:  R.  M.  Werner,  Lyrik  des  18./19.  Jahrhunderts.  55 


IV,2 

Lyrik. 

R.  M.  Werner. 

Anakreontik  N.  1.  —  Uz  N.  4.  —  Gleira  N.  5.  —  Ewald  N.  7.  —  Chr.  E.  v.  Kleist  N.  8.  —  Karsch  N.  12.  — 
G.  D.  Hartmann  N.  16.  —  Bernold  N.  17.  —  Claudius  N.  20.  —  Bürger  N.  30.  —  Schubart  N.  40.  —  Matthisson  N.  48.  — 
Sammlungen  N.  53.  —  Hebel  N.  57.  —  Körner,  Sohenkciidorf,  Arndt,  Folien  N.  61.  —  Keruer  N.  76.  —  Mörike  N.  80.  — 
CUamisso  N.  91.  -  Gaudy  N.  97.  —  RUckert  N.  99.  —  Platen  N.  125.  —  Schack  N.  126.  —  Freiligrath  N.  128.  —  Lenau  N.  136. 

—  Grillparzer  N.  141.  —  Zedlitz  N.  143.  —  Anastasius  Grün  N.  150. —  Leitner  N.  156.  —  Frankl  N.  163.  —  Feuehtersleben  N.  168. 

—  J.  Mauthner  N.  170.  —  Wickenburg  N.  172.  —  Tiroler  Diihtung  N.  173.  —  Gilm  N.  179.  —  Pichler  N.  182.  —  Droste- 
HUlshofF  N.  184.  —  Spitta  N.  190.  —  Gerok  N.  199.  —  Hoffmann  v.  Fallersleben  N.  208.  —  Schneckeuburger  N.  215a.  — 
Cornelius  N.  216.  —  Scheffel  N.  217.  —  A.  Stöber  N.  220.  —  F.  Th.  Vischer  N.  223.  —  Richard  Leander  N.  224.  —  Greif  N.  227. 

—  Klaus. Groth  N.  229.  —  Lingg,  Träger,  Liliencron  N.  231.  —  Volkslied  N.  235.  — 

Die  litterarhistorische  Beschäftigung  mit  der  Lyrik  ist  durch  allerlei  Zufälle 
bedingt;  irgend  ein  äusserer  Anlass,  z.  B.  ein  Jubiläum,  ruft  eine  Menge  von  Schriften 
über  einen  einzigen  Dichter  hervor,  während  er  vielleicht  durch  viele  Jahre  von  der 
Forschung  vollständig  vernachlässigt  v^orden  war.  Ein  zusammenfassender  Bericht  über 
die  Lyrik  seit  der  Mitte  des  18.  Jh.  sieht  sich  der  Unmöglichkeit  gegenüber,  einiger- 
massen  systematisch  zu  verfahren,  umsomehr,  da  die  einzelnen  grossen  Lyriker  noch 
eine  besondere  Behandlung  erfahi-en;  es  bleibt  nichts  übrig,  als  dem  chronologischen 
Verlaufe  der  Geschichte  zu  folgen  und  die  Einzelheiten  auch  einzeln  zu  erwähnen.  — 
Mehr  im  Zusammenliange  hat  nur  Witkowski^-^)  dargestellt,  welche  Versuche  in  Deutsch- 
land gemacht  wurden,  die  Anakreontik  sich  anzueignen;  indem  W.  die  Dichter  von 
Weckherlin  bis  Hudemann  überblickt,  zeigt  er,  dass  sie  alle  nur  die  Form,  nicht  das 
Innerliche,  den  Geist  der  Anakreontik  herübemahmen,  Hudemann  aber  den  Uebergang 
zu  einem  besseren  Erfassen  des  Altertums  beweist.  Im  einzelnen  deckt  der  Vf.  manche 
Nachahmung  Anakreons  auf  und  nimmt  auch  Rücksicht  auf  die  französische  Litteratur, 
wobei  er  eine  kurze,  aber  sehr  gelungene  Charakteristik  der  poesie  fugitive  entwirft. 
Treffend  ist  seine  Meinung,  dass  Brockes  wegen  seiner  malenden  Manier  unter  die  Vor- 
läufer der  Anakreontik  zu  rechnen  sei.     Der  Aufsatz  führt   uns  bis  zum  Jahre  1732.  — 

Fast  unmittelbar  daran  schliesst  sich  eine  Betrachtung,  die  Sauer 3)  seiner 
Ausgabe  von  Uz  voranschickt.  Er  erwähnt  Gottscheds  „Versuch  einer  Uebersetzung 
Anakreons  in  reimlose  Verse"  vom  Jahre  17334),  streift  dann  die  Anakreonübersetzung 
von  Götz  und  Uz  (1746),  die  in  einem  späteren  Hefte  neu  gedruckt  werden  soll,  und 
behandelt  hierauf  die  Gedichte  nach  den  verschiedenen  echten  Ausgaben.  Mit  Benutzung 
ungedruckten  Materials  stellt  er  die  Streitigkeiten  dar,  die  Uz  zu  bestehen  hatte,  be- 
sonders ausführlich  den  interessanten  Streit  mit  Wieland  und  den  Schweizern,  in  dem  es 
sich  um  Stellung  und  Bedeutung  der  Anakreontik  handelte.  Er  beginnt  mit  dem  pöbel- 
haften Angriff  in  Bodmers  „Clio"  1751,  grollt  dann  eine  Zeit  lang  in  den  Privatbriefen, 
bis  ihn  Wielands  „Schreiben  von  der  Würde  und  Bestimmung  eines  schönen  Geistes" 
(1752)  zum  Ausbruch  bringt,  das  Uz  vielleicht  erst  durch  die  Ausgabe  in  den  „Frag- 
menten" (1754)  vermehrt  durch  den  „Auszug  aus  einem  Schreiben"  kennen  lernte  und  durch 
eine  Epistel  an  Hofrat  Christ  erwiderte  (1754).  Uz  hält  im  Anfange  zurück  trotz 
Wielands  Sticheleien  und  Ausfällen,  dann  aber  wird  er  durch  die  bekannte  Vorrede 
an  den  Hofprediger  Sack  (1757)  so  entrüstet,  dass  er  ein  schon  früher  entworfenes 
„Schreiben*^  drucken  Hess  (1757);  da  kam  ihm  Succurs  von  Nicolai  und  Lessing.  S.  kann 
das  Fragment  einer  Erwiderung  mitteilen,  das  Wieland  hs.  hinterliess,  ferner  eine 
unterdrückte  ,, Nachricht  an  den  Leser"  aus  der  „Sammlung  einiger  prosaischer  Schriften" 
(1758),  deren  Ausgabe  von  Bodmer  verhindert  wurde,  weil  sie  geradezu  Abbitte  leistete. 
Künzli  fuhr  eigens  aus  Winterthur  nach  Zürich,  um  Wieland  zur  Zurücknahme  der 
bereits  gedruckten  „Nachricht"  zu  veranlassen,  was  auch  gelang.  Noch  einige  Zuckungen, 
und  dann  wird  dieser  Streit  von  allen  Seiten  beigelegt.  Unbedeutender  ist  der  Streit 
mit  Dusch,  der  darum  auch  kürzer  abgethan  wird.  S.  wirft  noch  einen  Blick  auf  die 
letzte  Thätigkeit  des  Dichters  und  bringt  dann  den  Text  der  poetischen  Werke  in  der 
Anordnung  der  Ausgabe  von  1768,  aber  nach  den  ersten  echten  Drucken  und  mit  den 
Lesarten    sämtlicher    echten  Drucke    und    der  Hss.   S.  folgt    also    im  wesentlichen    dem 


I)  G.  Witkowski,  D.  Vorlaufer  d.  anakreontiscUen  Dichtung  in  Deutschland:  ZVLR.  NF.  3,  S.  1-23.  —  2)Xid., 
D.  Vorläufer  d.  anakreontischen  Dichtung  in  Deutschland  u.  F.  v.  Hagedorn.  Habilitationsschrift.  Leipzig,  Brückner  &  Nieraann. 
1889.  43  S.  —  3)  Sämtliche  Poetische  Werke  v.  J.  P.  Uz  her.  v.  A.  Sauer.  (=  DLD.  33/8.)  Stuttgart,  Göschen.  CIX,  422  S. 
M.  5,60.  [[Schröter:  BLU.  S.  595.]|  —  4)  X  J-  Ch.  Gottsched,  Cantata,  abgesungen  z.  Begehung  d.  300j.  Gedächtnisses  d. 
Erfindung  d,  Buphdruckerkuust  in  Lei^zi^  am  Tage  Joh»nnis  d,  Täufers  .  .  ,   A,  D,  1740:   LZgS.   N.  143.    (Vgl.  o.  1,4  N.  24. 


56  1V,2:  R.  M.  Werner,  Lyrik  des  18./10.  Jahrlmnderts. 

Prinzip,  das  Elster  im  Neudruck  des  Heineschen  „Buchs  der  Lieder"  (DLD.  27)  durch- 
führte, und  zwar  mit  vollem  Recht,  da  Uz  nicht  durch  die  letzte,  sondern  die  erste 
schwer  zugängliche  Gestalt  seiner  Gedichte  wirkte.  Vieles  Material  konnte  S.  den 
Schätzen  der  Gleimstiftung  in  Halberstadt  entnehmen.  — 

Wie  Siebs'^)  auf  der  Görlitzer  Philologenversammlung  mitteilte,  befindet  sich 
eine  Abschrift  von  Gedichten  Gleims  auf  der  Breslau  er  Stadtbibliothek;  Briefe  von 
Gleim  an  Ramler  besitzt  nach  Erdmanns ^)  Mitteilung  Dr.  Wilhelm  in  Breslau,  dessen 
Sammlung  noch  Briefe  von  Klopstock,  Maler  Hempel,  Joh.  Chr.  Schmidt,  Sucro,  Gessner, 
Mendelssohn,  Ebert  enthält.  — 

Ellinger')  hat  die  Gedichte  Ewalds  neu  drucken  lassen  und  sich  dabei  an 
die  älteste  Ausgabe  vom  Jahre  1755  gehalten,  weil  sie  überaus  selten  ist;  beigegeben 
hat  er  die  Zusätze  der  Ausgabe  von  1757  und  die  in  Briefen  erhaltenen  Gedichte,  so 
dass  nun  ein  Ueberblick  über  die  Thätigkeit  des  Dichters  zu  gewinnen  ist.  In  der  Ein- 
leitung charakterisiert  der  Vf.  Ewald  kurz,  aber  gewiss  richtig.  Die  Veränderungen, 
die  Ewald  unter  Mithilfe  seiner  Freunde  Kleist,  Nicolai,  Ramler  vornahm,  sind  nicht 
mitgeteilt,  die  Ausgabe  will  keine  kritische  sein.  — 

Ein  von  Sauer  erst  nach  Abschluss  seiner  Ausgabe  aufgefundenes  anakreontisches 
Gedicht  von  Christian  Ewald  von  Kleist  hat  Witkowski^)  mitgeteilt,  andere 
grössere  wie  kleinere  Nachträge  stellte  Sauer^)  zusammen;  daraus  ergiebt  sich  vor 
allem  eine  nähere  Kenntnis  der  ersten  Ramlerschen  Bearbeitung  von  Kleists  „Ertihling"; 
wir  erfahren,  dass  Ramler  das  Gedicht  schon  1746  im  ersten  Entwurf  durch  Gleim 
kennen  lernte  und  im  Jahre  1749  als  Korrektor  bestellt  wurde.  Von  der  ersten  „Tyran- 
nisierung" haben  wir  keine  Probe,  wohl  aber  von  der  nächsten  „Unbarmherzigkeit" 
(V.  74 — 137);  erst  im  Oktober  lernte  Kleist  diese  Passung  kennen  und  entschloss  sich 
nun,  sein  Original  herauszugeben,  ohne  jedoch  Ramler  entfremdet  zu  werden.  Die  uns 
erhaltenen  drei  Bruchstücke  der  Ramlerschen  Verarbeitung  bestätigen  S.s  Ansichten, 
die  er  in  seiner  Untersuchung  (1880)  begründet  hatte,  auf  das  erfreulichste.  S.  unter- 
richtet an  ein  paar  instruktiven  Stellen  über  die  mannigfachen  Schicksale  des  Textes. 
Einen  Plan  zur  Einteilung  der  Werke  hat  Kleist  in  einem  Briefe  vom  26.  Januar  1759 
an  Ramler  entworfen,  den  S.  abdruckt;  Ramler  wich  von  dem  Plan  ab.  Es  folgen  Briefe, 
welche  die  Entfremdung  zwischen  Gleim  und  Ramler  anbahnen.  Zwei  Briefe  Kleists 
an  Gessner  haben  sich  auch  gefunden.  Interessanter  sind  die  Mitteilungen  über  die 
Beziehungen  zwischen  Kleist  und  Clpdius,  die  gleichfalls  mit  Briefen  Kleists  geschmückt 
sind.  Einzelheiten  klären  die  kleinen  Nachträge  und  Verbesserungen  (zu  seiner  Kleist- 
ausgabe) auf.^o)  —  Auf  Grund  eines  fehlerhaften  Abdrucks  zweier  Briefe  aus  „Im  neuen 
Reich",  ohne  Kenntnis  von  Sauers  Ausgabe,  sucht  Korse helt^^)  Kleists  Beziehungen 
zu  Zittau  darzulegen.  — 

Geig  er  12)  hat  eine  unbedeutende  Skizze  der  Karschin^^)  gewidmet;  er  bringt 
einige  Proben  ihrer  Talen tlosigkeit  und  hebt  als  Themen  ihrer  Poesie,  so  weit  diese 
nicht  zu  bestimmten  Gelegenheiten  thätig  war,  Religion,  Liebe,  Vaterland  hervor.  — 
Zwei  Wiegenbändei"  für  den  späteren  König  Friedrich  Wilhelm  III.  i*)  und  für  den  Prinzen 
Friedrich  von  Anhalt -Dessau^^),  von  derKarschin  mit  Gedichten  versehen,  geben  Belege 
des  preussischen  Patriotismus  der  Dichterin  und  ihrer  Gewandtheit  im  Versifizieren ; 
beide  Gedichte  stammen  aus  dem  Jahre  1770.  Winkel  unterrichtet  bei  der  Gelegenheit 
über  die  Sitte  solcher  Vivat-  oder  Geburtsbänder.  — 

Unter  die  Barden  führt  uns  Lang^^),  indem  er  uns  mit  G.  D.  Hart  mann 
(Telynhard)  näher  bekannt  macht.  Er  benutzt  reiches  hs.  Material  zu  einem  Lebens- 
bild, das  sich  zu  einem  Zeitbild  erweitert;  besonders  das  Eintreten  Schwabens  in  die 
neue  litterarische  Bewegung,  die  Schwierigkeiten,  mit  denen  einzelne  Dichter  zu  kämpfen 
hatten,  z.  B.  Huber  und  Gemmingen,  die  Verhältnisse  des  Stiftes,  Fabers  Einfluss,  die 
Thätigkeit  Duttenhofers,  J.  Chr.  Schwabs,  Guoths  und  Thills  bereiten  auf  Hartmanns 
Erscheinung  vor.  Wir  erhalten  dann  eine  Entwicklung  dieses  uni-uhigen  Geistes  und 
seiner  Schriftstellerei ;  die  Beziehungen,  die  er  zumal  mit  der  Schweiz  anknüpft,  werden 
durch  die  Briefe  an  Bodmer,  Lavater  usw.  erläutert,  seine  Schweizer  Freunde,  dann  aber 
auch  Goethe,  Wieland,  Sulzer,  vor  allem  Elise  von  der  Recke,  werden  von  Hartmann 
anlässlich  seiner  Reisen  geschildert.  L.  lässt  den  rastlosen,  nach  Geltung  und 
litterarischem  Ruhm  strebenden  Dichter,  der  etwas  Rücksichtsloses,  Offenes  hat,  vor  uns 


—  5)  ZDPh.  22,  S.  459.  —  6)  ib.  S.  459.  —  7)  G.  Ellinger,  Johann  Joachim  Ewalds  Sinn-Gediihte.  Abdr.  d.  ersten 
Ausgabe  y.  1755.  (=Berlin.  Neudrr.  Zweite  Serie.  Bd.  4.)  Berlin,  Gebr.  Paetel.  XXIII,  52  S.  M.  2,50.  —  8)  G.  Witkowski. 
E.  Gedicht  E.  t.  Kleists  [Filinde]:  VI>G.  3,  S.  25l;4.  —  9)  A.  Sauer,  Neue  Mitteilungen  über  E.  v.  Kleist:  ib.  S.  2.54-9.'S.  — 
10)  X  L-  Bob6,  E.  V.  Kleist  in  danischen  Diensten:  ib.  S.  295/7.  —  II)  G.  Korscheit,  Zwei  in  Zittau  geschriebene  Briefe 
E.  Ch.  V.  Kleists:  NLausitzMag.  65,2.  —  12)  L.  Geiger,  D.  deutsche  Sappho.  (=  Vorträge  u.  Versuche.  S.  94—102.  S.  o. 
IV,  1  N.  76.)  —  13)  X  Walther  Schwarz,  E.  frisches  Grab  unter  d.  alten:  Keithsbote  N.  7».  (Betr.  d.  Grttber  d.  Karschiu, 
Ramlers,  Zelters,  Job.  Uhr.  Frischs,  L.  v.  Kankes  u.  a.)  —  14)  Kleine  Mitteilungen:  Bar.  16,  S.  431.  —  15)  G.  G.  Winkel, 
Wiegenband  fUr  d.  kleineu  Prinzen  Friedrich  v.  Anhalt-Dessau:  ib.  S,  454/5.  —  16)  W.  Lang,  G.  D.  llartiuann.    E.  Lebepsbil<J 


IV,2:  R.  M.  Werner,  Lyrik  des  18./19.  Jahrhunderts.  57 

lebendig  werden;  wie  er  anfangs  Goethes  Gegner,  zum  Schluss  durch  ,, Werthers  Leiden" 
besiegt  sein  leidenschaftlichster  Verteidiger  wird,  wie  seine  Entwickelung  grosse  Aehn- 
lichkeit  mit  der  Herders  zeigt,  das  stellt  L.,  ohne  zum  einseitigen  Lobredner  Hartmanns 
zu  werden,  anschaulich  dar.  Hat  auch  Hartmann  nicht  nachhaltig  in  die  Litteratur  ein- 
gegriffen, hat  ihn  sein  frühzeitiger  Tod  verhindert,  seine  Plane  auszuführen,  L.  hat  es 
trotzdem  verstanden,  sein  Heft  zu  einem  nach  vielen  Seiten  hin  fruchtbringenden  zu 
machen.  Eine  Würdigung  Bodmers  darf  daran  nicht  achtlos  vorübergehen,  am  meisten 
Gewinn  zieht  freilich  die  schwäbische  Litteraturgeschichte.  In  den  Versen  Hartmanns 
fühlt  L.  einmal  sogar  einen  Vorklang  Hölderlinscher  Dichtung.  — 

Einem  Schweizer  Barden  widmet  Götzinger^'')  eingehende  Betrachtung,  dem 
am  9.  August  1765  zu  Walenstadt  geborenen  Franz  Joseph  Benedict  Bernold. 
lieber  seine  Jugend  wissen  wir  wenig;  1777  kam  er  nach  Kloster  Salem  in  die 
Grammatik,  den  Eintritt  hat  er  selbst  anmutig  geschildert.  Vier  Jahre  blieb  er  in 
Salem,  von  P,  Ignaz  Vogel  von  Hechingen,  selbst  einem  Dichter,  dichterisch  gefördert 
und  besonders  auf  Denis  „Sammlung  deutscher  Gedichte"  gewiesen.  Bernold  setzte 
sein  Studium  zu  Freiburg  im  Uechtland  fort,  wo  ihn  hauptsächlich  Geliert,  Hagedorn, 
Kleist,  Haller,  Uz,  Ramler  und  Rabener  beschäftigten  und  auf  die  Natur  achten  lehrten. 
In  Besan9on,  wohin  er  dann  gebracht  win-de,  traten  ihm  die  französischen  Dichter  nahe. 
Nach  einer  schweren  Erkrankung  und  einer  ihm  unangenehmen  Werbung,  der  er  sich 
entzog,  lebte  er  noch  eine  Zeit  in  Freiburg,  musste  jedoch  nach  dem  Tode  des  Vaters 
(1785)  als  einziger  überlebender  Sohn  das  Geschäft  tibernehmen,  einen  Speditionshandel, 
einen  Gasthof  und  eine  grössere  Oekonomie;  zugleich  wurde  er  als  Landeshauptmann 
von  Sargans  der  Nachfolger  seines  Vaters;  zwei  Jahre  später  wurde  er  auch  Schultheiss 
von  Walenstadt.  1790  heiratete  er  Maria  Ursula  Bernold  (1767 — 1842),  mit  der  er  am 
19,  April  1840  die  goldene  Hochzeit  feierte.  Er  setzte  seine  litterarische  Bildung  fort 
und  machte  sich  mit  der  Geschichte  vertraut,  schwelgte  in  Freundschaften  und  sehnte 
sich  wohl  nur  anfangs  ins  Klosterleben  zurtick.  Sein  Hang  zur  Einsamkeit,  seine 
Neigung  zum  Naturgenuss,  durch  Rivas  schöne  Umgebung  stets  neu  belebt,  sein  reines 
Herz,  seine  stete  Beschäftigung  mit  den  Dichtern,  auch  sein  Verkehr  regten  ihn  poetisch 
an,  doch  blieb  er  zeitlebens  ein  Nachahmer.  ,, Keine  Spur  von  volksttimlicher  Sprach- 
bildung, Auffassung,  Temperament!  Horaz,  Klopstock  sind  seine  Meister,  er  zieht 
Bardenkostüm  an  und  wird  der  erste  und  letzte  Barde  von  Riva."  1797  dichtet  er 
seine  „Telliade",  die  „Revolution"  der  Eidgenossenschaft,  in  Hexametern,  sie  blieb 
ungedruckt,  nur  einzelne  lyrische  Gedichte  erschienen  im  „Schweizerischen  Museum" 
imd  im  „Erzähler";  auch  eine  beabsichtigte  Sammlung,  die  1819  Huber  &  Co.  in 
St.  Gallen  verlegen  wollte,  kam  nicht  zu  stände,  obwohl  sie  im  Manuskript  vollendet 
war.  Grosse  Verdienste  erwarb  sich  Bernold  in  seinen  amtlichen  Stellungen,  worüber 
G.  ausführlicher  unterrichtet  als  über  seine  poetische  Thätigkeit.  Mannigfaltige  Schick- 
sale, die  Bernold  in  einer  hs.  Selbstbiographie  schlicht  aber  ergreifend  erzählt,  brachten 
die  wechselnden  Zeitläufte  mit  sich;  aber  er  konnte  manchen  Plan  verwirklicht,  manche 
Frucht  gereift  sehen.  Ruhig  und  beglückt  starb  er  am  4.  Mai  1841.  Es  war  natürlich, 
dass  die  litterarischen  Richtungen  Deutschlands  nicht  spurlos  an  Bernold  vorübergingen, 
doch  konnte  er  sich  ihnen  nur  insoweit  anschliessen,  als  sie  zu  dem  früheren,  vorklassischen 
Charakter  seiner  Jugendneigungen  stimmten;  Hölty^*^),  Salis  und  Matthissoni^)  vor  allem 
scheinen  nach  Klopstock  Einfluss  auf  ihn  gewonnen  zu  haben,  dagegen  blieb  ihm  das 
Verständnis  für  die  volkstümliche  Bewegung  der  Stürmer  und  Dränger  verschlossen. 
Für  Claudius  muss  er  aber  Sympathien  gehegt  haben  (vgl.  S.  31).  — 

Zum  150.  Jahrestage  von  Clavidius'  Geburt  erschienen  mancherlei  Festartikel 
meist  populärer  Art20-23).  —  Hervorzuheben  ist  die  Charakteristik  durch  R.  Prölss24)j 
die  einer  Biographie  eingeflochten  ist.  —  Mit  zierlicher  Hand  zeichnete  Marie 
Sydow-5j  hauptsächlich  das  Familienleben  des  Dichters,  das  ja  auch  in  seiner  Lyrik 
eine  so  grosse  Rolle  spielte.  Den  Zauber  seiner  Lieder  sieht  S.  mit  Recht  in  der  Ein- 
fachheit und  Treue  des  Selbsterlebten.  —  Erler2«)  vergleicht  Claudius  mit  Hebel,  indem 
er  sie  kontrastiert,  die  herzlich  lachende,  im  Grunde  jedoch  ernste,  auf  das  Höhere  ge- 
richtete Natur  Claudius'  und  das  lebenslustige,  zu  allerhand  Streichen  geneigte  Gemüt 
Hebels,  der  aber  seinen  Gedichten  und  Geschichten  gewöhnlich  eine  ernste  Betrachtung 


aus  d.  Sturm-  u.  Drangzeit.  (=;  Von  u.  aus  Sehwaben.  Heft  7.)  Stuttgart,  Kohlhammer.  VII,  132  S.  M.  1,50.  —  17)  E.  Götzinger» 
Statthalter  Bernold  v.  Walenstadt  d.  Barde  v.  Riva.  Mit  4  Illustrationen  v.  J.  Stauffacher.  Her.  v.  Hist.  Verein  in  St.  Gallen. 
St.  Gallen,  Huber  &  Comp.  (E.  Pehr.)  4ß.  66  S.  M.  2,00.  -  18)  X  »•  Sprenger,  Zu  Höltys  ,D.  Feuer  im  Walde":  ZDU.  4, 
S.  879—80.  (V.  Gold.smiths  ,The  Deserted  Village"  beeinflusst.)  —  19)  X  A.  L(ammers),  Salis  u.  Matthisson:  Nordwest  13, 
S.  698/9.  (Kurze  Notiz  nach  Frey  bei  Kürschner.)  —  20)  X  M.  Claudius:  HambCorr.  15.  Aug.  —  21)  X  Adolf  Wilhelm, 
M.  Claudius:  Gegenw.  38,  S.  165|6.  —  22)  X  L-  Salomon,  Z.  150.  Geburtstage  d.  Wandsbecker  Boten:  IllZg.  N.  2459.  — 
23)  X  W.  Röseler,  D.  Wandsbecker  Bote.  Z.  150.  Geburtstage  v.  M.  Claudius  am  15.  Aug.  1890:  BerlTBl».  N.  32,  S.  262/4. 
—  24)  R.  l'rölss,  M.  Claudius,  auch  Asuius,  d.  Wandsbecker  Bote  genannt.  Zu  dessen  150.  Jahrestag:  LZg"*.  N.  97, 
S.  385|7.  —  25)  Marie  Sydow,  Aus  d.  Hanse  d.  Wandsbecker  Boten  (M.  Claudius):  VossZgS.  N.  32/5.   —   26)  Erler,  Zwei 


58  rV,2:  R.  M.  Werner,  Lyrik  des  18./19.  Jahrhunderts. 

hinzufügte.  Beide  sind  bibelgläubig,  fromm,  keine  strengen  Dogmatiker;  aber  während 
Claudius  immer  gläubiger  wird  und  die  christliche  Heilslehre  zu  erfassen  sucht,  ist 
Hebel  laxer.  Ihre  politische  Stellung  ist  ähnlich,  ihr  Sinn  für  die  Natur  gleich,  ihre 
Vorliebe  für  Stand  und  Leben  der  Landleute  rege,  Li  der  Poesie  Hebels  findet  E. 
mehr  Phantasiethätigkeit,  in  der  Claudius'  eine  tiefere  und  ernstere  Auffassvmg.  —  Eine 
Analyse  von  Claudius'  Jugendsammlung  „Tändeleyen  und  Erzählungen"  mit  einigen 
Proben  gab  ein  Anonymus 2'),  indem  er  zugleich  auf  einige  litterarische  Zusammenhänge 
mit  Gerstenberg  und  Kleist  aufmerksam  macht.  —  Allzu  begeistert  urteilt  Th einer t - 
Mickley28)  über  Claudius'  Lyrik,  wenn  er  sie  wegen  ihrer  kernigen  Gesundheit,  ihres 
liebenswürdigen  Humors  und  ihrer  reizenden  Schalkhaftigkeit  der  ganzen  neueren  deutschen 
Lyrik  —  Goethe  und  Vereinzeltes  von  Bürger  ausgenommen  —  überordnen  möchte. 
Die  Auswahl  aus  Claudius'  Werken  entspricht  ihrem  populären  Zwecke.  —  Einem 
Freunde  des  Dichters,  dem  Konsul  Schönborn  widmete  Suck^O)  aus  Anlass  des  Claudius- 
jubiläums eine  Skizze,  die  nur  Bekanntes  wiederholt.  — 

lieber  Bürger  hat  Pröhle'^^")  zwei  höchst  konfuse  Aufsätze  veröffentlicht,  im 
ersten  seine  Verdienste  um  die  Erforschung  der  Btirgerbiographie  ins  richtige  Licht 
gesetzt  und  von  einer  preussischen  Dichterschule  gefabelt,  die  sich  nach  1789  wieder 
um  Gleim  geschart  haben  soll;  zu  ihr  rechnet  er  Klopstock,  Jean  Paul,  Voss,  Herder 
und  Wieland.  Er  spricht  den  österreichischen  Litterarhistorikeni  das  Verständnis  für 
diese  Thatsachen  ab;  ich  glaube,  es  wird  auch  anderen  fehlen.  Die  Bedeutung  Preussens 
für  den  Avifschwung  der  deutschen  Litteratur  hat  Goethe  hervorgehoben,  und  dass  sich 
Scherer  nicht  dagegen  verschlossen  hat,  zeigt  seine  Litteraturgeschichte ;  Scherer  war 
aber  bekanntlich  ein  Oesterreicher.  P.  sucht  nun,  noch  unklarer,  Bürger  für  diese  er- 
weiterte preussische  Dichterschule  in  Anspruch  zu  nehmen.  Ebenso  unklar  handelt 
der  zweite  Aufsatz  über  die  „Lenore";  man  weiss  nicht,  ob  der  Vf.  seine  Ausführungen 
ernst  meint;  nach  ihm  müssen  wir  uns  Lenore  als  eine  „Hallesche  Bürgerstochter,  etwa 
in  der  Vorstadt  Glaucha"  denken.  —  Zur  „Lenore"  weist  Jostes^i)  aus  dem  Munde  einer 
alten  Hausmagd  zu  Glandorf  bei  Osnabrück  die  Verse  nach:  „Wat  schint  de  manne 
helle,  Wat  riet  de  dauden  snelle,  Leefken,  grüwwelt  di  auk?"  J.  hörte  sie  noch  1869, 
inid  als  er  sich  im  Anfang  der  80er  Jahre  bei  der  Alten  nach  der  Fortsetzung  erkundigte, 
erwiderte  sie,  das  gehe  nicht  weiter,  sei  auch  kein  Lied,  sondern  ein  „Vertellsel",  eine 
Prosaerzählung.  „Snelle"  soll  ein  dem  dortigen  Dialekte  nicht  eigentümliches  Wort  sein.  — 
Auch  aus  Volksmund  hat  Grudzinski^s)  einen  Beitrag  zur  Lenorenlitteratur  aufzeichnen 
können,  es  gelang  ihm  nämlich,  ein  polnisches  Volkslied  „Helene"  zu  entdecken,  das 
in  Stoff  und  Ausführung  grosse  Uebereinstimmung  mit  Bürgers  Gedicht  zeigt.  Er  teilt 
es  im  Original  und  in  einer  getreuen  Uebersetzung  mit,  ohne  jedoch  die  Frage  zu  ver- 
folgen, ob  das  polnische  Gedicht  nicht  etwa  indirekt  aus  Bürgers  Ballade  geflossen  sei; 
die  Aehnhchkeiten  in  den  Worten  sind  zu  gross,  als  dass  wir  daran  zweifeln  könnten. 
Dafür  hat  G.  das  polnische  Volksmärchen  betrachtet  und  ausser  den  schon  bekannten 
noch  zwei  von  ihm  entdeckte  Fassungen,  beide  aus  Bochnia,  in  Uebertragung  vorgelegt 
und  alle  mit  einander  verglichen ;  daraus  ergiebt  sich  nun  der  Unterschied  zwischen  der 
neuen  polnischen,  angeblich  dem  Volke  gehörenden  Ballade  und  dem  polnischen  Märchen. 
Dann  wird  das  Bekanntwerden  des  Bürgerschen  Gedichtes  in  Polen  hübsch  dargestellt  und 
zum  Schlüsse  nicht  ganz  glücklich  Mickiewicz'  „Flucht"  über  Bürgers  „Lenore"  erhoben. 
Jedenfalls  fördert  G.s  Arbeit  unsere  Kenntnis  und  darf  bei  Untersuchungen  über  den 
Lenorenstoff,  die  vielleicht  doch  noch  einmal  zu  einem  abschliessenden  Resultate  ge- 
bracht werden  dürften,  keineswegs  übersehen  werden.  —  Eine  Würdigung  der  Bürgerschen 
Einladungsschrift  „Ueber  Anweisung  zur  deutschen  Sprache  und  Schreibart  auf 
Universitäten"  versuchte  Sahr^^),  indem  er  die  Aufmerksamkeit  auf  Bürgers  Prosa  und 
die  Richtigkeit  seiner  theoretischen  Ansichten  lenkt.  —  Aus  Anlass  der  Grisebachschen34) 
Jubelausgabe  liatHerman  Grimm  in  kurzen  Strichen  Bürger  xuiA  Schiller  kontrastiert 
und  auf  den  Wert  einer  Auswahl  für  das  grössere  Publikum,  wie  einer  kritischen  Aus- 
gabe für  den  Litterarhistoriker  hingewiesen;  Anerkennung  hat  auch  Bonet-Maury^-'') 
gefunden.  —  Einen  wichtigen  Beitrag  konnte  Sauer^ß)  veröffentlichen,  dem  vom  Besitzer 
des  Goeckingkschen  Familien archivs  die  vorhandenen  Bürgerbriefe  zugänglich  gemacht 
wurden;    es    sind    64,    dazu    4   von    Btirgers    erster   Frau    und    9    von    Goeckingk,    so 


Volksdichter  u.  Volksschriftsteller  um  d.  Wende  unseres  Jh. :  DEBU.  15,  S.  692—711.  —  27)  H.  K.,  M.  Claudius'  Jugendgedichte: 
HamhCorrB.  N.  19.  —  28)  Matthias  Claudius,  Ausgew.  Werke.  Neu  her.  u.  erl.  v.  Theinert-Mickley.  (=:  Meyers 
Volksbücher  N.  681/3.)  Leipzig,  Bibliograph.  Institut,  o.  J.  1&>.  176  S.  M.  0,30.  —  29)  J.  H.  Suck,  E.  Jugendfreund  d. 
„Wandsbecker  Boten":  HambCorr«.  N.  22.  -  30)  H.  Pröhle,  G.  A.  Bürger:  NatZg.  N.  25«,  273.  —  31)  F.  Jos t es, 
Zn  Bürgers  Lenore:  KorrBlVNiederdSpr.  14,  S.  75.  —  32)  S.  Grudzinski,  Leonore  in  Polen.  (=  Sprawozdanie  dyrekcyi  c.  k. 
Gimnazynm  w  Bochni  za  rok  szkolny  1890.)  Progr.  S.  1—37.  Bochnia,  Fundusz  nauk.  —  33)  Sahr,  Bürger  als  Lehrer  d. 
deutschen  Sprache.  Vortrag.  Referat :  DresdAnz.  N.66.  —  34)  Bürgers  sanimtl.  Gedichte  her.  v.  E.  Grisebach.  2  Bde.  Berlin,  Grote, 
188».  M.  3,00.  |[H.  Grimm:  üRs.  62,  S.  396/7;  HambCorrB.  N.  l.]|  —  35)  G.  Bonet-Maury,  G.  A.  Bürger  et  les  origines 
anglaises  de  la  Ballade litt^raire  en  AUemagne.  Paris,  Hachette  et  Cie.  1889.  | [H.Grimm:  DKs.  62,  S.  397;  Chuquot:  RCr.  N.  1; 
tCBl.  N.  29;  Melusine  N.  2;  Wespy:  BVV.  N.  41;  öpecUtor  65,  S.  051;  Ac.  38,  S.  602;  Atb,  2,  S.  254.] |    -    36)  A.  Sa«er, 


IV,2:  R.  M.  Werner,  Lyrik  des  18./19.  Jahrhunderts.  59 

dass  auch  die  Biographie  des  letzteren  durch  die  Publikation  gefördert  wird.  S.  er- 
kennt drei  Perioden  der  Freundschaft  zwischen  beiden  Männern:  in  der  ersten, 
April  1775  bis  März  1778,  überwiegen  die  litterarischen,  in  der  zweiten,  Mai  1778  bis 
Juli  1784,  die  Herzensangelegenheiten,  während  in  der  letzten,  Juli  1788  bis  Juli  1793, 
die  politischen  Ereignisse  im  Vordergrund  stehen.  Während  der  ersten  wird  viel  über 
den  Plan  verhandelt,  eine  Verlagsbuchhandlung  mit  Druckerei  zu  errichten;  S.  hat  den 
Plan  nicht  ganz  richtig  gedeutet.  Eine  Entfremdung  tritt  ein  durch  Bürgers  Ueber- 
nahme  des  Göttinger  Musenalmanachs,  einige  Briefe  von  Voss  an  Goeckingk  (4.  Oct.  1776. 
2.  Dez.  1777.  26.  März  1778.  13.  Mai  1778)  hat  S.  gleichfalls  mitgeteilt.  Am  wichtigsten  ist 
aus  der  zweiten  Periode  Bürgers  Brief  vom  12.  Nov.  1779  über  sein  Verhältnis  zu  Molly 
mit  einem  längeren  Citat  aus  einem  Schreiben  an  Molly  selbst;  das  Geständnis  Goeckingks, 
dass  er  in  ähnlichen  Herzenswirren  lebe,  hat  sich  leider  auch  jetzt  nicht  gefunden.37)  — 
Die  ausführliche  Betrachtung  der  mit  Bürger  befi-eundeten  Dichterin  Philippine  Gatterer, 
verheirateten  Engelhard,  beendete  M.  von  Nathusius^^),  indem  er  den  Schluss  ihres 
Lebens  und  Wirkens  von  1780 — 1831  schildert;  Briefe  von  Gustav  Schwab,  Therese 
Huber,  La  Roche  und  Elise  von  der  Recke^^)  werden  abgedruckt,  der  Beziehungen  zu 
Herrn  von  Münchhausen,  dem  Frevmde  Seumes,  und  zu  den  Brüdern  Grimm  wird  ge- 
dacht. Wir  bekommen  das  Bild  einer  herzensguten,  originellen,  geschwätzigen  Dame, 
die  sich  gern  über  die  kleinstädtischen  Vorurteile  von  Kassel  hinwegsetzte,  Dilettanten- 
theater und  musikahsche  Produktionen  leitete,  neugierig  und  überaus  wohlthätig  war. 
Von  ihren  Dichtungen  ist  weniger  die  Rede,  sie  fanden  schon  in  den  vorausgegangenen 
Aufsätzen  Berücksichtigung.  — 

Von  einem  anderen  Stürmer  und  Dränger  wurde  aus  Anlass  der  bevorstehenden 
100.  Wiederkehr  seines  Todestages  wieder  mehr  gesprochen,  von  Schub art.^o)  Eine 
bisher  vmbeachtete  Notiz  über  Schubarts  Befreiung  vom  Hohenasperg  zog  Kürschner*^) 
ans  Licht,  indem  er  sich  auf  Dr.  Morvell  als  Gewährsmann  beruft.  Darnach  soll  im 
Mai  1787  die  Prinzessin  Sophie  Christiane  von  Hohenlohe-Ligelfingen  mit  ihrem  Bruder 
Eriedrich  Ludwig  vom  Herzog  Karl  gastlich  aufgenommen  worden  sein ;  bei  einem  Besuche 
von  Hohenheim  interessierte  sich  die  Prinzessin  besonders  für  die  Bibliothek,  in  der  sie 
ein  Buch  Schubarts  fand;  ohne  die  Anwesenheit  des  Herzogs  zu  bedenken,  soll  sie  laut 
geäussert  haben:  „Da  sind  ja  auch  die  vortrefflichen  Gedichte  des  unglücklichen  Schubart, 
den  der  hässliche  Herzog  Karl  schon  so  lange  mit  der  Einkerkerung  martert!  Ist's  nicht 
abscheulich,  solchen  Geist  derart  zu  quälen,  derart  zu  unterdrücken?  Wie  mag's  dem 
Aermsten  in  seiner  engen  Gruft  zu  Mute  sein,  wo  er  nicht  einmal  den  Himmel  erblicken 
kann!"  Erst  am  nächsten  Tage  habe  Herzog  Karl  erwidert:  „Eure  Gnaden  interessieren 
sich  für  Schubart.  So  darf  ich  wohl  hoffen,  dass  die  Nachricht,  er  sei  seit  heute 
Morgen  frei,  Ihnen  nicht  unangenehm  sein  wird."  Diese  merkwürdige  Anekdote  müsste 
noch  auf  ihre  Quelle  geprüft  werden.  Einer  Verbindung  Schubarts  mit  dem  originellen, 
musikalisch  gebildeten  Ochsenwirt  Christoph  Rheinek  in  Memmingen  wurde  gedacht*^), 
eine  kurze  Biographie  des  Hutmachers  und  Dichters  Städele  gegeben  43),  ein  humoristisches 
Billet  Schubarts  vom  3.  Dez.  1789  an  Forstmeister  Hörner  in  Sulzbach  veröffentlicht -4), 
endlich  zu  seinem  „Eluch  des  Vatermörders "^s)  eine  Geschichte  aus  dem  Anfang  des 
18.  Jh.  beigebracht,  die  sich  in  Prankreich  wirklich  zugetragen  hat,  aus  der  „Gazette 
litteraire  de  l'Europe"  (Juni  1766)  übersetzt  durch  den  Satiriker  H.  E.  Lasius  in  der 
Beilage  der  „Rostockischen  Nachrichten"  1769,  Stück  37  und  38.46-47)  _ 

Aus  dem  hs.  erhaltenen  Tagebuche  und  verschiedenen  Briefen  Matthissons 
ergänzte  und  korrigierte  Ho  saus 48)  die  „Erinnerungen"  des  Dichters  und  die  Biographie 
Dörings.  Das  Tagebuch  umfasst  die  Jahre  ]  777— 1800;  aber  nur  die  Jahre  1786—1794 
gewähren  reiche  Ausbeute,  es  gelingt  daraus,  manche  Thatsache  der  „Erinnerungen"  ihres 
Aufputzes  zu  entkleiden,  manche  richtig  einzuordnen.  H.  giebt  nur  Einzelnes,  weil  er 
eine  Publikation  des  Tagebuches  für  zweckmässig  hält.  Als  „Adelaide"  macht  H.  das 
jüngere  Fräulein  Ribaupierre  wahrscheinHch,  das  Matthisson  1788  in  Rolle  am  Genfer- 
see  kennen  lernte;  mit  dem  Mädchen  sah  er  Voltaires  Adelaide.  Näheres  erfahren  wir 
über  Matthissons  erste  Ehe  mit  Luise  von  Glafey;  9.  Sept.  1793  zu  Zürich  getraut, 
Hessen  sie  sich  schon  1798  gerichtlich  scheiden.  Von  allen  übrigen  Liebesverhältnissen 
des  Dichters  ist    nur    das    mit  Annette    von  Glafey    behandelt.      H.    weist    nach,    dass 


Aus  d.  Briefwechsel  zw.  Bürger  u.  Goeckingk:  VLG.  3,  S.  62—113;  416-76.  —  37)  XX  H.  Jellinghaus,  J.  A.  KlOntrup : 
KorrBlVNiederdSpr.  14,  S.  50.  —  38)  Martin  v.  Nathusius,  E.  deutsche  Dichterin  vor  100  Jahren  (M.  Ph.  Engelhard  geb. 
Gatterer):  ConsMschr.  47,  S.  238-48;  382-91.  (Vgl.  auch  d.  Bde.  45  u.  46.)  -  39)  X  Anna  Lohn-Siegel,  Aus  d. 
Lehen  Elisas  v.  d.  Recke:  NorddAZg.  N.  86,  88,  90.  -  40)  X  Alois  L  ... ,  D.  10 j.  Gefangenschaft  Schubarts  auf  d.  Hohen- 
asperg (1777—87):  BohemiaB.  N.  162.  —  41)  J.  KUrschner,  E.  litt.-hist.  Berichtigung:  Signale  aus  d.  litt.  Welt.  S.  3857/8.  — 
42)  P.  B.,  Schubart  u.  Christof  Rheinek :  SchwäbKron.  N.  98.  -  43)  Schubart  u.  Städele :  ib.  N.  115.  -  44)  E.  Brief  Schubarts : 
TUbingUnterhaltBL  N.  94.  —  45)  Kl.,  Schubarts  Fluch  d.  Vatermörders  u.  seine  Quelle:  RostockZg.  N.  79.  —  46)  X  Zu 
Schubarts  Ode  auf  Abhts  Tod:  ZDS.  3,  S.  160—2.  —  47)  X  R-  Sprenger,  Zu  Voss'  Luise  I,  425-50:  ZDU. 
4,  S.  160.  (Verweist  ausser  auf  Schubarts  „D.  rechte  Glaub"  [R.  Köhler]  noch  auf  Schubarts  „Märchen"  [Hauff  S.  343.]) 
—    48)    W.    Ho  saus,    Nachträge    zu    Matthissons    Leben:    MVAnhaltG.    5,    S.    348—77,    444—56,    530-81,    659—85.    — 


60  IV,2:  R.  M.  Werner,  Lyrik  des  18./10.  Jahrhunderts. 

Matthisson  wirklich  in  den  erblichen  Adelsstand  erhoben  wurde.  An  seinen  Poesien 
vennisst  H.  tiefere  Wahrheit,  Ursprünglichkeit,  Kraft  und  Wärme,  trotzdem  teilt  er 
einige  ungedruckte  Gedichte  mit  und  ein  paar  schon  gedruckte,  die  er  richtiger  zu 
datieren  und  besser  zu  deuten  vermag.  Aus  Matthissons  Album  bekommen  wir  einige 
Eintragungen,  von  Klamer  Schmidt  (8.  9.  1783),  von  Goeckingk  (13.  9.  83),  Claudius 
(5.  4.  85),  Klopstock  (14.  4.  85  und  15.  4.  94),  Voss  (5.  6.  85),  Gerstenberg  (5.  6.  85), 
Lavater  (Juni  86  und  15.  8.  87),  Jung-Stilling  (1787),  Gessner  (23.  8.  87),  Pestalozzi 
(1.  9.  87),  Bürger,  Gleim  (21.  4.  94),  Kästner  (21.  2.  94),  den  Stolbergs,  Schiller  (26.  5.  94), 
Wieland  (24.  5.  94),  Herder  (25.  5.  94),  Reichard  (3.  2.  1809),  Tiedge,  Clodius,  Goethe 
(zwei  Strophen  aus  dem  Gedicht  „Wirkung  in  die  Ferne":  „den  4.  Januar  1808",  „zur 
freundlichen  Erinnerung  des  18.  Aprils  1815.  Weimar"),  Neuffer,  Gustav  Schwab  (18.  8.  22), 
Wilhelm  Müller  (21.  5.  26),  Usteri  (1819)  mit  einer  sehr  feinen  Tuschzeichnung;  ich 
habe  nur  diejenigen  hervorgehoben,  deren  Eintrag  H.  angiebt.^^-^^)  — 

Einen  glücklichen  Gedanken  führte  Geiger^»)  durch,  indem  er  aus  mindestens 
60  verschiedenen  Quellen  eine  Sammlung  unbekannterer  Gedichte  gab,  die  eine  Vor- 
stellung von  Berlin  inid  Berliner  Stimmung  während  der  Aufklärungszeit  zu  geben  ver- 
mögen. Die  Sammlung  verfolgt  kulturhistorische,  nicht  ästhetische  Zwecke,  wirft  aber 
zugleich  auf  die  Durchschnittsvorliebe  und  Durchschnittsbegabung  von  Berlin  Licht.  —  Er- 
gänzend kommt  der  Abdruck  mehrerer  Berliner  Volkslieder  (1790 — 1840)  hinzu,  den  Bolte^^) 
besorgt  hat. ^5-)  —  Einen  wesentlich  anderen  Charakter  zeigt  die  Sammlung  von  Belling^*»), 
die  eigentlich  eine  Biograpliie  der  Königin  Luise  aus  dem  Munde  von  Dichtern  älterer  und 
neuerer  Zeit  vorträgt;  die  Gedichte  sind  chronologisch  geordnet,  aber  nicht  nach  dem  Datum 
ihres  Entstehens,  sondern  nach  der  Reihenfolge  der  Ereignisse,  auf  die  sie  sich  beziehen. 
Die  Auswahl  ist  eine  sehr  geschickte,  zudem  verzeichnet  ein  Anhang  auch  die  nicht 
abgedruckten,  dem  Herausgeber  bekannt  gewordenen  Gedichte,  so  dass  auch  der 
Eorscher  die  Sammlung  benutzen  muss;  leider  fehlt  ein  alphabetisches  Register.  — 

Der  Parallele  zwischen  Claudius  und  Hebel  wurde  schon  (s.  o.  N.  23) 
gedacht;  aus  zufälligen  Anlässen  wurde  HebeP^-ss)  mehrmals  behandelt.  Dem  Geburts- 
hause Hebels  hat  Stocker^s)  eine  seiner  interessanten  lokalhistorischen  Studien  gewidmet; 
daraus  erfahren  wir,  dass  erst  nach  dem  Jahre  1860  das  jetzt  mit  einer  Tafel  geschmückte 
Haus  als  die  Geburtsstätte  des  Dichters  festgestellt  wurde  durch  eine  Tradition,  die  auf 
Hebel  selbst  zurtickgeht.  S.  erzählt  die  Geschichte  dieses  Hauses  seit  dem  16.  Jh. 
und  deckt  dabei  die  Thatsachen  auf,  welche  gegen  die  Hebeltradition  sprechen.  Auch 
erfahren  wir  einiges  über  Hebels  Eltern,  besonders  über  ihre  „Herrschaft",  den  Major 
Johann  Jakob  Iselin.  Das  Buch  bringt  u.  a.  auch  ein  drolliges  Dialektgedicht  „Basler  Leckerli" 
von  dem  Basler  Volksdichter  Th.  Meyer-Merian.  60)  Hebels  Volkstümlichkeit  fehlte  noch 
der  Zug  zum  Patriotischen,  das  erst  durch  die  Schicksale  Deutschlands  zur  Zeit  der 
napoleonischen  Kriege  zu  mächtiger  Flamme  angefacht  wurde  und  zur  LjTik  der  Be- 
Ireiungskriege  führte.  — 

Hier  müssen  wir  in  erster  Linie  Theodor  Körners  gedenken.  Seine  Werke 
hat  Adolf  Stern^i)  unter  Benutzung  des  Dresdener  Körner-Museums  mit  einer  allge- 
meinen biographischen  Einleitung  elegant  herausgegeben.  Jeder  einzelnen  Publikation 
des  Dichters  sind  besondere  Einleitungen  vorausgeschickt,  in  denen  S.  über  Entstehung, 
Druck,  Aufnahme,  wie  über  die  litterarischen  Voraussetzungen  unterrichtet.  Die  Texte 
sind  nach  der  Ausgabe  von  Körners  Vaters  gegeben,  die  Lesarten  der  vorhandenen  Hss. 
unter  dem  Texte  mitgeteilt.  Die  bekannten  Gedichte  sind  in  der  ursprünglichen  Reihen- 
folge abgedruckt,  in  der  „Nachlese"  sind  die  späteren  Publikationen  ausgenutzt,  und  den 
Schluss  bilden  sieben  bisher  ungedruckte  Gedichte.  Im  zweiten  Teile  folgen  die  Rätsel, 
die  lyrischen  Spiele  und  Scherze,  die  epischen  Fragmente,  die  Erzählungen,  nebst  den 
von  Karoline  Pichler  aufgezeichneten  und  dem  Aufruf  „An  das  Volk  der  Sachsen", 
endlich    die    dramatischen   Werke;    der  Teil  endet  mit  „Zriny"62)j    dessen  dramatischen 

49)  X  Usteri:  TglRs.  N.  130.  (Notiz.)  —  £0)  X  R-  Hecht,  E.  Anekdot«  Schopenhauers:  Gegeiiw.  37,  S.  63.  (D.  Gesch- 
mit  d.  Goldstück  an  d.  Mittagstafel,  d.  schon  v.  Keinhold  Köhler  aus  Matthisson  nachgewiesen  wurde.)  —  51)  X  V.  Bh.,  E 
Stammbuch  aus  d.  Zopfzeit:  Bär.  lö,  S.  210/1,  222/3.  (Nur  für  d.  Zeitgeschmack  [1780]  interessant.)  —  52)  X  Jagdlied  e. 
Verliebtan  v.  1790:  Dida»k.  N.  10.  (D.  Liebende  kontrastiert  seine  jetzigen  Liebhabereien  mit  seiner  Minna  u.  sehnt  d.  Hochzeits- 
t*g  herbei:  ,Du  wirst  als  Häsin  mich  erfreu'n.  Und  ich  Dein  treuer  Hase  sein!")  —  53)  S.  o.  IV,  1  N.  78.  —  54)  S.  o.  IV,  I 
N.  77.  I  [Geiger:  Nation".  7,  S.  680;  Deutschi.  2,  S.  72.]  |  —  55)  X  J-  Holte,  Lieder  v.  e.  fliegenden  Blatte:  ZVolkskunde. 
2,  S.  312/4.  (Um  1800  gedruckt,  Berl.  Kgl.  Bibl. :  Pfingstbitte,  Danksagung.)  —  56)  E.  Helling,  D.  Königin  Luise  in  d. 
Dichtung.  E.  Sammlung  aus  d.  in  älterer  u.  neuer  Zeit  verf.  Dichtungen  ausgew.  u.  her.  Zweite  rerb.  Aufl.  Mit  e.  Porträt .  .  . 
nach  e.  Relief  v.  A.  Bettkober  (1798  nach  d.  Natur  modelliert).  (=  Vaterl.  Ehrenbücher.  Bd.  3.)  Berlin,  Brachvogel.  XIX,  211  S. 
M.  3,00.  |[Con8M8chr.  47,  S.  886;  HambCorr".  N.  10;  Reichsbote  N.  85;  Post  N.  87;  Reichsanz.  N.  82;  VossZg.  N.  209.]|  — 
57)  X  Z.  Geburtstage  Hebels:  BadLandesZg.  N.  108.  (Kurze  Biographie  u.  Würdigung.)  —  58)  X  J-  P-  Hebel,  Allemannische 
Gedichte  fUr  Freunde  ländl.  Natur  u.  Sitten.  Ins  Hochd.  tlbertr.  v.  R.  Rein  ick.  Leipzig,  Fock.  12.  VIII,  168  S.  M.  1,.50. 
(Geschenklitt.)  —  59)  S.  o.  I,  5  N.  85.  —  60)  X  Hebels  BUste  angebr.  au  d.  Schulhause  in  d.  Leopoldstr.  zu  Karlsruhe: 
BadLandesZg.  N.  59.  (Notiz  Über  Abbruch  d.  Hebelhauses  in  Basel,  DeutschZg.  N.  6499;  NatZg.  N.  88;  HambCorr.  N.  68.] | 
—  61)  Th.  Körners  Werke  her  v.  Adolf  Stern.  2  Teile.  (3  Bde.):  Deutsche  Nat.-Litt.  her.  v.KUrschner  1.52,  153.  Bd.  1.  II. 
Stuttgart,  Union.  XXXII,  383  S.  M.  2,50;  443,  404  S.  M.  6,00.  —  62)  X  K-  Sprenger,  Zu  Körners  Zriny  II  (5)  327:  ZDU.  4, 
y.  J(J1.  (Statt:  Auf  „eignem  Zaum"  möchte  er  „auf  eignen'  lesen;  die  Parallele  [Clw-ou.  d.  dt.sch6n  Städte  2,  S.  47,  10]  beweibt 


IV,2:  R.  M.  Werner,  Lyrik  des  18./19.  Jahrhunderts.  61 

Kern  der  Herausgeber  im  „Aufeinanderprallen  einer  glänzenden,  welterobernden,  bis  hierher 
immer  glücklichen  Kriegsmacht  und  des  schlichten,  von  vaterländischem  Gefühl  und 
ernstem  Pflichtpathos  getragenen  Heldentums",  erkennt.  —  Hat  Sterns  Ausgabe  den 
Charakter  der  Kürschnerschen  Sammlung  gewahrt,  so  begnügt  sich  die  Cottasche*'-'^)  mit 
einem  billigen  Textabdrucke  ohne  jegliche  Zuthat.  —  Latendorf^*)  ist  unermüdlich 
bemüht,  die  Quellen  der  Körn  ersehen  Lebensgeschichte  kritisch  zu  sichten;  so  hat  er 
unter  Benutzung  ungedruckten  oder  doch  unbekannten  Materials  vor  allem  die  letzten 
Lebenstage  des  Dichters  behandelt  und  nachgewiesen,  dass  Körner  das  Schwertlied 
schon  am  24.  August  zu  Kirch-Jesar  gedichtet  habe;  dann  werden  einige  Tehler  in 
Försters  Nachrichten  über  Körners  Bestattung  aufgedeckt,  schliesslich  vuiter  Abdruck 
einer  Reihe  von  Briefen  der  Körnerschen  Eltern  die  Schicksale  der  Körnergruft  in 
Wöbbelin  geschildert.  Das  Heft  zeichnet  sich  durch  warme  Begeisterung  und  ein 
starkes  Pathos  der  Darstellung  aus.  —  Besonders  schlecht  zu  sprechen  ist  Latendorf^^) 
auf  Körners  Kampfgenossen  Förster,  dem  er  direkte  Fälschungen  vorwirft;  Förster  habe 
wissentlich,  um  als  ein  treuer,  in  Leben  und  Tod  bewährter  Freund  des  Dichters 
in  der  Erinnerung  der  Nachwelt  fortzuleben,  Briefe  und  Aktenstücke  vmtergeschoben 
oder  geändert.  So  wird  der  Brief  vom  25.  Jan.  1813  mit  Rücksicht  auf  einen  Brief 
Körners  vom  27.,  den  Förster  gekannt  haben  müsste,  verworfen;  falsch  müsse  der  Brief 
vom  10.  Febr.,  ebenso  der  vom  20.  Febr.  sein;  Goethes  Waffensegen  vom  12.  April  1813 
sei  Fälschung;  der  Brief  vom  18.  April  1813  aus  Leipzig  mit  angeblicher  Einlage  des 
Kriegsliedes  „Männer  und  Buben"  könne  nicht  von  Körner  herrühren.  L.  kommt  zu 
dem  Resultate,  ,,dass  man  Alles,  wofür  Förster  allein  als  Gewährsmann  eintritt,  in 
Zweifel  zu  ziehen  berechtigt  sei  und  nach  inneren  und  äusseren  Kriterien  gewissen- 
haft prüfen  müsse!"  —  Von  der  Einsegiumg  der  Lützower  in  Rogau,  der  Körner  sein 
Lied  „Wir  treten  hier  in  Gottes  Haus"  widmete,  werden  wir  diu-ch  den  aktenmässigen 
Bericht  des  Magistrates  zu  Zobten  an  den  Magistrat  zu  Schweidnitz  unterrichtet®*');  an- 
schaulich ist  in  diesem  amtlichen  Schriftstücke  der  erhabene  Moment  und  was  darauf 
folgte,  dargestellt.  —  Ueber  eine  Erwerbung  des  Körner-Mviseums,  unbekannte  Gedichte, 
Lustspiele,  Opern,  Bruchstücken,  Entwürfe  u.  dgl.,  ferner  erste  Niederschriften  schon 
bekannter  Dichtungen,  findet  sich  eine  Notiz®''-™).  —  Mit  Rücksicht  auf  Köniers  Erzählung 
sei  erwähnt,  dass  im  Sterberegister  des  Kirchenbuches  zu  Sondershausen,  Jahrgang  1667, 
steht:''!)  „Hanns  Heiling,  welchem,  naclidem  er  das  Bötticher  Handwergk  gelernnt  und 
auff  der  Wanderschafft  gewesen,  von  einer  Weiber-Person  ein  phyltron,  das  ist  ein 
Liebetrank  gegeben,  ist  aber  dadurch  seiner  Vernunfft  und  Verstandes  beraubet  worden, 
dass  er  vom  Handwergk  ablassen  müssen,  ist  den  Leuten  mit  seinem  Thun  verdriesslich 
gewesen,  ist  in  der  Kriegsunruhe  endlich  von  Ehrich  hierher  kommen,  hat  sich  auff'  dem 
Schlossberg  bei  den  Knechten  im  Reisigenstall  lange  aufgehalten,  denen  er  mit  seinen 
Diensten  an  die  Hand  gangen,  bis  er  alt  und  grau  worden,  ist  den  18.  Juny  gestorben 
und  auff  dem  Kirchhoff  zum  heiligen  Geist  begraben  worden."  —  Eine  andere  Sage, 
die  Kömer  behandelt  hat,  die  vom  kühnen  Springer  Harras,  sucht  Schurtz'2^  unter 
Herbeiziehung  ähnlicher  Sagen  als  einen  Nachklang  der  slavischen  Menschenopfer  an 
den  Wassergott  zu  erklären;  er  unterscheidet  zwei  Gruppen  dieser  Sagen,  jene  mit 
tragischem  und  jene  mit  glücklichem  Ausgang;  in  der  zweiten  sieht  er  die  Milderung 
des  ursprünglichen  Menschenopfers,  bei  der  es  dem  Zufall  überlassen  wurde,  ob  der 
Todesgeweihte  gerettet  wurde  oder  nicht;  das  belegt  S.  aus  verschiedenen  Rechtsge- 
bräuchen. Zusammenhang  mit  der  Sonnwendfeier  ist  ihm  wahrscheinlich.  —  Einem  anderen 
Freiheitssänger,  Max  von  Schenkendorf,  wurde  zu  Tilsit  ein  Denkmal  errichtet,  ein 
Werk  des  Bildliauers  Martin  Engelke  in  Dresden;  aus  Anlass  der  Enthüllung  am 
21.  Sept.  erschienen  zahlreiche  Festartikel ''3)  in  die  mitunter  auch  eine  Charakteristik 
des  Dichters  eingewebt  ist.  —  Von  der  Auswahl  der  Gedichte  Arndts  erschien  ein  neuer 
Abdruck''*)  in  würdiger  Ausstattung.  —  Karl  Follens  wurde  anlässlich  der  50.  Wieder- 
kehr seines  Todestages  (13.  Febr.  1840)  ehrend  gedachf^).  — 

Von  Justinus  Kern  er''®)   bekamen    wir    ein    originelles,    bisher    unbekanntes 
Werk''''),  dessen  Herausgeber  sich  nicht  genannt  hat.    Die  „Kleksographien"  entstammen 


nichts.)  -  63)  Körners  sämtl.  Werke  in  4  Bänden.  (=  VolksbiW.  Bd.  13-20.  Stuttgart,  Cotta  Nachf.  120.  211,  211,  252,  191  S. 
M.  2.00.  —  64)  F.  Latendorf,  Th.  Körner  in  Mecklenburg.  Progr.  N.  638.  Schwerin,  Fridericianum.  4«.  36  S.  |  [RostockZg. 
N.  161,  16.3.]  I  —  65)  id.,  F.  Försters  Körner -Fälschungen:  Gegenw.  38,  S.  198-200.  —  66)  D.  feierliche  Einsegnung 
d.  preuss.  Freikorps  d.  Ltitzower  in  d.  Kirche  zu  Kogau  in  Schlesien :  Didask.  N.  35.  (Vgl.  TglBs.  N.  30  aus  d.  „B;ir".)  — 
67)  Sammler.  12,  S.  153.  —  68)  X  TglRs.  N.  145.  („Gehet  vor  d.  Schlacht"  u.  d.  Wiener  C'ensur.)  —  69)  X  Französ.  Ueber - 
Setzung  d.  Körnerschen  Liedes  v.  LUtzows  wilder  Jagd  in  d.  Revue  du  Cercle  Militaire:  HajnbCorr.  20.  Jan.  (Notiz.  Str.  I  „in 
dUstern  Reihn"  wird:  „Le  long  du  Rhin  sombre".)  —  70)  X  Körner  Französisch:  TglRs.  N.  18.  (vgl.  Post  N.  18.)  —  71)  Hans 
Heiling:  Didask.  N.  17.  S.  68.  (Aus  d.  Thtlr.  Zg.  „D.  Deutsche".)  —  72)  H.  Sehurtz,  Ritter  Harras  u.  seinesgleichen: 
LZgB.  N.  45.  —  73)  D.  Enthüllung  d.  Schenkendorf-Denkmals  in  Tilsit:  Nordwest  N.  39.  Gartenlaube  N.  47.  Bohemia  N.  158. 
—  74)  Ernst  Mor.  Arndt,  Gedichte.  Ausw.  Berlin,  Weidmann.  1889.  VIII,  279  S.  gebd.  M.  4,00.  —  75)  VossZg.  N.  73; 
RostockZg.  N.  77;  WeserZg.  N.  15510;  Didaskalia  N.  40.  —  76)  XX  M.Laue,  D.  schwäbische  Dichterkreis  in  chronologischer 
Ordnung.  Langensalza,  Schulbuchhandlg.  46  S.  M.  0,50.  —  77)  Justinus  Kerner,  Kleksographien.  Mit  Illustr.  uach  d. 
Vorlagen  d.  Vf.     Stuttgart,  Leipzig,  Berlin,  Wien,  üeuische  Verlagsanstalt,    o.  J.    VII,  78  S.  M.  3,00.  |[Ge;,'enw.  38,  S.  364.] |  — 


62  IV,2:  R.  M.  Werner,  Lyrik  des  18./19.  Jahrhunderts. 

einem  Zufall:  der  Dichter,  dessen  Augenlicht  immer  schwächer  wurde,  machte  häufig 
„Klekse"  auf  dem  Papier,  d\xrch  dessen  Zusammenfalten  symmetiische  Figuren  ent- 
standen. Nach  einiger  Zeit  wurde  das  Spiel  etwas  ernsthafter  geti'ieben,  und  Kerner 
erläuterte  die  leicht  veränderten  Zeichnungen  mit  kurzen  improvisierten  Versen.  Etwas 
Mystisches  mischt  sich  auch  in  diese  Scherze,  es  erscheint  ihm  bemerkenswert,  dass  die 
Bilder  ,,sehi*  oft  den  Typus  längst  vergangener  Zeiten  aus  der  Kindheit  alter  Völker 
tragen,  wie  z.  B.  Götzenbilder,  Urnen,  Mumien  usw.";  besonders  Gerippe,  Teufel  u.  dgl. 
hat  er  mit  seinen  leichten  Versen  begleitet,  die  ganz  dem  Charakter  seiner  übrigen 
Poesien  entsprechen.  Kemer''^)  hatte  sehr  viel  Sinn  für  das  Ungewöhnliche,  darum  ist  es 
auch,  als  wenn  das  Ungewöhnliche  ihn  geradezu  aufsuchte.  Bekannt  ist  seine  Vorliebe 
für  die  Maultrommel,  die  er  selbst  spielte;  Palm'^^)  erzählt  nun,  wie  Kemer  dadvu'ch 
auf  den  späteren  Maultrommelvirtuosen  Karl  Eulenstein  bestimmend  gewirkt  hat;  Kerner 
war  es  dann  auch,  welcher  dem  jungen  Manne  behilflich  war,  dessen  Leben  sich  erst 
nach  furchtbaren  Entbehrungen  und  schwerem  Hungern  freundlich  gestaltete.  — 

Die  bedeutendste  Förderung  erfuhr  unsere  Kenntnis  Mörikes  durch  die  Mit- 
teilung des  Briefwechsels  mit  Schwind,  die  Bächtold**o-8i^  zuerst  in  einer  Zeitschrift  und 
dann  selbständig  gab.  Zwar  hat  B.  mehr  den  Maler  als  den  Dichter  zu  Wort  kommen 
lassen,  gegenüber  etwa  37  Briefen  Schwinds  stehen  nur  7  Briefe  Mörikes;  aber  trotz- 
dem ist  das  liebenswürdige  Buch  mit  seinem  schönen  Bilderschmuck  eine  Bereicherung 
unserer  Litteratur.  Die  beiden  Männer  verband  eine  grosse  Wesensähnlichkeit,  gleiches 
Interesse  und  gleiche  Vorliebe,  gemeinsame  Freundschaft  z.  B.  zu  Lachner,  zu  Vischer. 
Schwind  erscheint  burschikoser,  Mörike  ernster,  aber  der  Grundzug  ihrer  Natur  ist  ge- 
sättigte Heiterkeit  des  Gemütes;  Schwind  ist  beweglicher,  rascher,  reiselustig  und  unter- 
nehmend, Mörike  zäher,  schwerfälliger,  sesshafter.  In  Schwinds  Briefen  wirbelt  alles 
durcheinander,  er  wiederholt  sich  öfter;  so  kehrt  der  Grillparzersche  Ausdruck  „lange 
Sachen  beginnen"  dreimal  wieder,  er  streut  drollige  Anekdoten  ein,  versucht  sich  auch 
wohl  in  „klassischem"  Latein,  schimpft  gegen  die  Kritiker  und  die  Buchhändler  und 
spart  derbe  Flüche  nicht.  Mörike  greift  seltener  zur  Feder;  aber  wenn  er  es  Ihut,  dann 
erscheinen  so  warme,  anerkennende  Briefe,  wie  z.  B.  N.  11  über  Schwinds  Zeichnungen 
zu  Mörike.  Jedenfalls  ist  es  eine  Freude,  zwei  Menschen  zu  finden,  die  sich  so  ganz  ver- 
stehen und  so  rein  bewundern.  —  Von  diesen  Briefen  gilt,  was  K.  Weitbrecht^^)  über 
Mörikes  Lyrik  sagte,  wir  kommen  „in  die  geweihte  Stille",  wenn  wir  Mörike  suchen. 
Er  sieht  in  Mörikes  Poesie  den  Prüfstein,,  „ob  einem  das  Geheimnis  der  lyrisclien 
Dichtung  aufgegangen  sei  oder  nicht."  Er  vergleicht  ihn  mit  Goethe,  denn  ,, kindliche 
Einfalt  und  männlicher  Ernst,  heimelige  Enge  und  mächtige  Weite,  höchste  Vertiefung 
und  graziöse  Leichtigkeit  verbinden  sich  bei  Mörike  in  so .  massvoll  abgeklärter  Weise 
mit  einer  so  vollendeten  und  eigenartigen  lyrischen  Ausdrucksform",  dass  sich  Mörike 
eben  nur  mit  Goethe  vergleichen  lasse ;  als  gemeinsam  hebt  W.  hervor  die  einfache,  gross- 
ai-tige  dichterische  Wahrhaftigkeit,  die  Naturnotwendigkeit  der  Schöpfungen,  die  Energie 
des  inneren  Schauens.  —  Mehr  die  epischen  Werke  charakterisiert  Lemmermayer^^) 
in  einem  hübschen  Femlleton.  —  Ein  allerliebstes  Gedicht  Mörikes  an  Gräfin  Fernanda 
v.  Pappenheim  hat  Elias^)  dem  Merkbüchlein  der  Gräfin  entnehmen  dürfen  und  dabei 
die  Freundinnen  der  Schwaben  und  Lenaus,  die  genannte  Gräfin,  ihre  Cousine  Agnes  von 
Grossmann  und  deren  Schwester  Emma  Freiin  von  Suckow,  als  Schriftstellerin  E.  Niendorf, 
in  ihrer  ganzen  Liebenswürdigkeit  gezeichnet.  Wir  erhalten  ausserdem  ein  Stammbuch- 
blatt Lenaus,  eine  Improvisation  von  Hermann  Kvirz  (1840),  einen  bisher  ungedruckten 
Brief  Kemers  (1841)  und  werden  eingeführt  in  den  Kreis,  der  in  München  die  Gräfin 
umgab  und  verehrte.  Mörikes  Gedicht  ist  eine  Epistel  mit  der  Erzählung  eines  Traums 
und  bezieht  sich  auf  das  Beisammensein  mit  den  Damen  in  Weinsberg.  —  Wie 
ein  Lied  Mörikes  zum  Volkslied  umgestaltet  wird  („Das  verlassene  Mägdlein"),  zeigte 
Schönbach85)86).  _ 

Den  Schwaben  dürfen  wir  den  norddeutschen  Dichter  s'-so)  Chamisso  anreihen. 
Von  Chamissos  Familie  erfahren  wir  aus  der  Anfrage  einer  portugiesischen  Dame^i) 


78)  X  K-  Uöber,  D.  Weibortreu:    FZg.    N.  212.     (D.  Kuine  b.  Weinsberg.    D.  Sage  bei  deutschen  Dichtern  u.  deren  Besuche.) 

—  79)  A.  Palm,  Aus  d.  Leben  e.  Maultrommlers.  [Karl  Eulenstein]:  Gartenlaube.  N.  18.  —  80)  J.  Baechtold,  Briefwech.sel 
zw.  M.  V.  Schwind  u.  E.  MOrike :  ZKK.  NF.  1,  S.  101  ff.,  58  ff.,  211  ff.  —  81)  id.,  Briefwechsel  zw.  M.  v.  Schwind 
u.  E.  Mörike.  Leipzig,  Litt.  Jahresber.  Artur  Seemann.  108  S.  M.  2,00.  | [Bienemann:  BLU.  N.  16;  Koch:  DWBl.  N.  19; 
LUbke:  AZg».  N.  127;  LCBl.  S.  1341;  Weiske:  LeipzTBl.  N.  138;  Speidel:  NFPr.  N.  9263;  ConsMsehr.  47,  S.  774;  SehwttbKron. 
N.  62;  Sonntagsbl.  d.  Bund.  N.  12;  NZUrchZg.  N.  78.]|  —  82)  K.  Weitbrecht,  MOrike  als  Lyriker.  Vortrag  geh.  am  3.  Febr. 
im  Lesezirkel  Hottingen:  NZUrchZg.  N.  38.  (Referat.)  —  83)  F.  Lern  mermay  er,  1).  Pfarrer  v.  Cleversulzbach:  NatZg.  N.  296. 

-  84)  .1.  Elias,  E.  ungedrucktes  Gedicht  E.  Mörikes:  VossZg.  N.  43.  —  85)  Vgl.  o.  1,3  N.  37.  —  86)  Ungedrucktes  yon 
W.  Waiblinger:  Ueber  Mörike    (2.  Apr.  1822).  Ueber  Uhland  (30.  Mai  1822).  Mitg.  v.  V.  P.  Hubl:  DDiclitung.    8,    S.   50   ff.  — 

87)  X   Kopischs   Grab  auf  d.  Friedhofe  d.  Dreifaltigkeitskirche  in  Berlin:   VossZg.    N.  69.    (Aufforderung  z.  Erneuerung.)  — 

88)  XB.  Sprenger,  Kopischs  Gedicht  ,D.  Bärenschlacht" :  ZDU.  4,  S.  160.  —  89)  X  0.  Glöde,  Kopischs  Barenschlacht:  ib. 
S.  274/6.  —  80)  X  H.  Kohrs,  Jochen  NUssler:  ib.  S.  276.  N.  88—90  wollen  „zeigt,  dass  ihr  nicht  vom  Nussbaum  .seid"  aus  d. 
ud.  Volkssprache  erklären;  vgl.  NUssler  bei  Reuter:   e.  laugsanier,  unent-schiedenor  Mensch.  —     91)   I».  Abstauiiiiuiig  Chamissos: 


IV,2:  R.  M.  Werner,  Lyrik  des  18./19.  Jahrhunderts.  63 

in  Porto  beim  Oberbürgermeister  der  Stadt  Berlin,  dass  die  Wiege  derer  von  Chamisso 
nicht  Frankreich,  sondern  Portugal  gewesen  sein  dürfte,  Mitglieder  der  Pamihe  Chamisso 
leben  noch  gegenwärtig  in  Portugal.  —  Geiger92-93)^  der  sich  schon  durch  einen  Neudruck 
um  Chamisso  verdient  machte,  hat  aus  der  Spenerschen  Zeitung  von  1804  „Angebinde 
an  Seimars  Nase"  mitgeteilt,  die  er  nach  einem  Briefe  Chamissos  diesem  zuschreibt;  es 
sind  Nachahmungen  von  Haugs  bekannten  Hyperbeln  auf  des  Herrn  Wohls  grosse  Nase, 
wie  auch  Vischers^*)  Spässe,  die  aus  seinem  Nachlasse  erschienen.  —  Von  Ausgaben 
Chamissos^ö)  wurde  nur  eine  populäre  publiziert. ^^^  — 

Hier  ist  wohl  auch  der  Ort,  Oaudys  zu  gedenken,  dessen  Todestag  (5.  Febr.  1890) 
nicht  vergessen  wurde.  G.  Kohn^'')  hat  ihm  ein  besonderes  Heft  gewidmet,  das  mehr  durch 
den  Ort  seines  Erscheinens  als  durch  seinen  Wert  Erwähnung  verdient.  Es  zeichnet 
sich  durch  eine  Begeisterung  aus,  die  sich  in  Superlativen  ergeht  und  mehr  über  den 
Sachen  schwebt,  als  in  sie  einzudringen.  Zu  einer  Charakteristik  ist  nicht  einmal  der 
Ansatz  vorhanden;  aber  die  politischen  und  litterarischen  Zustände,  aus  denen  Gaudy 
herauswächst,  seine  Beziehung  zu  Chamisso,  seine  anfängliche  Abhängigkeit  von  Heine 
sind  dargestellt.    Besonders  rühmt  K.  das  Verständnis  Gaudys  für  polnisches  Wesen. 9^)  — 

Eine  Flut  von  Aufsätzen  rief  die  Enthüllung  des  Denkmals  hervor,  dasRückert 
in  Schweinfurt  9ö)  errichtet  wurde.  Während  der  Festtage  erschien  in  Schweinfiu't  eine 
eigene  Zeitung  loo)^  geschmückt  mit  den  Bildern  des  Denkmals,  des  Geburtshauses,  des 
Sterbehauses  in  Neusess,  Riickerts  selbst  im  Alter  und  in  der  Jugend,  endlich  seiner 
Braut.  Die  Fest-Zeitung  enthält  Gedichte  von  W.  Pregerioi),  W.  J.  Sattler,  von  Lingg, 
Karl  Zettel,  E.  Rittershaus,  Schenz,  Dusmann,  A.  Baldi,  Joh.  Haussleiter,  P,  Müller, 
Gotthold  Kreyenberg,  Joh.  Lichtenebert  und  0.  Steinel,  ein  lateinisches  von  Alb.  Bischot 
und  den  Festprolog  von  F.  Dahni02),  Ein  Aufsatz  von  Steinel  behandelt  „Friedrich 
Rückert  und  die  Rückertstadt" ;  er  beginnt  mit  einem  heiteren  Spruche  Rückerts  über 
seine  Vaterstadt  und  seinen  Geburtstag,  giebt  dann  eine  kurze  Schilderung  des  ehemaligen 
Schweinfurt,  erzählt  darauf  kvu^z  die  Biographie  des  Dichters,  entwirft  eine  mehr  polemische 
Charakteristik  und  schliesst  mit  einer  Beschreibung  des  Denkmals,  dessen  „Geschichte" 
wir  in  einem  anderen  Aufsatze  erfahren  103).  S.  entwickelt  auch  den  Plan  zu  einem 
Rückertmuseum  und  Rückertzimmer  in  Schweinfurt.  Die  weiteren  Nummern  bringen 
Nachrichten  vom  Verlaufe  des  Festes,  Reden  und  Zuschriften,  aber  auch  „Unveröffent- 
hchte  Gedichte"  von  Rückert,  die  seine  Tochter  Marie  beigesteuert  hat;  „Aus  dem  Still- 
leben eines  deutschen  Dichters  (Neusess)",  enthält  hauptsächlich  Verschen  an  Rückerts 
Frau,  die  „Poetischen Uebersetzungen"  schöpfen  aus  dem  Talmud,  dem  Indischen,  Persischen, 
Afghanischen  und  Arabischen,  es  sind  nur  kurze  Sprüche.  —  Vom  Denkmali04^  handelt  ein 
anderer  interessanter  Aufsatz  des  schon  genannten  Steinel  ^os),  indem  er  einzelnes  aus 
den  Briefen  mitteilt,  die  von  Dichtern  auf  die  Anfrage  wegen  Errichtung  eines  Rückert- 
standbildes  erwidert  wurden;  Berthold  Auerbach  beteiligte  sich  am  lebhaftesten  an  dem 
zu  erlassenden  Aufruf  zu  Beiträgen,  auch  Georg  Ebers,  Emanuel  Geibel,  Scheffel,  Emil 
Brachvogel  suchten  den  ersten  Entwurf  zu  verbessern;  besonders  charakteristisch  ist 
Brachvogels  Polemik  gegen  die  Zuerkennung  des  Prädikates  „Klassiker"  an  Rückert. 
Auch  aus  Zuschriften  Geroks,  Dahns,  Gottschalls,  Dingelstedts  und  Freytags  sind  ein 
paar  charakteristische  Stellen  ausgehoben,  so  dass  wir  eine  Ehrung  Rückerts  durch  die 
besten  deutschen  Dichter  vor  uns  haben.  —  Der  unermüdliche Rückertforscher  C.  Beyer '06) 
hat  der  Stadt  Schweinfurt  zu  den  Festtagen  eine  Jubiläumsschrift  gewidmet,  die  mit 
zahlreichen  Illustrationen  geschmückt  ist.  Ihm  ist  Rückert  „der  letzte  Klassiker  unserer 
Tage";  man  könnte  fragen,  ob  mit  diesem  Zusatz  ein  geringerer  Grad  der  Klassizität 
gemeint  sei,  aber  S.  44  ff",  erhält  man  die  Antwort,  dass  auf  dem  deutschen  Parnasse 
das  Dreigestirn  Scliiller-Goethe-Rückert  glänze,  Rückerts  müsse  neben  Goethe  und  Schiller 
als  des  letzten  Klassikers  gedacht  werden.  Die  Hauptbestandteile  des  Rückertschen 
Wesens  nennt  B.:  „Weisheit,  gute  Sitte,  Humanität,  Toleranz,  inneren  Frieden"  (S.  22). 


VossZg.  N.  40;  MünchNN.  N.  50.  —  92)  L.  Geiger,  Musenalmanach  auf  d.  Jahr  1806.  Her.  v.  L.  A.  v.  Chamisso  u.  K.  A.  Varn- 
hagen.  (=  Berliner  Neudrucke.  II,  1.)  Berlin,  Gebr.  Paetel.  1889.  XXXII,  122  S.  M.  4,00.  —  93)  id.,  Scherze  Chamissos:  Z  VLB.  NF.  3, 
S.  138 — 40.  —  94)  F.  Th.  Vischer,  D.  hohe  Epigrammenlied  auf  Herrn  Schlocks  rote  Nase:  DDichtung.  9,  S.  18,  45,  65,  95, 
124,  145,  170.  (Es  sind  50  Epigramme.)  —  95)  X  Ad.  v.  Chamisso,  Ausgew.  Gedichte.  Leipzig,  Fock.  12".  IV,  304  S.  M.  2,00. 
(Geschenklitt.)  —  96)  X  W.  Scharleraann,  Z.  Verständnis  v.  W.  Müllers  „Glockenguss  v.  Breslau":  PädBlJ.  19,  S.  493/4, 
(Wenig  glückliche  Erklärung  v.  ,Und  was  d.  Tod  versprochen,  das  bricht  d.  Leben  nicht".)  —  97)  Gotthilf  Koh  n ,  Franz 
Frhr.  Gaudy  als  Mensch  u.  Dichter.  E.  Gedenkblatt  zu  seiner  50  j.  Todesfeier  gewidmet.  Mit  Porträt.  Nicht  fUr  d.  Buchhandel 
bestimmt.  Sambor,  Selbstverlag.  19  S.  —  98)  X  Franz  Frhr.  v.  Gaudy:  VossZg.  N.  59.  —  99)  X  Alt-Schweinfurtisches  u.  F. 
RUckert.  Nach  Erinnerungen  U.Aufzeichnungen  d.  weil.  Dr.  S.:  Sammler  (AugsburgAbendzg".)  N.  119—22.  —  100)  K.  Keppel 
u.  0.  Steinel,  FestZg.  z.  Feier  d.  Enthüllung  d.  Rückert -Denkmals  am  18.,  19.  u.  20.  Okt.  4  Nummern.  Schweinfurt,  Reichardt. 
4«.    (vgl.   FZg.    N.   291.)     —     101)     X    W.   Preger,    Friedrich    Rückert.     Z.    19.    Oktober    1890:    Daheim.    27,   S.    118  IT.    — 

102)  X    F-   Dahn,    Festsprueh   bei  Enthüllung   d.  Denkmales  F.  Rückerts  in  Schweinfurt:    AZgß.    N.  291.     (PKZ.    N.  44.)    — 

103)  0.  Steinel,  D.  Rückertdenkmal  in  Schweinfurt:  Gartenlaube  S.  739  ff.  -  104)  X  AZg.  N.  260,  291;  IllZg.  N.  2468: 
ÜL&M.  65,  N.  3  (d.  letzten  drei  v.  0.  Steinel);  FZg.  N.  290  (C.  Beyer);  FränkKur.  N.  92,  114;  FrankfJourn.  N.  175.  — 
105)  0.  Steinel,  D.Urteil  d.  litt.  Grössen  Deutsehlands  über  d.  Rückertdenkmal:  Didask.  S.  936:  939—40.  (NFPr.  N.  9385.) 
—  106)  C.  Beyer,  F.  RUckert.  E.  Lebens-  u.  Dichterbild.    Festschr.  z.  Enthüllungsfeier  d.  Rückert-Denknials  zu  Schweinfurt. 


G4  IV,2:  R.  M.  Werner,  Lyrik  des  18./10.  Jahrhunderts. 

Er  scheidet  Perioden  imWii'ken  Rückerts:  1807 — 12  die  erotische,  1812 — 17  die  politisch- 
patriotische, 1817 — 18  die  romantische,  von  da  ab  die  westöstHche  Lyrik;  die  gelehrten 
Studien  von  1820 — 26  führen  zur  orientalischen  Epik,  in  den  30er  Jahren  die  westöstliche 
Didaktik,  anfangs  der  40er  Jahre  die  Dramatik  und  zum  Schluss  die  Natur-  und  Haus- 
lyrik (S.  24),  Es  wird  nun  die  Lyrik  nach  Stoifgebieten  betrachtet,  nach  dem  Gefühl 
für  das  Vaterland,  die  Heimat,  das  Idyllische,  die  Natur,  Religion,  die  Liebe,  und 
Rückerts  Poesie  geschildert.  Den  Schluss  bilden  einige  Facsimile,  so  eines  Briefes  vom 
20.  Febr.  1823  an  Carl  Weichselbaumer,  und  eines  Gedichtfragments  (1842).  —  Gegen 
Beyers  Uebertreibung  sticht  angenehm  die  warme,  aber  sachlich  ruhige  Dai'stellung 
Rückerts  durch  Muncker^ov)  ab,  die  von  Schäfleri<*8)  im  Zusammenhange  mit  mehreren 
neueren  Rückertpublikationen  besprochen  und  in  einigen  Punkten  ergänzt  wurde.  M. 
weist  Rückert  die  Stelle  an,  die  ihm  innerhalb  des  Bestrebens  gebührt,  eine  Weltlitteratur 
zu  schaffen,  und  so  bewundert  er  bei  ihm  weniger  die  eigenartige  Neuheit  seiner  Ge- 
danken oder  die  imponierende  Grösse  und  individuelle  Kraft  seiner  Empfindungen,  als 
den  universellen  Reichtum  an  Formen,  Weisen  und  Farben,  die  Unerschöpflichkeit  des 
dichterischen  Ausdrucks,  die  ihn  immer  und  immer  wieder  zum  Singen  drängte.  Kurz 
und  übersichtlich  erzählt  er  Rückerts  äussere  Lebensschicksale,  indem  er  zugleich  einzelne 
wissenschaftliche  Arbeiten,  die  Habilitationsschrift^^-*)  ausreichend  charakterisiert.  Ihm 
erscheinen  als  Grundeigenschaften  in  Rückerts  menschlichem  Wesen  „Einfachheit  und 
Biederkeit".  Er  betont  Rückerts  Frömmigkeit,  die  eine  Zeitlang  zu  mystischem  Pantheis- 
mus neigte,  seinen  Eklektizismus  auf  dem  Gebiete  der  Philosophie,  der  aus  jedem  Systeme 
das  praktisch  Brauchbare  nahm,  seine  Humanität  und  seine  Vaterlandsliebe,  die  aber  nie 
zu  einem  eigentlichen  Anteil  an  Politik  führte.  Zuerst  ist  dann  vom  Uebersetzer  die 
Rede,  wobei  M.  sehr  husch  die  Methode  des  Rückertschen  Verdeutschens  darstellt ;  nicht 
wie  Beyer  den  Inhalt,  sondern  naturgemäss  das  deutsche  Gewand,  das  Rückert  den 
fremden  Dichtungen  lieh,  fasst  er  ins  Auge;  dieser  Teil  des  M.schen  Heftes  verdient 
besondere  Beachtung.  M.  ist  nicht  blind  gegen  die  Schwächen  Rückerts,  hebt  seine 
gewaltsamen  Bildungen,  undeutschen  Konstruktionen  hervor,  macht  auf  Mängel  der 
eigenen  epischen  und  besonders  der  dramatischen  Versuche  Rückerts  aufmerksam,  ohne 
deshalb  die  ästhetische  Kritik  nur  negativ  werden  zu  lassen  oder  die  litterarhistorische 
Einreihung  zu  versäumen.  Er  schliesst  Rückert  auch  in  der  Lyrik  an  die  Romantik  an, 
indem  er  Gewinn  und  Nachteil  ihres  Einflusses  erwägt  und  die  Unterschiede  der  Rückertschen 
Poesie  von  der  romantischen  darlegt.  Die  einzelnen  Seiten  der  LjTik  Rückerts  werden 
geschildert,  wobei  M.  zu  dem  Resultate  gelangt,  dass  der  Dichter  nicht  wie  Goethe,  wie 
in  gewissem  Grade  noch  Heine  neue  Reiche  des  Empfindens  erschloss,  trotzdem  aber 
auf  verschiedene  Dichter  der  nachfolgenden  Zeit  befruchtend  wirkte.  Im  Anhange  teilt 
auch  M.  neben  einem  facsimilierten  Geschäftsbriefe  mehrere  bisher  ungedruckte  Gedichte 
Rückerts  aus  dem  unerschöpflichen  Nachlasse  mit.  Jedenfalls  gehört  sein  Heft  zu  den 
erfreulichsten  Erscheinungen  der  Rückertlitteratur.  —  Einen  Beitrag  zur  Biographie 
Rückerts  konnte  von  Mor-Sunnegg  ^^o)  aus  ungedruckten  Briefen  des  Dichters  spenden,  er 
schöpft  aus  dem  Nachlasse  des  bekannten  Orientalisten  Hammer-Purgstall  und  stellt 
eine  Publikation  seiner  erhaltenen  Memoiren,  wenigstens  gekürzt,  in  Aussicht.  Er  er- 
zählt das  Leben  beider  Männer,  bis  sie  sich  zu  Wien  im  Jahre  1818  fanden,  wobei 
Rückert  von  Hammer  lernt.  Fünf  Briefe  vom  20.  Dez.  1823  bis  28.  Okt.  1826  handeln 
über  die  Bemühungen  um  die  Erlanger  Lehrkanzel ;  jener  vom  20.  Jan.  1827  giebt  Bericht 
über  die  ersten  Erfahrungen  des  neuen  Professors.  —  Von  den  Briefen  Rückerts  an 
seinen  Verleger  Reich,  von  denen  bisher  schon  mehrere  gedruckt  waren,  erhalten  wir 
drei  weitere i"),  die  hauptsächlich  über  die  „Weisheit  des  Bramahnen"  handeln,  aber 
auch  über  die  Uebersetzung  des  Koran,  die  schon  Ostern  1837  erscheinen  sollte,  jedoch 
erst  1888  wirklich  erschien.  Interessant  ist  die  Entrüstung,  mit  der  Rückert  das  Ge- 
rücht zurückweist,  dass  er  als  Nachfolger  eines  der  sieben  exilierten  Göttinger  an  diese  Uni- 
versität berufen  worden  sei;  er  nennt  die  Nachricht  eine  seinem  Namen  „öffentlich  an- 
gethane  Schmach".  —  Ein  Brief  an  Lazarus ^12)  aus  dem  Jahre  1863  behandelt  das 
Nirwana  und  enthält  zwei  Improvisationen  Rückerts.  —  Die  zwei  Briefe  Rückerts  an 
S.Heller  in  Prag,  die  Kohut^^"'^)  mitteilt,  sind  längst  gedruckt,  obwohl  dies  K.  ver- 
schweigt; sie  finden  sich  sorgfältiger  als  bei  ihm  in  H.  J.  Landaus  „Neuem  deutschen 
Hausschatz  für  Freunde  der  Künste  und  Wissenschaften  (Supplement)",  Prag  1869, 
S.  239  ff.     K.    ist    ein  Vielschreiber    ärgster  Sorte    und    durchaus    unzuverlässig.  —  Ein 


Zweite  Anfl.  Stuttgart,  SUdd.  Verlagsinst.  52  S.  M.  1,60.  |[BUchner:  AZg".  N.  308.]  |  -  107)  F.  Muncker,  F.  Rllckert. 
Zeichnungen  v.  0.  E.  Lau.  (=  Bayer.  Bibl.  1.  Serie  14.  Bd.)  Bamberg,  Buchner.  79  S.  M.  1,40.  —  108)  J.  Sehäfler,  Z. 
RUckert-Litteratur:  AZg».  N.  226.  —  109)  X  «•  Suphan,  E.  ungednickter  Brief  v.  F.  RUckert  an  Goethe:  VLO.  3,  S.  378. 
(Jena,  9.  Mai  1811,  mit  d.  Habilitationsschrift.)  —  110)  E.  v.  Mor-Sunnegg,  F.  RUckert  über  seine  Berufung  nach  Erlangen 
(Aus  noch  ungedruckten  Briefen  d.  Dichters):  DeutschZg.  N.  6760/1.  (Auch  als  S.-A.  Wien,  Bergmann  &  Comp.  23  S.  erschienen.) 
—  III)  Ungedruckte  Briefe  v.  RUckert:  Düichtung.  8,  S.  94/7.  —  112)  Brief  v.  F.  RUckert  an  Lazarus:  BerlTBl.  N.  .528.  (Abge- 
druckt aus  AZgJudent.)    -      113)  A.  Kohut,  S.  Heller  u.  F.  Rllckert:    Bohcmia    N.  81.    —    114)    F.   KUckcrt    an    sninc  Verehrer 


1V,2:  R.  M.  Werner,  Lyrik  des   i8./19.  Jahrhundertsj  66 

„Verschen"  des  75jährigen  Rückert  an  Dorni^*)  dankt  für  eine  Petersburger  Gratulations- 
adresse, ii^-^l*^)  —  Eine  Reihe  von  Publikationen  aus  Rückerts  Naclüass,  soweit  er  sich 
auf  der  Berliner  Kgl.  Bibliothek  befindet,  ging  von  Bayeri^'^-ii^)  aus,  der  auch  Rückerts 
Firdusiübersetzung  zuerst  herausgab.  Nach  Chodzkos  „Specimens  of  the  populär  poetry 
of  Persia  etc."  (London  1842)  übertrug  Rückert  mehrere  Volkslieder,  so  Mazendera- 
nische,  Gilanische  und  Tälische,  meist  kurze  Vierzeiler  ganz  im  Stile  der  Schnadahüpfeln; 
diese  tjebertragungen  dürften  bald  nach  dem  Erscheinen  des  englischen  Buches  verfasst 
sein.  —  Aus  Hafis' Diwan,  den  Rückert  bearbeitete,  teilt  Bayer  ii9-i20)  ein  Gedicht  mit,  in- 
dem er  zum  Vergleiche  Hammers  und  Rosenzweigs  Uebertragungen  herbeizieht;  aus 
Nisamis  „Sieben  Schönheiten"  die  Rätsel  der  Turandot,  übersetzt  wohl  Ende  der 
vierziger  Jahre.  —  Einen  Spruch  des  Tagebuches  über  die  Stellung  des  Dichters  zur 
Partei  gegen  Ereiligraths  bekannte  Verse  hat  SteineP^i)  dargeboten.  —  Von  den 
grösseren  Gaben  des  Nachlasses  erfuhr  besonders  das  ,, Poetische  Tagebuch"  durch 
Kern  122)  eine  fruchtbare  Besprechung;  er  geht  aus  vom  Unterschiede  zwischen  Rückert 
und  Platen,  den  schon  ihre  Tagebücher  darstellen,  verbessert  hierauf  einige  Fehler  der 
Publikation  123)^  zeichnet  den  allgemeinen  Charakter  der  Sammlung  und  erläutert  dann 
an  einzelnen  Beispielen  Rückerts  Art  zu  arbeiten.  Die  Themen  der  Tagebuchgedichte 
sind  angegeben:  Naturbilder,  Philosophisches,  Religiöses,  moralische  Sentenzen;  neben 
Eigenem  stehen  Uebersetzungen  und  Nachbildungen,  dann  Urteile  über  Litteratur- 
werke.  Besonders  rühmt  K.  die  Gedichte  Rückerts  über  das  Verhältnis  zu  seiner  Frau, 
die  Stimmungen  vor  und  nach  ihrem  Tode,  sowie  die  Stimmungen  vor  seinem  eigenen 
Ende.  Zum  Schlüsse  spricht  K.  die  Meinung  aus,  die  Rückertschen  Gedichte  dürfte 
man  in  einer  einzelne  Strophen  tilgenden  und  nur  das  Beste  berücksichtigenden  Aus- 
wahl dem  Publikum  mundgerecht  machen.  K.  bemäntelt  ebenfalls  die  Schwächen 
Rückerts  nicht,  glaubt  aber,  ihm  sei  noch  nicht  sein  Recht  geworden,  denn  seine  Lyrik 
könne  doch  am  besten  zu  der  Goethes  gestellt  werden  und  habe  vor  dieser  sogar  eines 
voraus:  die  Darstellung  edler  reiner  Häuslichkeit. ^24)  — 

Ueber  Platen  liegt  ausser  gelegentlichen  Aeusserungen  nur  ein  Essay  des 
Amerikaners  Gildersleeve  ^25^  yqj.^  (Jer  als  Bonner  Student  1852  durch  Emil  Hübner 
mit  dem  deutschen  Dichter  bekannt  gemacht  wurde  und  nun  in  der  Erinnerung  an  die 
schönen  Tage  am  Rhein,  in  Heisterbach  und  im  Siebengebirge  schwelgend  seine  Lands- 
leute mit  Platen  unterhält.  Er  weiss,  dass  Platen  auch  in  seinem  eigenen  Vaterlande  niemals 
populär  werden  kann,  trotzdem  empfindet  er  es  als  eine  durch  den  englischen  Geschmack 
bedingte  Vernachlässigung,  dass  Amerika  so  ganz  achtlos  an  dem  deutschen  Grafen 
vorübergehe.  Auch  er  nennt  Rückert  männlicher  als  Platen,  ausgestattet  mit  gefälligerer 
Sprachbeherrschung,  unmittelbarer,  tiefer;  aber  er  giebt  ihm  trotzdem  das  Prädikat  eines 
„klassischen  Satirikers"  und  rühmt  als  seine  Gaben  durchdringenden  Verstand,  wunder- 
volle Sprachgewandtheit,  ernste  Liebe  zur  Kunst;  als  ein  „Macher"  enttäusche  er,  nicht 
durch  eine  einzige  grosse  Konzeption  habe  er  die  Welt  bereichert,  nur  durch  seine  An- 
griffe auf  eine  ephemere  Erscheinung,  die  Scliicksalstragödie,  sei  er  bemerkenswert.  G. 
charakterisiert  nun  Platens  Aristophanische  Komödien  liebevoll  und  legt  einzelne  Stellen 
in  sehr  gelungener  Uebersetzung  vor.  Die  Ijrrischen  Gedichte  mit  antiker  Form  em- 
pfiehlt er  seinen  Landsleuten  zum  Studium,  ohne  näher  auf  sie  einzugehen.  — 

An  Rückert  und  Platen  dürfen  wir  den  Grafen  Schack  anschliessen,  der  noch 
unter  uns  weilt  und  unermüdlich  neue  Gaben  darbringt,  aber  von  Hallingi26)  doch 
schon  für  die  Schule  bearbeitet  wurde.  H.  giebt  eine  kurze  Biographie,  dann  eine  Aus- 
walil  von  67  Gedichten  nach  Inhalt  und  Form  geordnet,  endlich  Erläuterungen,  die 
nicht  bloss  Sprache,  Rhythmus,  Bau  usw.,  sondern  auch  den  Inhalt  beachten  und 
aus  Schacks  übrigen  Werken,  zumal  seinen  selbstbiographischen,  Aufschlüsse  für  die 
Gedichte  gewinnen.  127)  — 

Auch  Freiligrath  128-131)  dürfen  wir  hier  erwähnen,  zu  dessen  „Trompete  von 
Gravelotte"  die  Biographie  des  Generals  von  Bredowi32)  eine  Erklänmg  giebt. i^^'i^^)  ^ — 

in  Petersburg:  MLJA.  59,  S.  663/4.  —  115)  X  F-  KUckert.  Mit  Portr.:  Grüss  Gott.  N.  3.  (Populär.)  —  116)  G.,  F.  Rückert; 
Gartenlaube  S.  730/1.  —  117)  (IV,  3  N.  83.)  —  118)  E.  Bayer,  Nordpersische  Volkslieder  übersetzt  v.  F.  Rückert 
Aus  d.  Nachlasse  d.  Dichters :  MLJA.  59,  S.  85/8,  106/9.  —  119)  i  d.,  E.  Hafisnummer  übersetzt  v.  F.  Rückert.  Aus  d.  Nachlass : 
ib.  S.  293/5.  —  120)  id.,  D.  Rätsel  d.  Turandot  in  symbolischer  Fassung  aus  F.  Rückerts  Nachlass  z.  Feier  d.  Denkmals-Ent- 
hüllung mitgeteilt:  ib.  S.  699—701.  —  121)  0.  Steinel,  E.  politischer  Spruch  Rückerts:  DDichtung.  9,  S.  158.  —  122)  F.  Kern, 
Rückerts  Poetisches  Tagebuch:  VossZgS.  N.  20.  |[vgl.  DLZ.  S.  607.] |  —  123)  X  Druckfehler  in  e.  Spruch  Rückerts:  ZDS.  4, 
S.  7-8.  („Sprüche  Abu  Bekers"  N.  1  soll  V.  4  reiner  Endreim  hergestellt  werden;  RUckeit  aber  scheint  Assonanzen  beabsichtigt 
zu  haben.)  —  124)  X  L-  P->  Z.  90.  Wiederkehr  v.  G.  F.  Daumers  Geburtstag:  AZg».  N.  34(54).  —  125)  B.  L.  Gildersleeve, 
Platens  Poems.  (=  Essays  and  Studies  Educational  and  Literary  S.  399— 450.)  Baltimore,  Murray.  4".  |  [Nation».  50,  S.  457.]|  — 
126)  Gedichte  d.  Grafen  A.  F.  v.  Schack.  Für  Schule  u.  Haus  ausgew.  u.  erl.  v.  K.  Halli^ng.  Dresden,  Ehlerraann.  XVI,  204  S. 
M.  1,30.  —  127)  X  W.  Immermann,  E.  moderner  Dichter:  DeutschZg.  N.  6472.  (Schack  wird  nicht  reaktionär,  sondern 
modern  genannt  u.  das  bei  den'  einzelnen  Werken  durchgeführt.)  —  128)  X  F-  FreiligrEth,  Sämtl.  Dichtungen.  Mit  Bio- 
graphie. 5.  (unveränd.  Stereotyp-) Aufl.  6  Bde.  Stuttgart,  Göschen.  XLVllI,  231;  IX,  330;  V  239;  VI,  297;  VI,  272;  IV,  255 
S.  M.  10,00.  —  129)  X  id..  E.  Pathengedicht:  FZg.  N.  99;  daraus:  LZg.  N.  81;  TglRs.  N.  84;  NPPr.  N.9208  usw.  (An  Adeline 
Rittershaus  März  1872,  schon  gedruckt.  Ges.  Dichtungen  2,  S.  307,  vgl.  TglRs.  N.  86.)  —  130)  X  id.,  Nachgelassenes 
(Mazeppa,  D.  Eggesterstein).  Stuttgart,  Göschen.  YllI,  80  S.  M.  3,00.  |  [DR.  15, 1,  S.  122.]  |  —  131)  M.  C  a r r  i  6  r  e ,  Ferdinand  Freiligrath. 
Jaliresberichte  für  neuere  deutsche  Litteraturgeschichto  I  <n.  5 


m  IV,2:  R.  M.  Werner,  Lyrik  des  18./19.  Jahrhunderts. 

Von  den  österreichischen  Lyrikern  wurde  besonders  Lenau  behandelt;  eine 
populäre  Schilderung  dui'ch  Wechsler  ^^e^  mit  kurzer  Biographie  und  dem  Versuch 
einer  Charakteristik  enthält  eine  geschickte  Kontrastierung  Lenaus  mit  Heine  sowie 
mit  Leopardi;  merkwürdig  genug  führt  W.  die  Wirkung  von  Wilhelm  Busch  dafür 
an,  dass  wir  einzelne  Verse  Lenaus  nicht  mehr  ernst  zu  nehmen  vermöchten.  — 
Pröhlei37^  bemühte  sich  ohne  Erfolg,  Lenau i^ö)  ganz  für  Schwaben  zu  beanspruchen; 
ebenso  missglückt  der  Nachweis,  dass  Lenau  in  der  „Haideschenke"  „Mein  Neujahrs- 
lied" von  Claudius,  im  „Gespenst"  Heine,  im  „Postillon"  Uhland  nachgeahmt  und 
benutzt  habe.  —  A.  Bock^^g^  stellte  aus  den  Briefen  Lenaus  und  den  Erinnerungen 
seiner  Ereunde  sein  Interesse  an  der  Musik  und  sein  Verhältnis  zu  den  Musikern  dar; 
sowohl  Lenaus  eigenes  Spiel  wie  sein  Urteil  über  Musik,  über  Geigenbau  wird  charak- 
terisiert, und  im  Verhältnis  zu  Beethovens  neunter  Symphonie  wird  er  Grillparzer  gegen- 
übergestellt. Merkwürdig  ist  der  Schluss  des  Aufsatzes,  nach  dem  es  scheinen  könnte, 
als  sei  Lenau  1844  gestorben;  Erankls  „Erinnerungen"  hat  sich  B.  entgehen  lassen,  ob- 
wohl sie  einen  charakteristischen  Abschnitt  über  Musik  enthalten.  —  Erankl^^O)  hat 
die  beiden  Besuche  Lenaus  in  Gmunden  1829  und  1831,  die  Verbrüderung  Lenaus  und 
Schleifers  auf  dem  Kirchhofe  beschrieben,  hauptsächlich  aber  das  Andenken  Mattliias 
Schleifers  geehrt;  eine  hübsche  Anekdote  aus  dessen  Jugend,  seme  Audienz  bei  Kaiser 
Joseph,  wird  erzälilt.  — 

Drei  unbekannte  Jugendgedichte  Grill parz er s  hat  Glossy  i*^)  aus  dem  Nach- 
lasse veröifentHcht,  das  erste  vom  27.  Apr.  180G  führt  den  Titel  „Der  Abend";  seiner  ge- 
denkt Grillparzer  in  der  Selbstbiographie.  ,,Das  Mädchen  im  Erühling"  vom  13.  Aug.  1807 
ist  ein  Selbstgespräch  einer  Fünfzehnjährigen  im  Erühling,  die  allgemeine  Lust  und  ihr 
inneres  Sehnen  nach  einem  fühlenden  Herzen  stehen  einander  gegenüber;  das  letzte  ,,An 
Altmütter"  scherzt  über  des  Ereundes  chemische  Beschäftigung  und  gedenkt  des  Spar- 
takus. Ein  Gedicht  von  zwei  Strophen:  „Hoch  auf  schwindhchen  Stegen",  wurde  aus 
dem  Besitz  von  J.  Watzenauer  gedruckt  ^*2).  — 

Gerhard  143^  erzählt  Süchtig  das  Leben  Zedlitz';  Nagele  1*4)  giebt  die 
Charakteristik  dazu,  indem  er  die  Eoi'mschönheit  der  Gedichte  lobt,  ihnen  aber  den 
kühnen  Schwung  Grüns,  die  tiefe  Innigkeit  Lenaus  und  die  Originalität  abspricht;  er 
lehnt  ihn  an  die  Romantiker  an  und  preist  vor  allem  die  Soldatenlieder.  —  Weltner^*^) 
dagegen  fühlt  sich  nicht  nur  diu-ch  die  ebenso  einfache  als  edle  Sprache  ZedHtz',  sondern 
auch  durch  die  OriginaHtät  der  Gedanken  und  die  wohlthuende  echte  Wärme  der  Be- 
geisterung für  alles  Gute  und  Schöne  gefesselt.  —  Einen  Eestvortrag  zur  Erinnerung  an 
Zedlitz'  hundertsten  Geburtstag  hielt  Mahrenholtz  i*^)  im  Dresdner  Litterarischen 
Verein;  in  ansprechender  Weise  zeichnet  er  den  liistorischen  Hintergrund,  um  so  füi" 
den  Dichter  Verständnis  zu  gewinnen;  wohlthuend  ist  die  ruhige,  von  jeder  Uebertreibung 
freie  Darstellung,  die  dem  Dichter  gerecht  wird,  auch  wo  seine  Bestrebungen  nicht  mit 
Sympatliie  begleitet  werden  können.  Besonders  hebt  M.  hervor,  wie  glücklich  Zedhtz 
in  den  „Totenkränzen"  Mass  zu  halten  verstand.  —  Zwei  Briefe  des  Dichters  an  Hammer- 
Pui'gstall  hat  Mor-Sunnegg  1'^'^)  bekannt  gemacht;  sie  stammen  von  einer  Reise  her,  die 
Zedlitz  1830  unternahm,  und  haben  doppeltes  Interesse,  persönhches  und  pohtisches, 
denn  sie  handeln  zum  Teil  über  König  Ludwig  von  Bayern  i^^j^  j^^i  dem  Zedhtz  eine 
lange  Audienz  hatte;  besonders  die  Censiir,  das  Urteil  der  Zeitungen,  österreicliische 
Verhältnisse,  aber  auch  die  „Totenkräiize"  wurden  besprochen.  Zedhtz  giebt  eine  be- 
geisterte Sclülderung  des  Königs,  voll  Spitzen  gegen  die  Zustände  in  Oesterreich.  Auch 
Schenks  wii'd  gedacht;  dann  erfährt  noch  die  bildende  Kunst  hebevolle  Wüi'diguhg: 
Zedlitz  ist  erstaunt  über  das  rege  Leben,  das  er  auf  diesem  Gebiete  in  München  fand. 
Das  Theater  hat  ihn  sehr  enttäuscht;  er  hätte  Intendant  werden  können,  weim  er  es 
gewollt  hätte.  Seine  Bemerkungen,  oft  recht  derb,  aber  sehr  gewandt,  sind  charakte- 
ristisch für  die  damaligen  Bestrebungen  in  Oesterreich  und  atmen  Hass  gegen  das 
Pfaffen-  und    das  Spitzeltum.     Gerade  unter  diesem  und  der    leidigen  Censur  hatten  die 


(=  Lobonsbildor.  S.  371—402.  S.  o.  IV,  1  N.  41)  —  132)  Adalbert  v.  Brodow:  Didask.  N.  58,  S.  231/2.  (Aus  d.  Frankfurt 
OderZg.)  —  133)  X  F-  v.  Bodenstedt  in  Wien  1848:  FremdonBl.  N.  107.  —  134)  X  0.  T.,  Aus  F.  Bodonstedts  Leben:  From- 
ienBl.  N.  158.  —  135)  X  H.  PröLlo,  Adolf  Scliults:  ADB.  31,  S.  702|3.  (Wupportlialer  Dichter,  angeregt  durcli  Kreilit;- 
rath.  Nur  Biogr.,  keine  Cliarakteristik.)  —  136)  E.  Wechsler,  N.  Lenau.  E.  litt.  Studio:  WJDM.  (\S,  S.  C7fi— 92.  —  '37)  H. 
Pröhle,  N.  Lenau:  NatZg.  N.  365.—  138)  N.  Lenau,  Ausgew.  Gedichte:  ü.-Ö.National-Bibl.  N.  91.  Keichenberg  i/B.,  Weichclt. 
64  S.  M.  0,20.  (üeschickte  Auswahl  mit  kurzer  biograph.  Einl.)  —  139)  A.  Bock,  Lenaus  Verhältnis  z.  Musik:  AZg.  N.  244.  — 
140)  L.  A.  Frankl,  Gmundener  Erinnerungen  (Lenau  u.  Mathias  Schleifer):  NFPr.  N.  9329.  —  141)  C.  Glossy,  Ungodruckte 
Jugendgedichte  F.  Grillparzers.  Separatabdr.:  Jb  d.  östorr.  Ges.  y.  weissen  Kreuze,  o.  0.  u.  J.  4  S.  (vgl.  Bohemia  N.  108.) 
—  142)  F.  Grillparzer,  E.  Gedicht:  NFPr.  N.  9108;  vgL  WeserZg.  N.  15469.  —  143)  C.  Gerhard,  J.  Ch.  Frhr.  v.  Zedlitz.  Z.  d. 
Dichters  100.  Geburtstage :  WienZg.- N.  49.  —  144)  A.  Nagele,  Zedlitz:  WienZg.  N.  49.  —  145)  A.  J.  Weltner,  J.  Chr. 
Frhr.  v.  Zedlitz:  FremdenBl.  N.  58.  —  146)  R.  Mahrenholtz,  J.  Ch.  r.  Zedlitz:  AZg".  N.  39  (33).  (Vgl.  Post  N.  58; 
DeutschZg.  N.  6623,  6626;  HannCour.  N.  16295;  SchlesZg.  N.  148;  F.  Gross:  NWienTagbl.  28.  Febr.;  Kunstw.  3,  S.  n.]|  — 
147)  E.  T.  Mor-Sunnegg,  J,  Chr.  Frhr.  v.  Zedlitz  Über  König  Ludwig  v.  Bayern.  2.  ungedr.  Sendschreiben :  AZg".  N.  141/2 
(118/9).  —  148)  XE.  Gedicht  v.  König  Ludwig  L  in  deutscher  u.  engL  Sprache:  MUnchenerKunst.  2,  S.  102.  (D.  Gedicht  mit  d. 
Ueberschrift :    ,So  war's,  so  ist's",    behandelt    d.    Aufschwung   d.   deutschen  Geistes  in  Bayern;    Übersetzt  v.  Dr.  C.  Bayer.]| 


TV, '2:  E.*M.  Werner,  Lyrik  des  18./19.  Jahrhunderts.  67 

österreichischen  Dichter  schwer  zu  leiden.  Zedütz  thut  die  Aeusserung,  „dass  schrift- 
stellerische Arbeiten,  die  in  der  übrigen  gebildeten  Welt  mit  Achtung  genannt  werden, 
im  eigenen  Vaterlande,  dem  sie  zunächst  angehören,  wie  Contrebande-Waren  ein- 
geschmuggelt oder  mühsam  durch  ewige  Kämpfe  gegen  eselhafte  Censoren  freigefochten 
werden  müssen".  In  allen  Biographien  der  österreichischen  Poeten  aus  dem  Vormärz 
bildet  diese  Censur  den  schwarzen  Punkt,  i^^)  — 

Anastasius  Grün^soj  wurde  besonders  von  K.  PrölP^i-^^^)  behandelt;  mit  grosser 
Kraft  und  überzeugtem  Tone  bespricht  er  vor  allem  die  poUtische  Bedeutung  des  Mannes, 
mit  Blicken  auf  die  politischen  und  nationalen  Schwierigkeiten  in  Oesterreich;  er  macht 
darauf  aufmerksam,  dass  Grün  der  erste  Preiheitsdichter  sei,  dem  später  so  viele  folgten, 
das  sei  ein  Beweis,  „dass  damals  Oesterreich  noch  geistige  Impulse  zu  geben  fähig  war". 
Auch  Grüns  parlamentarische  Thätigkeit  wird  vollauf  gewürdigt.  — ■  Frankl  i^)  brachte 
Aufschluss  über  die  Beziehungen  Grüns  zu  Erzherzog  Johann,  druckte  Grüns  Aufruf  an 
die  Slovenen  vom  28.  Apr.  1848  ab  und  seine  Spi'üche  für  das  Grazer  Erzherzog-Johann- 
Denkmal,  ausser  den  zwei  gewählten  noch  sieben  andere.  — Leitner  i^s)  gab  noch  kiu'z 
vor  seinem  Tode  Kunde  von  seinem  intimen  Verkehr  mit  Grün,  der  im  Jalire  1827  be- 
gann; mit  dem  Schauspieler  E-ettich  wurden  die  Dramen  Shakespeares  unter  Verteilung 
der  Rollen  gelesen;  eng  schloss  sich  Grün  an  Pellner,  wie  er  überhaupt  gerne  mit 
älteren  Genossen  verkehrte.  Ein  von  L.  pubhzierter  Brief  Grüns  an  ihn  (1830)  erzählt 
von  den  Schwierigkeiten,  die  schon  bei  den  ,, Blättern  der  Liebe"  von  der  Censur  er- 
hoben wurden;  auch  von  den  Censurgeschichten  beim  Erscheinen  der  ,, Spaziergänge" 
und  von  der  Einführung  des  Namens  „Graz"  für  „Graz",  zu  der  Grün  die  unschuldige 
Ursache  war,  giebt  L.  hübschen  Bericht.  Ausführhch  verweilt  L.  bei  Grüns  letzter 
Ehrung  und  seinem  Tod.  — 

Leitner  selbst  hat  die  für  ihn  vorbereitete  Peier  seines  90.  Gebiirtstages  nicht 
mehr  erlebt,  obwohl  er  noch  bis  km-z  vor  seinem  Tod  durch  einzelne  Gedichte  seine 
merkwürdige  geistige  Prische  bewiesen  hatte,  mochte  er  uns  Erzherzog  Johann  auf  dem 
Totenbette  vorführen  i^ß)  oder  „Am  Meere"  ^S'^)  nach  der  Heimat  ausblicken,  die  hinieden 
niemand  fand,  oder  sich  nach  den  Bergen  sehnen,  von  denen,  kommts  zum  Sterben, 
kurz  der  Weg  empor  wird  sein^^^).  —  Nach  Leitners  Tod  erschienen  in  den  Zeitungen 
allerlei  Nekrologe  ^^^-^60)^  auch  der  schöne  Pestartikel  Schönbachs  i^^)  zum  90.  Geburtstage 
wurde  nun  ein  Nachruf.  S.  würdigt  Leitners  persönliche  Verdienste  um  die  schöne  Steier- 
mark, seine  wissenschaftlichen  Arbeiten,  rühmt  an  seinen  Novellen  den  schlichten  Vortrag 
und  die  einfachen  Mittel,  die  uns  auch  in  den  besten  Arbeiten  Grillparzers,  Halms,  Goethes, 
Tiecks,  Kleists,  Kellers  und  C.  P.  Meyers  begegnen,  wendet  sich  hierauf  dem  wichtigsten 
Gebiete  der  Leitnerschen  Poesie,  der  Ballade  zu,  um  die  Walil  düsterer  Stoffe  als  charak- 
teristisch für  das  damalige  Oesterreich,  die  Begeisterung  für  das  idealisierte  Mittelalter 
als  bezeichnend  für  die  spätere  Romantik  nachzuweisen.  Eigentümlich  für  Leitners 
Behandlung  ist  die  Kürze,  die  Höhepunkt  und  Ende  der  Ballade  zusammenfallen  lässt. 
S.  erkennt  hierin  Uhlands  Einfluss.  Die  Walil  der  Strophenformen  verrät  feinen  Künstler- 
sinn, die  wenigen  Legenden  zeigen  den  Ton  des  Goetheschen  „Hufeisen",  gedämpfte 
Schalkhaftigkeit;  ein  gewisser  trockener  Humor  kommt  besonders  in  den  moderne  Stoffe 
behandelnden  Balladen  zur  Geltung.  So  stellt  S.  den  Dichter  als  einen  kraftvollen  öst- 
lichen Spross  der  schwäbischen  Romantik  auch  in  der  eigentlichen  Lyrik  dar,  bezeichnet 
auch  hier  seine  Lieblingsthemen  und  seine  behagliche,  unmoderne,  aber  reizvolle  Weise; 
er  bemerkt,  welchen  Portschritt  Leitner  in  den  einzelnen  Sammlungen  verrate  und  be- 
wundert die  unverwüstliche  Lebenskraft,  muss  aber  in  einer  Nachschrift  stimmungsvoll 
des  Leichenzuges  gedenken.  Da  S.  von  den  Novellen  vorzügHch  den  „Meister  Kunbert" 
hervorgehoben  hatte,  wurde  dieses  Stück  neugedruckt  iö2)_  — 

Rüstig  wie  Leitner,  dabei  immerfort  litterarisch  mit  Erfolg  thätig,  erlebte 
L.  A.  Prankl  seinen  80.  Geburtstag;  zwar  behauptet  auch  er,  nur  das  Alter  sei  ihm 
geblieben  163^,  aber  eine  kurze  selbstbiographische  Skizze  ^ß^)  beweist  doch,  dass  ihn  auch 
der  Lebensmut  nicht  verlassen  hat;  dem  Titel  der  Zeitschrift  entsprechend  schildert 
Prankl  seine  weiten  Reisen  über  Land  und  Meer,    berührt  kurz  seine  Dichtungen,    ver- 


—  149)  X  M.  G.  Saphir,  Album  ernster  u.  heiterer  Deklamationsgedichte.  (=  Universal-Bibl.  N.  2651/3.)  Leipzig,  Eeclam.  o.  J. 
324  S.  M.  0,60.  (Auswahl  aus  d.  Dichtungen  für  Akademien,  nur  d.  beste  enthaltend,  aber  grässlich  veraltet.)  —  150)  X  A.  Grün, 
Ausgew.  Gedichte.  (=  D.-8.  National-Bibl.  71/2.)  Reichenberg  i/B.,  Weichelt.  88  S.  M.  0,40.  (Kurze  Biographie,  dann  Auswahl 
aus  Grüns  Lyrik.)  —  !5I)  K.  Pröll,  E.  Freiheitsdichter  d.  Deutschon  Oesterreichs:  VossZgS.  N.  6-7.  (Erweitert  u.  mit  N.  152 
zusammengearbeitet  in  N.  153.)  —  152)  id.,  Graf  A.  A.  v.  Auersperg  (Anastasius  Grün)  als  österreichischer  Parlamentarier:  DWBl.  3, 
S.  68— 71.  —  153)  id.,  Anastasius  Grün.  E.  österr.  Vorkämpfer  d.  alldeutschen  Gedankens.  (^Deutsch-nationale  Feldzüge  *  *  *.) 
Berlin,  Lüstenöder.  34  S.  M.  0,40.  |[MLJA.  59,  S.  728.]  |  —  154)  L.  A.  Frankl,  Erinnerungen  an  Anton  Grafen  Auersperg: 
NFPr.  N.  9206.  —  155)  K.  6.  v.  Leitner,  Z.  Biographie  A.  Grüns  (Ungedr.  Nachlass):  DDichtung.  8,  S.  220/4.  —  156)  id., 
D.  Hahnenjagd:  Dioskuren  19,  S.  190/1.  —  157)  id..  Am  Meere:  DDichtung.  8,  S.  39.  —  158)  id.,  Gedichte.  Ungedr.  Nachl. 
mit  Portr. :  ib.  S.  205/8.  (Acht,  aus  älterer  u.  neuerer  Zeit,  ohne  neue  Seiten  seines  Wesens  zu  enthüllen.)  —  159)  H.  Gras- 
berger,K.  G.  v.  Leitner:  DeutschZg.  N.  6637  u.  6638.  —  160)  K.  G.  v.  Leitner:  Kunstw.  3,  S.  307.  —  I6i)  A.  E.  Schönbach, 
K.  G.  V.  Leitner:  DDichtung.  8,  S.  224/8.  —  162)  K.  G.  v.  Leitner,  Meister  Kunbert:  ib.  8,8.239-43.  —  163)  L.  A.  Frankl, 
Beichte  [Sonett]  ÜL&M.  63,  S.  374.  —  164)  id..  Aus  meinem  Leben:  ib.  S.  366/7.  —  165)  X  Bernh.  Stern,  Z.  80.  Geburtstage 

5* 


68  1V,2:  R.  M.  Werner,  Lyrik  des  18./19.  Jahrhunderts. 

weilt  länger  bei  seinein  humanitären  Wirken  und  verheisst  eine  Reihe  von  Veröffentlichungen: 
Grüns  und  Lenaus  Nachlass  und  seine  Memoiren.  Von  den  Eestartikeln  über  Frankli'^^-i^ß) 
sei  nur  jener  Hevesis^^^)  hervorgehoben,  weil  er  ein  sehr  anschauliches  Bild  von 
Frankls  Heim  entwirft  und  die  zahlreichen  Erinnerungen  vorführt,  die  Frankls  Wohnung 
schmücken.  — 

K.  Werneri<58)  würdigt  Feuchtersieben  als  Lyriker  und  entwickelt  aus  den 
Lebensverhältnissen  des  Dichters,  dass  die  Sinnsprüche  und  poetischen  Aphorismen  be- 
sonders hervorstechen  müssten,  doch  finden  sich  auch  Lieder  und  Stimmungsbilder;  charak- 
teristisch für  Feuchtersieben  ist  seine  milde  Resignation  in  die  unabänderlichen,  nach 
ewigen  Gesetzen  sich  richtenden  Fügungen  des  Menschenschicksals;  er  hat  sie  errungen 
durch  die  Erfahrungen  und  durch  seine  Bildung.  Seine  strengen  Anforderungen  an  sich 
selbst,  seine  Zweifel  an  seiner  poetischen  Begabung  sind  dargethan,  und  durch  Aus- 
sprüche von  Grillparzer,  Hebbel  wie  durch  Proben  wird  gezeigt,  dass  Feuchtersieben 
zwar  nicht  die  höcliste  Poesie,  aber  im  Gegensatze  zur  Zeitlitteratur  auch  Poesie  erreicht 
habe.  Die  Skizze  macht  auf  den  fast  vergessenen  Dichter  wieder  aufmerksam  und 
berücksichtigt  auch  den  Menschen,  i^^^  — 

Mit  einem  hochtalentierten  Lyriker,  der  niemals  vor  das  Publikum  getreten  war, 
mit  dem  am  15.  Februar  1830  zu  Prag  geborenen  Joseph  Mauthner  machte  uns 
Franzos^'^o-i'?!)  bekannt;  er  musste  jedoch  bald  darauf  berichten,  dass  sich  der  Dichter 
am  24.  April  erschossen  habe.  —  Einen  warmen  Nachruf  hat  Allram  ^''2)  der  kürzlich  ver- 
storbenen Dichterin  Wickenburg-Almasy  gewidmet  und  dabei  aus  ungedruckten 
Quellen  geschöpft.  Gräfin  Wickenburg  verbrachte  die  letzten  Jahre  ihres  Lebens  in 
Tirol,  dessen  Sangeslust  immer  rege  war.  — 

Leider  werden  die  litterarhistorischen  Arbeiten  über  Tiroler  Dichtung  meist 
in  Lokalblättern  versteckt,  von  denen  man  sich  ausserhalb  Tirols  keine  Nachricht  ver- 
shcafien  kann.  Eine  kurze  Andeutung  der  Tiroler  Litteraturentwickelung  verband 
Pichler^''^)  mit  einer  Charakteristik  des  Grafen  Brandis,  eines  Dramatikers  aus  dem 
17.  Jh.  —  Nicht  viel  weiter  ausgeführt  hat  Premi''*)  diese  Entwich elung  dargestellt, 
da  er  das  gegenwärtige  litterarische  TVeiben  in  Tirol  schilderte  und  dem  Lyriker  Hans 
von  Vintler  herzliche  Worte  ins  Grab  nachrief.  —  Von  den  Tiroler  Schnadahüpfeln 
geben  Greinz  und  Kapferer^''^)  eine  sehr  willkommene  neue  Sammlung,  der  sich 
von  Hörmanns^'^ö)  zierHche  Sammlung    einer  anderen  volkstümlichen  Form  anschliesst. 

—  Eine  Auswahl  aus  der  Tiroler  Lyrik,  ungescliickt  geordnet,  aber  willkommen,  hat 
Grein z'''')  veranstaltet  und  in  einer  Einleitung  nicht  immer  geschmackvoll  über  die 
Entwicklung  orientiert ;  bei  dem  Mangel  an  anderen  Arbeiten  wird  man  auf  sie  Rücksicht 
nehmen  müssen  trotz  ihrer  Fehler  und  Einseitigkeiten,  die  in  Tirol  böses  Blut  machten, 
worüber  uns  Prem^''^)  des  näheren  unterrichtete.   — 

In  weiteren  Kreisen  ist  vor  allem  der  hochbegabte  Lyriker  Hermann  von 
Gilm  bekannt  geworden,  dem  Winder^^^^  eine  „ernste  Betrachtung"  gewidmet  hat 
Der  erste  Teil  beweist,  dass  wenigstens  in  Tirol  eine  objektive  Würdigung  des  Menschen 
Gilm  durch  den  Streit  einander  befehdender  Parteien  gegenwärtig  noch  ausgeschlossen 
ist,  dass  man  den  Verhältnissen  zu  nahe  steht,  um  vollständig  ruliig  zwischen  der 
menschlichen  und  der  dichterischen  Stellung  Gilms  zu  unterscheiden.  Man  legt  auf  die 
Frage,  ob  Gilm  ein  bekehrter  Liberaler  geworden  sei,  einen  Nachdruck,  der  um  so  unbe- 
greiflicher ist,  als  diese  Frage  für  seine  Dichtung  garnicht  in  Betracht  kommt.  Doch 
muss  hervorgehoben  werden,  dass  W.  aus  dem  Wirrsal  herauszugelangen  sucht,  obgleich 
auch  bei  ihm  die  Aufregung  des  Kampfes,  den  Arnold  von  der  Passer  erregt  hat,  noch 
nachzittert.  Der  zweite  Teil  gilt  Gilms  Dichtungen,  an  denen  besonders  die  Natiu-- 
beseelung  als  Grundzug  gerühmt  wird.  W.  nennt  Gilm  glücklich  einen  Dichter  des 
Augenblicks  und  der  Laune ;  er  tadelt  die  vielfachen  Unvollkommenheiten,  das  mangelnde 
Mass,  macht  auf  die  fremden  Einflüsse  (Schiller,  Heine,  Freiligrath,  Rückert)  aufmerk- 
sam, kann  aber  Gilms  Gedichte  doch  mit  den  VolksHedern  zusammenstellen.  Die  Grund- 
linien von  Gilms  Bild  hat  W.  gewiss  richtig  gezogen;  schade,  dass  ein  „Nachtrag"  die 
unerquickHche  Polemik  gegen  den  kaum  ernst  zu  nehmenden  Arnold  von  der  Passer 
vor  ein  grösseres  Publikum  zerrt,  als  sie  verdient.     Es  ist  so  widerHch,  dass  das  Schling- 

L.  A.  Franklb:  IllZg.  N.  2432.  —  166)  X  I  [vgl.  FränkKur.  N.  75;  DeutschZg.  N.  6501,  6503;  K.  v.  Thaler:  NFPr.  N.  9138.]| 

—  I67j  L.  H[eve8ji,  L.  A.  Frankl  (zu  Boinom  achtzigsten  Geburtstag) :  FromdenBl.  N.  32.  —  168)  Karl  Werner,  Feuchters- 
lebeu  als  Dichter.  Z.  Erinnerung  an  seinen  Todestag:  WienZg.  N.  210.  —  169)  X  F-  Wolf,  Kleinero  Schriften.  Zusammen- 
gest.  V.  E.  Stengel.  Marburg,  Elwert.  XV,  312  S.  M.  9,00.  |[E.  Stengel:  BFDH.  NF.  6,  S.  465  fF.;  AZg".  N.  110  (92).]  | 
(Darin  Gedichte  aus  d.  Jahren  1817— 21.)  —  170)  K.  E.  Franzos,  Z.  Jubiläum  e.  Unbekannten  [Joseph  Mauthner] :  DDichtung. 
7,  S.  247—51.  —  171)  i d.,  ib.  8,  S.  152.  —  172)  J.  A 11  rara  ,  E.  deutsche  Dichterin  (Wilhelraine  Gräfin  Wickenburg-Almasy):  DeutschZg. 
N.  6534.  —  173)  Vgl.  0.  UI,2  N.  60.  —  174)  S.  M.  Prem,  D.  litt.  Tirol:  NorddAZg.  N.  386.  -  175)  Tiroler  Schnadahüpfeln. 
2.  Folge.  Gesamm.  u.  her.  v.  R.  H.  Greinz  u.  J.  A.  Kapferer.  Leipzig,  Liobeskind.  24".  VIII,  141  S.  M.  1,00,  —  176)  L. 
V.  llörmann,  Grabsehritten  u.  Marterten,  |  LL.  Frey  tag:  MLJA.  59,  S.  1889.]|  (Vgl.  o.  1,5  N.  32.)  —  177)  LiederfrUhling 
au»  Tirol.  Her.  v.  U.  H.  Greinz.  Leipzig,  Haessel.  1889.  XII,  230  S.  M.  3,00.  |[R.  M.  Werner:  DLZ.  12,  S.  1655/6.]|  — 
178)  S.  M.  Prem,  Schriften  V.  Greinz  ÖUK.  8,  S.  169—75.  -  179)  E.  Winder,  H.  v.  Gilm,  seine  Gedichte  u.  Einfuhr,  in  d. 
Litt.  (Nach  e.   im  deutschen  Sprachyerelne  in  Innsbruck  geh.  Vortrage.)  Abdr.  aus  BoteTyrolVorarlb.  Innsbruck,  Wagner.  1889. 


IV,2:  K.  M.  Werner,  Lyrik  des  18.  19.  Jahrhunderts.  69 

gewächs  der  kleinlichen  Berichtigungen  das  Standbild  des  Dichters  zu  umwuchern  droht.  — 
Ein  ungenannter  Verehrer  ^^o^  Gilms  konnte  neben  einigen  poetischen  EHeinigkeiten  einen 
Brief  des  Dichters  vom  25.  Mai  1863  an  seine  Gattin  mitteilen,  worin  die  Beichte 
Gilms  vom  24.  Mai  etwas  anders  dargestellt  wird,  als  bei  Winder  S.  26  f ;  auffallend  ist 
nur  der  witzelnde  Ton  dieses  Schreibens.  —  Von  einer  französischen  Würdigung 
Gilms  181^^  Robinet  de  Clerys  ,,Un  poete  tyrolien"  erfahren  wir  Näheres,  sie  ist  mit 
guten  IJebersetzungen  geziert;  Clery  hält  das  Gilmsche  Geschlecht  für  spanischer 
Abkunft.  — 

Adolph  Pichler,  dessen  Platz  neben  Gilm  nicht  bestritten  ist,  hat  in  einem 
schönen  Bande  1^2)  Neues  und  Altes  vereinigt  und  dargethan,  dass  ihm  das  Alter  nichts 
anzuliaben  vermochte;  wir  finden  neben  den  erzählenden  Gedichten  ,,Pra  Serafico",  der  um 
ein  schönes  Lied  vermehrt  wurde,  ,, Sankt  Aloysi"  und  dem  prächtigen  ,, Zaggier  Franz" 
einen  Schwank  „Kätchen",  einen  Liederkranz,  ferner  die  lyrischen  Dichtungen  „In  der 
Weise  des  H.  Holbein",  ,, Dante  zu  Ravenna",  endlich  eine  groteske  Satire  „Ecke. 
Ein  Faschingsmärchen".  —  Eine  Würdigung  Pichlers  gab  E,.  M.  Werner^^^),  der  auch 
den  Unterschied  zwischen  Gilm  und  Pichler  in  eine  Formel  zu  bringen  suchte.  „Gilm 
ist  anmutiger,  Pichler  ernster,  jener  spricht  an,  dieser  packt,  in  den  Versen  des  Einen 
klingt  es,  in  denen  des  Anderen  braust  und  donnert  es.  Könnten  wir  in  Gilm  ein  ver- 
sprengtes Mitglied  der  schwäbischen  Romantik  sehen,  so  erkennen  wir  in  Pichler,  wie 
er  sich  selbst  gerne  nennt,  einen  alten  Heiden  ....  Was  bei  Gilm  eine  glückliche 
Gabe,  ist  bei  Pichler  das  Resultat  ernster  Ai'beit."  W.  hebt  den  Einfluss  der  Antike  auf 
Pichler  wie  seine  tiefe  Religiosität  hervor.  — 

Mit  Pichler  zusammenstellen  könnte  man  Annette  von  Droste-Hülshoff^s*)^ 
deren  Gabe,  die  Natur  zu  beseelen,  L. .  Jacoby^^^)  hervorhebt;  er  erzählt  kurz  das  Leben 
der  Dichterin,  rühmt  die  formelle  Seite  ihrer  Sprache,  ohne  jedoch  die  Schwächen  der 
Form,  besonders  ihre  Achtlosigkeit  in  betreff  des  Hiatus  zu  tibersehen.  Die  Kunst 
Annettes  in  der  Zeichnung  des  Seelenlebens  wird  mehr  nur  gestreift,  dafür  erfährt  die 
Balladendichtung  durch  genaue  Analyse  des  ,, Geierpfiffs"  bedeutsamere  Beachtung.  „Das 
Hereinragen  der  Natur  in  ihre  Schöpftingen,  das  in  Erscheinung  und  Klang  aufs  glück- 
lichste abgelauschte  Weben  und  Walten  der  Natur"  erscheint  J.  als  die  wichtigste  Eigen- 
schaft der  Dichterin;  sie  ist  ihm  die  Dichterin  Deutschlands  schlechthin.  In  manchen 
Behauptungen  geht  J.  zu  weit,  so  z.  B.  was  die  angebliche  Sparsamkeit  mit  Adjektiven 
betrifft,  deren  sich  Droste  gegenüber  Lenau  erfreue;  er  selbst  citiert  den  „Geierpfiff', 
dessen  vierte  Strophe  von  Adjektiven  wimmelt;  solche  Beobachtungen  dürfen  nicht  zu 
scharf  genommen  werden.  J.  ist  ein  begeisterter,  aber  durchaus  nicht  unkritischer  Ver- 
ehrer der  Dichterin.  Der  Anhang  enthält  eine  englische  Uebersetzung  des  Gedichtes 
„Der  Knabe  im  Moor",  von  A.  M.  Clarke;  wozu,  weiss  man  nicht.  —  Mehr  bei  den 
epischen  und  dramatischen  Werken  als  bei  der  Lyrik  verweilt  K ei t er i^s^  und  verweist 
für  die  Epik  auf  Scott  und  Byron;  die  Biographie  wird  im  Anschluss  an  Hüffer  und 
Kreiten  gegeben.  — Leben  und  Dichten  Annettes  sucht  ein  Anonymus  i^'')  im  Zusammen- 
hange darzustellen;  zwar  liefert  er  nur  eine  Skizze,  die  aber  liebevoll  entworfen  und 
meist  sehr  gescliickt  ausgeführt  ist,  er  nimmt  Stellung  gegen  Kreiten  und  hebt  hervor, 
dass  der  Droste  Religiosität  fern  sei  von  dem  Geiste,  den  Kreiten  darin  finden  wollte :  auch 
der  Protestant  könne  diesen  Liedern  nachfühlen.  Alle  Werke  der  Dichterin  werden  an 
ihrem  Orte  erwähnt,  und  auch  ihrer  wichtigen  Verbindungen  mit  Schlüter  und  Levin 
Schücking  ist  charakteristisch  gedacht.  Mit  geschickter  Hand  sind  einzelne  Proben  heraus- 
gehoben. —  Landois^ss^  versuchte  „den  Nachweis  zu  erbringen,  dass  Annette  von 
Droste  eine  Kennerin  der  Natur  gewesen  ist,  die  sich  unter  den  Dichtern  an  Goethes 
Seite  stellen  darf;  eine  Naturforscherin,  wie  sie  jedenfalls  die  Welt  vorher  und  nach  ihr 
sinniger  und  begabter  nicht  gekannt  hat".  Die  Gedichte  werden  durchgenommen  und 
die  Verse  zusammengestellt,  in  denen  sich  Annette  der  Natiir  in  Bildern  bedient;  L. 
findet  alles  ausgezeichnet  und  merkt  nicht  einmal,  dass  die  Dichterin  doch  mitunter  zu 
weit  geht,  wenn  sie  natTxrhistorische  Kenntnisse  unvermittelt  zu  Bildern  benutzt,  die 
nicht  an  sich  verständlich  sind.  Vielleicht  hätte  L,  auch  besser  sagen  sollen,  die  Dich- 
terin erweise  sich  in  ilu-en  Gedichten  als  Naturbeobachterin.  Die  Arbeit  ist  allzu 
schematisch  ausgefallen.  • —  Speziell  Drostes  Vorliebe  für  die  Tiere  betrachtete  der  nun 


66  S.  M.  0,60.  —  180)  Z.  Charakteristik  H.  v.  Gilms:  DDicMung.  8,  S.  295/7.  —  181)  H.  Gilm  in  französischer  Beleuchtung: 
Prosse  N.  51.  (Vgl.  Januarheft  d.  Grande  Revue.)  — •  182)  A.  Pichler,  Neue  Marksteine.  Erzählende  Dichtungen.  Leipzig, 
Lieheskind.  VIII,  254  S.  M.  4,00.  |  [K.  v.  Thaler:  NFPr.  N.9272.]|  —  183)  R.M.  Werner,  A.  Pichler:  NatZg.  N.  149  u.  152.— 
184)  X  H.  Hüffer,  A.  v.  Droste-Hülshoff  u.  ihre  Werke.  Vornehmlich  nach  d.  litt.  Nachlass  u.  ungedruekten  Briefen  d. 
Dichterin.  Zweite  Aufl.  mit  4  bildl.  Beill.  u.  2  Schriftproben.  Gotha,  Perthes.  XIX,  368  S.  M.  9,00.  (Titelauflage,  nur  vermehrt 
um  e.  Jugendportr.  d.  Dichterin  u.  d.  Schriftproben.)  —  185)  L.  Jacoby,  A.  v.  Droste-HUlshoff,  Deutschlands  Dichterin. 
Vortrag  geh.  im  deutschen  Sprachverein  zu  Mailand.  Hamburg,  Actien- GeseUsch.  74  S.  M.  1,20.  |[M.  Groeben:  BLU. 
S.  275/6;  NorddAZg.  N.  79;  Koch:  LMerkur.  10,  S.  137.]|  —  186)  H.  Keiter,  A.  v.  Droste-Hülshoff,  Deutschlands  grösste 
Dichterin.  E.  Lebensbild.  (=  Frankfurter  zeitgemässe  Broschüren.  NP.  XI,  2,  S.  33 — 71.)  Frankfurt  a/M.  u.  Luzem,  A.  Fösser 
39    S.   M.    0,50.  —  187)   M.   L.,   A.    v.   Droste-Hülshoff:    PrJbb.    66,    S.   439-60.    —   188)    H.   Landois,   A.   Fr.  v.  Droste- 


70  IV,2:  R.  M.  Werner,  Lyrik  des  18. /19.  Jahrhunderts. 

schon  verstorbene  Dichter  Dorer^^^),  wobei  besonders  „Das  Hospiz  auf  dem  grossen 
St.  Bernhard"  mit  der  Quelle  verglichen  wird.  — 

Von  Spittas  Hauptsammlung  „Psalter  und  Harfe"  werden  immer  neue,  zum  Teil 
sehr  schön  ausgestattete  ^^o)  Ausgaben  verbreitet  ^^^-ö')  ;  besondere  Betrachtung  verdient 
aber  nur  eine,  weil  L.  Spitta^^^)  sie  mit  einer  umfangreichen  Einleitung  versehen  hat, 
um  K.  K.  Münkels  Lebensbild  zu  ergänzen.  Die  Anordnung  ist  nicht  sehr  glücklich  und 
macht  Wiederholungen  fortwährend  notwendig.  Es  wird  zuerst  das  Jugendleben  des 
Dichters  behandelt,  dann  in  einem  zweiten  Kapitel  die  „Dichterische  Entwicklung", 
hierauf  „Amt  und  Haus  bis  zum  Lebensabend";  um  nun  das  Zusammengehörige  nicht 
auseinander  zu  reissen,  erhalten  wir  die  Biographie  eigentlich  doppelt,  ausführlicher  und 
kürzer.  Der  Vf.  benutzt  reiches  hs.  Material,  giebt  uns  Kunde  von  den  Jugendversuchen 
des  Dichters,  den  „Jugendblüten",  den  Dramen  und  Epen,  leider  ohne  Charakteristik,  meist 
niu"  aufzählend:  so  werden  bloss  die  Titel  abgeschrieben,  was  recht  wenig  aufschlussreich 
ist.  Ueber  Spittas  älteren  Bruder  Heinrich  und  seine  Dichtungen  wird  gehandelt,  auch 
über  Spittas  treuen  Freund  Adolf  Peters,  dessen  Leben  dann  erst  später  erzählt  ist. 
Aus  Briefen  dieses  Peters  werden  interessante  Stellen  über  Heine  und  ein  wunderbares 
Gedicht  Spittas  auf  Heine  mitgeteilt.  Der  Vf.  spricht  von  der  weltlichen  Lyrik  des 
Dichters,  dann  von  der  grossen  Wendung  während  seiner  Hofmeisterjahre  zu  Lüne,  endlich 
von  der  geisthchen  Lyrik,  bezeichnet  den  Unterschied  zwischen  der  ersten  und  der 
zweiten  Sammlung,  stellt  den  buchhändlerischen  Erfolg  dar,  giebt  eine  Liste  der 
ersten  rühmenden  Recensionen  und  wendet  sich  dann  im  letzten  Kapitel  der  Seelsorger- 
thätigkeit  Spittas  zu.  Es  ist  sehr  zu  bedauern,  dass  der  Vf.  aus  dem  reichen  ihm  zur 
Verfügung  stehenden  ungedruckten  Material  nur  ein  einziges  Lied  in  seine  Ausgabe  auf- 
genommen und  auch  in  seiner  Einleitung  nur  so  wenig  Proben  verwendet  hat;  besonders  von 
den  weltlichen  Liedern  Spittas  hätten  wir  gern  mehr  gehört.  Dagegen  muss  die  Be- 
reicherung gerühmt  werden,  welche  das  Lahaltsverzeichnis  erfuhr:  die  Entstehungsdaten 
sind,  soweit  sie  aus  den  Hss.  festzustellen  waren,  jedem  Gedichte  beigeschrieben.  — 

Geroks  Tod  war  der  Anlass,  dass  eine  Reihe  von  Arbeiten  das  Andenken  an 
diesen  Geistesverwandten  Spittas  festhielten;  seine  Sammlungen  erfreuen  sich  ähnlicher 
Beliebtheit  wie  jene  Spittas,  es  genügt  das  Verzeichnis  der  neuen  Auf  lagen  i99-20i),  —  Ein 
Tübinger  Schüler  Geroks,  MosappSOä)^  entwarf  in  einem  erweiterten  Vortrag  stimmungs- 
voll, freilich  zum  Teil  im  Anschluss  an  Geroks  „Jugenderinnerungen",  ein  Lebensbild, 
wobei  sowohl  der  Prediger  als  der  Dichter  eine  kurze,  aber  ausreichende  Würdigung 
erfährt;  die  einzelnen  Sammlungen  werden  mit  Geschick  nach  ihrem  Grundcharakter 
gezeichnet  und  durch  einzelne  Proben  illustriert.  Das  Ganze  vsdll  nicht  etwa  eine  ab- 
schliessende Monographie,  eher  ein  Nachruf,  gehalten  am  kaum  geschlossenen  Grabe, 
sein.  Für  die  letzten  Tage  Geroks  verweist  M.  auf  einen  mir  nicht  zugänglichen  Aufsatz 
von  Geroks  Sohn  in  der  „Christlichen  Welt"  (N.  6).  —  Ein  hübsches  Bild  des 
Dichters  zeichnet  J.  Weitbrecht^os);  als  Grundzug  erscheint  ihm  „charaktervolle  Milde 
und  Friedfertigkeit",  der  Zusammenhang  mit  Schiller,  Uhland,  Schwab,  Geibel  und,  be- 
sonders in  den  freien  Rhythmen  und  reimlosen  Strophen,  mit  Heine  wird  dargelegt,  an  den 
„Palmblättem"  die  poetische  Gestaltungskraft,  Herausschälung  des  ewigen  Walirheits- 
gehaltes  aus  der  Wirklichkeitsmasse,  die  innige  Glaub enseinf alt  gerühmt,  als  Schranke 
des  dichterischen  Könnens  die  geringe  Fähigkeit  hervorgehoben,  das  Gewaltige  und  Er- 
schütternde darzustellen;  besser  gelingt  das  Liebliche,  Freundliche,  Sanfte,  besser  als 
das  rein  lyrische  Stimmungsbild  die  breite  epische  Sclailderung.  „Blumen  und  Sterne" 
zeigen  eine  Erweiterung,  das  geistliche  Lied  genügt  dem  Dichter  nicht  mehr,  „Der  letzte 
Strauss"  ist  dann  der  Wirklichkeit  des  Lebens  noch  viel  freier  zugewandt 204-207 ).  — 


Hülshoif  als  Naturforscherin.  Padertorn,  Scliöningli.  67  S.  M.  1,00.  |[BiindS.  N.  28.] |  —  189)  E.  Dorer,  Z.  Andenken  an  e. 
Menschenfreund  u.  an  d.  Dichterin  A.  t.  Droste-Hülshoff:  Bunds.  N.  29.  (Aus  d.  Dresdner  Zs.  „Tier-  u.  Menschenfreund").  — 
190)  X  C.  J.  Ph.  Spitta,  Psalter  u.  Harfe.  2  Samrall.  christl.  Lieder  z.  häusl.  Erbauung.  55.  Aufl.  Neue  Jubelausg.  m.  24  VoUbildd. 
neu  geordn.  nach  d.  Vaterunser  mit  Einl.  u.  Biogr.  Spittas  v.  J.  Sturm.  Bremen,  Heinsius.  4".  VII,  176  S.  M.  15,00, 
(Einfache  Volksausgabe:  ebda.  XH,  264  S.  M.  1,80.  Taschenausgabe:  ebda.  16".  XIII,  256  S.  M.  1,00.] |  —  191)  id.,  Psalter  u. 
Harfe  ....  M.  1  Titelbild  Leipzig,  Cavael.  126  u.  76  S.  M.  1,50.  |[LZgB.  N.  40.]  |  —  192)  X  id.,  Psalter  u.  Harfe  1.  SammL 
Leipzig,  Fock.  120.  IV,  108  S.  M.  1,20.  —  193-4)  X  id.,  Psalter  u.  Harfe.  Mit  9  Kompositionen  v.  Prof.  Pfannenschmidt  in  Lichtdruck, 
2  Bde.  Dresden,  Brandner.  12«.  IV,  155;  IV,  92  S.  M.  3,50.  |[KrcuzZg.  N.  127.]  |  (In  1  Bd.  wohlfeile  Ausg.  mit  Titelbild  ebda- 
120.  IV,  155;  IV,  92  s.  M.  2,00;  Volksausgabe:  2.  Aufl.  ebda.  160.  IV,  155  u.  92  S.  M.  1,50.)  —  195)  X  id.,  Psalter  u.  Harfe. 
VoUständige  Ausg.  beider  Teile.  Berlin,  Jolowicz.  200  S.  M.  2,00.  —  196)  X  id.,  Psalter  u.  Harfe.  Halle,  Gesenius.  VIII,  216  S. 
M.  1,60.  —  197)  X  id.,  Psalter  n.  Harfe.  Mit  4  Vollbildern  in  Lichtdr.  v.  K.  E.  Kepler.  Vollst.  Ausg.  beider  Teile.  Stuttgart, 
Qreiner  &  Pfeiffer.  160.  VUI,  258  S.  M  3,00.  —  198)  id.,  Psalter  u.  Harfe.  Mit  e.  Einl.  v.  L.  Spitta.  (Bibl.  theol.  Klass. 
ausgew.u.  her.  v.  evang.  Theoll.  25.)  Gotha,  Perthes.  CXXXVI,  195  S.  M.  2,40.  |[ConsMschr.  47,  S.  772.]  |  —  199)  X  K.  Gerok, 
Blumen  n.  Sterne.  Vermischte  Gedichte.  14.  Aufl.  Stuttgart,  Greiner  &  Pfeiffer.  120.  XII,  495  S.  M.  5,50.  —  200)  X  id.,  Unter 
d.  Abendstern.  Gedichte.  Mit  4  Lichtdr. -Bildern  v.  R.  E.  Kepler  u.  d.  Portr.  d.  Vf.  6.  Aufl.  Stuttgart,  Greiner  &  Pfeiffer. 
VII,  181  S.  M.  6,50.  —  201)  X  id.,  Jugenderinnerungen.  4.  Aufl.  Bielefeld,  Velhagen  u.  Klasing.  XII,  378  S.  M.  5,00.  —  202)  H. 
Mosapp,  K.  Gerok.  E.  Bild  seines  Lebens  u.  Wirkens.  Mit  d.  Bildnis  Geroks  In  Lichtdruck.  Stuttgart,  Greiner  &  Pfeiffer. 
160.  V,  84  8.  M.  1,00.  —  203)  J.  Weitbrecht,  Z.  Gedächtnis  K.  Geroks:  ConsMschr.  47,  S.  392-402.  —  204)  X  Th.  E., 
K.  Gerok  (mit  Bild):  ÜL&M.  63,  S.  363/4.  —  205)  X  R.  S[tark],  K.  v.  Gerok:  MNEKE.  46,  S.  40/1,  (Kurzer  Nekrolog.)  — 
206)  X  L.  Salomon,   K.  Gerok:   IllZg.   N.   2430.   —   207)   X  K.  Gerok:  Kunstw.  3,  N.  7-8.   —  208)  H.  Gerstenberg, 


IV,2:  R.  M.  Werner,  Lyrik  des  18./19.  Jahrhunderts.  71 

Hoffmann  von  Fallersleben  fand  in  Gerstenberg^os)  einen  eifrigen 
Forscher;  dieser  hat  nach  der  Pormel  seines  Wesens  gesucht  und  findet  sie  in  der  Be- 
zeichnung: „der  Deutsche";  er  zeigt,  dass  sich  Hoffmann  als  Patriot  in  allen  Verhält- 
nissen gleich  gebUeben  sei  und  dass  man  Unrecht  thue,  ihn  einen  Republikaner  zu 
nennen.  G.  betrachtet  hauptsächlich  die  patriotische  und  die  politische  Lyrik  Hoff- 
manns und  unterscheidet  die  politisch-satirische  Dichtung  aus  dem  Vormärz,  die  sich 
dann  in  die  später  weniger  gedeihende  Satirendichtung  und  in  die  vaterländische  Zeit- 
dichtung (nach  1848)  spaltet.  Seine  Kenntnisse  schöpft  G.  aus  einem  reichen,  zum  Teil 
ungedruckten  Material;  er  veröffentlicht  einige  sehr  interessante  Proben  aus  dem  Nach- 
lasse, um  Hoffmann  wieder  bekannter  zu  machen  und  auf  eine  Gesamtausgabe  vorzu- 
bereiten. Von  ihr  liegt  ein  Band  vor,  in  dem  Gerstenberg 209)  als  Herausgeber  Rechen- 
schaft über  Plan  und  Quellen  ablegt;  er  schliesst  die  wissenschaftlichen  Arbeiten  und 
den  Briefwechsel  aus  und  stellt  die  verschiedenen  Gedichtsammlungen  in  Auswahl,  ver- 
mehrt um  die  hs.  des  Nachlasses,  ferner  einen  Auszug  der  sechsbändigen  Selbstbio- 
graphie „Mein  Leben"  und  eine  Portfiihrung  der  Biographie  auf  Grund  der  Tagebücher 
in  Aussicht.  Die  Reihenfolge  wird  sein:  lyrische,  politisch-satirische  und  Zeitgedichte, 
Gelegenheitsgedichte,  besonders  Trinksprüche,  Epigramme  und  Sprüche,  endlich  dialek- 
tische Dichtungen  und  Uebersetzungen.  Die  Ausgabe  will  keine  streng  kritische  sein, 
d.  h.  es  wird  der  Apparat  nicht  ganz  mitgeteilt,  wohl  aber  das  gesamte  hs.  und  ge- 
druckte Material  nachverglichen;  der  Anhang  bringt  wichtigere  Lesarten.  Der  Grund- 
satz ist  mit  Recht  befolgt,  die  endgültige,  vom  V£  hergestellte  Passung  abzudrucken, 
aber  die  Entstehungsdaten  anzugeben.  Hoffmann  hatte  selbst  eine  Ausgabe  letzter  Hand 
vorbereitet,  der  Plan  ist  beibehalten,  die  Lieder  nach  den  vier  Gruppen  Dichter-,  Liebes-, 
Kinder-  und  Volksleben  zu  ordnen;  dagegen  ist  die  von  Hoffmann  beabsichtigte  Reihen- 
folge nach  dem  Alphabet  durch  eine  chronologische,  freilich  nicht  ganz  streng  festge- 
haltene ersetzt.  Nun  erst  wird  ein  Ueberblick  über  die  Entwicklung  des  Dichters  be- 
quem ermöglicht  sein,  und  G.  verdient  den  allgemeinen  Dank  für  die  Absicht,  uns  die 
prächtige  Gestalt  des  alten  Kämpen  mit  dem  Kinderherzen  und  der  Männerleidenschaft 
wieder  nahe  zu  bringen.  210-213^  —  Aus  der  Pappenheimschen  Autographen- Sammlung 
(vgl.  o.  N.  84)  hat  Elias 21*)  einen  Trinkspruch  mitgeteilt,  den  Hoffmann  am  18.  Okt. 
1861  bei  einem  Mahle  der  Offiziere  der  Höxterschen  Garnison  ausbrachte  mit  dem 
Schlussverse:  „Der  König  als  deutscher  Kaiser  soll  leben!" 2i*a-2i5)  — 

Mit  Benutzung  von  Tagebüchern  des  Dichters  erzählte  der  treffliche  Lang  die 
Lebensgeschichte  Max  Schneckenburgers2i5a^,  des  so  lange  unbekannten  Dichters  der 
„Wacht  am  Rhein",  bekanntlich  eines  geborenen  Schwaben.  Die  Tagebücher  reichen  von 
Schneckenburgers  Eintritt  in  Bern  (1834)  bis  zu  seinem  Tode  und  lassen  erkennen,  dass 
in  dem  Dichter  schon  sehr  früh  der  lebhafteste  Patriotismus  rege  war;  bereits  am 
2.  Aug.  1835  schreibt  er  seine  Hoffnung  auf  ein  geeintes  Deutschland  ins  Tagebuch, 
damals  war  er  16  Jahre  alt.  Und  ein  Jahr  später  erwählt  er  als  Leib-  und  Kemspruch: 
,, Deutsch".  Auch  in  seiner  ersten  Gedichtsammlung,  „Die  ersten  Versuche  in  Poesie  und 
Prosa",  die  1837  in  Bern  unter  dem  Pseudonym  Max  Heimthal  erschienen,  zeichnen  sich 
die  vaterländischen  Gesänge  am  meisten  durch  Schwung  aus;  L.  giebt  einige  Proben 
aus  diesem  von  Schneckenburger  selbst  zurückgezogenen  und  verbrannten  Hefte,  dann 
die  Tagebuchnotizen,  die  sich  auf  das  Jahr  1840  beziehen.  Aus  den  politischen  Verhält- 
nissen dieser  Zeit  ist  das  Lied  hervorgewachsen,  das  Schneckenburger  die  Unsterb- 
lichkeit erwarb.  Die  ganze  kernige  Prische,  die  Schneckenbtirger  in  so  hohem  Grade 
eigen  war,  hat  L.  auch  in  seinem  schönen  Aufsatze  festzuhalten  verstanden;  man  liest 
mit  innigem  Anteil  und  steigendem  Interesse  bis  zum  Schlüsse  und  bedauert,  nicht  noch 
reichere  Spenden  aus  den  köstlichen  Tagebüchern  zu  erhalten.  Auch  die  bekannten 
Thatsachen,  das  plötzliche  Berühmtwerden  des  Dichters,  die  Enthüllung  seines  Namens, 
weiss  L.  spannend  vorzutragen.     Ein  überaus  lesenswerter  Beitrag.   — 

Ein  Verdienst  um  einen  anderen,  lange  verkannten  Künstler  hat  Adolf  St  er  n2i6) 
sich  erworben,  indem  er  zum  ersten  Male  die  Gedichte  von  Peter  Cornelius  sammelte 
und  mit  einer  tiefempfundenen  biographisch-litterarischen  Skizze  begleitete;  er  hat  acht- 
zehn Jalire    mit    dem  Dichter    in  Verbindung  gestanden  und  Briefe    gewechselt,    einige 


Hoifmann  v.  Fallersleben  u.  sein  deutsches  Vaterland.  Berlin, Fontane.  82  S.  M.  1,00.  \\ß&S.  55,  S.  286.]  |  —  209)  Hoffmanns  v.  Fallers- 
ieben, GesammelteWerkeher.v.H.  Gerstenberg.  Bd.  1. Lyrische  Gedichte. Mit  d.  Bildn.  d.  Dichters, gestochen  v.  Weger.  Berlin, 
Fontane.  XX, 406  S.  M.  3,00.—  210)  X  Hoiftnann  v.  Pallerslebeu :  HambNachr».  N.  51/2.  —  211)  X  K.  Th.  Gaedertz,  Hoffinann 
V.  Fallersleben  auf  Helgoland:  HambNachr».  N.  28;  vgl.  Bär  11,  S.  147.  —  212)  X  Hoffmann  v.  Fallersieben:  HambNachrS. 
N.  51/2.  —  213)  X  Hoffmann  v.  Fallersleben,  D.  Jahreszeiten.  Vier  Kindergesangsfeste  mit  verbindender  Deklamation. 
Komp.  V.  F.  H.  Reiser.  Op.  33.  N.  1.  D.  Frühling.  Leipzig,  Siegismund  &  Volkening.  o.  J.  40.  23  S.  M.  3,50.  (Sehr  anmutige 
Komposition.)  —  214)  J.  Elias,  E.  prophetisches  Wort  Hoffmanns  v.  Fallersleben:  VpssZg.  N.  185.  (Darnach  SchlesZg.  N.  282; 
HambCorr.  N.  282.)  —  214a)  XX K.  Th.  Gaedertz,  [Original-Eingesandt]:  Wann  wurde  E.  Geihel  geboren?:  HambCorr.  v. 
18.  Nov.  —  215)  X  M.  Carriöre,  E.  Geibel.  (=  Lebensbilder  [s.  o.  IT,  1  N.  41]  S.  403-28.)  —  215a)  W.  Lang,  Max 
Schneckenburger.  (=  Von  u.  aus  Schwaben.  Gesch.  Biogr.  Litt.  6,  S.  1—38.  Stuttgart,  Kohlhammer.  M.  1,50.)  —  216)  P. 
Cornelius,   Gedichte.    Eingel.  v,  Adolf  Stern.    Mit  e.   Bilde   d.  Dichters    nach   e.  Zeichnung  v.  F.    Preller   d.   Ä.   (her.  v. 


72       .  TV,2:  E.  M.  Werner,   Lyrik   rl.s    IH./IO.  Jalirhunderts. 

Stellen  von  Cornelius'  Episteln  teilt  er  mit.  S.  erkennt  in  Cornelius  einen  Gelegen- 
heitsdichter echter  Art,  einen  Virtuosen  der  Form,  der  aber  stets  warmer,  unmittelbarer 
Empfindung  oder  geistvoller  Laune  Ausdruck  leiht ,  einen  Mann  voll  von  harmlosem 
Uebermut,  feinem  Humor  und  schlichtem  Tiefsinn,  der  trotz  trüber  Erlebnisse  sich  die 
männliche  Lust  am  Guten  bewahrt  hat.  Man  kann  zwar  nicht  verkennen,  dass  die 
Formbeherrschung  den  Dichter  mitunter  zu  Kunststücken  verführt,  sie  sind  aber  so 
humoristisch,  dass  wir  sie  uns  gern  gefallen  lassen,  und  unter  seinen  Liedern  sind 
wahre  Perlen,  die  es  vollauf  verdienten,  zu  einer  schönen  Schnur  zusammengereiht  zu 
werden.  Die  Grundsätze  der  Anordnung  innerhalb  der  einzelnen  Gruppen  sind  nicht 
zu  erkennen,  zumal  sie  S.  selbst  auch  nicht  dargelegt  hat.  — 

Einen  wahren  Gegensatz  zur  Formvollendung  des  Cornelius,  die  vielleicht  seiner 
Wirkung  hinderlich  sein  wird,  bildet  die  saloppe  Weise  Scheffels,  der  trotzdem  so 
volkstümlich  wurde ^i^);  eines  seiner  beliebtesten  Lieder,  den  „Enderle  von  Ketsch" 
hat  Huffschmid2i8^  mil;  einer  interessanten  Quellenuntersuchung  bedacht,  die  auch  für 
Zeillers  Werk  manchen  schätzenswerten  bibliographischen  Aufschluss  gewährt;  Zeiller 
beruft  sich  flir  die  Sage  vom  Enderle  auf  einen  Heidelberger  Professor,  und  H.  macht 
nun  wahrscheinlich,  dass  Christoph  Jungnitz  Zeillers  Quelle  gewesen  sei.  H.  weist 
nach,  dass  Zeillers  Angaben  mit  den  historischen  Thatsachen  von  Ott  Heinrichs 
Pilgerfahrt  nicht  übereinstimmen,  dass  es  einen  Diener  Meggenhäuser  allerdings  gab, 
dass  aber  die  Sage  schon  dreihundert  Jahre  früher  in  drei  Kapiteln  des  „Dialogus  mira- 
culorum"  des  Caesarius  Heisterbacensis  erscheint,  verknüpft  mit  Kolmar  am  Oberrhein, 
Lechenich  und  Flittard  am  Niederrhein;  nicht  auf  gelehrtem  Wege,  sondern  durch  die 
mündliche  Sage  dürfte  dem  Gewährsmanne  Zeillers  die  Veränderung  des  Zuges,  ver- 
bunden mit  Enderle  von  Ketsch,  zugekommen  sein.^i^)  — 

Auch  einiger  kürzlich  verstorbener  Dichter  wurde  pietätvoll  gedacht.  So  hat 
August  Stöber  einen  ungenannten  Darsteller  gefunden 220)^  (ier  sich  auf  Stöbers  Nach- 
lass,  seine  „Papiere,  Briefe  und  Aufzeichnungen"  stützen  konnte,  er  vermag  daher  Martins 
Nekrolog  zu  ergänzen  und  die  schwer  zugängliche  Schrift  Ehrismanns  wenigstens  zum  Teil 
zu  ersetzen.  Wir  erhalten  eine  „gedrängte  Schilderung  des  Lebens  und  Wirkens",  aus 
seinen  „Memorabilia  Vitae",  die  nur  bis  1826  fortgesetzt  wurden,  eine  hübsche  Stelle  über 
Hebel,  den  Stöber  1819  kennen  lernte;  doch  bricht  die  Skizze  mit  Stöbers  Eintritt  in 
Buchsweiler  ab.  —  Aus  dem  Nachlasse  Eduard  Schweppenhäusers  hat  B-athgeber^si) 
melu-ere  bei  heiteren  und  ernsten  Anlässen  entstandene  Gedichte  Stöbers  veröffent- 
licht, die  durch  ihren  leichten  Volkston  sich  einschmeicheln.  222)  — 

Lingg223)  betrachtete  die  Eigenart  der  Vischerschen  Lyrik,  erkannte  üeber- 
einstimmung  mit  Rückert  in  der  Foraibeherrschung,  mit  Mörike  im  Humor,  doch  sei 
Vischers  Humor  derber.  L.  sieht  in  der  Gedankendichtung  die  eigentliche  Aufgabe  der 
modernen  Poesie  und  spricht  hohe  Anerkennung  für  Vischer  aus.  — 

Richard  Leander224)  wurde  in  verschiedenen  Nachrufen  gewürdigt,  dabeihat 
Franzos225)  einige  sehr  bezeichnende  Stellen  aus  seinen  Briefen  herausgehoben  und 
besonders  die  „Troubadour-Lieder"  analysiert.  —  Rogge226)  hat  eine  schlichte,  jedoch 
ergreifende  Schilderung  des  Gelehrten,  des  Dichters  und  des  Menschen  entworfen.  — 

Ist  so  unser  Bericht  bis  ziu-  Gegenwart  fortgeschritten,  so  wäre  es  ungerecht, 
bei  den  Gräbern  Halt  zu  machen  und  dadiirch  den  Vorwurf  Lyon 8  227)  zu  verdienen, 
die  moderne  Litteraturgeschichte  sei  einseitig  nur  auf  die  Vergangenheit  gerichtet.  Aber 
allerdings  ist  es  hier  schwer  möglich,  die  Grenzen  festzustellen,  innerhalb  derer  man 
bleiben  kann,  denn  die  meisten  Arbeiten  über  lebende  Lyriker  sind  eben  keine  litterar- 
historischen;  selten  wird  die  einzelne  Erscheinung  in  das  Gesamtbild  der  Litteraturent- 
wicklung  eingereiht,  die  Recensionen,  Betrachtungen,  Essays,  Studien  usw.  befassen  sich 
kritisch,  lobend  oder  tadelnd  mit  einzelnen  Sammlungen,  einzelnen  Autoren  und  haben 
einen  blos  ephemeren  Wert.  Das  Heft  L.s  über  Greif  bildet  eine  Ausnahme,  indem  es 
die  Stellung  und  Bedeutung  des  Dichters  nach  allen  Seiten  zu  erkennen  sucht,  freilich 
aber  auch  einen  Beleg  dafür,  wie  schwer  es  ist,  dem  Lebenden  gegenüber  die  nötige 
Objektivität  zu  wahren;  unwillkürlich  wird  L.  polemisch,  panegyrisch  und  dadurch  sub- 
jektiv. Er  bekämpft  nicht  nur  die  Litteratiu-geschichte,  sondern  auch  das  moderne  Publi- 
kum, er  möchte  Stimmung  machen  für  den  von  ihm  verehrten  Dichter,  und  so  steht 
sein  eigenes  Individuum  von  Anfang  an  im  Vordergrunde.     Er  beklagt  den  Mangel  eines 


Allg.  Dtschen  Musikveroin.)  Leipzig,  Kahnt.  L,  283  S.  M.  3,00.  —  217)  X  J-  V.  v.  Scheffel,  Gedichte  aus  d.  Nachlass. 
4.  Aufl.  Stuttgart,  Bonz.  VII,  163  S.  M.  3,00.  —  218)  M.  Huffschmid,  D.  Endcrle  v.  Ketsch:  ZGORh.  44,  S.  201— 11. 
—  219)  X  E.  Autograph  Scheffels:  Didask.  N.  17,  S.  68.  (Faksimile  e.  Gedichtes  „Becherwoihe  zu  Eduard  Witters  Jubiläum.  Ostern 
1878",  e.  Scherz  mit  durchgehendem  Reim  auf  Witter.)  —  220)  R.,  A.  Stöbers  Leben  u.  Wirken.  E.  Beitr.  z.  elsUss.  Kulturgesch. 
d.  19.  Jh.:  AZg».  N.  289  (244),  293  (247).  —  221)  J.  Rathgeber,  Einige  ungedruckte  Gedichte  v.  A.  Stöber:  JbGElsLothr.  6, 
8.  108,  vgl.  113  ff.  —  222)  X  A.  B[irlinger],  MSnzi  u.  Bethi.  Im  Dialekt  v.  KUssnacht,  Kanton  Schwytz  (1811):  Alemannia 
17,  8.  238.  —  223)  H.  Lingg,  F.  Th.  Vischer  als  Lyriker:  DDichtung.  7,  S.  173/5.  —  224)  R.  Leander,  D.  Schmied  v. 
Gretna-Green :  ib.  8.  129—80.  —  225)  [Franzos],  R.  Leander:  ib.  8.  147/8.  —  228)  B.  Rogge,  R.  v.  Volkmann.  (Mit 
Porlrat}:   Daheim  26,  S.  212/6.    —   227)  0.   Lyon,   Martin  Greif  als  Lyriker  u.  Dramatiker.    Leipzig,    Teubner.    1889.    53  S. 


TV,2:  R.  M.  Werner,  Lyrik  des   18./19.  Jnhrluinderfp.  73 

Centruins  für  Dichtung  und  Kunst,  wie  es  in  den  Universitäten  für  die  Wissenschaften 
besteht,  und  hat  auch  einen  Plan  für  ein  Solches  Centrum  fertig.  Nach  L.  erinnert 
Greif  an  Walther  von  der  Vogelweide,  seine  religiöse  Dichtung  biete  Klopstocks  Em- 
finden  übersetzt  in  Goethes  Sprache,  seine  Naturauffassung  möchte  L.  „plastisch-rundend." 
nennen,  seine  Liebeslyrik  sei  von  hehrer  Reine  wie  die  Klopstocks,  von  plastischer 
Anschaulichkeit  wie  die  Goethes,  von  tiefer  Innigkeit  wie  die  des  Volkslieds,  seine  Ge- 
dichte seien  echte,  wahre  Lieder;  das  Alltägliche  zu  erhöhen,  zu  vergeistigen,  das  uns 
täglich  umgebende  volle  Menschenleben  unter  einem  höheren  Lichte  zu  klarer  Vollen- 
dvmg  vor  unserm  geistigen  Auge  zu  erheben:  diese  höchsten  und  wichtigsten  Aufgaben 
der  Kunst  verstehe  Greif  zu  erfüllen.  Wie  L.  mit  diesen  Ausein  andersetz  vmgen  die 
theoretischen  Erwägungen  des  zweiten,  die  Dramen  behandelnden,  Aufsatzes  in  Einklang 
bringt,  das  wird  nicht  leicht  zu  erraten  sein.  Gewiss  hat  Greif  eine  so  warmherzige 
Zeichnung  verdient,  es  wäre  nur  zu  wünschen,  dass  auch  anderen  Dichtem  gleiche  Liebe 
z\i  teil  würde.  Fördert  uns  aber  etwa  ein  Aufsatz,  wie  der  über  Vierordt^^s)  mit 
seinen  wohlmeinenden  Phrasen?  — 

Was  wir  an  Klaus  Groth  besitzen,  das  wissen  wir  alle;  was  er  für  Holland 
bedeutet,  das  erfuhren  wir  wieder  durch  Hansen  -29) ;  aber  auch  in  England  bringt  man 
dem  „Quickborn"  volles  Verständnis  entgegen,  wie  der  überaus  anmutige  Essay  Her- 
fords ^30)  beweist:  hier  wird  Grotlis  Bedeutung  im  Vergleiche  mit  Burns  und  Barnes 
festgestellt  und  betont,  dass  Groth  nicht  nur  beides,  sondern  auch  noch  Walter  Scott 
für  Holstein  sei ;  trefflich  werden  einzelne  Gedichte  analysiert,  und  eine  allerliebste  Wen- 
dung findet  sich :  auch  Groth  sei  einer  von  den  Poeten,  die  verstünden,  was  die  Vögel 
sprechen,  und,  meint  H.,  „wenn  Groth  den  skeptischen  Leser  vielleicht  nicht  über- 
zeugt, dass  sie  sprechen,  so  lässt  er  ihn  nicht  im  Zweifel,  dass  Platt  —  das  ausdrucks- 
volle, familiäre,  einschmeichelnde  Platt  Groths  —  ihre  Sprache  wäre,  wenn  sie  sprächen". 
Ueberall  verrät  H.  Vertrautheit  mit  dem  intimen  Reiz  des  „Quickborn",  aber  auch  mit 
dem  Dichter,  von  dem  er  z.  B.  einen  an  ihn  gerichteten  Brief  citiert.  Dass  der  aus- 
gezeichnete Darsteller  der  litterarischen  Beziehungen  Englands  und  Deutschlands  im 
16.  Jh.  ein  genauer  Kenner  der  deutschen  Litteratur  ist,  braucht  nicht  erst  her- 
vorgehoben zu  werden.  Einmal  jedoch  streift  er  die  Einführung  der  Kinder  in  die  Litteratur, 
setzt  sie  aber  erst  ins  19.  Jh.,  entgegen  den  historischen  Thatsachen.  — 

Jubilare  wie  Li ngg  231-232^  un(j  Träger  233)  haben  ihr  Teil  Ruhm  erhalten, 
Liliencron234)  wurde  zum  Symbolik  er  gestempelt.  Der  Zufall  hat  solche  Artikel  her- 
vorgerufen, nur  der  Zufall  bringt  sie  zur  Kenntnis  des  rückblickenden  Betrachters ;  leidet 
ist  es  für  diesmal  unmöglich,  auch  nur  des  Wichtigsten  habhaft  zu  werden,  damit  möge 
das  Abgerissene  des  Berichtes  entschuldigt  werden.  — 

Die  Geschichte  des  bekannten  Volksliedes  „Lebe,  liebe,  trinke,  lärme"  hat 
Wustmann  235-236)  durch  den  Nachweis  aufgehellt,  dass  es  einer  Uebersetzung  Eberts 
aus  Athenaeus  entstammt,  die  wieder  auf  de  la  Nauze  zurückgeht;  auch  mit  der  Melodie 
hat  W.  sich  beschäftigt  und  sie  bezeichnet  als  möglicherweise  vom  Volksmund  selbst 
nach  verschiedenen  Mustern  gebildet.  —  Vom  Volksliede  237-241)  spricht  in  sehr  ver- 
ständiger Weise  ein  ungenannter  Sammler 242)  j  er  weist  darairf  hin,  dass  es  sich  gegen- 
wärtig nach  Seite  der  Form  und  des  Lihaltes  verändert,  regelmässiger  im  Bau,  in  den 
Versformen  wird,  die  alten  Adjektiva  fortwirft,  aber  auch  die  alten  Themen  vergisst; 
mit  der  fortschreitenden  Kultur  werden  Vorstellungen,  die  das  Volkslied  ehedem  benutzte, 
zerstört,  die  neue  Nahrung  wird  aus  Sensationsnachrichten  geschöpft.  Das  Volkslied 
fange  an  sentimental  zu  werden;  wie  das  Volk  sich  ein  Gedicht  von  Zedlitz  mundgerecht 
machte,  wird  angedeutet;  allerlei  Einflüsse  sind  wenigstens  in  Schlesien  thätig,  den 
TJmbildungsprozess  zu  beschleunigen.  Aber  der  Recensent  des  Aufsatzes  macht  auf- 
merksam, das  Volk  nehme  die  Blüte  des  Kunstliedes  auf,  und  so  werde  sich  vielleicht 
wieder  eine  volkstümliche  Lyrik  bilden;  die  Grenzen  zwischen  beiden  sind  eben  überaus 
schwer  zu  ziehen.     Vieles  wird  noch  Volkslied  genannt,    was    sich  nicht  recht  dem  Be- 


M.  0,75.    (S.-A.    aus  d.  ZDU.)  —  2281  K.  H.,  E.  Lyriker  d.  Neuzeit    [H.  Vierordt]:  AZg».  N.  4  (3).  —  229)  W.  II.  M[ielck], 

C.  J,  Hansen,  Klaus  Groth  en  zijn  leven  en  streven  als  Dichter,  Taalkamper,  Menscli  etc.  KBlVNiederdSpr.  14,  S.  68 — 70.  — 
229a)  X  G.  A.  Erdmann,  Klaus  Groth  u.  seine  Bedeutung  f.  d.  plattdeutsche  Dichtung:  Pädagogium  12,  S.  39—46.  — 
229b)  X  0.  Henckel,  Klaus  Groth  u.  Fritz  Reuter:  ib.  S.  243/4.  —  230).  C.  H.  Herford,  The  Father  of  Low 
Gorman  Pootry:  Macmillans  Magazine  61,  S.  196—204.  —  231)  X  St.,  H.  Lingg:  FremdenBl.  22.  Jan. 
(Festartikel.)  —  232)  X  Zu  H.  Linggs  70.  Geburtstage:  lUZg.  N.  2429.  (vgl.  Kunstw.  3,  N.  7.)  —  233)  X 
W.  Goldbaum,  A.  Traegor  (zu  seinem  sechzigsten  Geburtstage):  NFPr.  N.  9267.  —  234)  X  A.  Biese,  E.  „realistischer* 
Lyriker  (Detlev  Frhr.  v.  Liliencron.  Gedichte.  Leipzig,  Friedrich.  1889.):  NFPr.  N.  9300.  —  235)  G.  Wustmann,  E.  altes 
Gosellschaf tslied :  Grenzb.  49,  S.  477/9.  —  236)  id..  Nochmals  lebe,  liebe!:  ib.  S.  624/5.  —  237)  X  L-  Erk,  Deutscher  Lieder- 
hort. Ausw.  d.  vorzüglichsten  deutschen  Volkslieder  aus  d.  Vorzeit  u.  d.  Gegenw.  mit  ihren  eigent.  Melodien.  (Titelausg.) 
Leipzig,  Breitkopf  &  Härtel.  XVIII,  416  S.  M.  10,00.  (Aus  anderem  Verlag  erworben;  neue  Ausgabe  in  mehreren  Banden 
erseheint  nächstens.)  —  238)  XX  J-  Gabler,  Geistl.  Volkslieder.  714  religiöse  Lieder  mit  387  Melodien,  ges.  in  d.  DiOeese 
St.  Polten,  rev.  u.  her.  2.  Aufl.  d.  Neuen  geistl.  Nachtigall.   Regensburg,  Verl.-Anst.  XIV,  572  S.  M.  4,00.  —  239)  X  G.Ellinger, 

D.  Volkslied  in  Tyrol:  Nation»,  8,  S.  200/1  (Vgl.  N.  175-77.)  —  240)  X  A.  Schröer,  Percys  Reliques  of  ancient  english 
poetry.  I.  Hälfte.  (=Engl.  Sprach-  u.  Litt.-Denkm.  VI.)  Ulm,  Kerler.  1889.  V,  525  S.  M.  8,00.  |[L.  Fränkel:  BLU.  S.  574; 
Zupitza:  ASNS.  84,  S.  359.] |    —   241)    X   Marienverehrung   im  nhd.    Liede:    DKatholik.  3.  Folge.  1,  N.  5.  —  242)  mk.,  V. 


74  IV,2:  K.  M.  Werner,  Lyrik  des  18./19.  Jahrhunderts. 

griffe  fügen  will;  so  hat  Obs  er  2*3)  zwei  historische  „Volkslieder"  aus  dem  Karlsruher 
Generallandesarchiv  veröffentlicht,  die  kaum  mehr  als  volkstümlich  sind;  sie  zeigen  die 
Torrn  des  Hahnengeschreis  und  stammen  beide  aus  dem  Jahre  1743;  das  eine  behandelt 
den  B-ückzug  der  Franzosen  vor  der  pragmatischen  Armee  im  Sommer  des  genannten 
Jahres,  das  andere  den  Sieg  Georgs  H.  von  England  am  27.  Juni  bei  Dettingen;  auf 
ähnliche  schon  bekannte  Lieder  ist  hingewiesen.  —  Nichts  Volkstümliches  hat  ein  Na- 
poleonslied in  achtzeiligen  reimlosen  Strophen 244).  —  Aus  dem  deutsch-französischen 
Kriege  besitzen  wir  Volkslieder,  die  nun  M.  Beheim-Schwarzbach  245)  durch  solche  aus 
der  Provinz  Posen  vermehrt;  aus  einer  Sammlung  von  ungefähr  300  Liedern  greift  er 
jene  heraus,  die  besonders  auf  das  fünfte  Korps  zielen  und  seine  Kriegsthaten  begleiten: 
auch  sie  sind  volkstümlich.  —  Aus  Volks-  und  Kunstliedern  setzte  E.  R.  Freytag  246)  einen 
Kranz  für  den  sächsischen  Kronprinzen  Albert  zusammen  und  teilte  dabei  einige  un- 
gedruckte volkstümliche  Dichtungen,  auch  aus  dem  Jahre  1870,  mit 247-248).  —  Schütz e249) 
spricht  gegen  die  ländlichen  Liedertafeln,  weil  sie  die  natürliche  Kunstbethätigung  eines 
naiven  Volksempfindens  nicht  nur  nicht  fördern,  sondern  geradezu  hemmen.  Unverständ- 
liches, Fremdes  vermitteln  und  den  freien  zweistimmigen  Volksgesang  durch  den  „kunst- 
mässigen"  Vortrag  töten.  Auch  S.  kennt  den  Reiz  des  mehrstimmigen  Gesanges,  meint 
aber:  „Unserem  Volke  im  grossen,  dem  Landvolke  wie  dem  Stadtvolke  im  allgemeinen, 
ist  solcher  Gesang  für  sein  Fühlen  ein  fremdes,  unnatürliches  Gewand  im  Vergleicli 
zur  Art  und  Kraft  seiner  Ausdrucksfähigkeit."  —  Eine  kiirze  Geschichte  der  Liedertafeln 
erzählt  Baut z  250) j  zwar  wirft  er  einen  flüchtigen  Rückblick  aiif  den  älteren  Volksgesang, 
datiert  aber  die  ganze  Bewegung  des  mehrstimmigen  Männergesanges,  der  a  capella  vor- 
getragen wurde,  von  der  Entstehung  der  Berliner  Liedertafel;  sie  ist  hervorgewachsen 
aus  Deutschlands  trübster  Zeit,  als  nach  dem  Frieden  von  Tilsit  der  preussische  Hof  in 
Memel  residierte  und  der  ton-  und  taktfeste  Gesang  nissischer  Soldaten  auf  den  König 
und  den  zufällig  anwesenden  Dichter  Wilhelm  Bornemann  den  tiefsten  Eindruck  machte. 
So  entstand  in  Berlin  bald  darauf  die  Zeltersche  Liedertafel,  an  der  Goethe  so  lebhaften 
Anteil  nahm;  rasch  folgten  in  anderen  deutschen  Städten  Gründungen  ähnlicher  Art.  1819 
WTirde  die  zweite  Berliner,  1826  die  Frankiurter  Liedertafel  gestiftet.  Eine  parallele 
Bewegung  ging  von  der  Schweiz  aus,  wo  sich  Hans  Georg  Nägeli  die  Pflege  des  mehr- 
stimmigen Gesangs  angelegen  sein  Hess  und  1812  den  Züricher  Stadtsängerverein  zu 
stände  brachte.  Entgegen  der  aristokratischen  Einrichtung  der  Berliner  Liedertafel 
stellten  sich  diese  Gesangvereine  auf  demokratischen  Boden,  so  dass  schon  1825  die 
Sänger  aus  18  Appenzeller  Gemeinden  zu  einem  Sängerfeste  auszogen  und  bereits  im 
Oktober  1836  bei  einem  grossen  kantonalen  Feste  in  Zürich  mehr  als  500  Sänger  unter 
Nägelis  Leitung  wirkten.  Diesen  Anregungen  Nägelis  entstammen  zahlreiche  „Lieder- 
kränze", wie  sie  sich  nannten,  zumeist  in  Süddeutschland,  freilich  nicht  so  rasch  wie 
in  der  Schweiz;  doch  wurde  schon  1827  in  Plochingen  ein  Sängerfest  mit  200  Sängern, 
1838  ein  deutsches  Sängerfest  mit  mehr  denn  700  Sängern  in  Frankfurt  gefeiert;  sieben 
Jahre  später  vereinigte  das  offiziell  als  das  erste  bezeichnete  deutsche  Sängerfest  in 
Würzbvirg  1700  Sänger.  In  Wien  kam  es  wegen  des  Polizeidrucks  erst  1843  zur  Grün- 
dung des  „Männergesangvereines",  doch  breitete  sich  jetzt  auch  in  Oesterreich  diese 
Vereinsthätigkeit  schnell  aus.  Von  1848  an  fühlt  man  die  Wirkung  der  politischen  Er- 
eignisse allenthalben  in  den  Männergesangvereinen,  trotzdem  vollzieht  sich,  unaufhaltsam 
die  Bewegung  in  immer  weiteren  Kreisen.  B.  betrachtet  dann  S.  20  ff.  die  „musi- 
kalische Entwicklung  des  Männergesanges"  und  die  einzelnen  Komponisten;  wichtiger 
für  uns  ist  aber  der  Abschnitt  „Das  Volks-  und  Vaterlandslied"  (S.  34  ff.  und  S.  60  ff), 
wo  einmal  Silcher,  die  Bedeutung  von  Beckers  „Rheinlied",  ferner  aber  Wilhelms  „Wacht 
am  Rhein",  zum  ersten  Mal  am  6.  Juli  1854  in  Krefeld  gesungen,  „Heil  Dir  im  Sieger- 
kranz" und  „Deutschland,  Deutschland  über  alles"  gewürdigt  werden.  Auch  des  „deut- 
schen Liedes"  ist  nicht  vergessen,  obwohl  die  grosse  politische  Tragweite  der  Männer- 
gesangvereine so  gut  wie  gar  nicht  berücksichtigt  wurde.  Leider  ist  auch  des  Studenten- 
liedes mit  keinem  Worte  gedacht.  B.  verkennt  manche  Gefahren  des  Liedertafelwesens 
keineswegs;  auf  die  Frage,  wie  es  das  eigentliche  Volkslied  beeinflusse,  geht  er  aber 
nicht  ein.  — 


schlesischen  Volkslied:  SchlesZg.  N.  157/8.  |[Kunstw.  3,  S.  179  f.]|  — 243)  K.  Obser,  Hist.  Volkslieder  aus  d.  österr.  ErMoIpe- 
kriege:  Germania  35,  S.  181—85.  —  244)  E.  deutsches  Napoleons-Lied  aus  d.  Jalire  1813:  HZ.  63,  S.  456/7.  —  245)  M. 
Beheitn-Schwarzbach,  D.  fünfte  Armeekorps  im  hist.  Volkslied  d.  Krieges  1870/1.  o.  0.  u.  J.  24  S.  —  246)  E.  B.  Freytag, 
Kronprinz  Albert  in  d.  deutschen  Dichtung:  LZg.  N.  91.  —  247)  X  J-  Proelss,  Fremdenbuchpoesie:  AZg.  N.  192.  (E.  humo- 
risfische  Betrachtung  d.  Fremdenbücher  alter  u.  neuer  Zeit  mit  einigen  Nachweisen  fllr  Scheffel.)  —  248)  X  Charfreitag 
in  Sage  u.  Dichtung:  NWUrzburgZg.  N.  169.  —  249)  H.  Schütze,  V.  Volksgesang :  Kunstw.  3,  S.  305/7.  -  250)  J.  Bautz, 
Gesch.  d.  deutsehen  Männergesanges  in  übersichtlicher  Darstellung.    Frankfurt  a/M.,  Steyl  &  Thomas.   VII,  80  S.  M.  1,50.  — 


IV,3:  0.  r.  Walzel,  Epos  des  18./19.  Jahrhunderts.  75 


IV,3 
Epos. 

Oscar  F,  Walzel. 

Allgemeine  Darstellungen  N.  1.  —  Geliert  N.  7.  —  Klinger  N.  9.  —  Schlenkert  N.  12;  —  Bürger  N.  13.  —  Heinse 
N.  17.  —  Voss  N.  21.  —  Meyern  N.  27.  —  Jean  Paul  N.  28.  —  H.  v.  Kleist  N.  40.  —  Schilling  N.  48.  —  E.  T.  A.  Hoffmann 
N,  49. —Hegner  N.  53.  -  Ch.v.Schmid  N.  62.  —  Hauff  N.  66.  —  Folien  N.  76.  —  EUckert  N.  83.  —  Gotthelf,  Auerbach,  Schirges 
N.  88.  —  Ferdinand  Schmidt  N.  92.  —  Holtei  N.  94.  —  Scheffel  N.  96.  —  Keller  N.  99.  —  Scherr  N  103.  —  Meissner  N.  104.  — 
Schlichtkrull,  Wildermuth  N.  109.  —  Reuter  N.  112.  —  Schirmer  N.  120.  —  Hamerling,  Heller  N.  121.  —  Winterfeld,  Schind- 
ler N.  130.  —  Scheurlin,  H.  t.  Schmid  N.  132.  —  Schack  N.  134.  —  Heyse,  Ebner-Eschenbach,  Foatane  N.  135.  — 

Zwei  allgemeine  Darstellungen  des  deutschen  Romans  im  19.  Jh.  sind  im 
Berichtsjahre  hervorgetreten;  beide  haben  in  ihrer  Methode  mit  den  Tendenzen  der 
neueren  Litterarhistorik  nichts  gemein.  Mielke  i)  und  Rehorn  2)  sind  eifrige  Roman- 
leser, nicht  Tachleute;  sie  entbehren  der  sicheren  Grundlagen  litterarhistorischer 
Schulung,  durch  welche  sie  vor  groben  Irrtümern  bewalu-t  geblieben  wären.  Beide 
verurteilen  die  willkürliche  Konstruktion  eines  Begriifes  des  Romans.  Vorurteilsloser, 
objektiver  ist  M.  R.  möchte  sichere  Kriterien  für  eine  Theorie  des  Romans  finden, 
geht  indess  von  engherzigen  Anschauungen  über  Litteratur  und  Kunst  aus  und  ist  ins- 
besondere ein  Gegner  der  letzten  Entwicklungsphasen,  welche  der  deutsche  Roman  unter 
dem  Einflüsse  des  von  ihm  verurteilten  Zolaismus  durchmacht;  er  kommt  diu-ch  sein 
Vorurteil  zu  dem  merkwürdigen  Ergebnis,  im  historischen  Roman  den  Stolz  und  die 
Hoffnung  der  deutschen  Litteratur  zu  sehen.  R.,  wie  M.,  ist  von  der  hohen  Bedeutung 
des  Romans  für  die  Geschichte  der  Litteratur  überzeugt.  M.  sucht  den  Stoff  zu  er- 
schöpfen, während  R.  nur  den  Bildungsroman  der  Gutzkow  und  Laube,  den  sich  daran 
schliessenden  Frauenroman  der  Mitte  des  Jh.,  dann  den  historischen,  den  „modernen 
Zeitroman"  Freytags,  Spielhagens,  Auerbachs,  endlich  den  neueren  Heyses,  Lindaus, 
Jordans  herausgreift.  Dennoch  erhebt  sich  M.s  Buch  nicht  über  eine  beschreibende, 
ordnende,  oft  unglücklich  disponierende  Charakteristik,  während  R.  für  historische 
Fragen  eine  glücklichere  Hand  hat.  Der  Zusammenhang  mit  den  Zeitströmungen  ist 
bei  R.  eindringlicher  und  erfolgreicher  erörtert;  ich  verweise  besonders  auf  die  Be- 
sprechung des  Einflusses,  den  die  durch  Strauss'  „Alten  und  neuen  Glauben"  vertretene 
Weltanschauung  auf  den  Roman  genommen  hat.  Ganz  wertlos  sind  die  Kapitel  beider 
Bücher,  die  dem  Romane  vor  1800  gewidmet  sind;  R.,  der  mit  dem  „Ruodlieb"  ein- 
setzt, giebt  nur  Excerpte  aus  Scherers  Litteraturgeschichte ;  über  Goethe  sagen  beide 
nichts  Neues,  der  Romantik  werden  sie  nicht  gerecht.  Die  verdienstvollsten  Partieen 
betreffen  den  Roman  von  1848 — 80;  auch  bei  M.  kommen  C.  F.  Meyer,  die  Ebner- 
Eschenbach  zu  kurz,  insbesondere  aber  die  Neuesten.  Wesentlich  neue  Gedanken 
bringen  M.  und  R.  zur  Charakteristik  der  einzelnen  Vertreter  nicht  heran;  auch  R.s 
eingehende  Analysen  Ebersscher  und  Dahnscher  Werke  sind  lediglich  besonnene  Zu- 
sammenfassungen längst  bekannter  Urteile.  Nicht  einmal  die  auch  von  M.  bemerkte 
Aehnlichkeit  Fouquescher  und  Dahnscher  Schriftstellerei  findet  bei  R.  Erwähnung. 
Beide  ziehen  den  englischen  und  französischen  Roman  viel  zu  wenig  in  Betracht;  Scott, 
Dickens,  Sue  und  Zola  genügen  nicht  allein;  man  fälscht  die  Geschichte,  wenn  man 
dem  deutschen  Roman  eine  selbständige,  von  fremdländischen  Einflüssen  freie  Entwick- 
lung zuschreibt.  Manches  hat  schon  Julian  Schmidt  besser  klargestellt.  Dennoch  bleibt 
M.  das  Verdienst  des  ersten  Versuchs,  in  eine  wirre  Fülle  von  Erscheinungen  Ordnung 
gebracht  zu  haben;  freilich  hat  er  Meissner  wegen  des  schwebenden  Streites  ausge- 
lassen und  erwähnt  Anzengrubers  Dorfroman  überhaupt  nicht.  R.s  historische  Gesichts- 
punkte werden  dem  Forscher  vor  der  Hand  unentbehrlich  bleiben.  —  Eine  Zusammen- 
stellung modemer  Erzähler  findet  sich  auch  in  Keiters^)  Buch,  allerdings  nur  als  eine 
Reihe  von  Einzelcharakteristiken,  die  lediglich  durch  das  Glaubensbekenntnis  der  Autoren 
zusammengehalten  sind.  Wenn  K.  auch  die  Aesthetik  der  Religion  unterordnet,  denkt 
er  doch  über  den  Roman  freisinniger  als  mancher  Aesthetiker;  bis  zu  einer  Würdigung 
des  Naturalismus  ist  er  allerdings  nicht  vorgedrungen,  andrerseits  aber  bekennt  er  vor- 
urteilslos, dass  der  katholische  Roman  sich  zu  enge  Grenzen  ziehe.  Seine  Charak- 
teristiken sind  schwäclilich:  neben  eine  kurze  Lebensgeschichte  der  Vff.  und  die  Inhalts- 


I)  H.  Mielke,  D.  deutsche  Roman  d.  19.  Jh.  Brannschweig,  Schwetschke.  VIII,  351  S.  M,  4,00.  |[0.  Harnack: 
PrJhb.  16,  S.  207;  W.  Bölsche:  FrB.  1,  S.  777;  Groeben:  BLU.  S.  554  (mit  Ausstellungen);  Harden:  Nation».  8,  S.  26; 
Deutschland  2,  S.  84;  ConsMschr.  47,  S.  1001;  KZg.  N.  174;  Post  N.  175.]|  —  2)  K.  Rehorn,  D.  deutsche  Roman.  Gesch. 
Rückblicke  u.  krit.  Streiflichter.    Köln,  Ahn.    VIII,  274  S.  M.  4,00.    ([Groeben:  BLU.    S.    277;  ConsMschr.  47,   S.  664.]|   — 


7n  IV,3:   O.  F.  Walze],  Epos  des  18./19.  Jahrhunderts. 

angaben  der  Werke  treten  einige  kritische  Bemerkungen  im  Stile  der  Recensionen  in 
den  Tageszeitungen.  Wenn  zuweilen  eine  feine  Bemerkung  unterläuft,  so  verletzt  noch 
häufiger  ein  vorschnell  aburteilendes  Wort;  mit  Ausnahme  der  Gräfin  Hahn -Hahn  und 
Stifters  gehören  die  behandelten  Dichter  durchaus  den  jüngsten  Jalu-zehnten  an.  — 
Lediglich  kulturhistorisch  interessant  ist  eine  von  protestantischer  Seite  *)  unternommene 
engherzige  Polemik  gegen  Auerbach,  Spielhagen,  Heyse,  Keller,  Ebers,  Dahn,  Taylor, 
welche  die  Genannten  im  Gegensatz  zu  der  christlichen  Weltanschauung  findet  und  sie 
des  Pantheismus  beschuldigt  (vgl.  IV,  1  N.  4).  —  Im  Zusammenhang  wurden  die 
Ktinstlerromane  5)  Heinses,  Tiecks  u.  a.  betrachtet.  6)  — 

Auch  im  einzelnen  hat  man  sich  mit  der  epischen  Dichtung  des  18.  Jh.  weit 
weniger  beschäftigt  als  mit  den  erzählenden  Werken  unseres  Jh.  Anknüpfend  an  das 
in  Gellerts^*)  Erzählung  „Der  grüne  Esel"  (1746)  erwähnte  Wiegenlied  vom  schwarzen 
Schaf  teilt  Sprenger  '')  eine  ihm  bekannte  Fassung  mit  und  bittet  um  Mitteilung 
anderer.  ^)  — 

Mit  mehr  als  gewöhnlichem  Fleisse  hat  Pfeiffer  ^)  die  Quellen  von  Klingers 
Eaustroman  zusammengetragen.  Anlehnungen  an  die  dämonische  Litteratur  (Milton, 
Klopstock,  Cranzs  „Gallerie  der  Teufel"),  an  die  Eaustlitteratur  (Volksbuch,  Volksdrama, 
Lessing,  Weidmann,  Maler  Müller,  Goethe),  dann  an  die  Behandlungen  faustischer  Pro- 
bleme durch  Wieland  und  Miller  werden  aufgedeckt,  und  diese  Nachweise  zusammen  mit 
historischen  Anspielungen,  philosophischen  Erörterungen  und  stilistischen  Momenten 
sollen  den  Beweis  erbringen,  dass  Klingers  „Faust"  in  seinen  Hauptpartien  vor  1780 
entworfen  worden  ist  und  im  Jahre  1790  lediglich  eine  rasche  stilistische  Redaktion 
erfahren  hat.  Ziu-  Gewissheit  hat  P.  seine  These  nicht  erhoben:  freilich  zeigt  sein 
Material,  dass  Klingers  Roman  aus  Stimmungen  und  aus  Werken  erwachsen  ist,  die 
vor  1780  fallen,  aber  der  Nachweis  der  Unmöglichkeit  einer  späteren  Konzeption  ist  zu 
wenig  herausgearbeitet.  Wenn  Klingers  Roman  überhaupt  ursprünglich  als  Drama  ge- 
plant war,  so  sei  er,  meint  P.,  schon  im  ersten  Stadium  zum  Roman  umgebildet  worden. 
Auch  für  diese  Frage  fehlt  ein  sicheres  kritisches  Ergebnis.  Aus  einer  Vergleichung 
der  Ausgaben  von  1791,  1794,  1815  schliesst  P.  auf  einen  konsequenten  Fortschritt  zur 
Reife.  Im  ganzen  ist  die  stilistische  Verarbeitung  dem  reichen  Materiale  nicht  gerecht 
geworden,  lo-ii^  — 

Schlenkert  wird  von  Brummer  i^")  nach  dem  „Nekrolog"  geschildert.  — 

Mit  einer  sehr  wertvollen  Einleitung  hat  Grisebach^^)  einen  Neudruck  des 
Bürgerschen  „Münchhausen"  (Ausgabe  letzter  Hand  von  1788)  ausgestattet.  Er  bringt 
den  Nachweis,  dass  Raspes  englischer  „Münchhausen"  von  1786,  dessen  Editio  princeps 
G.  zum  ersten  Male  beschreiben  konnte,  lediglich  Uebersetzung  der  im  „Vademecum  für 
lustige  Leute"  (Berlin  1781.  8,  S.  92—102;  9,  S.  76—79)  abgedruckten  „M-h-s-nschen 
Geschichten"  ist;  erst  von  der  zweiten  englischen  Ausgabe  ab  finden  sich  Zusätze,  deren 
dem  vu"sprünglichen  „Münchhausen"  völlig  fernstehende  QueUen  nachgewiesen  werden. 
Bürger  hat  seinerseits  Zusätze  gemacht,  die  ein  Drittel  des  Buches  auf  seine  Rechnung 
bringen.  Raspe  ist  also  nur  als  Uebersetzer  zu  betrachten.  Lichtenbergs  geringer  Anteil 
an  dem  Bürgerschen  Buche  wird  in  mannigfachem  Gegensatze  zu  Ellissen  festzusetzen 
versucht.  Die  Urquellen,  dann  die  Nachahmungen,  weitere  bibliographische  Daten  über 
das  deutsche  und  englische  Buch  und  die  Uebersetzungen  werden  zuletzt  mitgeteilt  i^). 
—  Aeltere,  unrichtige  Vorstellungen  werden  vertreten  von  zwei  populären  Artikeln  15-16) 
über  Raspe.  — 

Diu-ch  G.  Adler  1'')  wird  zum  ersten  Male  von  juristischer  Seite  auf  die  socia- 
listischen  Tendenzen  von  Heinses  ^8)  „Ardinghello"  aufmerksam  gemacht;  Qiielle  sei  Plato, 
das  Ganze  aber  eine  absichtliche  Utopie,  die  in  der  Betonung  der  Erziehungsmomente  ihr 
Hauptziel  sehe.  —  Behaghel  i^)  weist  die  in  den  „Schäfererzählungen"  (S.  6)  abgedruckte 


3)  H.  Keiter,  Katholische  Erzähler  d.  neuesten  Zeit.  Litt.-hist.  Studien.  2.  verb.  u.  bed.  verm.  Aufl.  Paderborn,  Schöningh. 
396  S.  M.  3,60.  —  4)  D.  moderne  Roman  u.  d.  christliche  Weltanschauung:  AELKZ.  N.  3-7.  —  5)  T.  V.:  Künstlerromane  u. 
Kunstgeschichte:  HambNaehrS.  16.  u.  23.  März.  —  6)  XA.Kohu  t.  Berühmte  deutsche  Humoristen  in  d.  Gegonw.:  Volk sZgS.  N.  6-8- 
—  6a)  X  E.  unbekanntes  Gelleit-Deukmal:  FrankfJ.N.  44.  (In  Hadersdorf  bei  Wien  1789  v.  Laudon,  d.  Freund  u.  Verehrer  Gellerts, 
errichtet).  —  7)  R.  Sprenger,  Zu  e.  Erzählung  Gellerts:  ZDU.  4,  S.  87.  —  8)  X  M.  Claudius,  Humoristische  Schriften.  In 
Auswahl  her.  v.  J.  Riffert.  Mit  Einl.:  M.  Claudius  als  Volksschriftsteller.  Leipzig,  Fock.  VI,  159  S.  M.  0,50.  —  9)  G.  J. 
Pfeiffer,  Klingers  Faust.  E.  litt.-hist.  Untersuchung.  Nach  d.  Tode  d.  Vf.  her.  v.  B.  Seuffert.  Würzburg,  Hertz.  165  S. 
M.  4,50.  (Vgl.  Bernay  8'  Reklamation:  VI.G.  3,  S.  508.)  -  10)  X  v-  V.*",  D.  Hausball.  Erzählung  aus  d.  J.  1781.  (=  Deutsch -Ost. 
Nat.-Bibl.  72.)  Reichenberg,  Weichelt.  23  S.  M.  0,20.  —  II)  X  K.  A.  KortUm,  D.  Jobsiado.  (=  Bibl.  d.  Ges.-Litt.  427-30.) 
Halle,  Hendel.  338  S.M.  1,00.-12)  F.  Brumme  r,  F.  Ch.  Schlenkert :  ADB.  31,  S.  464.  —  13)  G.A.Bürger,  Abenteuer  d.  Freyhorrn 
V.  Münchhausen.  Mit  e.  Einl.  v.  E.  Grisebach.  (=:Koll.  Spemann.  292.)  Stuttgart,  Union.  LXII,  127  S.  M.  1,00.  —  14)  X 
D.  Freiherrn  v.  Münchhhausen  Abenteuer.  Zuerst  gesammelt  u.  englisch  her.  v.  R.  E.  Raspe,  übers,  u.  hie  und  da  erweitert  v. 
G.  A.  Bürger.  Neudruck  d.  11.  Originalausg.  d.  deutschen  Boarbeit.  mit  16  Federzeichnungen  v.  Hosemann.  Göttingen,  Dietorieh. 
120.  XVL  158  S.  M.  1,20.  —  15)  H.  Becker  jr.,  D.  Abenteuer  d.  Froiherrn  v.  Münchhausen  u.  ihr  Vf.  R.  E.  Raspe:  Mnemosyne 
S.  59—60,  63/4.  —  16)  W.  Becker,  D.  Abenteuer  d.  Freiherrn  v.  Münchhausen  und  ihr  Vf.  R.  E.  Raspe,  PfXlzCour.  Familienbll. 
N.  23.  —  17)  G.  Adler,  E.  deutscher  kommunistischer  Romancier  d.  18.  Jh.  (W.  Heinse):  Zeitgenosse  1,  S.  41/3.  —  18)  Pe- 
trons  Gastmahl  d.  Trimalohio.  Nach  W.  Heinses  Uebersetzung  m.  Einl.  u.  Erl.  her.  v.  M.  Oberbreyer.  (Univ.-Bibl.  N.  2616.) 
Leipzig,  Reclam.    76  S.  M.  0,20.  —  19)  0.  Behaghel,  Zu  Heinse:   VLG.   3,    S.     186-91.    —   20)    X    W.   Braeker],   D.   arme 


TV,3:  0.  F.  Walzel,  Epos  des  18./19.  Jahrhunderts.  77 

„Eilfertige  Schäferin"  Rost  zu,  wie  schon  Koberstein  4^,8.  155  Anm.  3  für  die  „Schäfer- 
stunde"  Eosts  Autorschaft  bestimmt  hatte.  Einige  Belege  der  Unzuverlässigkeit  folgen, 
die  der  Laubesche  Text  der  „Schäfererzählungen"  und  des  „Ardinghello"  aufweist.  — 

Bekannt  gemacht  wird^i),  dass  die  Eutiner  Gymnasialbibliothek  unbenutztes 
Material  zur  Geschichte  der  Eamilie  Voss  22-24^  in  Briefen  von  Ernestine  Voss  an  ihren 
Sohn  Abraham  besitze.  25-26^  — 

Biograpliische  Notizen  über  den  Vf.  von  „Dya-Na-Sore"  fasst  Teuffenbach^'') 
zu  einem  Panegyrikus  Meyerns  zusammen.  — 

Nerrlich28)  veröffentlicht  ungedruckte  Aphorismen  Jean  Pauls  29-30)^  yon 
denen  er  die  einen  durch  den  verstorbenen  Hofrat  Ernst  Förster  in  München  erhalten 
hat,  während  andere  in  der  Rollwenzelei  aufbewahrt  sind;  weiter  teilt  Nerrlich^i)  einen 
Brief  an  S.  A.  Mahlmann  vom  5.  Okt.  1801  mit,  der  Kanne  in  den  Himmel  hebt,  und 
einen  an  F.  H.  Jacobi  vom  3.  Sept.  1817,  der  einen  Magnetiseur  dringend  empfiehlt.  Ein 
Faksimile  des  Briefes  an  Kaiser  Alexander  von  Russland  vom  9.  Febr.  1815  in  Sachen 
seiner  Frankfurter  Pension  wird  durch  Franzos  ^2)  nach  dem  in  seinem  Besitze  befind- 
lichen Originale  geboten.  —  Nerrlichs  Buch^^)  hat  mehrfach  Anlass  gegeben,  Jean 
Pauls  Bedeutung  für  die  Gegenwart  zu  erörtern.  Ebers  3*),  der  ihn  mit  den  Barock- 
bauten des  18.  Jh.  vergleicht  (er  nennt  den  Dresdener  Zwinger),  findet  seine  Sinnsprüche 
noch  heute  zeitgemäss.  —  Gleicher  Ansicht  ist  Gottschall  ^5)^  der  Jean  Paul  aus  der 
Stelle  eines  modernen  Frauenlob  durch  Geibel  und  Heyse  verdrängt  glaubt  und  der 
gegen  Ger^^nus'  Missurteil  protestiert.  —  Eindringlich  untersucht  Pröhle^*"),  warum 
JeanPaul  heute  unlesbar  geworden  ist:  das  Goethesche  Schönheitsideal  habe  ihn  verdrängt.  — 
Rieh.  Köhlers-^'?)  schwächlicher,  schlecht  stiHsierter  Aufsatz  will  an  wenigen  Aperpus 
Jean  Pauls  der  Gegenwart  die  Notwendigkeit  einer  Abkehr  vom  Materialismus  docieren. 
—  Versucht  wurde  der  Nachweises),  Wilhelm  Raabe  habe  erfüllt,  was  Jean  Paul  eigent- 
lich sein  sollte;  er  sei  männlich,  wo  Jean  Paul  unreif,  jünglinghaft  erscheine. ^9)  — 

R.  M.  Werner  40)  stellt  die  mutmasslichen  Quellen  von  Kleists  „Marquise 
von  0  . . . ."  zusammen,  ohne  die  Entstehung  der  Dichtung  aus  dem  ihm  vorliegenden 
Material  darzulegen.  Neben  die  von  0.  Brahm  angezogene  Anekdote  Montaignes 
stellt  er  als  mindestens  gleich  wichtig  „Eros  oder  Wörterbuch  über  die  Physiologie" 
(Berlin  1823,  1,  S.  322  £)  mit  einer  aus  Pitaval  übernommenen  Erzählung.  Die  von 
Bülow  erwähnte  Erzählung  der  Frau  v.  Gomez  glaubt  er  nicht  in  ihrem  Buche  „Les 
journees  amüsantes"  zu  finden,  das  eine  ähnliche  Geschichte  nach  Cervantes  erzählt, 
sondern  in  ihren  „Cent  nouvelles  nouvelles"  (A  la  Haye  19,  S.  184  ff.),  wo  thatsächlich  auf- 
fallende Uebereinstimmung  sich  findet.  Ferner  steht  die  von  Muncker  (AZg.  1884,  S.  153) 
beigebrachte  Erzählung  von  KaroHne  v.Ludecus.  Wenn  Kleist  von  einer  „wahren  Begeben- 
heit" in  „Norden"  spreche,  so  verweist  W.  auf  Otto  Ludwig  an  Tieck  (Holtei  2,  S.  281  f.). 
Sicher  gekannt  hat  Kleist  Tiecks  „William  Lovell"  (Schriften  7,  S.  154  ff.);  in  Zschokkes 
„Tantchen  Rosmarin"  vermutet  W.  eine  etwa  auf  Pitaval  beruhende  Konkurrenzerzäh- 
lung und  denkt  an  die  Entstehungsgeschichte  des  „Zerbrochenen  Krugs".  Wenig  Ueber- 
einstimmung findet  er  mit  der  von  Zolling  (Gegenwart  1884,  S.  283  f.)  mitgeteilten  ko- 
mischen Erzählung.  Mit  Muncker  erinnert  er  noch  an  GoetheJB.  5,  S.  60  und  verweist 
zuletzt  auf  Hieronymus  Cardanus  „De  rerum  varietate"  lib.  16.  cap.  93.  —  Erich 
Schmidt*^)  giebt  für  die  „Heilige  Caecilie"  die  Varianten  des  ersten  Druckes  („Abend- 
blätter" N.  15—17,  November  1810,  Bl.  40—42,  S.  155—164)  gegenüber  dem  2.  Teil  der 
„Erzählungen"  (1811).  —  Sprenger  ^2)  verbessert  im  „Michael  Kohlhaas "*3-45^  den  Druck- 


Mann  im  Tockenburg.  Her.  v.  Ed.  Bülow.  Neue  Ausg.  (=  Univ.-Bibl.  2601/2.)  Leipzig,  Reclam.  235  S.  M.  0,40.  —  21)  ZDPh. 
22,  S.  459.  —  22)  X  A.  Baldi,  Voss,  Luise  her.  v.  E.  Bindel:  BBG.  26,  S.  207.  —  23)  X  Homers  Odyssee  v.  J.  H.  Voss. 
Schulausg.  bearb.  v.  K.  Holdermann.  2.  Aufl.  (=i  Meisterwerke  d.  deutschen  Litt.  f.  höh.  Lehranst.  her.  v.  K.  Holdermann 
n.  A.  Sevin.  3.)  Berlin,  Reuther.  163  S.  m.  e.  Bild.  M.  1,00.  —  24)  X  Vergils  Aeneis  v.  J.  H.  Voss.  Mit  e.  Verzeichnis  d. 
Eigennamen.  Neu  bearb.  u.  durchgeseh.  Ausg.  (=  Bibl.  d.  Ges.-Litt.  432/4).  Halle,  Hendel.  280  S.  M.  0,75.  —  25)  X  Cli-  A. 
Vulpius,  Rinaldo  Rinaldinis  Räuber-  u.  Liebesabenteuer.  Roman.  Neu  bearb.  u.  her.  v.  J.  F.  Gildenmeister.  Berlin,  Schmidt. 
224  S.  M.  3.00.  —  26)  X  E.  Walleurodt.  Z.  150.  Geburtstag:  Post  N.  58.  —  27)  A.  Frhr.  v.  Teuffenbach,  W.  v.  Meyern, 
k.  k.  Hauptmann  u.  Schriftsteller:  Dioskuren.  19,  S.  53/8.  —  28)  J.  P.  Richter,  Aphorismen.  Ungedr.  Nachlass  her.  v.  P.  Nerrlich: 
DDichtung.  8,  S.  54/8;  9,  S.  29.  (Auszugsweise:  Bund  N.  116;  NStettinZg.  N.  186;  PestL.  N.  112".;  Didask.  N.  96.)  —  29)  X 
Jean  Paul  nach  d.  1811  v.  F.Meyer  gemalten  Oelbild :  ib.  8,  S.  53.  —  30)  X  J- P- R'chter,  Flegeljahre.  E.Biographie.  (=  BibliotUek 
d.  Ges.-Litt.  379-82.)  Halle,  Hendel.  VIII,  427  S.  M.  1,00.  —  31)  id.,  2  Briefe  mitget.  v.  P.  Nerrlich:  DDichtung.  8,  S.  70/1. 
—  32)  id.,  Brief  an  Kaiser  Alexander  v.  Eussland  [her.  v.  K.  E.  Franzos]:  ib.  S.  56/7.  (Abgodr.  Didask.  N.  96.)  —  33)  X  P- 
Nerrlich,  Jean  Paul  u.  seine  Werke  |[0.  Härtung:  DDichtung.  8,  S.  71/6  („abschliessende  Arbeit");  st.:  Deutschland, 
S.  283  f.  („fleissige,  materialreiche,  aber  nicht  litt.-hist.  Biographie;  unpopulär);  P.  M(irsch):  HambNachr^.  v.  2.  März.]  |  — 34)  G. 
Ebers,  Was  uns  Jean  Paul  noch  sein  kann:  AZg".  N.  55/6.  —  35)  R.  v.  Gottschall,  Jean  Paul  u,  d.  Gegenwart:  UZ.  1, 
S.  38-47.  (Auch  Transatlantic  V.  15.  Febr.)  —  36)  H.  Pröhle,Jean  Paul:  WJDM.  68,  S.  849-53.  —  37) Rieh.  Köhler,  Ueber  d. 
Bedeutung  Jean  Pauls  für  d.  Paedagogik  d.  Gegenwart:  Paedagogium    12,  S.  297 — 307.  —  38)  Bemerkk.  über  moderne  Realisten 

4.  Wilhelm  Raabe:  KZgS.  N.  26.  —  39)  X  K.  Werner,  Jean  Paul:  WienZg.  N.  125.  —  40)  R.  M.  Werner,  Kleists  Novelle 
„D.  Marquise  v.  0  .  .  .  .  " :   VLG.  3,  S.  483—500.    —    41)   Erich  Schmidt,  Kleists  „Heilige  Cäcilie"  in  urspröngl.  Gestalt:    ib. 

5.  191/5.  —  42)  R.  Sprenger,  Zu  Kleists  Michael  Kohlhaas:  ZDU.  4,  S.  378/9.  —  43)  X  D-  Sanders,  Sprachl.  Bemerkk. 
zu  H.  V.  Kleists  „M.  Kohlhaas":  ZDS.  3,  S.  389—94;  436—41.  (Stilist.  Notizen.)  —  44)  X  id.,  Zu  H.  v.  Kleists  Erzählung 
,D.  Erdbeben  in  Chili":  ib.  S.  404.  (Stilist.  Notizen.)  —  45)  H.  v.  Kleist,  E.  T.  A.  HofFmaun,  W.  Hauff,  J.  v.  Eichendorff, 
Klassische  Novellen  her.  mit  Einl.  u.  Erl.  v.  0.  Hellinghaus.   Münster,  Aschendorff.    160.  VIII,  136  S.,  VIII,  86  S.,  VII,  119  S., 


78  IV,3:  0.  F.  Walzel,  Epos  des  18./! 9.  Jahrhunderts. 

fehler  aller  Ausgaben  „herrlichen"  für  „herzlichen"  (ZoUing  4,  S,  132,  27)  sowie  die  Irr- 
tümer Zolliugs  „ihn"  für  „ihm"  (ib.  S.  93,  4)  und  „der  Jagdjunker"  für  „den"  (ib. 
S.  137,  32). «-«)  _ 

Boxberger^s)  giebt  die  bekannten  Daten  über  Schilling  und  stellt  sich  in  der 
Autorschaftsfrage  des  Gedichtes  „Im  Oktober  1788"  (Schillers  „Thalia"  1790,  S.  95) 
auf  die  Seite  Goedekes  (vgl.  Körnerbriefe  12,  S.  314),   — 

Eine  interessante  und  belehrende  Studie  über  E.  T.  A.  Hoff  mann  veröffent- 
licht Ellinger^ö).  Er  charakterisiert  in  ihm  den  treuen  Beobachter,  der  mit  Bewusst- 
sein  nur  das  scliildert,  was  er  geschaut  hat;  als  typischer  Eall  seiner  Studien  der 
Aussenwelt  erscheint  „Des  Vetters  Eckfenster".  Dasselbe  Streben  führt  ihn  zu  den 
zahlreichen  Selbstschilderungen  (Rat  Krespel,  Gerichtsrat  Drosselmeier,  Meister  Abraham, 
Kreisler),  wie  denn  E.  auch  eine  lange  Reihe  erlebter  Motive  aus  Hoffmanns  Dichtungen 
zusanamenträgt.  Selbst  die  Darstellung  des  Geisterreiches  gründe  sich  bei  ihm  auf 
Beobachtung;  er  habe  geglaubt,  Doppelgänger  zu  sehen.  Seine  Wirkung  beruhe  auf 
dem  Kontrast  seiner  plastischen  Schilderungen  und  der  spukhaften  Vorgänge  seiner 
Schöpfungen,  die  ihrerseits  einen  im  romantischen  Sinne  gegen  das  Philistertum  ge- 
führten Kampf  bedeuteten.  Als  Quellen  Hoifinannscher  Dichtungen  werden  genannt: 
Kleist,  insbesondere  die  „Marquise  v.  0  .  .  .  ."  („Gelübde"),  Lewis  „The  Monk"  („Elixire"), 
Schillers  „Geisterseher"  („Datura  fastuosa",  Schluss),  „Räuber"  („Die  Räuber",  „Das 
Majorat"),  Cazottes  „Diable  amoureux"  („Elementargeist"),  Goethes  „Neue  Melusine" 
(Meister  Abraham),  Chamissos  „Schlemihl",  Tiecks  „Phantasus"  (für  die  Rahmen- 
erzählungen). Wirkungen  Hoffinanns  findet  E.  bei  Gottfr.  Keller  und  Storm,  in  Heines  „Atta 
Troll"  („Kater  Murr"),  in  Lortzings  „Waffenschmied"  („Meister  Martin")  und  in  Marschners 
„Vampyr"  („Serapions-ßrüder"  4,  S.  181).  Auf  E.s  zahlreiche  feinsinnige  Bemerkungen 
über  Hoffmanns  Erzählertechnik  kann  hier  nur  hingewiesen  werden.  ^"-52^  — 

Ulrich  Hegners  Briefwechsel  mit  D.  Hess  wurde  nach  einer  sorgfältigen  Ab- 
schrift der  Briefe  Hegners,  deren  Originale  die  Stadtbibliothek  zu  Winterthur  aufbe- 
wahrt, und  nach  den  Originalen  der  im  Besitze  der  Eamilie  Burkhardt-Hess  befindlichen 
Briefe  von  Hess  in  stark  beschnittener  Ausgabe  durch  Pestalozzi 53)  zu  Tage  gefördert. 
Die  Korrespondenz  dreht  sich  im  wesentlichen  um  Privatangelegenheiten.  Die  Ent- 
stehung von  Hess'  Ausgabe  des  Usterischen  Nachlasses  (Berlin  1831)  lässt  sich  über- 
blicken. Goethe  taucht  zuweilen  auf;  ihn  bringt  Heinrich  Meyer  nahe ;  den  Goetheschen 
Briefpublikationen  schenkt  Hegner  besonderes  Augenmerk,  wie  er  sie  ja  selbst  durch  sein 
Lavaterbuch  bereichert  hat;  auch  Uhland  wird  genannt.  Der  Malerei  wird  lebhafte 
Aufmerksamkeit  gewidmet,  es  erscheinen  besonders  die  Namen  Boisseree,  Tischbein  und 
Holbein,  über  den  Hegner  (Berlin  1827)  gesclirieben  hat.  Unzulänglich  sind  die  An- 
merkungen des  Herausgebers,  dankenswert  ist  die  Mitteilung  einiger  Citate  aus  Hegners 
Tagebuch.  ■ —  Sorgfältig  erörtert  Geilfuss^*)  die  Entstehungsgeschichte  von  Hegners 
Roman  „Salys  Revolutionstage"  ^5),  Vorgelegt  werden  Kombinationen  über  die  nicht 
erhaltene  älteste  Gestalt  „Jery",  die  nur  J.  G.  Müller  zu  Gesicht  bekommen  hat  und 
deren  Titel  wegen  Goethes  „Jery  und  Bätely"  aufgegeben  wurde,  ferner  Mitteilungen 
über  die  zweite,  hs.  erhaltene  Fassung  von  1807,  welche  mit  der  dritten  gedruckten  ver- 
glichen wird;  einige  charakteristische  Notizen  über  die  damalige  von  Napoleon  beein- 
flusste  Züricher  Censur  sind  beigefügt.  5^-^')  — 

In  knapper  Zusammenfassung  der  biographischen  Daten  giebt  Binder^^)  einen 
glücklichen  Versuch,  Christoph  von  Schmid63-64)  als  Menschen  und  Dichter  zu 
würdigen.  Die  Technik  und  der  pädagogische  Zweck  seiner  Erzählungen  wird  kurz 
dargelegt.     B.  erbUckt  in  Schmid  einen  kathohschen  Geistlichen,  der  in  den  Anschauun- 


IV,  124  S.,  VIII,  116  S.  M.  1,20.  —  46)  X  A.  v.  Chatnisso,  Peter  Schlemihl.  Notes  par  Halbwachs.  Paris,  Quantin  Picard, 
Kaan.  128  8.  avec  portr.  —  47)  X  'd-.  Peter  Schlemihl.  Edited  hy  S.  Primer.  Boston,  Heath.  —  48)  R.  Boxberger, 
F.  G.  Schilling:  ADB.  31,  S.  256.  —  49)  G.  Ellinger,  Z.  Charakteristik  E.  T.  A.  HolTmanns:  DDichtung.  7,  S.  242/6,  287/9. 
—  50)  X  H.  Brand  icke,  Z.  Charakteristik  d.  Dichters  E.  Th.  Hoffmann:  Bär.  16,  S.  464.  (Verbess.  u.  vervollst.  Abdr.  d.  v. 
Z.  Funk  „Erinn.  aus  meinem  Leben"  1,  S.  160  f.  mitget.  Briefes  an  Kunz.  Mit  Hoffmanns  Selbstporträt.)  —  51)  G.  Engel,  Z. 
Gedächtnis  d.  SerapionsbrOder:  BerlTBl.  N.  284.  |[Vgl.:  DReichsanz.  N.  129;  SchwäbMork.  N.  127 ;  HannCour.  N.  16459;  VossZg. 
N.  185.]  |(D.  Anbringung  e.  Gedenktafel  fUr  H.  u.  fUrL.  Dovrient  in  Lutters  Weinstube.)  —  52)  X  E.  T.  A.  Hoffmann,  D.  goldene 
Topf:  (=Bibl.  d.  Ges.-Litt.  421.)  Halle,  Hendel.  85  S.  M.  0,25.  —  53)  F.  0.  Pestalozzi,  David  Hess  u.  Ulrich  Hegner. 
Mitteill.  aus  ihrem  Briefwechsel.  1812—39:  ZIlrchTb.  NF.  13,  S.  152—95.  (Abschluss  d.  ib.  12,  S.  1-96  gemachten  Mittoill.)  — 
54)  G.  Oeilfus,  U.  Hegners  Schrift  „Salys  Revolutionstage" :  NZIlrchZg.  N.  16/8,  20.  —  55)  X  U.  Hegner,  Salys  Revolutions- 
tage. E.  Schweizer  Erzählg.  aus  d.  J.  1797:  Bund  N.  31,  33  f..  36/8,  41  f.,  44  f.,  48—52,  55  f.,  58  f.,  02/6,  68-73,  76-80,  83/5. 
(vgl.  Bund  N.  52  :E.  Anmerkung  zu  Hegners  Roman.)  —  56)  X  H- Zschokke,  Ausgew.  Schriften.  Neue  Orig.-Ausg.  4  Bde.  (=Aaran, 
Sauerländer.  IV,  84,  79,  144,  73  S.  M.  2,80.  —  57)  X  id.  D.  Goldrascherdorf  (=  Meyers  Volksbb.  701/2).  Leipzig,  Bibl.  Inst.  140  S. 
M.  0,20.  —  58)  X  id.,  D.  Goldmacherdorf.  Gekürzt  u.  z.  Gebrauch  in  Fortbildungsschulen  einger.  v.  Fritz  Jonas.  (=  Volks- 
schriften. Neu  her.  v.  Fritz  Jonas.  2.  Heft.  Berlin,  Oehmigke.  123  S.  M.  0,40.  —  59)  X  id.,  D.  tote  Gast.  (=  Famihen- 
BUcherschatz.  Heft  1.)  UTglRs.  N.  60.]  |  —  60)  X  id.,  D.  Walpurgisnacht.  Krieger.  Abenteuer  e.  Friedfertigen.  Es  ist  sehr 
möglich.  3  ErzähU.  (=  Univ.-Bibl,  N.  2595.)  Leipzig,  Reclam.  106  S.  M.  0,20.  —  61)  X  D-  Sanders,  Abgerissene  Bemerkk. 
z.  4.  Bd.  v.  Zschokkes  Bayerischer  Gesch.:  ZDS.  3,  S.  332/5.  (Stilist.  Notizen.)  —  62)  Binder,  Ch.  v.  Schmid:  ADB.  31, 
8.  667/9.  —  69)  X  Aus  Ch.  v.  Schmids  Werken:  D.  Hopfenblüten.  D.  Ostereier.  (=Bibl.  d.  Ges.-Litt.  406.)  Halle,  Hendel. 
100  8.   M.  0,26,   —  64)   X   id.,  Rosa  v.  Tannenburg   Erzählung.  (=  Bibl.  d.  Ges.-Litt.  419.)    Halle,  Hendel.    114  S.  M.  0,26.  - 


IV,3:  0.  F.  Walzel,  Epos  des  18./19.  Jahrhunderts.  79 

gen  seiner  Kirche  lebt,  dabei  aber  in  mildester  Gesinnung  jeglichem  konfessionellen 
Eifertxmi  vom  Grunde  seines  Hei'zens  abhold  ist  und  insbesondere  eine  konfessionelle 
Tendenz  in  seinen  Schriften  nicht  verfolgt.  —  Madschid  Pascha^^),  Leiter  des  „Bvu-eau 
de  la  Presse  etrangere"  bei  der  Hohen  Pforte,  hat  190  Erzählungen  Chr.  v.  Schmids  ins 
Türkische  übertragen  und,  um  den  Anforderungen  seines  Publikums  gerecht  zu  werden, 
jeder  Erzählung  eine  Moral  in  Versen  angefügt.  Der  seltene  Erfolg  des  anspruchslosen 
Schwaben  wm-de  von  der  Presse  allgemein  mit  Genugthuung  begrüsst.  — 

Wenn  auch  Breuls^^)  Ausgabe  von  Hauffs 67-74)  Novelle  „Das  Bild  des 
Kaisers"  zunächst  nur  für  englische  Leser  bestimmt  ist,  so  erläutern  die  Anmei'kungen 
doch  manche  heute  auch  uns  nicht  mehr  ganz  klare  Stelle. '75-'75c)  — 

Als  Züricher  Verleger  kommt  der  Epiker  A.  A.  L.  Folien  in  Fröbels'^) 
Autobiographie  zur  Geltung,  deren  Notizen  über  die  beiden  Humboldts,  Bettina,  Auer- 
bach, Börne,  Chamisso,  Heine,  Schelling,  Schwab  77-78^^  Uhland  wenig  Förderliches  er- 
zählen. 79-82)  _ 

Aus  ßückerts  Nachlass  wurde  nach  der  auf  der  Kgl.  Bibliothek  zu  Berlin 
aufbewahrten  Hs.  Firdusis  „Schahname"  von  E.  Bayer^^)  herausgegeben.  Quellen  des 
Abdrucks  waren:  die  in  einem  Teil  zum  Drucke  vorbereitete  Hs.,  dann  Randnotizen 
Pückerts  zur  Ausgabe  von  Molil  und  ein  Konvolut  von  Bemerkungen  verschiedenster 
Art.  Das  Epos  „Rostem  und  Suhrab"  hat  sich  nicht  gefunden.  Die  Bearbeitung  setzt 
sehr  früh  ein;  denn  bereits  1835  sclu-eibt  Puckert  von  ihr,  er  habe  sie  „schon  längst" 
in  Angriff  genommen.  Die  eigentliche  Uebersetzerthätigkeit  gehört  aber  frühestens  den 
vierziger  Jahren  an,  da  sie  nach  Macans  Ausgaben  gefertigt  wurde.  Ein  Teil  der  Arbeit 
fand  sich  am  Rande  von  Schacks  Uebertragung  (1855).  ^4-87)  — 

F.  Vetters^s)  ^^usgabe  von  Gotthelfs^^)  ^^uii  der  Pächter"  schliesst  sich  an 
die  vorausgegangene  von  „Uli  der  Knecht"  an  und  zeigt  dieselbe  praktisch  sehr  glück- 
liche Einrichtung.  Worterklärungen,  Wortregister  und  Lesarten  geben  ihr  einen  unbe- 
streitbaren Wert.  —  Zvir  Biographie  Auerbachs  liefert  Franzos^o)  kleine  Beiträge  in 
Auszügen  von  Briefen  an  F.,  die  1877  einsetzen.  —  Brümmer^i)  erweitert  den  Artikel 
seines  Lexikons  über  Schirges,  den  Erzähler  niedersächsischer  Dorfgescliichten,  durch 
einige  Zusätze  aus  H.  Zeises  Buch  „Aus  dem  Leben  und  den  Erinnerungen  eines  nord- 
deutschen Poeten"  (Altona  1888).  — 

Pröhle^s)  giebt  ein  Charakterbild  des  Jugendschriftstellers  Ferdinand 
Schmidt;  als  Erzähler  beliebter  als  Dielitz  und  von  grösserer  sittlicher  Wirkung 
als     Nieritz     und    Franz     Hoffmann    habe    er    nicht    die     unergründliche    Gemütstiefe 


65)  Madschid  Pascha,  Jberistani  nam-i  diger,  Alemandjeden  muterdjem  Yuz  doksane  hjkyaye.  |[LZg.  N.  79  (auch  HamhCorr. 
N.  249);  KZg.  N.  112;  Bohemia.  N.  116;  RostockZg.  N.  205;  TglKs.  N.  96;  NatZg.  N.  237;  SammlerA,  N.  49;  FZg.  N.  115.]|  — 

66)  W.  Hauff,  D.  Bild  d.  Kaisers.  Ed.  by  K.  Breul.  Cambridge.  1889.  |[A.  L.  Ripley:  MLN.  5,  S.  299.]|  —  67)  X  id., 
Sämtl.  Werke  in  6  Bdd.  Bd.  1-2.  (=  Cottasche  Volksbibl.  Bd.  9,  19)    Stuttgart,  Cotta.    12".    224  S.  m.  Bild,  211  S.  je  M.  0,50. 

—  68)  X  id.,  Ausgew.  Werk&  Her.  mit  Eiiil.  u.  Erll.  v.  0.  Hellinghaus.  (Märchen.  D.  Bild  d.  Kaisers.  Phantasien 
im  Bromer  Ratskeller.)  Münster,  Aschendorff.  VIII,  440;  VII,  119;  XI,  67  S.  je  M.  1,20.  —  69)  X  id.,  Gedichte  u.  Märchen. 
19.  Aufl.  Stuttgart,  Kieger.  480  S.  M.  2,40.  —  70)  X  id.,  Lichtenstein.  Leipzig,  Fock.  120.  395  S.  M.  2,40.  —  71)  X  id.. 
Lichtenstein.  Livres  1  et  2.  Texte  allemand,  publiö  avee  une  carte,  des  notices,  des  notes  et  un  r6sum6  de  la  3.  partie  par 
M.  R.  Müller.  Paris,  Hachette.  16".  XVI,  432  S.  —  72)  X  id.,  Phantasien  im  Bremer  Ealskeller.  Bremen,  Heinsius.  120. 
111  S.  M.  1,50,  geb.  m.  Goldschn.  —  73)  X  id.,  Fantastic  Adventures  in  the  Bremen  Rathskeller  translated  from  the  German  by 
Mary  Nolte.  Bremen,  Nössler.  VIII,  64  S.  M.  1,40.  (With  a  description  of  the  Bremer  Rathskeller.)  —  74)  X  id.,  D.  Bettlerin 
V.  Pont  des  Arts.  Leipzig,  Fock.  16".  148  S.  M.  1,00  geb.  —  75)  X  L.  Aurbacher,  Ges.  grössere  Erzählungen.  Aus  d. 
Nachl.  u.  d.  Schriften  d.  Autors  m.  e.  Vorw.  her.  v.  J.  Sarreiter.  2.  Ausg.  Mit  d.  Bildnis  Aurbachers.  Freiburg  i.  Br.,  Herder. 
V,  223  S.  M.  1,00.  |[Weitbrecht,  BLU.  S.  454.]  |  —  75a)  X  E.  Koch  (ps.  E.  Helmer),  Prinz  Rosa  Stramin.  5.  Aufl.  Mit  e. 
Geleitswort  [v.  Karl  Altmüller].  Kassel,  Wigand.  XII,  155  S.  M.  2.00.  i  [DRs.  63,  S.  318.]|  -  75b)  X  id.,  Prinz  Rosa  Stramin. 
Her.  u.  eingel.  v.  F.  Brummer.  (=  Univ.-Bibl.  2664.)  Leipzig,  Reclam.  128  S.  M.  0,20.  (Mit  ausführl.  Biogr.)  —  75c)  X  Hey,  Aus- 
gew. Fabeln  mit  20  Buntdrucken  nach  Kontouron  v.  F.  M.  Elias  mit  eingedr.  Text.  Würzen,  Kriesler.  4".  M.  2,50.  —  76)  J.  Fröbel, 
E.  Lebenslauf.  Aufzeichnungen  u.  Bekenntnisse.  Stuttgart,  Cotta.  IV,  598  S.  M.  10,00.  --  77)  X  G-  Schwab,  D.  schönsten 
Sagen  d.  klass.  Altertums  nach  seinen  Dichtern  u.  Erzählern.  Reutlingen,  Ensslin  &  Laiblin.  191  S.  mit  6  Bildern.  M.  3,00.  — 
78)  X   id.,   D.  deutschen  Volksbücher.    2.  Fortunat  u.  seine  Söhne.    (=  Bibl.  d.  Ges.-Litt..  372.)    Halle,  Hendel.    102  S.  M.  0,25. 

—  79)  X  F-  V.  Gaudy,  Humoristische  Schriften.  In  Ausw.  mit  kurzer  Biogr.  her.  v.  J.  Riffert.  Mit  e.  Einl:  Was  ist  Humor? 
Leipzig,  Fock.  184  S.  M.  0,50.  —  80)  X  F.  Frhr.  v.  Gaudy.  Z.  50 j.  Todestag:  VossZg.  N.  59.  -  81)  X  A.  Freiin  v.  Droste- 
Hülshoff,  Bilder  aus  Westfalen.   Bei  uns  zu  Lande  auf  d.  Lande.  (=  Meyers  Volksbücher.  691.)   Leipzig,  Bibl.  Inst.  60  S.  M.  0,10. 

—  82)  X  F.  Brummer,  S,  W.  Schiessler:  ADB.  31,  S.  187/8.  (Nach  d.  Artikel  in  B.s  Lexikon  u.  nach  Wurzbach.)  —  83)  F. 
Rückert,  Firdosis  Königsbueh  (Schahname)  Uebers.  Aus  d.  Nachlass  her.  v.  E.  A.  Bayer.  Sage  1  —  13.  Berlin,  G.  Reimer.  LVI, 
439  S.  M.  8,00.  |[0.  Harnack:  PrJbb.  65,  S.  599;  Schroeter:  BLU.  N.  28  (ablehnend);  L.  Ch.  Stern:  MLJA.  59,  S.  664; 
ULZ.  11,  S.  1550/1  (sehr  anerkennend).]  |  —  84)  X  M.  Vermehren,  „Tubal",  e.  Episode  aus  Lenaus  Savonarola:  Saat  auf 
Hoffnung  (Missionsbl.)  27,  S.  113—25.  (Schönherrs  Gemälde  „D.  Wanderers  Ziel"  durch  Lenaus  „Savonarola"  veranlasst.)  — 
85)  X  N.  Lenau,  Epische  Dichtungen.   (=  Deutsch-Ost.  Nat.-Bibl.   her.   v.  H.  Weichelt.  92.)    Wien,  Weichelt..    64  S.  M.  0,20. 

—  86)  X  E.  Mörike,  Ges.  Schriften.  Bd.  2.  Erzählungen;  2.  Aufl.  Bd.  3.  4  Maler  Nolten.  Roman.  3.  Uberarb.  Aufl.  Stuttgart, 
Göschen.  426,  VII,  348,  302  S.  M.  12,00.  —  [N&S.  52,  S.  131  (empfehlend);  DR.  15, 1,  S.  122;  Lemmermayer:  NatZg.  N.  296; 
NZUrchZg.  N.  15.]  |  —  87)  X  id.,  Mozart  auf  d.  Reise  nach  Prag.  Novelle.  3.  Aufl.  Stuttgart,  Göschen.  12«.  105  S.  M.  2,50- 
|[ Grünig:  LMerkur.  10,  S.  383.] |  —  88)  J.  Gotthelf  (A.  Bitzius),  Uli  d.  Pächter.  Mit  Worterklärr.  her.  v.  F.  Vetter.  (=  Univ.- 
Bibl.  2672/5.)  Leipzig,  Reclam.  528  S.  M.  0,80.  —  89)  X  J.  Gotthelf,  D.  Erdbeerimareili ;  Elsie,  d.  seltsame  Magd ; 
D.  Grossvaters  Sonntag.  Her.  v.  R.  Weber.  (=  Schweiz.  Nat.-Bibl.  26—7).  Aarau,  Sauerländer.  VII,  158  S. 
M.  1,00.  —  90)  K.  E.  Franzos,  Aus  Briefen  B.  Auerbachs:  ZGJuden.  4,  S.  385—91.  —  91)  F.  Brummer,  G.  Schirges:  ADB. 
31,  S.  309—10.  —  92)  H.  Pro  hie,  Ferd.  Schmidt:  ib.  S.  719-21.    (z.  T.  nach  Artikeln  d.  VossZg.  v.  30.  Juli  u.  2/3.  Aug.)  — 


80  IV,3:  0.  F.  Walzel,  Epos  des  18./19.  Jahrhunderts. 

Pestalozzis,  nicht  die  erhabene  Einfalt  Chr.  v.  Schmids,  nicht  die  Kenntnisse  Löhrs 
besessen.  ö3)  — 

Zum  Teile  Notizen  der  „Vierzig  Jahre"  benutzend,  stellt  Saltarino^*)  erlebte 
Grundlagen  von  Holt  eis  „Vagabunden"  zusammen.  Die  Kunstreitertruppen,  mit  denen 
Holtei  zusammengekommen  ist,  werden  verzeichnet  und  biographische  Notizen  ohne  Be- 
lang angefügt.  ^^)  — 

Eine  sehr  ausführliche  Darlegung  der  biographischen  Daten  von  Scheffels 
Leben  bietet  J.  Braun  ^**).  Eigene  Anschauung  und  Verwertung  entlegener  Zeitungs- 
litteratur  machen  seinen  Artikel  wertvoll.  —  Von  kathoUscher  Seite,  durch  Stöckle^''), 
wurde  Scheifels  „Ekkehard"  mit  Webers  „Dreizehnlinden"  verglichen.  — 

Eine  wertvolle  Zusammenstellung  charakteristischer  Züge  Gottfried  Kellers 
giebt  C.  E.  Meyer  ^9).  Aus  eigenster  Kenntnis  schildert  er,  wie  das  ethische  Gewicht  von 
Kellers  Charakter  ihn  zum  Schutzgeist  seiner  Heimat  macht;  manches  für  Kellers  künst- 
lerische Ansichten  wichtige  Wort  wird  aus  Gesprächen  mit  ihm  angeführt:  seine  Ab- 
neigung gegen  ästhetische  Erörterungen,  seine  geringe  Achtung  vor  historischen  Romanen, 
sein  bewusster  Realismus.  SchHesslich  erzählt  M.  von  dramatischen  Plänen  Kellers.  — 
In  Charakteristiken  Kellers  versuchten  sich  A.  Frey  i^o)  ^xi^  Neckerioi);  p.  betont  Kellers 
Vorliebe  für  kleine  Verhältnisse,  kleine  Leute  und  weist  darauf  hin,  dass  Keller  dem 
Guten  immer  zum  Siege  verhilft;  N.  vertieft  sich  in  die  Frage,  wie  Keller  Dichtung 
und  Wahrheit  mische,  etwa  im  „Grünen  Heinrich".  — Alfred  Stern  ^02)  führt  eine  Reilie 
interessanter  biographischer  Daten  aus  dem  Leben  Kellers  vor.  Ueber  die  er- 
lebten Motive  des  „Grünen  Heinrich",  dessen  zweite  Fassung  er  über  die  erste  stellt, 
spricht  er  sich  zurückhaltend  aus.  Der  Maler  Habersaat  dürfte  sein  Urbild  in  Kellers 
Lehrer  finden.  Citate  aus  Briefen  Kellers  an  Hettner  und  an  S.  illustrieren  die 
Folgezeit  von  1850  ab.  Besonders  der  Berliner  Aufenthalt  in  der  ersten  Hälfte  der  fünf- 
ziger Jahre  erhält  durch  sie  eine  helle  Beleuchtung,  der  Züricher  Zeit  wird  eine  knappere 
Würdigung  zu  teil.  Das  Missverhältnis,  in  dem  Anfang  und  Schluss  des  „Martin  Salan- 
der"  stehen,  findet  nach  S,  seine  Begründung  in  der  Thatsache,  dass  Keller  den  Ab- 
druck in  der  ,, Deutschen  Rundschau"  begonnen  hat,  ehe  er  den  Roman  zum  Abschlüsse 
gebracht  hatte.  Eine  Fortsetzung  hätte  nachtragen  sollen,  was  die  äusseren  Umstände 
in  dem  Romane  selbst  mitzuteilen  nicht  gestattet  hatten.  — 

Mähly  103)  hatte  Scherrs  Leben  in  der  Einleitung  zu  den  posthumen  ,, Letzten 
Gängen"  von  1887  (S.  217 — 64)  beschrieben.  An  diese  Würdigung  Scherrs  schliesst  sich 
die  kurzgefasste  Biographie  an,  die  M.  jetzt  bietet.  Hervorzuheben  ist  das  angefügte 
Verzeichnis  von  Scherrs  Buchschriften.  — 

Die  unerquickliche  Debatte  über  Meissner  ging  als  Erbstück  vom  Jahre  1889 
,  auf  das  Jahr  1890  über.  Wie  zu  erwarten  stand,  hat  Robert  Byr-Bayers  Broschüre 
„Alfred  Meissners  Antwort"  eine  RepHk  Hedrichs^o*)  angeregt.  Sie  stellt  den  Sach- 
verhalt um  nichts  klarer,  bringt  wenige  neue  Dokumente  bei,  die  nur  mittelbar  mit  der 
Hauptfrage  zusammenhängen.  —  Die  Majorität  nimmt  nach  wiö  vor  für  Meissner  Partei, 
so  K.  Braun^OB)  xmä  Lemmermayer  ^"6).  —  Pamphletistisch  gehalten,  dabei  unendlich 
breit  ist  Heinrichs  i^'')  einseitige  Apologie  Meissners,  die  für  alle  Fehler  ihres  Klienten 
blind  ist.  —  Dagegen  hat  Franzos^os)  jxüt  kühlem  Urteile  eine  im  wesentlichen  ob- 
jektive Darstellung  der  Streitfrage  geliefert,  deren  Breite  man  verzeiht,  da  er  ja  das 
letzte  Wort  gespiochen  zu  haben  scheint.  — 

Nach  Mitteilungen  der  Familie  erzählt  Häckermann  i09)  das  Leben  Alinens 
von  Schlichtkrull  und  giebt  ein  Verzeichnis  ihrer  Schi-iften.  11°)  —  Ein  anziehendes 
Buch  von  Willms  und  W^ildermuth  m)  schildert  die  ehrwürdige  Persönlichkeit  Ottilie 
Wildermuths;  schon  durch  ihre  Beziehungen  zu  J.  Kerner,  E.  Höfer,  Hemsen  erhält 
die  Biographie  einen  wesentlichen  Wert;  sie  ist  aus  autobiographischen  Notizen  Ottiliens, 
aus  Familienbriefen,  dann  insbesondere  aus  Briefen  von  Schelling,  Kerner,  Stifter,  Boden- 
stedt  zusammengestellt.  — 


93)  X  B-  Boxberger,  Ch.  F.  Scherenborg:  ib.  S.  98/9.  (Nach  Orelli  u.  Fontane.)  —  94)  Saltarino,  Holtei  u.  d.  Kunst- 
reiter: AZg.  N.  274.  —  95)  X  F-  Gerstäcker,  Ausgew.  Werke.  2.  Volks-  u.  Familien-Ausg.  Neu  durchges.  u.  her.  v.  D.  Theden. 
Lief.  40—104.  Jena,  Cost«uoble,  etwa  je  6  Bogen  je  M.  0,30.  —  96)  J.  Braun,  J.  V.  v.  Scheffel:  ADB.  30,  S.  777-91.  — 
97)  J.  Stöckle,  F.  W.  Webers  Dreizehnlinden  u.  J.  V.  v.  Scheffels  Ekkehard.  E.  Parallele.  (=  Frankf.  zeitgem.  Broschüren. 
NF.  9.)  Frankfurt  a/M.,  FOsser.  40  S.  M.  0,50.  —  98)  X  Nemo,  Gustav  Freitag  u.  seine  Gegner:  Gegenw.  39,  S.  3/5. 
(Energische  Verteidigung  d.  Schrift  ,D.  Kronprinz  u.  d.  deutsche  Kaiserkrone".)  —  99)  C.  F.  Meyer,  Erinnerungen  an  Gottfried 
Keller:  DDichtung.  9,  S.  23/5.  —  100)  A.  Frey,  Gottfried  Keller.  Nekrolog:  ib.  S.  25,9.  -  101)  M.  Necker,  Gottfried  Keller 
(Seine  Werke):  DeutschZg.  N.  6673.  -  102)  Alfred  Stern,  Gottfried  Keller.  Nekrolog:  AZgB.  N.  244.  -  103)  S.  o.  1,2  N.  20. 

—  104)  F.  Hedrich,  Alfred  Meissner-Franz  Hedrich.  Replik.  Leipzig,  Danz.  55  S.  M.  1,00.  —  105)  K.  Braun,  Hcdrich  contra 
Meissner:   VVPK.  108,  S.  155—67.  —  106)    F.  L  emniermayer ,  E.  modernes  NachtstUck  d.  deutsehen  Litt. :    UZ.  1,S.  547— 56. 

—  107)  P.  W.  Heinrich,  „Für"  u.  „Wider"  Alfred  Meissner.  Klarstellung  d.  Verhältnisses  zw.  A.  Meissner  u.  F.  Hedrich. 
Berlin,  Sauernheimer.  294  S.  M.  3,00.  —  r08)  K.  E.  Franzos,  A.  Meissner-F.  Hedrich.  2—6:  DDichtung.  7,  8.  141/7;  196-203; 
221/8;  271/6;  290—300.  Bd.  8,  S.  146—51.  —  109)  HSckermann,  Aline  v.  Schlichtkrull:  ADB.  31,  S.  489-91.  -  110)  X  B- N. 
Zachariae,   Fanny   Lewald:    L4K.    S.    399 — 410.  —  III)  Ottilie  Wildennuths  Loben.  Nach  ihren  eig.  Aufzeichnungen  zus.-gest. 


IV,3:  0.  F.  Walzel,  Epos  des  18./ 19.  Jahrhunderts.  81 

Rastlos  trägt  Gaedertz  ns)  Materialien  zur  Kenntnis  Fritz  Reuters  zusammen. 
Freilich  läuft  manches  unter,  was  eigentlich  nur  die  allerengste  Gemeinde  der  Reuter- 
enthusiasten interessieren  kann.  In  seinem  neuesten  Reuterbuche  tritt  der  Dichter  liinter 
seine  Freunde  zurück.  Aus  Reuters  Studentenleben  und  aus  der  Zeit  der  Festungshaft 
werden  einige  unwesentUche  Details  beigebracht.  Die  Gestalt  der  Dichterin  Anmariek 
Schult  (Pseudonym  für  Wuthenow),  deren  Gedichte  Reuter  herausgab,  wird  durch 
seine  Briefe  an  ihren  Gatten  näher  gebracht.  Reuters  Beziehungen  zu  den  Kultur- 
historikern Mecklenbtu-gs,  zu  Franz  und  Ernst  Boll,  treten  in  vielfachen,  von  1857  bis 
zu  seinem  Lebensende  reichenden  Briefen  zu  Tage.  Reuters  vielfache  Besuche  bei 
seinem  Freunde  Fritz  Peters  auf  Gut  Thalberg  (ihm  sind  die  „Läuschen  und  Rimels" 
gewidmet)  werden  in  breiter  anekdotenhafter  Schilderung  vorgetragen;  eine  Fülle  dort 
entstandener  harmloser  Jvilklappreime  und  eine  Auswahl  von  Eintragungen  bekannterer 
Namen  aus  Reuters  Hausbuch  sind  beigegeben.  Endlich  werden  die  Beziehungen 
des  Tiroler  Bildhauers  Afinger,  eines  Schülers  von  Rauch,  zu  E.  M.  Arndt  und  zu  Reuter 
aufgehellt.  Reuter  erscheint  immer  liebenswürdig;  seine  geistige  Bedeutung  tritt  in 
G.s  Mitteilungen  weniger  stark  hervor.  —  Nebenbei  hat  Gaedertz^i^^)  auch  Scherzgedichte 
Reuters  und  Briefe  an  den  Medizinalrat  Brückner  (1863)  und  an  Dr.  Michael  Liebmann 
veröffentlicht.  —  Mitgeteilt  wurden  auch  die  schon  von  Wilbrandt  benutzten  Briefe 
Reuters  an  den  obengenannten  Fritz  PetersH*).  Drei  sind  aus  Thalberg  an  den  abwesenden 
Gutsherrn  gesendet  und  berichten  über  die  zui'ückgebliebenen  Familienglieder  (1847  und 
1849).  Vier  vom  Jahre  1847  (unter  ihnen  einer  an  Frau  Peters)  schildern  die  Wasser- 
heilanstalt Stuer  und  die  auch  von  Wilbrandt  erwähnte  Wasserkur  Reuters,  sind  also 
als  Quellen  für  die  Beschreibungen  der  „Waterkunst"  in  „Stromtid"  zu  betrachten. 
Ein  Brief  aus  Treptow  vom  Jahre  1851  zeigt  den  Uebergang  von  der  landwirtschaft- 
lichen Thätigkeit  zum  dichterischen  Schaffen.  Li  die  Jahre  1858  bis  1865  fallen  sechs 
Briefe  mit  gelegentlichen  unwesentlichen  Notizen  über  dichterische  Arbeiten.  Vier 
Eisenacher  Briefe  von  1866  und  1867  erzählen  von  Reuters  Hausbau.  Fünf  Briefe  von 
1ÖG9 — 73^  unter  ihnen  zwei  1870  an  Peters'  Söhne  nach  Frankreich  gerichtete  bilden  den 
Abschluss.  Auch  in  diesen  Briefen  kommt  nur  der  Mensch  Reuter  zur  Geltung,  ii-'^-ns) 
—  Der  „Reuter- Almanach"  119)  stellt  für  jeden  Tag  des  Jahres  Reutersche  Sprüche  zu- 
sammen. — 

Brümmeri20)  erweitert  den  Artikel  Wurzbachs  über  den  Tendenzroman- 
schreiber Schirmer  durch  belanglose  liss.  Mitteilungen,  deren  wichtigste  die  ist,  dass 
Schirmer  von  Karl  Töpfer  zum  Schauspieler  ausgebildet  wurde.  — 

Hamerlingi2i-i22^  sendete  den  umfassenden  autobiographischen  Mitteilungen 
des  Vorjahres  einiges  Material  nach,  das  zur  Erhellung  seiner  Frühzeit  dienen  soll. 
Seine  Ferienerlebnisse  in  der  Heimat  während  der  Sommer  1851  und  1852  werden  er- 
zählt, Tagebuchblätter  der  Jahre  1853  und  1854  künden  Herzensaffairen.  Nach  zurück- 
behaltenen stenographischen  Aufzeichnungen  giebt  er  ferner  seine  Briefe  an  Marie 
Mösner  (Graz  1862)  und  Antoniette  Julius  (Triest  1865).  — Durchsein  Ableben  wurden 
einige  kleinere  Veröffentlichungen  123-126^  veranlasst;  sie  schildern  weiteren  Kreisen  auf 
Grund  seiner  Biographie  das  Leben  des  Dichters,  nehmen  indess  zu  einer  Charakteristik 
seiner  Schöpfungen  keinen  ernsten  Anlauf.  Insbesondere  ist  Lemmermay ers^^ß)  Auf- 
satz ein  rückhaltsloser  Panegyrikus.  —  Interessantes  Material  zur  Entstehungsgeschichte 
des  „Ahasver"  und  des  „Königs  von  Sion"  findet  sich  in  den  Briefen  an  Möseris'?)^  die 
auch  manches  bemerkenswerte  litterarische  Urteil  bringen;  leider  ist  der  Briefwechsel 
mit  M.  nur  in  den  Jahren  1865 — 70  lebhaft  geführt  worden.  —  Einige  Hamerlingsche 
Inedita  bringt  Allrami^S)  bei:  aus  der  Schulzeit  in  Zwettl  ein  Festgedicht  vom  21.  Sept. 
1845  zur  Sekundiz  des  P.  Ambros  Haslinger,  dann  ein  Gedicht,  das  die  Gefühle  dieses 


u.  ergänzt  v.  ihren  Töchtern  A.  Willms  u.  A.  Wildermuth.  Stuttgart,  Union.  IV,  415  S.  M.  5,00.  —  112)  K.  Th.  Gaedertz, 
Fritz  Reuter-Studien.  Wismar,  HinstorflF.  VII,  268  S.  M.  3,00.  |  [K.  Sallmann:  BLU.  S.  318.]|  -  113)  id.,  Ungedr.  Dichtungen 
u.  Briefe  Fritz  Reuters:  N&S.  63,  S.  319—33.  —  114)  F.  Reuter,  Ungedr.  Briefe:  Gartenlaube.  S.  95/6,  109—12,  156/9,  186/7, 
206/8.  —  115)  X  A.  Wilhrandt,  Friedrich  Hölderlin.  Fritz  Reuter.  Zwei  Biographien.  (=  Föhrende  Geister  her.  v.  A.  Bettel - 
heim.  2.)  Dresden,  Ehlermann.  IV,  146  S.  M.  2,00.  (Neudrr.  t.  „Hölderlin,  D.  Dichter  d.  Pantheismus"  [Riehls  HTB.  1871, 
5.  Folge  1,  S,  371]  =  A.  Wilbrandt,  „Gespräche  u.  Monologe".  [Stuttgart  1889]  S.  71—114;  dann  d.  Einl.  zu  Fritz  Reuters 
„Nachgelassenen  Schriften"  =  „Gespräche  u.  Monologe"  S.  195—302.)  —  116)  X  F.  Reuter,  Sämtl.  Werke.  4,  5,  8—11.  Wismar, 
HinstorfF.  304,  VII,  350,  340,  324,  374,  222  S.  jeder  Bd.  M.  3,00.  —  117)  X  id.,  Sämtl.  Werke.  Volksausgabe  in  7  Bänden. 
5.  u.  6.  Aufl.  Wismar,  HinstorfF.  XXXII,  370;  442;  IV,  438;  III,  436;  III,  448;  III,  396;  III,  442  S.  M.  21,00.  (D.  einzelnen 
Werke  auch  besonders.)  —  118)  X  id..  Lauschen  u.  Rimels.  5.  Aufl.  Wismar, Hinstorff.  178,  165  S.  je  M.  2,00.  —  119)  [A.  Lewin], 
Reuter-Almanach.  Mit  e.  Vorw.  v.  G.  Schalk.  Düsseldorf,  Bagel.  16».  209  S.  m.  Bild.  M.  2,00  geb.  —  120)  F.  BrUmmer, 
A.  Schirmer:  ADB.  31,  S.  310/1.  —  121)  B.  Hamerling,  Stationen  meiner  Lebenspilgerschaft.  Hamburg,  Verl.-Anst.  u.  Druckerei 
A.-G.  1889.  V,  447  S.  M.  6,00.  —  122)  id.,  Lehrjahre  d.  Liebe.  Tagebuchbll.  u.  Briefe.  Hamburg,  Verl.-Anst.  u.  Druck.  A.-G. 
288  S.  M.  5,00.  —  123)  K.  E.  Kleinert,  R.  Hamerling.  E.  Dichter  d.  Schönheit.  (=  Samml.  gemeinverst.  wissensch.  Vorträge. 
NF.  N.  89.)  Hamburg,  Verl.-Anst.  u.  Druck.  A.-G.  1889.  63  S.  M.  1,00.  —  124)  A.  Polzer,  R.  Hamerling.  Sein  Wesen 
u.  Wirken,  d.  deutschen  Volke  geschild.  Hamburg,  Verl.-Anst.  u.  Druck.  A.-G.  VIII,  108  S.  M.  3,00.  —  125)  J  oseph  Allram, 
Z.  Sterbetage  Hamerlings :  DeutschZg.  N.  6659.  (D.  Hamerlingliäuser.)  —  126)  F.  Lemmermayer,  B.  Hamerling:  DWorte.  10, 
S.  397—410.  —  127)  A.  Moser,  Meine  Beziehungen  zu  R.  Hamerling  u.  dessen  Briefe  an  mich.  Berlin,  Lüstenöder.  VIII,  70  S. 
M.  1,20.  —  128)  J.  Allram,  Aus  d.  Heimat  Hamerlings.  D.  Manen  d.  Dichters  gewidmete  Bilder  aus  d.  Waldviertel.  Wien, 
Jahresberichte  für  neuere  deutsche  Litteraturgeschichte  Ii2).  6 


82  IV,3:  0.  F.  Walzel,  Epos  des  18./19.  Jahrhunderts. 

Festtages  schildert.  Ein  Brief  an  A.  vom  10  Mai  1889,  einer  an  den  Bürgermeister  von 
Kirchberg  (14.  Nov.  1874)  und  ein  Gedicht  an  die  Waldviertier  Sänger  in  Raabs  vom 
Jahre  1887  illustrieren  Hamerlings  Beziehungen  zu  seiner  engeren  Heimat.  Ein  dort 
zu  errichtendes  Denkmal  ^^Sa)  und  die  daran  sich  knüpfende  Kontroverse  erörtert  Hamer- 
lings Brief  an  die  Redaktion  einer  ungenannten  Berliner  Zeitung  vom  8.  Okt.  1887. 
Hamerlings  Leichenfeier  wird  ausfülirlich  beschrieben.  —  Einen  anderen  österreichischen 
Ahasverdichter,  Heller,  schildert,  anknüpfend  an  Scherrs  Urteil,  eine  Charakteristik  ^ 29^, 
die  den  Menschen  anziehender  als  den  Dichter  erscheinen  lässt.  Der  Gedankeninhalt 
habe  immer  die  Form  bei  Heller  erdrückt,  gesteht  der  Biograph  ein;  als  Künstler  wird 
Heller  mit  Kaulbach  verglichen.  — 

Zupitza^^o)  bringt  den  gelungenen  Nachweis,  Winterfelds  „Elephant"  sei 
eine  fast  sklavische  Kopie  eines  Lustspiels  von  Oliver  Goldsmith. — Boxberg  er  i^i)  schreibt 
für  die  ADB.  über  Schindler  den  Artikel  in  Brummers  Lexikon  aus;  natlirlich  hat 
Schindler  nicht  Gedichte  Schlossers,  sondern  Schossers  herausgegeben.  — 

Hollands  1^2-133^  Artikel  über  Scheurlin  und  Hermann  von  Schmid  geben 
ansprechende,  lebendige  Bilder  der  beiden  Münchener  Dichter,  die  beide  sichtlich 
aus  persönlicher  Bekanntschaft  gescliildert  werden.  Zerstreute  Notizen,  entlegene  jour- 
nalistische Aeusserungen  finden  in  beiden  Lebensabrissen  eine  glückliche  Verwertung. 
Im  Urteile  über  Scheurlin  schliesst  sich  H.  an  Heiin-ich  Kurz  an.  — 

Schack^s*)  veröffentlicht  seine  Uebertragungen  von  Dschamis  „Medschnun 
und  Leila",  von  J.  B.  Almeida-Garretts  „Camoens"  und  von  Kalidasas  „Raghuvansa".  — 

Heyse  wurde  gelegentlich  seines  sechzigsten  Geburtstags  diirch  einen  fein- 
sinnigen Artikel  Fuldas  ^3^)  gefeiert;  F.  findet  das  Hauptmotiv  Heysescher  Dichtung 
in  dem  Konflikte  zwischen  den  Forderungen  der  Gesellschaft  und  den  individuellen  An- 
sprüchen des  Einzelnen,  der  in  einer  geläuterten  Natur  zur  Heldenthat  führt.  Heyse 
habe  mit  Vorliebe  die  Frau  zum  Träger  jenes  Konflikts  gemacht.  —  Zum  sechzigsten 
Geburtstage  der  Ebner-Eschenbach  hat  A.  von  Weilen  ^^g)  eine  kurze  Charakteristik 
der  Dichterin  geliefert.  —  Fontanes  siebzigster  Geburtstag  endlich  hat  eine  reiche 
Litteratur  gezeitigt.  Besonderes  Gewicht  legen  die  Festartikel  137-140^  natürlich  auf  den 
Fontane  des  letzten  Decenniums  und  seine  naturalistischen  Romane:  ihr  „Wirklichkeits- 
sinn" wird  in  freudiger  Zustimmung  hervorgehoben.  — 


IV,4 

Drama. 

Alexander  von  Weilen. 

Geschichte  des  Dramas:  Gottsched  und  seine  Zeit:  J.  E.  Schlegel  N.  1;  Hamburgische  Dramatiker  N.  6.  —  Stunn 
und  Drang:  Gemraingen  N.  8;  Leisewitz  N.  10;  Gotter  N.  12;  Lenz  N.  14;  FI.  F.  Möller  und  Schink  N.  15.  —  Shakespeare 
in  Deutschland  N.  17.  —  Heinrich  von  Kleist  N.  22.  —  Immermann,  Grabbe,  Schenk,  Pocci,  J.  v.  Voss,  Rochlitz,  Kotzebue  N.  43. 
—  Neuere  Zeit:  Dingelstedt,  Schauffert,  Rüge,  Ludwig,  Wehl,  Putlitz  u.  a.  N.  68.—  Oesterreichische  Dramatiker:  Wiener  Volks- 
bühne, Hensler  N.  34;  Raimund,  Nestroy  N.  97;  Schreyvogel,  Halm  u.  a.  N.  108;  Grillparzor  N.  111;  Hebbel  N.  130;  Bauernfeld, 
Anzengruber  N.  135.  —  Musikalisches  Drama  N.  139.  —  Puppenspiel  und  Volksschauspiel  N.  143. —  Theatergeschichte:  Allge- 
meines N.  151;  Schröder,  Ackermann,  P.  L.  W.  Meyer  N.  166;  Hamburg  N.  170;  Mannheim  N.  173;  Köln  N.  174;  Berlin  N.  175; 
MOnchen  N.  184;  Wien  usw.  N.  191.  —  Dramaturgisches  N.  203.  — 

Die  Geschichte  des  Dramas  i)  setzt  an  dieser  Stelle  bei  Gottsched 
und  seiner  Zeit  ein.  Das  Interesse  für  den  lange  missachteten  J.  E.  Schlegel 
nimmt    stetig    zu.       Ein     wesentlicher    Fortschritt    gegen     die    Arbeit    Eugen    Wolffs 


Hartleben. 84 S.  mit  4  Abb.  u.  1  Faksimile. M.  1,40.  —  128a)  X  Erich  Schmidt,  D.  Hamerlingdenkmal :  Deutschland  1,  S.  157/9 
(vgl.  252).  |[K.  V.  Thaler:  Gegen w.  36,  N.  52.  u.  a.]|  —129)  Dr.J.B.,  Seligmann  Heller:  FremdenBl.  N.  20.  -  130)  J.  Zupitza, 
0.  Goldsmiths  Lustspiel  „She  stoops  to  conquer"  als  Quelle  zu  A.  v.  Winterfelds  kora.  Roman  ,D.  Elephant"  :  ASNS,  85  S.  39—44.  — 
131)  R.  Boxberger,  A.  J.  Schindler  (Julius  v.  d.  Traun):  ADB.  31,  S.  290/1.  —  132)  Hyacinth  Holland,  G.  Scheurlin: 
ib.  S.  156/8.  -  133)  id.,  H.  v.  Schmid:  ib.  S.  664-70.  —  134)  A.  F.  Graf  v.  Schack,  Orient  u.  Occidont.  1-3.  Stuttgart, 
Cotta.  XVII,  206;  XVI,  172;  VI,  167  S.  jeder  Bd.  M.  3,00.  —  135)  L.  Fulda,  P.  Heyse:  ÜL&M.63,  N.  26.  —  136)  A.  v.  Weilen, 
Marie  Ebner-Eschenbach:  ib.  N.  50.  —  137)  G.  E.  Barthel,  Th.  Fontane.  Zu  seinem  70.  Geburtstage :  QuollwDH.  14,  S.  216-20, 
(giebt  auch  ausfuhrliche  Lebensdaten).  —  138)  Th.  Fontane:  Kunstw.  .3,  S.  100/1.  —  139)  M.  Harden,  Fontane:  Nationß. 
7,  8.  89-92.  -  140)  Th.  Fontane :  ÜL&M.  63,  N.  14.  - 

I)  X  Histoire  de  la  littörature  dramatique  depais  ses  origines  jusqu'ä  uos  jours.    Paris,  Colin.    ISfi.    XI,  434  S.  — 


IV,4:  A.  V.  Weilen,  Drama  des  18./19.  Jahrhunders.  83 

ist  die  Studie  von  Ren t seh  2-3).  Der  erste  Teil  zeigt  in  zahlreichen  Belegen, 
wie  sich  Schlegel  von  vornherein  eine  gewisse  Unabhängigkeit  gegen  Gottsched  zu 
wahren  wusste,  auch  wenn  er  in  seinem  Dienste  schrieb;  die  Verbindung  mit  Dresden 
und  Hamburg,  die  litterarischen  Einwirkungen  der  Führer  Liscow  und  Hagedorn  voll- 
ziehen die  Entfremdung,  wovon  die  Briefe  Schlegels  an  Gottsched  und  Bodmer,  zwischen 
denen  sich  Schlegel  ähnlich  wie  Lessing  parteilos  zu  halten  sucht,  sowie  besonders  die 
nachgelassene  Schrift  „Gedanken  zur  Aufrahme  des  dänischen  Theaters"  Zeugnis  geben. 
Gottsched  selbst  hat  diese  innerhche  Abwendung  lange  nicht  bemerkt,  dann  aber  den 
Nebenbuhler  totgeschwiegen.  Im  zweiten  Teil  werden  die  Tragödien  mit  starker  Be- 
rücksichtigung ihrer  Beziehungen  zu  Gottscheds  Theorie  und  Praxis  untersucht,  ihr 
Verhältnis  zu  Etn-ipides,  Vergil,  sowie  zu  den  Quellen  im  „Canut"  u.  a.  besprochen. 
Der  dritte  Teil  charakterisiert  Schlegels  Metrik  und  Sprache :  er  hat  sich  von  Gottscheds 
steifem  metaphorischen  Stil  nicht  losgemacht,  jedoch  mit  Feingefühl  eine  Reihe  pöbel- 
hafter Wendungen  gemieden;  zum  Blankvers  ist  er  zu  spät  übergegangen,  um  sich  der 
Neuerung  erfreuen  zu  können.  —  In  der  ADB.  hat  von  Antonie wicz  *)  über  ihn  gehandelt: 
Die  „Geschwister  in  Taurien"  verarbeiten  Elemente  des  französischen  und  griechischen 
Dramas  zu  einem  Bühnenstück;  der  schöne  humanistische  Schluss  ist  gewiss  spätere 
Umarbeitung.  Seine  „Dido"  lehnt  sich  an  das  französische  Stück  von  Lefranc  de  Pom- 
pignan  und  vielleicht  noch  an  Metastasios  „Didone  abbandonata"  an.  Der  „Hermann"  er- 
sclieint  dem  Vf.  überschätzt.  Der  Einfluss  Shakespeares  lässt  sich  im  Fragment  „Der 
Gärtnerkönig",  im  „Canut"  („Richard  III.")  verspüren.  In  seinen  Komödien  streiten 
sich  Moliere,  Holberg  und  Marivaux,  doch  erfährt  „Die  stumme  Schönheit"  besondere 
Hervorhebung.  Sein  ganzes  Wirken  charakterisiert  eine  tiefe  Kluft  zwischen  Vorsätzen 
und  That.  — 

In  die  Zeit  Gottscheds^)  gehört  auch  der  Gegenstand  einer  Studie  Heit- 
müllers  6):  Hamburgische  Dramatiker,  die  in  der  Li tteraturge schichte  mehr  ge- 
nannt als  gekannt  sind.  Aehnlich  dem  Diktator  Leipzigs  steht  F.  G.  Behrmann  (1704 
bis  28.  Nov.  1756)  da,  der  auch  mit  der  Neuberin  und  Schönemann  für  die  Aufführung 
seiner  „Horazier"  1733  und  seines  „Timoleon"  1735  in  Verbindung  trat.  Ebenfalls  für 
die  Neuberin  arbeitet  Peter  Stüven,  dessen  Leben  ganz  dunkel  geblieben  ist;  er  ist  der 
Uebersetzer  der  ,,Alzire",  welche  den  Anlass  zur  ersten  Entfremdung  zwischen  Gott- 
sched und  der  Neuberin  gab.  Seine  Uebersetzung  wird  mit  der  der  Frau  Gottsched  '') 
verglichen.  Den  Gegensatz  zum  akademischen  Drama  bildet  Borkensteins  viel- 
genannter „Bookesbeutel".  Das  Wort  bedeutet  soviel  wie  ,, Schlendrian".  Das  spezifisch 
hamburgische  Stück  fand  einen  Fortsetzer  in  Uhlich,  eine  Nachahmung  in  Königs 
„Dresdener  Schlendrian"  u.  a.  —  Ein  Hamburger  Autor,  der  für  die  Operette  von  einiger 
Bedeutung  war,  ist  Daniel  Schiebeier.  Erich  Schmidt^)  zeigt,  wie  er  nach  anakreon- 
tischen  Anfängen  ein  Libretto  ,,Basilio  und  Quiteria"  auf  Grund  des  Cervantes  lieferte, 
später  auch  den  Einfluss  Metastasios  erfuhr.  Besonders  bekannt  wurde  ,,Lisuart  und 
Dariolette";  der  Stoff  stammt  aus  Chaucer*  — 

Von  Einfluss  auf  den  ,, Sturm  und  Drang"  war  das  bürgerliche  Schauspiel 
Gemmingen s.  Flaischlens^)  Arbeit  hat  ebenso  wie  die  Heitmüllers  wesentlich  bio- 
graphischen Wert.  Otto  Heinrich  Frhr.  von  Gemmingen  ist  am  5.  Nov.  1755  zu  Heidel- 
berg geboren,  studierte  zu  Mannheim,  lebte  in  München  und  Wien  und  starb  als 
badischer  Geheimrat  am  15.  März  1836.  Aus  seiner  „Mannheimer  Dramaturgie"  sowie 
aus  seinen  Wiener  Zeitschriften  werden,  leider  nicht  besonders  glückliche,  Auszüge 
gegeben.  ,, Sydney  und  Silly"  (1777)  wird  ihm  abgesprochen  und  der  Wiener  Drama- 
tiker Frhr.  von  Gugler  als  Vf.  genannt.  Zwischen  einem  Stücke  von  Brandes 
und  Gemmingens  ,, Erbschaft"  findet  F.  gegen  Erich  Schmidts  Vermutung  keinen  Zu- 
sammenhang. Zur  Stofifgeschichte  des  „Deutschen  Hausvaters"  werden  Diderot  und 
seine  Nachahmer  Schröder  und  Kotzebue,  auch  die  Nachfolger  wie  Soden  und  Brandes 
erwähnt.  Den  Motiven  im  Sturm  und  Drang  wird  recht  mangelhaft  nachgegangen.  — 
Zu  Leisewitzens  „Julius  von  Tarent"  sind  nach  Werners  Ausgabe  von  Schüdde- 
kopfio)  und  Leitzmann^i)  textliche  Emendationen  und  Datierungsversuche  einzelner 
Scenen  beigebracht  worden.  —    Ein  Versuch,    die  französische  Tragödie    zu  retten,    ist 


2)  J.  Eentsch,  J.  E.  Schlegel  als  Trauerspieldicliter  mit  bes.  BerttcksicMigung  seines  Verhältnisses  zu  Gottsched.  Leipzig, 
Beyer.  III,  119  S.   M.  1,50.  |  [L.  Fränkel:  BLU.  S.  471/2;  W.  Creizenach:  LCBl.  S.  1712;  A.  Sauer:  DLZ.  12,1128/9.];   — 

3)  X  Eugen  Wolff  u.  J.  Eentsch,  Erwiderung  u.  Antwort  d.  Recensenten:  AUA.  16,  S.  140/4.    (In  Sachen  J.  E.  Schlegel.) 

—  4)  J.  V.  Antonie  wicz,  J.  E.  Schlegel:  ADB.  31,  S.  378— 84.  —  5)XJulius  Meyer,  Vaterland.  Erinnerungen.  D.  Reichs- 
freiherren V.  Crailsheim:  AZg^.  N.  9.  (Erwähnt  Cronegks  Mutter.)  —  6)  F.  HeitmUUer,  Hamburgische  Dramatiker  z.  Zeit 
Gottscheds  u.  ihre  Beziehungen  zu  ihm.  E.  Beitr.  z.  Gesch.  d.  Theaters  u.  Dramas  im  18.  Jh.  Phil.  Diss.  Jena.  101  S.  — 
7)  XM.  Wünsche,  Frau  Gottsched:  ZWeiblBildung.  18,  S.  403/9.  —  8)  Erich  Schmidt,  Daniel  Schiebeier :  ADB.  31,  S.  176/8. 

—  9)  C.  Flaischlen,  0.  H.  v.  Gemmingen.  Mit  e.  Vorstudie  über  Diderot  als  Dramatiker.  „Le  pere  de  famille"  —  „D.  deutsche 
Hausvater".  Beitr.  zu  e.  Gesch.  d.  bürgerlichen  Schauspiels.    Stuttgart,  Göschen.  VI,  163  S.  M.  4,00.  [[Minor:  ADA.  17,  S.  177.]| 

—  10)  C.  Schüddekopf,  Leisewitz,  Julius  von  Tarent  her.  v.  R.  M.  Werner:  DLZ.  11,  S.  986.  —  II)  A.  Leitzmann,  Zur 
Entstehungsgesch.  d.  Julius  v.  Tarent:  VLG.  3,  S.  195/9.  —  12)  X  B-  Suphan,  Nachspiel  zu  Gotters  Vasthi.   Goethes  Stanzen 

6* 


84  IV,4:  A.  v.  Weilen,  Drama  des  18./19.  Jahrhunderts. 

Gotters  12)  „Merope",  1773  erschienen,  1788  umgearbeitet.  Schlösser  i^]  legt  dar,  dass 
das  Stück  wichtig  ist  durch  die  Verwendung  des  fünffüssigen  Jambus,  der  in  der  zweiten 
Ausgabe  ein  Fortschreiten  der  Regelmässigkeit  aufweist.  S.  giebt  eine  Quellenunter- 
suchung des  Stoifes,  mit  Berücksichtigung  der  Lessingschen  Aeusserungen  in  der 
„Hamburgischen  Dramatiu-gie"  und  zeigt  die  Zusammensetzung  des  Gotterschen  Stückes 
aus  Voltaire  und  MaiFei.  Die  zweite  Fassung  weist  energische  Eingriffe  in  die  Moti- 
vierung auf,  wobei  zumeist  Maffei,  gelegentlich  auch  Voltaire,  neu  benutzt  werden.  Das 
Stück  scheint  für  die  Seilersche  Truppe  geschrieben,  anfangs  Oktober  1773  ist  es 
vollendet  und  wird  am  24.  Oktober  zum  ersten  Mal  in  Weimar  gespielt,  mit  grossem 
Erfolge,  ohne  sich  jedoch  auf  der  Bühne  erhalten  zu  können.  — 

Die  Sprache  in  J.  M.  R.  Lenzens  Dramen  untersucht  Pfütze  i*).  Auf  Shake- 
speare und  das  Volkslied  weisen  die  zahlreichen  starken  Elisionen  hin,  die  in  Verbal- 
formen schon  bei  Wieland  und  Lessing  ihr  Vorbild  haben.  Volkstümlich  sind  auch  die 
Vermeidung  des  Umlauts,  der  Gebrauch  von  ,,Dii]gs"  und  ,, Zeugs",  ursprünglichen  Geni- 
tiven als  Nominativen,  die  Diminutiva  mit  -chen  usw.  Bei  Lenz  wie  bei  den  andern 
Genies  wird  die  Abwerfung  des  ge-  in  gangen,  worden  usw.  fast  Regel.  Mit  dem  älteren 
Sprachgebrauch  gemein  hat  Lenz  die  Deklination  der  lateinischen  Worte  (Evangelio, 
Kreditores),  die  Zufügung  des  -n  und  -ens  an  Eigennamen  (Cäsarn,  Europens)  luid  ver- 
schiedene kleinere  Eigentümlichkeiten  der  Konjugation,  des  Vokalismus  und  Kon- 
sonantismus. P.  betrachtet  die  Syntax:  charakteristisch  ist  die  Vorliebe  für  Geni- 
tivkonstruktionen, das  Fehlen  des  Artikels,  oder  wieder  das  „ein"  vor  Zalilbestimmungeu. 
In  den  Präpositionen  zeigt  sich  manches  Livländische.  Wo  für  wenn  ist  Stil  des  vori- 
gen Jahrhunderts.  Die  Anrede  ist  noch  häufig  Er,  Sie,  Ihr,  das  relative  so  erscheint 
gelegenthch,  sehr  häufig  steht  welches  für  heutiges  was.  Im  Stil  begegnen  unzälüige 
Anakoluthien,  nicht  so  stark  wie  bei  Klinger,  Ellipsen,  Aposiopesen,  das  Personalpro- 
nomen wird,  wie  gelegentlich  bei  Shakespeare,  oft  fortgelassen,  das  im  „Werther" 
beliebte  bedeutungslose  all  und  so  schiebt  auch  Lenz  gern  ein.  Wiederholung  einzelner 
Worte,  die  besonders  im  Ausruf  mehr  auf  Shakespeare  als  auf  Lessing  zurückzuführen 
ist,  sowie  ganzer  Sätze  und  Korrigieren  überschreitet  bei  Lenz,  der  nicht  eigentlich 
rhetorisch  wirken  will,  das  Gebräuchliche  nicht  allzu  häufig.  Flüche  wie  Kerl,  Hunds- 
fott, Fratze,  krepieren,  Laus,  Luder,  sowie  eine  Reihe  von  Ausdrücken,  die  rohe  Kraft- 
bethätigung  atmen,  sind  ebenso  Stil  des  Sturms  und  Drangs  wie  die  empfindsamen 
Wendungen,  die  aber  der  Art  Lenzens  weniger  behagen.  Aus  dem  Livländischen  nimmt 
er  allesfort,  gewittern,  Eitervater,  sich  erlustigen,  einewege;  strassburgisch  ist  halt  und 
gelt;  biblische  Einflüsse  sind  deutlich  erkennbar  (Otterngezüchte,  Das  sey  ferne  usw.). 
Aus  der  heutigen  Schriftsprache  verschwunden  sind  viele  Wortbildungen  auf  -ung,  Ver- 
bindungen mit  thun,  das  Kompositum  geruhig.  Bedeutungsänderung  hat  Platz  gegriffen 
in  Anmerkung  =  Bemerkung,  Ausschweifung  =  Ueberspanntheit  (beides  auch  bei  Les- 
sing) u.  ä.  Lenz  eigentümlich  ist  weh  werden  =  ohnmächtig  werden.  Unendlich  reich 
ist  Lenz  in  Fremdworten.  Eigen  sind  ihm  auch  sprachhche  Neubildungen,  wie  busch- 
scheu, göttlich-nachlässig,  tagdieben,  überhörig,  verlüderlichen,  kreuzbezeichnet;  inter- 
jektionsartig verwendet  er  denk  doch  und  mag's.  — 

Ein  Sprösshng  des  Sturms  und  Drangs,  in  dem  sich  neue  Ideen  mit  ge- 
wöhnlicher Theaterpraxis  merkwürdig  dtu-chkreuzen ,  ist  H.  F.  Möller.  Man 
lernt  aus  der  wenig  aufschlussreichen  Schrift  von  Schröters  i^)  die  schwer  zugäng- 
lichen Stücke  in  Analysen  kennen;  die  litterarischen  Motive  werden  niir  sehr  flüchtig 
untersucht.  —  Ein  interessanter  Gegner  der  Genies,  Schink,  wird  von  Brummer  ^ß) 
in  einer  der  Wichtigkeit  speziell  für  die  Theatergeschichte  wenig  entsprechenden 
Weise  behandelt.  — 

An  dem  Ruhme,  Shakespeare  in  Deutschland  i'-^^)  eingeführt  zu  haben, 
gebührt  Hamburg  ein  wesentlicher  Anteil,  den  Merschberger  i^)  hübsch  dargestellt 
hat.  Schröder  war  nicht  der  erste,  der  den  „Hamlet"  nach  Deutschland  brachte.  Aber 
die  Wiener  Aufführung  machte  kein  Glück,  und  so  begann  eigentlich  Schröder  mit  dem 
Jalu-e  1776  die  Einbürgerung  Shakespeares.  M.  giebt  einen  Ueberblick  der  Aufführungen 
und  Darsteller  Shakespearescher  Dramen  bis  1798.  Die  erste  Aufführung  des  „Hamlet" 
(5.  Sept.  1776)  brachte  das  Stück  in  fünf  Aufzügen,  im  November  kam  in  einem  sechsten 
Aufzug   die  Totengräbersceue    und    mit   ihr    zugleich  Laertes  in    das  Stück.      Schröder 


B.  24.  Oktober  1800  einleitend:  GoetheJb.  11,  S.  20/4.  —  13)  R.  Schlösser,  Z.  Gesch.  u.  Kritik  v.  F.  W.  Gotters  Merope. 
Leipzig,  Fock.  IV,  142  S.  M.2,00.  |  [W.  Crei  zenach:  LCßl.  1891,  S.428/9.]|  —  14)  C.  Pfütze,  D.Sprache  in  J.  M.  R.  Lenzens 
Dramen.  Leipziger  Phil.  Diss.  Braunschweig,  Westermann.  74  S.  M.  2,00.  (Auch  ASNS.  85,  S.  129—203.)  —  15)  M.  v.  Schröter, 
Heinr.  Ferd.  Möller.  E.  Schauspieldichter  d.  18.  Jh.  Rostocker  Pliil.  Diss.  Berlin,  KUhn.  47  S.  i  [AZg.  N.  299.]  i  —  16)  F.» 
Brummer,  J.  F.  Schink:  ADB.  31,  S.  298.  —  17)  (IV,  1  N.  127.)  —  18)  X  C.W.  E.  Brauns,  D.  Schrödersclie  Bearbeitung  d. 
Hamlet  u.  e.  vermutlich  in  ihr  enthaltenes  Fragment  Lessings.  Breslau,  Freund.  35  S.  M.  1,00.  | [Härtung:  DDichtuiig.  8, 
S.  298;  L.  FrÄnkel:  BLU.  N.  52;  L.  Geiger:  AZg.  N.  189;  Schirlitz:  LMerkur.  10,  S.  281.]|  (MissglUckter  Vorsuch.)  — 
19)  Merschberger,  D.  Anfinge  Shakespeares  auf  d.  Hamburger  BOhne.    Progr.  d.  Hamb.  Realgymn.  d.  Johanneums.  Hamburg, 


IV,4:  A.  V.  Weilen,  Drama  des  18./19.  Jahrhunderts.  85 

Hess  in  einer  neuen  Bearbeitung,  die  vom  20.  Febr.  1778  ab  Grundlage  blieb,  diese 
Scene  wieder  weg.  Brockmanns  und  Schröders  Darstellung  der  Titelrolle  werden  nach 
einem  zeitgenössischen  Berichte  verglichen.  An  der  Bearbeitung  des  ,, König  Lear" 
(17.  Juli  1778)  hatte  Unzer  Anteil;  die  Züge  der  Haupt-  und  Staatsaktion,  die  Devrient 
aus  „Hamlet"  hervorhebt,  finden  sich  in  keiner  der  beiden  Ausgaben  (1776  und  1778). 
Schröder  lässt  Scenen,  wie  die  Unterredung  mit  den  Schauspielern,  die  Kirchhofsscene 
mit  dem  Kampfe  zwischen  Hamlet  und  Laertes  ganz  ausfallen,  Fortinbras'  Auftreten, 
Hamlets  Reise  nach  England  fehlen,  Rosenkranz  und  Güldenstern  sind  eine  Person  ge- 
worden, Hamlet  bleibt  am  Leben.  Seine  Gestalt  ist  ganz  schattenhaft,  dagegen  tritt  der 
König  mein-  in  den  Vordergrund,  und  die  Königin  wird,  wie  bei  Heufeld,  Mitschuldige. 
Die  Sprache  wird  durchgängig  Prosa  und  zwar  sehr  ntichterne.  Im  „König  Lear"  lässt 
Schröder  Cordelien  am  Leben;  die  grosse  Expositionsscene,  die  Teilung  des  Reichs,  ist 
in  eine  Erzählung  Kents  umgewandelt.  „Heinrich  IV."  musste  energisch  zusammenge- 
strichen werden,  der  Prinz  ist  ganz  in  den  Mittelpunkt  gerückt.  Ueberall  nähert  sich 
die  Sprache  dem  englischen  Familienstück.  Im  Anhang  werden  die  heftigen  Angriffe 
Wittenbergs  gegen  Shakespeare  und  Schröder  abgedruckt.  —  D.  Jacoby  ^o)  teilt  die 
verschiedenen  Fassungen  des  Hamlet-Monologs  in  Mendelssohns  Uebersetzung  mit  und 
hebt  den  Einfluss  des  Dramas  auf  Ewald  V.  Kleist  hervor.  Auf  Voltaire  ist  keine  Rücksicht 
genommen.  —  Der  Mannheimer  Theaterleiter  Freiherr  von  Dalberg  verfasste  1789  eine 
Bühnenbearbeitung  des  ,,Timon  von  Athen",  dieKilian^i)  vollständig  herausgiebt.  Ein 
Vorgänger  war  der  als  Bearbeiter  des  ,, Macbeth"  bekannte  Prager  Schauspieler  Fischer. 
Dalbergs  Werk  ist  ganz  in  Prosa,  er  schliesst  mit  dem  Gastmahle  den  vierten  Akt,  so 
dass  für  den  Wald  nur  ein  Akt  bleibt.  Ganz  neu  ist,  dass  Timon  im  dritten  Akte  den 
Sempronius  erschlägt  und  vor  Gericht  gestellt  wird;  Alcibiades  verteidigt  ihn,  Timon 
wird  zum  Tod  verurteilt,  Alcibiades  wird  verbannt.  Nun  ergreift  Timon  das  Wort  für 
sich,  spricht  von  seinen  Reichtümern  und  lädt  die  Senatoren  zur  Mahlzeit  ein.  Dalberg 
wollte  offenbar  die  schiefe  Stellung  des  Alcibiades  klären  und  die  Senatsscene  mit  dem 
Stücke  fester  verknüpfen;  nur  hat  er  damit  Timon  schuldig  gemacht  und  dem  Senat 
eine  ganz  erbärmliche  Rolle  zugeteilt.  Zum  Schluss  des  Stückes  erscheint  Alcibiades 
mit  seinem  Heere,  dadurch  fällt  die  Gesandtschaft  der  Athener.  Eine  gelungene  Scene 
der  Diener,  die  Timons  Verhältnisse  exponiert,  eröffnet  das  Stück.  Timandra  wird  zur 
Geliebten  Timons,  und  ihre  Figur  geht  stark  in  das  sentimentale  Rührstück  über,  dem 
auch  die  Verflachung  in  Timons  und  des  verfeinerten  Apemantus  Gestalten  entspricht. 
Gespielt  wurde  das  Stück  am  22.  März  1789.  Dalberg  schreibt  den  Misserfolg  der  Dar- 
stellung zu.  — 

Von  Heinrich  von  Kleist  22-23)  sind  zwei  neue  Briefe  24-25)  ans  Tageslicht  ge- 
treten, der  eine  (5.  April  1800)  an  Buchhändler  Walther  handelt  von  dem  Projekte 
einer  Fortsetzung  des  „Phoebus",  der  andere  an  CoUin  (Gotha,  28.  Jan.  1810) 
erwähnt  die  Zusendung  der  ,, Hermannsschlacht"  und  fragt  nach  der  Aufführung  des 
,,Käthchen"  in  Wien,  die  auch  im  März  stattfand.  Aus  einer  Mitteilung  Wilhelmin ens 
von  Zenge  geht  hervor,  dass  sie  viele  Briefe  Kleists  verbrannt  hatte.  Sie  erwähnt 
auch  eine  Jugendarbeit  Kleists  „Ariadne  auf  Naxos".  —  Zu  einer  Reihe  von  Stellen 
in  Kleists  Werken  sind  Emendationsversuche  gemacht  worden,  die  oft  nur  eine  gleich- 
massigere  Behandlung  des  Metrums,  häufig  ohne  eigentliche  Berechtigung  anstreben. 
Sprenger  26-27)  erklärt  den  Ausdruck  im  ,, Zerbrochenen  Krug":  ,,Und  ihr  das  Heu 
auch  flog  als  wie  gemaust"  mit  der  bei  Schmeller  nachgewiesenen  Bedeutung  ,, leicht 
fertig"  und  bessert  im  ,, Guiscard"  „vor  seinem  blassen  Hemde  sich  verneigen"  in 
„blossen"  (?).  Zum  „Prinzen  von  Homburg"  „Der  kühne  Schwimmer"  zieht  er  „Macbeth" 
herbei.  Vergleiche  aber  „Götz":  ,, Braver  Schwimmer!"  28)  —  Den  Motivierungen  im 
,, Prinzen  von  Homburg"  sucht  Roetteken29)  nachzugehen:  dass  der  Prinz  in  der 
ersten  Scene  nicht  durch  das  Gespräch  erweckt  wird,  erklärt  der  somnambule  Zustand, 
doch  bleibt  in  den  Worten:  „Weck  ihn  mit  deinem  Zirpen  nur  nicht  auf"  ein  Wider- 
spruch. Der  Gi-und  der  Zerstreutheit  des  Prinzen  30)  Hegt  darin,  dass  er  den  Plan  der 
Schlacht  nicht  kennen  durfte.  —  Die  poetische  Gestalt  des  Prinzen  hat,  wie 
Jungfer 31)  zeigt,  von  dem  historischen  einbeinigen  General  fast  nichts  erhalten.    Prinz 


Herold.  40.  44  S.  i[L.Fränkel:  BLU.  N.  42;  W-d. :  HambCorrH.  N.  11.1|  (Auch  JbDSliakesG.  25,  S.  205— 72.)  -  20)  D.  Jacoby.D. 
Hamlot-Monolog  III,  1  u.  Lessings  Freunde  Mendelssohn  u.  Kleist :  VossZgS.  1889,  N  18.  (Auch  JbDShakesG.  25,  S.  113—23.)  —  21)  E. 
Kilian,  D.  Dalbergsche  Bühnenbearh.  d.  Timon  v.  Athen.  Nach  d.  hs.  Soufflierbuche  d.  Mannheimer  Theaterarchivs:  JbDShakesG. 
25,  S.  24—77.  —  22)  X  H.  v.  Kleist,  Käthchcn  v.  Heilbronn  oder  d.  Feuerprobe  .  .  .  illustr.  v.  A.  Zick.  Berlin,  Goldschmidt. 
40.  V,  90  S.  geb.  M.  20,00.  |  [DRs.  65,  S.  477.]  ]  —  23)  X  A.  L  .  .  .,  D.  Selbstmord  H.  v.  Kleists  u.  seiner  Todesgeföhrtin :  BohemiaB. 
N.  11.  —  24)  Wolfgang  Schmidt,  Von  u.  Über  H.  v.  Kleist.  Z.  24.  Juni  1890  in  Druck  gegeben.  Berlin,  Erich  &  Wally  Schmidt. 
4  S.  [[Schient her:  YossZgS.  N.  26.] |  —  25)  T  h.  Zolling,  Ungedrucktes  v.  H.  v.  Kleist:  Gegenw.  S.  166/8.  (D.  Mitteilung 
identisch  mit  N.  24.)  —  26)  X  R-  Sprenger,  Zu  Kleists  Zerbrochenem  Krug:  ZDU.  4,  S.  88.  —  27)  id.,  Zu  H.  v.  Kleists 
Dramen:  ib.  S.  451—80.  —  28)  X  R-  Kade,  Z.  Textkritik  d.  Prinzen  v.  Homburg:  ib.  S.  1/9.  —  29)  H.  Rötteken,  Bemerkk. 
•z.  Prinzen  v.  Homburg:  ib.  S.  441—50.  —  30)  X  F-  Seiler,  D.  Behandlung  d.  sittlichen  Probleme  in  Schillers  Kampf  mit  d. 
Drachen,  d.  Erzählnng  bei  Livius  VIII,  7,  Kleists  Prinzen  v.  Homburg  u.  Sophokles  Antigene.  Progr.  d.  Christiansgymnasiums 
zu  Eisenberg.  Leipzig,  Fock.  4".  25  S.  |[B  ecker:  ZGymn.  44,  S.  695.]|    —    31)  J.  Jungfer   .D.  Prinz  v.  Homburg.    Nach  arohi- 


86  1V,4:  A.  v*.  Weilen,  Drama  des  18./ 19.  Jahrhunderts. 

Friedrich  von  Hessen-Homburg,  geboren  1633,  leistete  zunächst  schwedische  Kriegs- 
dienste, vermählte  sich  1661  mit  einer  Gräfin  Brahe,  die  den  Jahren  nach  seine  Gross- 
mutter hätte  sein  können;  mit  ihrem  Gelde  erwarb  er  grosse  Güter  in  Norddeutsch- 
land für  die  er  segensreich  wirkte.  1670  heiratete  er  in  zweiter  Ehe  Luise 
Elisabeth  von  Kurland,  eine  Schwestertochter  Friedrich  Wilhelms,  wodurch  er  in 
innige  Verbindung  mit  Brandenburg  trat.  Er  führte  auch  sofort  ein  Kavallerie- 
regiment gegen  Frankreich.  Seine  Reizbarkeit  Hess  ihn  bald  Intriguen  und  die  Ungnade 
des  Fürsten  argwöhnen,  so  dass  er  1675  auf  dem  Sprunge  war,  die  Armee  ganz  zu 
verlassen.  Nur  der  persönlichen  Intervention  des  Kurfürsten  gelang  es,  den  Prinzen 
festzuhalten.  Bei  Fehrbellin  führte  er  die  Avantgarde,  und  sein  Eingreifen  entschied 
den  Tag.  Dass  sein  Angriff  der  Ordre  des  Kurfürsten  widersprach,  ist  eine  Legende,  die 
Friedrich  der  Grosse  in  die  Litteratur  einführte.  Die  ebenso  unhistorische  Versöhnungs- 
scene  wurde  auch  wiederholt  bildlich  dargestellt;  so  fand  ein  Gemälde  Kretschmars 
grossen  Beifall  auf  der  Berliner  Ausstellung  1800  und  wirkte  wohl  für  Kleist  anregend, 
ebenso  wie  ein  Aufsatz  des  Majors  von  Götze  im  Offizierslesebuch  1793.  Doch  fülu*te 
die  Schlacht  thatsächlich  eine  Verstimmung  zwischen  dem  Kurfürsten  und  Friedrich  herbei, 
wohl  weil  der  Erfolg  der  Schlacht  den  grossen  Erwartungen  nicht  entsprach.  Wieder 
kam  eine  Versöhnung  zu  stände,  und  der  Prinz  machte  eine  Reihe  von  Feldzügen  mit, 
worauf  er  sich  von  1681  ab  bis  zu  seinem  Tode  1708  ganz  der  Verwaltung  seines 
Ländchens  widmete.  —  Das  Datum  der  ersten  Dresdener  Aufführung  der  „Hermanns- 
schlacht" ist  von  G.  Klee  32)  mit  dem  1.  Jan.  1861  sichergestellt.  Bearbeiter  war  Fedor 
Wehl.  —  Eine  neue  Bühneneinrichtung  des  „Käthchen  von  Heilbronn"  von  Siegen  ^3) 
verquickt  höchst  unglücklich  die  Fassung  des  „Phoebus"  mit  der  späteren,  erweitert 
nach  dem  Muster  Wehls  die  Figur  des  Jakob  Pech  und  schliesst  mit  ganz  unkl eistischen 
Versen.34)  —  Du  Prel35)  bespricht  das  somnambule  Element  mit  Hinweis  auf  Gmelin, 
ohne  auf  Schubart  Rücksicht  zunehmen.  —  „Robert  Guiscard"  hat  in  Rössler36)  einen 
Nachdichter  gefunden.  1802  dürften  im  Anschluss  an  die  Funksche  Erzälilung  und 
unter  Einfluss  des  ,, Wallenstein"  die  ersten  Scenen  entstanden  sein,  die  aber  jedenfalls 
vernichtet  wurden.  Was  wir  besitzen,  entstand  zwischen  den  Jahren  1805  und  1808. 
Guiscard  stirbt  im  ersten  Akte,  und  der  tote  Guiscard  ist  Held  der  Tragödie.  Li  der 
vorliegenden  Gestalt  entstammt  das  Drama  dem  Eindrucke  der  „Braut  von  Messina". 
Alles  ist  bei  Kleist  in  das  Gegenteil  des  Vorbildes  gewendet  bis  auf  die  ungeratenen 
Prinzen.  Dieser  zweite  „Guiscard"  wurde  unter  dem  Drucke  äusserer  Hindernisse 
nicht  vollendet.  Auf  Grundlage  dieser  Gedanken  und  mit  Zuhilfenahme  einer  neuen 
bedeutsam  eingreifenden  weiblichen  Figur  baut  der  Vf.  ein  von  Erich  Schmidt  mit  Recht 
als  eine  Vereinigung  vonWissenschaft  undDiehtung  bezeichnetes  Scenarium  auf.  —  Gelegent- 
liche Hinweise  auf  Kleist  gibt  Wetz  37),  der  in  seinem  „Shakespeare"  S.  99  Kleists  Abscheu 
vor  der  Reflexion  betont  und  ihm  unter  den  deutschen  Dichtern  die  grösste  Meister- 
schaft im  Affekte  zuspricht.38-42)  — 

Zu  der  Ausgabe  Immer  manns  43-47)  durch  M.Koch  hat  Walzel^S)  eine  kleine 
Studie  über  das  „Trauerspiel  in  Tirol"  sowie  einen  Brief  an  Halm  über  die  ,,Griseldis" 
beigesteuert.  —  Ein  Brief,  den  Koch  im  Faksimile  giebt,  ist  nach  Pröhle49)  an  H.  A. 
Niemeyer  gerichtet  und  bezieht  sich  auf  die  Geburt  von  Immermanns  Tochter  (Frau 
Geffcken),  die  dem  Frl.  Charlotte  Guticke,  der  späteren  Frau  Max  Duncker,  angezeigt  werden 
soll.  Der  Titel  „Der  im  Irrgarten  der  Metrik  herumtaumelnde  Cavalier"  ist  nach 
Schnabels  „Der  im  Irrgarten  der  Liebe  herumtaumelnde  Cavalier"  gebildet.  In  den 
„Epigonen"  finden  sich  viele  persönliche  Beziehungen,  besonders  zur  Familie  Nathusius. 
Auf  den  „Münchhausen"  hat  Müllers  „SiegMed  von  Lindenberg"  Einfluss.  —  Immer- 
manns Genosse  Grabbe  hat  eine  sonderbare  Gesellschaft  in  Beer  und  Schenk  durch 
Bobertags^o)  Ausgabe    erhalten.    —    Korn^i)    hat    eine    nach  Kilians    Besprechung 

valischen  u.  a.  Quellen.  Berlin,  Brachvogel  &  Ranft.  VI,  147  S.  M.  2,40.  |  [  ReichsboteS.  N.  41;  Widmann:  Nation».  7,  S.  790; 
HamhNachrS.  N.  32;  Brode:  DLZ.  12,  S.  20/l.]|  -  32)  X  G.  Klee,  Zu  Kleists  HennannssclilacLt:  ZDU.  4,  S.  379.  -  33)  H. 
V.  Kleist,  D.  Käthchen  v.  Heilbronn  oder  d.  Feuerprobe.  Dram.  Märchen.  Z.  1.  Male  auf  Grund  d.  ursprllngl.  Plans  neu  f.  BUhne 
u.  Haus  bearb.  v.  K.  Siegen.  Leipzig,  Beyer.  V,  79  S.  M.  1,00.  |[Kilian:  AZg.  N.  256;  Grenzb.  49.  3.  S.  523;  Deutschi. 
2,  S.44;  Harnack:  PrJbb.  66,  S.533;  LCBl.  S.  1712/3;  Woenig:  LMerkur.  10,  S.  375;Erich  Schmidt:DLZ.  12,  S.66;7.]|- 
34)  X  C.  Reinthaler,  D.  Käthchen  v.  Heilbronn,  Rom.  Oper  in  4  Akten  frei  nach  H.  v.  Kleists  gleichnamigem  Schauspiel.  Oesp. 
Berl.  Oper  23.  März  1890.  —  35)  C.  du  Frei,  Käthchen  v.  Heilbronn  als  Somnambule:  AZg.  N.  320.  —  36)  C.  ROssIer. 
H.  V.  Kleists  unvollendete  Tragödie  Robert  Guiscard:  PrJbb.  65,  S.  485—513.  (Erich  Schmidts  Kritik  über  d.  Vortrag: 
DLZ.  11,  S.  71.)  -  37)  Vgl.  0.  1,1  N.  5.  —  38)  Vgl.  WeserZg.  N.  15495;  SchwäbKron.  N.  28.  (Artikel  z.  Todestage.)  - 
39i  X  Th.  Kömer,  D.  grüne  Domino.  (=  Meyers  Volksbücher  N.  700.)  Leipzig,  Bibl.  Inst.  30  S.  M.  0,10.  —  40)  X  id., 
Sämtliche  Werke  in  4  Bdd.  Bd.  1.  (=  Cottasche  Volksbibliothek  Bd.  12.)  Stuttgart,  Cotta.  211  S.  M.  0,50.  —  41)  X  J.  Win- 
kovrski,  Zriny  tragedja  w.  B  aktach  Teodora  Körnera  przekead  miarowy  hzech  ostahrich  aktöw.  Progr.  d.  poln.  Staatsgymn. 
zu  Rzeszöw.  49  S.  (Metr.  Uebersetzung  d.  3  letzten  Akte.)  -  42)  (IV,  2  N.  62.)  —  43)  X  0.  Moser,  D.  Mordnacht  im 
„Goldenen  Siebe":  LeipzTBl.  N.  40.  (Stoff  d.  ,24.  Februar";  Bericht  v.  1618,  bereits  v.  Hoffmann  v.  Fallersleben  herangezogen.) 
—  44)  X  R.  Hessen,  Elisa  v.  Lützow:  VossZgS.  N.  47.  —  45)  X  A.  Wilhelm,  K.  L.  Immennann.  Z.  50j.  Todestage  d. 
Dichters:  MLJA.  59,  S.  537-40.  —  46)  X  W.  Härder,  D.  Meininger:  AZg.  N.  236.  (Vergleich  mit  Immermann.)  —  47)  X 
J  Minor,  Fellner,  Gesch.  e.  deutschen  Musterbühne:  DLZ.  11,  S.  168.  —  48)  0.  F.  Walzel,  Immermanns  Werke  her.  v.  M.  Koch: 
AZg.  N.  337.  —  49)  H.  PrOhle,  K.  Immermann:  NatZg.  N.  525.  —  50)  Ch.  D.  Grabbe,  M.  Beer  u.  E.  v.  Schenk.  Her.  v.  F. 
B obertag.  (=  DNL.  N.  161.)  M.  2,50.  —  51)  Ch.  D.  Grabbe,  Marius  u.  Sulla.  Hist.-dram.  Bilder  in  5  Tln.,  fortges.  v.  E.  Korn- 


I 


IV,4:  A.  V.  Weilen,  Drama  des  18./19.  Jahrhunderts.  87 

nicht  sehr  glückliche  Bühnenbearbeitung  von  „Marius  und  Sulla"  geliefert.  —  Bei  dieser 
Gelegenheit  sei  nebenher  erwähnt,  dass  die  Schi-ift  von  Mix  52)  über  Caesartragödien 
die  deutschen  Bearbeitungen  unberücksichtigt  lässt.  —  Grabbes  ,,Don  Juan"  regte  den 
spanischen  Faustdichter  Zorilla  an  53),  —  Beers  Beziehungen  zu  Immermann  werden  in 
den  von  Manz^^)  publizierten,  litterarisch  nicht  sehr  bedeutungsvollen  Auszügen  der 
Korrespondenz  zwischen  Beer  und  Schenk  erwähnt.  — 

Mit  rühmenswerther  Objektivität  hat  Elias  ^5)  die  übertriebene  Huldigung  zu- 
rückgewiesen, die  der  Dichter  Schenk  zu  seinen  Lebzeiten  erfahren.  Ungedruckt  blieb 
sein  Drama  „Adolf  von  Nassau".  Seine  grosse  Produktion  ermangelt  jeder  Charakte- 
ristik und  Ursprünglichkeit,  die  schlechten  Verse  strotzen  von  Schwulst,  auch  von 
Kriecherei  sind  besonders  die  vielen  Gelegenheitsstücke  nicht  freizusprechen.  Die 
Einflüsse  Scliillers  und  Shakespeares  treten  überall  zu  Tage.  Er  ist  der  entartete  Sohn 
der  Romantik.  —  Der  bayerische  Geschichtschreiber  Aventin  wurde  1819  anonym  und 
1825  von  F.  v.  Caspar  auf  die  Bühne  gebracht  ^6),  —  Eine  der  liebenswürdigsten 
Figuren  der  künstlerischen  und  dichterischen  Romantik  tritt  uns  in  Franz  Graf  Pocci 
entgegen,  den  H.  Holland^'')  als  das  Idealbild  des  feinsinnigen  Dilettanten  zu  schildern 
weiss.  Sein  im  besten  Sinne  des  Wortes  kindlich  spielendes  Talent,  das  ihn  durch 
drei  Künste,  Dichtung,  Zeichnung  und  Musik  geleitet,  tritt  auch  in  seinen  Dramen 
zu  Tage,  die,  oft  für  das  Puppentheater  geschrieben,  im  Sinne  Brentanos  und  Tiecks 
der  satirischen  und  märchenhaften  Züge  nicht  ermangeln.  In  seinem  „Kasperl-Theater" 
(1845,  1873)  hat  er  einen  Münchener  Typus  geschaffen.  Ein  Volksstück  versucht  er 
1855  im  „Gevatter  Tod",  aufgebaut  auf  ein  Grimmsches  Märchen;  in  einer  Reihe  von 
Totentänzen  lässt  er  diese  alte  halbdramatische  Form  wieder  aufleben.  —  Für  einen,  im 
Gegensatz  zu  Pocci,  recht  widerlichen  Vielschreiber,  J.  von  Voss,  hat  Ellinger^s)  eine 
Uebersicht  der  zahllosen  Dramen  und  Romane  geliefert,  die  besonders  die  politischen 
und  lokalen  Motive  charakterisiert.  So  wertlos  sein  „Faust"  an  und  für  sich  ist,  so 
ist  doch  ein  recht  selten  gewordenes  Stück  der  Faustlitteratur  durch  den  Neudruck 
wieder  zugänglich  geworden,  ebenso  wie  der  „Faust"  Klingemanns  nunmehr  in  einer 
billigen  Ausgabe  vorliegt  ^s-so).  — J.  T.  Rochlitz,  durch  von  Biedermann  ^i)  behandelt, 
hat  als  Dramatiker  die  Förderung  Goethes  erfahren,  der  mehrfach  Stücke  von  ihm  in 
Weimar  zur  Aufführung  brachte.  Er  hat  auch  den  Versuch  gemacht,  die  „Antigone" 
der  deutschen  Bühne  zuzuführen.  —  Mit  Kotzebue  beschäftigt  sich  Frankreich  ganz 
auffallend  62-67).  _ 

In  die  neuere  Zeit  führen  Beiträge  zu  Dingelstedts  Münchener 
Bilderbogen  von  J.  Proelss  ^8).  Sie  enthalten  Briefe  Gutzkows  ^9),  die  sich  meist  um  die 
Aufführbarkeit  seiner  Stücke  im  Münchener  Hoftheater  drehen  und  viele  Bemerkungen 
über  ihn  als  Dramatiker  bringen.  Gelegentliche  Hiebe  auf  den  Gutzkow  missgünstigen 
Wiener  Theaterleiter  Laube,  den  „Schreyvogel  in  partibus",  sind  charakteristisch.  — 
Die  Geschichte  des  jungen  Schauspielers,  die  Dingelstedt  in  „Aus  dem  Totenkranz  zu 
München"  erzählt,  ist  in  ihren  angeblichen  historischen  Motiven  mitgeteilt  worden  von 
Grans'^^)  in  einem  sonst  nur  Theaterschnurren  und  einen  höchst  unbedeutenden  Auf- 
satz über  Garrick  enthaltenden  Büchlein,  ''i)  —  Ein  kurzes  Glück  als  Dramatiker  war 
H.  A.  Schauffert  beschieden,  von  dem  H.  Holland ''2)  eine  Reihe  unaufgeführter  Stücke 
verzeichnet.  In  Wien  hatte  nur  sein  Preislustspiel  Erfolg,  „1683"  fiel  durch,  und  der 
in  Berlin  mit  Beifall  aufgenommene  ,, Vater  Brahm"  wurde  verboten.  Er  hat  Gefühl 
für  das  Dramatische,  bleibt  jedoch  ganz  an  der  Oberfläche.  —  Durchaus  in  München 
wurzelt   der  Humorist  M.   Schleich ''3)^    (Jer    nach    einer    äusserlich  effektvollen  Prosa- 


Berlin,  Conrad.  12".  116  S.  M.  1,50.  |[E.  Kilian:  AZgB.  N.  303.]  |  (Ergänzung  u.  Bühnenbearbeitung.)  —  52)  G.  Mix,  Z. 
Gesch.  d.  Cäsartragödien.  Progr.  Friedeberg.  4".  16  S.  —  53)  0.  Schädel,  E.  Beitr.  z.  Don  Juan-Litt.  Progr.  d.  Gymn. 
Bensheim,  Beyer.  4fi.  20  S.  —  54)  G.  Manz,  Aus  Michael  Beers  ungedr.  Korrespondenz.  E.  Beitr.  z.  Biographie  d.  Dichters: 
AZg.  N.  310.  —  55)  J.  Elias,  E.  v.  Schenk:  ADB.  31,  S.  37-44.  -  56)  K.  v.  Keinhardstö ttner,  Bayerns  Geschichts- 
schreiber Aventin  als  Bühnengestalt:  AZg.  N.  167.  —  57)  H.  Holland,  Franz  Graf  Pocci.  E.  Dichter-  u.  Künstlerleben.  Mit 
26  Bildern.  (=  Bayerische  Bibliothek.)  Bamberg,  Büchner.  86  S.  M  1,40.  |[HPB11. 105,  S.  161 ;  FränkKur.  23.]|  —  58)  J.  t.  Voss,  Faust. 
Trauerspiel  mit  Gesang  u.  Tanz  her.  v.  6.  Ellinger.  (=  Berliner  Neudrucke  Ser.  II.  Bd.  2.)  Berlin,  Gebr.  Paetel.  XXXVI,  85  S. 
M.  3,00.  |[L.  Franke  1:  BLU.  N.  48;  NatZg.  N.  234.]  |  —  59)  A.  Klingemann,  Faust.  Trauerspiel.  (=  Universalbibl.  N.  2609.) 
Leipzig,  Reclam.  88  S.  M.  0,20.  —  60)  X  E-  Sprenger,  Zu  Klingemanns  Faust  V,  7:  ZDU.  4,  S.  87.  (Erörtert  sprachlich 
„Wer  wollte  Mücken  saugen".)  —  61)  W.  v.  Biedermann,  J.  F.  Rochlitz:  ADB.  30,  S.  85—91.  —  62)  X  A.  v.  Kotzebue,  D. 
merkwürdigste  Jahr  meines  Lebens.  (=r  Bibl.  d.  Gesamtlitt.  N.  402/4.)  Halle,  Hendel.  234  S.  M.  0,75.  —  63)  id.,  D.  beiden 
Klingsborg.  Lustspiel  in  4  Akten.  (Bibl.  d.  Gesamt-Litt.  N.  431.)  Halle,  Hendel.  76  S.  M.  0,25.  —  64)  id.,  La  petite  ville 
allemande  avec  notices  biographiques  et  litt^raires  et  accompagnöe  de  notes  en  fran9ais  par  E.  Lombard.  Nouvelle  ödition. 
Paris,  Belin.  120.  ym,  205  S.  |  [RCr.  N.  3.]|  —  65)  X  id.,  La  petite  ville  allemande.  Ed.  nouv.  accompagnöe  d'une  notice  sur 
l'auteur,  de  notes  explicatives  ....  par  B.  Hildt.  2e.  6dit.  Paris,  Delagrave.  12".  X,  181  S.  —  66)  X  id.,  La  petite  ville 
allemande  et  extraits  de  Misanthropie  et  repentir  et  de  l'Epigramme.  Texte  allemand,  publik  avec  une  notice,  un  argument 
asalytique  et  des  notes  par  M.  Bailly.  Paris,  Hachette.  16«.  XXIV,  187  S.  —  67)  X  id.,  D.  deutschen  Kleinstädter  (la  petite 
ville  allemande)  avec  des  notices  biographiques  et  litt6raires;  une  analyse  et  des  notes  par  E.  Lorion.  Paris,  Garnier  freies. 
120.  XIV,  118  S.  —  68)  J.  Proelss,  Zu  Dingelstedts  Mttnchener  Bilderbogen:  AZg».  N.  73/4,  91,  129,  130.  —  69)  X  A.  Lohn- 
Siegel,  Einiges  über  Frauengestalten  aus  C.  Gutzkows  Dramen:  LZg^.  N.  39.  —  70)  H.  Grans,  Genrebilder  aus  d.  Schauspieler- 
leben. Leipzig,  Spamer.  III,  126.  S.  M.  1,50.  —  71)  (IV,  14  N.  53.)  —  72)  H.  Holland,  H.  A.  Schauffert:  ADB.  30,  S.  634/7. 
—  73)  id.,  M.  Schleich:  ib.  31,  S.  397—402.  —  74)  S.  o.  IV,3  N.  133.    —    75)  C.  Braun,  Kaiserin  Augusta  u.  Arnold  Rüge: 


88  IV,4:  A.  v.  Weilen,  Drama  des  18,/19.  Jahrhunderts. 

tragödie  „Nero"  eine  Reihe  liandlungsarmer  Volksschauspiele  schrieb,  ebenso  wie 
Hermann  von  Schmid,  dessen  eigentliche  Bedeutung  in  der  bayerischen  Dorfgeschichte 
ruht,  die  er  mit  Geschick  und  Erfolg  auf  die  Bühne  zu  verpflanzen  wusste.  Sein 
Biograph,  Holla nd'4),  nennt  auch  einen  Jugendplan  wie  „Catilina",  wenig  beachtete  Ver- 
suche wie  „Camoens"  und  „Bretislaw";  erst  1849  zündete  endlich  sein  „Strassburg".  — 
Zwei  verschollene  Dramen  A.  Ruges,  „Schill"  und  „Oedipus",  macht  C.  Braun 'i^)  aus 
Ruges  „Memorabilien"  namhaft. —  Der  Gedenktag  Otto  Ludwigs  '^%  das  Hinscheiden  von 
Wehl'"'-''^)  und  Putlitz ''9-80^  haben  zahlreiche,  nicht  immer  auffindbare,  noch  weniger 
aber  immer  bemerkenswerte  Artikel  im  Gefolge  gehabt,  aus  denen  niu"  die  sorgfältige 
biographische  Studie  Fellners  über  Putlitz  hervorgehoben  sei.  81-85)  —  Yon  deutschen 
Dramatikern  erschienen  verschiedene  Dramen  in  Textabdrücken  86-89)^  Freytags  „Journa- 
listen" wurden  in  englischer  Schulausgabe  gegeben  90-92)  ^  Lenaus  „Faust"  ist  von 
Nannarelli  ^3)  gut  ins  Italienische  tibersetzt  worden.  — 

Es  darf  wohl  als  höchst  erfreulich  bezeichnet  werden,  dass  der  wissenschaft- 
lichen Behandlung  der  österreichischen  Dramatiker  in  den  JBL.  ein  eigener  Ab- 
schnitt zugewandt  werden  kann.  Noch  harrt  die  Geschichte  der  Wiener  Volksbühne 
berufsmässiger  erschöpfender  Durchforschung;  eine  hübsche  Vorstudie  hat  Z eidler 94) 
gegeben.  Er  behandelt  in  grossen  Umrissen  die  Parodie,  wie  sie  besonders  auf  der 
Leopoldstädter  Bühne  zur  Zeit  Raimunds  und  Nestroys  blühte.  Textlich  ein  buntes 
stegreifartiges  Quodlibet,  gewinnt  sie  erst  Leben  durch  Schauspieler  wie  Schuster, 
Hasenhut,  Korntheuer,  Raimund,  die  Krones,  Nestroy  usw.  Der  Liebling  des  alten 
Marinellitheaters  ist  Kasperl-Laroche,  für  den  Hensler  seine  Ritterparodien  sclu-ieb. 
Ernste  Stücke  des  Hoftlieaters  wurden  travestiert;  so  erschien  eine  ,, Johanna  Dalk", 
eine  „Kathi  von  Hollabrunn",  ein  „Hamlet,  Prinz  von  Tandelmarkt".  Die  bedeutendsten 
Lieferanten  sind  Perinet  und  Meisl,  später  Bäuerle,  Gleich,  Castelli.  Und  wie  der 
Geschmack  des  Publikums  zustimmte,  zeigen  deutlich  die  charakteristischen  ,,Eipeldauer 
Briefe",  die  sich  über  A.  W.  Schlegels  Vorlesungen  krank  lachen  wollen,  in  denen  er 
den  „Schecksbir"  mit  dem  ,, Stephansturm"  vergleicht.  ,, Heiraten  oder  nicht  heiraten, 
das  ist  die  Frage",  rief  der  Wiener  Hamlet,  dem  besonders  Raimunds  Darstellung  zum 
Siege  verhalf.  Auch  die  grosse  Oper  entging  ihrem  Schicksal  nicht:  Perinet  hat  eine 
Reihe  von  Parodien,  an  der  Spitze  ,,Alceste",  verfasst.  Meisl  pflegt,  Ofienbach  vorarbeitend, 
die  mythologische  Karikatur.  Durch  die  geniale  Gallmeyer  gewann  die  absterbende 
Form  neues  Leben.  —  Der  genannte  Hensler  heisst  eigentlich  Albert  Friedrich 
Henseler,  ist  am  2.  Febr.  1759  zu  Vaihingen  als  Sohn  eines  Physikus  geboren,  wurde 
1779  Magister  und  studierte  wohl  schwerlich  in  Tübingen,  wie  bisher  angenommen 
wvirde  95).  —  Eine  vortreffliche  Biographie  Schikaneders  hat  uns  Säuerte)  beschert, 
die  auch  zahlreiche  seiner  ungedruckten  Stücke  nennt.  Seine  dramatischen  Anfänge 
bewegen  sich  ganz  im  Fahrwasser  des  bürgerlichen  Dramas,  des  Sturm-  und  Drang- 
stückes, so  „Die  Raubvögel",  „Laster  kömmt  an  den  Tag",  „Der  Grandprofos".  Eine 
andere  Gruppe  bilden  die  Zauberopern,  die  berühmteste  die  ,, Zauberflöte",  zu  der  er 
wahrscheinlich  durch  Henslers  „Caspar  der  Vogelhändler"  und  Perinets  „Fagottist" 
angeregt  wurde,  auch  Motive  aus  „Lulu"  von  Liebeskind  wirken  mit.  Wie  weit  der 
Wiener  Dramatiker  Gieseke  an  der  Arbeit  beteiligt  war,  lässt  sich  heute  nicht  mehr 
feststellen.  Von  Schikaneders  Lokalstücken  wurden  „Der  Tiroler  Wastl"  und  „Die  Fiaker 
in  Wien"  besonders  beliebt.  Er  ist  nicht  ohne  Begabung,  doch  arbeitet  er  höchst 
schleuderhaft  und  schematisch,  seine  Stücke  sehen  sich  alle  sehr  ähnlich.  — 

Raimunds  hundertster  Geburtstag  gab  Anlass  zu  verschiedenen  Artikeln  9"^) ; 
neu  zu  Tage  getreten  ist  ein  Brief  an  Antonie  Wagner  (ein  zweiter  von  Necker^S) 
mitgeteilter  Brief  steht  bereits  in  der  Gesamtausgabe)  und  eine  Skizze  zur  „Ge- 
fesselten Phantasie",    nach  der  der  Harfher  ursprünglich  eine  kleinere  Rolle  zu  spielen 


I 


VVPK.  107,  8.  85/9.  -  76)  Grenzt.  N.  9-10;  Gegenw.  37,  N.  21.  -  77)  X  ('•  Hochberg,  F.  Wehl :  Gogenw.  37,  N.  21.  — 
78)  X  W.  Bormann,  F.  Wehl:  AZg.  N.  64,  74/5.  -  79)  X  W.  Härder,  G.  zu  Putlitz:  ib.  N.  252,  vgl.  294.  -  80)  R. 
Fellner,  G.  zu  Putlitz:  VossZgS.  N.  463.  465.  (AusfUhrl.  Biographie.)  —  81)  X  R-  Boxberger,  Christ.  Schier:  ADB.  31, 
S.  184.  —  82)  X  A.  L'Arronge,  Herrn.  Salingr6:  ib.  30,  S.  232.  —  83)  X  F-  BrUmmer,  Carl  Schall:  ib.  S.  557.  —  C4)  X 
id.,  S.W.  Schiessler:  ib.  31,  S.  187.  —  85)  S.  o.  IV,  3  N.  48.  —  86)  X  E.  Goibel,  Brunhild.  E.  Tragödie  aus  d.  Nibelungen  sage. 
5.  Aufl.  Stuttgart,  Cotta.  163  S.  M.  3,50.  —  87)  X  S.  H.  Mosentlial,  Deborah.  Volkssohauspiel  in  4  Akten.  6.  Aufl.  Press- 
burg, Heckenast.  82  S.  M.  1,20.  —  88)  X  R-  Benedix,  Volkstheater.  Ausgew.  grössere  Lustspiele.  Bd.  5.  2.  Aufl.  Leipzig, 
Weber.  75  S.  M.  1,00.  -  89)  6.  Freytag,  Dram.  Werke.  5.  Aufl.  2  Bde.  Leipzig,  Hirzel.  V,  380  S.,  V,  327  S.  M.  8,00.  — 
90)  X  id.,  D.  Journalisten  ed.  with  an  introduction  and  notes  by  R.  Hochdörffer.  Boston,  Schoenhof.  12".  153  S. 
ItM.  Poll:  MLN.  5  S.  246/8.] |  —  91)  X  id.,  D.  Journalisten  ed.  with  introduction  and  notes  by  Calvin  Thomas.  New-York, 
Hol!  &  Comp.  12«.  134  8.  —  92)  X  id.,  D.  Journalisten.  Edited  with  an  English  commentary  by  W.  D.  Toy.  Boston,  Heath 
&  Co.  1889.  120.  160  S.  -  93)  N.  Lenau,  Fausto.  Traduzione  di  Fabio  Nannarelli.  Milano,  Hoepli.  250  S.  |[Schroeter, 
BLU.  N.  28;  Hoepfer:  MLJA.  59,  N.  32.]  |  —  94)  J.  Zeidler,  D.  Parodie  auf  d.  Wiener  Volksbühne  am  Ende  d.  18.  Jh.  u.  zu 
Beginne  d.  19.  Jh.:  WienSUb.  S.  368—84.  —  95)  J.  H.,  W.  L.  Weckherlin  u.  Albert  Fr.  Henseler:  LBSW.  N.  18.  -  96)  A. 
Sauer,  E.  J.  Schikaneder:  ADB.  31,  S.  196-200.  —  97)  X  R.  Loewenfeld:  BerlTBl.  v.  1.  Juni;  AZg.  N.  151;  W. 
Paetow:  Dentschl.  1,  S.  588  n.  VossZgs.  N.  22;  Kienzl:  Post  N.  227;  Müller  -  Guttenbrunn:  Didaskal.  N.  126; 
Lemmerroayer:  NatZg.  N.  310;  E.  Frey:  DBühnengen.  19,  S.  232/4,  241/4.  —  98)  M.  Necker,  Raimund-Reliquien:  Grenzb. 


IV,4:  A.  V.  Weilen,  Drama  des  18./19.  Jahrhunderts.  89 

scheint.  —  Andere,  nicht  litterarische  Briefe  veröffentlicht  Glossy^ö)  mit  Nachrichten 
über  die  Familie  Raimund  und  Gleich,  loo^  —  Gegen  die  Erwerbung  der  Eaimund- 
Manuskripte  durch  die  Stadtbibliothek  polemisierte  in  ungerechtfertigter  Weise 
der  Wiener'Antiquar  Einsleioi),  —  Aus  einem  Gespräch  zwischen  Raimund,  Lenau  und 
Straube  1^2)  geht  der  Plan  eines  Dramas  ,,Die  Nacht  auf  dem  Himalaya"  hervor,  der 
durch  eine  Doppelfigur,  die  Seele  und  Leib  getrennt  vorstellen  soll,  Aehnlichkeit  mit 
dem  ,, Alpenkönig  und  Menschenfeind"  hat.  Lenau  nennt  die  Idee  eine  Tollheit  und 
fügt  hinzu:  ,,Li  fünfzig  Jahren  giebt  es  keine  Theater  mehr."  —  Mit  dem  „Alpenkönig" 
steht  Raimund  in  der  Tradition  des  alten  Stoffes  vom  Menschenhasser,  den  M.  Landaui03) 
durch  die  Weltlitteratur  verfolgt.  Aus  Lucian  schöpft  Bojardo,  der  den  Hass  motiviert, 
Delisle  bringt  die  Kur,  der  englische  ,,Timon"  führt  das  weibliche  Element  ein,  Moliere 
versetzt  ihn  in  eine  andere  Sphäre.  Shakespeares  Quellen  sind  Plutarch  und  das  ältere 
englische  Stück.  Schillers  Fragment,  Kotzebue  werden  erwähnt.  Raimund  kennt 
Shakespeare  und  Meisls  ,,Esel  des  Timon",  den  er  auch  nennt.  —  Raimund  als  Schau- 
spieler erhält  Beleuchtung  durch  die  von  Eellneri04)  zusammengestellten  Berliner 
Kritiken,  die  sein  Gastspiel  (1832)  mit  den  lobendsten  Aeusserungen  begleiten,  wenn 
sie  auch  manchmal  sein  Spiel  allzuberechnet  finden.  Diese  Nachrichten  ergänzen  und 
korrigieren  die  unfreundlichen  Berichte  Holteis.  Besonderen  Beifall  fand  die  „Gefesselte 
Phantasie",  die  in  Wien  ziemlich  abgefallen  war.  —  Von  Nestroy  105)  igt  das  Testament 
veröffentlicht  worden  106)  j  einige  seiner  Trauerspiele  sind  verloren  gegangen.  Nestroys 
Werke  sind  zum  grössten  Teile  ungedruckt  geblieben.  Um  so  dankenswerter  ist  die 
auf  zwölf  Bände  berechnete  Gesamtausgabe  durch  Chiavacci  und  Ganghofer  lO'^), 
von  der  im  Berichtsjahr  fünf  Bände  in  Lieferungen  erschienen  sind.  Den  Heraus- 
gebern ist  der  litterarische  Nachlass  von  Nestroys  Erben  überwiesen  worden;  sie  haben 
jede  kritische  und  erläuternde  Beigabe  als  belastend  vermieden.  Nicht  immer  war  der 
ursprüngliche  Text  in  den  skizzenhaften  Entwürfen  Nestroys  und  den  durch  Theater- 
tradition entstellten  Souffleurbüchern  festzustellen,  so  dass  die  Auswahl  dem  Verständnis 
der  Herausgeber  überlassen  bleiben  musste.  In  dem  Verzeichnisse  der  Stücke  finden 
sich  einige  irrtümlich  als  ungedruckt  bezeichnet,  wie  z.  B.  gleich  das  an  erster  Stelle 
veröffentliche  „Zu  ebener  Erde  und  im  ersten  Stocke".  Ein  abschliessendes  Urteil 
wird  erst  nach  Vollendung  der  Ausgabe  möglich  sein,  die  in  ihrem  letzten  Bande  auch 
eine  Biographie  Nestroys   bringen  soll.  — 

Die  Tagebücher  Schreyvogels,  von  Glossy  aufgefunden  108)^  werden  hoffent- 
lich bald  der  Oeffentlichkeit  zugeführt  werden,  —  Besondere  Beachtung  verdient  der  Brief- 
wechsel Michael  Enks  von  der  Burg  und  Friedrich  Halms^o^),  den  Schachinger HO) 
aus  der  sehr  schwer  leserlichen  Hs.  der  k.  k.  Hofbibliothek  mit  erläuternden  Anmer- 
kungen mitgeteilt  hat;  Lesarten  und  Konjecturen  giebt  die  Recension  R.  M.  Werners. 
Der  Briefwechsel  geht  von  den  Jahren  1833  bis  zu  Enks  Tod  1843.  Die  Briefe  Enks, 
an  Zahl  die  Halms  weit  überragend,  zeigen  seine  energisch  beratende  Thätigkeit  als 
echte,  die  Produktion  fördernde  Kritik  und  beweisen,  dass  die  vielfach  behauptete  Mit- 
arbeiterschaft Enks  an  Halms  Dramen  eine  Fabel  ist.  Enk  hält  Halm  mit  fester  Hand 
bei  der  Stange  und  konzentriert  seine  leicht  abspringende  Arbeitslust.  So  entstehen 
jjGriseldis",  ,,Der  Adept",  ,,Camoens"  u.  a.  Auch  über  Halms  spanische  Studien  sowie 
seine  Cymbelinebearbeitung  erhalten  wir  neue  Aufschlüsse.  Ueber  Deinhardstein  fallen 
harte  Worte,  Lenau  wird  von  Enk  die  Kraft  abgesprochen,  die  Masse  der  Gefülils- 
poesie  mit  Klarheit  zu  gestalten.  — 

Grillparzer  "1-119)  gebührt  natürlich  der  Ehrenplatz,  der  ihm  aiich  durch  die 
Gründung  der  Grillparzer- Gesellschaft  feierlich  zugesprochen  ist  120-I2i~)_  gie  wird  durch  ihr 
Jahrbuch  ein  Mittelpunkt  der  Forschung  werden  und  hoffentlich  auch  die  wahrhaft  wissen- 


2,  S.  267—79.  —  99)  C.  Glossy,  F.  Raimund:  NFPr.  N.  9255.  —  100)  X  E.  Brief  F.  Raimunds:  MBU.  Organ  d.  ver.  Breslauer 
Dichterschule.  16,  N.  6.  —  101)  A.  Einsle,  D.  Original-Mss.  Raimunds:  Sammler.  12,  S.  117/8.  |[vgl.  DBUlinengen.  N.  28.]|  — 
102)  E.  Stlindehen  mit  Raimund  u.  Lenau:  Presse.  N.  140.  (Aueh  abgedr.  Didask.  N.  149.)  —  103)  M.Landau,  D.  Menschen- 
hass  auf  d.  Bühne:    AZg.  N.  146/7,   152.   —   104)  R.  Fellner,    Raimund  in  Berlin  (Z.  lOOj.  Geburtstag):    Nation».  7,  S.  516/8. 

—  105)  L.  Rosner,  Nestroyana:  WienTP.l.  N.  334.  (Theater-Anekdoten.)  —  106)  A.  L.,  Am  Grabe  Nestroys:  ib.  N.  259.  — 
107)  J.  Nestroy,  Ges.  Werke  her.  v.  V.  Chiavacci  u.  L.  Ganghofer.  Stuttgart,  Bonz.  10  Lieff.  je  M.  0,75.  |  [R.  M.  Werner: 
DLZ.  11,8.1173;  Kummer:  BLU.  N.  38;  AZg.  N.  138.]  |  —  108)  D.  Tagebücher  Schreyvogels:  AZgß.  N.  57.   |[vgl.  Didask.  N.  53.]  | 

—  109)  F.  Münch-Bellinghausen  (Halm),  D.  Adept.  Trauerspiel.  (=  Deutsch-österr.  National- Bibl.  N.  77/8.)  Reiehenberg  i.  B., 
Weichelt.  67  S.  M.  0,40.  —  110)  B.  Schachinger,  Briefwechsel  zw.  M.  Enk  v.  d.  Burg  u.  E.  Frhr.  v.  Münch-Bellinghauseu 
(F.  Halm).  Wien,  Holder.  VIII,  223  S.  M.  6,00.  |[NFPr.  N.  9258;  R,  M.Werner:  DLZ.  12,  S.  784/6;  Walther:  BLU.  N.  39.]|  — 
III)  F.  Grillparzer,  SSmtl.  Werke.  Neue  Ausg.  in  40  Lieif.  16Bdd.  Stuttgart,  Colta.  20,00  M.  —  112)  A.  Reissenberger,  Grill- 
parzer, D.  Ahnfrau  her.  v.  Lichtenheld:  ZDU.  4,  S.  179.  (Vgl.  o.  1,7  N.  74/5.)  —  113)  X  A.  Kohut,  Grillparzer  u.  Beethoven: 
Bohemia».  N.  168.  —  114)  X  Kathi  Fröhlich,  Grillparzers  ewige  Braut:  HlZg.  N.  2476.  (Mit  Bild.)  -  115)  X  J-  Z  eidler, 
D.  Elemente  v.  F.  Grillparzers  Weltanschauung  u.  dichterischer  Eigenart:  WienZg.  N.  16f8.  —  116)  \¥.  Meissncr-Diemeri 
Auguste  V.  Littrow-Bischoff:  NFPr.  N.  9279.  —  117)  X  D.  Grillparzer-Zimmer  im  bist.  Museum  d.  Stadt  Wien:  ZBK.  NF.  2, 
S.  7—11.  —  118)  X  Grillparzer  u.  Kaiserin  Augusta:  NFPr.  N.  9116.  —  119)  X  E.  Kilian,  Z.  bevorstehenden  Säkularfeier  v. 
Grillparzers  Geburtstag:  DBühnengen.  19,  S.  377/9.  —  120)  A.  Hauffen,  D.  Gründung  d.  Grillparzer-Gesellschaft  in  Wien 
DLZ.  11,  S.  251/2. 1  [Vgl.  BLU.  N.  2;  DeutschZg.  N.  6489;  FremdenBl.  N.  21.]  |  —  121)  E.  Reich,  Was  will  d.  GriOparzer-Geeellsohaft  ? 


90  IV,4:  A.  V.  Weilen,  Drama  des  18.yl9.  Jahrhunderts. 

schaftliche  erheblich  fördern.  —  Ein  Joseph  Grillparzer  ist  1780  in  Wien  festge- 
stellt worden  ^22^.  —  In  einem  Voi'trage  hat  Glossy^^s)  die  Lehrer  Grillparzers  charak- 
terisiert. —  Ein  Brief  von  der  griechischen  Reise  an  Sztankovits,  der  mit  Holtei  in 
Verbindung  stand,  ist  nun  zu  Tage  getreten.  124-125)  —  Die  bevorstehende  Säkularfeier 
der  Geburt  Grillparzers  hat  ihre  Schatten  in  zwei  grösseren  Biographien  vorausge- 
worfen, die  spekulativem  Buchhändlergeiste  ihre  Entstehung  verdanken.  Es  ist  zu 
bedauern,  dass  ein  Mann  wie  Mahrenholtz  126-128)  sich  auf  eine  oberflächliche,  ohne  in- 
timere Kenntnis  der  österreichischen  Litteratur  geschriebene,  nur  die  landläufigsten  Quellen 
berücksichtigende  Arbeit  eingelassen  hat.  Schreyvogel,  Laube  und  andere  für  Grillparzer 
so  wichtige  Persönlichkeiten  werden  fast  gar  nicht  charakterisiert,  die  Schicksalstragödie 
wird  in  Bausch  und  Bogen  verworfen,  der  Zusammenhang  mit  der  Wiener  Volksbühne 
im  „Traum  ein  Leben"  und,  was  noch  wenig  bemerkt  wurde,  in  „Weh  dem,  der  lügt", 
eigentlich  nur  einer  Hypostase  der  typischen  Hanswurstkomödie,  ist  nicht  recht  herausge- 
arbeitet, das  Wesen  der  Esther  nicht  erfasst.  Um  späteren  Irrtümern  vorzubeugen,  sei 
hier  bemerkt,  dass  der  Nachlass  Grillparzers  sich  nicht,  wie  S.  149  gesagt  wird,  in  der 
Holbibliothek,  sondern  in  der  Wiener  Stadtbibliothek  befindet.  —  Schatten  aber  im 
vollsten  Sinne  des  Wortes  ist  die  hyperultramontane  Biographie  Traberts  129)^  ein  Mach- 
werk, vor  dem  nachdrücklich  gewarnt  werden  muss.  Sämtliche  poetischen  Produktionen 
Grillparzers  werden  nur  vom  Standpunkte  seines  dem  Vf.  zweifelhaften  Katholizismus 
beurteilt,  sein-  Bildungsgang  aus  ungenügender  religiöser  Jugenderziehung  begründet 
und  verdammt.  Dazu  kommen  viele  schriftstellerische  Geschmacklosigkeiten,  so  z.  B. 
ist  der  Abschnitt,  der  Grillparzers  bibliothekarische  Laufbahn  schildert,  „Der  Bibliotheks- 
trottel" überschrieben.  — 

Hebbel  130),  dem  man  seinen  Platz  bei  den  Oesterreichern  lassen  möge,  ist 
mehrfach  in  Parallele  mit  Jbsen  gestellt  worden  131-132).  Berg  hebt  die  Gemeinsamkeit 
in  psychischen  Paradoxen,  sexuellen  Problemen  und  in  der  Forderung  weiblicher 
Selbständigkeit  hervor.  „Rhodope"  und  „Nora",  „Trauerspiel  in  Sicilien"  und  ,, Stützen 
der  Gesellschaft"  dienen  als  Beispiele.  Bei  beiden  Dichtern  zieht  sich  die  Exposition 
oft  fast  durch  das  ganze  Drama.  —  Ein  Brief  Hebbels  an  Julius  Glaser  vom  28.  August 
1852  ist  von  Len.tneri33)  bekannt  gemacht  worden.  —  Die  JBL.  bieten  leider  nicht 
Raum  genug,  um  die  ausserordentliche  Gabe,  die  E.  Bamberg  134)  mit  der  Veröffent- 
lichung des  Hebbelschen  Briefwechsels  dem  deutschen  Volke  dargebracht,  auch  nur 
andeutend  zu  würdigen.  Der  vorliegende  erste  Band  bietet  die  Jugendbriefe  mit 
manchen  unbekannten,  stark  heinesierenden  Gedichten,  die  grosse  Masse  der  intimen 
und  besonders  charakteristischen  Briefe  an  Elise  Lensing  und  an  Bamberg.  Kürzerer 
brieflicher  Verkehr  entsteht  mit  Tieck,  Uhland,  der  Schauspielerin  Crelinger  (wichtig 
für  die  Auffassung  der  „Judith"),  Oehlenschläger,  Ed.  Duller,  Robert  Schumann, 
Hammer-Purgstall,  Rene-Tallandier,  Kühne,  Goltz,  Jordan,  Gervinus,  Heine.  Hebbels 
Briefe  stammen  aus  Wesselburen,  Hamburg,  Heidelberg,  München,  Kopenhagen,  Paris, 
Rom,  Neapel,  Wien.  Zwiegespräche,  wie  der  HerausgelDer  sie  nennt,  sind  diese  Briefe 
wohl  nicht,  sie  sind  Monologe,  gleich  den  Tagebüchern,  welche  sie  in  vielfacher  Beziehung 
ergänzen.  So  erhalten  wir  erst  hier  ausführliche  Nachrichten  über  Hebbels  Schritte 
beim  dänischen  Hofe,  sehen  tiefer  in  die  merkwürdige  schmerzhafte  und  zugleich 
egoistische  Erregung  beim  Tode  des  Kindes;  der  dort  wortkarg  behandelte  italienische 
Aufenthalt  kommt  erst  hier  zu  stärkerer  Geltung.  An  anregenden,  man  möchte  sagen, 
aufreizenden  Ideen  fehlt  es  nicht:  es  irrlichtert  immer  wie  in  den  Tagebüchern,  die 
reine  erwärmende  Elamme  des  ausreifenden  Gedankens  leuchtet  selten  auf.  — 

Bauernfelds  Persönliclikeit  ist  durch  den  Tod  wieder  in  den  Vordergrund  ge- 
treten, und  persönlichen  Erinnerungen  entstammen  viele  der  unzähligen  Nekrologe  135); 
in  einem  Büchlein  hat  ein  Ereund,  B.  Stern  136)^  manche  anekdotenhaften  Züge  aus 
Bauernfelds  Leben  mitgeteilt,  so  ein  kleines  Gespräch  mit  Schreyvogel;  für  Schubert 
hat  Bauernfeld  einen  Text  „Der  Graf  von  Gleichen"  geschrieben.  137)  —  Anzengrubers 


MUA.  59,  8.  718-21.  |[Vgl.  A.  E.  Schünbach:  WienZg.  N.  11.]  |  -  122)  G.  W.,  Joseph  Grillparzer:  AZg.  N.  328.  -  123)  K. 
Glossy,  Vortr.  über  Grillparzer:  NFPr.  N.  9193.  |[Vgl.  FremdenBl.  N.  86;  DoutschZg.  N.  6554.]  |  —  124)  Dörman  n -Bieder- 
mann, Z.  «iographie  Grillparzers:  NFPr.  N.  9232.  (Vgl.  Minor:  ib.  N.  9233.)  -  125)  (I,  3  N.  18  |  [M.  Carriöre:  AZg.  N.  36.] | 
u.  19.)  —  128)  R.  Mahrenholtz,  F.  Grillparzer.  Sein  Leben  u.  Schaffen.  Mit  Portr.  u.  Faksimile.  Leipzig,  Renger.  VI,  199  S. 
M.  4,50.  -  127)  X  id.,  F.  Grillparzer  Über  d.  französische  Litt.:  ZFSL.  12,  S.  291—301.  -  128)  X  id.,  F.  Grillparzer  n.  d. 
spanische  Drama:  ASNS.  86,  S.  369—82.  —  129)  A.  Trabert,  F.  Grillparzer.  E.  Bild  seines  Lebens  u.  Dichtens.  Wien,  Drescher. 
XII,  375  S.  M.  lUustrr.  Fl.  2,80.  |[A.  Landesberg:  WienTBl.  N.  255.] |  -  130)  X  L-  Hartmann,  Hebbels  Nibelungen: 
DresdZg.  N.  96.  —  131)  L.  Berg,  Hebbel  u.  Ibsen:  Gegenw.  37,  S.  212|5.  —  132)  K.  Werner,  Hebbel  u.  Ibson:  WienZg. 
N.  185/9.  —  133)  F.  Lentner,  J.  Glaser  u.  F.  Hebbel:  NFPr.  N.  9201.  -  134)  F.  Hebbel,  Briefwechsel  mit  Freunden  u. 
berühmten  Zeitgenossen.  Mit  e.  Vorwort  her.  v.  F.  Bamberg.  Bd.  k.  Berlin,  Grote.  XIV,  460  S.  M.  12,00.  |[L  emra  erraaye  r: 
FremdenBl.  N.  344/5;  W.:  AZg.  N.  313/4.  Königsberg:  NFPr.  N.  9450/l.]|  -  135)  X  0.  Brahm:  FrB.  1.  S.  752: 
M.  Kent:  Nation».  7,  S.  693;  H.  Kienzl:  Öegenw.  37,  N.  33;  Ginzel:  Grenzb.  49,  3,  S.  453;  F.  Gross:  Gartenl.  N.  35;; 
L.  Salomon:  JUZg.  N.  2459;  L.  v.  Sa  cher-Maso  ch:  MDichtung.  1,  S.  568;  R.  v.  Gottschall:  UZ.  2,  S.  376: 
a.  Schlesinger:  NFPr.  N.  9326;  Speidel:  ib.  N.  9333;  E.  Granichstädten:  Presse  N.  219;  A.  E.  Schönbach 
WienZg.  N.  203/4.  —  138)  B.  Stern:  Bauernfeld.   E.  Dichterportrat  mit  persönl,  Erinnerungen.  1—3.  Aufl.   Leipzig,  Litt.  Anst 


IV,4:  A.  V.  Weilen,  Drama  des  18./19.  Jahrhunderts.  91 

Tode  folgte  schnell  eine  nach  seinem  eigenen  Plane  eingerichtete  Gesamtausgabe  in  zehn 
Bänden;  ihr  schickt  Bettelheira  138)  eine  kurze  biographische  Studie  voraus,  die  durch 
seine  im  zweiten  Band  der  JBL.  zu  besprechende  grosse  Studie  wesentlich  erweitert 
wird.  Hier  charakterisiert  B.  die  einzelnen  Werke,  aus  denen  er  von  Anzengruber 
selbst  verworfene  ausgeschieden,  und  nennt  einige  dramatische  Jugendarbeiten  des 
schauspielerischen  Anfangers.  Mit  Sorgfalt  sucht  er  der  Vererbung  des  Talentes  nach- 
zugehen, indem  er  den  Vater  Johann  Anzengruber,  dem  er  schon  früher  eine  kleine 
Abhandlung  gewidmet  hatte,  in  seinen  dramatischen  Versuchen  kennzeichnet.  Die 
Dramen  umfassen  Bd.  6  bis  10  der  Ausgabe.  Unbekannt  war  bisher  das  Fragment  einer 
Tragödie  „Bertha  von  Frankreich".  — 

Auch  die  Greschichte  des  musikalischen  Dramas  ist  im  Berichtsjahr  gefördert 
worden.  Nachahmung  verdient  das  Beispiel  C.  F.  Wittmanns  ^39)^  der  den  Text  von 
Webers  ,,Euryanthe"  sorgfältig  revidiert  und  mit  ausführlicher  Einleitung  versehen  vor- 
gelegt hat.  Der  Stoff  stammt  aus  der  französischen  Erzälüung:  „Histoire  de  Gerard 
de  Nevers  et  de  la  belle  Euryanthe",  die  F.  Schlegel  veröffentlichte  und  die  Chezy 
selbst  in  einer  verkürzten  Uebertragung  drucken  Hess.  Den  Grundplan  entwarf  Weber 
selbst.  Für  das  Mal  an  Euryanthes  Körper  musste  das  Ringmotiv  eintreten.  Neunmal 
wurden  durchgreifende  Aenderungen  im  Text  vorgenommen.  Es  wäre  zu  wünschen,  dass 
auch  andere  unserer  oft  recht  zersungenen  Opernbücher  einer  kritischen  Behandlung 
teilhaftig  würden.  —  Für  die  deutsche  Oper  bedeutiingsvoll  war  Antonio  Salieri,  dessen 
Lebensbild  Dietzi40)  gegeben  hat.  Er  dankt  seine  Ausbildung  Wien,  speziell  Florian 
Gassmann.  Von  seinen  deutschen  Opern  sind  „Die  Rauchfangkehrer"  (1781)  und  ,,Die 
Neger"  (1804)  zu  nennen.  I4i-142)  _ 

Ein  Puppenspiel  „Faustina,  das  Kind  der  Hölle",  das  mit  einem  Plane 
Schillers  in  Zusammenhang  steht,  wird  nach  einer  Weimarer  Hs.,  welche  gegen  die 
durch  Tieck  mitgeteilte  Fassung  ärmer  imd  ungeschickter  erscheint,  von  Ellinger  i'*^) 
analysiert.  144-145)  —  pie  Bauerntheater  Süddeutschlands  und  Oesterreichs  hängen  in  reli- 
giösen Volksschauspielen  mit  Oberammergau  zusammen,  eine  Reihe  besonders  beliebter 
Ritterstücke  geht  auf  Clu".  H.  Schmids  Erzählungen  zurück.  Am  2.  Febr.  1876  wurde,  wie 
von  Gumppenberg  146-147)  mitteilt,  ,,WilhelmTell"  in  Grossweil  an  der  Rochel  unter  freiem 
Himmel  gespielt.  —  Lechleitner  148)  versucht  mit  Verwertung  alter  Motive  tirolisch- 
patriotische  Volksschauspiele;  aus  dem  Pradler  Bauerntheater  entlehnt  er  einige  echte 
Grundzüge  für  die  halb-parodistische  Ritterkomödie  „Die  Schlangenburg  auf  Falken- 
stein". —  Ein  alter  Kärntnerbrauch,  das  Ueberführen  des  Brautkastens,  wird  dargestellt 
in  einem  von  Franziszi  149)  mitgeteilten,  mehr  dialogischen  als  dramatischen  Spiele, 
einem  Gespräche  zwischen  den  Ueberbringern  und  der  Grenzwache,  welche  die  Waren 
nicht  passieren  lassen  will,  mit  eingefügtem  Hanswurst.  —  Die  Luther-Festpiele  be- 
handelt Geneei50)j  mit  besonderer  Berücksichtigung  des  Herrigschen.  — 

Auf  dem  Gebiete  der  Theatergeschichte  macht  sich  im  allgemeinen 
Klatsch  und  Anekdote  ungebührlich  breit.  Die  Wissenschaft  hat  mit  diesen  Produkten 
nichts  zu  thun,  wenn  auch  einige  Züge  der  Charakteristik  der  Schauspieler  zu  gute 
kommen  mögen  151-157),  Hier  seien  auch  einige,  bekannte  biographische  Daten  von  Sängern 
und  Sängerinnen  bietende,  Artikel  der  ADB.  verzeichnet  1^8-164),  —  Eine  ganz  oberfläch- 
liche, aus  Briefen  zusammengestoppelte  Arbeit  über  die  berühmtesten  deutschen  Sou- 
bretten des  19.  Jh.  liefert  Kohuti^^).  S.  14  tauchen  die  schon  zum  Ueberdruss  zurück- 
gewiesenen falschen  Briefe  Raimunds  über  Therese  Krones  wieder  auf.  — 


152  S.  M.  2,00.  —  137)  X  K.  Werner:  Bauernfelds  Alkibiades :  WienZg.  N.  241.—  138)  L.  Anzengruber,  Ges.  Werke.  10  Bde. 
Stuttgart,  Cotta.  M.  35,00.  ][AZg.  N.  348;  Erich  Schmidt:  DLZ.  12,  S.  347— 5.3.]|  (D.  Dramen  auch  einzeln.)  —  139)  Euryanthe. 
Bora.  Oper  in  3  Aufz.  v.  H.  v.  Chezy,  Musik  v.  C.  M.  v.  Weher.  Vollst,  Buch,  her.  v.  C.  F.  Wittmann  (=  Universal- Bibl. 
N.  2677  [Opernbücher  Bd.  10].)  Leipzig,  Keclam.  68  S.  M.  0,20.  -  140)  D i e t z ,  Ant.  Salieri  :  ADB.  30,  S.  226-31.  — 
141)  X  Ti-  P-i  Handlung  u.  Dichtung  d.  Bühnenwerke  E.  Wagners,  nach  ihren  Grundlagen  in  Sage  u.  Gesch.  dargest.  (in  10  Heften). 
Berlin,  Trowitzsch.  Jedes  Heft  M-  0,50.  —  142)  X  R-  Torehi,  Ricardo  Wagner.  Studio  critico.  Bologna,  Zarichelli.  610  S. 
L.  10.  -  143)  G.  Ellinger,  D.Braut  d.  Hölle:  ZDPh.  23,  S.  286-90.  -  144)  (.111,4  N.  26/7.  j[v.  Weilen:  DLZ.  1891,  N.  10.]1) 

—  145)  X  A.  Tille,  Doctor  Faust  in  Tirol  u.  Steiermark:  NFPr.  N.  9359.  —  146)  0.  Frhr.  v.  Gumppenberg,  D.  Bauern- 
theater in  Südbayern  u.  Tirol:  ZDeutschösterreichAlpenV.  20,  S.  136—59.  —  147)  X  H.  v.  Gumppenberg,  D.  süddeutschen 
Bauernspiele:  AZg.  N.  283.  —  148)  F.  Lechleitner,  Tiroler  Bauernspiele.  (=  Deutscher  Bucherschatz.  Bd.  6.)  Eisenaeh. 
Bacmeister.  217  S.  M.  2,00.  [[HambCorr».  N.  9.]  |  —  149)  F.  Franziszi,  D.  Valisführen.  E.  dramatischer  Schwank.  Nach  e. 
alten  Hs.  mitget.:  NCarinthia.  1,  S.  181-91.  —  150)  R.  Genöe,  Volksbühne  u.  Volkstümliches:  AZg.  N.  85.  —  151)  (111,4  N.  35.) 

—  152)  X  Z.  Erinnerung  an  Wilhelmine  Schröder-Devrient:  DBühnengen.  19,  N.  5.  —  153)  X  Sotzmann,  Aus  d.  hs.  Auf- 
zeichnungen e.  alten  preussischen  Beamten :  FBPG.  3,  S.  625.  |[DLZ.  11,  S.  177/8.]]  —  154)  X  Saltarino,  Holtei  u.  d.  Kunst- 
reiter. (S.  0.  IV,  3  N.  94.)  —  155)  XX  Aus  Tilsits  Vergangenheit.  2.  Ausg.  Bd.  1—3.  Tilsit,  Lohauss.  1888-90.  V,  224;  III,  308; 
IV,  244  S.  M.  5,00.  |[Lohmeyer:  HZ.  64,  S.  505.]|  (Bd.  2  enthält:  D.  Theater  in  Tilsit  bis  1845.)  —  156)  X  E.  Leipziger  Theater- 
kritik V.  1784.  Aus  d.  LeipzigTBl.abgedr.  TglRs^-".  N.  26;  WesZg.  N.  15496;  Didask.  N.  27;  MünchenNN.  N.  54.  —  157)  A.Kohut, 
D.  Komiker  F.  Beckmann.  Heitere  Züge  aus  seinem  Leben  u.  Schaffen:  Sonntagsbl.  N.  294/5.  —  158)  Schletterer,  Luigia 
u.  Marie  Sandrini:  ADB.  30,  S.  359—90.  (Sängerinnen.)  —  159)  H.  Welti,  Agnese  Schehest:  ib.  S.  651/3.  —  160)  Schletterer, 
Nanette  Schechner:  ib.  S.  654—61.  (Sängerin.)  —  161)  H.  Welti,  Margarethe  Schick:  ib.  31,  S.  167.  (Sängerin.)  —  162)  H. 
Holland,  F.  Schimon:  ib.  S.  272.  (Sänger.)  -  163)  H.  A.  Lier,  Friederike  Schirmer:  ib.  S.  785.  -  164)  H.  Welti,  A.  Schmalz: 
ib.  S.  621.    (Sängerin.)    —    165)  A.  Kohut,   D.  grössten  u.  berühmtesten  deutschen  Soubretten  d.  19.  Jh.    Düsseldorf,  Bagel. 


92  rV,4:  A.  v.  Weilen,  Drama  des  18.  19.    Jahrhunderts. 

Mit  desto  grösserer  Freude  wendet  man  sich  der  wertvollsten  Monographie  zu, 
welche  in  neuerer  Zeit  der  deutschen  Theatergeschichte  beschert  wurde.  Es  ist  das  die 
gross  angelegte  Biographie  Y.  L.  Schröders  von  Litzmann  166).  Der  vorliegende  erste 
Band  fühi-t  bis  zum  Jahre  1767.  Daher  tritt  die  Persönlichkeit  des  Helden  weniger  in 
den  Vordergi-und  als  die  Gestalten  des  Stiefvaters  Ackermann  und  der  Mutter.  Die 
Familiengeschichte,  besonders  die  Persönlichkeit  von  Scliröders  Vater,  dem  Berliner 
Organisten,  wird  durch  Dokumente  neu  beleuchtet.  Pur  Schönemann,  bei  dem  Prau 
Schröder  beginnt,  sind  Briefe  an  Gottsched  äusserst  charakteristisch.  Das  Repertoir 
wird  überall  genau  studiert.  Ueber  die  ersten  Jugendtage  Schröders  berichten  einige 
Briefe  der  Mutter.  Die  Danziger  Unternehmung  Ackermanns  besprechen  ausführliche 
zeitgenössische  Kritiken.  Während  der  junge  Friedrich  Ludwig  die  strenge  Zucht  des 
Königsberger  Kollegiums  erfährt,  befindet  sich  die  Truppe  auf  Wanderzügen,  welche 
das  zweite  Buch  ausführlich  schildert.  Besonders  die  Schweizer  Campagne  wird  auf 
Grundlage  liss.  Berichte  und  des  nvir  teilweise  veröffentlichten  Tagebuches  der  Karoline 
Schulze-Kummerfeld,  das  auch  die  Konflikte  in  der  Truppe  sorgfältig  bucht,  jetzt  erst 
vollständig  geklärt.  Der  Wielandforschung  kommt  die  Darstellung  des  Einflusses  zu 
gute,  welchen  die  Gesellschaft  auf  die  Ausgestaltung  der  „Johanna  Gray"  nahm.  Das 
dritte  Buch  behandelt  die  Hamburger  Zeit,  die  Ackermann  durch  Intriguen,  besonders 
von  Seiten  der  Hensel  verleidet  wurde.  Diese  kvu-zen  Angaben  sollen  die  Bedeutung 
des  Werkes,  das  überall  auf  starkem  litterarischen  Unterbau,  so  besonders  für  Hamburg, 
arbeitet,  nicht  erschöpfen;  rühmend  sei  noch  der  geschmackvollen  Darstellung  ge- 
dacht, iß"^)  —  In  Zürich  wurde  Ackermann,  wie  uns  durch  Nigglii68)  berichtet  wird, 
die  Bedingung  gestellt,  dass  ein  Viertel  der  Einnahme  jeder  Vorstellung  dem  Armen- 
hause zufalle  und  niemand  Thee  oder  Tabak  ins  Theater  mitbringen  dürfe.  Ein 
französischer  Brief  Isac  Iselins  spricht  sich  sehr  günstig  über  die  Truppe  aus.  —  Auch 
Schröders  Biograph,  F.  L.  W.  Meyer,  hat  seine  kleine  Biographie  diu-ch  C.  Zimmer- 
mann 169)  erhalten.  Als  Geburtsdatum  ist  jetzt  der  26.  Jan.  1758  festgestellt.  Li  Göt- 
tingen wurde  Meyer  befreundet  mit  Bürger,  dessen  Einfluss  auch  in  seiner  Dichtung 
stark  hervortritt.  Später,  nachdem  in  Wien  die  enge  Verbindung  mit  Schröder  begründet 
worden  war,  wandte  er  sich  Herder  zu  und  verachtete  Bürgers  Roheit.  Seine  ins 
Massenhafte  ausartende  Produktion,  die  sich  in  Zeitungsschreiberei  verlor,  macht  keinen 
erfreulichen  Eindruck.  Doch  bedeutet  seine  Teilnahme  an  den  Göttinger  Gelehrten 
Anzeigen  einen  Fortschritt  hinsichtlich  der  Charakteristik,  der  besonders  in  seinen  Auf- 
sehen erregenden  Recensionen  über  Alxingers  „Doolin  von  Mainz"  und  Heinses  „Ardin- 
ghello"  zu  Tage  tritt.  Der  ihm  zugeschriebene  Roman  „Fiormona"  wird  ihm  von  Z.  ab- 
gesprochen. Seine  dramatischen  Arbeiten,  von  denen  die  Bearbeitung  des  „Cymbeline" 
und  die  mit  Schröder  zusammen  verfasste  „Heirat  durch  ein  Wochenblatt"  hervorzuheben 
sind,  werden  ihrer  Bedeutung  entsprechend  rasch  abgefertigt.  Es  fehlt  ihm  an  Ernst 
und  Tiefe:  „zerfalu-enes  Litteratentum".  — 

Eine  spätere  Zeit  des  Hamburger  Theaters  (1801 — 1806),  die  Direktion  Herz- 
feld, lassen  F.  Sterns  i'^O)  Mitteilungen  aus  Costenobles  Tagebüchern  überschauen,  welche 
den  von  Glossy  veröffentlichten  Wiener  Memoiren  vorangehen  und  die  älteren  Nach- 
richten F.  L.  Schmidts  ergänzen,  den  Schienther  i'^l-i'^S)  glücklich  gegen  Uhdes  sehr 
theoretische  Vorwürfe  wegen  seiner  Nachgiebigkeit  verteidigt.  Madame  Stollmers,  die 
spätere  Sophie  Schröder,  erscheint  in  ihren  ersten,  meist  soubrettenhaften  Anfangen,  sie 
kommt  gegen  Frau  Herzfeld,  deren  Bevorzugung  manchen  Theater-  und  Coulissenskandal 
provocierte,  im  Tragischen  nicht  recht  auf;  der  gewissenhafte  Beobachter  erkennt  aber 
bereits  das  ganz  einzige  Talent  dieser  „Mischung  von  Genie  und  Gemeinheit".  Zahl- 
reiche Erstaufführungen  Schillerscher  Dramen  finden  statt,  so  1802  „Die  Räuber"  in 
einem  wunderlichen  Kostümgemisch,  1805  „Wallensteins  I^ager",  das  Schröder  ein 
„Guckkastenstück"  nennt,  und  „Die  Piccolomini",  in  drei  Akte  zusammengezogen.  Das 
Repertoir  weist  viele  Holbergsche  Stücke  auf.  Vor  dem  Künstler  IfFland  empfindet 
Costenoble  tiefe  Beschämung,  während  der  alte  Schröder  ihn  ablehnt  und  auch  eine 
persönliche  Huldigung  des  Kunstgenossen  nur  kalt  erwidert.  Kotzebues  „Deutsche 
Kleinstädter"  werden  bei  der  Premiere  ausgepfiffen,  auch  Molieres  „Geiziger",  den 
Schröder  selbst  dem  strebsamen  Schauspieler  vorliest,  gefällt  nicht.  — 


203  S.  M.  3,00.  —  166)  B.  Litzmann,  F.  L.  Schröder.  E.  Beitr.  z.  deutschen  Litt.-  u.  Theatergesch.  Bd.  1.  Hamburg  n. 
Leipzig,  Voss.  XVI,  351  S.  M.  8,00.  |  [S  i  1 1 a r  d :  HambCorr.  N.  560,  563 ; A.  v.  W  e i  1  e  n :  DLZ.  11,  S.  1095/6  ;  M.  K  o  c h ,  Aus  d.  deutschen 
Theatergesch. :  DWBl.  3,  S.  338-340;  W.  Crei  zenach:  LCBl.  S.  1713/4;A.  Chuquet:  ECr.  N.  50;  L.  Goigor:  AZg.  N.  285.]| 

—  167)  X  E.  d.  merkwürdigsten  Schauspieler:  PfälzCourF.  N.  79.  (Handelt  v.  Conrad  Ackermann.)  —  168)  A.  Niggli,  Die 
Ackermannschen  Komödianten  in  d.  Schweiz  (1757—60).  E.  Beitr.  z.  Theater-  u.  Kulturgesch.  d.  18.  Jh. :  NZUrchZg   N.  37—42. 

—  169)  C.  Zimm^ermann,  F.  L.  W.  Meyer.  Sein  Leben  u.  seine  schriftstellerische  Wirksamkeit.  E.  Beitr.  z.  Litt.-Gesch.  d. 
18.  u.  19.  Jh.  Phil.  Diss.  Halle,  Karras.  48  S.  —  170)  Aus  Costenobles  Memoiren.  Bll.  aus  d.  Hamburger  Theatergesch.  her. 
T.  Friedrich  Stern:  HambCorr.  N.  337,  341,  344,  359,  362,  374,  377,  382,  404,  407,  413,  419,  422.  —  171)  F.  Schienther, 
F.  L.  Schmidt:  ADB.  31,  S.  721/6.   —  172)  X  J-.  F.  L.  Schmidt,  D.  Sturm  v.  Magdeburg.  E.  Stück  Magdeburger  Theatergesch. 


IV,4:  A.  V.  Weilen,  Drama  des  18./19.  Jahrhunderts.  93 

Die  nunmehr  von  Martersteig  i'^3)  vollständig  mitgeteilten  Protokolle  des 
Mannheimer  Theaters  unter  Dalbergs  Leitung  gehen  fast  nur  in  Nachrichten  über 
Coulissenstreitigkeiten  und  in  einigen  theoretischen  Vorträgen  aus  dem  Kreise  der 
Schauspielerakademie  über  das  Bekannte  hinaus;  die  Anmerkungen  sind  nicht  er- 
schöpfend. — 

Interessant  sind  genaue  Daten  über  das  Kölner  Theater,  die  Merlo^''^)  ans 
Licht  gezogen  hat.  1699  und  1700  erscheinen  daselbst  die  badischen  Komödianten, 
1711  die  Wittwe  Velthem,  1715  die  polnisch-sächsischen  Komödianten  unter  Leitung 
von  Ferd.  Beck,  1720  Joh.  Heinr.  Prunius,  1732  L.  A.  Denner,  1736  Hessen-Casselsche 
Komödianten,  die  den  „Aemilius  Papinianus"  spielen,  1746  Eckenberg  und  eine  Reihe 
von  italienischen  Führern,  1757  Döbbelin.  1768  kam  Kurz  mit  seiner  Hütte  aus  Frank- 
furt, seine  Gesellschaft  bestand  aus  16  Personen,  worunter  Brockmann  und  Frau,  Berg- 
obzoomer,  Mme.  Lang  u.  a.  Sein  Repertoir  vereint  Lessing  und  Weisse  mit  echten 
Bernardoniaden.  Es  folgen  Truppen  von  Sebastiani,  Abt,  Abel  und  Seyler.  Joh.  Böhm, 
in  dessen  Truppe  Herr  und  Frau  Stephanie  stehen,  spielt  am  13.  Jan.  1782  einen 
„Johann  Faust",  in  dem  der  Teufel  den  Faust  nicht  holt.  1787  verkracht  Grrossmann 
vollständig,  1792 — 93  erscheint  Friedrich  Koberwein,  1815 — 16  Friedrich  Scliirmer,  1822 
Ringelhardt  mit  Wilh.  Kunst  und  Albert  Lortzing.  Unter  Direktor  Spielberger  wirkt 
Roderich  Benedix  als  Dramaturg.  — 

Li  Berlin  1'75-180)  -wird  1734,  wie  C.  Krebs  i^l)  erzählt,  das  Publikum  ausdrück- 
lich gewarnt,  Schauspielern  Greld  zu  leihen.  Das  Döbbelinsche  deutsche  Singspiel  wird 
von  Friedrich  Wilhelm  IL  sehr  unterstützt.  Das  Publikum  benahm  sich  im  Theater 
sehr  ungeniert  und  begegnete  selbst  berühmten  Schauspielern  mit  Roheit.  Der  Zustand 
der  Kritik  wird  durch  Auszüge  aus  Berliner  Zeitungen  und  seltenen  Schriften  von 
Crantz  und  Seyfried,  der  besonders  eingehend  über  Schröder  und  Fleck  spricht, 
illustriert.  —  Zwei  beliebte,  heute  vergessene  Schauspieler,  die  beiden  Grern,  behandelt 
Katti82)j  (Jer  Vater,  Georg,  hatte  1772  in  Mannheim  als  Kirchensänger  delDutiert  und 
wurde  1800  in  Berlin  als  Bassist  verpflichtet.  Sein  Sohn  Albert  studierte  Baufach,  Iffland 
ermunterte  ihn  zum  Theater,  und  so  wurde  er  1808  für  komische  Rollen  am  Berliner 
Hoftheater  engagiert.  Der  Vater  starb  1830,  der  Sohn  1869.  —  Der  Nachlass  Dessoirs^^s) 
enthält  eine  Reihe  begeisterter  Briefe  Berthold  Auerbachs,  dem  1864  bei  seinem  Lear 
,, ganze  Weltgegenden  der  Seele  neu  aufgegangen".  Er  bespricht  auch  ein  Drama 
Arthur  Müllers,  „Am  Sarge  eines  Kaisers",  wohlwollend  und  unterwirft  seinen  roman- 
tischen Versuch  „Der  Wahrspruch"  dem  Urteil  des  Schauspielers.  Erwähnenswert  ist 
ein  Brief  Emil  Devrients  über  das  Münchener  Mustergastspiel  1854;  in  demselben  Jahre 
verhandelt  Dessoir  mit  Laube  über  ein  Engagement  am  Hof burgtheater ;  auch  die  Bircli- 
Pfeiffer,  Putlitz,  Ad.  Wilbrandt,  Brachvogel,  Paul  Heyse  erscheinen  unter  den  Korre- 
spondenten. Dessoir  selbst  warnt  in  einem  Briefe  einen  Anfänger  nachdrücklich  vor 
der  Bühnencarriere  und  interpretiert  gelegentlich  die  Worte  MacdujfFs:  „Er  hat  keine 
Kinder".  —  Es  war  ein  glücklicher  Gedanlte  von  B.  Köhler  I83a^,  eine  Reihe  der  besten 
Figurinen  des  „Deutschen  Theaters"  zu  Berlin  in  farbigen  Reproduktionen  vorzulegen. 
Der  vorHegende  hübsch  ausgestattete  erste  Band  enthält:  Götz,  Räuber,  Lear,  Prinz 
von  Homburg,  Generalfeldobrist,  Jüdin  von  Toledo.  Das  Werk  soll  zunächst  prak- 
tischen Zwecken  dienen,  aber  auch  knappe  historische  Erläuterungen  sind  jedem  Stücke 
vorangeschickt.  — 

In  München  184-186)  ist  der  Versuch  gemacht  worden,  eine  vereinfachte  Bühne 
für  grosse  Historien  aufzubauen,  die  besonders  den  vielen  Verwandlungen  eines  ,,Götz  von 
Berlichingen"  wesentlich  zu  gute  kam.  Man  hat  sie  nicht  ganz  richtig  als  Shakespeare-Bühne 
bezeichnet,  sie  entspricht  eher  in  ihrem  festen  Vordergrunde  mit  wandelbarer  Hinter- 
bühne dem  älteren  deutschen  Theater.  Einer  derartigen  Reform  wird  bereits  in  den 
Vorschlägen  vorgearbeitet,  welche  Goethe,  A.  W.  Schlegel,  Tieck,  Immermann,  Herder, 
Ulrici  u.  a.  gemacht  haben.  Tieck  hat  seine  Forderungen  besonders  in  der  Novelle 
„Der  junge  Tischlermeister"  praktisch  unterstützt  durch  einen  genauen  Inscenierungs- 
plan  des  „Götz",  und  Immermann  bearbeitete  in  denselben  Intentionen  Shakespeares 
„Was  ihr  wollt",  wozu  Tiecks  Novelle  ebenfalls  eine  Skizze  lieferte.  187-190)  — 


MagdebZg.  N.  231.  —  173)  M.  Martersteig,  D.  Protokolle  d.  Mannheimer  Nationaltheaters  unter  Dalberg  aus  d.  J.  1781/9. 
Mannheim,  Bensheimer.  XIX, 469  S.  M.  10,00.  |[Bulthaupt:  WeserZg.  N.  15480;  Kilian:  AZg.  1889,  N.  352;  Minor:  DLZ.  11, 
N.42;DR.  15,18.379;  LCBl.  S.  1298/9;  VossZgS.  N.  i,  Wehl:  BLU.  N.  2;  Held:  WienTBl.  N.  9.]  |  —  174)  J.  J.  Merlo,  Zur 
Gesch.  d.  Kölner  Theaters  im  18.  u.  19.  Jh. :  AnnHVNiederrh.  50,  S.  145—219.  —  175)  X  v-  H.,  D.  Künstlerfamilie  Devrient : 
KielZg.  N.  13,  701.  —  176)  X  B-  Löwenfeld,  Sehmelka:  ADB.  31,  S.  634/6.  —  177)  X  M.  Rahe,  Ludwig  Devrient:  Bar  16, 
S.  399-402.  -  178)  X  P-  Sehlenther,  Rösicke:  ADB.  30,  S.  96.  -  179)  X  id.,  J.  F.  Rüthling:  ih.  S.  50.  -  180)  X 
A.  Schmidt,  Bilder  aus  d.  Berliner  Leben  in  d.  zwanziger  Jahren  unseres  Jh.  Theater  u.  Musik:  Bar.  17,  S.  156/8.  —  181)  C. 
Krebs,  Berliner  Musikleben  vor  100  Jahren:  VossZgS.  n.  441,  453,  465,  477.  —  182)  F.  Katt,  Berliner  Schauspieler  2.  Gern, 
Vater  u.  Sohn.  E.  Bl.  aus  d.  Berliner  Theatergesch.:  Bar,  16.  S.  200/1.  —  183)  Ludwig  Dessoir  u.  seine  Freunde:  DR.  15, 
2,  S.  314-26,  355—65,  171/8,  334 — 44.  —  183a)  B.  Köhler,  Trachtenbilder  für  d.  Bühne  gezeichnet  u.  beschrieben. 
1  Jahrgang.  M.  4,00.  —  184)  X  E.  v.  Destouehes,  Aus  Münchens  Chronik  vor  50  Jahren:  AZg.  N.  4.  (Theater  1840.)  — 
185)  X  M.  Bernstein,  B.  Rüthling:    ADH.  30,  S.  49.    —    186)  X  J-  Elias,  Friedr.  u.  Franoisca  Schenk:  ib.  31,  S.  44/6.  — 


94  IV,4:  A.  v.  Weilen,  Drama  des  18./19.  Jahrhunderts. 

Flir  das  Wiener  Theater  191-196)  kommt  besonders  die  Arbeit  Zeidlers  (vgl.  o. 
N.  94)  in  Betracht.  —  Das  in  seinen  Funktionen  noch  immer  nicht  ganz  klare  Spiel- 
grafenamt weist  Schnür  er  19"^)  als  erblich  in  der  Familie  des  Grafen  Brenner  nach; 
1782  wurde  es  gänzlich  aufgehoben.  —  Bei  Gelegenheit  der  Wiederaufführung  des 
Schenkschen  „Dorfbarbier"  macht  Hanslicki^S)  auf  das  noch  1795  gespielte  Lustspiel 
aufmerksam.  —  Eine  Studentenvorstellung  gab  A.  Weiss  1^9)  Anlass  zu  einem  historischen 
RückbHck,  der  auch  die  Darstellungen  der  Jesuiten  streift.  —  Für  österreichische 
Theaterverhältnisse  wertvoll  ist  die  von  Teuber200)  veröffentlichte  Korrespondenz  des 
Prager  Direktors  Stiepanek.  Raimund  übersendet  ihm  die  „Gefesselte  Phantasie",  die 
er  nicht  umarbeiten  will:  „Das  Stück  ist  zu  gut  für  die  Leopoldstädter  Blihne".  Er 
giebt  Vorschriften  für  die  Liscenierung  des  „Alpenkönig",  besonders  der  Köhlerscene, 
und  trägt  dem  Darsteller  des  Alpenkönig  streng  auf,  als  Doppelgänger  Rappelkopf  nicht 
zu  kopieren.  Auch  einer  der  seltenen  Autographen  der  Therese  Krones,  die  ein  Stück 
einschickt,  findet  sich  in  der  Sammlung.  Das  bisher  mit  1820  angegebene  Geburtsdatum 
der  Sängerin  Wildauer  wird  durch  einen  Brief  der  Sophie  Müller,  die  sie  1829  zum 
Engagement  empfiehlt,  als  falsch  erkennbar.  —  Das  ungarische  Theater  feierte  sein 
lOOj.  Jubiläum20i-202),  Das  Repertoir  der  Frühzeit  weist  zahlreiche  Stücke  von  Hafner 
und  Gebier  auf  — 

Bergers203)  dramaturgische  Vorträge  haben  in  einem  Jahre  zwei  Auflagen 
erlebt.  Sie  enthalten  glänzende  Analysen  des  Grillparzerschen  Esther-Fragments,  das 
auf  der  Basis  von  Mitteilungen  Frau  von  Littrows  mit  schärfster  Konsequenz  weiter- 
gedacht wird,  der  „Jüdin  von  Toledo",  des  ,,Gyges",  mit  vorzüglicher  Charakterisierung 
des  psychologisch-sexuellen  Momentes  bei  Hebbel,  und  des  ,, Hamlet";  wo  der  Vf.  die 
Stimmung  Opheliens  poetisch  erfasst  und  die  Expositionsscene  in  ihren  feinsten  Motiven 
entwickelt.  Die  allgemeinen  ästhethischen  und  litterarischen  Urteile  reizen  zum  Wider- 
spruch :  in  einer  Polemik  gegen  Scherer  wird  eine  gesetzgebende  Aesthetik  nicht  nur  für 
möglich,  sondern  sogar  subjektiv  fiir  nötig  gehalten,  und  speziell  der  Theaterdirektor 
zum  Höllenrichter  berufen;  die  historische  Begründung  und  Erfassung  erscheint,  freilich 
nicht  immer  konsequent,  zur  Seite  gedrückt.  Geradezu  falsch  ist  ein  Satz  wie  „Das 
Drama  gedeiht  in  einer  Dämmerung  zwischen  Mittelalter  und  Neuzeit"  (S.  17).  Die 
Darstellung  leidet  öfter  an  Manieriertheit,  besonders  in  der  ersten  Partie  über  Lyrik.  — 
Bultliaupts204)  bewährte  Dramaturgie  der  Klassiker  hat  eine  Fortsetzung  erfahren, 
die  als  Dramaturgie  des  Schauspiels  Grillparzer,  Hebbel,  Ludwig,  Gutzkow  und  Laube 
umfasst.  Bei  Grillparzers  „Ahnfrau"  wird  die  Frage  der  Schicksalstragödie  hübsch  er- 
örtert; eine  stärkere  Erkenntnis  des  österreichischen  Elementes  hätte  diese  Studie  liebe- 
voller gestaltet.  Bei  Hebbels  „Nibelungen"  wird  auch  der  vergessene  Raupach  heran- 
gezogen; der  Lidividualität  Hebbels  wird  Berger  gerechter.  Gegen  einzelne  halbver- 
schollene Stücke  Gutzkows  und  Laubes  rückt  der  immer  anregende  und  belehrende  Vf. 
mit  allzu  schwerem  Geschütz  ins  Feld.  —  Die  Bedeutung  des  Zwischenvorhangs  für 
das  Drama  zeigt  K.  Heinemann 205).  Mit  ihm  hängt  die  Technik  der  Aktschlüsse  zu- 
sammen. Deutlich  ist  dies  bei  Lessing  zu  bemerken,  der  wie  die  Franzosen,  die  den 
Vorhang  nicht  fallen  Hessen,  alle  Personen  zum  Aktschluss  von  der  Bühne  entfernt 
und  zu  Anfang  des  neuen  Aktes  das  Kommen  meist  begründet.  1766  ist  der  Zwischen - 
Vorhang  in  Deutschland  bekannt,  doch  die  „Hambrn-gische  Dramaturgie"  setzt  noch  die 
ältere  Form  der  Darstellung  voraus.  Goethe  arbeitet  in  den  „Mitschuldigen"  noch  ohne 
Zwischenvorhang,  „Goetz"  schliest  schon  gelegentlich  bei  voller  Scene,  aber  ohne  innere 
Notwendigkeit,  die  erst  im  „Egmont"  deutlich  hervortritt.  Schiller  stellt  gleich  bewusst 
Bilder.  — Die  heutige  Strömung  im  Drama  bezeichnet  Schienther  206)  als  Kampf  zweier 
Generationen,  wie  er  in  dem  Gegensatze  von  Lessings  ,,Emilia"  und  Goethes  „Goetz"  sich 
abgespielt  hatte.  Kleist  war  es,  der  den  natürlichen  Menschen  suchte.  Die  Bühne  hat 
ein  Recht  auf  Verbrechen  und  Krankheit,  sie  soll  nicht  zerstreuen,  sondern  sammeln.  — 
Ein  Wort  für  Theaterschulen  legt  ein  Anonymus  207)  ein,  der  vom  Schauspieler  vor 
allem    Studium    der    Charaktere    fordert.     —     Z\u-    Technik    der    Schauspielkunst    hat 


187)  X  J-  Savits,  D.  Shakespearo-Bühne  in  München:  Neuer  Theater-Almanach.  Berlin.  S.  1—14.  |[Lllbke:  Altes  u.  Neues, 
S.  513-22,  auch  N&S.;  Bormann:  UZ.  2,  S.  51.]  |  (Vgl.  Perfalls  Mitteilungen  März  1889  u.  19.  März  1890,  abgedr. 
MUnchNN.  N.  142.)  —  188)  X  »■  Assmus,  V.  d.  neueiugerichteten  MUnchener  Schaubühne:  Kunstw.  3,  N.  15.  —  189)  X 
W.  Bormann,  D.  Münchener  Schauspielreform:  UZ.  2,  S.  51—65.  |[AZg.  N.  223,  vgl.  294.]|  —  190)  E.  Kilian,  Tieck  u. 
Immermann  als  Vorläufer  d.  MUnchener  Bühnenreform:  AZg».  N.  219,  221.  |[Vgl.  v.  Perfall:  AZg.  N.  241.] |  —  191)  X  A.  v. 
Weilen,  Julie  Rettich:  ADB.  30,  S.  71/2.  —  192)  X  id.,  Carl  Rettich:  ib.  S.  72.  —  193)  X  Diez,  Ign.  Saal:  ib.  S.  770.  — 
194)  XP.  Schient  her,  Johanna  Saeco:  ib.  S.  111.  —  195)  X  B- Sternfeld,  E.  Scaria  :  ib.  S.  476.  -  196)  X  P- Sohlen  th  er, 
H.  Schmidt:  ib.  31,  S.  732.  -  197)  F.  Schnürer,  Spielgrafen:  NFPr.  N.  9219.  -  198)  E.  Hanslick,  D.  Dorfbarbier  r.  Schenk: 
ib.  N.  9862.  —  199)  A.  Weiss,  Wiener  Studententheater:  ib.  N.  9186.  —  200)  0.  Teuber,  Vergilbte  Blatter.  Aus  einer 
Autographensammlung:  FremdenBl  N.  94.  (Vgl.  IV,  1  N.  48.)  —  201)  D.  Jubiläum  d.  ungarischen  Schauspielkunst:  AZg. 
N.  296.  —  202)  X  H.  Väli,  Gesch.  d.  Theaters  iu  Arad:  UngR.  10,  S.  496/8.  —  203)  Vgl.  o.  1,3  N.  32.  l[H(eves)i: 
FremdenBl.  N.  328;  Necker:  Grenzb.  49,3,  S.  15;  id.,  DeutschZg.  N.  6647;  Gross,:  Gegenw.  N.  41:  J.  Deckel:  BLU. 
N.  44.]|  -  204)  Vgl.  0.  1,3  N.  34b.  |[AZgB.  1889,  N.  328;  Haj-nack:  PrJbb.  64,  8.738;  Gegenw.  36,  N.  50;  Loebner:*BLU. 
1889,N.7.]|  -  205)  S.  0.  1,  3  N.  54.  —  206)  P.  Schlouthor,  Sterbende  u.  werdende  BUhuonpoosio:  Deutschl.  1,  S  423/6,  442/3 


IV,4:  A.  V.  Weilen,  Drama  des  18./19.  Jahrhunderts.  95 

P.  Lindau  208)  von  Coquelins  „L'art  et  le  Comedien"  ausgehend  einen  Beitrag  geliefert, 
der  Coquelins  praktische  Winke  auf  liistorischer  Grundlage  erläutert.  L.  zieht  Ricco- 
boni  und  den  mit  Unrecht  vergessenen  J.  J.  Engel  vielfach  heran.  Die  unbedingte  Unter- 
würfigkeit des  Schauspielers  gegen  den  Dichter  wird  ebensowenig  ausnahmelos  aner- 
kannt wie  die  von  Coquelin  als  Axiom  aufgestellte  Behauptung,  der  Darsteller  dürfe 
sich  nie  von  der  Dichtung  fortreissen  lassen.  Als  zwei  Individualitäten,  die  in  dieser 
Hinsicht  den  vollkommensten  Gfegensatz  bilden,  werden  Salvini  und  Doering  hingestellt.  — 


1V,5 

Theatergeschichte. 

Paul  Schienther  und  Heinrich  Welti. 
[Im  vorliegenden  Bande  unter  IV,4  N.  151 — 208  durch  A.  v.  Weilen  behandelt]. 


IV,6 

Didaktik. 

Eugen  Kühnemann. 

Zeit  des  Eationalismus :  Haller  N.  1;  Mendelssohn  N.  2;  Kampf  für  die  Juden  N.  13;  Abbt  N.  15;  Nicolai  und 
Gerstenberg  N.  16;  Westenrieder  N.  18;  Kreuz  N.  20.  —Pädagogik:  Kant  N.  21;  Philantropinisinus:  Basedow,  Salzmann  N.  24; 
Pestalozzi  N.  32.  —  Uebergangszeit:  Forster  N.  40;  Lichtenberg  N.  44;  Moritz  N.  49;  F.  L.W.  Meyer  N.  51.  —  Die  neue 
deutsche  Bildung:  Kant  und  Schiller  N.  52;  F.  A.Wolf  N.  54;  W.  v.  Humboldt  N.  55;  Joh.  v.  MUUer  N.  59.  —  Bewegungen 
unseres  Jahrhunderts:  Geschichtsphilosophie  N.  61;  Politik:  König,  Kolb  N.  73.  — 

Die  Forschung  hat  sich  im  Berichtsjahre  fast  allen  Teilen  des  Gebietes  mit 
einer  grösseren  Anzahl  von  Arbeiten  zugewandt.  Die  Zeit  des  Rationalismus  und  ihi- 
Uebergang  zu  freieren  neueren  Anschauungen  wird  durch  Arbeiten,  durch  neue  Doku- 
mente erhellt,  der  Philanthropinismus,  Pestalozzis  grosse  Gestalt  von  verschiedenen 
Seiten  beleuchtet.  Wir  streifen  die  Offenbarungen  der  grossen  klassischen  Epoche, 
weilen  bei  Wilhelm  von  Humboldt,  folgen  dem  Einfluss  der  deutschen  Philosoptue  auf 
die  Wissenschaften  und  selbst  auf  leitende  Persönlichkeiten  des  öffentlichen  Lebens 
und  blicken  endlich  in  die  geistigen  Gährungen,  die  der  Gründung  des  neuen  Deutsch- 
lands vorausgingen. 

Beim  Eingang  in  die  Zeit  des  Rationalismus  tritt  uns  zunächst  Haller  als 
Forscher  entgegen.  Ein  an  ihn  gerichteter  Brief  von  Chr.  Mylius  (26.  Sept.  1752),  den 
Geiger  1)  mitteilt,  berichtet  über  die  Notwendigkeit  und  über  die  Aussichten,  Geld  zu 
einer  Reise  nach  Amerika  zusammenzubringen,  die  er  im  Auftrage  einer  von  Haller 
geleiteten  Gesellschaft  machen  sollte.  — 

In  das  Herz  des  Rationalismus  führt  die  Litteratur  über  Mendelssohn.  Es 
war  bisher  nicht  beachtet,  wird  aber,  wie  D.  Jacoby  2)  bemerkt  hat,  durch  Feders 
Selbstbiographie  („Feders  Leben,  Natur  und  Grundsätze"  1825)  bezeugt,  dass  Mendelssohn 
wie  mit  den  meisten  deutschen  Denkern  seiner  Zeit,  auch  mit  diesem  Philosophen  in 
persönlichen  Beziehungen  gestanden  hat.  Ihr  Verkehr  gestaltete  sich  bei  der  ersten 
Begegnung  in  Pjo-mont  im  Jahre  1773  oder  1774  sogar  zu  grosser  Innigkeit;  dann 
sahen  sie  sich  noch  einmal  in  Berlin.  —  Mendelssohns  Thätigkeit  für  seine  Glaubens- 
genossen wird  durch  Nachforschungen  D.  Jacobys  3)  genauer  bestimmt.  Er  stellt  gegen 
eine    frühere  Vermutung    fest,    dass    die    Abhandlung    „Von    der    Unkörperlichkeit    der 


—    207)    M.  D[essoir],    Z.  Psychologie  d.  Schauspielkunst:    NatZg.    S.  644.    (Auszug  Kunstw.  3,  S.  309— II.)    —    208)  P. 
Lindau,  Ueber  d.  Kunst  d.  Schauspielers:  N&S.  53,  S.  93—121.  — 

I)  L.  Geiger,  E.  Brief  v.  Chr.  Mylius  an  Haller:  VLG.  3,  S.  367—73.    —    2)  D.  Jacoby,  Mendelssohn  u.  Feder: 
ZG.ruden.  4,  S.  369—70.  —  3)  id.,  Z.  Mendelssolm-Litt.:  ib.  S.  366/8.  —  4)  L.  Geiger,  E.  unbeachteter  Brief  Mendelssohns: 


96  IV,6:  E.  Kühnemann,  Didaktik  des  18./19.  Jahrhunderts. 

menschlichen  Seele"  nicht  ursprünglich  in  hebräischer  Sprache  geschrieben  war,  dass 
aber  ein  Auszug  aus  dem  „Phädon"  und  eine  Abhandlung  „Ueber  das  Kommerz  zwischen 
Seele  und  Körper"  von  Mendelssohn  hebräisch  vei'fasst  und  dann  von  andern  ins 
Deutsche  übersetzt  sind.  Das  Vertrauen,  das  Mendelssohn  unter  seinen  Glaubensgenossen 
als  Berater  besass,  erhellt  deutlich  aus  einem  unbeachteten,  von  Geiger  4)  veröffent- 
lichten Briefe  an  David  Friedländer ,  der  ihn  in  Geldangelegenheiten  um  seinen 
Rat  angegangen.  —  Mendelssohns  Beschäftigung  mit  Shakespeare,  die  zweifellos  durch 
Lessing  angeregt  war,  wird  uns  von  D.  Jacoby^)  in  die  Erinnerung  zurückgerufen.  In 
seiner  Abhandlung  „Betrachtungen  über  das  Erhabene  und  das  Naive  in  den  schönen 
Wissenschaften"  findet  sich  eine  Uebersetzung  des  berühmten  Monologs  des  Hamlet  in 
Blankversen  (1757),  die  Mendelssohn  bei  späteren  Abdrücken  der  Abhandlung  mehrfach 
verbesserte.  Er  fügte  dann  noch  ein  Stück  des  Monologs  am  Ende  des  zweiten  Auf- 
zugs und  aus  dem  dritten  die  Prosascene  zwischen  Hamlet  und  Güldenstern  hinzu. 
Ferner  will  J.  in  dem  „Grablied"  und  im  „Geburtslied"  Ewalds  von  Kleist  Nachwir- 
kungen der  Hamletlektüre  erkennen.  —  Vervollständigen  liier  einige  kleine  Züge  das 
bekannte  Bild  des  Philosophen,  so  gab  die  Enthüllung  seines  Denkmals  in  Dessau  6) 
mannichfachen  Anlass,  seine  "Wirksamkeit  im  Ganzen  und  in  einzelnen  Teilen  aufs  neue 
zu  vergegenwärtigen.  '^)  Von  den  Zeitgenossen  als  Charakter  hochgeachtet,  als  philo- 
sophischer Schriftsteller  der  „Klassiker  der  rationalen  Psychologie",  trug  er  durch  seine 
Darstellung  deutsche  Philosophie  in  alle  Schichten  der  Gesellschaft.  Mächtig  wirkend 
in  der  Zeit  und  in  seinem  Volk,  doch  von  der  fortschreitenden  Wissenschaft  erdrückt, 
Reformator  des  Judentums,  das  er  zur  Teilnahme  an  der  deutschen  Kultur  führen  wollte : 
so  steht  Moses  Mendelssohn  vor  uns,  so  verstehen  wir  ihn  als  Gewissensrat  des  deut- 
schen Volkes,  wie  nur  Geliert  es  vor  ihm  gewesen.  In  dieser  Weise  belebt  uns 
S.  Bach  8)  seine  Züge.  —  In  ähnlichen  Gedanken  bewegt  sich,  nicht  eben  Neues  bringend, 
aber  knapp  und  durchsichtig  in  der  Zusammenfassung  des  Bekannten,  Lassons  9)  Fest- 
rede. Wir  sehen  Mendelssohn  in  heroischem  Kampf,  unter  unsäglichen  Entbehrungen 
sich  emporarbeiten  aus  dem  Druck  des  Zurückgesetzen  Stammes  und  der  deutschen 
Bildung  zustreben.  So  reiht  er  sich  unter  die  Männer,  die  in  der  Zeit  Friedrichs  des 
Einzigen  die  spätere  Erhebung  Deutschlands  geistig  vorbereiteten.  Er  richtete  sich  als 
Meister  der  deutschen  Schrift  und  des  Gedankens  auf  die  Ideen,  die  nach  der  Denk- 
weise seiner  Zeit  das  sittliche  Leben  veredeln  und  erleuchten:  Gott,  Freiheit,  Tugend, 
Unsterblichkeit.  Wohl  schritten  Lessing,  Kant,  Goethe  über  ihn  hinaus,  doch  arbeitete 
er  Kant  vor  eben  in  dem,  was  das  Eigenartige  der  deutschen  Kultur  ist,  in  der  theore- 
tischen Begründung  der  Aesthetik.  Sein  ganzes  Leben  war  ein  Kampf  für  Ausgleichung 
der  Stammesgegensätze  in  einer  gemeinschaftlichen  deutschen  Bildung.  lO)  Freilich  be- 
findet sich  die  jüdische  Reformgemeinde,  als  deren  Sprecher  M.  LevinH)  erscheint,  in 
vielfachem  Gegensatz  zu  Mendelssohns  Lehren  12).  — 

Mendelssohn  blieb  schon  zu  Lebzeiten  in  seinem  Kampf  für  die  Juden  nicht 
ohne  Bundesgenossen  (vgl.  auch  IV,1  N.  80 — 84).  In  den  Fortgang  der  Bewegung 
wird  uns  durch  Rickerti^)  ein  wertvoller  Einblick  eröffnet.  Er  stellt  zunächst  fest, 
dass  ein  in  der  „Antisemitischen  Korrespondenz"  (7.  Dezember  1890)  abgedrucktes  Gut- 
achten vom  Jahre  1791  „Ueber  die  bürgerliche  Verbesserung  der  Juden"  nicht,  wie 
dort  behauptet  wird,  von  Theodor  von  Hippel,  dem  Verfasser  des  Aufrufs  „An  mein 
Volk",  sondern  von  dessen  Oheim,  dem  Humoristen,  stammt,  und  teilt  hierauf  die  wirk- 
liche Ansicht  Th.  von  Hippels  nach  dem  Manuskript  einer  Denkschrift  vom  Jahre  1842 
mit,  betitelt:  „Vorwärts  oder  Rückwärts  in  der  Judenemanzipation?"  Hippel  verlangt 
darin  für  die  Juden  die  volle  bürgerliche  Gleichberechtigung,  die  Gleichstellung  in  allen 
Ständen  und  Berufsarten.  —  Geigerin)  teilt  uns  zehn  Briefe  von  Dohm  an  Nicolai 
mit,  unter  denen  der  erste  vom  11.  Mai  1781  nur  abschriftlich  mit  der  irrigen  Jahres- 
zahl 1787  erhalten  ist,  während  der  letzte  das  Datum  des  1.  Nov.  1783  trägt:  sie  haben 
sämtlich  auf  Dohms  Schrift  „Ueber  die  bürgerliche  Verbesserung  der  Juden"  Bezug, 
zunächst  auf  den  Druck,  dann  auf  das  Honorar  der  ersten  und  zweiten  Auflage,  vor 
allem  aber  auf  Recensionen.  G.  klärt  in  kurzen  Bemerkungen  besonders  über  die  vor- 
kommenden Schriftsteller  auf,  man  erhält  durch  kleine  Mitteilungen  aus  einigen  Re- 
censionen und  dem  Berichte  über  die  Art,  wie  Entgegnungen  zu  stände  kamen,  einen 
Eindruck,  in  welcher  Weise  das  Buch  Dohms  die  verschiedenen  Kreise  beschäftigt  hat. 


4 


ib.  S.  301/2.  —  5)  D.  Jacoby.  D.  Hamlet-Monolog  111,1  u.  Lessings  Freunde  Mendelssohn  u.  Kleist.  (S.  o.  IV,  4  N.  120.)  — 
6)  X  D-  Enthüllung  d.  Denkmals  fUr  Moses  Mendelssohn:  VossZg.  N.  279.  (Vgl.  auch  ÜL&M.  N.  44;  NFPr.  N.  9274f5;  AZg. 
N.  174;  NatZg.  N.  354  u.  a.)  —  7)  X  (Referat  Über  e.  Vortrag  d.  Pastor  Dr.  Weiss  im  Protestantenverein  über  Mendels- 
sohn: WeserZg.  N.  15488.)  —  8)  S.  Bach,  E.  Mendelssohn-Denkmal:  Nation».  7,  S.  646—50.  —  9)  A.  Lassen,  Rede 
t.  Enthüllung  d.  Denkmals  für  Moses  Mendelssohn  in  Dessau  am  18.  Juni  1890 :  NatZg.  N.  353.  (Vgl.  Populär-wissensch.  MbH. 
z.  Belehrung  über  d.  Judentum  10,  N.  9.)  —  10)  X  Moses  Mendelssohn:  VossZg.  N.  273.  (Feiert  ihn  als  Juden,  d.  d.  Juden  d 
Weg  in  d.  deutsche  Kultur  gebahnt.)  —  II)  M.  Levin,  E.  Nachwort  z.  Mendelssohn-Feier:  VossZg«.  N.  28.  —  2)  X  !'• 
Speidel,  D.  Mendelssohns:  NFPr.  N.  9284.  —  13)  H.  Rickert,  Th.  v.  Hippel  Ober  d.  Juden:  Nation».  8,  S.  182/3.  —  14)  L. 


IV,6:  E.  Kühnemann,  Didaktik  des  18./19.  Jahrhunderts.  97 

Zum  Schluss  druckt  G.  eine  längere  Erwiderung  Dohms  auf  Einwürfe  ab,  die  ein  Leser 
der  Besprechung  seines  Buchs  in  den  Büschingschen  Nachrichten  (1781,  St.  40  und  42) 
am  20.  Okt.  1781  brieflich  gegen  Schlözer  geäussert  hatte.  Brief  und  Antwort 
finden  sich  in  Schlözers  „Briefwechsel  meist  politischen  und  historischen  Inhalts"  (G-öt- 
tingen  1782,  10,  S.  250/6;  S.  279 — 83);  als  „Liedita"  waren  sie  also  nicht  wohl  zu  be- 
zeichnen. Die  Erwiderung  erledigt  rtiliig  and  klar  die  Einwürfe  des  Lesers  und  lässt 
dabei  einige  Gedanken  des  Buches  noch  einmal  hervortreten.  — 

KnappiS)  erzählt  uns  in  schlichter  und  trockener  Weise  das  Leben  Thomas 
Abbts.  Er  bespricht  sodann  das  Verhältnis  des  Schriftstellers  zu  seinem  schwäbischen 
Heimatlande  und  erklärt,  warum  sich  Abbt  in  diesem  nicht  wohl  fühlen  konnte.  Mit 
wenigen  Worten  charakterisiert  K.  am  Schluss  die  beiden  Hauptwerke  seines  Schrift- 
stellers „Vom  Tode  für  das  Vaterland"  (1761)  und  „Vom  Verdienste"  (1765),  aus  denen 
er  einige  schöne  Stellen  heraushebt.  Als  Hauptmangel  tadelt  er  den  philosophischen 
Schematismus  des  Wolfianers,  der  Alles,  auch  das  Selbstverständliche,  beweisen  will.  — 

Nicht  als  Buchhändler,  sondern  als  wichtige  Persönlichkeit  der  Litteratur  er- 
scheint Nicolai  in  seinem  Briefwechsel  mit  Gerstenberg,  den  R.  M.  Werneriß)  mit- 
teilt. Sechs  Briefe  Gerstenbergs,  eine  Antwort  Nicolais  eröffnen  uns  den  Einblick  in  das 
Verhältnis  der  beiden  Männer  und  zugleich  in  das  Gähren  der  sich  neu  gestaltenden 
Litteratur,  Der  erste  Brief  ist  vom  2.  Aug.  1766,  der  letzte  vom  6.  Aug.  1768  datiert. 
Gerstenberg  als  Freund  Klopstocks  tritt  der  Berliner  Schule,  Nicolai,  Lessing,  Mendels- 
sohn entgegen.  Er  verteidigt  das  Genie  und  seine  Freiheit  gegen  Nicolais  Vorurteile 
über  Stil  und  Form.  Ja,  er  warnt  die  Nicolaische  Schule,  nicht  in  eine  Fortsetzung 
der  Gottschedischen  auszuarten.  Stil,  Metrum  (auch  die  Metrik  der  Alten)  und  Musik 
werden  eingehend  und  in  stetem  Hinblick  auf  künftige  Produktion  durchgesprochen, 
die  freien  Silbenmasse,  die  Hymnen  im  letzten  Gesang  des  „Messias"  gerechtfertigt. 
Flüchtig  tauchen  die  „Fragmente  zu  den  Litteraturbriefen",  also  Herders  „Fragmente", 
a\if.  Endlich  schickt  Gerstenberg  einen  Vorbericht,  den  er  für  die  Fortsetzung  der 
,, Briefe  über  Merkwürdigkeiten  der  Litteratur"  geschrieben,  und  bittet  Nicolai,  davon 
Gebrauch  zu  machen,  falls  er  die  ,, Briefe"  bespreche.  Er  erklärt  darin,  dass  die  Brief- 
steller als  bestimmte  Personen,  als  einzelne  Charaktere  auftreten,  jeder  mit  einem  be- 
sonderen Ton  der  Denkungsart,  oft  auch  des  Ausdrucks,  jeder  in  einer  eigentümlichen 
Sphäre  der  Erkenntnisse  und  der  Schreibart.  Also  sind  ihre  Urteile  nicht  schlechter- 
dings Urteile  des  Vf.,  sie  wollen  mehr  zur  Aufinerksamkeit  anregen  als  bestimmte  Lehren 
vermitteln.  —  Die  Energie  und  Geradheit  Gerstenbergs,  eine  Folge  des  entschiedenen 
Bewusstseins,  mit  dem  er  seine  Stellung  in  der  Litteratur,  seine  litterarischen  Ansichten 
vertritt,  äussert  sich  schroff  in  seinem  Verhältnis  zu  dem  weichlichen  J.  G.  Jacobi,  das 
von  Weilen  1"^)  behandelt.  Die  Konzepte  zweier  Briefe  Gerstenbergs  an  Jacobi  lassen 
uns  Beginn  und  Ende  ihrer  Freundschaft  erkennen.  In  dem  ersten,  undatierten,  nimmt 
Gerstenberg,  glücklich  über  Jacobis  Liebe,  dessen  ihm  brieflich  angetragene  Freundschaft 
an.  Dann  aber  wandte  er  sich  von  Jacobis  Richtung  ab  und  besprach  dessen  „Winter- 
reise" und  „Abschied  von  Amor"  spöttisch  in  der  Hamburger  Neuen  Zeitung  1770.  Darob 
grosse  Aufregung  Jacobis,  der  schliesslich  an  Gerstenberg  schreibt,  in  dem  zweiten 
Brief  aber  eine  herbe  Abweisung  erfährt.  Die  persönliche  Beziehung  der  beiden  Dichter 
war  durch  Gleim  vermittelt.  So  finden  wir  hier  noch  einen  losen  Zusammenhang  mit 
dem  Berliner  Kreise  der  Litteratur.  Die  Gedankenrichtung,  die  in  Mendelssohn  und 
Nicolai  mächtig  war,  griff  aber  weit  über  ihren  engeren  Wirkungskreis  hinaus.  — 

Von  den  Männern,  die  im  Sinne  der  Aufklärung  in  Bayern  thätig  waren,  hat 
Westenried  er  in  von  Kluck  höhn  i^)  einen  sorgfältigen  und  geschmackvollen  Biographen 
gefunden.  K.s  Schrift  stützt  sich  auf  die  genaue  Kenntnis  der  Werke  Westenrieders 
sowie  sonstiger  dokumentarischer  Materialien  und  gewährt  so  das  erste,  wissenschaftlich 
zusammenfassende  Bild  von  dem  Leben,  der  litterarischen  Persönlichkeit  und  dem 
Wirken  des  verdienstvollen  bayerischen  Schriftstellers.  Dieses  Bild  erweitert  sich  oft 
zu  einer  kulturgeschichtlichen  Darstellung  der  bayerischen  Verhältnisse  überhaupt  von 
etwa  1750  bis  1830,  besonders  der  geistigen  Besti-ebungen  während  der  Regierung  Karl 
Theodors.  Das  Hauptgewicht  fällt  dabei  auf  den  Autor,  der  im  besten  Siim  aufklärend 
für  Hebung  der  Bildung  in  Bayern  und  für  Begründung  der  bayerischen  Geschichts- 
forschung wirkte.  Die  schönwissenschaftliche  Thätigkeit  Westenrieders  konnte  in  diesem 
Rahmen  nur  kurz  erwähnt,  nicht  einmal  eigentlich  charakterisiert  werden.  —  Den  er- 
wünschten,   ergänzenden   Nachtrag    zu  Kluckhohns  Buch   giebt  M.  Koch  19),    indem    er 


Geiger,  Aus  Briefen  Dohms  an  Nicolai:  ZGJuden.  4,  S.  75—91.  —  I5j  Knapp,  Z.  Erinnerung  an  Thomas  Ahbt:  LBSW. 
S.  185—92,  207—14.  —  16)  R.  M.  Werner,  Gerstenbergs  Briefe  an  Nicolai  nebst  e.  Antwort  Nicolais:  ZDPh.  23,8.43-67.  - 
17)  A.  V.  Weilen,  Gerstenberg  u.  J.  G.  Jacobi:  VLG.  3,  S.  178—83.  —  18)  A.  v.  Kluckhohn,  Ueber  Lorenz  v.  Westenrieders 
Leben  u.  Schriften.  (=:  Bayerische  Bibl.  her.  v.  K.  v.  Reinhardstött  n  er  u.  K.  Trautmann,  Bd.  12.)  Bamberg,  Buchner. 
V,  93  S.  M.  1,40.  —  19)  M.  Koch,  Ueber  Lorenz  v.  Westenrieders  schönwissensehaftliche  Thätigkeit:  JbMünchG.  4,  S.  15—44. 
Jahresberichte  für  neuere  deutsche  Litteraturgeschichte  !(')•  7 


98  IV,0:  E.  Kühne  mann,  Didaktik  des  18./19.  Jahrhunderts. 

Westenrieders  Wirksamkeit  auf  dem  Gebiete  unserer  schönen  Litteratur  ausführlich  und 
durchweg  gründlich  betrachtet.  — 

Selbständig  und  eigenartig  bringt  das  geistige  Ringen  der  Zeit  in  seinen  Dich- 
tungen der  Freiherr  von  Creuz  zum  Ausdruck.  Eine  verdienstliche  Dissertation  von 
C.  Hartmann20)  giebt  über  ihn  weitaus  die  vollständigste  Belehrung,  die  wir  bisher 
besitzen.  Schon  den  Stand  des  Vaters  stellt  H.  zuerst  richtig  fest:  er  war  nicht,  wie 
J.  J.  Moser  behauptet,  ein  Goldmacher  aus  unbekanntem  Vaterland,  den  Karl  VI.  in 
den  Freihemistand  erhoben,  sondern  J.  Chr.  Würth  von  Mackau  Freiherr  von  Creuz 
und  Herr  zu  AVürtli,  Angehöriger  des  alten  böhmischen  Freiherrngeschlechts  von  Creuz. 
Ferner  wird  uns  die  amtliche  Thätigkeit  des  Dichters  von  H.  vorgeführt.  Er  stellt  die 
Dokumente  mit  grosser  Sorgfalt  zusammen,  druckt  sie  z,  T.  unter  dem  Text  ab.  Wir 
erhalten  danach  einen  Eindruck  von  Creuz'  Staatsthätigkeit  in  den  trostlosen,  kleinlich 
engen  Verhältnissen  Deutschlands,  von  der  sinnlosen  V^ergeudung  der  Menschenkraft. 
Für  die  weitere  geistige  Welt  wird  Creuz  ausgezeichnet,  indem  er  zum  ausserordent- 
lichen Mitglied  der  Akademien  zu  Berlin,  Mannheim,  München  ernannt  wird;  der 
Hauptteil  seines  Lebens  aber  besteht  in  der  einsamen  Gedankenarbeit,  in  wissenschaft- 
licher, philosophischer,  poetischer  Thätigkeit.  Die  Uebersicht  der  sämtlichen  Werke 
von  Creuz  bringt  gegen  Mel^sels  Schriftstellerlexikon  nichts  Neues,  doch  sind  sie  von  H. 
stoiflich  und  chronologisch  geordnet,  und  zweckdienlich  führt  er  unter  dem  Text 
die  Besprechungen  in  der  „Allgemeinen  deutschen  Bibliothek"  an.  Der  zweite  Abschnitt 
der  Arbeit  behandelt  Creuz'  Dichtungen,  zunächst  die  Oden  und  Lieder,  deren  Lihalt 
mit  vielfachen  Citaten  angegeben,  deren  Charakter  bestimmt  wird.  Die  Abhängigkeit 
von  Young  und  Haller  wird  betont  und  nachgewiesen.  In  seinen  Briefen  erscheint 
Creuz  selbständig  als  Kritiker  und  als  Philosoph.  Weder  mit  Herders  erregter  anspielungs- 
reicher Sprache  noch  mit  Leasings  kräftigem  Deutsch  ist  er  einverstanden.  Aber  auch 
das  Französische  will  er  nicht  überschätzt  wissen.  Als  Philosoph  verwirft  er  den  Opti- 
mismus und  vertritt  den  Gedanken  eines  Stufenreichs  der  Geister,  das  sich  bis  zu  den 
körperlosen  erhebt  und  das  wir  in  einer  Seelenwanderung  durchlaufen.  „Seneca",  „Die 
Gräber",  der  „Versuch  vom  Menschen",  die  „Lucrezischen  Gedanken"  werden  nach  ein- 
ander behandelt,  die  Gedichte  wiederum  unter  Anführung  zahlreicher  Citate.  Die 
Eigenart  der  Didaktik,  die  bald  mehr  gedankenmässig,  bald  stimmungsmächtig  ist,  wird 
erörtert.  Parallelen  beweisen  die  Selbständigkeit  im  „Versuch  vom  Menschen"  gegen 
Pope,  in  den  „Lucrezischen  Gedanken"  gegen  Lucrez.  Es  ist  eine  eingehende,  philo- 
logisch sorgfältige  Arbeit,  der  es  an  einem  weiteren  Blick  für  die  grossen  Richtungen 
der  Litteratur  nicht  fehlt  und  die  von  wirklicher  Liebe  für  ihren  Gegenstand  beseelt  ist.  — 

Das  Nachdenken  über  Menschenwert  und  -beruf,  welches  im  vorigen  Jh.  so 
sehr  das  geistige  Interesse  beherrschte,  führt  naturgemäss  zu  einem  Aufschwünge  der 
Bestrebungen  auf  dem  Gebiete  der  Paedagogik.  Unser  Material  erlaubt  uns,  diese  in 
ziemlicher  Vollständigkeit  zu  übersehen;  zur  Ergänzung  ist  der  Bericht  1,6  (besonders 
N.  15 — 51)  heranzuziehen.  Kants2i)  „Pädagogik",  erst  1803  nach  des  Meisters  Heften 
von  Rink  herausgegeben,  spiegelt  mannigfache  Geistesrichtungen  des  Jh.  und  der  eigenen 
Entwicklung  Kants  wieder.  Schon  ihre  Einteilung  bietet  Schwierigkeiten.  Eine  Arbeit 
Burgers 22)  sucht  aus  den  z.  T.  scheinbar  widersprechenden  Angaben  der  Einleitung 
und  der  Abhandlung  selbst  die  von  Kant  wirklich  durchgeführte  Einteilung  der  Er- 
ziehungsfaktoren darzulegen  und  weist  in  einem,  zweiten  Teil  das  Unzureichende  der 
bisherigen  Einteilungsversuche  von  Strümpell,  Richter,  Willmann,  Vogt,  Hollenbach 
nach.  —  Für  pädagogische  Kreise  ist  Kant  bearbeitet  worden  von  G.  Fröhlich  und 
F.  Koerner23).  Zwei  Aufsätze  K.s  über  Kants  Leben  und  Kants  Stellung  und  Einfluss 
auf  die  Bildung  seiner  Zeit  bilden  die  Einleitung.  Es  sind  konfuse,  mit  Anekdotenkram 
überladene  Kompilationen  ohne  inneren  Wert.  Auch  Fs.  Einführung  in  Kants 
philosophische  Leliren  genügt  für  ihren  Zweck  nicht.  Hierauf  folgen  von  K.  mitgeteilte 
Proben  aus  Kants  philosophischen  Schriften:  A)  „Von  dem  schlechterdings  notwendigen 
Dasein  Gottes"  aus:  „Der  einzig  möghche  Beweisgrund  zu  einer  Demonstration  des  Da- 
seins Gottes"  (1763).  B)  „Was  heisst,  sich  im  Denken  orientieren?"  (1786).  Hier  sind 
die  Bemerkungen  Kants  über  den  Streit  Mendelssohns,  Jacobis  usw.,  die  das  Wort 
„orientieren"  erst  einführen,  mit  einem  gewissen  Recht  fortgelassen.  Aber  auch  an 
rein  willkürlichen  Aenderungen  fehlt  es  nicht.  Beispielsweise  ist  eine  am  Schluss  ge- 
kürzte Anmerkung  in  den  Text  verarbeitet,  wodurch  denn  in  der  Folge  sehr  gewagte 
Korrekturen   nötig   werden.     Die    Erwartungen  aber,    die  man  nach  diesen  Proben  liin- 


—  20)  C.  Hartmann,  Fr.  C.  C.  Frhr.  v.  Crenz  u.  seine  Dichtungen.  Leipziger  Phil.  Diss.  Heidelberg,  Hörniug.  88  S.  — 
21)  X  W.  Dilthey,  Kants  Aufsatz  über  Kastner  u.  sein  Anteil  an  e.  Recension  t.  Johann  Schultz  in  d.  Jenaer  Litt.-Zeitung: 
AGrhilos.  3,  S.  275—81.  (D.  Recension  ist  gegen  d.  Hallenser  Prof.  Eberhard  gerichtet.  1).  Anteil  Kants  wird  nach 
Briefen  u.  Billeten  erschlossen.)  —  22)  A.  Burger,  Systematische  Gliederung  d.  Pädagogik  Kants  u.  Kritik  d.  bisher  versuchten 
Gliederung  derselben.  E.  Beitr.  z.  Gesch.  d.  Pädagogik.  Leipzig,  Fock.  40  S.  M.  1,00.  |[LMerkur.  S.  359;  Th.  Z(iegler):DLZ. 
12,  S.  110.]    -  23)  Immanuel  Kant.  Pearb.  v.  G.  Fr«hlich  u.  F.  Koerner.(— D.  Klassiker  d.  Pädagogik.  Bd.  11.)  Langensalza, 


IV,6:  E.  Kühiiemann,  Didaktik  des  18./19.  Jahrhunderts.  99 

sichtlich  der  Nachlässigkeit  der  Herausgeber  hegen  musste,  werden  im  nächsten  Ab- 
schnitt C)  weit  übertroifen,  der  „Aus  der  Kritik  der  Urteilskraft  (mit  Kürzungen)" 
überschrieben  ist.  Thatsächlich  ist  das  ein  ungeschickt,  stellenweise  ohiie  jedes  Ver- 
ständnis für  den  Fortschritt  und  Zusammenhang  der  Gedanken  gemachtes  Exzerpt. 
Nicht  einmal  die  Ueberschriften  sind  richtig.  Unter  a)  „Analytik  des  Erhabenen"  folgen 
fünf  Abschnitte  nicht  aus  der  „Analytik  des  Erhabenen",  sondern  aus  der  „Deduktion  der 
ästhetischen  Urteilskraft"  (§  43 — 51).  Unter  b)  „Vom  Erhabenen  überhaupt"  kommen  dann 
allerdings  einige  Stücke  der  „Analytik  des  Erhabenen",  hierauf  aber  wiederum  kleine  Teile 
der  ,. Deduktion"  und  darunter  unglaublicherweise  dieselben  Abschnitte,  welche  bereits  oben 
unter  a)  den  Lesern  geboten  wurden,  niu'  in  einem  noch  viel  schlechteren,  kürzeren  und  ver- 
ständnisloseren Auszug.  Leichtsinniger  dürfte  die  populäre  Ausgabenmacherei  selten  gehand- 
habt sein.  Unter  c)  werden,  gleichfalls  willkürlich  zurechtgestutzt,  die  §§  82 — 84  der 
„Kritik  der  teleologischen  Urteilskraft"  gegeben.  Ueber  die  folgenden  Abteilungen, 
welche  die  Pädagogik  mit  einigen  Zugaben,  ferner  ausgewählte  Kapitel  aus  der  Anthro- 
pologie enthalten  (sie  sind  von  F.  bearbeitet),  ist  nur  zu  sagen,  dass  sie  getreu  sind, 
aber  wie  die  obigen  wenig  Sinn  für  den  Zusammenhang  der  eigentHchen  Kantschen 
Philosophie  mit  dem  Problem  der  Pädagogik  verraten.  — 

Kants  praktisches  Interesse  in  der  Pädagogik  wandte  sich  dem  Philanthro- 
pinismus  zu.  Auch  dessen  Begründer  imd  Beförderer  bieten  sich  unserer  Betrachtung 
dar.  Der  lOOj.  Todestag  Basedows  hat  die  Erinnerung  an  ihn  belebt^^).  In  etwas 
trockener  Darstellung,  aber  in  vollständigem  Ueberblick  vergegenwärtigt  uns 
L.  H.  Fischer 25)  Basedows  freudlose  Jugend,  die  unter  der  Tyrannei  seines  Vaters  in 
Hamburg  verstrich,  sein  autodidaktisches  Studium  in  Leipzig,  seine  pädagogische  Lehr- 
zeit während  der  Hauslehrerschaft  in  Holstein.  Polemische  Schriftstellerei  auf  theo- 
logischem Gebiete  macht  sein  Leben  unruhig,  verleidet  ihm  seine  Stellungen  und  richtet 
ihn  um  so  mehr  auf  die  Gründung  einer  eigenen  Anstalt,  die  nach  rastloser  agitatorischer, 
schriftstellerischer,  kaufmännischer  Thätigkeit  im  Jahre  1774  als  „Philanthropin"  zu 
Dessau  ins  Leben  tritt.  Die  Misshelligkeiten  seiner  heftigen  Natur  mit  Lehrern  und 
Publikum  lösen  ihn  von  seinem  eigenen  Werk;  ein  schneller  Tod  in  der  neu  gewählten 
Heimat,  in  Magdeburg,  macht  seinem  Wirken  ein  Ende.  Den  Inhalt  seiner  Lehrbücher 
giebt  F.  gut  und  kxu-z  wieder.  26)  —  Wir  sehen  in  das  ganze  rege  pädagogische  Treiben, 
welches  im  Gefolge  des  Basedowschen  Bestrebens  weite  Kreise  bewegte,  wenn  wir  uns 
einer  von  B  o  s  s  e  27)  veröö'entlichten  Sammlung  von  Briefen  philanthropisch  gesinnter 
Männer  zuwenden,  Sie  stammen  aus  der  Korrespondenz  des  1809  verstorbenen  Profes- 
sors der  Theologie  H.  Henke  zu  Helmstedt  und  sind  in  der  Wolfenbüttler  Bibliothek 
aufbewalu-t.  Henke  wohnte  während  einer  Pfingstreise  in  den  Tagen  vom  13.  bis  zum 
16.  Mai  1776  dem  berühmten  Examen  im  Philanthropin  zu  Dessau  bei  und  wurde  da- 
durch für  den  Philanthropinismus  begeistert.  B.  giebt  in  der  Einleitung  eine  Lebens- 
beschreibung Henkes,  die  zugleich  erwähnt,  wie  dieser  mit  den  philanthropischen 
Korrespondenten  in  Berührung  gekommen  ist.  Die  Briefe  erstrecken  sich  über  die  Zeit 
von  1776  bis  1800  und  betreifen  meist  Erziehungsfragen  und  litterarische  Interessen 
pädagogischen  und  kirchlichen  Inhalts.  Je  ein  Brief  Salzmanns  (7.  Aug.  1798)  und 
Basedows  (5.  Juni  1768)  an  unbekannte  Adressaten,  ein  Brief  Hundeikers  an  Frau  Edu- 
kationsrat  Campe  (9.  März  1799)  schliessen  sich  an.  —  Salzmann  setzte  Basedows 
Werk  segensreich  fort.  Binder  28)  erzählt  uns  sein  Leben  mit  Angabe  seiner  Schriften, 
geht  auf  das  „Ameisenbüchlein"  (1806)  ein  und  genauer  auf  Salzmanns  Erziehungsplan 
,,Noch  etwas  über  Erziehung  nebst  Ankündigung  einer  Erziehungsanstalt"  (1784),  wie 
auch  schon  K.  Schmidt  in  der  „Geschichte  der  Pädagogik"  (3,  S.  625  flp.)  gethan.  — 
Salzmanns  Schriften  werden  uns  in  zwei  Sammlungen  vermittelt:  zunächst  durch  Ernst 
Wagner  29)  in  den  „Klassikern  der  Pädagogik";  von  den  zwei  Bänden  bringt  der  erste 
nach  einer  einfachen  und  schlichten  Lebensbeschreibung,  die  grösstenteils  aus  Bruch- 
stücken einer  von  Salzmann  niedergeschriebenen  Biographie  besteht,  „Das  Ameisenbüch- 
lein", „Noch  etwas  über  die  Erziehung  nebst  Ankündigung  einer  Erziehungsanstalt", 
„Ueber  die  wirksamsten  Mittel,  Kindern  Religion  beizubringen";  der  zweite  enthält  das 
„Krebsbüchlein"  und  „Konrad  Kiefer".  Sodann  in  der  „Sammlung  der  bedeutendsten 
pädagogischen  Schriften",  für  die  Wimmer  30)  die  Herausgabe  des  „Krebsbüchleins" 
nach  der  vierten  Originalausgabe  mit  Streichung  von  fünf,  Kürzung  von  vier  Mitteln 
und  einigen  unbedeutenden  Aenderungen  besorgt  hat.    Die  Einleitung  zu  diesem  Bande 


Schulbuchhandlnng.  XVI,  402  S.  M.  4,30.-24)  X  D-  Z-  Erinnerung  an  J.  B.  Basedow:  Post  N.  201.  —  25)  L.  H.  Fischer, 
J.  B.  Basedow,  gest.  d.  25.  Juli  1790:  VossZgS.  N.  29-80.  (S.  auch  üerlTBI.  N.  371  ;  HambCorr.  N.  517/8;  NatZg.  N.  423;  AZg. 
N.  204".)  —  26)  (1,6  N.  16.)  —  27)  F.  Bosse,  Aus  philanthropischen  Kreisen.  22  ungedruckte  Briefe  v.  Basedow,  R.Z.Becker, 
Herzog  Karl  Wilhelm  Ferdinand  v.  Braunschweig,  Campe,  Hundeiker,  Chr.  L.  Lenz.  Mangelsdorf,  F.  v.  Rochow,  Salzmann,  Trapp 
u.  Wolke:  PädBll.  19,  S.  450-69.  -  28)  Binder,  C.  G.  Salzmann:  ADB.  30,  S.  293/7.  -  29)  C.  G.  Salzmann.  Pädag.  Schriften 
f.  Lehrer  u.  Erzieher  her.  v.  Ernst  Wagner.  (=  D.  Klassiker  d.  Pädagogik  Bd.  3  u.  4.  2.  Aufl.  Langensalza,  Schulbuchhdlg. 
223  u.  294  S.  M.  5,10.  —  30)  Salzmanns  KrebsbUchlein  bearb.  v.  Wimmers.    Felix  Molmann  bearb.  v.  J.  Pieper.  (=  Samml. 


100  IV,6:  E.  Kühnemann,  Didaktik  des  18./19,  Jahrhunderts. 

unterrichtet  sehr  klar  über  die  Voraussetzungen  der  Thätigkeit  Salzmanns:  wir  sehen 
den  Philanthropinismus  aus  dem  Naturalismus  des  18.  Jh.  hervorgehen.  Derselbe  Band 
enthält,  von  Pieper 30)  bearbeitet,  Auszüge  pädagogischer  Lelu-en  und  Grundsätze  aus 
dem  Tagebuch  von  Pelix  Molmann,  einem  Lehrer  in  Rosenau,  mit  einer  unzureichenden 
Einleitung,  die  kaum  über  die  Jahreszahlen  orientiert.  31)  — 

Während  der  Philanthropinismus  seine  Triumphe  feierte,  begann  aus  den 
iu*sprünglicheren  Quellen  einer  genialen  Natur  Pestalozzi  seine  pädagogische  Reform. 3'-^) 
Die  Litteratur  des  Berichtsjahres  giebt  einen  glänzenden  Beweis  von  dem  noch  fort- 
dauernden Interesse  an  seinem  Leben  und  an  seiner  Wirksamkeit.  Die  bekannte  Bio- 
graphie von  Roger  de  Guimps  33)  (zuerst  1843,  dann  vervollständigt  1874)  ist  ins 
Englische  übersetzt.  Die  Besprechung  im  Athenäum  hebt  besonders  die  unprak- 
tischen Seiten  der  Natur  Pestalozzis  hervor,  die  ilm  zu  MissgrifFen  verleiteten.  —  Eine 
neue  ausführliche  Studie  über  Pestalozzis  Leben  verdanken  wir  J.  Guillaume  3^).  Der 
Vf.  hält  sich  streng  an  die  Aufgabe  der  „Etüde  biographique".  Die  Chronologie  ist 
seine  höchste  Meisterin.  Nach  ihr  ist  alles  in  den  Abschnitten  geordnet,  aller  Stoif 
mit  ihrer  Hülfe  zurechtgelegt.  Die  Zeitereignisse  treten  in  die  Betrachtung  ein,  sofern 
sie  für  die  Lebensbeschreibung  Pestalozzis  von  Wichtigkeit  sind.  Selbst  Pestalozzis 
Arbeiten  und  Methoden  werden  fast  niu"  als  biographisches  Material  angefülu*t  und 
besprochen,  kaum  in  litterarischem  oder  in  pädagogischem  Interesse.  Aber  alles,  was 
zur  Biographie  in  strengem  Sinne  gehört,  ist  herangezogen.  Pur  fast  alle  Menschen, 
mit  denen  sich  Pestalozzi  inniger  berüln-t,  ist  eine  biographische  Notiz  zur  Stelle.  Es 
ist  eine  im  Grunde  sehr  vollständige  und  sehr  sorgfältige  grosse  Sammlung  und  Siclitung 
des  vorhandenen  Stoifes  auf  Grund  umfassender  Benutzung  der  neueren  Litteratur, 
Morf,  Zehnder-Stadtlin,  Hunziker  usw.  Darum  kann  das  Neue  hier  kaum  erwähnt 
werden,  da  es  sich  nicht  in  neuen  Anschauungen  niederschlägt,  sondern  in  stofflichen 
Einzelheiten,  besteht.  Der  erste  Teil  behandelt  Kindheit  und  Jugend  Pestalozzis, 
Gründung  und  Ruin  des  Instituts  zu  Neuhof,  die  schriftstellerische  Thätigkeit  bis  zum 
Jahre  1798;  der  zweite  die  helvetische  Revolution  imd  den  Aufenthalt  in  Stanz,  Burg- 
dorf (die  „Methode"),  Münchenbuchsee  und  die  Gründung  des  Instituts  zu  Herten;  der 
dritte  die  drei  Perioden  des  Instituts  von  Iferten  und  die  beiden  letzten  Lebensjahre 
Pestalozzis.  Von  hohem  Wert  ist  der  Anhang,  der  bibliograpliische  Aufklärung  über 
die  Quellen  des  Buches  giebt.  —  Das  Anfängskapitel  des  dritten  Teils  bespricht  unter 
anderm  die  Ausdehnung  der  Lehre  Pestalozzis  über  die  Länder  Europas.  Hierzu  liefert 
eine  Arbeit  von  Naville^S)  einen  Beitrag,  den  Guillaume  bereits  benutzt  hat 
(S.  238  ff.).  Der  Philosoph  Maine  de  Biran  wendet  sich  1807,  damals  Sousprefet  in 
Bergerar,  am  1.  August,  an  Stapfer,  den  Minister  der  Künste  und  Wissenschaften  in  der 
helvetischen  Republik,  mit  dem  Ersuchen,  eine  bereits  vor  drei  Wochen  an  Pestalozzi 
in  Iferten  gerichtete  Bitte  diesem  in  Erinnerung  zu  rufen  und  zu  unterstützen.  Er  hat 
ihn  nämlich  um  einen  Elementarlehrer  aus  der  Zahl  seiner  Schüler  gebeten,  der  andere 
Lehrer  für  die  verschiedenen  Gemeinden  seines  Arrondissements  bilden  soll.  Pestalozzi 
bemerkt  in  seiner  Antwort,  dass  seine  Prinzipien  nicht  nur  den  Unterricht,  sondern  auch 
die  Erziehung  umfassen  und  in  dieser  die  ganze  Entwicklung  des  Menschen  bis  ins 
Jünglingsalter  in  gleichem  Geiste  leiten  wollen.  1822  besucht  Maine  Pestalozzi  in 
Iferten;  er  findet  das  Institut  im  Todeskampf. 36)  —  In  der  Einleitung  einer  neuen  Aus- 
gabe des  pädagogischen  Hauptwerks  von  Pestalozzi  hat  K.  Riedel  37)  einen  wert- 
vollen Beitrag  zur  Erkenntnis  des  Mannes  veröffentlicht.  Vor  allem  dankenswert  ist  die 
Darstellung  der  socialen,  politischen  und  Bildungsverhältnisse  der  Schweiz  in  Pestalozzis 
Jugend,  am  Anfang  und  am  Schluss  die  Erörterung  über  die  Entwicklung  der  Gedanken 
und  Methode  des  Pädagogen.  Das  Werk  „Wie  Gertrud  ihre  Kinder  lehrt"  ist  nach 
der  ersten  Ausgabe  abgedruckt.  Die  wichtigen  Varianten  der  zweiten  (Teil  5  der  Cotta- 
schen  Gesamtausgabe  von  1820)  sind  in  Anmerkungen  am  Schluss  des  Buches  ange- 
fügt, in  denen  auch  Belehrung  über  Mitarbeiter  und  Freunde  Pestalozzis,  Erläuterung 
örtlicher  und  zeitlicher  Verhältnisse  usw.  zu  finden  ist.  —  Die  centralen  Begriffe  der 
pädagogischen  Psychologie  Pestalozzis  sind  gleichzeitig  in  zwei  Arbeiten  dargestellt. 
Hähner  38)  vergleicht  die  Lehre  von  Natur  und  Naturgemässheit  bei  Comenius  und 
Pestalozzi.  Er  prüft  die  Definitionen  der  Natur  und  die  Auffassung  dieses  Begriffs  in 
objektivem  und  subjektivem  Sinne;    daran  schliesst  sich  die  Erörterung  der  Frage  nach 


I 


d.  bedeutendsten  pädagog.  Schriften  aus  alter  u.  neuer  Zeit.  Bd.  6.)  Paderborn,  ächtSningh.  156  u.  64  S.  M.  1,20.  —  31)  X 
c.  G.  Salzmann.  Auserlesene  Gespräche  d.  Boten  aus  Thüringen  her.  y.  Jonas  :  Nation^.  7,  S.  602.  —  32)  X  D-  Pestalozzi- 
Denkmal  in  Yvcrdon:  Bar.  16,  S.  549-60.  (Mit  Abbildung.  S.  auch  FelszMeer.  1,  S.  89;  FZg.  N.  170;  Bund  N.  172,  181,  186; 
HambCorr.  N.  463.)  —  33)  De  Guimps,  Life  of  Pestalozzi.  Translated  by  Kussel.  London,  Sonnenschein.  |[Ath.  S.  671.]| 
(Nicht  zugänglich,)  —  34)  J.  Guillaume,  Pestalozzi,  Etüde  biographique.  Paris,  Hachette.  453  S.  | [Bunds.  N.  28.] |  —  35)  E. 
Naville,  Pestalozzi,  Stapfer  et  Maine  de  Biran:  BURS.  46,  S.  86-100.  —  36)  X  E.  Denkschreiben  v.  H.  Pestalozzi  an  e. 
Täufling.  (Iforten  an  meinem  76.  Geburtstage,  d.  12.  Jänner  1822.):  NZUrchZg.  N.  72.  —  37)  J.  H.  Pestalozzi,  Wie  Gertrud 
ihre  Kinder  lehrt.  Mit  o.  Einl, :  J.  H.  Pestalozzis  Leben,  Werke  u.  Grundsätze.  Einl.  n.  Komm.  v.  K.  Riedel.  2.  Aufl.  Wien  u. 
Leipzig,  Pioliler.     199  S.  M.  2,00.    —   38)  H.  Ilähnor,  Natur  u.  Naturgemässheit  bei  Comenius  u.  Pestalozzi.    Leipziger  Phil. 


IV,6:  E.  Kühne  mann,  Didaktik  des  18./19.  Jahrhunderts.  101 

dem  specifisch  Menschlichen  und  nach  dem  Angeborenen.  Dann  wird  das  Verhältnis 
zwischen  Natur  und  Erziehung  festgestellt:  die  richtige  Erziehung  baut  auf  die  Natur 
und  verfahrt  wie  die  Natur.  Mit  grosser  Kenntnis  der  Schriften  verfolgt  H.  die  Begriffe 
durch  ialle  Fassungen;  die  Beziehung  wie  die  Verschiedenheit  der  beiderseitigen 
Lehren  tritt  hervor.  Vor  allem  hemmt  bei  Comenius  das  theologische  Element  die 
freie  Entfaltung  der  Gedanken,  während  Pestalozzi  bei  ähnHchen  Voraussetzungen  zu 
fruchtbareren  Anschauungen  kommt;  denn  er  glaubt  unbedingt  an  die  Entwicklung 
der  Menschennatur  zu  immer  grösserer  Vollkommenheit.  —  W.  Bauer 39)  will  die  zer- 
streuten psychologischen  Bemerkungen  Pestalozzis  im  Zusammenhang  darstellen.  Er 
thut  es  in  schwerfälliger  und  ungelenker,  breiter  und  oft  phrasenhafter  Rede;  doch  ist 
anzuerkennen,  dass  er  die  Psychologie  Pestalozzis  im  Zusammenhang  übersichtlich  zur 
Anschauung  i)ringt.  Die  sinnliche  Natur  des  Menschen  soll  nach  Pestalozzi  der  höheren, 
eigentlich  menschlichen  unterworfen  werden.  Diese  höhere  Natur  äussert  sich  in  sitt- 
licher, intellektueller  und  physischer  (oder  Kunst-)  Kraft.  Jede  strebt  nach  ihrer  Ent- 
faltung, und  das  höchste,  letzte  Ziel  bleibt  die  harmonische  Bildung  des  Herzens,  des 
Geistes  und  der  Kunstfähigkeit  bei  Unterordnung  der  Ansprüche  der  geistigen  und 
physischen  Anlagen  miter  die  höheren  der  von  Glauben  und  Liebe  ausgehenden  Sitt- 
lichkeit und  Religiosität.  — 

Wir  verlassen  hiermit  die  Bemühungen  der  Schule  in  dieser  Zeit  und  wenden 
uns  dem  geistigen  Leben  einer  Uebergangszeit  zu,  das  teilweise  noch  mit  dem  Ratio- 
nalismus zusammenhängend  doch  in  mancherlei  neuen  Ansätzen  sich  regte.  Vergegen- 
wärtigen wir  uns  mit  R.  M.  Meyer ^O)  an  drei  Lieblingsbüchem  unserer  Grossväter  ge- 
wissermassen  den  mittleren  Durchschnitt  der  Bildung  in  den  besseren  Kreisen  des  Volkes. 
Da  erweiterten  Georg  Försters  „Ansichten  vom  Nieden'hein"  (1790)  die  Anschauung 
durch  ihre  ethnologische  Physiognomik,  die  Augenblicksphotographien  von  Völkern  und 
Menschen,  die  meisterhafte  Besclireibung  von  Bildern.  Es  entsprach  der  sich  regenden 
Gesinnung  liberaler  Humanität,  wenn  Forster  die  Politik  als  Kunst  auffasste,  die  Natur 
in  der  Kultur  suchte,  die  Volksindividualität  vor  allem  verfocht.  Noch  aber  wirkte  auch 
Engels  „Philosoph  für  die  Welt"  (1775  ff.)  4i)  nach  mit  seiner  behaglichen  Durchschnitts- 
weisheit,  seiner  Anpreisung  eines  mittleren  bürgerHchen  Glücks,  seiner  ruhigen  Heiterkeit 
und  humanen  Gesinnung.  Ein  Menschenalter  später  ist  „Die  Molkenkur"  von  Ulrich 
Hegner  (1812)  ein  beliebtes  Buch,  das  gegen  die  neuesten  Moden  der  Zeit  bereits  im 
Sinne  Goethes  opponiert.  Noch  widmet  man  der  Erziehung  sein  erstes  Interesse, 
aber  im  Glauben  an  die  Natur  als  den  besten  aller  Lehrer,  im  Vertrauen  auf  den  dunklen 
Drang,  der  den  guten  Menschen  zum  Rechten  führt.  —  Hiermit  umspannen  wir  die 
Zeit  der  grössten  geistigen  Bewegung  Deutschlands.  Sie  wird  uns  im  Berichtsjahr 
nicht  gerade  in  den  grössten,  aber  doch  in  bedeutenden  Gestalten  mannigfach  erhellt. 
Georg  Forsters 42)  Leben  zieht  in  einer  Reihe  von  Briefen  an  den  Berliner  Buchhändler 
Johann  Karl  Philipp  Spener,  die  im  einzelnen  diirch  Briefe  des  Vaters  Reinhold  Forster 
vielfach  ergänzt  und  erläutert  werden,  an  uns  vorüber.  Die  Briefe  sind  Leitz- 
mann43)  von  dem  Besitzer,  Herrn  W.  Künzel  in  Leipzig,  zur  Verfügung  gestellt.  Sie 
reichen  von  1775  bis  1791,  veröffentlicht  sind  sie  bis  jetzt  allerdings  nur  bis  1784.  Die 
ersten  sind  kurz  nach  Forsters  Rückkelir  von  der  Reise  um  die  Welt  in  London,  die 
meisten  in  Kassel  geschrieben.  Das  Leben  Forsters  wird  uns  in  ihnen  mit  grosser  Voll- 
ständigkeit vergegenwärtigt.  In  London  bekundet  er  ein  reges  Verlangen  nach  der 
schönen  deutschen  Litteratur;  Krankheit  und  Missmut  halten  ihn  nieder.  Dann  folgen 
seine  Irrfahrten  in  Deutschland,  bis  er  die  Stelle  des  Professors  der  Naturkunde  in 
Cassel  erhält.  Nun  dreht  sich  der  Hauptteil  der  Briefe  um  Bücher  und  eigene  Arbeiten, 
besonders  Uebersetzungen.  Geldnot,  Missmut,  Krankheit  hören  in  der  ganzen  Zeit 
nicht  auf.  Dabei  quält  ihn  die  Sorge  für  seine  Familie,  für  den  Vater,  der  stellenlos, 
von  der  englischen  Regierung  im  Stich  gelassen,  in  London  weilt.  Leise  wird  das 
schwierige  Verhältnis  angedeutet,  in  dem  er  zu  seinem  Vater  steht.  Später  beschäftigt 
ihn  nach  anfänglicher  Abneigung  mehr  und  mehr  der  Gedanke,  sich  zu  verheiraten, 
wobei  er  Speners  Ratschläge  hört  und  erwägt.  Endlich  ergeht  an  ihn  der  Ruf  nach 
Wilna.  Der  Ton  ist  oft  der  eines  Unglücklichen,  doch  stets  gefasst  und  edel,  milde 
und  entgegenkommend  gegen  den  Freund.  Auf  Forsters  persönliche  und  wissenschaft- 
liche Beziehungen,  auf  das  kleinliche  Leben  in  Cassel,  das  gelehrte  Treiben  fällt  manch 
klärendes  Licht.     Gelegentlich  werden  auch  politische  Dinge  gestreift.  — 

Neben    Forster    trug    sein    Freund    Lichtenberg    das    naturwissenschaftliche 


Diss.  Cliemnitz,  Lamprecht.  87  S.  M.  1,20.  —  39)  W.  Bauer,  D.  psycholog.  Grundanschauungen  Pestalozzis.  Phil. 
Diss.  Jena,  Frommannsche  Buchdruckerei.  1889.  47  S.  M.  1,00.  —  40)  R.  M.  Meyer,  Drei  LieblingsbUcher  unserer 
GrossTäter:  VossZgS.  n.  46,  49,  50.  -^  41)  Aus  alten  BUchern.  Proben  rabbinischer  Weisheit:  Didask.  N.  98.  (Aus  J.  J.  Engels 
„Philosoph  für  d.  Welt".  Nach  d.  Ausgabe  d.  Schriften  v.  1801.)  —  42)  X  C.  Escher-Ott,  Aus  d.  Reisetagebüchern  e.  alten 
ZUrcher«*.  Vortr.,  geh.  in  d.  antiquar.  Gesellsch.:  ZllrcherTb.  NF.  18,  S.  196—222.  (D.  junge  Reisende  Joh.  Landolt  besuchte 
1782/6  u.  a.  d.  Philanthropin  in  Dessau,  Forster,  Joh.  Müller.   Doch  nichts  Neues.)  —  43)  A.  Leitzmann,  Beitrr.  z.  Kenntnis 


102  IV,6:  E.  Kühnemanii,  Didaktik  des  18./19.  Jahrhunderts. 

Interesse  in  weitere  Kreise.  ReicheH*)  hat  ihn  uns  als  Naturforscher  liebevoll  charak- 
terisiert. *9)  Er  preist  die  naturwissenschaftlichen  Anlagen  Lichtenbergs  und  stellt  die 
verhältnismässig  geringen  positiven  Ergebnisse  seines  Forschens  zusammen.  Weiterhin 
hebt  er  Lichtenbergs  Verdienst  als  Volksschriftsteller  hervor,  der  den  Eifer  für  Natur- 
wissenschaften in  weitesten  Kreisen  vielleicht  erst  geweckt  habe,  um  dann  durch  Citate 
aus  seinen  Schriften  die  Grundzüge  seiner  Denker-  und  Eorschergesinnung  zu  beleuchten: 
den  Sinn  für  das  Wesentliche  und  die  Abneigung  gegen  trockenes  Rubrizieren,  den 
bestimmten  Glauben  an  die  Schrankenlosigkeit  des  Fortgangs  der  Erfahrung  neben  der 
Erkenntnis  ihrer  Begrenztheit,  das  entschiedene  Eintreten  für  die  induktive  Methode 
verbunden  mit  weiser  Benutzung  der  Hypothesen  und  vorsichtiger  Empfehlung  der 
Phantasie  als  der  Schöpferin  wissenschaftlicher  Zusammenhänge.  — 

Mit  dem  Weimarer  Kreise  in  direkte  Berührung  bringt  uns  K.  Ph.  Moritz.  45-48) 
Dessoir49)  hat  seiner  Aesthetik  eine  genaue  Untersuchung  gewidmet ^4).  Er  erwähnt 
zunächst  die  untereinander  verwandten  ästhetischen  Hauptlehren  Shaftesburys,  Winckel- 
manns,  Herders  als  diejenigen,  mit  denen  Moritz'  Auffassung  die  meisten  Berührungs- 
punkte hat.  Dann  werden  mit  grossem  Eleiss  die  Ansichten  auch  der  geringeren 
Aesthetiker  vor  Moritz  über  das  Verhältnis  des  Kunstwerks  zur  Natvu-,  Wesen  und  Zweck 
des  Kunstwerks,  Geschmack  und  Eorm  zusammengestellt.  Moritz'  persönliche  Stellung 
zu  den  grossen  Bewegungen  seiner  Zeit  wird  bestimmt:  unstet  schwankend  zwischen 
den  Richtungen  führt  er  von  der  Sturm-  und  Drangperiode  hinüber  zu  den  Anfängen 
der  Romantik  und  verbindet  den  wesentlichen  Inhalt  der  Aufklärung  mit  den  reifenden 
Formen  des  Klassizismus.  Tiefer  noch  in  die  Geheimnisse  seiner  Persönlichkeit  führt 
uns  eine  lebendige  Schilderung  seiner  excentrisch  genialen  Natur,  wie  sie  in  dem  regel- 
losen Verlauf  seines  Lebens  sich  offenbart.  Hierauf  werden  zum  ersten  Male  die  ästhe- 
tischen Lehren  Moritz'  aus  der  Gesamtheit  seiner  Schriften  vollständig  zusammenge- 
stellt und  in  drei  Rubriken  geordnet:  1)  Entstehung,  2)  Wesen  (Zweck),  3)  Genuss 
des  Schönen.  Unter  2)  werden  auch  die  Ausführungen  über  die  einzelnen  Künste  auf- 
gereiht. Die  sorgfältige  Uebersicht  ergiebt  auch  den  inneren  Zusammenhang  der  Ge- 
danken und  hebt  die  Punkte  deutlich  heraus,  in  denen  Moritz  über  die  früheren 
Aesthetiker  hinaussclu-itt.  Das  Ergebnis  wird  durch  eine  knappe  Zusammenstellung  der 
Hauptgedanken  am  Schluss  anschaulich  hervorgehoben,  und  ein  Versuch,  diese  Haupt- 
gedanken aus  Moritz'  Stellung  zu  den  Bewegungen  der  Zeit  abzuleiten,  endet  die  Arbeit. 
Gegen  diesen  letzten,  etwas  stark  schematisierenden  Absatz  dürfte  allerdings  eine 
zweifelnde  Verwahrung  recht  am  Platze  sein.  Die  sehr  tüchtige  Arbeit  erwirbt  sich 
das  entscliiedene  Verdienst,  Moritz'  ästhetische  Gedanken  zum  ersten  Mal  umfassend 
und  übersichtlich  darzustellen.  Die  historischen  Abschnitte  sind  etwas  spröde  nach  Art 
einer  naturwissenschaftlichen  Gedankenstatistik  gehalten  und  verfehlen  auch  zuweilen 
den  Sinn  der  nicht  im  Zusammenhang  citierten  Stellen.  Der  Teil  über  Moritz'  Persön- 
lichkeit zeugt  von  Verständnis  für  die  psychologische  Ableitung  der  Lehren  aus  der 
Individualität  des  Denkers.  —  In  einer  zweiten  Arbeit  über  dasselbe  Thema  versucht 
Dessoir^)  den  kulturhistorischen  Hintergrund  zu  vertiefen,  stellt  noch  einmal  die  Haupt- 
gedanken der  Moritzschen  Aesthetik  dar,  bespricht  die  Berührungspunkte  mit  der 
klassischen  Aesthetik  und  schliesst  mit  Betrachtungen  über  den  Nutzen  der  Lehren 
auch  für  unsere  Zeit.     Diese    zweite    Arbeit  ist    etwas    trübe    und    wenig  abgeklärt.  — 

Minder  eigenartig  und  bedeutend,  doch  charakteristisch  für  die  mittlere  und 
niedere  litterarische  Bewegung  in  den  grossen  Jahren  der  deutschen  Literatur  bietet 
sich  J.  L.  W.  Meyer  der  Betrachtung  dar.  Ihm  ist  durch  C.  Zimmermann  51) 
zum  ersten  Mal  eine  eingehende  Untersuchung  zu  teil  geworden.  Schon  den  Geburts- 
tag Meyers  hat  Z.  zuerst  richtig  festgestellt:  es  ist  nicht  der  28.  Jan.  1759,  sondern 
der  26.  Jan.  1758.  Z.  giebt  zunächst  einen  Ueberblick  über  das  Leben  bis  zum  Jahre  1721, 
in  dem  die  innigen  Beziehungen  zu  Bürger  und  zu  Caroline  Michaelis  (Böhmer)  neu 
hervortreten.  Er  bespricht  dann  seine  Schriftstellerei,  erkennt  in  seinen  Gedichten  das 
Vorbild  Bürgers  und  findet  ihn  glücklicher  in  Nachdichtungen  nach  spanischen  und 
italienischen  Originalen,  besonders  nach  Volksliedern  als  in  seinen  eigenen  trockenen 
und  unbedeutenden  Produkten.  Auch  der  älteren  deutschen  Litteratur,  Fleming  und 
den  Minnesängern,  wandte  sich  Meyer  zu.  Seine  Thätigkeit  als  Recensent  in  den 
„Göttinger  Anzeigen    von    gelehrten    Sachen"    (seit  dem  Frühjalu-  1785)    bedeutet    den 


I 


G.  Forsters  aus  wngedrnckten  Quellen:  ASNS.  84,  S.  369—404;  86,  129—226.  —  44)  E.  Reichel ,  G.  Chr.  Lichtenberg  als  Natur- 
forscher. E.  Versuch:  HambNachr».  N.  5.  —  45)  X  J-  C.  Lavater,  Worte  d.  Herzens  für  Freunde  d.  Liebe  u.  d.  Glaubens  her. 
V.  Chr.  Hufeland;  neu  her.  u.  m.  e.  Einl.  vers.  y.  A.  Kofahl.  Leipzig,  Fock.  12.  XVI,  110  S.  M.  1,20.  —  46)  X  H.  DUntzer, 
Zu  Ehren  v.  J.  H.  Merck:  ÜL&M.  26,  S.  523/6.  (Verteidigt  Merck  sehr  lebhaft,  bes.  gegen  Herder  [Briefe  an  Hamann].)  -  47)  X 
Anna  Löhn-Siegel,  Aus  d.  Leben  Elisas  v.  d.  Recke:  NorddAZg.  N.  86,  88,  90.  —  48)  X  F.  v.  Hohenhausen.  Elisa 
V.  d.  Recke  u.  Graf  Cagliostro,  e.  gesch.  Darstellung:  Bär.  16,  S.  409—11;  421/3;  433/6;  445/7.  (E.  ungeschicktes  Gemisch  v. 
ovell.  Erzählung  u.  bist.  Notizen.)  —  49)  M.  Dessoir,  K.  Ph.  Moritz  als  Aesthetiker.  Berlin,  C.  Duncker.  1889.  III,  57  S. 
UM.  1,00.  |[Diez:  LMerkur.  10,  S.  81;  vgl.  auch  1,3  N.  7.]|  —  50)  id.,  K.  Ph.  Moritz.  E.  Beitr.  z.  Gesch.  d.  deutschon  Aesthetik: 
AZg.  N   242,  245.  -  51)  8.  o.  IV,  4  N.  169.    -    62)  S.  o.  1, 3  N.  14a.   —   63)  X  Friedrichs  d.  Grossen  Urteil  über  d.  Wert  d. 


IV,6:  E.  Kühneman  n,  Didaktik  des  18./ 19.  Jahrhunderts.  103 

Foi-tschritt  von  dem  bis  dahin  geübten  einfachen  Referat  zu  sachlicher  Beurteilung  und 
Hervorhebung  der  charakteristischen  Eigenheiten  der  Werke,  besonders  in  den  be- 
kannten Besprechungen  von  Goethes  Werken  und  von  Heinses  „Ardinghello".  Ein 
fernerer  Abschnitt  bespricht  Meyers  Aufenthalt  in  BerHn  und  seine  journalistische 
Thätigkeit  1791 — 1796.  Er  schreibt  Romane  meist  nach  fremdem  Muster,  für  das  ober- 
flächlichste Unterhaltungsbedürfnis,  und  Recensionen  der  seichtesten  Art.  1795  be- 
gründet ier  mit  Rambach  eine  eigene  Zeitschrift  „Berlinisches  Archiv  der  Zeit  und 
ihres  Geschmackes".  Eür  die  ersten  Aufsätze  „Flüchtiger  Anblick  der  deutschen 
Litteratur"  wxirde  er  von  Goethe  in  dem  Horenaufsatze  „Litterarischer  Sansculottismus" 
gezüchtigt.  Die  zweite  Hälfte  seines  Lebens  (1797 — 1840)  verbrachte  der  Schriftsteller 
in  Bramstedt.  Hier  verfasste  er  gemeinsam  mit  seinem  Freunde,  dem  grossen  Schau- 
spieler Schröder,  eine  Geschichte  der  Freimaurerei,  ferner  eine  Anzahl  Theaterstücke, 
meist  Bearbeitungen  fremder  Muster  und  endlich  seine  bekannte  Biographie  Schröders. 
Der  noch  von  Kürschner  in  der  ADB.  als  wahrscheinlich  bezeichneten  Ansicht,  Meyer 
habe  uns  eine  Selbstbiographie  Schröders  vorenthalten  und  in  seine  Darstellung  ver- 
webt, tritt  Z.  energisch  entgegen;  er  behauptet,  Meyer  habe  von  Schröders  Hand  selbst 
nur  ein  Entwurf  über  seine  Jugendgeschichte  vorgelegen.  Verdienstlich  ist  es,  dass  Z. 
genaue  Verzeichnisse  von  Meyers  Werken  giebt:  S.  25  und  S.  33/34  die  lyrischen  Ge- 
dichte, die  gar  nicht  oder  nur  überarbeitet  in  den  „Spielen  des  Verstandes  und  Witzes" 
(1792)  enthalten  sind,  S.  31/2  die  Romane,  S.  40/1  die  Theaterstücke.  — 

Wir  treten  in  die  grosse  und  innerlichste  Arbeit  dieser  Zeit  der  neuen 
deutschen  Bildung,  in  die  Gedankenarbeit  Kants  und  Schillers  ein.  Eine  Abhand- 
lung R.  Philippsons  52)  bespricht  die  Lehren  Kants,  Schillers  und  Herbarts  über  die 
ästhetische  Erziehung.  Sie  zerfällt  in  drei  Abschnitte.  Jeder  ist  einem  der  drei  Denker 
gewidmet  und  erörtert  dessen  Ansichten  über  die  Bedeutung  des  Schönen  für  die  Er- 
ziehung im  Sittlichen  und  Wahren.  Der  erste  Abschnitt  stellt  die  Aeusserungen  Kants 
über  diesen  Zusammenhang  vollständiger  zusammen,  als  bisher  geschehen;  der  zweite 
weist  vielfach  die  Beziehungspunkte  Scliiller sehen  und  Herbartschen  Denkens  nach.  Von 
besonderem  Wert  ist  im  dritten  Abschnitt  der  Nachweis  direkter  Abhängigkeit  Herbart- 
scher Gedanken  von  Schillerschen  Ideen,  z.  T.  durch  Vermittlung  Fichtes,  besonders 
in  der  früheren  Phase  des  Herbartschen  Denkens.  Es  schliesst  sich  daran  ein  Aus- 
blick auf  die  Ansichten  der  reifen  Zeit  Herbarts,  besonders  auf  die  Bedeutung,  die  er 
in  ihnen  den  klassischen  Dichtwerken  für  die  Erziehung  beimisst.  S.  19  wundert  sich 
der  Vf.,  dass  noch  niemand  daran  Anstoss  genommen,  wie  Schiller  in  der  Lehre  von 
der  Freiheit  als  moralischer  Kraft,  ohne  es  zu  wissen,  gegen  eine  der  Grundlehren 
Kants  verstösst.  Dies  ist  bereits  vor  P.  in  Kühnemanns  Buche  „Die  Kantischen 
Studien  Schillers  und  die  Komposition  des  Wallenstein"  (Marburg  1889.  S.  16/8,  38 
u.  ö.)  betont.   — 

Li  Bestrebungen  dieser  Art  wurde  die  neue  Bildung  begründet,  die  aus  ihrer 
eigenen  Kraft  heraus  das  klassische  Altertum  tiefer  verstand  als  irgend  eine  frühere 
Zeit.  Hatte  wenig  früher  noch  Friedrich  der  Grosse  die  französische  Litteratur  in 
allen  Gebieten  derjenigen  der  Alten  gleichgesetzt  oder  vorgezogen  ^^),  so  erschloss  nun 
Fr.  A.  Wolf  neben  andern  in  kritischer  Forschung  das  wahre  klassische  Altertum. 
Mitteilungen,  die  W.  Peters^*)  aus  Wolfs  Briefwechsel  mit  K.  A.  Böttiger  liefert  (er 
erstreckt  sich  über  die  Jahre  1793  bis  1824  mit  34  Briefen  Wolfs  und  42  Böttigers), 
belehren  uns  über  die  äussere  Geschichte  der  „Prolegomena"  und  ihre  Beurteilung 
durch  die  hervorragenden  Männer  jener  Zeit.  — 

W.  von  Humboldt  war  berufen,  für  die  neue  Bildung  in  öffentlicher  Stellung 
zu  wirken.  Zwei  amtliche  Schriftstücke  55)  seiner  Hand  zeigen  uns,  mit  welchem  Ernst 
er  sich  seiner  Aufgabe  hingab.  Das  erste  ein  Schreiben  an  Altenstein  (Königsberg, 
20.  Juli  1809)  bezieht  sich  auf  die  Gründung  der  Universität  Berlin,  widerlegt  einige 
Einwürfe,  die  der  übrigens  dem  Plan  geneigte  Finanzminister  Altenstein  gegen  Hum- 
boldts Vorschlag  erhoben,  und  fügt  zugleich  einen  Kostenanschlag  bei.  Das  zweite  an 
Hardenberg  (22.  Juni  1810)  ist  im  Moment  des  Rücktritts  Humboldts  von  der  Leitung 
des  preussischen  Unterrichtswesens  geschrieben.  Es  sucht  für  dessen  fernere  Ausge- 
staltung die  nötigen  Geldmittel  zu  erwirken  und  weist  auf  den  Nutzen  hin,  den  eben 
eine  solche  Verwendung  des  Geldes  dem  preussischen  Staate  in  der  Hebung  des  mora- 
lischen Ansehens  in  Deutschland  und  dem  Auslande  bringen  würde.  —  Humboldts  zu- 
gänglichstes Werk  erweitert  noch  immer  seinen  Leserkreis  56-57^.  Es  hat  jetzt  einen 
Interpreten   gefunden,    der  Geist    und    Anmut,    psychologischen  Scharfblick  mit    künst- 


franz.  Litt,  im  Vergl.  z.  röm.  u.  griech.:  PädA.  32,  S.  123/6.  (Vgl.  o.  IV,  1  N.  101/7.)  —  54)  W.  Peters,  Z.  Gesch.  d.  Wolfschen 
Prolegomena  zu  Homer.  Mitteilungen  aus  ungedruckten  Briefen  v.  F.  A.  Wolf  an  K.  A.  BOttiger.  Beil.  z.  Progr.  d.  Kaiser- 
Priedrich -  Gymn.  Frankfurt  a.  M.  —  £5)  C.  Varrentrapp,  Zwei  Sehreiben  Wilhelm  v.  Humholdts  an  Altenstein  u. 
Hardenberg  1809  u.  1810:  HZ.  65,  S.  277—84  —  56)  W.  v.  Humboldt,  Briefe  an  e.  Freundin.  12.  Aufl.  Mit  e.  Faksim.,  neuem 
Vorwort  u.  Sach-  u.  Namenregister.  Leipzig,  Brockhaus     XLIV,  513  S.  M.  4,50.  —  57)  X  Zu  Wilhelm  v.  Humboldts  „Briefen  an 


104  IV,6:  E.  Kühne  mann,  Didaktik  des  18./19.  Jahrhunderts. 

lerischer  Darstellungskraft  in  seltener  Weise  verbindet,  Cherbuliez  58)  hat  Wilhelm  von 
Humboldt  und  seiner  Freundin  Charlotte  Diede  einen  seiner  wundervollen  Essays  ge- 
widmet. Er  zeichnet  die  grosse  Erscheinung  des  Diplomaten  und  des  Gelehrten  und 
leitet  die  Eigenart  des  seltenen  Freundschaftsverhältnisses  aus  den  Persönlichkeiten  der 
Beteiligten  ab.  Die  Menschen  und  ihre  Stellung  im  deutschen  Leben,  ihr  Seelenzustand 
und  ihr  Verkehr  —  das  alles  ist  mit  der  feinsten  Feder  hingezeichnet.  Die  Forschung 
empfängt  hier  nichts  materiell  Neues.  Aber  die  stillen  Briefe  verwandeln  sich  diesem 
fein  und  tief  gebildeten  Ktinstlergeiste  wieder  in  Worte  lebender  Menschen,  und  es  er- 
öffnet sich  der  Ausblick  auf  ein  Ziel  der  Wissenschaft:  in  künstlerischem  Leben  das 
Bild  der  Geistesgeschichte  vor  uns  erstehen  zu  lassen.  — 

War  Humboldt  in  Preussens  schwerer  Zeit  für  die  Erhebung  des  Deutschtums 
thätig,  so  bietet  Johannes  von  Müllers  Benehmen  das  traurige  Bild  haltlosen 
Schwankens  unter  dem  Sturm  der  Ereignisse.  Seine  Briefe  an  Morgenstern,  die 
Cordt  59)  herausgegeben  hat,  verraten  das  nur  zu  deutlich.  Es  sind  acht  Stücke  (Berlin, 
26.  Sept.  1805  bis  Cassel,  9.  Jan.  1809).  Sie  ergehen  sich  in  Versicherungen  innigster, 
fast  überschwenglicher  Zuneigung;  ein  fernerer  grosser  Teil  wird  durch  Besprechung 
der  Morgen sternschen  litterarischen  Arbeiten  eingenommen.  Am  16.  Dez.  1805  deutet 
Müller  an,  dass  er  wohl  in  Russland  angestellt  werden  möchte.  Alles  Hess  sich  gut  an, 
aber  zuletzt  zerschlug  sich  die  Sache  doch.  In  diesem  Dezember  1805  kann  Müller  die 
Schmach  von  West  und  Süd  nicht  mit  ansehen,  kann  sich  nicht  vor  „Attila  Bonaparte" 
beugen  —  lieber  nach  Kasan,  noch  Irkuzk!  Noch  am  24.  Febr.  1806  spricht  er  heftig 
über  das  Werk  des  „Ahrimans  der  Menschheit",  der  in  der  Universaltyrannei  alles 
Eigentümliche  verwischen,  alle  Nationalität  vertilgen  will.  Aber  am  19.  Sept.  1807 
schreibt  er  entzückt,  wie  human  der  „Fürst  des  Zeitalters"  mit  ihm  gesprochen,  und 
bewundert  den  „unerhörten  Reichtum  seiner  Ideen".  Während  man  ihn  in  Preussen 
zu  halten,  an  die  neu  zu  errichtende  Landesuniversität  Bei'lin  zu  binden  sucht,  hält  er 
sich  zugleich  die  Aussicht  offen,  nach  Tübingen  als  Professor  zu  kommen,  und  geht 
schliesslich  nach  Cassel  als  Minister-Staatssekretär  des  Königs  von  Westphalen.  —  Der 
Herausgeber  unterrichtet  in  kurzen  Anmerkungen  besonders  über  die  vorkommenden 
Personen.  In  der  Einleitung  macht  er  Angaben  über  Karl  Morgenstern,  über  die  An- 
knüpfung des  Briefwechsels,  über  Morgensterns  Thätigkeit  für  Müllers  Berufung  nach  Russ- 
land, über  Müllers  Haltung  während  der  traurigen  Jahre  Preussens.  Ferner  giebt  er  eine 
erwünschte  Chronologie  des  gesamten  Müller-Morgen  sternschen  Briefwechsels.  60)  — 

Von  den  reichen  Bewegungen  unseres  Jahrhunderts  berühren  wir  nur 
einige  Zweige.  Aber  ob  wir  bei  den  beispiellosen  Einwirkungen  deutscher  Philosophie 
auf  die  Wissenschaften  verweilen,  ob  wir  ihre  Bedeutung  im  Leben  an  einem  hervor- 
stechenden Beispiel  ahnen,  ja  ob  wir  selbst  in  die  poHtischen  Tageskämpfe  bis  über  die 
Mitte  des  Jh.  einen  flüchtigen  BHck  werfen,  überall  bemerken  wir  die  Anknüpfung  an 
die  grosse  Entwicklung  des  deutschen  Geisteslebens  im  vorigen  Zeitraum.  Unmittelbar 
aus  ihr  erwächst  das  Denken  Hegels,  dessen  Geschichtsphilosophie  in  einer  ver- 
dienstlichen Arbeit  erörtert  wird.  Eine  Untersuchung  über  die  historische  Skepsis  des 
17.  und  18.  Jh.,  wie  sie  Voltz^i)  versucht,  könnte  dazu  eine  gute  Einführung  geben. 
Aber  es  wird  auf  den  wenigen  Seiten  der  Arbeit  nur  über  den  skeptischen  Geist  Beau- 
forts  und  Fontenelles  an  einzelnen  Stellen  gehandelt;  das  einzige  Ziel  dieser  Männer 
sei  gewesen,  die  Unsicherheit  der  Ueberlieferung  nachzuweisen.  Diese  Periode  erkläre 
sich  aus  dem  Gegensatz  zu  der  vorhergehenden  mittelalterlichen  des  blinden  Autoritäts- 
glaubens; die  reine  Skepsis  wiederum  schlug  mit  Niebuhr  um  in  die  konstruierend  auf- 
bauende Kritik,  welche  mit  künstlerischem  Sinn  durch  Analyse  der  Quellen  ein  Bild  ge- 
staltet und  der  wir  es  verdanken,  dass  unser  19.  Jh.  das  historische  Jh.  heissen  kann. 
Doch  finden  wir  auch  bei  Beaufort  und  besonders  bei  Bayle  Ansätze  dieser  tieferen 
Auffassung  der  Geschichte,  die  jedoch  bei  der  vorwiegenden  skeptischen  Stimmung 
nicht  zur  Entwicklung  kommen.  Wie  man  sieht,  steht  der  Vf.  selbst  noch  allzusehr 
unter  dem  Einfluss  der  Hegeischen  Worte,  denn  so  sicher  es  eine  fortgehende  Ent- 
wicklung des  historischen  Sinns  vom  Mittelalter  bis  ins  19.  Jh.  giebt,  so  gewiss  ist 
diese  mit  der  Redensart  vom  Umschlagen  der  Begriffe  nicht  ergründet,  und  die  spär- 
lichen Anführungen  einiger  Stellen  können  nicht  für  eine  Erledigung  dieses  wichtigen 
Problems  gelten.  —  Die  reichhaltige  Arbeit  P.  Barths  62)  bespricht  nach  einem  kurzen 
Abschnitt  über  Hegels  Methode  ilu-e  Anwendung  auf  den  Begriff  der  Geschichte. 
Hierauf  gelten  einzelne  Kapitel  der  allgemeinen  Geschichtsphilosophie  bei  Hegels 
Schülern,    der    religionsgeschichtlichen    und    der  kunstgeschichtlichen  Entwicklung  und 

e.  Freundin"  (11.  Aufl.  1883):  ZDS.  4,  S.  257— 62;  305/9;  345/9;  461/6.  (Einzelne  sprachliche  Bemerkk.)  —  58)  V.  Cherhuliez, 
Profils  Etrangers,  Paris,  Hachette.  1889.  .356  S.  (S.  67—88:  4.  Guillaume  de  Humboldt  et  Charlotte  Diode.)  —  59)  B.  Cordt, 
Joh.  V.  Müllers  Briefe  an  K.  Morgenstern:  AltprMschr.  28,  S.  3—35.  —  60)  XX  K.  F.  Kaindl,  Uober  e.  Beschwörungsbuch 
aus  d.  Anf.  d.  19.  Jh.:  Archiv.  3,  N.  13.  —  61)  H.  Voltz,  Ueber  d.  bist.  Skepsis  d.  17.  u.  18.  Jh.  in  Frankreich  u.  über  ihre 
Bedeutung  fUr  d.  fortschreitende  Entwicklung  d.  bist.  Kritik.  Progr.  d.  Ober-Realschule.  Köln.  40.  10  S.  —  62)  P.  Barth, 
D.  Geschichtsphilosophie  Hegels  u.  d.  Hegelianer  bis  auf  Marx  u.  Hartmann.    Leipziger  Habilitationbschrift.    Leipzig,  Reisland. 


IV,6:  E.  Kühnemann,  Didaktik  des  18./19.  Jahrluniderts.  105 

der  geschichtlichen  Entwicklung  der  Philosophie  nach  Hegel  und  den  Hegelianern. 
Ein  letztes  Kapitel  fasst  die  Ergebnisse  zusammen.  In  diesem  Ueberblick  ziehen  Gans 
und  Lassalle,  K.  Marx  und  E.  v.  Hartmaini  als  Geschichtsphilosophen,  Bruno  Bauer  und 
E.  V.  Hartmann  als  Religionsphilosophen,  endlich  Rüge,  Vischer  und  Erdmann  an  uns 
vorüber.  Dabei  sind  fast  überall  die  modernen,  die  neuesten  Entwicklungen  berührt. 
Gedrängte  Kürze  ist  des  Vf.  grösste  Tugend.  Eür  die  Kritik  führt  er  ein  umfassendes 
Wissen  auf  philosophischem,  sociologischem,  juristischem,  verfassungsgeschichtlichem, 
nationalökonomischem,  ästhetischem  und  theologischem  Gebiet  ins  Feld,  und  er  kritisiert 
stets,  indem  er  die  Thatsachen  der  philosophischen  Konstruktion  entgegenstellt.  Eine 
wahre  Kritik  würde  freilich  die  innere  Entstehung  der  wissenschaftlichen  Standpunkte 
darlegen,  nach  diesen  treibenden  Motiven  ihre  Bedeutung  ermessen;  erst  so  würde  sich 
der  wirkliche  innere  Zusammenhang  der  Standpunkte  ergeben.  Doch  begründet  dieser 
Mangel  der  spezifisch  philosophischen  Betrachtungsweise  kaum  einen  Vorwurf  gegen  B., 
denn  sie  gehört  bekanntlich  heutzutage  zu  den  allerseltensten,  zu  den  fast  verlorenen 
Gaben.  —  Hegels  Ereund,  Gegner  und  Nebenbuhler  Schelling  tritt  uns  menschlich  be- 
deutend entgegen  in  seinem  von  Trost  und  Leist^^)  vorgelegten  Briefwechsel  mit 
König  Max  II.  von  Bayern.  Er  lässt  uns  einen  tiefen  Blick  thun  in  das  schöne  Ver- 
hältnis der  beiden  Männer  und  zeugt  von  der  einzigen  Bedeutung,  die  man  damals  noch, 
wenigstens  in  gewissen  Kreisen,  der  Philosophie  für  das  Leben  beimass.  — 

Aus  dem  politischen  Kampfesgewühl  64-'^2)  tauchen  zwei  Gestalten  auf: 
Heinrich  König,  der,  wie  L.  Eränkel'^3)  erzählt,  in  den  dreissiger  und  vierziger 
Jahren  in  Hessen  am  politischen  Leben  teilnahm,  und  der  vortreffliche  Gustav  Kolb, 
der  1826  bis  1866  Redakteur  der  „Allgemeinen  Zeitung"  war;  sein  Leben  schildert  an- 
spruchslos und  fesselnd  W.  Lang 74).  An  Kolb  haben  wir  ein  lebendiges  Bild,  fast 
ein  Symbol  von  dem  litterarischen  und  politischen  Treiben  in  süddeutschen  liberalen 
Kreisen  vor  dem  entscheidenden  Kampf.  Wir  sehen  Kolb  in  Tübingen  als  Burschen- 
schafter, dann  1821  als  Berichterstatter  bei  dem  Aufstand  in  Piemont,  hierauf  als  Mit- 
glied eines  politischen  Geheimbundes  mit  vagen  Zielen,  der  nur  von  patriotischer  Be- 
geisterung lebte.  Zwei  Jahre  weilt  er  als  Gefangener  auf  dem  Hohenasperg,  um  dann 
1826  in  die  Leitung  der  „Allgemeinen  Zeitung"  einzutreten,  die,  entsprungen  aus  dem 
kosmopolitischen  Geist  des  18.  Jh.,  bei  positiver  Teilnahme  für  die  deutschen  Interessen 
eine  unparteiische  leidenschaftslose  Betrachtung  der  grossen  Bewegung  der  Gegenwart 
im  politischen  und  geistigen  Leben  erstrebte.  Sie  ward  für  die  Deutschen  in  der 
Heimat  und  im  Auslande  ein  geistiger  Mittelpunkt,  von  den  Regierungen  viel,  doch 
vergeblich  umschmeichelt,  oft  gelobt,  oft  verfolgt.  Durch  Jahrzehnte  war  Kolbs  Haus 
ein  Vereinigungspunkt  geistiger  Grössen.  Wir  begrüssen  die  Mitarbeiter  und  persön- 
lichen Bekannten,  wir  hören  von  ihnen  vielfache  charakteristische  Urteile  der  Aner- 
kennung über  Kolb.  Heine,  Er.  List,  Dingelstedt,  Levin  Schücking,  Laube  treten  nach 
einander  hervor,  von  den  weniger  bedeutenden  zu  schweigen.  Immer  mehr  nehmen 
die  deutschen  Angelegenheiten  den  Mittelpunkt  ein.  Aber,  fast  ein  tragisches  Schick- 
sal, die  Zeitung,  die  ihren  Schwerpunkt  in  Süddeutschland  und  Oesterreich ''S-''^)  hat,  ver- 
liert an  Bedeuttnig,  als  die  Erage  „Gross-  oder  Kleindeutsch?"  brennend,  die  Zukunft 
Deutsclilands  also,  die  dem  wackern  Patrioten  so  sehr  am  Herzen  lag,  endgültig  ent- 
schieden wird.  So  vergegenwärtigt  ihr  Geschick  den  verworrenen  Gang  der  neuen 
deutschen  Geschichte  und  bietet  zugleich  eine  Gewähr  für  die  Mannigfaltigkeit  und 
Fülle  des  deutschen  Lebens.  — 


148  S.  M.  3,00.  —  63)  König  Maximilian  II.  v.  Bayern  u.  Schelling.  Briefwechsel  her.  v.  L.  Trost  u.  F.  Leist.  Stuttgart, 
Cotta.  y,  284  S.  M.  6,00.  |  [M.  Kronenberg:  Nation".  7,  S.  785 ;  Ettmay  r:  AZg.  N.  188»;  Groeben:  BLU.  N.  40;  O.Harnack: 
PrJbb.  66,  S.  436;  Gegenw.  37,  S.  334;  HambCorrB.  N.  29;  E.  KUhnemann:  VossZgS.  1891,  N.  15.]|  —  64)  X  K.  A.  Varn- 
hagon  V.  Ense,  Graf  Matthias  v.  d.  Schulenburg.  E.  Lebensbild:  (=  Bibl.  d.  Gesamt-Litt.  N.  366.)  Halle,  Hendel.  78  S.  M.  0,25. 
(=  Biogr.  Denkmale  1^,  [1845],  S.  119—256.)  —  65)  X  id->  Fürst  Leopold  v.  Anhalt-Dessau.  (=  Univers.-Bibl  N.  2656/7).  Leipzig. 
Keclaui.  W.  185  S.  M.  0,40.  (=  Biogr.  Denkmale  22,  S.  123—380.)  —  66)  X  Alex.  Pucskö,  D.  satyrisch-humoristische  Poesie 
in  Krain  während  d.  Befreiungskriege:  MMusVKrain.  3,  S.  216—26.  (Nicht  deutsche,  sondern  slovenische  Dichtung.)  —  67)  X 
Turnvater  Jahn  u.  d.  deutsch-österr.  Allianz:  DeutschZg.  N.  6555;  vgl.  NFPr.  N.  9198.  (Schriftstück  v.  J.  1849  im  Besitz  d. 
Oldenburger  Turnerbundes.)  —  68)  X  F.  L.  Jahn,  Deutsches  Volkstum  her.  u.  eingel.  v.  F.  Brummer:  (=  üniv.-Bibl. 
N.  2639—40).  Leipzig,  Eeelam.  160.  202  S.  0,40.  (Vollständiger  Abdruck,  d.  nur  d.  meisten  v.  d.  zahlreichen  Verweisungen 
Jahns  auf  seine  Quellenschriften  auslässt;  hinzugefügt  sind  erklärende  Anmm.)  —  69)  X  id..  Ausgew.  Werke  d.  deutschen 
Turnern  zugeeignet  v.  H.  Hoffmeister.  Berlin,  Lenz.  221  S.  M.  4,00.  —  70)  X  H  Zschokke,  Familien-Andachtsbuch  z. 
Gebr.  bei  häusl.  Erbauung.  Zusammengez.  aus  d.  , Stunden  der  Andacht".  4.  Aufl.  Aarau,  Sauerländer.  XII,  608  S.  M.  4,20.  — 
71)  X  id..  Stunden  d.  Andacht  z.  Beförderung  wahren  Christentums  u.  häuslicher  Gottesverehrung.  8  Bde.  Neue  revid.  Ausg. 
Gera,  Griesbaeh.  VIII,  296,  263,  277,  262,  286,  281,  288,  330  S.  M.  12,00.  -  72)  X  G.  F.,  D.  Satiriker  auf  d.  Throne:  PestLloyd. 
N.  202.  (Betrifft  Ludwig  I.  v.  Bayern.')  —  73)  L.  Fränkel,  E.  vergessener  deutscher  Publizist.  Z.  100.  Wiederkehr  v. 
Heinrich  Königs  Geburtstag:  AZg  N.  146».  —  74)  W.  Lang,  Gustav  Kolb.  (=  Von  u.  aus  Schwaben.  6.  [S  o.  IV,  2  N.  215a] 
S.  86—134.)  —  75)  X  M.  G.  Saphir,  Album  geselliger  Thorheiten.  (=:  Meyers  Volksbücher.  N.  720.)  Leipzig,  Bibl  Ii..-:t.  160, 
66  S.  M.  0,10.  (=  Ausgew.  Schriften  (1870i  2*,  S.  137-222.)  -  76)  id.,  Genrebilder.  Jokoses  u.  Sentimentales.  (=  Meyers 
Volksbücher  N.  717.)  Leipzig,  Bibl.  Inst.  16».  62  S.  M.  0,10.  (=  Ausgew,  Schriften  S*,  S.  16:i— 235;  6*.  S.  7-17.)  —  77)  X 
id„  Humoristische  Vorlesungen.  (=  Meyers  Volksbücher  N.  718/9.)  Leipzig,  Bibl.  Inst,  160.  103  S.  M.  0,20.  (=  Ausgew.  Schriften 
4<,  S.  161—253;  5*,  S.  7—51.)  —  78)  X  id.,  Humoristische  Vorlesungen.  3.  Bändchen  (=  Univ.- Bibl.  N.  2603.)  Leipzig,  Reolam. 
160.   111  s.  M.  0,20.  -  79)  (IV,  1  N.  95.)  - 


106  IV,7:  F.  Muncker,  Klopstock. 

IV,7 

Klopstock. 

Franz  Muncker. 

Biograpliie  N.  1.  —  Verhältnis  zur  Musik  N.  6.  —  Odeupoosie  N,  7.  — 

Für  die  Vermehrung  unserer  Kenntnis  von  Klopstocks  Leben  und  Dichtungen 
lieferte  die  Htterargeschichtliche  Forschung  des  Berichtsjahres  nur  eine  geringe  Aus- 
beute. Die  Beiträge  zur  Biographie  des  Dichters  bringen,  soweit  sie  wissenschaftlich 
nicht  ganz  wertlos  sind  i),  besonders  Ergänzungen  zu  Munckers  Buch  über  Klopstock 
oder  genauere  Ausführungen  einzelner  daselbst  kürzer  behandelten  Partien.  So  beson- 
ders ein  Vortrag  von  Tschirsch  2)  über  Klopstocks  Stellung  zu  Friedrich  dem  Grossen ; 
der  Hauptgewinn  der  Arbeit  dürfte  in  dem  richtig  erbrachten  Nachweise  einer  von 
Muncker  bereits  flüchtig  angedeuteten  Thatsache  liegen,  dass  nämlich  auch  die  ,, Gelehrten- 
republik" (erster  Morgen  des  letzten  Landtages)  einen  unmittelbaren  Angriff  des 
Dichters  auf  den  französisch  schreibenden  König  enthält,  einen  Angriff,  den  frühere 
Forscher  irrtümlich  auf  Wieland  gedeutet  haben.  —  An  Munckers  Buch  knüpft  ferner 
ein  dankenswerter  Aufsatz  L.  Fränkels  3)  an,  der  eine  Auswähl  verschiedener  Bücher 
und  Abhandlungen  aufzählt,  die  für  die  Biographie  Klopstocks  in  Betracht  kommen, 
lieber  die  wissenschaftliche  Bedeutimg  und  Brauchbarkeit  mancher  der  hier  genannten 
Arbeiten  mag  man  freilich  anderer  Meinung  sein  als  F.,  und  diese  Erkenntnis  ihrer 
Geringwertigkeit  war  auch  der  Hauptgrund  für  Muncker  gewesen,  obwohl  er  die  meisten 
Nummern  kannte,  sie  in  seiner  Biographie  nicht  zu  verzeichnen,  zumal  er  es  dort  von 
vornherein  nicht  auf  eine  vollständige  Bibliographie  abgesehen  hatte.  —  V^on  Klopstocks 
Verhältnis  zur  französischen  Revolution  und  den  Oden,  die  es  beleuchten,  handelt  ein 
populär  geschriebener  Aufsatz  4)^  der  gut  gemeint  ist,  aber  kaum  etwas  Neues  enthält.  — 
Auch  aus  W.  Kaweraus  5)  novellistischer  Skizze  ,,Der  Messias  in  Magdeburg"  lernt 
der  wissenschaftliche  Forscher  nichts  Neues;  aber  er  wird  es  dem  Vf.  danken,  dass  er, 
gestützt  auf  die  genaueste  Kenntnis  der  litterarischen  Verhältnisse  in  Magdeburg,  in 
einer  einfachen,  hübsch  erzählten  Geschichte  ein  Bild  des  dortigen  Lebens  von  17G3 
entwirft,  als  Friedrich  IL  und  Klopstock  zugleich  in  der  Stadt  weilten,  ein  Bild,  das 
auch  heute  noch  übereifrige  Klopstockianer  ebenso  wie  vorlaute  Verspötter  der  Klop- 
stockschen  Dichtung  nicht  ohne  Nutzen  betrachten  mögen.  — 

Am  wertvollsten  erscheinen  unter  den  in  der  letzten  Zeit  vorgelegten  Arbeiten 
Kollers^)  Studien  über  Klopstocks  Verhältnis  zur  Musik  und  zu  zeitgenössischen 
Musikern.  Ein  gut  gewähltes  und  im  Ganzen  richtig  bearbeitetes  Thema.  K.  weist  die 
Schranken  von  Klopstocks  musikalischem  Wissen  verständig  nach,  zeigt,  wie  der  Dichter, 
der  die  Musik  eben  nur  vom  Standpunkte  des  Dichters  aus  betrachtete,  die  Vokalmusik 
gegenüber  der  Instrumentalmusik,  bei  welch  letzterer  sich  auch  seine  technische  Un- 
kenntnis bedenklicher  offenbarte,  übermässig  schätzte  und  wie  er  überhaupt  erst  vei'hält- 
nismässig  spät  durch  seinen  freundschaftlichen  Verkehr  mit  Gerstenberg,  mit  Philipp 
Emanuel  Bach  und  besonders  mit  Gluck  zu  einer  gründlicheren  und  ausgedehnteren 
Kenntnis  musikalischer  Werke  gelangte.  Kleine  Unrichtigkeiten  im  einzelnen,  die  zum 
Teil  aus  der  kritischen  Ausgabe  der  Oden  von  Muncker  und  Pawel  berichtigt  werden 
können,  thun  dem  Wert  des  ganzen  Schriftchens  keinen  erheblichen  Eintrag.  Gelegent- 
lich scheint  K.  die  Form  gegenüber  dem  Gehalte  eines  Kunstwerkes  zu  überschätzen. 
Zu  diesem  ästhetischen  Bedenken  mag  sich  ein  historisches  gesellen:  vielleicht  sollte 
auch  der  Einfluss  Klopstocks  auf  den  Umschwung  in  der  deutschen  Liederkomposition 
(durch  Gluck)  bedeutsamer  hervorgehoben  sein.  — 

Ueber  die  Odenpoesie  erschienen  zwei  kleinere  Aufsätze :  im  ersten  giebtEdw. 
Schröder'^)  eine  blosse  Notiz  über  die  in  der  oben  genannten  kritischen  Ausgabe 
(2,  S.  185)  zum  ersten  Mal  mitgeteilte  plattdeutsche  Umdichtung  des  „Vaterlandsliedes"; 
der  andere  enthält  besonders  sprachlich  interessante  Bemerkungen  über  die  Ode  „Für 
den  König".     H.  Schrader^)  sucht  hier  im  Einverständnis  mit  D.  Sanders  den  Versen 


I)  X  K-  W.  Geissler,  Klopstocks  Cidli.  E.  biogr.  Skizze:  ConsMschr.  47,  828—35.  (Gut  gemeint,  aber  olino 
jede  Spur  v.  wirkl.  Kenntnis  d.  Werke,  d.  Briefe  u.  d.  Lebens  Klopstocks  oder  seiner  Gattin.  —  2)  Tschirsch,  Klopstocks 
Stellung  zu  Friedrich  d.  Grossen.  Vortrag  geh.  in  d.  Sitzung  d.  Vereins  f.  Gesch.  d.  Mark  Brandenburg,  am  12  Nov.  1890  (Referat 
DLZ.  11,  S.  1776;  Post  N.  817).  —  3)  L.  Fränkel,  Bibliogr.  Glossen  z.  Klopstockbiographie.  (Mit  bes.  Rücksicht  auf  d.  Schule): 
ZDU.  4,  S.  497—501.  —  4)  By.,  Klop.stock  u.  d,  franz.  Revolution:  HambCorr".  N.  2a.  —  5)  W.  Kawerau,  D.  Messias  in 
Magdeburg.  E.  Gesch.  aus  d.  18.  Jh  :  WJDM.  67,  S.  469—83.  —  6)  0.  Koller,  Klopstockstudien.  1  Klopstock  als  musi- 
kalischer Aesthetiker.  2.  Klopstocks  Beziehungen  zu  zeitgenöss.  Musikern.  (S.-A.  aus  d.  JB.  d.  Landes-Oberrealschule  zu 
Kremsier  1889.)  Kremsier,  Selbstverlag.  1889.  55  S.  M.  1,00.  |  [F.  Muncker:  VMusikW.  6,  S.  144/9.]  |  —  7)  Edw.  Schröder,  Ein 
niederdeutsches  Gedicht  v.  Klopstock:    KBlVNiederdSpr.    14,  S.  74/5.  —  8)    H.  Schrader,    Zu  e.  Stelle  in  Klopstocks  Oden. 


IV,7:  F.  Muncker,  Klopstock.  107 

23 — 24  der  Ode  „Für  den  König"  eine  neue  Erklärung  zu  geben,  die  der  gewöhnlichen, 
auf  Gruber  zurückgehenden  Deutung  schnurstracks  zuwiderläuft.  Der  in  der  That 
rätselhafte  Imperativ  „Stirb!"  wäre  darnach  als  Ausruf  des  „nach  Lorbeern  wiehernden" 
Eroberers  zu  fassen  und  „Donnerer"  auf  eben  diesen  Eroberer,  nicht  auf  Gott  zu  be- 
ziehen. Dieser  Erklärung  steht  mannigfach  die  Interpunktion  im  Wege;  vollständig  be- 
friedigt sie  auch  dem  Sinne  nach  nicht.  Die  Stelle  gehört  zu  den  schwierigsten  der 
ganzen  Odenpoesie  Klopstocks.  Vielleicht  ist  „Stirb!"  als  empörter  Zuruf  des  zürnenden 
Dichters  an  den  Eroberer  zu  fassen  und  statt  einer  Verwünschung  gesetzt;  „Donnerer" 
ginge  auch  in  diesem  Fall  auf  den  „schäumenden  Helden".  —  Ein  Vortrag  des  ver- 
storbenen Nürnberger  Studienrektors  Heerwageh^)  der  unter  anderem  Klopstocks  Ode 
„Der  Kamin"  mit  einigen  einleitenden  Bemerkungen  reproduziert,  mag  zu  der  Zeit  und 
an  dem  Orte,  wo  er  gehalten  wurde  (am  17.  März  1869  im  „Pegnesischen  Blumenorden" 
zu  Nürnberg),  von  unzweifelhaftem  Werte  gewesen  sein,  verdiente  aber  jetzt  in  keiner 
Weise  einen  neuen  Abdruck.   — 


IV,8 

Wieland. 

Franz  Muncker. 

Neue  Funde:  Gedichte  N.  1;  Autocharakteristik  N.  2;  Briefe  N.  5.  —  Ausgaben  N.  12.  —  Forschung:  Geron  N.  16; 
Nachlass  des  Diogenes  N.  17.  — 

Unser  Studium  Wielands  ist  noch  immer  und,  wie  es  scheint,  noch  auf  ge- 
raume Zeit,  erschwert  durch  den  Mangel  einer  historisch-kritischen  Ausgabe,  deren  wir 
gerade  bei  diesem  Dichter  vor  allem  bedürften.  Auch  die  längst  versprochene  Biographie 
B.  SeulFerts,  die  voraussichtlich  in  mehr  als  einer  Hinsicht  einen  neuen  Grund  zu 
unserer  Erkenntnis  Wielands  legen  wird,  lässt  noch  immer  auf  sich  warten.  Dankbar 
verzeichnen  wir  inzwischen  die  mannigfachen  kleineren  Beiträge,  besonders  die  Mitteilung 
neuer  Funde,  die  Jahr  für  Jahr  unser  Wissen  von  Wieland  und  seinen  Werken  im 
einzelnen  mehren.  Die  bedeutendsten  unter  ihnen  aus  dem  Berichtsjahre  verdanken  wir 
Seu'ffert  i).  In  einem  hauptsächlich  dem  Andenken  Wielands  gewidmeten  Hefte  der 
DDichtung  teilte  er  zunächst  zwei  bisher  unbekannte  Gedichte  des  ältesten  Weimarer 
Meisters  mit:  das  eine  in  Hans-Sachsischen  Versen  und  im  leichtesten  Plauderton,  wie 
ihn  Wieland  etwa  seit  den  „Komischen  Erzählungen"  pflegte,  zum  Neujahr  1784  an  die 
Herzogin-Mutter  Anna  Amalia  gerichtet,  das  zweite  in  spanischen  Trochäen,  der 
Prinzessin  Karoline  von  Sachsen-Weimar  wohl  kurz  vor  ihrer  Vermählung  gewidmet, 
beides  Gelegenheitsstücke,  aber  als  solche  ganz  vortrefflich,  das  erste  anmutig,  geistreich- 
schalkhaft,  das  zweite  liebenswürdig-innig  gehalten.  — 

Ganz  besonders  interessant  ist  eine  am  gleichen  Orte  von  Seuffert  2)  abge- 
druckte Auto  Charakteristik  Wielands  von  1757.  Sie  wurde  unter  dem  unmittel- 
baren Eindruck  des  Streites  mit  Uz  niedergeschrieben,  als  Wieland  von  Mendelssohn, 
Lessing  und  andern  namhaften  Schriftstellern  verdiente  Vorw^ürfe  für  seine  litterarische 
Unduldsamkeit  einerntete,  wie  wir  jetzt  nach  der  ausführlichen  und  überaus  gründlichen, 
vielfach  aus  hs.  Quellen  schöpfenden  Einleitung  Sauers^)  zu  seiner  kritischen  Aus- 
gabe der  poetischen  Wei^ke  von  Uz  Schritt  für  Schritt  verfolgen  können.  In  der  Auto- 
charakteristik sucht  Wieland  sich  besonders  mit  der  Erklärung  zu  rechtfertigen,  dass 
er  niemals  auch  nur  durch  eine  Zeile  beleidigen  wollte,  aber  zum  Schutz  der  Wahrheit 
zuweilen  Dinge  schreiben  musste,  die  für  Beleidigung  aufgenommen  wurden.  Schon 
Geiger  4)j  der  über  die  Veröffentlichungen  Seufferts  zusammenfassend  berichtet,  bemerkt 
indess  dazu  richtig,  dass  Wieland,  indem  er  sich  seiner  Haut  wehren  wollte,  Angriff 
und  Verteidigung  leicht  verwechselte.  So  wendet  sich  denn  auch  die  Autocharakteristik 
unmittelbar  nach  jenen  friedlich  klingenden  Worten  grob  genug  gegen  „die  Herren 
Utze,  die  Bibliothecaires  der  Schönen  Wissenschaften,  die  Nicolai,  die  Verfasser  der 
Aesthetischen  Nüsse  und  Bodmeriaden"   als  gegen    Leute,    „die  ihr  niedriges  Hertz  und 


(Mit  e.  Nachwort  d.  Herausgebers)   E.  dunkle  Dichterstelle:  ZDS.  3,  S.  395/8.—  9)  H.  Heerwagen,  Drei  Gedichte  v.  Horaz, 
Opitz  u   Klopstock   (=  Altes  u.  Neues  a   d.  Pegnes.  Blumenorden  [S.  o.  111,5  N.  8]  S.  167—92.)  — 

I)    B.  Seuffert,    Gedichte  v.  Wieland  (aus  seinem  ungedruckten  Nachlass  mitget.):    DDichtung.    8,  S.  254/6.    — 
2)  id.  E.  Auto  Charakteristik  Wielands:  ib.  S.  270/1.  -  3)  S.  o.  1V,2  N.  3.  -  4)  L.  G[eiger],  Wiolandiana:  AZg».  N.  216.  - 


108  IV,8:  F.  Muncker,  Wieland. 

die  elenden  Triebfedern  ihrer  Handlungen  so  wenig  verbergen  können".  Anfschluss- 
roich  ist  in  dem  Aufsatze  sonst  namentlich  das  Urteil,  das  Wieland  damals  über  die 
ersten  sechs  Jahre  seiner  litterarischen  Vielthätigkeit  fällte.  — 

Seuffert^)  veröffentlichte  ferner  genau  nach  dem  Wortlaute  der  Hss.  vier 
Briefe  Wielands,  einen  an  Klopstock  (1753),  der  bereits  die  Verstimmung  zeigt,  in 
welche  sich  der  ehemalige  schwärmerische  Verehrer  des  „Messias"  gegen  dessen  Vf. 
durch  Bodmers  Groll  hatte  fortreissen  lassen;  einen  zweiten  an  Bodmer  (1.  Okt.  1760) 
über  Biberacher  Erlebnisse  und  Verhältnisse,  in  dem  die  Worte  des  Schreibers  kaum 
überall  buchstäblich  genau  genommen  werden  dürfen,  wenigstens  soweit  aus  ihnen  die 
absolute  Unantastbarkeit  von  Wielands  eigener  Handlungsweise  erhellen  soll;  einen 
dritten  an  Böttiger  (21.  Dez.  1806)  über  die  Uebersetzung  der  Briefe  Ciceros,  vornehm- 
lich aufschlussreich  für  die  Sorgfalt,  mit  der  Wieland  auch  hieran  arbeitete;  endlich 
ein  teilweise  durch  Faksimile  nachgebildetes  Schreiben  an  den  Buchhändler  Reich 
(10,  Aug.  1760),  der  den  Verlag  der  „Poetischen  Schriften"  zuerst  übernehmen  sollte.  — 
Diesen  Mitteilungen  reiht  sich  vor  allem  ein  französischer  Brief  Wielands  an  Knebel 
vom  24.  Dez.  1774  an,  den  Gaedertz  6)  mit  andern,  zum  Teil  recht  bedeutenden 
Briefen  von  und  an  Knebel  zuerst  veröffentlicht  und  den  sogleich  darauf  von  Knebel- 
Do  ebe  ritz  '^)  in  seinem  dankenswerten  Lebensbilde  Knebels  entsprechend  verwertet 
hat.  Es  ist  das  Anwortschreiben  des  Dichters  auf  die  begeisterte  Schilderung,  die  ihm 
Knebel  nach  seinem  ersten  Besuche  bei  Goethe  von  dem  neuen  Freunde  gemacht 
hatte.  In  Wielands  Worten  klingt  noch  der  Groll  nach  über  Goethes  Satire  auf  seine 
„Alceste"  und  über  dessen  entschuldigenden  Brief,  den  der  Gekränkte  nur  für  eine 
neue  Verhöhnung  angesehen  hatte.  Gleichmässig  jetzt  angegriffen  von  den  Anhängern 
Klopstocks  und  von  den  Kraftgenies,  deren  Leistungen  er  gern  hätte  Gerechtigkeit 
widerfahren  lassen,  erklärte  er,  nunmehr  vollständig  und  für  immer  auf  die  Freund- 
schaft aller  dieser  jungen  Schriftsteller  verzichten  zu  wollen.  —  Ziemlich  der  gleichen 
Zeit  gehören  zwei  von  Suphan^)  herausgegebene  Briefe  Karl  Augusts  an  Wieland 
an  (23.  Juli  1772  und  29.  Dez.  1774),  die  ältesten  bis  jetzt  bekannten  Schreiben  des 
Fürsten,  für  dessen  frühzeitig  sich  bekundende  eigenartig  bedeutsame  Natur  sie  be- 
sonders interessant  sind.  Sie  zeigen  fem  er,  wie  innig  der  Prinz  gleich  von  Anfang  an 
sein  Verhältnis  zu  Wieland  auffasste,  wie  offen  er  später  auch  Herzenssachen  ihm  vor- 
legte, wie  unumwunden  er  ihm  sein  Urteil  über  Fremde,  über  Goethe,  Klopstock  u.  a. 
mitteilte,  —  Die  Briefe  stammen  aus  dem  Nachlasse  Reinholds,  dessen  reichhaltige 
Korrespondenz  mit  Wieland,  von  R.  Keil  9)  bereits  1885  veröffentlicht,  nunmehr  eine 
neue  Titelausgabe  erlebt  hat,  und  sind  zu  Anfang  des  Jahres  1890  mit  allen  Papieren 
Reinholds  von  dessen  Enkel,  dem  Geheimen  Justizrat  Reinhold  in  Weimar,  dem  Goethe- 
Schiller- Archiv  daselbst  geschenkt  worden  lO).  Dieses  wiu-de  so  durch  etwa  200  Briefe 
von  Wieland,  ferner  durch  zahlreiche  Briefe  von  Karl  August,  Anna  Amalia,  Schiller, 
Kant,  Fichte,  Jean  Paul  u.  a.  bereichert.  —  Dem  Archiv  wurden  ferner  von  einer 
mit  der  Familie  Wieland  verwandten  Dame,  Frl.  Marie  Emminghaus,  Hss.  und 
Briefe  von  und  an  Wieland  zugewendet,  darunter  eine  grössere  Anzahl  von  Briefen 
Anna  Amalias  aus  der  Zeit,  als  Wieland  noch  Prinzenerzieher  wari^).  — 

Von  den  grösseren  Werken  Wielands  wurde  die  „Geschichte  der  Abderiten" 
als  Schlussband  der  von  Muncker  12)  eingeleiteten  Ausgabe  Wielandscher  Schriften  in 
der  „Cottaschen  Bibliothek  der  Weltlitteratiir"  wiedergedruckt.  — Vom  „Oberon"  erschien 
eine  neue  Titelausgabe  mit  den  bekannten  Gabriel  Maxschen  Bildern  13).  — 

In  der  Forschung  über  Wieland  ist  ausser  einigen  Aufsätzen,  die  nur  Be- 
richte über  frühere  Arbeiten  enthalten  14)  oder  bei  sonst  selbständigem  Charakter  den 
deutschen  Dichter  nur  flüchtig  streifen  15),  besonders  eine  Untersuchung  von  Ransohoff  16) 
über  „Geron"  zu  verzeichnen.  Der  Vf  behandelt  darin  erschöpfend  das  Verhältnis 
des  deutschen  Gedichtes  zu  seiner  Quelle,  dem  Auszuge  Tressans  aus  dem  französischen 
Ritterroman  „Gyron  le  courtois",  und  weist  namentlich  die  mitunter  wörtlichen  Ent- 
lehnungen Wielands  aus  seiner  Vorlage  sowie  die  sprachlichen  Veränderungen  des 
deutschen  Textes  in  der  Ausgabe  der  gesammelten  Werke  Wielands  nach.  Eine  zu- 
sammenhängende Untersuchung    der    archaistischen    deutschen  Formen,    die    gerade  im 


5)B.  Seuff er t, Ungedruckte  Briefe  Wielands  (an  Klopstock,  Bodmer,  Böttiger  u.  Reich):  DDielitung  8,  271/5.  —  6)  K.  Th.  Gae- 
dertz, Ungedruckte  Briefe  v.  u.  an  K.  L.  v.  Knebel  aus  d.  J.  1772-1832:  DK.  15,4,  S.  219—35,  349—61.  (Brief  Wielands 
S.  220/3.)  —  7)  H.  V.  Knebel-Doeberitz,  K.  L.  v.  Knebel.  [S.  u.  IV.llb  N.  110.]  (Bes.  S.  24)  —  8)  B.  Suphan,  Aus 
Carl  Augusts  Frtthzeit.  2  Briefe  an  Wieland:  VLG.  3,  S.  611/5.  —  9)  R.  Keil,  Aus  klassischer  Zeit.  Wieland  u.  Reiiihold. 
Orig.mitteill.  als  Beitr.  z.  Gesch.  d.  deutschen  Geisteslebens  im  18.  Jh.  Neue  Ausg.  Leipzig,  Friedrich,  o.  J.  VIII,  368  8. 
M.  6,00.  —  10)  Vgl.  LCBl.  S.  164;  RCr.  29,  S.  119—20  usw.  —  11)  Vgl.  HambCorr.  v.  14.  Jan.  —  12)  Wielands  ges.  Werke 
in  6  Bdd.,  Mit  e.  Einl.  v.  F.  Muncker.  Bd.  6.  (=  Cottasche  Bibl.  d.  Weltlitt.  Bd.  183.)  Stuttgart,  Cotta  312  S,  M.  1,00.  — 
13)  C.  M.  Wieland,  Oberon.  E.  romant.  Heldengedicht  in  12  Gesängen.  lUustr.  v.  Gabriel  Max  u.  Gustav  Closs.  Stuttgart,  Göschen, 
o.  J.  317  S.  M.  4,00.  —  14)  L.  F.  0[fterdinger],  Wielands  Berufung  nach  Weimar:  SchwäbKron.  S.  961.  (Ausfuhrt.  Referat 
über  d.  Arbeit  v.  SeufFert,  VLG.  1,  S.  341—455.)  —  15)  J.  K.  Riedl,  Huon  de  Bordeaux  in  Gesch.  u.  Dichtung:  ZVLR.  NF.  3, 
S.  71—126.  (Ueber  Wieland  nur  d.  Schluss  S.  124/6,  ohne  über  M.  Koch,  D.  Quellenverhältnis  v.  Wielands  Oberon,  irgend- 
wie hinauszukommen.)  —  |6)  G.  Ransohoff,  Untersuchungen  über  Wielands  „Geron":  VLG.  3,  S.  530—41.  —  17)  A.  Mager, 


IV,8:  F.  Muncker,  Wieland.  109 

„Geron"  sehr  stark  hervortreten,  lehnt  er  vorläufig  ausdrücklich  ab.  Die  Frage  nach  der 
Stellung  des  Gedichts  in  Wielands  eigener  litterarischer  und  menschlicher  Entwicklung 
hat  er  kaum  berührt.  — 

Mager  1'^)  stellt  die  Aehnlichkeiten  zwischen  Sternes  Romanen  und  Wielands 
„Nachlass  des  Diogenes"  zusammen.  Eine  willkommene,  wenn  auch  nicht  immer  ge- 
schickt gegliederte  Arbeit.  Die  Motive,  die  Wieland  von  Sterne  entlehnte,  sind,  so 
weit  sie  Einzelheiten  in  der  Handlung  seines  Werkes  bestimmen,  weder  zahlreich  noch 
bedeutend;  auch  die  Charakteristik  des  Wielandschen  „Diogenes"  steht  nur  im  allge- 
meinen unter  dem  Einfluss  der  Lektüre  Sternes.  Hier  schöpft  Wieland  doch  meistens, 
was  M.  wenigstens  hätte  andeuten  sollen,  aus  seinem  eigenen  Wesen,  seiner  eigenen 
Phantasie,  Empfindimg,  Lebensanschauung  und  Erfahrung.  Aber  die  Tendenzen,  die 
er  verfolgt,  sind  denen,  für  die  Sterne  eintritt,  verwandt.  Unmittelbar  auf  den  engli- 
schen Humoristen  deutet  jedoch  die  Sprache  Wielands  im  „Diogenes";  die  Belege  für 
gewisse  stilistische  Eigentümliclikeiten  der  beiden  Schriftsteller  (Figur  der  Häufung 
von  meist  asyndetisch  an  einander  gereihten  Haupt-  oder  Zeitwörtern  oder  kleinen 
Sätzen  zum  Zwecke  genauerer  logischer  Bestimmung  oder  Subdivision;  Vorliebe  für 
Apostrophen;  Unterdrückung  sittlich  anstössiger  Ausdrücke)  bilden  den  interessantesten 
Teil  des  Aufsatzes.  Nur  sollte  M.,  wie  im  ganzen,  so  auch  hier,  methodischer  und 
systematischer  von  umfassender  Einzeluntersuchung  ausgehen  und  neben  dem  end- 
gültigen Text  der  Wielandschen  Schrift  auch  den  Wortlaut  ihrer  früheren  Ausgaben 
sorgfältig  in  Betracht  ziehen,  um  zu  noch  reicheren  und  bestimmteren  Ergebnissen  zu 
gelangen.  — 


1V,9 


Lessing. 

Erich  Schmidt. 
[Der  Bericht  über  die  Erscheinungen  des  Jahres  1890  wird  im  zweiten  Bande  nachgeliefert.) 


IV,10 

Herder. 

Ernst  Naumann. 

Biographisches  N.  1.  —  Geistesleben:  Humanitätsprinzip  N.  3;  Verhältnis  zum  Schulwesen  N.  5;  gennanistische 
Studien  N.  6.  —  Werke:  Predigt  N.  9;  neue  Funde  .N.  10.  — 

Biographisches  ist  wenig  zu  melden.  Aus  Mehrungen  verlautet,  dass  die 
Nachkommen  Herders  das  Geburtshaus  i)  des  Dichters  zu  erwerben  beabsichtigen.  Nach 
erfolgter  Wiederherstellung  soll  das  Haus  der  Stadtgemeinde  überwiesen  werden,  wenn 
sie  seine  weitere  Unterhaltung  übernimmt  und  eine  würdige  Benutzung  anordnet.  — 
In  Bezug  auf  Herders  Verhältnis  zu  Hamann  weist  Rud.  Lehmann  2)  auf  die  per- 
sönliche Innigkeit  ihrer  langandauernden  Freundschaft  hin,  die  Herder  so  oft  Anlass 
bot  zu  rückhaltlosem,  vertrautem  Aussprechen  über  Personen  und  Ereignisse,  dass  sich 
Herders  Lebensschicksale  in  ihrem  Briefwechsel  getreu  widerspiegeln.  — 

Eifriger  war  die  Beschäftigung  mit  dem  Geistesleben  Herders  im  besonderen. 
Herders  Humanitätsprinzip  ist  von  Vesterling  3)  eingehend  behandelt  worden. 
Der  Vf.  verfolgt    den  Begriff   der  Humanität    in    seinem  Entstehen,    seiner  Entwicklung 


Wielands  „Nachlass  des  Diogenes  von   Sinope"   u.  d.  englische  Vorbild.    Abhandl.   z.  20.  JB.  d.  k.  k.    Staats  -  Oberrealschule. 
Marburg  i.  St.  S.  1-15.  — 

I)  DEeiehsanz.  N.  118.    (Nach  d.  DanzZg.)  —  2)  Bud.  Lehmann,  Herder  u.  Hamann:  PrJbh.  65,  S.  266—72.  — 
3)  H.  Vesterling,  Herders  Humanitätsprinzip.  Hallenser  Phil.  Diss.  Berlin,   Kummer.  54  S.    —    4)   X  ö.  Hauff e,  Herder  in 


110  IVjlO:  E.  Naumann,  Herder. 

und  seiner  verschiedenartigen  Ausgestaltung  durch  die  Gesamtreihe  von  Herders  Schriften. 
Die  Anfange  zeigen  sich  bereits  in  den  ersten  Studien  unter  Kant;  während  des  Auf- 
enthaltes in  Bückeburg  tritt  das  Christentum  zunächst  in  spinozistischer  Färbung  in  den 
Humanitätsbegriff  ein;  für  die  Weimarer  Zeit  hat  V.  besonders  die  „Ideen"  4)  als  eine 
Geschichte  des  menschlichen  Verstandes  und  Universalgeschichte  der  Bildung  zu  er- 
läutern. Der  Begriff  der  Humanität  beruht  in  ihnen  auf  der  Vorstellung  einer  mensch- 
lichen Glückseligkeit  und  zwar  bei  ganzen  Völkern  wie  beim  einzelnen  Menschen;  ihre 
Grundlage  bildet  die  natürliche  Organisation  zu  Vernunft  und  Billigkeit.  In  den 
christlichen  Schriften  wandelt  sich  das  Bekenntnis  zur  Religion  eines  Weltheilands  in 
das  Bekenntnis  zur  Religion  des  Stifters  menschlicher  Glückseligkeit;  das  innerste  Be- 
wusstsein  und  das  Gewissen  wird  der  einzig  wahre  Tempel  der  Menschenreligion.  Durch- 
dringender Verstand  und  vollendete  Güte  als  habituelle  Eigenschaften  des  neuen  geisti- 
gen Menschen  machen  nach  den  Auseinandersetzungen  des  Vf.  das  Wesen  des  Herder- 
schen  Humanitätsbegriffes  aus.  Die  objektive  und  universale  Seite  der  Humanität  bilden 
Vernunft  und  Billigkeit,  die  in  der  Form  umfassender  Gemeinschaftsbildung  ihren  ange- 
messensten Ausdruck  finden;  die  subjektive  ist  das  Gefühl  der  menschlichen  Natur  in 
ihrer  Stärke  und  Schwäche,  nicht  ohne  Thätigkeit  und  Einsicht.  Objektiv  kann  die 
Humanität  nur  erreicht  werden,  wenn  jeder  in  sich  das  Persönlichkeitsideal  verwirklicht. 
Die  Zweiteilung  des  materialen  Prinzips,  Vernunft  und  Billigkeit,  lässt  sich  zurückführen 
auf  Herders  psychologische  Unterscheidung  eines  Erkenntnis-  und  eines  Begehrungs Ver- 
mögens. Sein  Verdienst  liegt  in  der  Aufstellung  des  Formalprinzips,  welches  in  dem 
Persönlichkeits-  und  Gemeinschaftsideal  zum  Ausdruck  kommt;  denn  das  letztere  als 
Ideal  der  Zukunft  und  als  formgebender  Endzweck  des  Menschengeschlechts  kann  seine 
Verwirklichung  erst  am  Ende  der  Geschichte  finden  und  stellt  insofern  das  Humanitäts- 
prinzip auf  ethische  Grundlage.  Die  individualistische  Ethik  vertieft  Herder  in  seiner 
Auffassung  des  Individuums,  die  in  dem  Satze  gipfelt,  dass  wir  nicht  Mensch  gewesen 
sind,  bevor  wir  zu  Ende  gelebt  haben.  Die  ästhetisch-künstlerische  Bildung  ist  eine 
Folge,  nicht  eine  Voraussetzung  der  Humanität,  die  Ethik  bildet  ihren  Kern, 
die  Religion  als  eine  Sache  des  innersten  Gewissens  ist  notwendig  mit  ihr  verbunden 
als  eine  Religion  innerhalb  der  Grenzen  der  reinen  Humanität;  diese  ist  für  Herder  das 
Christentum.  — 

In  allgemeinen  Umrissen  erhalten  wir  von  J.  Boehme^)  ein  Bild  von  Herders 
Verhältnis  zum  Schulwesen  seiner  Zeit,  an  dessen  Entwicklung  er  dauernd  Anteil 
zu  nehmen  berufen  war.  Er  suchte  den  Ansprüchen  der  realistischen  wie  der  gym- 
nasialen Bildung  gerecht  zu  werden,  verlangte  aber  genaue  Kenntnis  der  Grammatik 
Einer  Sprache  als  Philosophie  der  Sprache,  ja  als  Logik  und  Philosophie  der  mensch- 
lichen Vernunft.  Wie  er  nach  diesen  Gesichtspunkten  das  Weimarer  Gymnasium  ge- 
staltete, legte  Naumann  in  seiner  Anzeige  der  B. sehen  Schi'iffc  dar.  — 

Die  Anregungen,  welche  Wilhelm  Grimm  aus  Herders  germanistischen 
Studien  entnahm,  behandelt  Steigt).  Durch  die  Neigung  für  das  Volkstümliche  waren 
■  beide,  obwohl  sie  sich  persönlich  nicht  kennen  gelernt,  eng  verbunden.  Seine  Beschäf- 
tigung mit  den  altdänischen  Heldenliedern  führte  W.  Grimm  wiederholt  auf  Herder  zu- 
rück; bei  dem  Liede  „Die  Elfenhöh"  kam  Grimm  sogar  in  die  Lage,  seine  Uebertragung 
mit  der  Herderschen  vergleichen  zu  müssen.  Auch  für  die  Bearbeitung  der  Lieder  der 
alten  Edda,  für  Untersuchung  und  Beurteilung  der  englischen  Volkslieder  hatte  Herder 
den  Weg  bereitet;  in  ihrer  Forschung  nach  Mythologien  und  Kindermärchen  traten  die 
Brüder  Grimm  in  Herders  Fussstapfen.  Wilhelm  trifft  auch  in  seiner  Vorliebe  für  den 
„Cid"  mit  ihm  zusammen;  freilich  ahnte  er  ebenso  wenig  wie  Lachmann,  dass  Herder  nur 
aus  abgeleiteter  Quelle  übersetzte.  —  Herders  Auszüge  aus  der  Edda  benutzt  Suphan'^) 
zu  Berichtigung  der  widersinnigen  Lesart  „Zauberose"  im  fünften  Briefe  des  „Auszuges 
aus  einem  Briefwechsel  über  Ossian  usw."  in  „Zauberase".  — 

Wie  alle  Werke^)  Herders  haben  auch  seine  Predigten  vor  der  Drucklegung 
mannigfache  Umgestaltung  erfahren.  Für  die  vielbesprochene  „Predigt  am  Dankfest  wegen 
des  Erbprinzen  Geburt"  hat  Jacobsen^)  unter  Veröffentlichung  des  ersten  Entwurfs 
die  Abänderungen  nachgewiesen,  die  Herder  auf  Goethes  Bemerkungen  hin  vorgenommen. 
Die  schroffen  Ausführungen  über  den  schwachen  Fürsten,  über  den  schädlichen  Einfluss 
von  Gelehrsamkeit  und  Kunstkenntnis  auf  die  Regierungsthätigkeit  wurden  in  der  ge- 
druckten Rede  gemildert,  mehrfache  Erwähnungen  des  Herzogs  nachträglich  einge- 
schoben. — 


seinen  Ideen  z.  Phil.  d.  Gesch.  d,  Menschheit.  Borna-Leipzig,  Jahnke.  127  S.  M.  1,50.  (Auszug  aus  Herder.)  —  6)  J.  Boehme, 
Herder  u.  d.  Gymnasium.  E.  Stück  aus  d.  Kampfe  d.  realist.  u.  liumanist.  Bildung  am  Ende  d.  vor.  Jh.  Hamburg,  Herold. 
III,  65  8.  M.  1,50.  |[P.  Cauer:  BPWS.  S.  1601 ;  E.Naumann:  ZGyran.  1891,  S.  561/3;  Hang:  BLU.  N.  26.]|  —  6)  K.Steig, 
Wilhelm  Grimm  u.  Herder:  VLG.  3,  S.  573—98.-7)  B.  Suphan,  Zu  d.  Blattern  „V.  deutscher  Art  u.  Kunst":  ib.  S.  503/5.  — 
8)  X  Herders  Ansgew.  Werke  in  6  Bdn.  Mit  e.  biogr.-litt.-hist.  Einl.  v.  J.  Lautenbacher.  Bd.  4—6.  (=  Cottasche  Bibl.  d. 
Weltlitt.  187,'9.)    Stuttgart,  Cotta.    285,  252,  280  S.   jeder  Bd.  M.  1,00     —    9)    A.    .Tacobsen,    Wandlungen  e.  Herderschen 


IV,10:  E.  Naumann,  Herder.  111 

Durch  zwei  neue  Funde  ist  die  Masse  von  Herders  Schriften  vermehrt. 
Seuffert^O)  veröffentlicht  eine  von  ihm  im  Nachlasse  Wielands  entdeckte  Paramythie 
„Die  Bitte  der  Grazien",  Herders  Glückwunsch  zu  Wielands  siebzigstem  Geburts- 
tage. —  Preseniusii)  fand  in  Matthissons  „Erinnerungen"  ein  „Fragment  über  die 
beste  Leitung  eines  jungen  Genies  zu  den  Schätzen  der  Poesie",  welches  Matthisson  in 
Mainz  im  Herbst  1786  von  J.  v.  Müller  hs.  zum  Geschenk  erhalten  hatte.  Inhalt  und 
Schreibart  ist  erfüllt  von  Herderschem  Geiste,  im  einzelnen  finden  sich  in  Herders 
Schriften  die  schlagendsten  Parallelen ;  es  ist  verfasst  zwischen  1776  und  1786  und  zwar, 
wie  F.  mit  Bestimmtheit  annimmt,  von  Herder.  Dagegen  wurde  aber  von  anderer 
Seite  geltend  gemacht,  dass  das  Schriftstück  den  Charakter  eines  Cento  aus  Herders 
Schriften  trage  und  daher  nicht  notwendigerweise  von  ihm  herzurühren  brauche.  — 


IV,U 

Goethe. 

a.  Allgemeines. 

Ludwig  Geiger. 

Goethe:  Stellung  in  der  Weltlitteratur  und  im  geistigen  Leben  unserer  Zeit  N.  1.  —  Verhältnis  zur  Philosophie 
und  Pädagogik  N.  11;  zur  Bibel  N.  18;  zu  den  Juden  N.  22;  zur  Politik  N.  24;  zur  Renaissance  N.  26;  zur  bildenden  Kunst 
und  zu  Künstlern  (Goothebildnisse)  N.  27;  zur  Musik  N.  40;  zum  Ausland  N.  44.  —  Goethewissenschaft  und  Goethe- 
verehrung: Ausland  N.  50.  —  Goethegesellschaft  (Archiv,  Museum,  Goethehaus)  N.  55.  —  Sammelwerke  N.  66.  —  Ausgaben 
N.  73.  —  Denkmale,  Feste  usw.  N.  81.  —  Kompositionen  N.  92.  — 

Goethes  Stellung  in  der  Litteratur  ist  eine  unvergleichliche.  Er  strebt  aus 
dem  Rahmen  der  eigentlich  deutschen  Litteratur  heraus  der  zu  begründenden  Welt- 
litteratur zu.  Lmerhalb  der  deutschen  aber  ist  er  nicht  in  ein  einzelnes  Gebiet  zu 
bannen.  Wie  nichts  Menschliches  ihm  fremd  ist,  so  erscheint  ihm  jedes  litterarische 
Feld,  jedes  Wissensgebiet  vertraut,  in  manchen  Zweigen  der  Kunst  tritt  er  als  Kenner 
auf  und,  was  bei  ihm  unvermeidlich  mit  der  Kennerschaft  zusammenhängt,  als  Förderer 
und  Erweiterer.  Daher  ist  es  billig,  dass  bei  der  Besprechung  der  ihm  gewidmeten 
Arbeiten  zuerst  von  seiner  Stellung  zur  Allgemeinheit  und  von  seinem  Verhältnis  zur 
Wissenschaft  und  Kunst  die  Rede  ist.  Goethes  Stellung  in  der  Weltlitteratur  wäre 
ein  der  Besprechung  würdiger  Gegenstand.  Die  Aufsätze,  die  ihn  behandeln  wollen,  wie 
ein  Essay  des  Grafen  Seh ackl),  oder  zu  behandeln  scheinen,  wie  ein  Artikel  von  Münz 2), 
sind  weit  entfernt  davon,  ihn  zu  erschöpfen,  ja  geben  nicht  einmal  die  richtige  Stellung 
der  Frage.  —  Ueberhaupt  sind  derartige  allgemeine  Arbeiten,  die  mit  Vorliebe  Goethes 
Bedeutung  für  die  eine  oder  die  andere  Seite  des  geistigen  Lebens  unserer  Zeit  er- 
örtern, nicht  selten  ungefüge  Sammlungen  von  Phrasen  und  paradoxen  Anschauungen  3 ), 
dazu  bestimmt,  auf  die  Menge  einen  Eindruck  zu  machen,  aber  nicht  im  stände,  wissen- 
schaftliche Förderung  hervorzurufen.  Bisweilen  dienen  sie  dazu,  Philosophen,  wie 
Brunnhofe r4)  und  Glogau^),  und  Naturwissenschaftlern,  wie  H.  von  Basedow^), 
ilire  Lieblingsmeinungen  zu  stützen,  oder  sie  werden  auch  von  Theologen  und 
Politikern,  diesmal  sind  es  Linde'^)  und  Bewer^),  sei  es  zum  Ausdruck  ihres  Eifers 
gegen    den  Heiden  Goethe  oder  zu  Klopffechtereien  gegen  politische  Gegner  gebraucht, 


Predigt:  ZPTh.  12,  S.  212—24.  —  10)  B.  Seuffert,  D.  Bitte  d.  Grazien.  E.  Paramythie.  Am  5.  Sept.  1803.  Z.  24  Juni  1890 
begrUssen  Reinhold  Köhler  vier  Grazer  Freunde.  7.  S.  Graz,  Styria.  (Nicht  im  Buchhandel.)  —  II)  A.  Fresenius, 
£.  unbek.  Herdersches  Fragment:  „Ueber  d.  beste  Leitung  e.  jungen  Genies  zu  d.  Schätzen  d.  Poesie,"  Vortr.  geh.  in  d.  Ges. 
f.  deutsche  Litt,  zu  Berlin.  Referat:  DLZ.  11,  S.  439  (vgl.  VossZg.  N.  91);  dabei  auch  Bericht  Über  d.  mündl.  Kritik  v. 
0.  Ho  ff  mann  u.  a.  — 

I)  A.  F.  Graf  V.  Schack,  Goethe  u.  d.  Weltlitt  (=  Pandora.  Vermischte  Schriften.  Stuttgart,  Deutsche  Verlags- 
anst.  VI,  491  S.  M.  6,00.  |[AZg.  1889,  N.  351;  ConsMschr.  46,  S.  1342;  DR.  14,4  S. 379;  Ko  ch:  LMerkur.  9,  S.  397;  Schröter: 
BLU.  N.  10;  Harnack:  PrJbb.  66,  S.  309;  N&S.  55,  S.  429;  Erich  Schmidt:  DLZ.  N.  52.]|  S.  3/9.  (Vgl.  noch 
S.  299  f.  303  [Lyrik].)  —  2)  B.  Münz,  Z.  Idee  d.  Weltlitt.:  DeutschZg.  N.  6546.  (Besprechung  v.  Karpeles,  Goethe  in  Polen.) 
—  3)  S.  0.  1,5  N.  53.  —  4)  H.  Brunnhofer,  Goethes  Bildkraft  im  Lichte  d.  ethnologischen  Sprach-  u.  Mythenvergleichung. 
Neue  Goetheschriften  N.  1.)  Leipzig,  Rauert  &  Rocco.  57  S.  M.  1,50.  —  5)  G.  Glogau,  lieber  Goethe.  Studie  Z.Entwicklung 
d.  deutschen  Geistes:    ZPhilos.  97,    S.  1—24.    —    6)    H.  v.  Basedow,   D.  Einfluss  d.  Naturwissenschaft  auf  d.  Litt.  u.  deren 


112  rV,lla.:  L.  Geiger,  Goethe:  Allgemeines. 

die  durch  ihi-e  hervorragende  Stellung  oder  ihre  grosse  geistige  Bedeutung  den  kleinen 
Kämpfer  gereizt  haben.  Nützlicher  ist  es,  wenn  solch  allgemeine  Betrachtungen,  solange 
sie  des  eigentlich  wissenschaftHchen  Wertes  entbehren,  zu  praktischen  Vorschlägen 
führen,  z.  B.  einer  Feier  von  Goethes  Geburtstag  d\irch  Bücherverteilungen,  Auiführungen, 
Deklamationen,  für  die  Geiger^)  eintrat,  oder  wenn,  wie  es  durch  von  Loeperio)  ge- 
schah, in  feierlicher  Testesstimmung  eine  gedankenvolle  Parallele  gezogen  wird  zwischen 
der  Stätte,  wo  Goethe  den  grössten  Teil  seines  Lebens  zubrachte,  und  dem  Orte,  der 
als  Hauptstadt  des  Deutschen  Reichs  in  erster  Linie  dazu  berufen  ist,  auf  grosse  natio- 
nale Ziele  hinzuarbeiten.  — 

Eine  solche  Betrachtungsweise  deutet  das  Verhältnis  an,  in  dem  Goethe  zu  der 
allgemeinen  geistigen  Entwicklung  steht.  Goethe  war  kein  Schöpfer  eines  neuen  selb- 
ständigen philosophischen  Systems.  Aber  die  ethischen  Probleme  beschäftigten  ihn 
so  oft  und  so  lange,  dass  eine  Zusammenstellung  seiner  diesen  Problemen  gewidmeten 
Auseinandersetzungen  mehrfach  versucht  worden  ist.  Das  Ergebnis,  zu  dem  MelzerU) 
kommt,  bleibt  freilich,  dass  Goethe  zeitlebens  ein  Suchender  blieb,  birgt  aber,  worauf 
Sem  1er  12)  aufmerksam  macht,  den  tröstlichen  Satz  in  sich,  dass  er  den  anderen  gleich 
ihm  Suchenden,  nicht  den  Fachleuten,  ein  erwünschter  Führer  sein  mag  13-15),  —  Einem 
Zweige  der  Philosophie,  der  Pädagogik,  wandte  Goethe,  der  auch  gern  den  praktischen 
Erzieher  spielte  16),  seine  besondere  Aufmerksamkeit  zu.  Es  war  ein  glücklicher  Gedanke, 
im  Hinblicke  auf  die  Bestrebungen  und  Kämpfe  der  Gegenwart  die  „Sprüche"  zusammen- 
zustellen und  zu  betrachten,  in  denen  Goethe  die  Beschäftigung  der  Jugend  mit  den 
alten  Sprachen  als  nützlich,  ja  notwendig  erklärte.  —  Wenn  in  der  ebengenannten  Ab- 
handlung ein  jüngerer  Philosoph  Goethe  zur  Seite  gestellt  wird,  so  wird  in  einer  andern 
fleissigen  Untersuchung,  die  Schneegei"^)  vorlegt,  das  Verhältnis  Goethes  zu  einem 
seiner  Vorgänger  und  zwar  einem,  dem  er  am  meisten  verdankt,  Spinoza,  erörtert.  An 
Suphans  glückliche  und  grundlegende  Darstellung  anknüpfend  geht  S.  systematisch  vor 
und  zeigt  die  einzelnen  Uebereinstimmungen  und  Abweichungen  auf,  vor  allem 
in  der  Auffassung  der  Unpersönlichkeit  der  Gottheit.  Für  den  Litterarhistoriker  sind 
philosophisch  technische  Ausdrücke  störend,  wie:  „den  Pantheismus  Spinozas  wird  man 
einen  ideal  -  logischen,  den  Herder  -  Goetheschen  Pantheismus  einen  real  -  dynamischen 
nennen  dlirfen".  Er  wird  sich  auch  gegen  das  Vertrauen  wehren  müssen,  das  Falks 
Zeugnis  entgegengebracht  wird,  und  einem  zufälligen  Zusammentreffen  Eckermanns  mit 
jenem  andern  Weimarer  Berichterstatter  keinen  sonderlichen  Wert  beilegen.   — 

Mit  so  selbständiger  Forschung  Goethe  den  alten  Glaubensurkunden  entgegen- 
trat, so  behielt  er  doch  zur  Bibel  bis  in  sein  hohes  Alter  jenes  persönliche  Verhältnis, 
das  er  bereits  in  früher  Jugend  geknüpft  hatte.  Wie  biblische  Anklänge  in  seiner 
Sprache  fortwirken,  hatte  einer  der  geistreichsten  Goetheforscher  vor  Jahren  dargethan. 
An  einen  kleinen  Nachtrag  des  Theologen  Hauff  18)  schliesst  sich  nun  eine  fieissige 
ZusammensteUung  Henk  eis  1^-20)  an,  die  die  Wahl  biblischer  Stoffe,  Motive,  Probleme 
auseinandersetzt,  hauptsächlich  aber  bemüht  ist,  die  in  den  einzelnen  Dichtungen,  Briefen, 
Tagebüchern,  Gesprächen  vorkommenden  Sentenzen  des  alten  und  neuen  Testaments, 
nach  den  Büchern  beider  geordnet,  aufzuzählen2i).  — 

Schon  durch  das  Studium  der  Bibel  empfing  Goethe  Veranlassung,  sich  mit 
Schicksal  und  Zustand  der  Juden  zu  beschäftigen.  Was  er  über  sie  dachte,  wie  er 
mit  Vertretern  und  Vertreterinnen  aus  diesem  Stamme  verkehrte,  hat  Geiger^^)  aus- 
führlich dargelegt.  Es  ist  schade,  dass  diese  Ausführungen,  die  allerdings  ursprünglich 
in  einer  den  litterarischen  Fachgenossen  wenig  zugänglichen  Zeitsclu-ift,  im  ersten  bis 
dritten    Bande    der    ZGJuden,    abgedruckt    waren,    einem    neuen    Bearbeiter    desselben 


Kunstprincip.  I.  Goethe  u.  Schiller  u.  ihre  Zeit:  KritJbb.  1,2  S.  27—33.  —  7)  J.  Linde,  Goethe  u.  d.  Kreuz.  Goethe  u.  d. 
Schwarzen:  Vaterland.  N.  60,  63.  —  8)  M.  Bewer,  Bismarck,  Moltke  u.  Goethe.  E.  kritische  Abrechnung  mit  Dr.  G.  Brandes. 
Düsseldorf,  Bagel.  58  S.  M.  1,00.  |[Grenzb.  49,  2,  S.  528;  HambCorr.  N.  352;  Deutschland  1,  S.  592;  Müller:  BLU.  N.  49; 
KreuzZg.  N.  227;  StrassbPost.  N.  1541;  TglRs.  N.  130;  Post  N.  150;  Bohemia".  N.  138;  AZg.  N.  234«.]  i  (Bezieht  sich  auf 
G.  Brandes,  Generalfeldmarschall  Graf  v.  Moltke,  krit.  beleuchtet,  deutsch  v.  E.  Jonas.)  —  9)  L.  Geiger,  Zu  Goethes  Geburtstag. 
AZg".  N.  238.  —  10)  G.  V.  Loeper,  Berlin  u.  Weimar.  Vortr.  geh.  in  d.  General-Versammlung  d.  Goethe-Gesellsch.  zu  Weimar 
31.  Mai  1890:  DRs.  64,  S.  30/9.  —  II)  E.  Melzer,  Goethes  ethische  Ansichten.  E.  Beitr.  z.  Gesch  d.  Philosophie  unserer 
Dichterheroen.  Neisse,  Graveur.  VII,  44  S.  M.  0,50.  |[Grenzb.  49,3,  S.  382;  Traub:  LMerkur.  10,  8.  256.]i  (S.-A.  aus  d. 
25.  Bericht  d.  Neisser  wiss.  GsBellsch.  Philomathie.)  —  12)  Ch.  Semter,  D.  Weltanschauung  Luthers  u.  Goethes  u.  ihre 
Bedeutung  für  unsere  Zeit:  (=  Zeit-  u.  Streitfragen.  NF.  H.  63.)  Hamburg,  Verlagsanstalt.  (S.  o.  11,6  N.  73.)  —  13)  X  E.  W., 
Goethes  Weltanschauung  u.  ihre  Bedeutung  für  unsere  Zeit:  AZg".  N.  97.  (Analyse  d.  Semlerschen  Arbeit.)  —  14)  X  Goethes 
ethische  Ansichten:  PKZ.  N.  39.  —  15)  X  L.  Habicht,  Goethe  als  Erzieher:  DHausfrauenZg.  N.  1/2.  —  16)  Goethe  u. 
Schopenhauer  über  d.  sog.  Schulfrage:  AZg".  N.  271.  —  17)  G.  Schneege.  Goethes  Verhältnis  zu  Spinoza  u.  seine  philosoph. 
Weltanschauung:  PhilosMh.  27,  S.  385—409;  513—27.  —  18)  G.  Hauff,  Bemerkk.  zu  Victor  Hehns  Aufsatz  „Goethe  u.  d. 
Sprache  d.  Bibel" :  GoetheJb.  11,  S.  176/9.  —  19)  H.  Henkel,  D.  biblische  Bilder-  u.  Sentenzenschatz  in  Goethes  Schriftan : 
NJbbPhPad.  8.  174-86;  248—58.  —  20)  id.,  Goethe  u.  d.  Bibel.  Leipzig,  v.  Biedermann.  III,  84  S.  M.  2,00.  |LCB1.  N.  38; 
Grenzb.  49,  4,  S.  78.]|  —  21)  X  E.  Karpeles,  Goethe  als  Bibelforscher.  E.  Vortr.  (=  Qemeinverst.  Schriften  z.  Erkenntnis  d 
Vergangenheit  n.  Gegenw.)  Berlin,  Engel.  SOS.  M.  0,50.  |[6eiger:  MLJA.  59,  S.  207  ;  KreuzZg.  N.  79.]  |  (Bes.  gegen  Gtethes  Auf- 
satz , Israel  in  d.  Wüste*.)— 22)  L.  Geiger,  Goethe  u.  d.  .Juden.  (r=  Vortrage  u.  Versuche  [s.  o.  IV,  1  N.  76]  S.  215—81.)  — . 


IV,lla:  L.  (jreiger,  Groethe:  Allgemeines.  Ilii 

Gegenstandes,  Babad^s)^  nicht  bekanntwurden,  und  noch  mehr  schade,  dass  diese  neue 
Bearbeitung  mit  überflüssigen  polemischen  Zuthaten  versehen  ist.  — 

Goethes  geringe  Neigung  für  die  Juden  erklärt  sich  nicht  aus  seinen  poli- 
tischen Anschauungen,  aus  stark  ausgeprägter  deutsch-nationaler  Gesinnung.  Er  war, 
wie  dies  in  ruhigem  Ton  von  K.  J.  Schröer2't)  sowohl  gegen  die,  die  Goethe  gern 
zum  Chauvinisten,  als  gegen  die,  die  ihn  zum  Vaterlandslosen  stempeln  wollen,  ausein- 
andergesetzt worden  ist,  weder  Höfling  noch  Volksfeind.  Vielmehr  bewahrte  er  auch 
den  Höchsten  gegenüber  seine  Maimeswürde,  verlangte  nach  Freiheit  des  Individuums 
und  der  Gesamtheit,  freilich  im  Gegensatz  zu  allem  Revolutionären.  Er  war  nicht  ein- 
seitig national,  sondern  human  und  bestrebt,  von  diesem  Humanismus  aus  auch  die 
nationale  Erage^S)  zu  lösen.  — 

Von  solcher  Gesinnung  getragen  musste  Goethe  sich  aus  der  Gegenwart  zur 
Vergangenheit  flüchten  und  gerade  zu  denjenigen  Zeiten,  die  die  Humanitätsgedanken 
am  deutlichsten  ausgeprägt  haben:  zum  Altertum  und  zur  Renaissance.  Seine  Stellung 
dem  ersteren  gegenüber,  oft  dargestellt,  ist  gerade  in  dem  Berichtsjahre  nicht  neu  be- 
handelt worden.  Ein  Aufsatz  Geigers^ß)  über  Goethes  Verhältnis  zur  Renaissance 
dagegen,  zu  den  italienischen  und  deutschen  Dichtern  jener  Tage,  zu  den  Kunstbe- 
strebungen, der  Ideen-  und  Empfindungsweise  dieser  angeregten  Zeit  ist  in  des  Vf. 
„Vorträgen  und  Versuchen"  neu  vorgelegt.  — 

Unter  den  bildenden  Künsten,  die  er  besonders  in  Italien  bewunderte,  war 
Zeichnen  ihm  die  vertrauteste.  Zwei  seiner  Silhouetten,  nämlich  die  des  Syndikus 
Treuter  und  seiner  Gattin,  sind  neuerdings  durch  0.  Harnack^^)  erwähnt  und  gewürdigt 
worden.  —  Die  Sehnsucht  nach  ItalienSS)^  die  ihn  niemals  verliess,  hatte  ihre  erste  An- 
regung durch  die  italienischen  Prospekte  erhalten,  die  der  Vater  besass;  es  ist  als  ein 
glücklicher  Umstand  auf  Grund  einer  Mitteilung  von  J.  Proelss29)  zu  erwähnen,  dass 
diese  wiedergefunden  worden  sind.  —  Goethes  Beziehungen  zu  Italien  hörten  nicht  auf, 
nachdem  er  den  klassischen  Boden  verlassen.  Eine  wundervolle  Gabe  ist  die  durch 
0.  Harnack^O)  gebotene  Mitteilung  der  Briefe,  die  Goethe  nach  Italien  schiieb  und 
aus  Italien  empfing.  Künstler  und  Gelehrte  sind  die  Korrespondenten,  in  den  Briefen 
wird  Künstlerisches  und  Persönliches  erörtert.  Die  Anregungen,  die  Goethe  gab,  er- 
scheinen fast  ebenso  merkwürdig  wie  die,  die  er  empfing;  die  Begeisterung,  die  er 
durch  seine  Erscheinung,  sein  Gespräch  und  Wirken  erregte,  kommt  wiederum  in  der 
glühenden  Sehnsucht  zum  Ausdnick,  die  bei  seinem  Scheiden  nach  ihm  laut  wurde.  — 
Denn  das  ist  das  Eigenartige  auch  Künstlern  gegenüber,  dass  aus  einem  Austausch 
von  Kunstansichten,  geschäftlichen  Beziehungen  wie  Gewährung  von  Medaillen  oder 
Bilderbestellung  sich  eine  persönliche  Intimität  entwickelte.  Am  wenigsten  ist  dies, 
wie  sich  aus  einer  von  Gaedertz^i)  gelieferten  kleinen  Schrift  ergiebt,  bei  dem  Maler 
Kolbe  der  Eall,  der,  ein  Prämiierter  der  Weimarer  Ausstellung,  um  die  Wende  des  Jh. 
durch  Pariser  Berichte  sich  dem  Meister  in  empfehlende  Erinnerung  brachte  und  noch 
zwei  Jahrzehnte  später  mehrfach  sein  Bild  schuf.  Klarer  lässt  es  sich  bei  der  von 
Schram32)  behandelten  Angelika  Kauffmann  erkennen,  die  Goethe  eine  rechte  Freundin 
wurde,  den  innigsten  Anteil  an  seinen  Geschicken  nahm,  seine  Werke  verständnisvoll 
auifasste,  sich  ihm  für  viele  Anregungen  dankbar  verpflichtet  fühlte  und  lange  nach  dem 
persönlichen  Zusammensein  den  gewaltigen  Eindruck  festhielt,  den  sie  von  dem  Dichter, 
dem  Kunstbegabten,  dem  bezaubernden  Menschen  erhalten  hatte.  —  Das  bedeutsamste 
Verhältnis  zu  einem  Künstler  ist  das  zu  Rauch.  Eggers^s)  hat  sich  das  Verdienst  er- 
worben, zu  den  früher  von  ihm  veröffentlichten  Briefen  Goethes  die  inhaltreichen  und 
enthusiastischen  Briefe  Rauchs,  manche  interessanten  Schriftstücke  aus  den  beiderseitigen 
Kreisen  und  wichtige  Kunstbeilagen  hinzugefügt  und  dadurch  dieses  menschlich-schöne, 
erhebende  Verhältnis  klargelegt  zu  haben.  —  In  dem  Rauch  -  Goetheschen  Briefwechsel 
spielt  der  „wackere  Schweizer"  Heinrich  Meyer  eine  wichtige  Rolle.  Dieser  schwache 
Künstler  und  grosse  Kunstgelehrte  hat,  mit  Benutzung  seines  reichen  Nachlasses,  eine 
Würdigung  durch  0.  Harnack^^)  erfahren,  die,  wie  es  scheint,  dazu  beitragen  wird, 
dass  man  mit  der    traditionellen  Belächelung  Meyers  bricht.    —    Auch  von  bildlichen 


23)  J.  Babad,  Pro-  u.  Antisemitisches  in  schön  u.  streng  wissenschaftlicher  Litt.:  S.-A.  d.  OestrWs.  Wien,  Oesterr.  Wochenschr. 
53  S.  1[L.  Geiger:  ZGJuden.  5,  S.  113/4.]|  —  24)  K.  J.  Schröer,  Goethes  Stellung  z.  Politik,  z.  Nation  u.  z.  Gegenwart. 
(=  Binl.  zu  Goethes  Werken,  Dramen  6.  Bd.  [DNL.]) :  ChrWGoetheV.  5,  S.  43/4,  47/8,  53.  —  25)  X  Goethes  nationales 
Empfinden:  HambNaehr^.  N.  14.  (Mit  Hinweis  auf  v.  Biedermann,  Goethes  Gespräche.)  —  26)  L.  Geiger,  Goethe  u.  d.  Renaissance. 
(=  Vortrage  u.  Versuche  [s.o.  IV,  IN.  76]  S.  281—318).  —  27)  0.  Harnack,  Zwei  Bildnisse  v.  Goethes  Hand:  GoetheJb  11, 
8.  193/4.  —  28)  X  P.  Th.,  Goethe  in  Italien:  LZg«.  N.  86.  —  29)  J.  Proelss ,  Kennst  Du  das  Land:  AZg.  N.  85.  — 
30)  0.  Harnack,  Z.  Nachgesch.  d.  ital.  Reise.  Goethes  Briefwechsel  mit  Freunden  u.  Kunstgenossen  in  Italien  1788 — 90.  Mit 
vier  Lichtdrr.  (=  Schriften  d.  Goethe-Ges.  her.  v.  B.  Suphan.  Bd.  5.)  Weimar,  Goethe-Gesellschaft.  XXXII,  259  S.  (Nicht 
im  Handel.)  —  3l)  K.  Th.  Gaedertz,  Goethe  u.  d.  Maler  Kolhe.  Bremen,  C.  E.  Müller.  42  S.  M.  2,50.  [[Gegenw.  N.  7; 
L.  Geiger,  MLJA.  59,  S.  206;  W.  v.  Oe  ttingen:  DLZ.  11,  S.  599;  LCBl.  S.  631/2  ;  Kunstchron.  NF.  1,  S.  321.]|  —  32)  W.  Schräm, 
D.  Malerin  Angelika  Kauffmann.  E.  Lebensbild  nach  d.  Quellen  bearb.  u.  durch  15  Briefe  von  u.  an  Angelika  beleuchtet- 
BrUnn,  Rohrer.  III,  64  S.  mit  Bild.  M.  1,50.  —  33)  K.  Eggers,  Rauch  u.  Goethe.  Urk.  Mitteill.  Mit  6  Lichtdrucktafeln. 
Berlin,  Fontane.  XIV,  251  S.  M.  4,00.  |[L.  Geiger:  Nation».  N.  39;  H.  DUntzer:  Gegenw.  N.  34;  W.  LUbke:  AZg».  N.  44.]l 
Jahresberichte  ftlr  neuere  deutsche  Litteraturgeschichte  1 '-  ,  O 


114  IVjlla:  L.  Geiger,  Croethe:  Allgemeines. 

Darstellungen  Goethes,  die  neu  aufgefunden  oder  neu  in  den  Handel  gebracht  sind, 
war  im  Berichtsjahr  die  Rede.  Die  von  Schadow  1816  angefertigte  Bildnismaske  ^5)^  ein 
1810  von  Kügelgen  gemaltes,  aus  Zelters  Nachlass  stammendes  Porträt 36) ,  ein  in 
Wien  verkäufliches  Bild  37),  die  vom  Leipziger  Museum  angekaufte,  im  Sommer  1820 
von  ßauch  vollendete  Goethebüste 38),  die  sogenannte  „Atempo-Büste",  wurden  besprochen. 

—  Die  hierdurch  und  durch  frühere  Veröffentlichungen  ersv'eckte  Aufmerksamkeit  gab  zu 
Servaes'39)   feinsinniger  Würdigung  Rauchs  als  Goethebildner  Veranlassung.  — 

Weniger  denn  auf  dem  Gebiete  der  bildenden  Kunst  sprach  Goethe  auf  dem: 
der  Musik 40)  als  ein  Wissender.  Interessante  Briefe  einzelner,  Goethe  besonders  nahe- 
stehender Musiker  sind  im  Berichtsjahre  nicht  veröffentlicht  worden.  Nur  die  Be- 
ziehungen zu  Beethoven,  schon  früher  dargelegt,  werden  von  Trimm el^i)  aufs  neue 
ausführlich  geschildert42-43).  — 

Die  Weltstellung  Goethes  wird  ausser  durch  diese  Beziehungen  zu  Wissen- 
schaften und  Künsten  durch  seine  Verbindung  mit  Vertretern  des  Auslandes  dargelegt. 
Was  zunächst  die  Anregungen  betrifft,  so  ist  Italien  44)  bereits  genannt  (vgl.  o.  N. 
28 — 30).  Aber  mehr  als  Italien  war  Englands  Litteratur  auf  Goethe  von  Einfluss,  oder 
richtiger  der  Schriftsteller  Englands:  Shakespeare.  Schöne  Worte  über  Goethes  und 
Shakespeares  Grösse  sind  von  einem  Engländer,  Blackie45),  gesprochen.  —  Eine  gute 
Zusammenstellung  meist  bekannter  Dinge  bis  zum  Abschluss  von  Goethes  erster  Periode 
(1775)  findet  sich  in  einer  Dissertation  von  B.  Wagener  46-47),  —  Nicht  als  Empfangen- 
der, sondern  als  Spendender  tritt  Goethe  den  östlichen  Ländern  gegenüber.  Gar  mannig- 
fach traten,  wie  Meisner 48)  G.  Karpeles  nacherzählt,  Polen  bei  ihm  ein,  erzählten 
später  von  den  Besuchen  bei  ihm  und  eröffneten  seinen  Werken  ein  neues  Land.  —  In 
Russland,  von  dessen  Beziehungen  zu  Goethe  0.  Harnack49)  berichtet,  dichtete 
Alexander  Puschkin  eine  Eaustscene;  ihm  ist,  wie  vermutet  wurde,  das  Gedichtchen 
„Goethes  Eeder  an  **"  gewidmet;  N.  Borchardt,  der  1828  viel  für  die  Würdigung 
Goethes  in  Russland  that,  erhielt  von  dem  Gefeierten  ein  freundliches  Schreiben.  — 

Auch  die  Betrachtung  der  Fortschritte,  welche  die  Goethewissenschaft  und 
die  Goetheverehrung  als  solche  gemacht  haben,  darf  den  Blick  auf  dem  Auslande 
ruhen  lassen.  In  weit  höherem  Grade  als  früher  steht  Goethe  gegenwärtig  im  Aus- 
land im  Mittelpunkt  des  litterarischen  Interesses.  Zeugnis  davon  legen  die  zahlreichen 
Uebersetzungen  seiner  Werke  im  Osten,  Süden  und  Westen  E\iropas,  auch  in  Amerika 
ab.  Erfreulich  ist  es  festzustellen,  dass  in  Spanien  und  Italien  die  litterarische  Forschung 
sich  namenthch  dem  „Faust"  zuzuwenden  beginnt.  Eine  noch  erfreulichere  Thatsache 
ist  das  Erscheinen  von  Ausgaben  deutscher  Texte  mit  trefflichen  kritischen  und  litterar- 
geschichtlichen  Beigaben  besonders  in  Frankreich.  Das  Erfreulichste  aber  war  (leider 
muss  schon  von  einem  Vergangenen  gesprochen  werden)  das  Bestehen  einer  enghschen 
Goethegesellschaft 50) j  die  in  Versammlungen  und  besonderen  Publikationen  für  das 
Studium  Goethes  thätig  war.  51-54)  — 

Der  kurzlebigen  englischen  mag  die  nun  bald  sechs  Jahre  bestehende,  in 
erfreulichem  Aufschwung  begriffene  deutsche  Goethe-Gesellschaft  55)  angereiht  werden. 
Von  einer  ihrer  Publikationen  ist  schon  die  Rede  gewesen  (vgl.  o.  N.  30).  Eine  Pflicht 
der  Pietät  ist  es,  einer  Verblichenen,  der  von  Franz  Liszt  begründeten  Goethe -Stiftung  zu 
gedenken56),  die  freilich  wesentlich  aRdere  Ziele,  Stellung  künstlerischer  Preisaufgaben 
verfolgte.  Die  fünfte  Generalversammlung  der  Goethe-Gesellschaft,  die  in  Weimar  am 
31.  Mai  1890  stattfand,  wurde  häufig  beschrieben  57)  und  gab  Anlass  zu  mancherlei  Be- 
trachtungen 58).  Die  Festrede  V.  Loepers  wurde  schon  angeführt  (vgl.  o.  N.  10); 
Suphans59)  Bericht    über    das,.fjoethe-  und  Schiller-Archiv  that  dar,    dass    nicht 

—  34)  0.  Harnack,  Goethe  u.  Heinrich  Moyer:  PrJbb.  64,  S.  629—43.  —  35)  VossZg.  N.  330,  333.  —  36)  E.  vortreffliches 
PortrUtv.  Goethe:  NatZg.  N.  296.  (Vgl.  WeserZg.  N.  16610;  FrankfJ.  N.  389.)  —  37)  E.  Goethe-Bild  verkäuflich:  ChrWGoetheV. 
6,  S.  20.  —  38)  D.  Bauchsche  «oethebüste:  LZg.  N.  88.  (Vgl.  FrankfJ.  N.  291;  KZg.  N.  110;  NatZg.  N.  270.)  —  39)  F.  Servaes, 
Bauch  als  Goethebilduer:  VcssZgS.  n.  16.  —  40)  X  J-  W.  v.  Wasiliewski,  Goethes  Verhältnis  z.  Musik:  ■WEsDramKLM. 
11,  S.  233/4.  (Abdruck  aus  d.  BLehrerZg.;  Auszug  aus  e.  vor  Jahren  erschienenen  Vortrag.)  —  41)  Th.  Frimmel,  Neue 
Beethoveniaua.  Neue  Ausg.  mit  2  ungedr.  Briefen  Beethovens  an  Goethe.  Wien,  Gerold.  VIII,  370  mit  6  Abhildd.  M.  10,00. 
(S.  335—57.)  —  42)  X  Zwei  ungedruckte  Briefe  Beethovens  an  Goethe:  HanibMusikZg.  3,  N.  17.  (Jedenfalls  Neudruck  d. 
Briefe  aus  N.  41.)  -  43)  X  Beethoven  u.  Goethe:  HauszHaus.  3,  N.  40.  —  44)  0.  Bulle,  Goethe  e  l'Italia:  NAnt.  26, 
S.  612-36.  -  45)  J.  Stuart  Blaekie,  Ueber  Goethe  u.  Shakespeare:  BerlTBl.  N.  285.  -  46)  S.  u.  FV,  lle  N.  5.  -  47)  X  H. 
TUrck,  U.  psychologische  Problem  in  d.  Hamlettragödie.  Leipzig-Beudnitz,  Hoffmann.  84  S.  M.  1,50.  (Berülirt  Goethes  Auf- 
fassung Hamlets  in  „Wilhelm  Meister".)  —  48)  Meisner,  Goethes  Beziehungen  zu  Polen  u.  sein  Einfluss  auf  d.  polnische  Litt.: 
ZHGPosen.  5,  S.  339—42.  —  49)  0.  Harnack,  Goethes  Beziehungen  zu  russischen  Schriftstellern:   ZVLR.  NF.  3,  S.  269-74. 

—  50)  Publications  of  the  Goethe-Society.  1886(8:  GoetheJb.  11,  S.  230/1.  —  51)  X  Jahres-Versammlung  d.  englischen  Goethe- 
Gesellschaft:  HanuCour.  N.  16460.  —  52)  Manchester  Goethe  society:  Ac.  N.  922,  935,  940,  943.  —  53)  X  E.  Dowden, 
Goethe:  Chambers  Encyclopacdia.  5.  (Unzugänglich.)  —  54)  X  H.  Chotzncr,  E.  moderne  englische  Stimme  über  Goethe 
in  seinem  vorgerückten  Alter:  MLJA.  59,  S.  245/7.  (Ganz  unbedeutend.)  —  55)  Goethe-Gesellschaft:  Meyers  Konversations- 
lexikon. 17,  S.  390.  —  56)  Liszts  Bemühungen  f.  e.  Goethe-Stiftung:  DBs.  64,  S.  102/4.  —  57)  D.  5.  Jahresversamml.  d.  Goethe- 
Gesellschaft  in  Weimar  (od.  »hnl.  Titel):  DLZ.  11,  S.  961;  ClirWGoetheV.  5,  S.  26;  LZg.  N.  124;  P.  Schienther:  VossZg. 
N.  219;  AZg.  N.  153;  StrassbPost.  N.  152;  E.  Straeter:  Post  N.  148;  SchlesZg.  N.  379;  FrankfJ.  N.  400;  KatZg.  N.  315; 
J.  Elias:  MUnchNN.  K.  251/2,  254.  —  58)  X  E.  Straeter,  Goethetage  in  Weimar:  StrassbPost.  N.  163.  (Behandelt  auch 
, Forschung  u.  Krlliiierei.    Aus  d.  Leben  lUr  d.  Leben".)    —    59)    B.  Suphan,    Aus  d.  Goethe-  u.  Schiller-Archiv.    Bf  rieht  d. 


I 


IVjlla:  L.  Geiger,  Goeihe:  Allgemeines.  II5 

bloss  aus  der  Weimarer  Bibliothek  alle  auf  die  Goethezeit  bezüglichen  Schriftstücke 
dem  Archiv  überwiesen,  sondern  dass  durch  Geschenk  und  Kauf  ausserordentlich  viele 
Briefe  und  Manuskripte  der  klassischen  Periode  nach  Weimar  gelangt  sind,  die  zusammen 
mit  den  bereits  vorhandenen  Beständen  die  Verwirklichung  eines  grossen  nationalen 
Litteraturarchivs  uns  nahe  rücken. 60)  —  Auch  das  Goethe-National-Museum  in 
Weimar  fand  in  einem  Italiener,  Zumbinißi),  seinen  begeisterten,  kundigen  Schilderer, 
der  freilich  naturgemäss  die  Italien  betreffenden  Schätze  mit  besonderer  Vorliebe  erwähnt. 
Wiederholt  nahm  Ruland^^)^  (3er  Direktor  der  Sammlung,  Gelegenheit,  die  neuen  Er- 
werbungen und  kleinen  Ausstellungen  anzuzeigen,  durch  welche  die  reichen  Schätze 
vermehrt  und  leichter  zugänglich  gemacht  werden.  —  Auch  das  Frankfurter  Goethe- 
haus empfing  wichtige  Bereicherungen;  die  Versuche,  die  Goethe-Zimmer  möglichst  dem 
Zustande  anzunähern,  in  dem  sie  während  Goethes  Knabenzeit  sich  befanden,  die  Biblio- 
thek des  Herrn  Rats  wieder  zusammenzubringen,  werden  erfolgreich  fortgesetzt 6^);  ein 
witziger  Aprilscherz  6^)  von  dem  Funde  der  Korrespondenz  Goethes  mit  der  ersten  Frank- 
furter Jugendgeliebten  setzte,  wenn  er  auch  auf  manchen  Ungläubigen  stiess^^),  viele  Federn 
in  Bewegung.  — 

Von  Sammelwerken  ist  zunächst  das  von  Geiger  66)  herausgegebene  Goethe- 
Jahrbuch  zu  nennen,  das,  zum  elften  Male,  in  etwas  schmächtigerem  Umfang  als 
sonst  erschienen,  in  seiner  alten  Einrichtung  verblieben  ist.  Es  ist  mit  bildlichem 
Schmuck  versehen  und  zwar  den  Bildern  Goethes,  seiner  Frau  und  seines  Sohnes,  1811 
von  F.  Raabe  gemalt.  Es  enthält:  Neue  Mitteilungen,  nämlich  sechs  Nummern  aus 
dem  Goethe-  und  Schiller-ATchiv,  Dramatisches,  Lyrisches,  Briefe  von  und  an  Goethe, 
sodann  Schriftstücke,  die  an  andern  Orten  bewahrt  werden  und  zwar  Briefe  von  und  an 
Goethe  und  einzelnes  von  Goethes  Eltern,  im  ganzen  60  Nummern;  vier  grössere  Abhand- 
lungen und  elf  Miscellen,  die  sich  auf  Goethes  Leben  und  Werke  im  einzelnen  beziehen ; 
dazu  Nachträge  und  Berichtigungen  zu  früheren  Bänden,  weiter  eine  Chronik  der  Goethe- 
Ereignisse,  (Denkmäler,  Feste,  dramatische  Aufführungen,  Universitätsvorlesungen)  und 
endlich  eine  ausführliche  Goethe-Bibliographie,  wesentlich  der  Litteratur  des  Jahres 
1889  gewidmet,  welche  durch  einen  Bericht  der  Redaktoren  der  Weimarer  Ausgabe  ein- 
geleitet wird.  —  In  einem  Anhang  wird  der  Jahresbericht  der  Goethe-Gesellschaft 
nebst  ihrem  vollständigen  Mitgliederverzeichnis  beigefügt.  —  Weniger  umfassend  ist 
die  von  K.  J.  Schröer^'^)  herausgegebene  Chronik  des  Wiener  Goethe- Vereins,  deren 
vierter  Band  wie  seine  Vorgänger  ausser  Vereinsberichten  und  Mitteilungen  über  das 
geplante  Wiener  Goethe  -  Denkmal  den  Wiederabdruck  älterer  populärer  Aufsätze, 
einzelne  ungedruckte  Stücke  und  kritische  Untersuchungen  enthält.  —  Manche  Aufsätze 
der  genannten  Sammelwerke  erregten  Bedenken.  Daher  hielten  einige  Kritiker,  wie  0. 
BrahmßS).  es  für  geboten,  Weherufe  auszustossen  über  die  Irrwege,  in  welche  die 
Goethe-Forschung  geraten  sei,  indem  sie  namentlich  eine  Mitteilung  des  GoetheJb.  als 
Muster  hinstellten,  wie  es  nicht  gemacht  werden  sollte.  ^9) —  Andere  ^-'^2)  meinten  über- 
haupt, die  Aufgabe  unserer  Zeit  bestehe  in  andern  Dingen,  als  in  der  stets  erneuten 
Beschäftigung  mit  Goethe,  wobei  es  gleichfalls  an  Seitenhieben  gegen  „die  litterarische 
Götzendienerei  unserer  Klassiker  -  Byzantiner  und  Waschzettel  -  Litteraturprofessoren" 
nicht  fehlt.  — 

Gegenüber  solchen  Angriffen  schreiten  die  ernsthaften  Arbeiter  ruhig  ihres 
Weges  fort.  Ihre  wichtigste  Pflicht  besteht  darin,  eine  authentische  Ausgabe  des 
Goetheschen  Lebenswerkes  zu  schaffen.  Sie  ist  bekanntlich  1887  unter  Zugrundelegung 
der  reichen  Schätze  des  Goethe-  und  Schill  er- Archivs  begonnen  worden;  sie  wurde 
auch  in  dem  Berichtsjahr  eifrig  gefördert ''3).   Die  Benutzung  des  ungeheuren  hs.  Materials 


5.  Generalversammlung  d.  Goethe  -  Gesellschaft  erstattet:  WeimZg.  v.  4.  Juni.  —  60)  X  R-  Steiner,  Was  Weimars 
Goethe-Archiv  uns  ist,  auf  Grund  persönlicher  Erfahrung:  ChrWGoetheV.  5,  S.  2.  —  61)  B.  Zumbini,  II  Museo  Goethiano 
Nazionale  in  Weimar.  Memoria  letta  aH'Accademia  di  archeologia,  lettere  e  belle  arti :  AAALA.  14,  S.  193—209.  — 
62)  C.  Buland,  Aus  d.  Goethe-National-Museum:  WeimZg.  16.  Juli,  28.  Aug.,  26.  Nov.  (Tgl.  Post  N.  193,  236; 
Sammler  12,  S.  104.  —  63)  Bericht  d.  Goethehaus-Kommission  an  d.  Hauptversamm).  über  ihre  Thätigkeit  während  d.  Ver- 
waltungsj.  1888/89:  BFDH.  NF.  6,  S.  150/4.  —  64)  Fund  im  Goethehause:  FZg.  N.  91.  93.  130.  —  65)  Bohemia  N.  93; 
HambCorr.  N.  236;  NFrP.  N.  9199.  —  66)  GoetheJb.  Mit  d.  fünften  JB.  d.  Goethe-Gesellschaft  her.  v.  L.  Geiger.Bd.il.  Litter. 
Anstalt,  Frankfurt  a.  M.  X,  279  u.  82  S.  M.  10,00.  —  67)  ChrWGoetheV.  her.  v.  K.  J.  Schröer.  Bd.  4.  Wien.  lUustr.  Wiener 
Extrablatt.  54  S.  M.  4,00.  [[Harnack:  PrJbb.  65,  S.  703;  DDichtung  8,  S.  179;  Buch  ner:  BLU.  N.  32;  Fränkel:  Deutsch- 
land 1,  S.  655,  761,  788;  Chuquet:  RCr.  N.29;  VossZgS.  N.  25;  Wulckow:  BerlTBl.  N.  269.]  |  —  68)0.  Brahm,  Goethe-Philo- 
logie: FrB.  1,  637—40.  (Richtet  sich  besonders  gegen  Zarnckes  Erläuterungen  über  Goethes  Notizbuch  v.  seiner  schlesischen 
Eeise  1790.  —  69)  X  M.  Kalbeck,  D.Waschfrau  d.  Litt.  E.  schüchterner  Beitr.  z.  Goetheforschung:  Bunds.  N.  25.  (Nicht 
zugänglich.)  -  70)  Goethe  u.  noch  immer  kein  Ende.  (=  Neue  litt.  Volkshefte.  Heft  5)  Berlin,  Eckstein.  1889.  36  S.  M.  0,50. 
(Erklärt  d.  Naturalisten  für  Goethefeinde.)—  71)  Nochmals  in  Sachen:  „Goethe  u.  noch  immer  kein  Ende":  Kunstw.  3,  89—90. 
(Citiert  Stellen  d.  Naturalisten  gegen  Goethe.)  —  72)  M.  G.  Conrad,  Nochmals  in  Sachen  „Goethe  u.  immer  kein  Ende": 
ib.  S.  109.  (Verteidigt  sich  gegen  d.  Vorwurf  d.  Goethefeindschaft.)  —  73)  Goethes  Werke.  Her.  im  Auftrage  d.  Gross- 
herzogin V.Sachsen.  I.Abt.,  Bd.  3  (Gedichte,  her.  v.  G.  v.  Loeper);  28  (Dichtung  und  Wahrheit  III,  her.  v.  J.  Bächtold); 
43,  44  (Benvenuto  Cellini,  her.  v.  W.  v.  Oettingen);  2.  Abt.,  Bd.  1,  2  (Z.  Farbenlehre,  didakt.  u.  polem.  Teil,  her.  v.  S.  Ka- 
lischer); 4.  Abt.,  Bd.  6  (Briefe  Juli  1782  bis  Dez.  1784,  her.  v.  E.  v.  d.  Hellen),  Bd.  8  (Briefe  1786  bis  Juni  1788,  her.  v. 
Erich  Schmidt).  Weimar,  Böhlau.X,  448  S.  M.  3,50  (4,60);  III,  376  S.  M.  2,80  (3,80);  XII,  410  S.M.  3,25  (4,40);  XI, 428 S.  M.  3,40 
(4,50);  XL,  399  S.   M.  4,40  (5,50) ;  IX,  318  S.  M.  3,40  (4,20);  XIX,  477  S.  M.  5,00  (6,25)    X,  434  S.  M.  4,50  (5,60).  (Die  einzelnen 


llf)  IV,lla:  L.  G  ei  gel-,  Goethe:  Allgemeines. 

und  die  Mitteilung  des  Ungedruckten  (früherer  Ansätze,  Paralipomena,  absichtlich  ge- 
sirichener  Stücke)  bildet  eine  kennzeichnende  Unterscheidung  dieser  Ausgabe  von  allen 
frühereu.  Eine  andere  ebenso  wichtige  besteht  in  der  Aufnahme  der  Briefe  und  Tage- 
bücher, Die  ersteren,  bisher  nur  in  einzelnen  Korrespondenzen  geboten,  treten  hier, 
vermehrt  mit  manchen  neuen,  in  überraschender  Fülle  auf  Die  letzteren  waren  bisher, 
kleine  Bruchstücke  abgerechnet,  ganz  ungedruckt.  Tagebücher  und  Briefe  erhalten  in 
der  neuen  Ausgabe  mit  gutem  Recht  erklärende  Anmerkungen,  während  solche  bei 
den  eigentlichen  Werken  ausgeschlossen  sind.  —  Daneben  werden  neue  Ausgaben  ge- 
liefert, die  wissenschaftliche  Zwecke  verfolgen:  im  Berichtsjahr  haben  Düntzer'^4)  und 
R.  Steiner "ß)  für  die  „Deutsche  Nationalliteratur"  gearbeitet;  ältere,  bewährte,  bis  zur 
Vollendung  der  Weimarer  Ausgabe  der  Forschung  höchst  dienliche  Editionen '^6)  werden 
neu  aufgelegt  und  Schulausgaben '''^ ■'^8)  oder  blosse  Neudrucke  des  Textes ''9-80)  geboten, 
bei  denen  man  freilich  über  Art  der  Anordnung  und  Auswahl  mit  den  Herausgebern 
rechten  könnte.  — 

Auch  Denkmale,  Gedenkstätten,  Goethefeste  regten  zur  Besprechung 
an.  Eine  Erinnerung  an  die  Eeier  von  Goethes  100.  Geburtstag  in  Cassel  brachte 
0.  Braunol)  mit  einem  schon  vergessenen  Gedicht  hervor;  Reden  A.  v.  Goethes  und 
E.  V.  Schillers  bei  der  Einweihung  der  gemeinsamen  Grabstätte  der  Dichterheroen  wurden 
durch  Schwabens)  gedruckt,  die  Carlsbader  Goethebüste  beschrieben 83)^  die  durch  eine 
Ueberschwemmvmg  Schaden  gelitten  hatte.  Auch  von  geplanten  Denkmalen,  in  New- 
York84),  auf  dem  Kammerbühl  bei  Eger^S)^  war  die  Rede.  Die  lebhafteste  JDiskussion 
wurde  aber  durch  das  Wiener  Denkmal  angeregt:  der  Platz,  das  Aussehen,  die  ver- 
schiedenen vorgelegten  Entwürfe  gaben  zu  wiederholten  Erörterungen 86-91)  Anlass.  • — 

Zum  Schluss  mag  darauf  hingewiesen  werden,  dass  Goethes  Lieder,  die  den 
Sangesfreudigen  stets  ebenso  erfreulich  waren  wie  den  Liebhabern  echter  Poesie,  noch 
immer  neu  komponiert  werden.  Wenn  auch  die  Betrachtung  der  Musikstücke  ausser- 
halb des  Rahmens  dieser  Uebersicht  liegt,  so  ma^  doch  auf  einen  jüngeren  Musiker  hinge- 
deutet werden,  dessen  Kompositionen  wiederholt  warmes  Lob  empfangen  haben92-93).  — 


b.  Leben. 

Ludwig  Geiger. 

Vorbemerkung.  —  Autobiographisches:  Dichtung  und  Wahrheit  N.  1.  —  Canipague  in  Frankreich  N.  14.  — 
Tagebücher  N.  15.  —  Priefe  N.  18.  —  Biographie:  Gesamtdarstellungen  N.  35.  —  Biographische  Einzelheiten  N.  38.  — 
Familie  N.  62    —  Frauen  N.  84.  —  Beziehungen  zu  Zeitgenossen  N.  91.  — 

Eine  wissenschaftliche,  erschöpfende  Biographie,  die  den  jüngst  erschienenen 
Lebensbeschreibungen  Klopstocks,  Lessings,  Schillers  an  die  Seite  zu  stellen  wäre, 
fehlt  für  Goethe  noch  immer.  Sie  kann  erst  versucht  werden,  wenn  die  Schätze  des 
Weimarer  Goethe-Schiller-Archivs  in  grösserem  Umfange  als  bisher  veröffentlicht  und 
ausgebeutet  sind.  G.  von  Loeper,  der  mit  der  Lösung  dieser  schweren  aber  lohnenden 
Aufgabe  betraut  war,  ist  nicht  mehr.     Er  wäre  auch  gewiss  der  Würdigste  und  Fähigste 


Bände  werden  in  d.  betr.  Abteilungen  besprochen.)  —  74)  Goethes  Werke,  her.  v.  H.  DUntzer,  Teil  13/6  (Werther,  Wahlver- 
wandtschafton, kleine  Novellen,  Meisters  Lehr-  u.  Wanderjahre)  (=DNL.  Bd.  93/6.)  Berlin  u.  Stuttgart,  Union.  XXI,  418  S. 
II,  276  S.;  XXVII,  274  u.  382  S.;  XXXIV,  446.  Jeder  Bd.  M.  2,60.  —  75)  Goethes  Werke.  T.  36,  her.  v.  R.  Steiner.  Natur- 
wissensch.  Schriften.  Bd.  3.  (=  DNL.  Bd.  116.)  Berlin  u.  Stuttgart,  Union.  XXXII,  540  S.  M.  2,50.  -  76)  J.  W.  v.  Goethes 
Werke.  Her.  v.  W.  Frhr.  v.Biederraann,  H  Düntzer,  G.  v.  Loeper  u.  F.  Strehlke.27  Teile  iu  16  Bde.  Berlin,  Dümmler.  XIV, 
418  S.;  XVIII,  494  S. ;  XVI,  552  S.;  XLVII,  397  S.;  316.  216.  304.  464.  322.  599.  432.  384  S.;  LXIV,  174  S.;  LXXX,  272  S.; 
134.  254.  351.  600.  420.  259.  200.  215.  204.  112  S.;  VI,  574  S.;  222.  292  S.;  XVI,  360  u.  112  S.  M.  30,00.  —  77)  S  o.  1,7  N.  43, 
51,  57,  58,  66.  —  78)  S.  o.  1,7  N.  69,  71,  73;  vgl.  76.  -  79)  Goethes  Werke,  her.  v.  Adolf  Stern.  Leipzig.  Grunow.  764, 
607,  504,  624,  521,  670.  713,  527,  654,  696  S.  M.  30,00.  —  80)  Goethes  ausgewählte  Werke.  Bd.  2—5.  (=  Cottasche  Volks- 
bibliothek. Bd.  12,  2:i,  25,  27.)  Stuttgart,  Cotta.  12«.  208;  260;  200;  298  8.  jeder  Bd.  M.  0,50.  —  81)  0.  Braun,  E.  Erinne- 
rung an  G.s  lOOj.  Jubelfeier  1849:  AZg.  N.  238.  —  82)  J.  Schwabe,  E.  vergessenes  Monument:  DR.  15,  362—7.  —  83)  Die 
GoethobUste  in  Carlsbad:  ChrWGoetheV.  6,  S.  50.  —  84)  VossZg.  N.  31.  —  85)  X  A.  John,  E.  Goethedenkm.  im 
Egerlande:  NordböhmTouristenZg.  6,  S.  22/4.  —  86)  X  E.  Goethedenkraal  in  Wien :  Grenzb.  49,  S.  43/5.  —  87)  X  Ent- 
wurf zu  e.  Goethe-Denkmal:  ZBK.  NF.  1,  S.  267.  -  88)  X  D.  Goethe-Denkmal-Entwürfe  in  Wien:  ChrWGoetheV.  5, 
S.  15,  20,  21/2,  25,  27,  33.  —.89)  X  L-  Blume,  Was  fUr  e.  Goethe?  E.  Wort  z.  Denkmalfrage  in  Wien:  NWienAbendbl. 
24.  März.  (D.  reife  Mann,  etwa  der  t.  50  Jahren,  inltsse  dargestellt  werden.)  —  90)  X  K.  v.  Vincenti,  D.Wiener  Denkmal- 
Skizzen:  AZg.  N.  120.  (Rechnet  in  erster  Linie  auf  Wegers  Entwurf.)  —  91)  D.  Wiener  Goethe-Denkmal  betr.:  H.  Gras- 
berger:  DeutschZg.  N.  6481.  6640  (vgl.  auch  6533,  6.530,  6658,  6.565,  6670,  6576,  6630.  6647);  K.  J.  Schröer:  NFrPr.  N.  9172, 
9175,  9208,9,  9215,  9217,  9293;  PestUojd  N.  85;  L.  n(eves)i:  FremdenBl.  N.  69;  AZg.  N.  70,  103,  115;  FZg.  N.  71.  — 
92)  A.  Höfler,  Goethe-Qebänge  v.  H.Wolf:  ChrWGoetheV.  5,  6.  16.  —  93)  F.  Kau  ff  mann.  H.  Wolf  und  seine  Goethe- 
Lieder:  AZg.  N.  324».  - 


IV,llb:  L.  Geiger,  Goethes  Leben.  117 

gewesen,  an  dieser  Stelle  über  die  Versuche  zu  berichten,  die  zur  Darstellung  von 
Goethes  Leben  und  zur  Aufhellung  seiner  Beziehungen  zu  Zeitgenossen  gemacht 
werden:  an  seiner  Stelle  ergreife  ich  hier  das  Wort.  — ■ 

Unter  den  autobiographischen  Werken  Goethes  steht  „Dichtung  und 
Wahrheit"  obenan.  Diese  klassische  Selbstbiographie,  durch  Bächtold  und  von 
Loeper  i)  herausgegeben,  liegt  jetzt  vollständig  in  vier  Bänden  der  grossen  Weimarer 
Ausgabe  vor;  von  ihnen  allen  hier  zu  reden  mag  gestattet  sein,  obgleich  nur  einer  dem 
Berichtsjahr  angehört.  Die  Bereicherungen,  die  das  Werk  in  dieser  neuen  Gestalt  er- 
fahren hat,  beziehen  sich  nicht  auf  den  Text,  der  im  wesentlichen  dem  der  „Ausgabe 
letzter  Hand"  entspricht,  sondern  auf  zahllose,  in  den  „Lesarten"  wiedei'gegebene 
Zusätze,  Fragmente,  Schemata,  Ausarbeitungen,  die  ursprünglich  von  Goethe  zur  Auf- 
nahme bestimmt,  doch  aus  irgendwelchem  Grunde  hernach  ausgeschlossen  wurden. 
Solche  Stücke  sind  im  1.  Band  ein  grösserer  Abschnitt  „Ritter  Degrieux  undManon 
Lescot",  ein  Auszug  aus  dem  berühmten  Prevostschen  Roman,  ursprünglich  dazu  aus- 
ersehen, die  Liebesepisode  mit  dem  Frankfurter  Gretchen  abzuschliessen.  Im  2.  Bande 
längere,  anders  gehaltene  Fassungen  über  Rabener,  über  poetische  Studien  in  Leipzig, 
über  den  Strassburger  Münster.  Im  3.  Bande:  ein  Fragebogen,  historische  Daten  be- 
treifend, an  Vulpius,  nebst  dessen  Antworten,  ein  Zettel  Riemers  mit  Verdeutschungen 
mancher  Fremdwörter,  übrigens  von  Goethe  nicht  genehmigt;  zwei  Entwürfe  zu  Vor- 
reden, deren  einer  den  ersten  drei  Bänden  vorausgestellt  werden  sollte,  für  die  eine 
unmittelbare  Fortsetzung  nicht  geplant  war:  ein  durchgeführter  Vergleich  zwischen  der 
Entwicklung  des  Menschen  und  der  Metamorphose  der  Pflanzen.  Das  Hauptstück  des 
4.  Bandes  ist  die  „Aristeia  der  Mutter",  die  freilich  denen,  die  auf  eine  Würdigung  der 
Frau  Rat  durch  Goethe  selbst  lüstern  sind,  eine  arge  Enttäuschung  bereiten  wird,  da  es 
sich  hier  nur  um  die  bekannten  Aufzeichnungen  Bettinens  handelt  (durchaus  in  der 
Form,  wie  sie  im  „Briefwechsel  Goethes  mit  einem  Kinde"  steht),  denen  Goethe  eine 
kurze  Vorbemerkung  vorangestellt  hat.  —  Hinter  einer  derartigen  Publikation  treten 
alle  übrigen  zurück.  Doch  ist  mit  Anerkennung  eine  von  einem  Franzosen,  Kont^), 
herrührende  Auswahl  zu  nennen,  weil  sie,  bei  aller  Berücksichtigung  des  für  franzö- 
sische Leser  Interessanten  gründliche  Benutzung  deutscher  Arbeiten  bekundet.^-*)  —  Dass 
man  aus  miss verständlicher  Auffassung  einer  Stelle  in  Goethes  Autobiographie  einem  Platz  im 
Lahnthal  beim  Kloster  Arnstein  den  Namen  ,, Goethepunkt"  gegeben,  ist  richtig  gezeigt 
worden  *'').  —  Abschnitte  aus  „Dichtung  und  Wahrheit"  bilden  gewiss  eine  wohlgeeignete 
Schullektüre  ^).  —  Sanders'  6)  Versuch,  die  Sprache  dieses  Werks  zu  meistern,  mag 
hier  nur  angedeutet  werden,  weil  über  diese  Versuche  überhaupt  ein  kräftiges  Wörtlein 
bei  Gelegenheit  der  „Wahlverwandtschaften"  zu  sagen  ist.  Hier  sei  nur  vermerkt, 
dass  es  mir  gänzlich  unstatthaft  erscheint,  bei  dem  Abdruck  des  Goetheschen  Textes 
alle  vorkommenden  Fremdwörter  durch  deutsche  zu  vertauschen,  ganz  abgesehen  davon, 
dass  diese  deutschen  Wörter  oft  den  Goetheschen  Ausdrücken  garnicht  entsprechen.  — 
„Dichtung  und  Wahrheit"  galt  und  gilt  als  die  reinste  Darstellung  von  Goethes  innerer 
Entwicklung  und  äusseren  Schicksalen.  Eines  der  grossen  Verdienste  G.  v.  Loepers 
besteht  darin,  die  geschichtliche  Treue  dieser  köstlichen  Autobiographie  selbst  in  kleinen 
Aeusserlichkeiten  durch  seinen  Kommentar  nachgewiesen  zu  haben.  Einige  Bemerkungen 
hat  von  Loeper'^)  über  den  bei  der  lothringischen  Reise  erwähnten  „Kohlenphilo- 
sophen" Stauf  oder  Staudt  und  über  den  „Ludwigsritter",  den  französischen  Obersten 
von  Cronhjelm,  noch  im  Berichtsjahr  gebracht.  —  Gegen  diesen  ehrenden  Autoritäts- 
glauben erhob  sich  in  neuerer  Zeit  ein  Sturmlauf.  Düntzer  begann  im  ersten  Bande 
des  Goethe  Jb.  den  Kampf,  Froitzheim  8)^  ein  um  die  Strassburger  Lokalgeschichte 
wohlverdienter  Forscher,  setzte  ihn  fort.  Seine  Ausstellungen  gipfelten  darin,  dass 
„Dichtung  und  Wahrheit"  eine  Tendenzschrift  sei.  Zu  diesem  Zwecke  wandte  er  sich 
besonders  dem  längere  Zeit  in  Strassburg  weilenden  H.  L.  Wagner  zu  und  meinte 
nachgewiesen  zu  haben,  dass  erstens  die  diesem  durch  Goethe  zugeschriebene  Farce 
,, Prometheus,  Deukalion  und  seine  Recensenten"  nicht  von  ihm,  sondern  von  Goethe 
herrühre,  dass  zweitens  Wagners  ,, Kindesmörderin"  nicht,  wie  Goethe  behauptete,  ein 
Plagiat  seiner  Grethchentragödie  sei.  Doch  der  erste  der  beiden  Versuche  ist  misslungen, 
weil  er  nur  auf  unkontrollierbaren  Klatschereien  eines  Herrn  von  Bretschneider  beruht; 
von  dem  letzteren  ist  nur  so  viel  wahr  —  so  darf  ich  wohl  meine  in  einer  Anzeige 
der  F. sehen  Schrift  niedergelegte  Darlegung  berichtigen — dass  Wagner  für  Einzelheiten 


I)  Goethes  Werke.  Her.  im  Auftr.  d.  Grossherzogin  Sophie  v.  Sachsen.  Bd.  28.  Weimar.  Böhlau.  IV,  376  S.  M.  2,80 
(3,80).  —  2)  J.  Kont,  Goethe,  Dichtung  u.  Wahrheit.  Poesie  et  Vöritö  (Extraits).  Avec  une  introduction  et  des  notes.  Paris, 
Garnier.  XX,  175  S.  —  3)  X  Goethes  Autohiography.  Books  1—11.  2  vols.  Knickerbocker  Kuggets.  New-York,  Putnams. 
[[NYCritic.  13,  >S.  179.]  |  —  4)  X  Goethe,  Aus  meinem  Lehen.  Dichtung  u.  Wahrheit.  4  Teile.  (=  Meyers  Volksbb.  669—80.) 
4a)  V.  d  lieblichen  Lahn:  KZg.  N.  144.  —  5)  S.  o.  I,  7  N.  17.  —  6)  D.  Sanders,  E.  Bruchstück  aus  d.  10.  Buche  v.  Goethes 
„Walirheit  u.  Dichtung":  ZDS.  4,  S.  1/5,  49—53,  89—93.  —  7)  G.  v.  Loeper,  Zu  Dichtung  u.  Wahrheit:  GoetheJb.  II, 
S.  174/6.    —    8)  J.  Froitzheim,  Goethe  u.  H.  L.  Wagner.    E.  Wort  d.  Kritik  an  unsere  Goetheforscher.    (=  ELVKElsLothr. 


118  IVjllb:  L.  Geiger,  Goethes  Loben. 

seines  Dramas  auch  Strassburger  Lokalereignisse  benutzt  hat.  Ausserdem  wollte  F. 
durch  drei  Momente  Goethes  Un Wahrhaftigkeit  erwiesen  haben.  —  Alle  drei  wusste 
Kochendörffer  9)  zu  entkräften.  K.  trat  erstens  für  die  Darstellung  der  bei  den  Durch- 
zug der  Marie  Antoinette  vorgeführten  Gobelins  ein,  indem  er  gerade  die  Lebendigkeit 
und  die  feine  psychologische  Entwicklung,  die  dem  nüchternen  Forscher  den  Bericht 
verdächtig  erscheinen  Hess,  als  Beweise  echter  Wahrhaftigkeit  geltend  machte.  Er 
stellte  zweitens  die  Zeugnisse,  wonach  Goethes  Dissertation  von  der  Strassburger 
juristischen  Fakultät  zurückgewiesen  worden,  als  wenig  glaubhafte  Berichte  eines 
ausserhalb  jener  Fakultät  stehenden  Mediziners  hin,  und  wies  drittens  nach,  dass 
zwischen  den  Aeusserungen  Goethes,  Lenz  habe  1771  in  einer  Strassburger  litterarischen 
Gesellschaft  seine  ,, Anmerkungen  über  das  deutsche  Theater"  vorgelesen,  und  der 
andern,  Lenz  habe  Goethe  1773  die  ihm  bis  dahin  unbekannten  Anmerkungen  zu- 
geschickt, kein  Widerspruch  vorhanden  sei.  Denn  jene  Vorlesung  fand  in  einer  Gesell- 
schaft statt,  in  der  Goethe  im  Sommer  1771  nicht  Mitglied,  Lenz  nur  Gast  war;  „Salz- 
mannsche"  dürfe  diese  Gesellschaft  nicht  wegen  des  bekannten  Aktuars,  sondern 
wegen  seines  Vetters  Friedrich  Rudolf  Salzmann  genannt  werden.  Des  Angegriffenen 
Erwiderung  ^O)  bot  sachlich  nichts  Neues,  und  so  konnte  des  Angi-eifers  Replik  ii),  die 
durch  V.  Loepers  Zuwendung  einzelnes  neue  Material  brachte,  den  alten  Satz  siegreich 
behaupten,  „dass  künftigen  Angriffen  auf  Goethes  Wahrheitsliebe  der  Weg  verlegt  ist". 
Besser  wäre  es  jedenfalls,  wenn  Froitzheim  12-13)  ausschliesslich  in  seinen  dankens- 
werten Notizen  zur  Strassburger  Lokalgeschichte  in  Goethes  Zeit  fortführe.  Was 
er  über  Goethes  Genossen  Meyer  v.  Lindau  sagt,  ist  dankbar  anzunehmen.  Joh.  Meyer 
geb.  1743,  Mediziner  und  Musiker,  mit  v.  Bretschneider  und  J.  L.  Blessig  befreundet, 
seit  1780  in  England,  dort    als  Arzt  thätig,  lebte  noch  1816.  — 

Unter  den  durch  Goethe  zum  Druck  beförderten  autobiographischen  Werken 
ist  die  „Campagne  in  Frankreich"  neu  erschienen.  Die  Ausgabe,  von  Bessoni^) 
besorgt,  mag  hervorgehoben  werden,  weil  sie  die  in  Frankreich  gegenwärtig  lebendige 
Beschäftigung  mit  Goethe  bekundet,  inhaltlich  bietet  sie  im  Vergleich  zu  Chuquet  nicht 
viel,  abgesehen  davon  dass  sie  das  Sprachliche  mehr  hervorhebt,  zahlreichere  Uebersetzungs- 
proben  giebt.  Durch  eine  Karte  des  Kriegsschauplatzes  von  1792,  ferner  durch  aus- 
führliche Inhaltsangaben  vor  den  einzelnen  Abschnitten  ist  für  Herstellung  eines  leichten 
Verständnisses   gesorgt.  — 

Von  den  bei  Goethes  Lebzeiten  nicht  gedruckten  autobiographischen  Quellen 
sind  die  Tagebücher  15)  die  ausführlichsten,  die  auf  Grund  der  Weimarer  Ausgabe 
von  0.  Harnacki6)  und  Geiger  i"^)  charakterisiert  wurden.  Von  1794  bis  1832  in  un- 
unterbrochener Reihe,  aus  der  früheren  Zeit  nur  für  die  ersten  sechs  Weimarer  Jahre  und 
die  italienische  Reise  erhalten,  bilden  sie  die  vornehmste  Quelle  für  Goethes  Leben. 
Im  Alter  werden  sie  immer  ausführlicher.  Schriftstellerischen  Wert  beanspruchen  sie 
niemals.  Sie  sind  chronikalische  Aufzeichnungen,  die  dem  Schriftsteller  zur  Erinnerung 
dienen  oder  zu  Anhaltspunkten  für  seine  Biographie  werden  sollten.  Sie  vermerken 
die  abgesendeten  Briefe,  die  erhaltenen  Besuche,  die  gelesenen  Bücher,  geben  Notizen 
über  die  Arbeiten;  auf  Reisen  erweitem  sie  sich  zu  ausführlicheren  Mitteilungen. 
Da  werden  Anekdoten  erzählt ,  Aphorismen  notiert ,  Unterhaltungen  analysiert. 
Gelegentlich  finden  sich  kurze  Hinweise  auf  Politik,  Religion,  Häusliches,  Persönliches. 
Doch  eigentliche  Bekenntnisse  darf  man  nirgends  erwarten.  Für  die  Kenntnis  von 
der  Entstehung  einzelner  Gedichte,  von  dem  Fortschritt  der  Arbeit  an  grösseren 
Werken  sind  die  Tagebücher  unschätzbar,  — 

Den  Tagebüchern  an  Wichtigkeit  als  Lebensdokumente  gleichstehend  sind  die 
Briefe.  Wie  billig  stellen  wir  auch  hier  die  grosse  Weimarer  Ausgabe  voran.  Der 
6.  und  8.  Briefband  I8)j  jener  durch  von  der  Hellen,  dieser  durch  Erich  Schmidt 
herausgegeben,  imponieren  durch  die  Fülle  des  hier  zusammengetragenen  Materials  für 
die  Jahre  1782 — 84,  1786 — 88.  Handschriftliches  ist  verhältnismässig  wenig  geboten. 
Die  Hauptvorzüge  der  Sammlung  sind:  Vollständigkeit,  Reinheit  des  Textes,  streng 
chronologische  Anordnung,  zu  deren  Herstellung  genaue  Untersuchungen  vorgenommen 
sind.  Die  Anmerkungen  bieten  im  Gegensatze  zu  den  früheren  Bänden  erwünschte 
Erläuterungen  und  Aufklärungen  über  erwähnte  Personen  und  Dinge.  —  Daneben 
schreitet  die  Publikation  anderer  Briefe  fort.    Dass  bei  diesen  Unbedeutendes,  Geschäft- 


Heft  10.)  Strassburg,  Heitz.  1889.  68  S.  M.  1,50.  |  [L.  Geiger:  GoetheJb.  11,  S.  264/5.]|  —  9)  K.  Kochen  dörffer,  Goethes 
Glaubwürdigkeit  in  Dichtung  u.  Wahrheit:  PrJbb.  66,  S.  539—63.  —  10)  J.  Froi tzheim,  Erwiderung:  ib.  67,  S.  315/6.  — 
II)  K.  Kochendörffer,  Replik:  ib.  S.  316—21.  —  12)  J.  Froitzheim,  Zu  Goethes  Dichtung  u.  Wahrheit:  StrassbPost. 
N.  332.  —  13)  id.,  Nachtr.  zu  Meyer  v.  Lindau,  Goethes  Tisc-hgenossen  in  Strassburg:  ib.  N.  18.  (1891.)  —  14)  Goethe, 
Campagne  in  Frankreich,  Campagne  de  France.  Edition  nouyello  par  P.  Besson;  avec  une  introduction,  un  commentaire  et 
une  carte.  Paris,  Garnier.  XXXlII,  180  S.  —  15)  Goethes  Werke.  Im  Auftr.  d.  Grossherzogin  Sophie  v.  Sachsen.  3.  Abt.: 
Tagebücher  3.  Bd.  1801/8.  Weimar,  Böhlau.  1889.  VI,  453  S.  M.  4,60  (5,80).  —  16)  0.  Harnack,  Goethes  Tagebücher:  PrJbb. 
66,  S.  164-64.  (Würdigung  d.  3  ersten  Blinde.)  —  17)  L.  Geiger,  Goethes  Tagebücher  3.  Band:  AZgB.  N.  76.  —  18)  Goethes 
Werke.  Im  Auftr.  d.  Grossherzogin  Sophie  v.  Sachsen  her.  4.  Abt.  triefe  6.  u.  8  Band:  1.  Juli  1782  bis  31.  Dez.  1784;  Aug.  1786 


IV,llb:  L.  Geiger,  Goethes  Leben.  119 

Hohes  mit  unterläuft,  versteht  sich  von  selb&t;  die  Berechtigung,  auch  solche  Schrift- 
stücke zu  veröffentlichen,  müsste  nur  für  die  Unverständigen  erwiesen  werdenl  Der 
Briefwechsel  zwischen  Goethe  und  von  Diez  (1815 — 16),  von  Siegfried  i^)  dargeboten, 
bietet  nicht  uninteressante  Belehrungen  über  Goethes  Interesse  für  die  orientalischen 
Studien.  —  Das  GoetheJb.  enthält  ferner  aus  der  Zeit  von  1776—1831  eine  ganze 
Sammlung  einzelner  Briefe 20)^  an  der  eine  Reihe  von  Herausgebern  beteiligt  ist:  drei 
Briefe  von  Goethe  an  Unbekannte,  einen  an  Einsiedel,  elf  an  Frau  v.  Eybenberg,  vier 
an  Fr.  H.  Frommann,  drei  an  August  von  Goethe,  einen  an  die  Jenaische  Bibliothek,  einen 
an  Karl  August,  einen  an  Kirms,  fünf  an  Simon  und  Leopold  v.  Lämel,  zwei  an  Herrn 
und  Frau  Sander,  zehn  an  E.  Weiler,  je  einen  an  Schiller,  Charlotte  v.  Schiller,  G.Schüler, 
Spiegel,  W.  v.  Wolzogen;  sodann  (1775 — 1829)  je  einen  Brief  an  Goethe  von  Batsch, 
J.  G.  Lenz,  Graf  zu  Münster,  Quetelet,  H.  C  Pausner,  Schiller  und  zwei  Briefe 
Lavaters.  Unter  diesen  Schriftstücken  sind  von  hoher  Bedeutung  die  Briefe  an  August 
V.  Goethe,  V.  25. — 29.  Jan.  1830;  m.anche  der  übrigen  enthalten  schalkhaft-liebenswürdige 
Bemerkungen,  wie  die  Ablehnung  der  Gevatterschaft  an  den  Buchhändler  Sander;  der 
Brief  an  Schiller  (April  1800)  beweist  aufs  neue,  wie  dringend  dieser  um  die  Arbeit 
am  „Faust"  bemüht  war;  und  die  köstliche  Bemei-kung  an  Einsiedel  (1776)  verdient 
Hervorhebung:  „eure  neuen  Weine  hass  ich  wie  die  neue  Litteratur."  Die  Briefe  Lava- 
ters an  Goethe  (1775  und  1781)  sind  für  die  gemeinschaftliche  Arbeit  beider  an  der 
Physiognomik  und  für  das  persönliche  Verhältnis  sehr  wichtig.  —  Von  den  einzelnen 
Briefen,  die  ausserdem  noch  in  dem  Berichtsjahr  bekannt  wurden,  sind  erwähnenswert 
einige  von  Lambel^i)  zugänglich  gemachte  an  Reuss,  naturwissenschaftlichen  Inhalts, 
an  G.  Cattaneo,  den  freundlichen  Führer  Karl  Augusts  in  Italien  2^),  ein  amtliches  Schreiben 
an  Baumeister  Klein,  dasPollak23)  gedruckt  hat.  —  Die  Korrespondenz  mit  Friederike 
Unzelmann,  in  die  uns  Franzos24)  blicken  lässt,  ist  wichtig,  weil  sie  die  zärtliche  Teil- 
nahme Goethes  für  die  Schauspielerin  und  die  warme  Begeisterung  dieser  für  den 
Dichter  bekundet.  25-30)  —  Ein  von  Suphan  3i)  veröffentlichter  Brief  Räckerts  an  Goethe 
ist  interessant  durch  den  bescheidenen  Ton  des  jungen  Docenten,  der  seine  Habilita- 
tionsschrift überreicht.  —  Sprachliche  Bemerkungen  von  Sanders -^2)  zu  den  Briefen  ent- 
sprechen den  früher  gekennzeichneten  zu  den  Werken,  sind  aber  um  so  bedenklicher,  als 
sie  sich  auf  einen  Text  beziehen,  dem  keinerlei  Autorität  innewohnt.  —  R.  M.  Werner 33) 
wies  darauf  hin,  dass  in  dem  Brief  an  Frau  von  Stein  vom  19.  Mai  1776  ,,Erdkülin" 
für  „Erdtulin"  zu  lesen  sei.  —  Leitzmann3'i)  zeigte,  das  der  am  14.  August  1780  gegen 
Frau  V.  Stein  erwähnte  Gast  Leisewitz  sei.  — 

Tagebücher  und  Briefe  werden  ausser  den  eigentlichen  Werken  für  den  künftigen 
Biographen  die  vornehmste  Quelle  sein.  Neben  Wiederholung  älterer  Biographien 35) 
sind  noch  neue  Gesamtdarstellungen36)  erschienen,  von  denen  die  des  Franzosen 
Firmery37)  wegen  ihrer  verständigen  Würdigung  des  Dichters,  ihres  gesunden 
Urteils  über  die  Hauptwerke  hervorzuheben  ist.    — 

Biographische  Einzelheiten,  die  mannigfach  behandelt  sind,  mögen  hier 
der  chronologischen  Folge  nach  aufgeführt  werden.  Die  Zustände  Frankfurts  in  der 
Jugendzeit  Goethes  sind  von  Dechent3B)  anmutig  geschildert  worden.  Umfang  und  Aus- 
sehen der  Stadt,  kirchliches,  sociales  Leben,  Wissenschaften,  Künste,  Theater,  nicht  ohne 
feuilletonistisches  Beiwerk,  aber  rnit  verständiger  Benutzung  der  Quellen.  —  Dechent39), 
wies  auch  nach,  dass  während  Fresenius  die  Taufe  Goethes  vollzog,  der  alte  J.  G.  Schmidt 
(geb.  1694)  bei  seiner  Konfirmation  thätig  war.  —  Von.  den  Kunstbestrebungen  des  da- 
maligen Frankfurt  handelt  ein  sehr  lehrreicher  Aufsatz  von  Valentin^O)  über    die  durch 


bis  Juni  1788.  Weimar,  Böhlau.  XIX,  477  S.  M.  5,00  (6,25) ;  X,  434  S.  M.  4,50  (5,50).  —  19)  C.  Siegfried,  Briefwechsel 
zw.  Goethe  u.  v.  Diez:  GoetheJb.  11,  S.  24—42. —  20)  49  Briefe  von,  9  an  Goethe,  ein  Brief  von  Goethes  Eltern  u.  ein  Brief  von 
Frau  Rat.  Mitget.  v.  CA.  H.  Burkhardt,  J.  Elias,  H.  Frommann,  L.  Geiger,  L.  Hirzel,  F.  Laraey,  B.  Litzmann, 
H.  Rollet,  M.  Schubart,  G.  Weisstein:  ib.  S.  71—122.  —  21)  H.  Lambel,  Zu  Goethes  naturwissenschaftlicher  Kor- 
respondenz: 2  Briefe  an  F.  A.  Reuss  (=  Goethe-Reliquien  aus  Böhmen  3.):  MVGDeutsehBöhm.  28,  S.  363/8.  —  22)  (Vgl.  I,  4 
N.  12;  IV,  1  N.  46.)  —  23)  L.  Pollak,  E.  bisher  unbek.  amtl.  Brief  Goethes.  Prag  (im  Juni).  4  S.  —  24)  K.  E.  Franzos, 
Aus  Goethes  Briefwechsel  mit  Friederike  Unzelmann:  DDichtung.  9,  S.  29—32:  97—102;  152/7.  —  25)  X  Ueber  e.  bisher  nu^ 
teilweise  bekannten  Brief  Goethes  an  Karl  August  u.  Bruchstücke  e.  Briefwechsels  zw.  Friedrich  Wilhelm  IV.  u.  de  la  Motte  in 
Privatbesitz  zu  Stettin:  ZDPh.  22,  S.  459,  —  26)  X  E.  Claar,  Goethe  als  Theaterdirektor:  FZg.  v.  29—30.  Juni.  (Abdruck 
bekannter  Briefe  an  Kirms  u.  a.)  —  27)  X  Goethe  als  Theaterdirektor:  ÜBUhnengen.  29,  S.  54/5.  (Wiederholung  d.  1.  Teils 
V.  N.  26.)  —  28)  X  Goethe  als  Gründer:  FZg.  N.  222.  (Abdr.  d.  längst  bekannten  Briefes  v.  15.  März  1784  an  Ernst  11.  v.  Gotha.) 
—  29)  X  A.  Evers,  Aus  d.  Franzosenzeit:  MagdebZg.  v.  6.  Juli.  (Goethes  Brief  an  Villers  v.  2.  Nov.  1806  mit  willkürlichen 
Aenderungen  abgedr.)  —  30)  X  G-  Weisstein,  Verlorene  Briefe  Goethes:  GoetheJb.  11,  S.  167—70.  (Erwähnt  aus  seltenen 
Büchern  Briefe  an  Unbekannte  u.  an  K.  v.  Moser,  v.  WarnsdorflP,  Menken,  Fr.  Jacobs.)  —  31)  B.  Suphan,  E.  ungedruckter 
Brief  v.  F.  Rückert  an  Goethe:  VLG.  3,  S.  378—80.  —  32)  D.  Sanders,  Einige  Bemerkk.  zu  Goethes  Briefen  her.  v.  H.  DöringJ: 
ZDS.  4,  S.  10/2,  280/2.  —  33)  R.  M.  Werner,  E.  Kommentar  zu  Goethe  aus  d.  16.  Jh.:  Grenzb.  49,  S.  41/3.  —  34)  A.  Leitz- 
mann.  Zu  Goethes  Briefen  an  Frau  v.  Stein:  VLG.  3,  S.  505.  —  35)  G.  H.  Lewes,  Life  of  Goethe.  4.  edition.  London, 
Smitt  Eider  &  Cie.  594  S.  —  36)  X  M.  Laue,  Schiller  u.  Goethe.  Ilir  Leben  u.  ihre  vorzüglichsten  Werke.  Langensalza, 
Schulbuchhandlung.  III,  1:^6  S.  M.  1,00.  —  .36a)  S.  o.  L7  N.  43.  —  37)  Firmery,  Goethe.  Un  vol.  orn6  de  nombreuses 
reproductions.  (=  Nouv.  coU.  des  classiques  populaires.)  Paris,  Lecene  Oudin.  236  S.  —  38)  H.  Dechent,  Frankfurt  in 
Goethes  Jugendzeit:  Didask.  N.  52,  54,  55,  57.  S.  206  f.,  215  f.,  219  f.,  226.  —  39)  id.,  D.  Seelsorger  d.  Goethcschen 
Familie:    GoetheJb.    11,8.159—64.    —    40)    V.  Valentin,   E.  Frankfurter  Kunstakademie  im  18.  Jh.    (^  Kunst.' Künstler  u.' 


120  IV,llb:  L.  Geiger,  Goethes  Leben. 

Cöntgen  schon  1767  geplante  Akademie,  die  1779  ins  Leben  trat,  mannigfache  Unter- 
stützung fand,  eine  gewisse  Thätigkeit  ausübte,  1799  jedoch  einging.  —  Ueber  zwei  für 
Goethes  Jugendzeit  bedeutsame  Persönlichkeiten  wird  Bemerkenswertes  mitgeteilt^  fünf  Briefe 
von  und  an  Thoranc,  den  Königslieutenant  (1760 — 1784),  gab  Pallmann^i).  —  Einzelnes, 
was  den  rrankfurter  Aufenthalt  betrüFt,  enthalten  die  von  A.  Dietz^S)  veröffentlichten 
unbekannten  biographischen  Notizen  über  den  Hausfreund  Eat  Schneider  (1712 — 1786).  — 
Gelegentlich  des  Abbruchs  des  „Silbernen  Bären"  in  Leipzig,  des  alten  Breitkopfschen 
Hauses,  wurde  an  Goethes  Verkehr  in  diesem  Hause  durch  Düntzer^S)  erinnert.  —  Das 
Leipziger  Theater  während  Goethes  Studienzeit  hat  M.  Herrmann44)  nach  den  „Unterhal- 
tungen" und  „Wöchentlichen  Nachrichten"  charakterisiert(Repertoir,  Schauspieler,  Mitteilung 
eines  an  Madll.  Schulze  gerichteten,  gewiss  aus  dem  Goetheschen  Kreise  herrührenden 
Gedichts).  —  Die  anziehende  Zeit  von  Sesenheim  (nicht  Sessenheim,  wie  Hildebrand^ß) 
betont)  findet  nach  wie  vor  ihreDarsteller^?),  —  Der  Frankfurter  Anwalt  interessiert  lebhaft  48)^ 
und  auch  der  Aufenthalt  am  E-eichskammergericht  fand  seine  erneute  Beschreibung 49).  — 
Der  Reise  nach  der  Schweiz  schenkt  HerzfelderSO)  fortgesetzt  seine  Aufmerksamkeit. 
Herzfelder^i)  i^at  auch  das  zusammengestellt,  was  über  Goethes  Berührung  mit  Bayern 
zu  sagen  ist.  —  Die  wenigen  Tage,  die  Goethe  in  Berlin  zubrachte,  gaben  Geiger^^) 
zu  einer  Erinnerung  und  zu  dem  Hinweise  Veranlassung,  wie  Goethe  von  Berlin  aus 
angegriffen  und  gewürdigt,  gesucht  und  gefeiert  wurde.  —  Nach  Thüringen  führt  Burk- 
hardt^S)^  der  uns  über  Weimars  Theaterdichter  und  Honorare  belehrt.  Das  Maximum 
(Schillers  „Teil")  betrug  150  Thaler,  das  Minimum,  für  Umarbeitungen,  % — 1  Thaler; 
Prologe  usw.  brachten  dem  Dichter  3  Thaler.  —  Die  Beschreibung  einzelner  thüringischer 
Orte,  Jena54)j  Paulinenzelle  55)^  bietet  Gelegenheit,  von  Goethes  Aufenthalt  zu  reden.  —  Einer 
der  wenigen  Badeaufenthalte  Goethes  in  der  ersten  Weimarer  Zeit,  in  Carlsbad  1785,  ist  von 
Suphan^)  in  liebenswürdigster  Weise  geschildert;  die  Beziehungen  zu  der  Familie  des 
Grafen  Brühl,  die  in  dieser  Gesellschaft  entstandenen  Scherze,  Gelegenheitsgedichte,  Lie- 
der, die  Feier  eines  Geburtstages,  alles  das  wird  nach  bisher  ganz  unbekanntem  Material 
erzählt,  ß'^)  —  Im  Gegensatz  zu  dieser  anmutigen,  frischen  Erzählung  stehen  die  gar  zu 
minutiösen  Angaben  aus  einem  von  Zarncke^S)  mitgeteilten  Tagebuch  der  schle- 
sischen  Reise  (1790),  die  allzu  kleinlichen  Anmerkungen  über  Post-Trinkgelder,  Wegstun- 
den und  Wirtshausrechnungen  haben  mit  Recht  grosses  Bedenken  hervorgerufen  (vgl.  o. 
IV,  IIa  N.  68). 59)  —  Die  italienische  Reise,  die  diesem  kurzen  schlesischen  Aufenthalt 
voranging,  hat  keine  neue  Schilderung  erhalten ;  nur  der  Name  der  „schönen  Mailänderin", 
Maddalena  Riggi,  wurde  durch  Adolf  Stern^O)  bekannt,  der  auch  ihr  Lebensschicksal 
kurz  erörtert.  ■ —  Ein  Bericht  über  Goethes  letzte  Lebenstage,  ein  Brief  eines  Dr.  Weissen- 
born,  der  sich  damals  in  Weimar  aufhielt,  (28.  März  1832)  ist  von  Do wden^i)  gedruckt 
worden:  er  enthält  viele  Details  über  Lektüre,  letzte  Worte  an  die  Schwiegertochter, 
letzte  Verse  an  Gräfin  Vandreuil,  meist  schon  Bekanntes  bestätigend.  — 

Besprochen  wurde  Goethes  Familie,  der  man  den  Baumeister  Eosander  von 
Goethe  nicht  zurechnen  darf^^).  —  Ein  paar  Armenlegate  seitens  der  Grossmutter 
und  des  Vaters  Goethes  werden  von  A.  Dietz^^^  zusammengestellt.  —  Des  Vaters 
Doktordissertation  und  ihre  Widmung  an  den  Reichshofrat  v.  Senckenberg  gab  zu  einer 
interessanten  Mitteilung  Anlass^*),  —  Die  kösthchen  Briefe  der  Frau  Rat,  die  1889  er- 
schienen   waren,    wurden    nach    allen  Seiten    beleuchtet65-72)^  einzelne  Eigenschaften,  so 

Kunstwerke  [Vgl.  o.  1,3  N.  lOö]  S.  133—46.)  —  41)  H.  Pallmann,  Einiges  über  d.  Königslieutenant:  BFDH.  NF.  6,  S.  299—313. 
—  42)  A.  Dietz,  D.  Goethesche  Hausfreund  Bat  Schneider:  ib.  S.  314/6.  —  42a)  X  Hallberg,  La  premifere  jeunesse  de 
Goethe;  son  s6jour  ä  Leipzig  d'apres  sa  correspondance :  MAToulouse.  9  s6r.  tom.  2,  S.  107—26.  (Vf.  kennt  nicht  d.  1886 
veröffentl.  Leipziger  Briefe!)  —  43)  H.  DUntzer,  D.  Breitkopfsche  Haus  z.  silbernen  Büren  in  Leipzig:  ÜL&M.  N.  37. 
(Notizen  Über  d.  Abbruch:  Post  N.  87;  AZg.  N.  88;  NatZg.  N.  193;  SchwäbMerk.  N.  74.)  —  44)  M.  Herrmann,  Leipziger 
Theater  während  Goethes  Studentenzeit:  GoethcJb.  11,  S.  186—93.  (Vgl.  u.  IV,  lle  N.  3a.)  —  45)  R.  Hildebrand, 
S«senheim,  nicht  Sessenheim:  ZDU.  4,  S.  237/9.  —  46)  X  F.  Vi  ölet,  Goethe  in  Sesenheim:  NMh.  4,  H.  7.  —  46a)  X 
Hermann  Ludwig  [von  Jan],  Strassburg.  V.  d.  alten  u.  d.  jungen  Hochschule.  (=  BurschenschiiftlHU.  N.  6.)  (Iietr.  auch 
Goethe.)  —  47)  X  J-  E-  ▼•  Grotthuss:  Daheim  26,  S.  308-11.  —  48)  X  Goethe  als  Rechtsanwalt:  Fromdenbl.  N.  246. 
(Ursprünglich  in  d.  TglKs.  Auch  abgedr. :  Sammler  N.  105.)  —  49)  Aus  d  Stadt  d.  Reichskammergerichts:  Grenzb.  49,  2, 
a.  369—374  —  50)  J.  Herzfelder:  MfinchNN.  N.  196.  (Vgl.  e.  frühere  Arbeit:  AZg.  1889,  N.  244".)  —  51)  id.,  Goethe  u. 
Bayern:  Bayerland.  S.  250/2.  255/7,  269—72.  —  52)  L.  Geiger,  Goethe  u.  Berlin:  AZg».  N.  155/6,  161.  —  58)  C  A.  H.  Burk- 
hardt.  Dichter  u.  Dichterhonorare  am  Weimarer  Hoftheater  während  Goethes  Leitung:  VLG.  3,  S.  476— 83.  —  54)  XR-Ke'l. 
Jena:  FelszMeer.  S.  9—16.  (Einschlägiges.)  —  55)  X  D.  Klosterruine  Paulinzelle.  2.  umgearb.  u.  verm.  Aufl.  (3.  Goethe  u. 
Schiller  in  Paulinzelle.)  Rudolstadt,  Möller.  |[G.  Oertel:  LZg.  N.  117.]|  -  56)  B.  Suphan,  Karlsbad  1785:  GoetheJb.  11, 
S.  123—34.  —  57)  X  G.  Karpeles,  Goethe  in  Karlsbad.  E.  litt.-hist.  Plauderei:  BerlinNN.  N.  273.  —  58)  F.  Zarncko,  Zu 
Goethes  schlesischer  Reise  1790:  GoetheJb.  11,  S.  164—70.  —  59)  X  Maxim.  Schlesinger,  Goethe  in  Breslau:  Monatsbll. 
Organ  d.  Breslauer  Dichterschule.  Bd.  16.  —  60)  Adolf  Stern,  Goethes  Mailänderin:  Grenzb.  49,  4,  S.  581/3.  —  61)  E 
Dowden,  Account  of  the  last  days  of  Goethe  with  an  unprinted  lotter  of  Dr.  Weisseuborn,  Weimar  28.  März  1832:  FortnB. 
S.  338  f.  —  62)  Bosander  v.  Goethe,  d.  angebliche  Grossvater  Goethes:  HambCorr.  9.  Juli.  (Bezieht  sich  auf  e.  Notiz  v.  5.  Juli 
aus  Gotlauds  „AUehanda"  Über  Goethes  Herkunft.)  —  63)  A.  Dietz,  Legate  u.  Aehnliches  aus  d.  Familie  Goethe:  BFDH.  NF.  6, 
S.  73/4.  —  64)  Goethes  Vater:  ChrWGoetheV.  6,  S.  46/7.  —  65)  X  R-  Beeh  stein,  Briefe  v.  Goethes  Mutter:  RostockZg. 
N.  239,  245,  249.  —  66)  X  M.  Carriere,  Goethes  Mutter:  AZg".  N.  2.  —  67)  X  L.  Geiger,  Briefe  d.  Frau  Rat:  Nation». 
7,  S.  222/4.  —  68)  X  K.  Heinemann,  Neue  Briefe  v.  Goethes  Mutter:  Grenzb.  49,1,  S.  28—39.  —  69)  X  *'•  M(authner), 
Frau  Rat  Goethe:  Deutschland.  1,  S.  189-91.  —  70)  X  W.  Paetow,  Frau  Rat:  VossZgS.  N.  31.  —  71)  X  R-  M.  Werner, 
Neues   t.   Frau  Aja:    NatZg.    N.   43,   47.    —  72)   X  R-  Wulckow,   Goethes  Mutter:   Ber.TBl.  v.  8.  Jan.  —  73)  A.  Biese,  D. 


IV.llb:  L.  Geiger,  Goethes  Leben.  121 

der  Humor  von  Biese ''^)  und  das  Religiöse  von  De  eben  f^^),  eingebend  betrachtet;  der  in 
ihnen  vorkommende  Ausdruck  „hochbeinige  Zeiten"  als  „erbärmliche  Zeiten"  von  S an- 
der s'^ö)  erklärt.  —  Goethes  Sohn,  dessen  60.  Todestag  und  100.  Gebin-tstag  in  das 
Berichtsjahr  fallen,  wurden  von  Grensichen'^6)  und  von  G.  Karpeles'''^)  schonende 
Charakteristiken  gewidmet.  —  Liebevolle  Erinnerung  diktierte  ein  paar  Aufsätze  von 
Schnittger''9)  und  von  Littrow-Bischoff^O)  über  Goethes  Schwiegertochter  und 
Enkelin;  weniger  liebevoll  wurde  z.  B.  von  Münz^i)  Goethes  Enkel  Wolfgang  be- 
handelt ^2);  auch  eine  Notiz  über  einen  jüngst  verstorbenen  Grossneffen  Goethes,  wohl 
den  letzten  Verwandten  von  seiner  Seite,  wurde  verbreitet^).  — 

Zu  allen  Zeiten  haben  die  Mädchen  und  Erauen,  zu  denen  Goethe  Neigvmg 
fülilte,  das  Interesse  lebhaft  erregt.  Neues  lässt  sich  nicht  viel  darüber  sagen,  aber 
man  wird  nicht  müde,  das  Alte  zu  wiederholen.  So  spricht  über  Käthchen  Schönkopf 
Haarhaus^4),  der  nicht  einmal  die  Leipziger  Briefe  Goethes  erwähnt,  Rod^s)  über  Char- 
lotte Buff,  LeyserSß)  über  Lili,  Konicki^'?)  über  Minna  Herzlieb  (werden  sich  unsere 
Biographen  nicht  das  schauderhafte  „Minchen"  abgewöhnen?),  auch  Marianne  von  Willemer 
wird  nicht  vergessenes),  —  Briefe  von  Friederike  Oeser  und  Corona  Schröter,  die  frei- 
lich mit  Goethe  nichts  zu  thun  haben,  sind  durch  Geiger89-90)  wieder  abgedruckt.  — 

Unter  den  Zeitgenossen,  die  mit  Goethe  in  Beziehungen  lebten,  stehen 
Mitglieder  des  Weimarischen  Eürstenhauses  obenan.  Auch  in  der  alphabetischen 
Reihenfolge,  die  wir  in  dem  folgenden  kleinen  Abschnitte  beobachten,  nehmen  sie  die 
erste  Stelle  ein.  Die  Briefe  der  Begleiterin  und  Hofdame  der  Herzogin -Mutter  Anna 
Amalia,  des  Erävileins  von  Göchhausen,  aus  denen  Seuffert^^)  schöpft,  haben  zwar 
nicht  direkt  mit  Goethe  zu  schaffen,  aber  sie  bekunden  aufs  neue  den  gewaltigen  Eindiaick, 
den  Goethes  Elucht  nach  Italien  auf  die  Weimarer  Kreise  hervorgerufen  hatte,  und 
geben  ein  sehr  hübsches  Bild  von  der  geistigen  und  gemütlichen  Atmosphäre,  in  der, 
durch  Goethes  Einfluss  angeregt,  die  Weimarer  Damen  lebten.  —  Etwas  mehr  hat 
Goethe  selbst  mit  den  durch  Hirzel^^)  vorgelegten  Briefen  zu  thun,  die  Karl  August 
an  K.  E.  Sinner  1780  und  1781  richtete,  da  sich  diese  fast  ausschliesslich  auf  die  in 
Bern  befindlichen  über  Herzog  Bernhard  handelnden  Papiere  beziehen,  die  Goethe  be- 
arbeiten wollte.  —  In  einem  anderen,  von  Suphan^^)  veröffentlichten  Briefe  des  Herzogs 
an  Wieland  (29.  Dez.  1774)  wird  die  erste  Bekanntschaft  mit  Goethe  und  dessen  „hohe 
Achtung"  für-  Wieland  erwähnt.  —  Ein  im  J.  1890  verstorbenes  Mitglied  des  Weimarischen 
Eürstenhauses,  die  deutsche  Kaiserin  Augusta,  stand  in  ilu-en  Jiagendjahren  mit  Goethe 
in  Beziehung.  Ihrer  ist  bei  ihrem  Tode  vielfach  gedacht,  sowohl  in  0.  Schraders93a) 
Büchlein,  das  einstweilen  bis  zum  Erscheinen  eines  gross  geplanten  geschichtlichen 
W^erkes  ihr  allgemeines  Bild  festzuhalten  bestimmt  ist,  als  in  einem  Aufsatz  Wahl  es  9^)^ 
der  auf  Grund  benutzter  und  unbenutzter  Urkunden  das  Verhältnis  der  Fürstin  zu  Goethe 
und  ihre  Stimmung  nach  seinem  Tode  darzustellen  bemüht  ist^ß).  —  Die  Taufe  der 
Kaiserin  und  ihre  ersten  Lebenstage 9"^),  ihr  Erscheinen  bei  Goethe  mit  ihrem  Bräutigam, 
dem  späteren  Kaiser  Wilhelm  L,  wurden  in  Wort  und  Bild  festgehalten;  aus  den 
Briefen  der  Charlotte  von  Schiller  und  anderer  Weimaraner  Persönlichkeiten  manches  ^o-iOO) 
von  der  Jugendzeit  der  Fürstin  beigebracht  101-102).  —  Persönliche  und  litterarische  Be- 
ziehungen Goethes  zu  vielen  Männern  und  einigen  Fi-auen  sind  neuerdings  auseinander- 
gesetzt   worden.     Die    von    Domeniko  Batacchi    herrüluxnden    „Galanten  Novellen"    las 


Humor  in  Frau  Ajas  Briefen:  HarabCorr.  N.  10.  —  74)  H.  Dechent,  D.  Bild  d.  Frau  Rat  Goethe  nach  ihrem  neuestens  horaus- 
geg.benen  Briefwechsel:  DEBIL  S.  622-81.  —  75)  Daniel  Sanders,  „Hochbeinig":  ZDS.  3,  S.  2-15/7.  —  76)  0.  F. 
Gensichen,  August  v.  Goethe.  E.  Gedenkblatt  zu  seinem  100.  Geburtstag:  SchororFamBl.  10,  S.  809 — 12.  — 77)  G.  Karpeles, 
August  V.  Goethe.  E.  Gedcn'iblatt  z.  28.  August:  Zeitgeist  v.  25.  Aug.  —  78)  X  August  v.  Goethe:  BerlBörsenCour.  v.  28.  Aug. 

—  79)  Doris  Schnitt ger,  Weimarisches  in  Schleswig:  HainbCorr.  N.  12.  (Handelt  Ober  Ottilie  v.  Goethe  u.  Ulrike  v.  Pogwisch.) 

—  80)  Auguste  V.  Li ttrow- Bischof ,  Erinnerungtn  au  d.  Familie  v.  Goethe:  DHausfrauenZg.  S.  276/7;  345/6.  — 
81)  X  B.  Münz,  D.  Fluch  e.  grosseu  Namens:  UZ.  2,  S.  558-62.  —  82l  X  Wolf  Goethe:  DeutschZg.  N.  6648.  —  83)  X 
Goethes  Grossneffe:  FZg.  N.  84.  (Auch  in  viele  andere  Zgg.  Übergegangen. i  —  84)  .T.  R.  Haarhaus,  Goethes  Verhältnis  zu 
Käthchen  Schönkopf:  LZg».  N.  125.  —  85)  X  E-  Rod,  Goethe  et  ses  amours  de  jeunesse:  Charlotte  Buff:  RFamille 
d.  1.  Januar.  —  86)  X  J-  A.  Le y  ser,  Liilis  Grab,  eine  Reiseerinnerung:  PfälzMuseum.  —  87)  X  A.  Konicki,  Miuchen 
Herzlieb,  d.  Geliebte  Goethes.  Anlässlich  ihres  26  j.  Tode.stages :  KönigsbHZg.  N.  159.  —  88)  FZg.  N.  190.  (Kopie  d.  Bilder 
Mariannens  u.  ihres  Mannes  für  d.  Frankfurter  Goethehaus.)  ^  89)  L.  Geiger,  Aus  Briefen  d.  Friederike  Oeser.  (=  Vorträge 
u.  Versuche.  [S.  o.  IV.  1  N.  76.]  S.  199—215.)  —  90)  id.,  Drei  Briefe  d.  Corona  Schröter:  ib.  S.  198/9.  —  91)  B.  Seuffert, 
D.  Herzogin  Anna  Amalia  Reise  nach  Italien:  PrJbb.  65,  S.  535—65.  —  92)  L.  Hirzel,  Briefe  d.  Herzogs  Karl  August  an 
K.  Fr.  Siuner  in  Bern:  VLG.  3,  S.  113—28.  —  93)  B.  Suphan,  Aus  Karl  Augusts  Frllhzeit.  Zwei  Briefe  an  Wieland.  (S.o. 
IV,  8  N.  8.)  —  93a)  X  K.  Heinemann,  Neues  über  Karl  August  v.  Sachson-Weimar:  NMh.  Heft  8.  (Unzugänglich.)  —  94)  X 
0.  Seh  rader,  Augusta,  Herzogin  zu  Sachsen,  d.  erste  deutsche  Kaiserin.  Ztlge  u.  Bilder  aus  ihrem  Leben  u.  Charakter  nach 
mehrfach  ungedr.  Quellen.  Weimar,  Böhlau.  92  S.  M.  1,50.  (Bietet  Einschlägiges  )  —  95)  J.  Wähle,  Kaiserin  Augusta  u. 
Goethe:  Deutschland  1,8.289-90.-96)  Goethe  u.  d.  Kaiserin  Augusta:  DRs.  62,  S.  307—310.  —  97)  X  Erinnerungen  an  d. 
ersten  Lebenstage  u.  d.  Taufe  d.  Kaiserin  Augusta:  Post  N.  11.  (Nach  d.  HannCour.)  —  98)  X  B.  Rogge,  Augusta,  deutsche 
Kaiserin  u.  Königin  v.  Preussen:  Daheim  N.  17.  (S.  260  e.  Bild:  Prinz  Wilhelm  u.  Prinzessin  Augusta  bei  Goethe  im 
J.  1829.)  —  99)  X  Erinnerungen  an  d.  Kaiserin  Augusta:  TglRs.  N.  7.  —  100)  X  Aus  d.  Jugendzeit  d.  Kaiserin  Augusta: 
BerlBörsenCour.  N.  7.  (Aehnl.  Artikel,  z.  T.  Abdruck  unter  Benutzung  v.  N.  99  u.  100:  Didask.  N.  8,  9;  DresdJ.  v.  9.  Jan.; 
LZg.  N.  16;  SehwäbMerk.  N.  9;  StrassbPost  N.  9.)  —  |Q|)  X  G.  Karpeles.  Kaiserin  Augusta.  E.  Gedenkblatt:  FelszMeer. 
S.  1909.    —    102)  X  0.  Schwebe!,    Kaiserin  Augusta:    Bär.    16,    S.  196/8,   207/9,    219—21,    231  f.    (Nur  am  Anfang  einzelnes 


122  rV,llb:  L.  Geiger,  Goethes  Leben., 

Goethe,  wie  Reinhold  Köhlerio^)  hervorhebt,  wiederholt  mit  Wohlgefallen.  —  Der 
innigen  Zuneigung  des  Dichters  und  Theaterleiters  zu  der  Schauspielerin  Chr.  A.  L.  Becker 
wurde  bei  der  Auffindung  ihres  Grabes  gedachtio^).  —  Ein  Amerikaner,  Jos.  Green 
Cogswell,  der  sich  für  deutsche  Litteratur  lebhaft  interessierte,  besxichte  nach 
K.  Fr  an  ck  es  1^-106)  Bericht  1817  Goethe,  verwandelte  seine  Abneigung  gegen  dessen 
Person  in  warme  Begeisterung  und  erhielt  1819  für  die  amerikanische  Universität  Cam- 
bridge eine  Büchersendung  Goethes  mit  einigen  Zeilenl07).  —  Der  Tod  einer  Enkelin 
der  Charlotte  Kestner  gab  Leblancio^^  zu  einem  Hinweis  auf  Goethes  Wertherzeit 
Veranlassmig.  —  Wichtiger  wäre  Mauerhof si09)  Darstellung  von  Goethes  Verhältnis 
zu  Kleist,  wenn  es  dem  Vf.  nicht  gefallen  hätte,  in  einseitiger  Bewunderung  Kleists 
und  seiner  wahren  Nachfolger,  der  Jüngstdeutschen,  zu  schwelgen  und  Goethes  Kühle 
gegen  Kleists  Dramen  als  Ausfluss  des  Neides  zu  bezeichnen,  den  der  Olympier  gegen 
den  jüngeren  Nebenbuhler  gehegt  habe.  —  Den  geringen  Beziehungen  zu  Kleist  gegen- 
über steht  K.  L.  V.  Knebel  als  derjenige  da,  der  Goethe  während  seiner  ganzen  schrift- 
stellerischen Laufbahn  bald  verständnisvoll  und  aufmunternd,  bald  höhnisch  verkleinernd 
begleitete.  Die  engen  persönlichen  und  litterarischen  Beziehungen  sind  in  einer  treuen 
Biographie  durch  von  Knebel-DoeberitzHO)  ganz  gut,  aber  ohne  wesentliches  neues 
Material  dargestellt,  die  Charakteristik  des  Helden  erscheint  mir  zu  paneg^o-isch.  — 
Gelegentliche  Hinweise  erfuhren  Luden  und  Mendelssohn m-i^-)  in  ihren  Beziehungen 
zu  Goethe;  sein  Freund  Merck  wurde  gegen  ungerechte  Verunglimpfungen  von 
Düntzer^i^)  zu  Ehren  gebracht.  —  Auf  die  jüngst  verstorbene,  als  Mädchen  in 
Goethes  Hause  vielgeliebte  Jenny  von  Pappenheim  wurde  kurz  hingewiesen  ii4).  —  J){q 
gelegentlichen  Beziehungen  Goethes  zu  Abt  B,eitenberger,  einerseits  persönlicher  Art, 
andrerseits  naturwissenschaftlichen  Fragen  geweiht,  wurden  von  Prem^''')  breit  behan- 
delt. —  In  Boxbergers^iß)  und  Martins^'''')  Biographien  der  beiden  Salzmann,  inLands- 
bergs^i^)  Lebensbeschreibung  Savignys,  in  dem  Artikel,  den  JungH^)  der  Familie 
Schlosser  widmete,  wurde  auch  Goethes  gedacht.  —  Gottfried  Schadows  Gegenschrift 
gegen  Goethe,  den  naturalistischen  Standpunkte  gegenüber  dem  idealistischen  vertretend, 
wurde  bei  ihrem  Neudruck  von  Gurlitt'^o^  und  Dobbert'^i^  gewürdigt.  —  Endlich 
wurden  von  A.  Bocki22)  (Jje  Beziehungen  Goethes  zu  dem  Giessener  Professor  J.  B. 
Wilbrand  dargestellt,  einem  der  Wenigen,  die  zu  seinen  naturwissenschaftlichen  Partei- 
gängern gehörten,  unter  Abdruck  bekannter  Goethescher  Briefe  und  eines  unbekannten 
sehr  schönen  und  inhaltvollen  Schreibens,  das  Wilbrand  am  15.  Aug.  1820  an  Goethe 
gerichtet  hat.  — 


e.  Lyrik. 

Otto  Pniower. 

Ausgaben  N.  1.  —  Neue  Funde:  An  das  Klavier  N.  3.  —  Ghasel  auf  den  Eilfer  N.  4.  —  Vierzeiler  fUr  Rosine 
Stadel  N.  5.  —  Strassbnrger  Zeit:  Sesenheim  N.  8.  —  Heidenröslein  N.  11.  —  Frankfurter  Zeit:  Mädchens  Held  N.  15. 
—  An  Schwager  Kronos  N.  16.  —  Herbstgefühl  N.  19.  —  Weimarer  Zeit:  Ilmenau  N.  21.  —  Zueignung  N.  21a.  —  Die 
Braut  von  Korinth  N.  22.  —  Sehnsucht  N.  23.  —  Sonette  N.  24.  —  Schweizerlied  N.  25.  —  West-östlicher  Divan  N.  27.  — 
Zwischen  beiden  Welten  N.  30.  — 

Die  litterarische  Thätigkeit  auf  dem  Gebiete  der  Goetheschen  Lyrik  ist  in  An- 
betracht der  grossen  Produktion,  deren  die  Goethephilologie  sich  bekanntlich  überhaupt 
erfreut,  für  das  Jahr  1890  kaum  als  sehr  lebhaft  zu  bezeichnen.  Allem  voran  miiss 
der  durch  von  Loeper^)  besorgte  dritte  Band  der  Weimarer  Ausgabe  genannt  werden. 


Hierhergehörige.)  —  103)  Reinh.  Köhler,  Goethe  u.  d.  italienische  Dichter  Domenico  Batacchi:  BVGWLeipzig.  S.  72'8.  — 
104)  Auffindung  d.  Grabes  d.  Chr.  A.  L.  Becker  geb.  Neumann  (Euphrosyne):  AZg.  N.  141.  (Vgl.  KZg.  N.  136.)  —  105)  Kuno 
Francke,  Goethe  and  Cogswell:  Harvard  Monthly.  S.  132  fF.  —  106)  id.,  Goethe  u.  Cogswell:  Nation».  7,  N.  614/5.  (Deutsche 
IJebersetzung  v.  N.  105.?)  —  107)  X  Goethes  gift  of  books  to  Harvard  College,  with  letter;  and  Cogswells  Visits  to  Goethe 
in  1817/9:  Nation^v.  50,  S.  416.  —  108)  X  E.  Leblanc,  Madame  Charles  Kestner:  Figaro  N.  15.  (Vgl.  FZg.  N.  16.  —  Die 
Dame  war  84  J.  alt,  d.  Schwiegermutter  Floquets  u.  d.  Grossmutter  d.  Mad.  Ferry.)  —  109)  E.  Mauerhof,  Goethe  u.  Heinrich 
V.  Kleist:  Gesellschaft  6,  S.  516 — 44.  —  110)  H.  v.  K  nebel-Doeberi  tz ,  K.  L.  v.  Knebel.  E.  Lebensbild  mit  e.  Bildnis. 
Weimar,  Böhlau.  X,  183  S.  M.  4,00.  |[L.  Geiger:  MUnchNN.  N.  26.]|  (Vgl.  o.  IV,8  N.  7.)  —  III)  E.  Gespräch  Lndens  mit 
Goethe:  DRomanZg.  27,  N.  30.  —  112)  Wintcrfeld,  Mendelssohn  u.  Goethe:  Salon.  Heft  8.  —  113)  H.  Düntzer,  Zn  Ehren 
V.  J.  H.  Merck  (S.  o.  IV,  6  N.  46).  —  114)  Haronin  .Jenny  v.  Gustedt  geb.  v.  Pappenheim:  Post  N.  194.  —  115)  S.  M.  Prem, 
Goethe  u.  Abt  Beitenberger:  NFPr.  N.  9211.  —  116)  R.  Boxberger,  F.  R.  Salzmann:  ADB.  .SO,  .S.  299.  —  117)  E.  Martin, 
J.  D.  Salzmann:  ib.  S.  300.  —  118)  E.  Landsberg,  F.  K.  v.  Savigny  (s.  u. IV,  13  N.  21).  —  119)  R.  .lung,  P.  H.  u.  J.  G.  Schlosser: 
ib.  S.  541/7.  —  120)  C.  Gurlitt,  6.  Schadow  als  Impressionist:  MLJA.  69,  S.  42.5/7.  —  121)  E.  Dobbert,  J.  FriedlUnder, 
G.  Schadow:  NatZg.  N.  489.  -  122)  Alfred  Bock,  Goethe  u.  Prof.  Wilbrand:  FZg.  N.  240.  - 

I)  Goethes  Werke,    Her.  im  Auftr.  d.  Grossherzogin  .Sophie  v.  Sachsen.   3.  Bd.   (Gedichte  3.  Teil.)  Weimar,  Böhlau. 


IV,  11c:  0.  Pniower,  Goethes  Lyrik.  123 

Er  entspricht  inhaltlich  dem  dritten  Bande  der  x4.usgabe  letzter  Hand.  Das  Neue,  das 
er  bringt,  besteht  ausser  in  der  Sichei'ung  des  Textes  vornehmlich  in  der  chronologischen 
Fixierung  einzelner  Gedichte,  die  teils  durch  die  Einsicht  in  Goethes  Tagebücher,  teils 
durch  die  Datierung  aufgefundener  Hss.  gewonnen  wurde.  Eine  Reihe  früherer  An- 
nahmen sind  so  bestätigt,  andere  berichtigt  worden.  —  Eine  Sammlung  der  lyrischen 
Gedichte  Goethes  liegt  uns  in  einer  Auswahl  von  französischer  Seite  vor,  Herausgeber 
ist  L.  Schmitt  2).  Dürftige  Anmerkungen  begleiten  den  Text.  Eine  kurze  Vorrede 
über  Goethes  Leben  und  über  seine  lyrische  Poesie  geht  voran.  Sie  ist  nicht  frei  von 
belustigenden  Irrtümern.  So  lässt  der  Herausgeber  am  Hofe  Weimars  neben  Wieland 
und  Musaeus  auch  Sterne  und  Goldsmith  weilen.  Irgend  etwas  Neues  oder  Tieferes  erfährt 
man  nicht.  — 

Wir  schliessen  hieran  Nachrichten  über  neue  Eunde,  mag  es  sich  nun  \im 
Gedichte  handeln,  die  Goethe  nur  zugeschrieben  werden,  oder  um  solche,  die  ihn  wirk- 
lich zum  Vf  haben.  Ein  möglicherweise  von  Goethe  herrührendes  Gedicht  veröffentlicht 
Suphan  3).  Im  Arnimschen  Eamilienarchiv  fand  sich  bei  den  dort  erhaltenen  Kopien 
der  Briefe  Goethes  an  Sophie  La  Roche  die  Abschrift  eines  Liedes,  die  zusammen  mit 
den  Kopien  zweier  Goethescher  Gedichte  („Wanderers  Sturmlied"  und  ,,Des  Mädchens 
Held")  und  der  „Güldenen  Worte  Salomons,  Königs  von  Israel  und  Juda"  (Goethes 
Werke,  Hempel  3,  S.  213  &.)  überliefert  ist.  Jeder  von  den  drei  Halbbogen,  die  diese 
Stücke  umfassen,  ist  mit  dem  Namen  „Göthe"  bezeichnet.  Dieser  Umstand  und  die 
Nachbarschaft  der  wirklich  Goetheschen  Schöpfungen  sind  die  einzigen  Momente,  die  für 
die  Verfasserschaft  des  Dichters  sprechen.  Das  Gedicht  selbst,  eine  aus  drei  Strophen  be- 
stehende gefühlvolle,  thränenreiche,  im  Schmerz  schwelgende  Apostrophe  an  das  Klavier, 
lässt  nur  in  Einzelheiten  den  Meister  durchblicken.  Der  Schluss:  „Wenn  dein  mächtiges 
Entzücken  —  Tief  in  meine  Seele  dringt,  —  0  so  dank'  in  nassen  Blicken  —  Dir  mein 
Herz,  das  dich  besingt",  —  mit  seiner  kühnen  Personifikation  des  besungenen  Gegen- 
standes könnte  Goethesch  sein,  wie  denn  auch  in  „Erwin  und  Elmire"  im  Lied  Elmirens 
(DJG.  3,  S.  511)  der  Ausdruck  „nassen  BHcken",  wie  hier  im  Reim  auf  „Entzücken", 
erscheint.  Der  Herausgeber  erklärt  nachträgHch  Siegmund  von  Seckendorff  für  den  Vf. 
Doch  giebt  er  Gründe  für  seine  Vermutung  nicht  an.  — 

Das  schönste  Ergebnis  der  Thätigkeit  auf  unserem  Gebiete  bildet  für  das  Berichts- 
jahr die  Veröffentlichung  einer  älteren  Gestalt  des  Ghasels  auf  den  Elfer  (Weimarer 
Ausgabe  6,  S.  302,  Hempel  4,  S.  178).  Und  die  Herausgabe  des  köstlichen  Eundes  durch 
Burdach  *),  die  ihm  gewidmete  Erörterung  entsprechen  ganz  und  gar  dem  Werte  der 
Urkunde.  B.  sucht  eine  genaue  Datierung  des  Liedes  fast  bis  auf  die  Stunde  zu  ge- 
winnen. Es  ist,  wie  er  ausführt,  am  Abend  des  9.  Okt.  1815  auf  einem  längeren  Spazier- 
gange gedichtet  und  darnach  in  der  Gaststube  zum  Hirschen  in  Meiningen  nieder- 
geschrieben. Mag  nun  B.  der  Beweis  dafür  gelungen  sein  oder  nicht,  auf  jeden  Fall 
kann  man  nicht  genug  loben,  welche  Fülle  von  Momenten  er  für  seine  Ansicht  aufzu- 
bringen versucht,  wie  er  sich  bemüht,  uns  ein  genaues  Bild  von  dem  inneren  Zustand 
des  Dichters  an  dem  Abend  zu  geben,  um  uns  gleichsam  zu  dem  Glauben  zu  zwingen,  dass 
aus  dieser  Stimmung  eine  dichterische  Schöpfung  und  zwar  eben  diese  hat  hervorgehen 
müssen.  Feinsinnig  vergleicht  B.  dann  die  geniale  Improvisation  mit  „Wanderers 
Sturmlied",  und  zuletzt  weist  er  ihr  ■wie  dem  ganzen  Divan,  in  dessen  Kreis  das  Gedicht 
gehört,  die  Stellung  an,  die  beide  in  der  Entwicklung  Goethes,  einnehmen.  B.  steht 
nicht  an,  die  beiden  Rheinreisen  des  Dichters  1814  und  1815  in  ähnlichem  Sinne  epoche- 
machend zu  nennen  wie  die  italienische  Reise.  Er  zeigt,  wie  für  Goethe  mit  dem 
Friedensschluss  des  Jahres  1814  die  qualvolle  Zeit  des  politischen  Druckes  vorüber  ist, 
wie  er  sich  belebt,  verjüngt  und  sogleich  eine  freiHch  lange  vorbereitete  Wandlung 
seiner  dichterischen  Existenz  damit  verbindet.  Die  ausschliessliche  Hingabe  an  den 
Klassizismus  weicht  einer  den  verschiedensten  Stilformen  zugewandten  Auffassung. 
Das  Distichon  als  Mass  der  gnomischen  Poesie  macht  den  alten  deutschen  Reimpaaren 
Platz.  Die  allen  einheimischen  wie  fremden  Dichtungsformen  geöffneten  Interessen  der 
Jugend  erwachen  wieder  und  Goethe  lenkt  in  Pfade  ein,  die  er  einst  mit  seinem  Jugend- 
lehrer Herder  wandelte.  Es  ist  hier  nicht  möglich,  das  Bild  nachzuzeichnen,  das  B. 
von  dem  auferstandenen  Goethe  in  glänzenden  Zügen  entwirft,  und  diese  wenigen  An- 
deutungen müssen  genügen,  um  zu  zeigen,  in  welch  grossen  Zusammenhang  das  Gedicht 
von  seinem  Herausgeber  gerückt  wird.  — 

Für  die  Entstehung  des  „West- östlichen  Divan",  so  wie  er  uns  heute  vor- 
liegt, war  der  Aufenthalt  Goethes  bei  Willemers  bekanntlich  von  entscheidender 
Bedeutung.  Darauf  weist  Burdach  in  seinem  Kommentar  mit  Nachdruck  hin.  Ein 
bisher    ungedruckter    von    Gaedertz  &)    veröffentlichter    Vierzeiler    Goethes    führt    uns 


X,  448  S.  M.  3,50.  —  2)  Classiques  allemands.  Poösies  lyriques  de  Goethe.  Avee  notes  et  notices  par  L.  Schmitt.  Paris, 
Delagrave.  1889.  52  S.  —  3)  B.  Suphan,  E.  mit  Goethes  Namen  üherliefertes  unhek.  Gedieht:  GoetheJb.  11,  S.  19—20;  dazu 
Vorrede  S.  IV.  —  4)  K.  Burdach,  Goethes  Ghasel  auf  d.  Eilfer:  ih.  S.  3—18.  —  5)  K.  Th.  Gaedertz,  E.  ungedruekter  Vers 


124  IV,llc:  0.  Pniower,  Goethes  Lyrik. 

nun  gerade  in  den  Willemerschen  Kreis.  Rosine  Stadel,  Tochter  des  Geheimen 
Rats  Willemer  aus  seiner  ersten  Ehe,  erhielt  von  Goethe  am  5.  Mai  181B  einen  Ring 
mit  sieben  Steinen,  die  so  ausgewählt  waren,  dass  die  Anfangsbuchstaben  ihrer  Namen 
Rosinens  Kosenamen  Rosette  bildeten.  Der  Gabe  war  ein  Vers  beigefügt,  den  Strehlke 
(Goethes  Briefe  2,  S.  238)  noch  vermisste.  Dieser  Vers  ist  es  nun,  den  G.  in  der 
Partheyschen  Autographensammlung  der  Kgl.  Bibliothek  zu  Berlin  aufgefunden  hat  und 
veröffentlicht.  —  Ein  zehnzeiliges  Gedicht  gegen  das  Hutabnehmen  beim  Grüssen,  das 
schon  V.  Loeper  (Hempel  3,  S.  396)  publiziert  und  als  ungoethesch  zurückgewiesen  hat, 
machte  die  Riinde  durch  unsere  Zeitungen  ^).  Einen  auch  nur  einigermassen  wahr- 
scheinlichen Beweis  für  Goethes  Avitorschaft  hat  auch  diese  neue  Vorlegung  nicht 
gezeitigt.  Die  Verse  selbst  treten  für  die  Annahme  nicht  gerade  ein.  Schon  der  an 
Schillers  „Würde  der  Erauen"  anknüpfende  Eingang  des  Gedichts:  „Ehret  die  Frauen" 
erscheint  uns  ungoethesch.  '^)  — 

Bei  der  Uebersicht  über  die  Einzellitteratur  stossen  wir  gleich  im  Beginn  auf 
die  Epoche,  die  während  des  Berichtsjahres  im  Vordergrund  der  Behandlung  stand,  auf  die 
Strassburger  Zeit.  Die  Sesenheimer  Episode  und  was  sich  daran  knüpft  auf  der 
einen,  die  Heidenrösleinfrage  auf  der  anderen  Seite  fanden  wiederholte  Behandlung. 
Martin  ^)  erweitert  in  einem  Aufsatz,  in  dem  er  auch  die  Litteratur,  die  das  Sesen- 
heimer Idyll  schon  hervorgerufen  hat,  chronologisch  kurz  verzeichnet,  die  Charakteristik 
der  historischen  Eriederike  mit  Hilfe  neuer  kleiner  Zeugnisse.  Er  weist  dann  darauf 
hin,  dass  die  Scene  im  ,, Werther",  wo  der  Held  Lotten  aus  dem  Ossian  vorliest  und  von 
der  Gewalt  der  Gefühle  hingerissen  ihr  zu  Füssen  stürzt,  wohl  das  Abbild  eines  Erlebnisses 
mit  Friederiken  sei.  Von  Lenz  giebt  er  eine  Charakteristik  und  einen  kurzen  Lebens- 
abriss.  An  diese  Ausführungen  knüpft  M.  einen  Bericht,  wie  der  Hügel,  auf  dem  die 
Laube  Friederikenruh  gestanden  hat,  erworben  wurde,  wie  die  Anlagen  auf  ihm  zu 
Stande  kamen  und  wie  im  Sommer  1880  die  neue  Friederikenruhe  eingeweiht  wurde. 
Ein  hübsches  Festspiel,  das  zum  15.  Juli  1888  gedichtet  wurde,  dem  Tage,  an  dem  die 
Strassbvu-ger  Germanisten  nach  dem  alljährlich  beobachteten  Brauche  den  Goethe-Hügel 
aufsuchten,  beschliesst  den  Aufsatz.  —  Mit  dem  Problem,  welche  von  den  im  allge- 
meinen Goethe  zugeschriebenen  Sesenheimer  Liedern  ihm  angehören  und  welche 
Lenz  zum  Vf.  haben,  beschäftigte  sich  ein  Vortrag,  den  Bielschowsky  9)  in  der  Berliner 
„Gesellschaft  fiu-  Deutsche  Litteratur"  hielt.  —  Von  einem  einzelnen  Gedicht:  „Ach,  bist 
Du  fort?"  (DJG.  1,  S.  264)  zeigt  Weinhold i«),  dass  Lenz  und  nicht  Goethe  der  Vf. 
sei.     Die   Entstehimg   des   Gedichtes   setzt  W.   zwischen   den   3.   und   15.   Juni   1772.  — 

Mehrfach  behandelt  wurde  die  Frage,  die  das  „Heidenröslein"  der  Forschung 
immer  -wdeder  vorlegt.  Zuerst  erörterte  Hildebrand^i)  das  Verhältnis  der  Fassungen 
des  Liedes,  Avie  sie  uns  einerseits  Herder  in  den  „Blättern  von  deutscher  Art  und  Kunst" 
und  in  seinen  Volksliedern,  dann  Goethe  in  seinen  Gedichten  (zuerst  1789)  bietet.  Schon 
die  Bemerkungen,  die  Herder  an  jenen  beiden  Stellen  macht,  an  denen  er  das 
Lied  piibliziert,  sprechen  nach  H.s  Ansicht  dagegen,  dass  er  es  von  Goethe  erhalten 
habe.  Auch  philologisch  betrachtet  erweise  sich  der  Herdersche  Text  als  der  ältere. 
Endlich  sei  die  Verschiedenheit  im  Schlüsse  der  Fassungen  bei  Herder  und  bei  Goethe 
eine  solche,  dass  die  Aenderung  nicht  Herder,  sondern  nur  Goethe  zugeschrieben  werden 
könne.  So  sei  Goethe  hier  in  bildlose  Deutlichkeit  verfallen,  während  die  Herdersche 
Fassung  das  Bild  bis  zum  letzten  Augenblick  festhalte.  Diese  letzte  Behauptung  wird 
ka\un  jemand  richtig  finden.  Wir  meinen,  dass  Goethe,  so  sehr  er  auch  den  tieferen 
Sinn  der  Allegorie  diu*chblicken  lässt,  dennoch  mehr  im  Bilde  bleibt  als  Herder,  in  dessen 
Fassung  es  vom  Knaben  heisst:  „er  vergass  darnach  beim  Genuss  das  Leiden",  wo  mit 
dem  Worte  „Genuss"  die  Allegorie  völlig  durchbrochen  ist.  Zuletzt  charakterisiert  H. 
das  von  Paiil  von  der  Aelst  in  seinem  Liederbuch  (1602)  mitgeteilte  Lied,  das  den  Kehrreim 
„Rösslein  auff  der  Heyden"  zeigt  und  das  Goethe  nach  der  allgemeinen  Annahme  in 
Strassburg  kennen  lernte.  Nach  H.  sei  es  kein  eigenthches  VolksHed,  sondern  ein 
städtisches  Lied  mit  poetischen  Formen,  die  aus  dem  echten  Volkslied  entlehnt  sind. 
H.s  Ergebnis  ist,  dass  das  „Heidenröslein"  nicht  von  Goethe  verfasst,  sondern  ein  Volks- 
lied sei,  das  er  sich  auf  Grund  einiger  Aenderungen,  die  eigentlich  Verschlechterungen 
seien,  angeeignet  habe.  —  Dieser  Auffassung  tritt  Dunger ^2)  sehr  entschieden  entgegen. 
Auch  er  prüft  die  Aenderungen,  die  die  Goethesche  Fassung  gegenüber  der  Herderschen 
aufweist,  im  einzelnen  und  sucht  ihre  Motive  ausfindig  zu  machen,  wobei  er  Hildebrands 
Vorliebe  für  die  ältere  mit  Geschick  als  unbegründet  nachweist.  Diese  Aenderungen 
aber  sind  alles  in  allem  genommen  so  geringfügiger  Art,  dass  Goethe,  wenn  sein  Anteil 


V.  Goethe:  SchorerFamBl.  11.  S.  399.  —  6)  NFPr.  N.  9130;  9131;  9132.  (Ausserdem  in  e.  FHlle  anderer  Zeitungen,  z.  B. 
TglRs.  N.  23.)  —  7)  (IV,  IIb  N.  44.)  —  8)  E.  Martin,  I).  Goethe-Hö(?el  bei  Sesenheim:  JbGElsLotbr.  6,  S.  97—107. 
—  9)A.  Bielschovsky,  DLZ.  11,  S.  1698  9.  (Bericht  v.  A.  Fr.;  d.  Vortrag  ist  inzwischen  als  Abhandlung  im  12.  Bd. 
d.  GoethcJl).  erschienen,  u.  so  sei  seine  Besprechung  auf  Bd.  2  d.  JBL.  aufgespart.)  —  10)  K.  Weinhold,  (Joethe  oder 
I.onz?:    ChrWGoethoV.  4.  .S.   18-  19.    -    II)  K.  Hildebrand,  Z.  Heidenröslein:  ZDU.  4,  S.  147-52.    -    12)  H.  Uunger,  Ü- 


lV,llc:  0.  Pniower,  Goethes  Lyrik.  125 

an  dem  Gedicht  sich  auf  sie  beschränkte,  dies  nie  und  nimmer  als  sein  eigenes  in  die 
Werke  hätte  aufnehmen  können.  Da  das  aber  nun  einmal  geschehen  sei,  so  komme 
man  notwendig  zu  dem  Schkisse,  dass  das  „Heidenröslein"  überhaupt  kein  Volkslied  sei 
(wofür  noch  einige  positive  Gründe  beigebracht  sind),  sondern  im  wesentlichen  ein  von 
Goethe  verfasstes  Gedicht,  von  dem  Herder  an  den  beiden  Orten  die  ältere  Fassung  bietet, 
Goethe  in  der  Sammlung  seiner  Gedichte  eine  spätere  mitteilt.  Nun  zeigt  aber  das 
„Heidenröslein"  allerdings  unverkennbaren  Zusammenhang  mit  dem  von  Aelst  mitgeteilten 
Liede  sowie  mit  einer  älteren  im  Jahre  1586  in  Nürnberg  gedruckten  Strophe.  Auch 
darauf  geht  D.  ein,  indem  er  meint,  dass  Goethe  ein  altes  Volkslied  mit  demselben 
Kehrn^eim  immerliin  noch  im  Volksmunde  angetroffen  haben  könne,  wenn  das  auch  nicht 
eben  wahrscheinlich  sei.  Am  nächsten  liege  die  Annahme,  dass  Goethe  es  in  einem 
alten  Liederbuche  in  Strassburg  kennen  gelernt  habe.  Vielleicht  sei  er  von  Herder  da- 
mals geradezu  auf  Aelsts  Liederbuch  aufmerksam  gemacht  worden.  Zwei  Lieder  seiner 
Sammlung  entnahm  Herder  jenem  Aelst.  Die  Bemerkung  Herders  im  ersten  Abdruck: 
„ich  siippliere  diese  Reihe  nur  aus  dem  Gedächtnis",  und  der  Umstand,  dass  er  es  da 
„ein  älteres  deutsches  Lied"  nennt,  ferner  im  zweiten  Abdruck  sagt:  „es  stamme  aus  der 
mündHchen  Sage",  alles  das  weiss  D.  mit  seiner  Auffassung  gut  in  Einklang  zu  bringen. 
Goethe,  meint  er,  der  vom  Volkslied  angeregt  sein  Gedicht  verfasste,  habe  es  Herder 
mündlich  und  nachher  wohl  auch  schriftlich  als  ein  älteres  Volkslied  mitgeteilt,  woraus 
sich  dessen  Bemerkungen  erklären.  Zum  Schluss  geht  D.  auf  eine  Ansicht  Minor s^^) 
ein,  die  dieser  in  einem  bis  jetzt  allerdings  nur  im  Referat  vorliegenden  Vortrage  ge- 
äussert hat.  Darnach  meint  M.  „Die  Blüte.  Ein  Kinderlied",  ein  Gedicht,  das  von 
Herder  in  einer  hs.  Sammlung  lyrischer  Gedichte,  im  sogenannten  silbernen  Buch  auf- 
gezeichnet sei,  habe  Goethe  zum  Vf.  und  stelle  die  ältere  Gestalt  des  „Heidenrösleins" 
dar.  Gegen  diese  Auffassxnig  erklärt  sich  D.  mit  Recht  aufs  entschiedenste  und 
betont,  dass  „Die  Blüte"  eine  spätere  ümdichtung  des  Goetheschen  Liedes  sei.  Auch 
Redlichs  Annahme,  dass  das  „Heidenröslein"  Goethes  eine  Ümdichtung  des  Herderschen 
KinderHedes,  der  „Blüte",  sei,  weist  er  als  unstatthaft  zurück,  ebenso  auch  die,  dass, 
wie  Redhch  glaubt,  in  den  verlorenen  Blättern  des  Herderschen  Ossian- Aufsatzes  statt  des 
„Heidenröslein"  eben  „Die  Blüte"  gestanden  habe.  Denn  dies  hätte  von  Herder  weder 
als  ein  „älteres  deutsches  Volkslied"  bezeichnet  werden  können,  noch  hätte  er  von 
einem  „kindischen  Ritomell"  sprechen  können,  da  der  „Blüte"  der  Kehrreim  fehle. 
Man  wird  D.s  klaren  und  verständigen  Ausführungen  nur  beipflichten  können.  Doch 
scheint  das  Problem  auch  jetzt  noch  nicht  erledigt.  Das  Aelstsche  Lied  bietet  nur  den 
Kehrreim  „Rösslein  auf  der  Heyden",  während  Goethe  singt:  „Röslein,  Röslein,  Röslein 
rot,  Röslein  auf  der  Heiden".  Dies  rot  Röslein  bietet  nun  die  Nürnberger  Strophe  im 
zweiten  Vers  („rot  röslein  auf  der  Heiden"),  wofür  sie  hingegen  wieder  keinen  Kehrreim 
hat.  Darnach,  muss  man  annehmen,  hat  Goethe,  der  auf  das  echt  volksmässige  Attribut 
kaum  von  selbst  gekommen  sein  dürfte  und  auch  den  Kehrreim  schwerlich  selbst  ge- 
funden hat,  entweder  beide  Gedichte  gekannt  oder  ein  drittes  uns  unbekanntes,  das  wie 
die  Nürnberger  Strophe  das  „rot  Röslein"  bot  und  zugleich  den  Kehrreim,  Im 
letzten  PaU  müssen  wir  vorläufig  darauf  verzichten,  das  wahre  Verhältnis  Goethes 
zu  seiner  Vorlage  zu  ermitteln.  —  Ein  Aufsatz  von  Moleschott^^)  über  dasselbe 
Thema  geht  an  die  Präge  mit  dem  beneidenswerten  Glück,  das  nur  dem  Laien 
gegönnt  ist,  keine  Ahnung  von  den  Schwierigkeiten  zu  haben,  die  hier  den  Porscher 
erwarten.  Mit  naivster  Unkenntnis  der  elementaren  Litteratur  liefert  er  eine  schwärme- 
rische Würdigung  dessen,  was  die  allen  bekannte  spätere  Passung  gegenüber  der  von 
Herder  mitgeteilten  ist.  — 

Kaum  weniger  Rätsel  giebt  das  Gedicht  „Mädchens  Held"  auf,  das  jedenfalls 
der  Frankfurter  Zeit  entstammt  („So  ist  der  Held,  der  mir  gefällt" D JG.  2,  S.  37 f.  Weimarer 
Ausgabe  4,  S.  361  f.).  Witkowski*^)  sucht  dafür  eine  andere  Datierung  zu  gewinnen, 
als  sie  Seufifert  in  der  ZDA,  26,  S.  263  aufgestellt  hat.  Zu  dem  Zweck  giebt  er  eine  klare 
Auseinandersetzung  der  Pastor- Amor- Affaire,  die  sich  daraus  entwickelte,  dass  J.B.Michaelis 
sich  im  Jahre  1771  in  einem  kleinen  „Pastor -Amor"  betitelten  und  die  Absolution 
parodierenden  Gedichte  ziemlich  unverhüllte  Anspielungen  auf  den  Probst  Spalding  in 
Berlin  zu  schulden  kommen  Hess.  Er  nahm  ihn  aufs  Korn,  weil  Spalding  gegen  eine 
von  Gleim  ohne  sein  Wissen  unternommene  Publikation  seiner  einstigen  Korrespondenz 
mit  ihm  in  einer  Erklärung  lebhaft  protestiert  und  darin  seine  jugendliche  Liebe  und 
Preundschaftständelei  unverhohlen  und  mit  mannhafter  Selbstkritik  preisgegeben  hatte. 
Das  Michaelissche  Gedicht  erregte  mit  seiner  Verspottung  eines  Sakraments  vielfache 
Entrüstung,  und  selbst  Wieland  machte    gegen    die  Blasphemie    in    einer  vernichtenden 


Heidenrösein  e.  Goethesehes  Gedicht:  ib.  S.  E38  ff.  —  13)  .1.  Minor,  D.  Autorscliaftsfrage  bei  Goothe  u.  neueren  Diclitern : 
Clu-WGoetheV.  4,  S.  8-11.  (Vgl.  o.  IV,  1  N.  38.)  -  |4)  J.  Moleschott,  Goethes  Heidenröslein:  ib.  S.  30/8.  -  15)  G. 
Witkowski,    So    ist   d.  Held,    der   mir   gefällt:    VLG.  3,  S.  509-30.    —    16)  B.  Hildebrand,   Goethe  e.  grosser   Nehiner 


126  IV,llc:  0.  Puiower,  Goethes  Lyrik. 

Recension  der  Erfurter  Gelehrten -Zeitung  Front.  Diese  Recension  soll  nun  Goethe 
nach  W.  den  unmittelbaren  Anlass  zu  seinem  Gedichte  gegeben  haben,  und  daraus 
erkläre  sich  die  Citierung  Wielands  in  der  letzten  Strophe  des  Liedes.  Das  Lied  würde 
darnach  dem  Herbst  1771  zuzuweisen  sein,  während  es  Seuifert  etwa  ein  Jahr  später 
verfasst  sein  lässt.  Man  muss  W.  vor  allem  entgegen  halten,  dass  der  Charakter  der 
Recension  mit  seiner  Vermutung  wenig  im  Einklang  steht.  Sie  wendet  sich  ganz  per- 
sönHch  gegen  Michaelis,  seine  ungebülu-liche  Spottsucht  und  das  freventliche  Spiel,  das  er  mit 
der  Freundschaft  Gleims  und  Jacobis  treibe.  Von  einer  Kriegserklärung  gegen  die  Ana- 
kreontik  überhaupt,  gegen  die  weichliche  Ali  dieser  Poesie  ist  in  ihr  nicht  entfernt  die 
Rede.  Wie  sollte  Goethe  also  aus  ihr  Anregung  zu  seinem  Gedicht  geschöpft,  wie 
sollte  sie  ihn  bewogen  haben,  Wieland  gleichsam  als  seinen  Schutzpatron  anzurufen? 
Goethe  hatte,  wie  wir  meinen,  im  Herbst  1771  wenig  Veranlassung,  in  Wieland  einen 
Helfer  gegen  eine  schwächliche  Poesie  zu  suchen,  und  die  Recension  in  der  Erfurter 
Gelehrten  -  Zeitung,  so  wie  sie  beschaffen  ist,  war  schwerlich  im  stände,  ihn  in  seine 
Arme  zu  treiben.  Ich  glaube  mit  Seuifert,  was  W.  zu  bekämpfen  sucht,  dass 
Goethe  in  ihm  seine  Verurteilung  der  Anakreontiker  „parodisch  mit  anakreontischen 
Mitteln  vorgetragen  habe."  — 

Für  das  Gedicht  „An  Schwager  Kronos"  macht  Hildebrandiß)  geltend, 
dass  es  in  seiner  älteren,  zuerst  von  Suphan  ZDPh.  7,  S.  212  veröffentlichten  Gestalt 
Einfluss  eines  Gedichtes  von  Michael  Denis  auf  Gellerts  Tod  (Dez.  1769)  verrate. 
—  Doch  zeigt  Ringelingi'^),  dass  beiden  Dichtern,  Denis  wie  Goethe,  dieselbe  Stelle 
aus  Jesaia  14,9  vorschwebte,  und  Hildebrand^s)  bekennt  selbst,  „einen  bösen  Bock 
geschossen  zu  haben".  — 

Das  kurze  Gedicht  „Herbstgefühl"  wird  von  Corvinusi^)  sehr  eingehend 
analysiert  und  zwar  so,  dass  er  die  Intentionen  des  Dichters  fein  entwickelt  und  den 
seelischen  wie  lyrischen  Gehalt  des  Gedichtes  erschöpfend  behandelt;  nur  freilich  in  einer 
etwas  abstrakten  Betrachtungsweise,  deren  Ueberwuchern  besonders  in  der  Partie,  die 
die  Diktion  des  Liedes  bespricht,  zu  Tage  tritt.  Der  Vf.  müht  sich  hier  ab,  die  Sprache, 
deren  Originalität  ihm  nicht  entgangen  ist,  psychologisch -analytisch  zu  charakterisieren, 
aber  Wendungen,  in  denen  sie  drastisch  zum  Ausdruck  kommt  wie  „der  Sonne  Scheide- 
bhck",  „fruchtende  Fülle",  „Voll  schwellende  Thräuen",  die  erklärt  er  nicht.  Gerade  das 
aber  wäre  wünschenswert  gewesen ;  sie  sind  ein  charakteristischer  Beleg  für  die  sprachliche 
Kühnheit  des  jungen  Goethe.  Hübsch  und  aufschlussreich  ist  eine  eingeschobene  kurze 
Kontrastierung  der  Goetheschen  und  Heineschen  Lyrik.  Besonders  gefallen  hat  uns 
die  leider  selbst  in  wissenschaftlichen  Zss.  noch  immer  nötige  Abwehr  des  Vorwurfs, 
dass  der  Aesthetiker  dem  Dichter  Gedankengänge  zuzumuten  pflege,  die  ihm,  als  er  schuf, 
fem  gelegen  hätten,  dass  er  also  gewöhnlich  künstlich  hineininterpretiere.  Gut  hebt 
C.  hervor,  dass  der  Forscher,  der  sich  um  die  Entstehung  einer  dichterischen  Schöpfung 
bemühe,  allerdings  oft  Vorgänge  zu  konstatieren  habe,  die  dem  Bewusstsein  des  Dichters 
selbst  verborgen  blieben,  trotzdem  aber  beim  Produzieren  im  Spiele  waren.  Und  in  der 
That  wäre  es,  wie  uns  scheint,  beschämend  genug  für  die  Fortschritte  der  Litteratur- 
geschichte,  wenn  wir  nicht,  wie  ferne  wir  auch  dem  Ziele  der  Erkenntnis  sind,  wenigstens 
so  weit  wären,  dass  wir  über  die  Entstehung  eines  Kunstwerks  in  vielen  Punkten  besser 
sollten  Auskunft  geben  können   als    sein  Urheber    selbst.  — 

Zu  lyrischen  Erzeugnissen 20)  der  Weimarer  Zeit  führt  ein  Aufsatz  von  Blume^i); 
er  soll  wahrscheinlich  machen,  dass  mit  den  Versen  69 — 76  des  Gedichtes  „Ilmenau"  nicht 
Seckendorff,  wie  man  allgemein  annimmt,  sondern  Knebel  gemeint  ist.  B.  stützt  diese  Ansicht 
durch  einen  Hinweis  auf  die  Sammlung  kleiner  Gedichte,  die  Knebel  später  (1815)  in 
Leipzig  bei  Göschen  gesammelt  herausgab,  worin  eine  Reihe  von  Hymnen  sich  befindet, 
auf  die  die  V.  73 — 76  gegebene  Charakteristik  zu  passen  scheint.  Doch  wu'd  man  die 
Begründung  kaum  ausreichend  finden.  Nur  das  „monoton"  im  V.  76  erklärt  so  sich 
gut,  indem  wie  B.  bemerkt,  diese  Hymnen  sämtlich  in  Hexametern  abgefasst  sind.  Ist 
aber  V.  69 — 76  des  Gedichtes  Knebel  gemeint,  so  müsse  die  alte  Ansicht  fallen,  die 
auch  schon  v.  Loeper  Hempel  2,  S.  308  widerlegt,  dass  er  nämlich  V.  59 — 68  dargestellt 
sei.  In  einem  zweiten  Abschnitt,  in  dem  die  V.  112 — 119  zur  Sprache  kommen,  be- 
handelt B.  hauptsächlich  die  V.  116 — 117.  Er  bezieht  sie  nicht  auf  die  Schwierigkeiten, 
die  Goethe  anfangs  am  Weimarer  Hofe  fand:  von  den  Erlebnissen  in  Weimar  sei  erst 
V.  120  ff.  die  Rede,  nach  seiner  Ansicht  spiele  Goethe  hier  vielmehr  auf  LiU  an. 
Die  Verse  sollen  bedeuten:  er  sei  nicht  weltklug,  vorsichtig  genug  gewesen  und  habe 
durch  sein  ungestüm -leidenschaftliches  Wesen,  das  der  gesellschaftlichen  Schranken 
nicht  achtete,  die  Liebe  des  Mädchens  eingebüsst.  Man  kann  dieser  Auffassving  wohl 
beistimmen.  — 


ZDU.  4,  S.  351/3.  -  17)  W.  Ringeling:  ib.  S.  486/6.  —  18)  R.  Hildebrand:  ib.  S.  547.  -  19)  H.  Corvinns,  Herbst- 
(refUhl,  Gedicht  v.  Goethe:  ZGymn.  44,  S.  309—19.  —  20)  Teufel,  Versuch  e.  rhythm.  Uebersetzung  v.  Goethes  Grenzen 
d.  Menschheit:  KBIGRW.  37,  S.  319-20.    (Wohlgelungen.)  —  21)  L.  Blume,    Zu  Goethes  Gedicht  Ilmenau:    ChrWGoetheV.  4, 


IV,llc:  0.  Pniower,  Goethes  Lyrik.  127 

Hildebrand2ia)  sucht  den  Einfluss  von  Pyras^  Gedicht  „Tempel  der  wahren 
Dichtkunst"  auf  Goethes  „Zueignung",  den  schon  Waniek  in  seiner  Schrift  über  Pyra 
(S.  175  ff.)  behauptet  hat,  nocli  sicherer  zu  erweisen,  indem  er  von  der  beiden  Gedichten 
gemeinsamen,  sicherlich  ungewöhnlichen  Wendung:  „Das  Zeug  schwoll  in  tausend 
Palten  auf"  IdcI  Pyra,  „er  (der  Sclileier)  schwoll  in  tausend  Falten"  bei  Goethe  ausgeht. 
Und  von  da  rückwärts  betrachtend  findet  er  noch  andere  Aehnlichkeiten  zwischen  den 
beiden  Gedichten,  die  auf  die  Einwirkung  des  älteren  Dichters  auf  Goethe  zurückzu- 
führen sind.  — 

Aehnlich  wie  hier  Hildebrand  für  die  „Zueignung"  sucht  Brandeis^s)  für  die 
„Braut  von  Korinth"  den  Einfluss  einer  fremden  dichterischen  Schöpfung  darzulegen. 
Nur  werden  hier  zwei  Produkte  von  grösster  Verschiedenheit  in  einen  Zusammenhang 
gerückt,  während  sich  dort  schon  im  Grundmotiv  der  Gedichte  Verwandtschaft  und 
Aehnlichkeit  geltend  macht.  Nachdem  B.  das  Quellenverhältnis  der  Ballade  flüchtig 
gestreift  und  darauf  aufmerksam  gemacht  hat,  dass,  was  man  auch  als  Quelle  des  Dichters 
annehme,  Goethe  jedenfalls  die  Verlegung  des  Stoffes  in  die  christlich  -  heidnische  Zeit  selb- 
ständig angehöre,  unternimmt  er  den  Nachweis  dafür,  dass  gerade  die  in  dieser  Verpflanzung 
liegende  Vertiefung  des  Motivs  litterarischer  Anregung  entsprungen  sei.  Er  hebt  die 
Bedeutung  hervor,  die  das  Institut  des  Coelibats  in  der  Litteratur  des  18.  Jh.  einnehme 
und  zeigt,  wie  sehr  der  Typus  der  unglücklichen  Nonne  eine  Lieblingsfigur  in  der  Poesie 
dieser  Zeit  gewesen  sei.  Ausgegangen  sei  der  Kampf  gegen  das  Gelübdewesen  von 
Prankreich.  Zu  den  Werken,  die  dieser  Sphäre  entstammen,  gehört  auch  Diderots 
Roman  „La  Beligieuse".  Eine  Uebersetzung  dieses  Werkes  plante  Scliiller  im  Jahre 
1795  für  die  Hören,  und  er  wandte  sich  deshalb  an  Goethe.  JDie  Sache  zerschlug  sich 
aber  für  diese  Zeitschrift.  Doch  erschien  1797,  in  demselben  Jahr,  in  dem  Goethes 
Ballade  entstand,  eine  deutsche  Uebersetzung  von  Cramer.  B.  skizziert  kurz  Tendenz 
und  Lihalt  des  Komans  und  bemerkt,  wie  der  Gedanke  der  Verse  164 — 167  des  Gedichtes 
in  Diderot  vorklingt.  Dazu  trete  Uebereinstimmung  in  Einzelheiten.  Die  Verhältnisse 
im  elterlichen  Hause  der  Braut  sind  bei  Goethe  andere  als  bei  Phlegon.  Sie  sind  aber 
denen  ähnlich,  die  in  Diderots  Roman  herrschen.  Auch  das  über  die  Braut  verhängte 
eigene  „Gericht"  (v.  163),  wonach  sie  aus  dem  Grabe  ausgetrieben  wird,  „noch  zu  suchen 
das  vermisste  Gut",  dieses  Motiv  des  vampyrischen  Pluches  soll  Goethe  nach  B.  von 
Diderot  eingegeben  sein.  Die  Stellen,  an  denen  der  Pranzose  die  Zerrüttungen  des 
weiblichen  Organismus  schildert,  die  eine  Folge  des  aufgezwungenen  Coelibats  seien, 
hätten  es  Goethe  nahe  gebracht.  Es  folgen  einige  unklare  Bemerkungen  über  das 
vampyrische  Wesen  des  Gedichts,  wonach  „das  Gericht"  der  beleidigten  Götter  die 
elementaren  Störungen  jener  menschlichen  Triebe  symbolisieren,  welche  kranker  „Wahn" 
und  ein  „falsch  Gelübd"  gegen  alle  Natur  in  Fesseln  halten.  Was  der  Vf.  beweisen 
wollte,  dass  die  Ballade  auf  einem  direkten  Einfluss  des  Diderotschen  Werkes  be- 
ruhe, hat  er  tmserer  Meinung  nach  nicht  gezeigt.  Es  wäre  an  sich,  da  das  Erscheinen 
der  Uebersetzung  des  Romans  und  die  Entstehung  des  Gedichtes  so  nahe  zusammen 
liegen,  sehr  gut  möglich,  dass  wir  in  der  Lektüre  des  französischen  Werkes  einen  der 
Impulse  zur  dichterischen  Produktion  zu  erblicken  haben;  aber  der  Beweis  dafür  müsste 
viel  schärfer  geführt  sein,  als  es  von  B.  geschehen  ist.  — 

Geiger^ä)  macht  eine  eigenhändige  Abschrift  oder  die  Urschrift  der  „Sehn- 
sucht" bekannt;  sie  weicht  orthographisch  vielfach  von  den  Drucken  ab  und  an  einer 
Stelle  auch  im  Wortlaut  von  der  Ausgabe  letzter  Hand.  Die  Differenz  muss  hier  an- 
gemerkt werden,  weil  sich  zeigt,  dass  die  Weimarer  Ausgabe  in  der  Herstellung  des 
Textes  durch  sklavische  Anlehnung  an  die  Ausgabe  letzter  Hand  einen  Fehler  begangen 
hat.  V.  4  liest  die  Hs.  nämlich  nicht  „ans",  sondern  „aus",  was  der  Sinn  unbedingt 
erfordert.  Der  erste  Druck  im  Taschenbuch  auf  1804,  die  Ausgaben  von  1806  und  1815 
zeigen  sämtlich  gleichfalls  „aus"  und  erst  in  die  Ausgabe  letzter  Hand  hat  sich  „ans" 
vermutlich  als  Druckfehler  eingeschlichen.  — 

Zu  zwei  Goetheschen  Sonetten  teilt  Herman  Grimm^*)  interessante  Varianten 
aus  Bettinas  Papieren  mit.  Sie  besass  die  Originalhs.  der  Sonette  1  und  7,  die  sie  auch 
in  dem  Briefwechsel  mit  einem  Kinde  als  an  sie  gerichtete  ausgab,  wozu  sie  in  diesem 
Falle  berechtigt  war.  Wir  lassen  die  Abweichungen  vom  Weimarer  Text  hier  folgen, 
weil  sie  dort  im  Variantenapparat  nicht  verzeichnet  sind.  Sonett  1,  V.  4  zum  V.  5  Doch 
stürzt  sich  Oreas  mit  einem  Male  V.  6  folgen  V.  7  Herab  zur  Flut,  Behagen  usw. 
Der  Text  ist  also  fast  identisch  mit  H^^.  Sonett  7,  V.  3  Bei  solcher  Trennung  herb- 
empfundenem  V.  6  Solang  ichs  deutlich,  sah  usw.  V.  10  Fiel  mir's  zxirück. 
V.  11  zeigt  ,,mein"  auf  Rasur  und  lässt  das  s  in  Verlornes  als  später  zugesetzt  er- 
scheinen.   Daraus  schliesst  G.,  wohl  etwas  zu  schnell,  auf  eine  ursprüngliche  Fasstmg  ,,die 


S.  23/4.  —  21a)  S.  0.  N.  16.  —  22)  A.  Brand  eis,  D.  Braut  v.  Korinth  u.  Diderots  Koman  La  Böligieuse:  ChrWGoetheV.  4,  S.  50/3, 
-  23)L.Qeiger,Z.  Gedicht  Sehnsucht :  GoetheJb.  11,  S.  172/3.  —  24)  Herraan  Grimm,  Moritz  Carricro:  DEs.  62,  S.  471/2.  - 


128  IV,llc:  0.  Pili o wer,  Groethea  Lyrik. 

Verlorne"  oder  „dich  Verlorne",  wonach  Bettina  als  die  erste  Empfängerin  erscheint, 
als  diejenige,  an  die  das  Gedicht  überhaupt  gerichtet  ist.  — 

Wie  Grimm  von  zwei  Sonetten,  so  machte  von  Loeper^s)  vom  Schweizer- 
lied (Weimarer  Ausgabe  1,  153)  eine  ältere,  interessante  Gestalt  bekannt.  Die  Hs.,  in  der 
sie  uns  überliefert  ist,  ist  von  Friedrich  Schlosser,  Goethes  Verwandten,  geschrieben 
und  befindet  sich  in  der  Sammlung  des  Freiherm  von  Bernus  auf  Stift  Neub\u-g  bei 
Heidelberg.  Die  Fassung  unterscheidet  sich  von  der  herkömmlichen  nicht  nur  in  den 
dialektischen  Formen,  sondern  stellenweise  auch  im  Wortlaut.  Ebenso  ist  bei  gleicher 
Stropheneinteilung  die  Gruppierung  der  Verse  eine  andere.  —  In  einer  kleinen  Notiz 
liefert  zum  Schweizerlied  auch  Sprenger^ß)  einen  Beitrag,  indem  er  auf  J.  B.  Trenkle 
„Die  allemannische  Dichtung  seit  J.  P.  Hebel"  (Tauberbischofsheim  1881)  aufmerksam 
macht,  wo  auf  S.  3  das  Lied  für  den  blinden  Volksdichter  Alois  Glutz  aus  Solothum 
in  Anspruch  genommen  wird.  Dieser  Behauptung  gegenüber  macht  S.  geltend,  dass 
Glutz  sich  wohl  ein  altes  Volkslied  angeeignet  habe.  — 

Aufmerksamkeit  fand  auch  der  „West-östliche  Divan".  Ausser  der  erwähnten 
älteren  Gestalt  des  Ghasels  auf  den  Eilfer  liegt  uns  eine  ganz  ausgezeichnete  englische  Ueber- 
setzung  der  Sammlung  von  E-ogers^'?)  vor,  mit  sparsamen,  aber  guten  Anmerkungen. 28)  — 
Endlich  weist  A.  Koches)  auf  die  Quelle  hin,  aus  der  Goethe  die  in  den  Noten  zum 
Divan  veröffentlichte  Totenklage  des  Häuptlings  (Weimarer  Ausgabe  7,  S.  11  ff. 
Hempel  4,  S.  233  ff.)  geschöpft  hat.  Es  ist,  wie  schon  v.  Loeper  (Hempel  a.  a.  0.) 
bemerkt,  die  Dissertation  von  Prof.  Frey  tag,  die  in  Göttingen  1814  erschien  und  deren 
Titel  Baur  in  der  ZDMG.  10,  S.  96  f.  verzeichnet.  Eine  Vergleichung  einzelner  Stellen 
mit  der  Freytagschen  Uebersetzung  sowie  die  Uebereinstimmung  in  den  Namen 
(Strophe  25,  2)  machen  es,  wie  K.  zeigt,  unzweifelhaft,  dass  sie  und  keine  andere  Goethe 
vorgelegen  hat.  In  der  That  hat  Goethe  (vgl.  Düntzers  Erläuterungen  zum  Divan  S.  86) 
das  Freytagsche  Buch  am  2.  März  1816  aus  der  Weimarer  Bibliothek  entliehen.  — 

Einen  hübschen  Ausweg  aus  dem  Dilemma,  in  das  uns  Goethes  „Zwischen 
beiden  Welten"  (Weim.  Ausg.  3,  S.  45)  setzt,  weiss  Hildebrand^o)^  der  in  diesem 
Bericht  so  oft  genannte,  zu  finden.  Man  hat  dieses  Gedicht  bald  für  ein  Jugendwerk 
gehalten,  bald  in  die  Zeit  gesetzt,  da  es  zuerst  gedruckt  erschien:  1820  (in  „Kunst 
und  Altertum").  H.  macht  es  nun  wahrscheinlich,  dass  es  bis  auf  die  drei  letzten 
Verse  den  achtziger  Jahren  angehört,  dass  der  Schluss  hingegen  erst  1820  zugesetzt 
wurde.  Und  in  der  That  versteht  man  erst  so  die  Diclitung  ganz.  Zum  Titel  des  Ge- 
dichtes bemerkt  H.,  dass  sein  Gedanke  im  Grunde  ein  Herderscher  sei.  — 


d.  Epos. 

Ludwig  Geiger. 

Epen  in  Versen:  Reineke  Fuchs  N.  1.  —  Achilleis  N.  3.  —  Hermann  und  Dorothea  N.  4.  —  Prosaerzählung: 
Werther  N.  16.  —  Kleinere  Erzählungen  N.  21.  —  Romano:  Allgemeines  N.  22;  Wahlverwandtacliaften  N.  23;  Wilhelm 
Meister  N.  25.  — 

Unter  Goethes  Epen  in  Versen  hat  „Reineke  Fuchs",  das  ja  am  wenigsten 
sein  Eigentum  ist,  im  Berichtsjahre  kaum  Beachtung  gefunden  i-2).  — 

Grössere  Aufmerksamkeit  wurde  der  „Achilleis"  zu  teil,  deren  Fragment,  wie 
wir  wissen,  aus  den  Schätzen  des  Goethe-  und  Schiller- Archivs  wichtige  Bereicherungen 
erfahren  wird.  F.  Kern 3)  zeigt  in  einer  sorgfältigen  Analyse  des  Epos,  als  dessen  drei 
Teile  V.  1 — 60,  61 — 3.53,  354 — 651,  und  zwar  der  zweite  Teü  als  retardierend,  die  Er- 
zählung nicht  weiterführend,  hingestellt  werden,  dass  die  „Achilleis"  nicht  Fortsetzung 
der  Ilias,  sondern  eine,  was  Handlung  und  Stimmung  des  Helden  betrifft,  selbständige 
Darstellung  der  Wünsche  und  Geschicke  des  Achilles  nach  Hektors  Tode  ist.  Wenn 
ich  auch  mit  der  sehr  hohen  Schätzung  des  Epos  nicht  völlig  einverstanden  bin,  so 
stimme  ich  mit  K.  in  der  Verwerfung  mancher  unberechtigten  Düntzerschen  Einwände 
überein.  — 


25)  G.  V.  Loeper,  Schweizcrlied:  GoetheJb.  11,  S.  171/2.  —  26)  R.  Sprenger,  Zu  Goethes  Schweizerlied:  ZDU.  4,  S.  380.  — 
27)  A.  Rogers,  Goethes  Reineke  Fox,  West-east^-rn  Divan  and  Achilleis.  (s.  n.  IV,  lld  N.  1.)  S.  194—339.  —  28) 
(IV,  IIb  N.  19.)  -  29)  A.  Koch,  Z.  westOstlichen  Divan :  ib.  S  173/4.  —  30)  R.  Hildebrand,  Zu  Goethes  Gedicht  Zwischen 
beiden  Welten:  ZDU.  4,  S.  146/7.   - 

I)  Goethes  Reineke  Fox,  West-eastem  Divan  and  Achilleis,  translated  in  the  original  metres  by  A.  Rogers. 
London.  Hell.  XIV,  370  S.  |[Sation'<T.  50,  S.  394;  Ac.  38.  S.  66;  Ath.  2,  S.  815.]  |  (Mit  kurzer  Einleitung  n.  Anmerkungen.)  — 
2)  L    Jenikego,  Polnische  Utbcrsetzuuir  v.  Goethe»  Gedichten.  iVgl.  d.  Bibliogr.  d.  Goethe-Litt.  f.  1890,  S.  54.)  —  3)  K.  Kern, 


IVjlld:  L.  Geiger,  Goethes  Epos.  129 

Das  am  meisten  herausgegebene ^-4»)^  behandelte,  übersetzte  der  poetischen  Epen 
ist  „Hermann  und  Dorothea".  Drei  Uebertragungen,  meist  ältere  französische 5-7), 
aber  auch  eine  czechische *^ )  und  eine  polnisches)  sind  gedruckt  worden;  eine  früher 
gedruckte  italienische  wurde  von  Nardelli^)  als  zu  wörtlich  und  fehlerhaft  getadelt. 
Ein  Zeugnis  dafür,  wie  dringend  das  Bedürfnis  nach  Erklärungen  oder  kommentierten 
Ausgaben  des  deutschen  Textes  ist,  mag  in  dem  Erscheinen  der  sechsten  Auflage  von 
Düntzersio)  Erläuterungen  gesehen  werden,  die  neben  dem  Vorzug  des  Autors, 
eminenter  Beherrschung  des  Stoffs,  auch  seine  Kleinlichkeitskrämerei  und  sein  Beharren 
auf  falschen  Lieblingsmeinungen  aufweist.  —  Ein  Textabdruck  mit  englischen  Anmer- 
kungen von  W.  Wagner  und  Cartmell^i)  ist  kaum  als  neue  Arbeit  zu  bezeichnen.  — 
Eine  mit  französischen  Noten  von  Girot^^)  ausgestattete  Ausgabe,  der  eine  Ein- 
leitung Mezieres  und  der  bekannte  Aufsatz  von  H.  Schreyer  (Goethe Jb.  10,  S.  196 — 211) 
vorangestellt  sind,  zeigt  eine  tüchtige  Belesenheit  in  der  neueren  deutschen  Litteratiir, 
verständiges  Urteil  und  gute  Winke  zur  Erklärung  und  pädagogischen  Verwertung  der 
Einzelheiten.  —  Es  mag  nützlich  sein,  den  Schülern  bei  der  Charakteristik  der  Haupt- 
personen des  Gedichts  Goethes  Darstellungskunst,  seine  Welt-  und  Menschenkenntnis 
und  die  eingestreuten  Weisheitslehren  klar  zumachen;  aber  ich  vermag  nicht  einzusehen, 
warum  derartige  Darlegungen,  wie  sie  Semleri^)  bietet,  gedruckt  werden.  —  Noch  weniger 
erspriesslich  scheinen  mir  Wasserziehers'^)  Eragen  nach  dem  Alter  von  Hermann, 
Dorothea  und  dem  Pfarrer.  Ob  ersterer  ■v\'irklich  19,  die  zweite  23,  der  dritte  30  Jahre 
ist,  dürfte  ausser  dem  Fragesteller  wenige  bekümmern,  und  seine  Vorwürfe,  die  beiden 
letzteren  „reden  über  Dinge,  von  welchen  sie  keine  Erfahrung  haben  und  haben  können", 
wird  die  Bedeutung  des  Gedichts  wenig  anfechten.  —  Auch  damit  ist  nicht  viel  ge- 
wonnen, wenn  Th.  Werther'»)  in  dem  „Städtchen",  dem  Schauplatz  des  Gedichtes,  Buchs- 
weiler im  Elsass  sieht,  während  als  die  Urbilder  des  Wirts  und  der  Wii'tin  Herr  und 
Frau  Rat,  von  denen  der  erstere  aber  auch  manches  für  den  Apotheker  geliefert  hat, 
mit  vielen  alten  und  einigen  neuen  Gründen  in  Anspruch  genommen  werden  und 
Hermann  auf  Goethe,  Dorothea  wenigstens  in  einzelnen  Zügen  auf  Friederike  ge- 
deutet wird.  — 

Goethes  Prosa-Erzählungen  werden  gleichfalls  mannigfach  bearbeitet  und 
nachgeahmtes).  Auch  für  „Die  Leiden  des  jungen  Werther"  hat  Semler^'^)  von  einer 
besonderen  Weltanschauung  gesprochen.  —  Ueber  den  jungen  Jerusalem,  dessen  Schick- 
sale Goethe  vorschwebten,  hat  Eugen  Wolff^^)  ansprechend  gehandelt,  indem  er  zu- 
gleich zu  weit  gehend  die  Möglichkeit  einer  Selbstschilderung  Goethes  in  dem  Romane 
ablehnte  und  den  Titel  Werther,  „der  sich  zu  hoch,  zu  wert  schätzt",  gewiss  falsch 
erklärte.  —  Die  grosse  Einwirkung  dieses  Romans  auf  die  deutsche  und  auswärtige 
Litteratur  war  vielfach  erörtert;  insbesondere  konnte  Zschech^^)  nun  endgültig  fest- 
stellen, dass  Ugo  Foscolo  bei  seinen  „Letzten  Briefen  des  Jacopo  Ortis"  Goethes  Werk 
von  Anfang  an  vermutlich  nur  in  französischen  Bearbeitungen,  gekannt  habe.  — ■  Von 
einer  neuen  Ausgabe  des  „Werther",  die  Düntzer20)  vorlegte,  lässt  sich  nicht  viel 
Rühmliches  sagen.  Die  Anmerkungen  geben  in  aufdringlichster  Weise  Textvarianten, 
die  fast  nichts  als  Verewigung  von  Setzerwillkür  sind;  die  Einleitung,  in  der  D.  ganz 
gegen  seine  Gewohnheit  auf  Peter  und  Maximiliane  Brentano  hinweist,  obwohl  nicht  er 
dieses  ungleiche  Paar  unter  den  Urbildern  zuerst  genannt,  lässt  die  Geschichte  der 
Fortwirkung  des  „Werther"  völlig  vermissen  und  geht  auf  die  zweite  Bearbeitung  gar 
nicht  ein.  — 

Weit  besser  sind  die  zwei  Einleitungen  zii  den  gleichfalls  von  Düntzer  (vgl.  o. 
N.  20)  in  einem  Bande  zusammengestellten  kleineren  Erzählungen  Goethes.  Störend 
wirken  nur  immer  die  Verweisungen  auf  die  „Erläuterungen"  desselben  Autors:  man  kann 


Goethes  Achilleis  u.  d.  letzte  Gesang  d.  Ilias :  VossZgs.  N.  2—3.  —  4)  Goethes  Hermann  u.  Dorothea.  Mit  8  Bildern  in  Kupferdr. 
nach  d.  Orig. -Oelgemälden  v.  A.  Frhr.  v.  Raniberg  u.  Randzeichnungen  v.  L.  v.  Krämer.  Berlin,  Grote.  Luxus -Ausg.  Fol. 
V,  68  S.  geb.  m.  Goldschn.  M.  25,00.  —  4a)  Goethe,  Hermann  u.  Dorothea.  2.  durcligesehene  Aufl.  v.  H.  Leineweber. 
Trier,  Stephanus.  —  5)  Goethe,  Hermann  et  Üoroth6e,  poeme.  Traduetion  franyaise  par  Bitaubö.  Paris,  D61alain. 
XX,  95  S.  —  6)  Goethe,  Hermann  et  Dorothöe.  Edit.  annotöe  par  J.  N.  Wagner.  Paris,  Poussielgue.  IV,  119  S.  —  7)  Goethe, 
Hermanno  et  Dorothöe.  Traduetion  franyaise  avec  le  texte  allemänd  et  des  notes  par  B.  L6vy.  Paris,  Hachette.  IV,  187  S.  — 
8)  Goethe,  Hennan  a  Dorota,  epos  idylickö.  Prelozil  J.  Jungmann.  4.  Aufl.  Prag,  Kober.  —  9)  G.  Nardelli,  L.  Virbio, 
Ermanno  e  Dorotea.  Versione  metrica:  RiCrLJ.  6,  N.  1.  —  10)  H.  DUntzer,  Goethes  Hermann  u.  Dorothea.  6.  neu  durchges. 
Aufl.  (=  Erläutt.  zu  d.  deutsehen  Klassikern.  1.  Bdchen.)  Leipzig,  Wartig.  120.  VIT,  168  S.  M.  1,00.  —  II)  X  Goethes  Hermann 
and  Dorothea  with  an  introduction  and  notes  by  W.  Wagner.  New  edition  revised  by  J.  W.  Cartmell  M.  A.,  Fellow  and 
Autor  of  Christ's  College,  Cambridge.  Edited  for  the  syndics  of  the  university  press.  Pitt  Press  Series.  Cambridge, 
University  press.  XXII,  202  S.  (D.  Anmerkungen  beginnen  auf  8.  87.)  —  12)  Goethe  und  Dorothea.  Texte  allemänd  aveo  une 
introduction  et  des  notes  par  A.  Girot.  Paris,  Delagrave.  XLIII,  148  S.  —  I3i  S.  u.  IV,  llf  N.  7.  —  14)  E.  Wasserzieher, 
Z.  Zeitrechnung  in  Goethes  Hermann  u.  Dorothea:  bFDH.  NF.  6,  S.  499— 508.  —  15)  Th.  Werther,  D.  Eutstehung  v.  Goethes 
Hermann  u.  Dorothea.  Progr.  d.  Grossherzog.  Gymn.  Eutin,  Struves  Druckerei.  4".  24  S.  —  16)  X  Oskar  Klein,  Schmerz- 
liche Wonnen.  Roman.  Elberfeld,  Selbstverlag.  135  S.  (Behandelt  d.  Wertherproblem.)  —  17)  Ch.  Semler, 
D.  Weltanschauung  Goethes  in  d.  Leiden  d.  jungen  Werther:  ZDU.  3,  Erg.-H.  —  18)  Eugen  Wolff,  D.  Leiden  d.  jungen 
Werther  in  Leben  u.  Dichtung:  BFDH.  NF.  6,  S.  10—27.  —  19)  F.  Zschech,  Ugo  Foscolos  Ortis  u.  Goethes  Werther. 
Auf  Grund  d.  neuesten  ital.  VeröiFentll. :  ZVLR.  NF.  3,  S.  46—70.  (Handelt  hauptsächlich  über  Foseolo  u.  sein  Werk.)  — 
Jahresberichte  für  neuere  deutsche  Litteraturgeschichte  1 12),  ^ 


130  IV,lld:  L.  Geiger,  Goethes  Epos. 

von  dem  Käufer  und  Leser  eines  Buches  bilKgerweise  nicht  verlangen,  dass  er  sich 
auch  ein  zweites  anschafft.  Ferner  hat  man  hier  wie  bei  jedem  Werke  D.s  die  peinliche 
Empfindung,  schon  einmal  Gelesenes,  nur  in  etwas  anderer  Form,  wiederzuerhalten. 
Am  besten  geraten  ist  die  grosse  Einleitung  zu  den  „Untei'haltungen  deutscher  Ausge- 
wanderten", wo  die  Darlegung  der  Entstehung,  die  ruhige  Entwicklung  der  von  Ver- 
schiedenen ausgesprochenen  Erklärungen  wohlthuend  absticht  gegen  die  beständigen 
Nörgeleien  gegen  Schiller  sowie  gegen  einzelne  Äusserungen  Goethes;  nachzutragen  ist 
jetzt  M.  Herrmanns^i)  Quellennachweis  für  die  Novelle  vom  klugen  Prokurator.  In 
der  Einleitung  zu  den  „Guten  Weibern"  hätte  Seuiferts  Erklärung  der  einzelnen  Paare 
nach  Mitgliedern  der  Weimarer  Gesellschaft  nicht  so  kurzer  Hand  abgewiesen  werden 
sollen.  Bei  der  Ausgabe  vom  „Hausball"  ist  die  in  den  Anmerkungen  erfolgte  Mit- 
teilung der  Hauptabweieliungen  von  der  durch  Sauer  entdeckten  Wiener  Original- 
erzählung recht  dankenswert.  — 

Die  grösseren  Romane  haben  eine  geistreiche  Würdigung  ihrer  allgemeinen 
Bedeutung  seitens  eines  Franzosen,  Ehrhardt22)j  gefunden.  Er  stellt  in  ihnen  per- 
sönliches, fremdes  Element  und  encyklopädischen  Charakter  fest.  Letzteres  scheint  mir 
sowohl  im  Ausdruck  als  in  der  Ausführung  nicht  zutreffend,  weder  die  Anordnung  der 
Komposition  bewiesen,  noch  die  Beeinflussung  durch  Stendhal.  Dagegen  ist  der  Aus- 
führung beizustimmen,  dass  die  ßomane  mancherlei  über  Goethes  innere  Entwicklung, 
Erlebnisse,  äussere  Geschicke  enthalten,  sowie  fruchtbare  Folgen  fleissiger  Lektüre  auf- 
weisen :  Goldsmith,  Shakespeare  ebenso  wie  Klopstock,  Wieland  und  die  lehrhaften 
Romane  jener  Zeit  kommen  besonders  in  Betracht.  — 

Unter  den  Romanen  haben  die  „Wahlverwandtschaften"  zu  kleinen 23)  und 
grossen  Ausstellungen  Anlass  gegeben.  Die  letzteren,  von  einem  Altmeister  deutscher 
Sprachwissenschaft,  von  San  der  8^4)^  ausgehend,  betreffen  ein  Gebiet,  in  dem  ich  mich 
gern  des  Urteils  enthalte;  nur  meine  ich  das  Recht  zu  haben,  zwei  Punkte  hervorzu- 
heben, erstens  nämlich,  dass  S.  bisweilen  dadurch  Unzutreffendes  behauptet,  dass  er 
seinen  Bemerkungen  eine  Ausgabe  zu  Grunde  legt,  deren  Druckfehler  und  Willkürlich- 
keiten  längst  verbessert  sind,  zweitens  dadui'ch,  dass  er  zu  sehr  den  Schulmeister  spielt. 
Solch  Verhalten  aber  mag  Lehrlingen  gegenüber,  das  Wort  im  weitesten  Sinne, 
gehandhabt,  von  Nutzen  sein.  Meistern  gegenüber  ist  es  überflüssig.  Denn  nur  der 
Schriftsteller,  nicht  aber  der  Sprachkluge,  und  läsen  ihn  selbst  vier  Zehntausende,  bildet 
und  gestaltet  die  Sprache.  — 

Eine  Stelle  des  „Wilhelm  Meister"  hat  zu  einer  mehr  geistreichen  als  richtigen 
Deutung  Graf  es  25)  geführt.  Das  „Prachtkästchen"  (Kästchen  mit  Steinen)  ist  ein  Pracht- 
büchlein und  zwar  Dante.  Zu  dem  Gestein  d.  h.  zu  Dante  hat  Wilhelm  d.  h.  Goethe 
wie  sein  Sohn  Felix  d.  h.  seine  Dichterseele  seit  einer  Reise  über  das  Gebirge  d.  h. 
seit  seiner  italienischen  Reise  eine  gewaltige  Zuneigung  und  wird  darin  von  Montan 
d,  h.  Herder  unterstützt.  Der  „Schlüssel"  zu  dem  Kästchen  ist  das  dem  neuen  Dichter 
immer  mehr  aufgehende  Verständnis  Dantes.  Goethes  Studium  Dantes  wird  sehr  ernst 
behandelt;  wenn  aber  die  Schilderung  (Buch  1,  K.  12),  wie  Wilhelm  das  Prachtkästchen 
bei  einem  Antiquitätenpfandleiher  deponiert,  erklärt  wird,  er  stelle  den  Dante  unter 
seine  Bücher,  so  erinnert  das  an  Louviersche  Faustdeutungen.  26-28)  — 

Die  einzige  neue  Ausgabe  der  „Wahlverwandtschaften"  und  des  „Wilhelm 
Meister"  kann  nach  dem,  was  über  die  Editionen  Düntzers29)  schon  gesagt  worden 
ist,  kurz  abgemacht  werden.  Umso  kürzer  als  über  diese  Romane  der  geschäftige 
Kommentator  sich  schon  zweimal  in  seinen  „Erläuterungen"  und  in  der  Hempelschen 
Ausgabe  hatte  vernehmen  lassen.  Da  selbst  er  nicht  unerschöpflich  ist,  so  muss  er 
sich  vielfach  wiederholen.  Bemerkenswert  sind  nur  die  in  den  Anmerkungen  gegebenen 
Zusätze  der  anders  lautenden  Stellen  früherei  Ausgaben  und  Bearbeitungen, 
sowie  die  den  Einleitungen  zu  gute  gekommene  fleissige  und  glückliche  Benutzung 
der  seither  erschienenen  Tagebücher  und  Briefe  Goethes.  — 


20)  S.  0.  IV,  IIa  N.  74.  —  21)  S.  o.  11,8  N.  42.  —  22)  A.  Ehrliardt,  Les  romans  de  Goethe.  Clennont-Ferrand,  Louis. 
17  S.  i  [L.  G  eiger:  Gegenw.  N.  40.]  j  —  23)  Bund  N.  54.  ("Goethes  Wahlverwandschaften;  Philippika  gegen  d.  Bild  v.  rothen 
Faden.)  —  24)  D.  Sanders,  Sprachl.  Anmerkk.  zu  d.  1.  u.  2.  Teil  v.  Goethes  Wahlverwandtschaften:  ZDS.  4,  S.  465—71. 
—  25)  B.  Gräfe,  Briefe  über  Goethe  u.  Dante:  ConsMschr.  47,  S.  1040/9.  —  26)  X  H.  W.  Otto,  D.  Gaukler  in  Goethes 
Wilhelm  Meister:  AZg.  N.  211.  —  27)  Goethe,  Wilhelm  Meister.  Translated  hy  Carlyle.  2  vols.  With  introduction  hy  Prof. 
Dowden.  London,  Nntt.  —  28)  Goethe,  Wilhelm  Meister.  Translated  by  Carlyle.  New  edition.  Chicago,  Mc.  Chery.  — 
29)  S.  0.  IV,  IIa  N.  74;  vgl.  o.  N.  20.  - 


IVjlle:  Erich  Schmidt,  Goethes  Drama.  131 

e.  Drama. 

Erich   Schmidt. 

Ausgaben  N.  1.  —  Laune  des  Verliebten  N.  2.  —  Menteur  N.  3.  —  Shakespeare  N.  4.  —  Götz  von  Berlichingen 
N.  6.  —  Clavigo  N.  13.  —  Hanswursts  Hochzeit  N.  14.  —  Stella  N.  14b.  —  Egmont  N.  15.  —  Iphigenie  in  Delphi  und  Nausikaa 
N.  17.  —  Iphigenie  in  Tauris  N.  18.  —  Tasse  N.  28.  —  Opern,  Grosskopbta,  Natürliche  Tochter,  Pandora  N.  29a.  —  Ueber- 
setzungen  und  Gelegenheitsstucke  N.  31a.  —  Faust:  Allgemeines  N.  32;  ürfaust  N.  41;  Fragment  N. 43;  erster  Teil  N.  45; 
zweiter  Teil  N.  54.  — 

Die  Weimarer  Ausgabe  hat  1890  keinen  Dramenband  gebracht,  sondern  nur 
durch  ihr  wachsendes  Briefkorpus  und  die  zum  ersten  Mal  veröffentlichten  Tagebücher 
teils  geläufiges  Erläuterungsmaterial  bequemer  dargeboten,  teils  neue  chronologische 
Winke  gegeben,  die  hier  im  einzelnen  so  wenig  wiederholt  werden  können  als  die  alt- 
bekannten, nun  durch  W.  v.  Biedermann  zusammengetragenen  Belege  aus  ,, Gesprächen" 
(7,  S.  226  ist  Kozmians  Bericht  über  Goethes  mündlichen  Entwurf  eines  Kasimir-Dramas 
erneuert).     K.  J.  Schröer^)  hat  seine  Ausgabe  der  Dramen  abgeschlossen.  — 

„Die  Laune  des  Verliebten"  entwickelt  Rötteken^)  auf  Grund  der  Briefe 
an  Cornelie  so:  von  der  Frankfurter  ,, Amine"  blieb  nur  der  Name  für  ein  neues  von 
Cornelie  kritisiertes,  von  Goethe  selbst  zu  matt  befundenes  Schäferspiel  (Eebruar  1767), 
das  die  Grundlage  des  in  völliger  Umarbeitung  (März  1767 — April  1768)  zu  doppeltem 
Umfang  gediehenen  Stückes  wurde.  — 

Das  bei  Hirzel  übergangene,  von  Lichtenstein  (GoetheJb.  3,  S.  338)  mit  Goethes 
Studentenerfahrungen  kombinierte  und  für  1765  angesetzte  Bruchstück  aus  Comeilles 
„Menteur"  1,1  (Schröer  S.  4 — 12;  Sommer  1766?)  untersucht  Fried wagn er  3):  Goethe, 
durch  historische  Betrachtung  von  Molieres  Vorgängern  in  der  Charakterkomödie  auf  den 
„Lügner"  geführt,  habe  das  Stück  sehr  wahrscheinlich  schon  in  Frankfurt  gesehen,  dann 
in  Voltaires  Ausgabe  gelesen  und  (im  Sommer  1766  ?)  gewandt  und  frei,  mit  eigenen 
Reflexionen,  doch  ohne  sich  dem  albernen  Dorant  ähnlich  zu  fühlen,  und  mit  Leipziger 
Anklängen,  nach  Anschaulichkeit  strebend,  leider  verbreiternd,  zu  übersetzen  begonnen. 
Das  Verhältnis  des  „Menteur"  zu  Alarcon  und  Lope  wird  skizziert,  die  Geschichte 
Comeilles  in  Deutschland  unselbständig  gemustert,  das  Frankfurter  Repertoir  nach 
E.  Mentzel  in  eine  Tabelle  gebracht.  Die  Vergleichung  will  erschöpfen.  —  M.  Herr- 
mann 3»)  verlegt  die  Arbeit  in  den  Mai  1768  wegeii  der  Aufführung  einer  gleichnamigen 
Komödie  Goldonis   „II  bugiardo"  von  1750.  — 

Die  Originalreinschrift  „Zum  Schäkespearstag"  wurde  in  der  Maltzahnschen 
Auktion*)  von  A.  Posonyi  in  Wien  erworben,  eine  Kollation  ergab  die  grosse  Zu- 
verlässigkeit des  Bemaysschen  Abdrucks  im  „Jungen  Goethe";  Bahrdts  eigenhändige 
Abschrift  des  „Prologs"  kam  unter  den  Hammer^^.).  —  Ueber  Goethes  jugendliches 
Shakespearestudium  bietet  Wagener^),  trotz  seiner  Schlussbemerkung  gegen  Suphans 
Vortrag  von  1889,  an  neuem  nur  etwa  die  Verknüpfung  der  Phädon-Notizen  mit 
Strassburger  Hamlet-Lektüre,  für  den  „Cäsar"  nichts  über  v.  d.  Hellen  hinaus,  zum 
„Götz"  nur  Henses  und  besonders  Sauers  Beobachtungen  mit  einer  Warnung  vor  Motiv- 
jagd, die  statt  angeregter  Begeisterung  Nachahmung  annehme;  die  Uneinheitlichkeit, 
ausser  in  einer  Hauptperson,  sei  Schuld  der  Herderschen  Lehre.  — 

Mit  dem  „Götz"  sind  interessante  neue  Bühnenversuche  angestellt  worden. 
Wir  berücksichtigen  das  Theater,  soweit  es  sich  um  erste  Aufführungen,  Neubelebungen, 
ungewöhnliche  Liscenierungen,  ausländische  Experimente  handelt.  Die  Misslichkeit  des 
Zwischenvorhangs  bewog  den  Münchener  Intendanten  von  Perfall 6),  nach  einem  Aufsatze 
R.  Genees  von  1887  und  H.  v.  Wolzogens  gleichzeitigem  Hinweis  auf  Schinkels  Plan  einer 
neuen  Bühneneinrichtung  (BayreuthBll.  10,  S.  65  ff.),  mit  dem  Obermaschinenmeister 
Lautenschläger  ans  Werk  zu  gehen  und  1889  die  Vermeidung  des  Prospektwechsels  mit 
fallendem  Vorhang  innerhalb  der  Akte  an  Shakespeare  zu  erproben;  daher  der  un- 
passende Name  „Shakespeare-Bühne"  (vgl.  o.  IV,4  N.  187 — 190).  1890  kam  diese  Einrichtung, 


I)  Goethes  Werke.  Elfter  Teil.  1.  u.  2.  Abteilung.  Dramen  6.  Band.  Her.  v.  K.  J.  Schröer.  (=  Deutsche 
Nationallitteratur.  92.  Bd.)  Stuttgart,  Union.  564  S.  je  M.  2,50.  —  2)  H.  Roetteken,  Goethes  Amine  n.  Laune  d.  Ver- 
liebten: YLG.  3,  S.  184/6.  —  3)  M.  Friedwagner,  Goethe  als  Corneille-Uebersetzer.  E.  Beitr.  z.  Gesch.  d.  französischen 
Dramas  in  Deutschland.  Aus  d.  d.  JB.  Staatsoberrealschule  in  Währing.  Wien,  Selbstverlag  (Gerold).  40  S  —  3a)  S.  o.  IV, 
IIb  N.  44  (S.  192).  —  4)  S.  o.  1, 4  N.  12  u.  IV,1  N.  46.  —  4a)  Verz.  d.  v.  Dr.  M.  WUstemann  in  München  hinterl.  Auto- 
graphen-Sammlung, welche  am  24.  Nov.  1890  versteigert  werden  soll.  Leipzig,  List  u.  Francke.  98  S.  —  5)  B.  Wagener, 
Shakespeares  Einfluss  auf  Goethe  in  Leben  u.  Dichtung.  1.  Teil.  Phil.  Diss.  Halle,  Niemeyer.  54  S.  —  6)  K.  v.  Perfall, 
D.  Einriebt,  d.  neuen  Schauspielbtihne  d.  Münchener  Hoftheaters.  Götz  von  Berlichingen  mit  d.  eisernen  Hand,  Schau- 
spiel in  6  Aufz.  V.  Goethe.  Unter  Zugrundelegung  d.  J.  Bächtoldschen  Werkes:  „Goethes  Götz  von  Berlichingen  in 
dreifacher   Gestalt",  für   d.   neue   Schauspielbuhne   d.   Münchener   Hoftheaters   einger.     Mit  5   Tafeln    u.   5   Grundr.   v.    C. 


lä^  iVjlle:    Erich  Schmidt,  Goethes  Drama. 

mit  einer  dritten  Dekorationsgasse,  dem  „Götz"  zu  gute,  bei  nur  28  Verwandlungen:  man  be- 
diente sich  der  Mittelbühne  ohne  Prospekt,  wo  der  Schauplatz  zweifellos  ist,  deckte  gelegent- 
lich den  stabilen  architektonischen  Vorbau  mit  Laubranken ,  verfügte  nach  Bedarf  über  die 
ganze  oder  die  halbe  Mittelbühne  und  konnte  selbst  inmitten  derselben,  sich  auf  weniger  Per- 
sonen zusammenziehenden,  Scene  hinter  geschlossener  Gardine  scenischen  Wandel  vor- 
bereiten, indem  das  gedeckte  Orchester,  zu  dem  einige  Stufen  herabführen,  als  leere 
Vorbühne  dient.  Letzteres  wird  mehrfach  angefochten.  Die  Vorstellung  dauerte  anfangs 
4Vj  Stunden,  wurde  aber  noch  gekürzt.  Auch  die  Sprachreinigung  verschwand  wieder, 
und  hie  und  da  wurde  der  „Götz"  von  1773  (B)  mehr  im  Ausdruck  bevorzugt.  Kon- 
taminiert sind  wesentlich  B  und  C,  die  Theaterbearbeitung  Goethes,  auch  mit  Rück- 
sicht auf  A  („Geschichte  Gottfriedens")  :  Akt  1  und  2  mehr  nach  B,  die  zweite  Hälfte 
mehr  nach  C  (Selbitz,  der  Hauptmann,  Adelheids  und  Franzens  Masken-  und  Namen- 
scene,  der  Abschied,  Adelheids  letzte  Nachtscene  nach  B  und  nach  C,  wo  Dingelstedt 
kühn  in  A  zurückgriif,  während  hier  der  Vehmspruch  hinterdrein  in  der  Luft  schwebt) ; 
starke  Verkürzungen,  geschickte  Verzahnungen,  sanftes  Verschweigen  mancher  Dinge 
dem  Klerus  zu  Liebe,  aber  nicht  zimpferlich;  immerhin  ist  das  Jugendstück  in  dem 
Amalgam  recht  zahm  geworden.  Muncker  fordert  den  „Götz"  von  1773.  —  Kilian^a) 
verteidigt  den  dramaturgischen  Zwang,  die  straffere,  kompaktere  Gestalt  C  zu  benutzen, 
erklärt  sich  aber  gegen  die  Scene  der  Kaufleute  samt  Götzens  Monolog  und  will  dafür 
die  weggefallene  Bauernhochzeit,  vermisst  die  Jaxthäuser  Scene  zwischen  Heilbronn  und 
dem  Bauernkrieg  und  empfiehlt  für  Akt  5  (Exposition  aus  B)  die  Metzlerscene 
aus  A  mit  Aenderungen,  wie  er  denn  nach  einer  anerkennenden,  aber  auch  zweifelnden 
Kritik  der  Aufführung  in  Anhängen  einen  eigenen  Entwurf  macht.  —  Kilian '' )  hat  auch 
über  Martersteigs  mehr  als  fünfstündige  Aufführung  in  Mannheim  (Dezember  1889), 
welche  die  Einrichtung  von  1804  fast  völlig  mit  kleinen  Aenderungen  im  2.  Akt  brachte, 
berichtet.  —  Die  „Geschichte  Gottfriedens"  versuchte  Otto  Devrient^)  am  30.  September 
für  die  Bühne,  zunächst  des  Kgl.  Schauspielhauses  in  Berlin,  zu  erobern,  mit  einigen 
Ersatzstellen  oder  Brücken  aus  B  (z.  B.  für  5,7  Adelheid  und  Eranz),  und  C,  und  besonders 
ziim  ersten  Mal  die  ungeheure  Metzlersche  Nachtscene  toben  zu  lassen,  aber  von  der 
vielfach  strafferen  und  dramatischeren  Fassung  1773  zu  Gunsten  der  naturalistischen 
Zerfahrenheit  des  Ur-Götz  abzustehen,  der  eine  Teilung  der  Bühne  für  zahlreiche  Scenen, 
links  Bamberg,  rechts  Jaxthausen,  bei  verdeckter  Halbbühne  steuern,  sollte.  Dies  „Guck- 
kasten "-System  ist  von  der  Tageskritik  fast  einmütig  verspottet  worden;  wir  fanden  es 
immerhin  vorteilhafter  als  den  Zwischenvorhang  oder  die  kahle  Münchener  Vorbühne, 
die  Darstellung  allerdings  in  den  meisten  Rollen  mittelmässig,  aber  das  Experiment  trotz 
unserer  grösseren  Achtung  für  B  planvoller  und  anziehender,  als  die  Recensenten  zu- 
gestehen. Den  unglücklichen  Einfall,  die  Vehme  hinter  dem  Vorhang  beraten  zu  lassen, 
gab  der  Dramaturg  rasch  wieder  auf.  Die  „Geschichte  Gottfriedens"  verschwand  bald 
von  den  Brettern,  —  Seliger^)  zeigt,  wie  der  Regisseur  Franz  Grüner  1809  B  für  das 
Theater  an  der  Wien  bearbeitete:  ohne  Kaiser  und  Bruder  Martin,  mit  einem  Herzog 
von  Franken  statt  des  Bischofs,  stark  streichend,  behutsam  gegen  die  Censur,  sprung- 
haft, einiges  Aeusserliche  einschaltend.  —  Dass  Götz  1,3  die  aus  der  „Lebensbeschrei- 
bung" 10)  übernommene  Erzählung  von  den  fünf  Wölfen  und  der  Herde  für  ein  gutes 
Omen  hält,  bezieht  Bender  i^),  ohne  Grimms  Mythologie  zu  berücksichtigen,  auf  das 
Helmkleinod  des  Götzschen  Wappens:  einen  Wolf  mit  einem  Lamm  im  Rachen.  — 
Die  Kritik  im  „Journal  encyclopedique"  1774  IV  3,  S.  562  übersetzt  Braun  12);  das  Stück 
heisst  ein  treues  Sittenbild,  alles  sei  interessant  und  talentvoll,  aber  barbarisch.  — 

„Clavigo".  Offenbar  ohne  Kenntnis  der  Beaumarchaisbücher  von  Lomenie  und 
ßettelheim  (vgl.  auch  Larroumets,  Goethe  nicht  berührenden,  Aufsatz  „Beaumarchais, 
L'homme  et  l'oeuvre"  RDM.  98,  S.  547—75),  bietet  Soffe^s)  unter  Altbekanntem 
ein  paar  lose  Bemerkungen  über  Lessingsche  Dialogtechnik  und  eine  ganz  flüchtig  an- 
gedeutete Parallele  zwischen  Clavigo-Beaumarchais  und  Goldsmiths  Paar  George-Thorn- 
hill.  —  Einzuschalten  wäre  Goncourts  Aufzeichnung  vom  21.  März  1875  (Journal  des 
Goncourt  5,  S.  197  f.) :  „Chez  Flaubert,  Tourgueneff"  nous  [auch  A.  Daudet]  traduit  le  Pro- 
methee  et  nous  analyse  le  Satyre:  deux  ceuvres  de  la  jeunesse  de  Goethe,  deux  ima- 
ginations  de  la  plus  haute  envolee.  Dans  cette  traduction,  oü  T.  cherche  k  nous  donner 
la  jeune  vie  du  monde  naissant,  palpitante  dans  les  phrases,  je  suis  frappe  de  la  fami- 
liarite,  en  meme  temps  que  de  la  hardiesse  de  l'expression.     Les  grandes,   les  originales 

Lautenschläger.  München,  Bassermann.  4».  94  S.  M.2,00  \[/U:AZg.  N.  84;  Muncker:  ib.  N.  89.] |  —  6a)  E.  Kilian,  Goethes 
Götz  u.  d.  neu  eingerichtete  MUnchener  Bühne.  München,  Kellerer.  62  S.  M.  1,00.  —  7)  id.,  E.  Aufführung  d.  Götz  von 
Berlichingen  nach  d.  Heidelberger  Hs:  AZg".  N.  9.  —  8)  0.  Devrient,  Gesch.  Gottfriedens  von  Berlichingen  mit  d.  eisernen 
Hand,  dramatisiert  v.  J.  W.  Goethe.  In  5  Aufz.  mit  Benutzung  auch  d.  spateren  Lesarten  eingerichtet.  Leipzig,  Breitkopf 
u.  Härtcl.  12«.  104  S.  M.  1,00.  —  9)  P.  Seliger,  E.  alte  EUhnenbearbeitung  d.  Götz:  Gegenwart  N.  36.  —  10)  X  K.  Über- 
horst, Götz  von  Berlichingen  nach  seiner  Selbstbiographie  u.  Urkunden  dargestellt:  DBUhncngen.  N.  36.  u.  38. 
(Abdruck  einiger  Parallelstellen.)  —  II)  F.  Bender,  Zu  Goethes  Götz  von  Berlichingen:  ZUU.  4,  S.  370/1.  — 
12)  J.  VN'.  Braun:  Deutschland.  N.  27.  (In  der  Rubrik  „Kleine  Kritik".)  —  13)  E.  Soff6,  Die  erlebten  u.  litterarischen  Grund- 


IV,lle:    Erich  Schmidt,  Goethes   Drama.  133 

CBUvres,  dans  quelque  langue  qu'elles  existent,  n'ont  jamais  ete  ecrites  en  style  acade- 
mique."   — 

„Hanswursts  Hochzeit".  In  dem  fingierten  „Catalogus  von  den  raresten 
Büchern  und  Manuscriptis"  (Frankfurt  u.  Leipzig  1720,  S.  27)  weist  Eichleri^)  den  Titel 
„Kilian  Brustflecks  Critique  über  die  zerrissenen  Nabelbinden"  nach,  luid  er  erinnert  an 
Lindners  Mitteilung,  dass  in  Matthesons  ,,Pregio  dell'  Ignoranza  oder  die  Bassgeige" 
ein  Musikpoet  Don  Quinto  Talso  als  K.  B.  auftrete.  —  Zur  Hilfe  an  Lavaters  „Abra- 
ham" vgl.  die  Auiforderung  vom  1.  Sept.  17751*'').  — 

Den  ersten  ,,Stella"-Schluss  rühmt  F.  Schlegen*^).  — 

„Egmont".  Einen  Vortrag  über  Egmont'^)  und  Oranien  in  der  Geschichte  hat 
Maurenbrecher  1^*)  am  21.  März  1890  im  Wiener  Goetheverein  gehalten.  —  Goethes 
Drama  erschien  wiederholt  auf  der  Bühne  des  Pariser  Odeon  als  „Le  Comte  Egmont, 
drame  historique  en  12  tableaux,  par  Goethe,  adapte  par  M.  Adolphe  Aderer",  worüber 
viele  Berichte  erstattet  worden  sind^*^).  Die  Bearbeitung  hat  die  Volksscenen,  die  man 
trotzdem  „fades"  fand,  sehr  gekürzt,  manches  verschoben,  die  beiden  letzten  Akte  zu- 
sammengezogen. Die  Ausstattvmg  war  glänzend,  Beethovens  Musik  wurde  gespielt.  Den 
Haupterfolg  hatte  die  Albascene  und  Klärchens  Ende,  dagegen  missfiel  der  sehr  reducierte 
Brackenburg,  Oranien  langweilte  das  Publikum,  Klärchen  erschien  ohne  mädchenhafte 
Poesie,  Egmont  als  moderner  Elegant.  Die  Journale  zeigten  ein  kühles  Wohlwollen; 
so  will  Sarcey  dies  Stück  ansehen  wie  ein  Deutscher  den  „Cinna":  Goethe  sei  ein 
„magnifique  rhetoricien",  ein  „profond  penseur",  aber  in  seinem  Leben  kein  Theatermensch, 
was  Sarcey  nachträglich  mit  blosser  Berufung  auf  Mezieres  erhärtet,  ohne  selbst  irgend 
welche  Vertrautheit  zu  zeigen,  während  Vi  tu  wenigstens  das  Stück  an  die  Verhältnisse 
um  1789  anzuknüpfen  sucht  ^^a).  — 

„Iphigenie  in  Delphi".  Düntzer^'')  bekämpft  die  „so  irrigen  wie  anspruchs- 
vollen Ansichten",  namentlich  Scherers,  sehr  weitläufig,  bekräftigt  vieles  von  ihm  „längst" 
Festgestellte,  beleuchtet  gegen  Kuno  Fischer  die  italienische  Umgestaltung  der  Scene  4,  4 
der  taurischen  Iphigenie  und  zerschneidet  die  von  demselben  Forscher  zwischen  cl<er 
taurischen  und  der  delpliischen  gesponnenen  Verbindungsfäden  sowie  das  Gewebe  einer 
„Trilogie",  um  dann,  Welckers  aber  nicht  Vahlens  gedenkend,  nochmals  die  Ueber- 
lieferung  in  Hygins  122.  fabula  darzulegen.  Goethes  Plan  in  der  „Italienischen  Reise" 
sei  späte  Nachschöpfüng  ohne  Gewähr;  1786  ein  Dolch  —  das  ist  ganz  richtig  — ,  keine 
Axt  (Kresphontes)  anzunehmen;  eine  Rekonstruktion  für  fünf  Akte  unmöglich,  wobei 
auf  einige  Hauptgesichtspunkte  Scherers,  wie  die  Stimmung  Iphigeniens  bei  der  Ankunft, 
nicht  genug  Wert  gelegt  wird.  Nach  Zwischensätzen  über  den  „Ewigen  Juden"  be- 
handelt D.  die  „Nausikaa"  mit  beständiger  Rücksicht  auf  Suphans  neuen  Text 
(Bd.  10,  1889),  guten  Konjekturen,  aber  auch  gefährlichen  Besserungen  (z.  T.  mit 
Riemer),  bedenklichen  Deutungen  (wie:  man  habe  zu  lesen  „Die  Schönen.  Gefangen", 
Ulysses  erkläre  sich  überhaupt  von  Frauenschönheit  gefesselt)  und  scharfer  Chronologie: 
vages  Motiv  in  Giredo;  erst  in  Sizilien  ein  Trauerspiel  ,,Arete"  (der  Name  aus  Ver- 
wechslung mit  der  Mutter,  nicht  aus  euphonischem  Grund),  das  unter  fortlaufender  Po- 
lemik gegen  Scherer  skizziert  wird  (1.  Akt  am  Meer,  2. — 5.  ohne  Scenenwechsel  in  der 
Königshalle);  dann  nach  Erwerb  des  Homer  und  Odysseestudium  Ausführung  der  „Nau- 
sikaa" 1,  1 — 1,  3  in  den  beiden  letzten  Palermitaner  Tagen;  Abbruch  der  Reinschrift  in 
Neapel.  Endlich  wird  der  Plan  von  Taormina  als  völlig  undramatische  Nachschöpfung 
aus  der  Redaktion  der  „Italienischen  Reise"  sehr  schroff  abgelehnt.  — 

„Iphigenie  in  Tauris".  Die  Ausgabe  von  Schmitt'^)  giebt  den  deutschen  Text 
mit  französischen  Fussnoten,  deren  paraphrastische  Manier,  planloses  Herausgreifen  von 
Varianten,  geborgte  Urteile  wertlos  sind  und  traurig  gegen  Chuquets  und  Lichtenbergers 
Arbeiten  abfallen,  wie  auch  die  hastige  Einleitung  über  die  Gestalten  („bien  mo- 
dernes sous  leur  enveloppe  grecque")  und  den  bedauerlichen  Wegfall  des  edlen  Wett- 
streites der  Freunde  usw.  gar  keinen  Gewinn  bringt.  —  Hasenclever ^o)  findet,  in- 
dem er  die  Erlösung  des  in  Sünde  verlorenen  Menschen,  seine  Versöhnung  mit  Gott, 
die  hohe  Stellung  der  Frau,  die  Entsühnung  durch  eine  andere  reinere  Person  als  -ein 
göttliches  Wundergeschenk  für  christlich  anspricht,  Goethes  Stück  deshalb  „unwillkür- 
lich" „durch  und  durch  christlich";  „Alle  menschlichen  Gebrechen"  usw.  klinge  „zu- 
erst   etwas    oberflächlich".    —    HalatschkaSO)     bietet    Sammlungen    unter    den    Haupt- 


.  Goethes  Clavigo.  Progr.  BrUnn,  Staats  -  Oberrealscliule.  1890/91.  16  S.  —  14)  F.  Eichler,  Kilian  Brust- 
fleck: CBlBibl.  7,  S.  166.  —  14a)  Neue  Briefe  an  Goethe:  GoetheJb.  11,  S.  105—20.  (S.  106.)  —  14b)  Fr.  Schlegels  Briefe 
an  seinen  Bruder  August  Wilhelm.  Her.  v.  Walzel.  (S.  155.  —  S.  u.  IV,  13  N.  5.)  —  15)  X  H.  GI06I,  D.  dram.  Handlung 
V.  Goethes  Egmont.  E.  deutsche  Stunde  in  d.  Prima:  ZDU.  4,  S.  54—62.  (S.  0.  I,  7  N.  16.)  —  15a)  ChrWGoetheV.  6,  S.  16. 
(Notiz.)  —  16)  |[z.  B.  F.  Sarcey:  Temps  10.  Februar.  N.  10505  u.  10512;  Vi  tu:  Figaro  8.  Februar.  N.  39;  W.  S[inger]: 
NFPr.  1890,  13.  Februar  N.  9150.] |  —  16a)  X  Goethe,  Wybor  pisra  eo  przektadzie  L.  Jenikego.  Warschau,  Lcwontal. 
(Polnische  Übersetzungen,  u.a. v.  Egmont,  Iphigenie,  Tasso.)  —  17)  H.  Düntzer,  Goethes  Iphigenie  in  Delphi  u.  Nausikaa: 
ZDU.4,  S.  305—38.  —  18)  Goethe,  Iphigönie  en  Tauride.  Nouv.  Edition  par  L.  Schmitt.  Paris,  Delagrave.  IV,  102  S.  — 
19)    Hasenclever,   Goethes   Iphigenie,  e.   christliche  Dichtung:  DEBll.  15,   S.  434—51.   —  20)  R.  Halatschka,  Versuch 


134  IVjlle:    Erich  Schmidt,  Goethes  Drama. 

rubriken  „Verba"  (1.  Lexikalisches,  2.  Flexion),  „Substantiva"  (Wortbildung,  Lautliches 
Vj  S.,  Flexion),  „Adjektiva",  „Zur  Casuslehre",  „Einzelnes",  noch  ohne  Kenntnis  der 
1889  im  10.  Bande  der  Weimarer  Ausgabe  ausgebeuteten  italienischen  Handschrift,  schon 
deshalb  unzvdänglich;  doch  ist  überhaupt  -sdeles  in  der  „Iphigenie"  übersehen  oder 
äusserlich  behandelt,  die  Belesenheit  in  Goethe  ist  dürftig,  anderes  Material  wird  nur  rein 
zufäUig  herangezogen,  luid  wesentlich  sind  Adelung  und  Grimm,  Lehmann  und  Burdach 
excerpiert;  es  fehlt  auch  an  den  nötigen  historischen  Kenntnissen,  und  die  Sammlungen, 
die  etliche  böse  Schnitzer  aufweisen,  sind  zwar  nicht  unnütz,  doch  niu-  mit  Vorsicht  zu 
gebrauchen.  —  Zu  V.  226  fi*.  „zufrieden  war'  ich"  ergreifen  E-eichel^i),  nochmals 
Sprenger22),  Wartenberg23),  Molin^*)  das  Wort,  seltsamer  Weise  ohne  Rücksicht  auf 
die  ältere  Lesart.  Reich el  nimmt  endhch  den  1.  Vers  für  sich  mit  starker  Betonung 
„mein  Volk"  und  wünscht  statt  des,  vielfach  missverstandenen,  Kolons  ein  Punktum 
oder  Semikolon,  was  Sprenger  nicht  nötig  findet;  Wartenberg  und  Molin  entwickeln  die 
Symmetrie  zwischen  Iphigeniens  Wünschen  und  der  Antwort  des  Thoas.  —  Sanders^s) 
zieht  zum  Verständnis  der  V.  315  ff.  das  Selbstgespräch  des  Polymetis  im  ,,Elpenor"  2,  1 
„Wir  fühlen  uns  Gesellen"  usw.  heran.  —  Das  „unwillig"  V.  636  will  Sprenger^ß)  nicht 
gleich  Waetzoldt  als  „invitus"  fassen,  sondern  verweist  auf  Aen.  12,  951  „vitaque  cum 
gemitu  fugit  indignata  [Schwab:  „unwdllig"]  sub  umbras",  —  Derselbe 27)  erklärt  das  „ver- 
hüllt" V.  899  aus  Suetons  „Vita  Caesaris":  „toga  caput  obvolvit"  und  Shakespeare  5,  3.  — 
„Tasso"28).  Auf  66  Seiten  giebtK.  Fischer^s*)  die  Entstehungsgeschichte  von  den 
ersten  Keimen  bis  zur  völligen  Erneuerung  in  und  nach  Italien,  mit  einigen  falschen 
Briefdaten.  Die  alte  Dichtung  war  pathologisch,  erst  die  neue  ist  künstlerisch.  Die 
alte  enthielt  halbprosaisch  1,1 — 3  und  2,1 — 2,  wohl  auch  2,3,  worin  Tassos  Haft  herbei- 
geführt wurde.  F.  leugnet  für  A  jeden  Antonio,  sogar  einen  Vertreter  X,  was 
entschieden  zu  bestreiten  ist,  wenn  auch  Antonio  ein  „dichterisches  Sammelprodukt" 
genannt  werden  darf  und,  was  F.  übersieht,  noch  in  der  einen  Weimarer  Hs. 
Battista  (Pigna)  heisst.  Tassos  Zeitalter  wird  beleuchtet,  Ferrara  geschildert,  die  Poesie 
Tassos,  auch  „Aminta"  (wie  schon  W.  Schlegel  gethan)  und  Lyiik  für  Goethe  verwertet, 
ein  Ausblick  auf  Byron  und  Leopardi  eröffnet.  Unerwähnt  bleibt  Goldonis  Drama. 
Drei  Charakterbilder  der  Feinde  nach  Serassi:  Giambattista  Pigna,  Guarini,  Antonio 
Montecatino.  Die  Leonoren.  Die  Tassolegende:  Manso  (Brusoni,  Muratori).  i)ie  Frage, 
was  Goethe  gekannt  habe,  führt  von  Koppe  bis  zu  Serassi.  F.,  Heinses  Iris-Roman 
(1776)  allzuschroff"  als  Quelle  ablehnend,  bezeichnet  als  Gewährsmann  für  A  den  Manso, 
dem  gegenüber  Goethe  ein  Freundschaftsverhältnis  seiner  zwei,  nicht  drei,  Leonoren  und 
eine  Neigimg  der  Sanvitale  erfand;  dazu  kam  die  Umarmung,  das  von  Goethe  vertiefte 
Delirium  des  Piatonismus,  nach  Muratori:  Goethe  kannte  den  10.  Band  der  ,,Opere  di  T.  T." 
von  1739  (die  Hauptstellen  sind  übrigens  bei  Serassi  wörtlich  citiert,  was  zu  beachten 
wäre).  In  der  Analyse  S.  178  ff",  komponiert  F.  kvn-z  „Die  Fabel",  entwickelt  den 
fünfaktigen  Bau  und  will  zeigen,  dass  man  es  von  Haus  aus  mit  einem  schlichtenden 
„Schauspiel",  keiner  Tragödie  zu  thun  habe.  Er  schildert  Tassos  Welt:  Renaissance 
ohne  die  unheimlichen  Gewalten  der  historischen,  Idylle  und  Geniekultus,  ästhetische 
Gesittung  und  Freiheit,  Charaktergegensätze.  S.  213  ff.  Charakterbilder:  Alfonso  der 
Fürst  mit  fürstlichem  Humor;  die  Prinzessin  lebend  in  Klarheit,  Lauterkeit,  Leiden, 
Entsagung,  Stille,  nach  der  Genesung  auf  Grund  alter  Eindrücke  ein  dauerndes  Seelen- 
band hoffend,  aber  nicht  ohne  Schuld  an  Tassos  notwendiger  Entfernung,  alles  platonisch 
bis  auf  den  einen  Raptus  des  Dichters;  die  Sanvitale  Vertreterin  der  Gentilezza  der 
grossen  Welt.  F.  erblickt  mit  Recht  ihr  Hauptmodell  in  der  Gräfin  Werthern, 
während  er  sonst  kaum  derartige  Beobachtungen  anstellt  und  einmal  scharf  gegen  den 
Hinweis  auf  Lenz  protestiert.  Für  Antonio,  der  kein  Poesiefeind,  sondern  ein  Gegenbild 
der  Zuchtlosigkeit  des  Menschen  Tasso  sei,  wird  eine  „Antinomie"  behauptet:  alte 
Gegnerschaft  in  den  drei  letzten,  neue  Bekanntschaft  in  den  zwei  ersten  Akten,  und  aus  der 
langsamen  Entstehung  des  Stückes  begründet.  F.  betont  nach  dem  Zusammenprall 
Antonios  und  Tassos  ein  Missverhältnis  von  Schuld  vnä  Strafe.  Er  geht,  auch  polemisch, 
auf  zahlreiche  einzelne  Stellen  ein.  Tassos  schmerzliches  Weltgefühl  usw.  treibt  nicht 
zu  tragischer  Vernichtung,  „nur  die  beiden  letzten  Scenen  lassen  Raum  zur  Befürchtung", 
er  wird  errettet,  geheilt  und  soll  als  Künstler  alles  bemeistern.  —  Düntzer29)  nimmt, 
meist  polemische,  Rücksicht  auf  die  seit  seiner  3.  Auflage  (1882)  erschienenen  Schriften 


e.  sprachl.  Komment,  zn  Goethes  Iphigenie  auf  hist.  Grundlage.  Halle,  Niemeyer.  67  S.  M.  1,60.  —  21)  K.  Reichel,  Zu 
Goethes  Iphigenie  1,3:  ZDU.  4,  S.  Ö6/6.  —  22)  R.  Sprenger,  Nochmals  Iphigenie  I,  3,226:  ib.  S.  163.  —  23)  W. 
Wartenberg:  ib.  S.  165.  —  24)  J.  Molin,  Noch  e.  Scherflein  zu  Goethes  Iphigenie  I,  3:  ib.  S.  165.  —  25)  D.Sanders, 
Zu  e.  stelle  in  Goethes  Iphigenie  I,  3:  ZDS.4,  S.  328.-26)  R.  Sprenger,  Goethes  Iphigenie  II,  1,72:  ZDÜ.4,  S.  371/2. - 
27)  id.,  Zu  Goethes  Iphigenie  II,  2,331  (102):  ib.  S.  373|4.  —  28)  X  D-  Sanders,  Einige  Bemerk,  zu  d.  1.  Auftr.  im 
2.  Aufz.  T.  Goethes  Tasso:  ZDS.  4,  S.  372/3.  —  28a)  Kuno  Fischer,  Goethes  Tasso.  (=  Goethe-Schriften  v.  Kuno  Fischer 
1.  Reihe  3,  H.  153-605.)  Heidelberg,  Winter.  353  S.  M.  6,00.  |[Meyer  von  Waldcck:  AZg».  N.  165  f.;  Buchner: 
BLU.N.28;  E.  Schmidt:  DLZ.    18V1,  N.16.J|  -   29)  H.Düntzer,  Erläuterungen  zu  d.  deuschen  Klassikern  17.  Bandchen. 


IVjlle:    Erich  Schmidt,  Goethes  Drama.  135 

von  Kern  (so  gegen  dessen  Auffassung  der  Hofsphäre),  Scholl  und  besonders  K.  Fischer 
(namentlich  in  den  Entstehungsdaten  und  der  „Antinomie"),  bestreitet  den  Einfluss  der 
„edlen"  Gräfin  Werthern  auf  die  Sanvitale,  seinerseits  an  die  kleine  Schardt  und  Emilie 
von  Werther  erinnernd,  wie  er  für  Alfonso  das  Vorbild  Karl  Augusts,  für  Tasso  zwar 
nicht  Lenz,  aber  Plessing,  Knebel,  sogar  Kraft  berücksichtigt.  Die  Einzelerklärung 
wendet  sich  mehrfach  gegen  Schröer  und  dessen  Textrecension.  Aus  der  Weimarer 
Ausgabe  werden  Varianten  der  Hs.  mitgeteilt.  Die  Skizze  10,429  wird  als  V.  997  ff.  nach- 
gewiesen und  verbessert,  ebenda  „Ergreifen  des  Moments"  auf  4,4  bezogen.  V.  100  soll 
„ihn"  nur  Druckfehler  B  statt  „sie"  sein  (?),  ebenso  2402  „Auch"  statt  „Ach",  3342 
„sie"  statt  „die",  2450  sei  Komma  nach  „beglückt"  widersinnig,  2894  fehle  die  Variante 
„Er"  S  (wie  H  ?),  3014  sei  „Gnaden"  Druckfehler  A.  Brief  Nr.  1050  gehöre  nicht  in 
den  November  1780,  sondern  gleich  Nr.  1047  (März  1789,  nicht  November  1780)  in  das 
erste  Frühjahr  nach  der  italienischen  Reise.  — 

Opern.  ,, Scherz,  List  und  Rache":  zu  den  Kompositionen  Naumanns  kleine 
Mitteilungen  Suphans^s»)  aus  Seifersdorf;  zu  „Circe"  ein  kleiner  Nachtrag  29b^  aus  den 
Berliner  „Annalen  des  Theaters"  1797:  Weimarer  Aufführung  von  „Circe,  Oper  aus 
dem  Italienischen,  von  Goethe,  Musik  von  Anfossi".  —  Den  „Grosskophta"  findet 
F.  Schlegel  „matt"^»)  (an  Wilhelm  S.  43).  —  Zur  „Natürlichen  Tochter"  hat 
Oekander^Oa)  (Hausmann)  in  freier  Benutzung  der  Notizen  des  „Altmeisters"  ein  Folge- 
stück verfasst,  das  auch  ohne  Goethes  „schemenhaftes"  Drama  verständlich  sein  soll. 
Eine  Ilias  post  Homerum  wird  von  uns  nur  ausnahmsweise  besprochen.  —  Belling^i) 
erstreckt  seine  metrischen  Studien  auf  die  „Pandora",  mit  langen,  in  eine  Analyse  des 
Stückes  gewobenen  Citaten,  Verweisen  auf  Westphal-Rossbach,  Ansätzen  zur  inneren 
Motivierung  der  jeweiligen  Masse,  also  behenderer  für  Elpore,  serbischer  Trochäen  usw. 
für  Epimeleia,  und  dem  Gesamturteil,  die  Nachbildung  griechischer  Rhj^thmen  sei, 
wenn  auch  nicht  so  \delgestaltig,  „im  ganzen  wohl  gelungen"  und  habe  jene  in 
trochäischem  Formenreichtum  übertroffen.  — 

Uebersetzungen  und  Gelegenheitsstücke.  Der  oben  erwähnte  Schluss- 
band K.  J.  Schröers^'*)  enthält  den  ,,Menteur",  „Mahomet",  „Tancred",  dann  „Paläophron 
und  Neoterpe",  die  übrigen  Gelegenheitsstücke,  aber  in  der  10.  Gruppe  ausser  kleinen 
Theaterscenen  (Eröffnungschor  „Romeo  und  Juhe"),  Theaterreden  und  Maskenzügen 
auch  die  „Anekdote  zu  den  Freuden  des  jungen  Werthers"  und  das  „Trauerspiel 
in  der  Christenheit",  dies  ohne  jede  Untersuchung,  da  die  Weimarer  Ausgabe  abzu- 
warten sei.  Bei  den  „Maskenzügen"  ziemlich  enger  Anschluss  an  v.  Loeper  und  Düntzer.  Die 
neue  Ausbeute  ist  überhaupt  nicht  gross.  Das  Vorwort  verbreitet  sich  über  Goethes 
Deutschheit,  Nationalität  und  Humanität,  enthusiastisch,  ohne  die  Einschränkungen 
Scherers  oder  Treitschkes,  persönliche  Bekenntnisse  im  „Epimenides"  läugnend  („wer 
ist  1813  erwacht?"),  und  in  der  besonderen  Einleitung,  die  den  Inhalt  nacherzählt  und  die 
Hauptperson  mit  Epimetheus  vergleicht,  sagt  S.  nur,  G.  habe  „den  Aufschwung  des 
Publikums  zum  Symbol  eines  Ideals"  für  zu  einfach  gehalten,  die  Aufführung  aber  seine 
glückliche  Lösung  der  Aufgabe  bewährt:  „Goethe  tritt  in  den  Gesängen  des  „Epimenides" 
ganz  in  die  Reihe  der  Sänger  des  Befreiungskrieges  und  überbietet  sie  an  Kraft  und 
Gedankentiefe."  Die  Texte  folgen  C;  mehrmals  heisst  es:  „verglichen  mit  Loepers  Aus- 
gabe". Die  Recension  ist  an  manchen  Stellen  eine  eklektisch  unsichere,  die  Mitteilung 
von  Varianten  hat  etwas  Zufälliges,  indem  Wichtiges  fehlt,  Aeusserliches  wie  „Chatulle" 
und  „Schatulle"  wiederholt  wird.  So  sind  auch  zu  den  Dramen  Voltaires  Verse  des 
Originals  beliebig  herausgegriffen,  ohne  Stiluntersuchung  (H.  Grimm,  jetzt  eingehend 
Köster),  ohne  Ausdeutung  des  Wortes  Carolinens,  Goethe  setze  den  Voltaire  in  Musik 
wie  Mozart  den  Schikaneder,  sondern  beim  „Tancred"  heisst  es  kurz:  „treu"  oder  „weicht 
ab"  oder  „neue  Verse".  Für  das  Sprachliche  wird  Schröers  Faust-Ausgabe  am  fleissigsten 
angeführt.  Sopirs  Tod  soll  an  Cäsar  und  Brutus  erinnern;  er  hat  aber  bekanntlich  sein 
unmittelbares  Vorbild  im  „George  Barnwell".  In  der  Tancredarbeit  erblickt  S. 
den  Keim  zur  „Braut  von  Messina".  Der  Titel  „Paläophron  und  Neoterpe"  ist  von 
F.  Schlegel  geprägt,  wie  seine  Briefe  an  Wilhelm  3ii))  nun  lehren;  über  die  „Stolze 
Vasthi"  sind  Suphans^^^)  Bemerkungen  zu  vergleichen.  „Was  wir  bringen"  II  (Halle) 
nennt  Schröer  „höchst  anziehend  im  ganzen.  Zu  sichten,  was  von  Goethe,  was  von 
Riemer  ist,  wagen  wir  nicht".  Im  einzelnen  wird  manche  kleine  Erläuterung  oder 
Parallele  beigebracht.  Willkommen  ist  das  Bild  zu  „Paläophron  und  Neoterpe"  (Zeitung 
für  die  elegante  Welt),  sowie  zwei  Ansichten  zu  den  Maskenzügen  1810  (Journal  des 
Luxus  und  der  Moden).  — 


4.  neu  durchges.  u.  verm.  Aufl.  Leipzig,  Wartig.  12".  192  S.  M.  1,00.  —  29a)  B.  Suphan,  Karlsbad  1785:  GoetheJb. 
11,  S.  123—34.  (S.  131.)  -  29b)  F.Jonas:  ib.  S.  194.  —  30)  Vgl.  N.  14b.  —  30a)  G.  Oekander,  Eugenie. 
Tragödie  im  Anschluss  an  Goethes  Drama  ,Die  natürliche  Tochter".  Leipzig,  Elischer.  X,  150  S.  M.  8,00.  — 
31)  E.  Belli ng,  D.  Versmasse  in  Goethes  Pandora.  Progr.  Bromberg.  S.  11—17.  —  31a)  S.  o.  N.  14b.  —  31b)  S.  447; 
vgl.  N.  I4b.  —   3lc)  B.  Suphan,  Nachspiel  zu  Gotters  Vasthi:  GoetheJb.  11,   S.  20/4.  —  32)  Faust,  E.  Tragödie  v.  Goethe. 


136  IVjlle:    Erich  Schmidt,  Gocihcs  Dmina. 

„Faust".  Die  Reclam-Ausgabe  32)  ist  nun  vollständig,  sauber  gedruckt,  ohne 
Rücksicht  auf  die  Weimarer,  der  1889  Krabbes  zierlicher  Stuttgarter  Druck  einige 
runde  Paralipomena  (Rubrik  „Aus  dem  Nachlass")  entlehnte.  —  Seiner  ausgezeichneten 
dänischen  Uebersetzung3-a-i>),  die  1889  fertig  vorlag,  hat  Hans en^S)  einen  orientierenden 
Aufsatz  über  den  Urfaust,  die  Forschungen  Fischers  und  Scherers  (kein  Streit  um  einen 
Prosafaust  mehr!),  die  Weimarer  Funde  nachgeschickt,  „Abkündigung"  und  „Ab- 
schied" deutsch  mitgeteilt,  den  Bericht  Goethes  über  den  Jugendplan  des  2.  Teiles  über- 
setzt.—  Der  czechischen  TJebersetzung  von  Vlcek  wirft  ein  Kritiker  34)  zu  grosse  Freiheit 
vor.  —  Nur  der  „Faust-Litteratur"  ist  ein  Katalog  Baers^'»)  gewidmet;  jener  der  Malt- 
zahnschen  Auktion  bei  A.  Cohn^^»)  bot  u.a.  zwei  Federzeichnungen  Goethes,  die  viel- 
leicht mit  der  Faustdichtung  irgendwie  zusammenhängen.  —  Düntzers^^)  Vorrede  feiert 
„Zur  Jahrhundertfeier  von  Goethes  Faust  (1790)"  die  mehr  als  ftinfzigj ährige  Thätigkeit 
des  Kommentators  und  bezeichnet  die  übersichtliche  Mitteilung  der  wichtigen  Varianten  U 
als  Hauptvorzug  seiner  neuen  Auflage.  Belesen  ist  er  der  Litteratur  gefolgt,  der  For- 
schung mehr  polemisch,  manchmal  nur  kurz  verneinend.  An  alten  Lieblingen  wie  der 
Konjektur  „Geniess  es,  um  es  zu  besitzen",  oder  dem  „Fidelen"  hält  er  ebenso  fest  wie 
an  der  Lesart  „Lied"  (nicht  „Leid") ;  in  IJ  nimmt  er  manche  Schreibfehler  an,  gelit 
aber  auf  höhere  Kritik  nach  dem  Plan  dieser  populären  Erläuterungen  wenig  ein  und 
lässt  die  ParaUpomena,  auch  die  Satanscene  usw.,  bei  Seite.  —  Kreyssigs  ^'J)  Kommentar 
hat  in  F.  Kern  einen  liebe-  und  verständnisvollen  Bearbeiter  gefunden,  der  streichend  und 
ändernd  eingreift,  ohne  seine  abweichenden  Ansichten  durchzudrücken,  aber  in  zwanglosen 
Einschaltungen  über  den  Bestand  des  Urfaust  orientiert,  den  Gedankengang  im  ersten  Monolog 
vcm  Wissen  zur  Sehnsucht  nach  Teilnahme  an  dem  schöpferischen  Leben  der  Natur  darlegt, 
später  zu  „Wald  und  Höhle"  den  Erdgeist  richtig  als  früheren  Stellvertreter  Gottes 
ansieht,  die  Fragmentverse  nach  der  Lücke  an  die  Stimmung  der  Erdgeistscene  anknüpft 
und  die  Lust,  Mephisto  in  die  Welt  zu  folgen,  begründet,  in  einer  neuen  Analyse  von 
„Wald  und  Höhle"  Gretchens  Fall  nach  der  1.  Gartenscene  annimmt  und  endlich  in 
einer  Reihe  von  eigenen  Anmerkungen  sowohl  Einzelheiten  als  grössere  Gedanken- 
zusammenhänge erläutert:  „Prometheus"  ein  Bruchstück,  „trockener  Schleicher"  Gegensatz 
zum  Enthusiasten,  „ich  mehr  als  Cherub"  aus  der  „cherubinischen"  Weisheit  der  Mystik 
bis  Scheffler  zu  erklären,  die  vier  Verse  „Was  du  ererbt"  zusammenhanglos,  der 
Gedankengang  bei  der  Logosübersetzung  aus  Heraklit  verständlich,  die  Prologverse 
„das  Werdende  —  dauernden  Gedanken"  auch  mit  dem  Gedicht  „Den  Absoluten"  ver- 
wandt, „Wie  ich  beharre"  =  sobald,  der  Hinweis  auf  Gretchen  im  4.  Akt  des  2.  Teiles 
sehr  wichtig  (hinanziehend),  die  Trimeter  des  3.  überschätzt,  und  dass  Faust  sich  griechischer 
Kunst  nicht  nähere  wunderlich,  die  „Schuld"  unter  den  grauen  Weibern  noch  unerklärt, 
,, Verweile  doch"  kein  Verlust  der  Wette;  Vorschläge  zu  anderer  Interpunktion  gegen 
die  weimarischen  Prinzipien,  aber  z.  B.  das  Verständnis  befördernd  V.  2345  „ver- 
schwunden, ....  ausgefunden".  Pniower,  in  seiner  sehr  anerkennenden  Recension 
K.s,  knüpft  gleichzeitig  an  Kuno  Fischers  „Erklärungsarten"  von  1889  Anmerkungen 
über  stilgeschichtliche  Probleme  und  meint,  Ü  widerlege  an  sich  die  Annahme  eines 
Prosafaust  nicht;  die  Urhandschrift  habe  aus  abgesonderten  Lagen  bestanden.  —  Julian 
Schmidts37»)  Darstellung  4, S.  144  flf.  ist  umgearbeitet, genetischer,  mit  bewusster  Rücksicht 
auf  die  Philosophie.  —  Louviers^S)  Methodologie  gehört  nicht  in  einen  wissenschaft- 
lichen Jahresbericht,  sondern  nach  Bedlam,  trotz  seinen  drei  Werkzeugen  Geschichte, 
Philosophie,  Logik,  das  „Geheimbuch  im  strengsten  Sinne  von  A  bis  Z"  zu  enträtseln 
und  die  „Sphinx"  reden  zu  lassen.  —  Geniessbarer  ist  immerhin  Curtos'^ö)  polemisch 
vorgetragene  Evolutionstheorie,  so  wenig  sie  als  eine  Vergewaltigung  der  Poesie  über- 
zeugen und  uns  den  Mephistopheles  nicht  für  einen  Teufel,  sondern  einen  Teil  der 
Gotteseinheit,  die  auflösende  Kraft  im  Ewig-Einen,  erklären  kann.  —  Ein  1879  in 
Schleswig  gehaltener  Vortrag  Petersens^O)  (gest.  1887)  stellt  zunächst  Faust,  den  Titanen 
aus  metaphysischer  Sehnsucht,  und  den  Philister  Wagner  gegenüber,  um  dann  aus 
Fausts  titanischen  Egoismus  seine  tief  packende  Tragik  zu  entwickeln,  Hamlets,  Manfreds 
Weltschmerz  zu  vergleichen,  die  Lösung  des  Schuldproblems  aber  nur  zu  streifen,  mit 
dem  Wunsch,  es  hätte  beim  „Her  zu  mir!"  des  1.  Teiles  sein  Bewenden  gehabt,  während 
er  den  2.  Teil  verwirft.     Das    zweite    Stück    kennzeichnet   Ibsens  „Brand"    als    Titanen 


Zweiter  Teil.  Leipzig,  Keclam.  208  S.  M.  0.20.  —  32a)  X  Goethe,  Faust.  A  Dramatic  Poem  Transl.  by  A.  Hayward.  II. 
London,    Bell    &   Sons.      282   S.    —     32b)  X   Goethe,    Faust.  Transl.   by   Anna    Swanwick.      New -York,    A.   L.   Burt. 

—  33)  P.  Hansen,  Urtextenie  til  Goethes  Faust.  Nogle  Träk  at  Faust  forskningens  nyeste  Hist.:  L&K.  3, 
8.  308—26,  561—89.  —  34)  E.  W.,  J.  W.  Goethe.  Faust.  Tragödie.  Kozmerem  originalu  prezozil  Frant.  Vlcek:  Bohemia 
N.    145b.    —    35)    J.   Baer   &    Co.,    Antiquarischer   Anzeiger   N.  402.    Frankfurt  a/M.,   Baer.     16  S.    —    35a)    S.    o.   N.    12. 

—  36)  H.  DUntzer,  Goethes  Faust.  Erster  Teil  erläutert.  5.  Aufl.  (=  Erlaut,  zu  d.  deutschen  Klass.  19.)  Leipzig,  Wartig. 
218  S.  M.  2,00.  —  37)  F.  Kreyssig,  Vorlesungen  über  Goethes  Faust.  Zweite  Aufl.  neu  her.  t.  F.  Kern.  Berlin,  Stricker. 
271  S.  M.  4,00.  ([Pniower,  DLZ.  11,N.43;  0.  Harnack,  PrJbb.  64,  S.  740.]|  -  37a)  Vgl.  o.  IV,  1  N.  1.-38)  F.  A.  Leu  vier, 
D.  neue  Rationelle  Methode  d.  Faust-Forschung  u.  d.  alte  u.  d.  nrue  Mephisto.  Zwei  Vortrage.  Hamburg,  GrUning.  35  S. 
M.  0,80.  —  39)  H.  CuVto,  I>.  Figur  d.  Mephisto    im  üoetheschen  Faust.    Turin,  Koux.    114  S.  M.  2,00.  —  40)  J.  Petersen, 


n^lle:    Erich  Schmidt,  Goetlies  Drama.  137 

nicht  des  Wissens,  sondern  des  Wollens,  Titanen  des  Talars,  des  Christentums. 
Der  Vf.  selbst  erscheint  als  christgläubiger,  lebhaft  empfindender,  beredt  kon- 
struierender Mann,  — 

Urfaust.  Die  stilistische  Umgestaltung  von  U  im  Fragment  1790  legt  Raiz^i) 
sorgsam  nach  guten  Rubriken  dar  mit  Ausschluss  dessen,  was  nicht  Redaktion,  sondern 
Umschöpfung  ist :  Verschmelzung  von  Alt  und  Neu,  Milderung,  Verstärkung,  Theatralisches 
(Zeit,  Ort,  minder  individuelles  Kolorit,  nichts  Unsichtbares) ;  sprachlich :  schriftdeutsche 
Regelung,  Hebung,  Präcisierung,  aber  gelegentlich  auch  Schmälerung  der  Bildlichkeit, 
Schwund  von  Sturm.-  und  Drangelementen,  Kakophonien,  wirren  oder  zu  kantigen  Satzge- 
bilden, ausgleichende Periodisierung;  einiges  von  Goethe  selbst  nicht  mehr  recht  verstanden; 
Sentenziöses ;  Metrisches;  Wandlungen  der  Form  auf  Kosten  des  Inhalts;  keine  strenge 
Redaktion;  wo  im  vollständigen  „Faust"  Formen  auftreten,  die  S  zumeist  gegenüber  U 
beseitigte,  sei  die  Annahme  früher  Herkunft  erlaubt.  —  Die  Zwiespältigkeit  der  Schüler- 
scene,  wie  sie  aus  Redaktionsnähten  der  Wiederholung  („doch  müsst  ihr",  „doch  vorerst"), 
aus  formaler  Verschiedenheit  erhelle  und  eine  derbe  Partie  von  1772,  eine  feinere  von 
1775  ergebe,  erörterte  Pniower^'»)  in  der  „Gesellschaft  für  deutsche  Litteratur".  —  An 
Pfeiffers  ^2)  schon  1887  in  dem  Dissertationsdruck  S.  71  ff.  vorgetragene,  1890  neu 
erschienene  Kombination  zwischen  Klingers  lang  vorbereitetem  Roman  und  Goethes 
Jugenddichtung  sei  hier  nur  erinnert.  — 

Fragment.  Zur  Säkularfeier  besprach  Pniower^s)  das  grosse  Bruchstück  mit 
einer  für  unzünftige  Kreise  bestimmten  Musterung  der  Forschungen  und  Ergebnisse  seit 
Scherer.  —  Sträter**)  entdeckte,  dass  Wagner  den  von  Faust  überwundenen  Standpunkt 
darstelle  und  Mephistopheles  dem  Faust  gegenüberstehe  wie  Sancho  Pansa  dem  Don 
Quixote,  der  objektive  Humorist.  — 

Erster  Teil.  Zur  ästhetischen  Würdigung  des  Gretchen  trägt  Eitners*^) 
citaten-  und  blumenreiche  Deklamation  gar  nichts  bei;  dagegen  erläutert  Benda*^) 
Valentins  Fluch  ausgezeichnet  durch  eine  Frankfurter  Polizeiordnung  vom  15.  Jahr- 
hundert (die  Dirnen  sollen  „keine  güldener  ketten  tragen",  „in  der  Kirche  in  keinem 
stule  steen")  und  vermutet,  dass  Goethes  Vater  Orths  ,, Ausführliche  Abhandlung  von 
den  berühmten  zwoen  Reichsmessen"  usw.  1765  (S.  517)  gleich  anschaffte;  die  Goethe- 
hauskommission bemerkt  dazu  (Berichte  1891,  S.  163),  das  Buch  sei  weder  in  des  Rats 
noch  in  Goethes  Bibliothek  nachzuweisen,  auch  Orths  „Anmerkungen"  zur  Frankfurter 
Reformation  nicht  (2.  Forts.  1744,  S.  485  dieselbe  Polizeiverordnung  noch  ausführlicher); 
aber  Goethe  citiere  die  „Anmerkungen"  im  2.  Buche  von  „Dichtung  und  Wahrheit" 
(Weimar.  Ausg.  26,  S.  117).  —  In  dem  Vers  „Wie  ich  beharre  bin  ich  Knecht"  wollte 
Sprenger'*'')^  seiner  eigenen  früheren  Deutung  zuwider  „bin  ich  Knecht"  konditional 
nehmen  und  vor  „bin"  Semikolon  setzen;  dagegen  stellte  Pauls en-^^)  das  einzig  Richtige 
(wie  =  sowie,  sobald)  mit  ein  paar  Worten  fest;  ausführlicher  vertraten  dasselbe  Bender^^) 
und  Feist^o^,  endlich  Sprenger^i)  selbst.  —  Die  Hauptbedeutung  der  „Hexenküche" 
möchte  ein  Anonymus S-)  in  dem  höllischen  Kampfmittel  der  Betäubung  erkennen;  kein 
tieferer  Sinn  in  dem  tollen  Reimklingklang,  nur  Anspielung  auf  die  Trinität  und  einige 
Brocken  von  Vernunft  im  Spiel  mit  der  Weltkugel,  in  der  Aufforderung,  eine  Krone 
aus  Schweiss  und  Blut  zu  leimen;  Hinweis  avif  ,, Macbeth"  4,  1.  —  Zöllners  Musik  preist, 
seine  dichterische  Behandlung  von  Goethes  1.  Teil  tadelt  Noduagel^^^).  — 

Zweiter  Teil.  Reinhard ^4)  teilt  dem  Kanzler  Müller  am  24.  Mai  1833  sein 
Befremden  über  die  mystificierende  Symbolik  mit,  der  1.  Akt  schöpfe  fast  wörtlich  aus 
„damaligen  satj^rischen  Schriften",  der  griechische  Hexensabbath  habe  mehr  archäo- 
logischen als  philosophischen  Wert,  dann  stelle  sich  der  Naturforscher  über  den  Dichter, 
der  Schluss  verneine  den  I.Teil...;  im  August  begehrt  er  einen  Schlüssel  zu  den 
„Müttern"  und  dankt  am  6.  August  1834  für  Riemers  Belehrung  über  die  „Deae  Matres" : 
man  müsse  „entsetzlich  gelehrt"  sein.  —  2.  Akt.  V.  7667  fand  Sprenger^S)  in  Schröers 
2.  Ausgabe  den  Druckfehler  „Raub",  hielt  ohne  weiteres  Umsehen  v.  Loepers  Lesart 
„Raiibt"  für  blosse  Konjektur  und  emendierte  „Missgestaltetei  [für  Missgestaltete]  Be- 
gierde Raub  des  Reihers  edle  Zierde"  mit  Ellipse  von  „ist".  —  3.  Akt.  Am  24.  No- 
vember  1800    meldet    F.  Schlegel  ^i»)    dem    Bruder,    von    Goethe    sei    „ein    gewaltiges 


Faust  u.  Brand.  Hamlet.  Zwei  Vorträge.  Gotha,  Perthes.  VII,  64  S.  M.  1,20.  (Her.  v.  Emil  WolfF.)  —  41)  A.  Raiz, 
Goethes  Faustredaktion  1790:  VLG.  3,  32.3-59.  —  41a)  Referat:  DLZ.  11,  S.  794.  —  42)  G.  J.  Pfeiffer,  Klingers  Faust 
(.S'.  0.  IV,  3  N.  9.)  —  43)  0.  Pniower,  E.  littcrarisches  Juhiläum :  DWBl.  N.  23.  —  44)  E.  Sträter,  D.  Faust  v. 
1790  —  e.  humoristisches  Kunstwerk:  Post  N.  231.  —  45)  G.  Eitner,  Aus:  Goethes  Frauengestalten  (Prohe  aus 
e.  grösseren,  noch  nicht  veröffentlichten  Arheit).  Görl.  Festschr.  Görlitz,  Jaenicke.  4".  23  S.  —  46)  A.  Benda,  Z.  Valen- 
tinsscene:  GoetheJb.  11,  S.  170/1.  —  47)  R.  Sprenger,  Zu  Goethes  Faust.  1.  Teil,  V.  1356  ff.:  ZDU.  4,  S.  372/3.  —  48) 
F.  Paulsen,  Zu  Zeitschrift  4,  S.  372  ff.:  ib.  S.  483.  —  49)  F.  Bender,  Zu  Goethes  Faust,  1.  Teil,  V.  1356  ff.:  ib.  8. 
4fc3.  —  50)  S.  Feist,  Zu  Goethes  Faust  I.  V.  1356  flg.:  ib.  S.  484.  —  51)  R.  Sprenger:  ib.  S.  484/5.  —  52)  Einiges 
über  d.  Hexenküche  in  Goethes  Faust:  LZg".  N.  129.  —  53)  E.  0.  Nodnagel  ,  Faust,  e.  Musikdrama  v.  Heinrich  Zöllner: 
Deutschland  N.  34.  —  54)  Briefe  v.  Reinhard  an  Kanzler  Müller.  Her.  v.  L.  Geiger:  GoetheJb.  11,  S.  42—57.  (S.  51/3.) 
—  55)  K.  Sprenger,    Goethes  Faust  11,3048  (Schröerj.  Die  Kraniche   des   Ibjkus:ZDU.  4,  S.  372.-56)  Herman  Grimm, 


138  IV,lle:    Erich  Schmidt,  Goethes  Drama. 

griechisches  Trauerspiel"  „in  Trimetern  und  chorähnlichen  Chören"  zu  erwarten,  dessen 
Sujet  er  nicht  wisse.  —  Helena  in  der  Weltlitteratur  würdigt  H.  Grimm^ß)  von  Homer 
auf  Goethe  ausblickend:  „seltsames  Experiment",  kein  mechanisches  Eingreifen  Aphro- 
dites,  „göttliche  Unbefangenheit".  —  4.  Akt,  Das  „endlich  vorgeschritten"  möclite 
Sprenger 57)  nicht  aus  Luthers  Bibel  Luk.  1,  39  erklären,  sondern  aus  Hans  Sachs 
„Die  starck  gewonheit"  1544  „rösch  und  endlich".  —  5.  Akt.  Die  mystischen  Schluss- 
partien analysierte  mit  theologischen  Wendungen,  unkatholisch  die  „Gnade"  betonend, 
ein  Ungenannteres).  —  Die  Aufführungen  des  von  L'Arronge  im  September  1889  zuerst 
dargebotenen  Trümmerwerkes  „Fausts  Tod"  im  Deutschen  Theater  zu  Berlin  wurden 
häufig  fortgesetzt  und  von  Erich  Schmidt^^)  kurz  charakterisiert.  —  Seine  Bilder  zu 
beiden  Teilen  legte  der  Maler  H.  Junker  am  18.  Dezember  1889  im  Frankfurter  Hoch- 
stift 6^)  vor  und  erläuterte  sie.  — 


f.  Didaktik. 

Otto   Harnack. 


Philosophie  N.  1.  —  Bibel  und  Luther  N.  6    —  Ethische  Ansichten  N.  9.  —  Sprtlohe  in  Prosa  N.  12.  —  Litteratur 
und  Kunstbetrachtung  N.  14.  —  Naturforschung'  N.  19.  — 

Goethe  als  didaktischer  Schriftsteller  erfährt  immer  neue  Betrachtung,  aber 
nur  selten  eine  solche,  welche  die  Wissenschaft  fördert.  Oft  sind  es  nur  populäre 
Darstellungen  allbekannter  Züge  oder  vage  Allgemeinheiten,  die  geboten  werden;  auch 
das  Material,  aus  dem  geschöpft  wird,  ist  meist  sehr  beschränkt,  und  einige  wenige 
Sätze,  besonders  aus  der  Korrespondenz  des  ersten  Weimarer  Jahrzehnts  werden  immer 
von  neuem  ausgebeutet.  An  methodischen  wissenschaftlichen  Untersuchungen  über  das 
Verhältnis  Goethes  zu  einzelnen  Philosophen  oder  wissenschaftlichen  Spezialforscheru 
fehlt  es  noch  fast  ganz.  Nur  das  Thema  „Goethe  und  Spinoza"  wird  immer  aufs  neue 
erörtert,  als  ob  die  gewaltige  philosophische  Bewegung  Deutschlands,  die  Goethe  mit- 
erlebte, auf  ihn  nicht  entscheidend  gewirkt  hätte;  „Goethe  und  Kant",  „Goethe  und 
Schelling",  „Goethe  und  Hegel"  sind  dagegen  höchst  wichtige  Themata,  die  noch  der 
Bearbeitung  harren.  Und  auch  wenn  man  die  älteren  Einwirkungen,  die  Goethe  erfuhr, 
betrachtet,  bleibt  noch  vieles  zu  erledigen;  sein  Verhältnis  zu  Leibnizens  Monadenlehre 
ist  von  hohem  Interesse,  und  auch  der  Einfluss  der  lutherischen  Ueberlieferungen,  wenn 
auch  in  letzter  Zeit  mehr  beachtet,  ist  noch  nicht  endgültig  festgestellt.  Ohne  in  einem 
dieser  einzelnen  Punkte  unsere  Einsicht  unmittelbar  zu  fördern,  zeichnet  sich  Glogaus  i) 
Vortrag  doch  durch  geistreiche  Auffassung  der  Individualität  Goethes  und  durch  leb- 
hafte Darstellungsweise  aus.  Eine  gewisse  Unbestimmtheit  des  Ausdruckes  beeinträchtigt 
hier  und  da  die  Schärfe  des  Gedankens.  —  Bestimmt  und  scharf  umrissen  sind  die 
wenigen  Sätze,  die  in  Aufzeichnungen  Rankes  2)  erst  jetzt  uns  bekanntgeworden  sind. 
Entgegen  dem  landläufigen  Worte  von  dem  „Heiden"  Goethe,  meint  R.  ausdi-ücklich, 
Goethe  sei  hierin  nicht  mit  Winckelmann  zu  vergleichen.  „Goethe  hat  eine  Abweichung 
von  dem  protestantischen  Element,  von  dem  er  auf  seine  Weise  ausgegangen  ist,  nach 
dem  Allgemeingültigen  und  Klassischen;  aber  es  ist  immer  mit  lauter  Modernem  und 
Modernstem  vermengt."  Eine  andere  Gedankenreihe  schliesst  sich  an  den  Satz:  „Goethes 
spätere  Sachen  leiden,  wie  mir  scheint,  sämtlich  daran,  dass  sie  die  Litteratur  als 
Litteratur,  als  selbständig  gemacht  und  zu  machen  ins  Auge  fassen."  In  den  „Wahl- 
verwandtschaften" findet  R.  „die  reine  Anwendung  der  Naturgesetze"  auf  geistige  Vor- 
gänge verletzend.  —  Gleichfalls  nur  vorübergehend  behandelt  Max  Müller  3)  in  seinen 
Vorlesungen  tiber  „Natürliche  Religion"  Goethes  Standpunkt.  Er  betont  die  in  den 
„Wanderjahren"  gegebene  Bestimmung  der  Ehrfurcht  als  der  religiösen  Empfindung  und 
der  dreifältigen  Form,  in  der  diese  erscheint.  —  Goethes  Verhältnis  zu  Spinoza  unter- 
sucht Schneege^),  Obgleich  er  darin  schon  viele  Vorgänger  hat,  so  gelingt  es  seiner 
sorgfaltigen  Arbeit  doch,    manches  schärfer  zu  bestimmen.      Besonders    die    Abgrenzung 


Homer.  Ilia«.  Erster  bis  neunter  Gesang.  Berlin,  Hertz.  288  S.  M.  6,00.  (S.  82—105.  Die  Stelle  schon  DRS 
63,  8.  235.)  -  57)  R.  Sprenger,  Goethes  Faust,  2.  Teil.  4.  Akt,  V.  29:  ZDÜ.  4,  S.  88.  -  58)  D.  Schlnssscene  y. 
Goethes  Faust  2.  Teil:  LZg»-  N.  155.  -  59)  E.  Schmidt:  GoetheJb.  11,  S.  198/9.  (In  der  Rubrik  Chronik.)  - 
80)  BFDH.S.  165-61.  - 

I)  S.  0.  IV,lla  N.  5.  —  2)  L.  von  Ranke,  Z.  eigenen  Lebensgesch.  her.  v.  A.  Dove.  (=  Samtliche  Werke. 
Bd.  53/7.)  Leipzig,  Duncker  &  Humblot.  XII,  731  S.  M.  9,00.  -  3)MaxMUller,  Natürliche  Religion.  Gifford-Vorlesungen, 
Übersetzt  v.  E.    Schneider.  Leipzig,    Engelmann  XX,  587  S.     -  4)  S.    o.  IV,lla  N.  17.    —  5)  R.  Fester,  Rousseau  u.  d. 


IV,llf:  0.  Harnack,  Goethes  Didaktik.  ,    139 

der  Anschauungen  Goethes  und  Spinozas  geschieht  mit  Deutlichkeit,  uud  es  wird 
schliesslich  die  wesentliche  Verscliiedenheit  betont,  die  sich  aus  Goethes  eigentümlicher, 
rliirch  Kants  Kriticismus  gesteigerter  „metaphysischer  Resignation"  ergab.  Auf  sein 
Verhältnis  zu  Kant  geht  S.  noch  weiter  ein,  indem  er  die  Bedeutung,  welche  die  Teleo- 
logie  der  „Kritik  der  Urteilskraft"  für  Goethe  gewann,  untersucht.  Er  stellt  es  hierbei 
als  wahrscheinlich  hin,  dass  dieser  die  von  Kant  bloss  als  subjektiv-gültig  bezeichnete 
teleologische  Betrachtung  in  sich  zu  einer  objektiv-gültigen  umgebildet  habe,  —  eine 
Frage,  die  noch  weitere  Untersuchung  verdient.  —  Goethes  Persönlichkeit  nach  einer 
bestimmten  Richtung  ihres  Wirkens  hat  Fester  5)  in  seinem  geschichtsphilosophischen 
Werke  besprochen.  Er  führt  aus,  dass  Goethe  durch  sein  „gegenständliches  Denken" 
die  Nation  zur  historischen  Auffassung  erzogen  habe,  dass  schon  W.  v.  Humboldt  in  seinem 
Aufsatz  über  die  Aufgabe  des  Geschichtsschreibers  Goethes  Individualität  vor  Augen 
gehabt,  dass  durch  Ranke  die  Geschichtsschreibung  die  durch  Goethe  vorbereitete  und 
ermöglichte  Vollendimg  erreicht  habe.  — 

Unter  den  Sclu-iften,  die  Goethes  Stellung  zu  bestimmten  anderen  geistigen 
Mächten  behandeln,  ist  sorgfältig  und  verdienstvoll  die  Arbeit  Henckels^)  über  Goethe 
und  die  Bibel.  Der  Vf.  nimmt  Beziehung  aiif  seine  früliere  Schrift  „Das  Goethesche 
Gleichnis"  und  auf  Hehns  Untersuchung  „Goethe  und  die  Sprache  der  Bibel".  Er  findet 
mit  Recht,  dass  letzterer  im  Suchen  nach  Parallelen  mitunter  zu  weit  gegangen.  Auf 
einen  allgemeinen  Ueberblick  (S.  1 — 16)  lässt  H.  eine  fortlaufende  Stellensammlung 
folgen,  die  nach  den  biblischen  Büchern  geordnet  ist  und  alle  Perioden  von  Goethes 
Schaffen  gleichmässig  berücksichtigt.  Besonders  häufig  findet  sich  das  erste  Buch  Mose, 
sowie  die  Evangelien  des  Matthäus,  Lukas,  Johannes  erwähnt.  '^)  —  Das  Verhältnis 
Goethes  zu  liuther  hat  Semler  8)  übersichtlich  dargestellt,  jedoch  mehr  einen  lebendigen 
Vergleich  der  Persönlichkeiten  und  der  praktischen  Lebensauflfassung  als,  wie  der  Titel 
erwarten  lässt,  eine  systematische  und  scharfe  Abwägung  der  philosophischen  Grund- 
anschauungen gegeben.  — 

Goethes  ethische  Ansichten  hatMelzer^)  behandelt,  indem  er  die  betreffen- 
den Abschnitte  des  Harnackschen  Buches  „Goethe  in  der  Epoche  seiner  Vollendung", 
oftmals  selbst  in  der  Reihenfolge  der  Citate,  reproduziert  hat.  Insoweit  auch  Goethes 
Gottesbegriflf  hierbei  in  Frage  kommt,  polemisiert  er  gegen  die  dort  aufgestellte  Be- 
hauptung, dass  neben  der  pantheisiischen  bei  Goethe  auch  eine  theistische  Gedanken- 
reihe sich  finde,  und  will  statt  dessen  einen  unklaren  „Semitheismus"  annehmen.  — 
Semler  10)  hat  die  „Weltanschauung"  Goethes  in  „Hermann  und  Dorothea"  darzustellen 
versucht,  hat  aber  diese,  wie  mir  scheint,  unlösbare  Aufgabe  trotz  verständnisvollen 
Eindringens  in  die  Dichtung  nicht  lösen  können;  allenfalls  könnte  man  es  eine  „Lebens- 
anschauung" nennen,  was  S.  in  der  Dichtung  ausgesprochen  findet:  „Der  lebendig 
begabte  Geist,  sich  in  praktischer  Absicht  ans  Allernächste  haltend,  ist  das  Vorzüglichste 
auf  Erden."  11)  — 

Ueber  die  hauptsächliche  Quelle,  die  uns  Goethes  Denken  und  Glauben  erschliesst, 
die  Sprüche  in  Prosa,  hat  von  L oep er  12)  gehandelt  und  seiner  früheren  bahnbrechen- 
den Erklärungsarbeit  wichtige  Ergänzungen  hinzugefügt.  Sie  stammen  teils  aus  den 
Tagebüchern  Riemers,  teils  aus  Goethes  eigenem  Nachlass.  In  dem  letzteren  ist  be- 
sonders ein  Notizbuch  bemerkenswert,  in  das  Goethe  von  1805  bis  1811  und  von  1822 
bis  1829  vielerlei  Sprüche  eintrug.  Das  Büchlein  befindet  sich  im  Goethe-Schiller- Archiv, 
während  andere  gleichfalls  für  die  Entstehung  der  Sprüche  wichtige  Aufzeichnungen  in 
den  Nachlass  Varnhagens  und  aus  diesem  in  die  Berliner  Königliche  Bibliothek  ge- 
kommen sind.  Die  Aufschlüsse  beziehen  sich  teils  auf  die  Herkunft  „angeeigneter", 
teils  auf  die  Entstehungszeit  eigener  Sprüche,  sind  aber  da  am  interessantesten,  wo  man 
aus  einer  abgerissenen  Wortfolge,  dem  Aiisdruck  des  ursprünglichen  Gedankenblitzes,  den 
geklärten  und  abgerundeten  Gedankeninhalt  des  Spruches  sich  gestalten  sieht.  —  Ueber 
einen  einzelnen  Spruch  (nach  v.  Loepers  Zählung  N.  747)  handelt  Sanders  13),  indem  er 
eine  überzeugende  Textverbesserung  vorschlägt.  — 

Unter  den  einzelnen  Gebieten  von  Goethes  didaktischer  Thätigkeit  nennen  wir 
zuerst  die  Litteraturbetrachtung.  14)  Speyer  i»)  hat  in  einem  Aufsatz  über  Man- 
zonis  „Graf  von  Carmagnola"  Goethes  so  hoch  anerkennendes  ürteü  ausführlich  analysiert 
und  ferner    auf  die    sich    daran    anschliessenden    „Osservazioni  sul  giudizio  di  Goethe" 


deutsche  GeschicMsphilosophie.  S.  306/8.  (S.  o.  IV,1  N.  27.)  —  6)  S.  o.  IV, IIa  N.  20.  —  7)  E.  Karpeles,  Goethe  als  Bibel- 
forscher. (S.  o.  IV.lla  N.  21.  Zurückweisung  V.  Goethes  Beurteilung  d.  Persönlichkeit  u.  Geschichte  Moses'.)  —  8)  Chr.  Semler, 
D.  Weltanschauung  Luthers  u.  Goethes  u.  ihre  Bedeutung  für  unsere  Zeit.  (S.  o.  11,6  N.  73  u.  IV.lla  N.  12.)  —  9)  S.  o.  IV,lla 
N.  11.  —  10)  Ch.  Semler,  D.Weltanschauung  Goethes  in  Hermann  u.  Dorothea:  ZDU.  4,  S.  138— 44.  —  11)  X  L.Habicht, 
Goethe  als  Erzieher.  (S.  o.  IV, IIa  N.  15.  Nicht  pädagogischen,  sondern  allgemeinen  Inhalts.  Populäre,  aber  TerständnisvoUe  u. 
anregende  Darstellung.)  —  12)  G.  v.  Loeper,  Zu  Goethes  Sprüchen  in  Prosa:  Goethe  Jb.  11,  S.  135—44.  —  13)  D.  Sanders, 
Zu  e.  Spruch  Goethes:  ZDS.  4,  S.  1C3|4.    —    |4)  S,  o,  IV.Ua  N   6.  —    15)  0.  Speyer,  Manzonis  Graf  v,  Carmagnola  u.  seine 


140  IV,llf:  0.  Harnack,  Goethes  Didaktik. 

von  N.  Tommaseo  (1828)  hingewiesen,  welche  im  ganzen  mit  diesem  Urteil  überein- 
stimmen, aber  sich  gegen  Goethes  Auffassung  von  dem  Verhältnis  zwischen  Geschichte 
und  Poesie  aussprechen.  —  pjtwas  reicher  ist  die  Ausbeute  in  Bezug  auf  Goethes  Betrach  - 
tung  der  bildenden  Kunst.  Zu  der  schwierigen  Frage  der  Abgrenzung  von  Goethes 
und  Heinrich  Meyers  Autorschaft  in  den  Schriften  der  Weimarischen  Kunstfreunde 
wurde  durch  0.  Harnack  ^6)  einiges  Material  beigebracht.  Das  wichtigste  ist  ein  Ent- 
wurf von  Meyers  Hand  zu  Goethes  Abhandlung  über  das  Abendmahl  Leonardo  da  Vincis. 

—  Auf  dieselbe  Abhandlung  nimmt  ein  neuveröffentHchter  Brief  i'^)  Goethes  an  G.  (Jattaneo 
Bezug.  —  Sowohl  Litteratur  als  Kunstbeurteilung  Goethes  berücksichtigt  der  neue 
Band  von  Julian  Schmidts 'S)  grossem  Werk.  Es  wird  gezeigt,  wie  Goethe  fast  zur 
gleichen  Zeit  durch  die  Recensionen  von  Hebels  und  Voss'  Gedichten  den  Realismus, 
durch  das  Winckelmannbuch  den  Idealismus  verständnisvoll  begünstigte.  Die  Spruch- 
dichtung wird  fast  nvu-  durch  Citate  charakterisiert.  — 

Sehr  zahlreich  sind  die  Arbeiten  über  Goethes  Naturforschung;  aber  nur 
wenige  sind  von  Wert.  Soweit  sie  bloss  Darstellung  geben,  bringen  sie  kaum  neues 
und  werden  zudem  durch  die  Weimarer  Publikationen  überholt;  soweit  sie  Kritik  geben, 
leiden  sie  häufig  daran,  Goethes  Arbeit  nicht  nach  den  ihr  zu  Grunde  liegenden  Voraus- 
setzungen, sondern  nach  modernen  Theorien  zu  beurteilen.  Auch  die  Präge,  inwieweit 
Goethe  thatsächlich  den  Portscluitt  der  Wissenschaft  gefördert,  wird  öfters  besprochen 
und  sehr  verschieden  beantwortet.  Einen  extremen  abweisenden  Standpunkt  nimmt 
Potonie  ^^)  ein,  der  auch  von  Goethes  anerkanntester  Leistung,  der  „Metamorphose  der 
Pflanzen"  urteilt,  „dass  Goethe  der  Entwicklung  der  Morphologie  durch  den  Einfluss, 
den  seine  unklaren  Anschauungen  ausgeübt  haben,  wesentlich  geschadet  hat  und  dass 
diese  Disciplin  leider  noch  heute  unter  dem  Druck  dieses  Einflusses  leidet".  Uebrigens 
ist  Voreingenommenheit  gegen  Goethes  Arbeitsweise  in  dem  Aufsatz  nicht  zu  verkennen.  — 
Ganz  im  Gegenteil  rühmt  Büsgen20)  in  einem  bezüglichen  popularisier-enden  Vortrag 
die  ungemeine  Klarheit  der  Metamorphosenlehre  Goethes.  Mit  Entschiedenheit  behauptet 
er,  dass  Goethes  Lehren  von  Entstehung  und  Umbildung  nicht  im  Sinne  der  modernen 
Descendenztheorie  zu  verstehen  seien.  —  Auf  die  mineralogischen  Arbeiten  nehmen  zwei 
von  Lambel^i)  neu  veröffentlichte  Briefe  Goethes  Bezug.  —  Die  „Farbenlehre"  endlicli, 
die  so  lange  Zeit  als  zweifellos  irrig  und  verfehlt  gegolten,  findet  in  neuester  Zeit 
wieder  mehr  Berücksichtigung,  ja  Zustimmung.  E.  Grosse  22),  der  eine  lebhafte  und 
instinxktive  populäre  Darstellung  gegeben  hat,  hält  die  Hauptfrage  noch  für  unentschieden. 

—  Mit  grosser  Entschiedenheit  aber  ist  Steiner 23)  für  Goethes  Theorie  eingetreten. 
S.s  Arbeiten  sind  unstreitig  die  wichtigsten,  welche  in  den  letzten  Jahren  Goethes 
wissenschaftlicher  Thätigkeit  gewidmet  wiirden;  sie  zeichnen  sich  durch  gleichmässige 
philosophische,  ästhetische  und  naturwissenschaftliche  Gediegenheit  und  Selbständigkeit 
aus,  werden  aber  durch  die  mehr  affirmative  als  historisch  forschende  Geistesrichtung 
des  Gelehrten  an  manchen  Punkten  nicht  günstig  beeinflusst.  S.  hat  eine  ausgeprägte 
philosophische  Anschauung,  welche  mit  der  Goetheschen  sehr  viel  Berührung  hat  und 
ihm  daher  das  Verständnis  von  Goethes  Porschungsweise  leicht  erschliesst.  Dass  sie 
aber  mit  Goethes  Anschauung  geradezu  identisch  sei,  wie  er  anzunehmen  scheint,  davon 
habe  ich  mich  nicht  überzeugen  können.  Li  der  ausführlichen  Einleitung  S.s  reden  der 
erste,  dritte  und  fünfte  Abschnitt  überhaupt  nicht  von  Goethe;  nach  dem  ganzen  Zu- 
sammenhang aber  muss  man  annehmen,  dass  der  Vf.,  indem  er  sein  System  entwickelt, 
auch  das  Goethesche  zu  entwickehi  meint.  Der  zweite,  vierte  und  sechste  Abschnitt 
sind  speziell  der  „Farbenlehre"  gewidmet,  und  sehr  richtig  stellt  S.  den  Ausgangspunkt 
Goethes  fest,  der  in  dem  blossen  sinnlichen  Phänomen  liegt.  Goethe  wollte  nicht 
fragen,  wie  entstehen  die  Phänomene  „Licht"  und  ,.Farbe";  denn  diese  „Entstehung" 
liegt  ausserhalb  der  sinnlichen  Wahrnehmung;  er  wollte  nvu"  die  „Beziehung"  von  Licht 
und  Farbe  feststellen,  den  ganzen  Komplex  von  Erscheinungen,  den  beide  darbieten,  in 
Beobachtung  und  Erklärung  umfassen.  Daher  erschien  ihm  Newtons  Fragestellung 
schon  verfehlt.  Goethe  geht  aus  von  dem  Subjekt,  von  dem  mensclilichen  Auge, 
schreitet  von  da  zur  Erscheinung,  der  Farbe,  dann  zum  farbigen  Körper  vor  inid  kehrt 
dann  wieder  zum  Subjekt  zurück.  Die  Differenz  mit  Newton  wurde  ferner  dadurch 
verschärft,  dass  sie  mit  dem  Worte  „Licht"  einen  verschiedenen  Begriff  verbanden.  Newton 
hat  bekanntlich  das  empirisch  wahrzunehmende  Sonnenlicht  im  Sinne,  Goethe  aber  eine 
Abstraktion,  das  Licht  als  einfaches  „Urphänomen".  Der  Gedanke,  dass  dieses  Licht 
aus  Farben  zusammengesetzt  sei,    war    ihm  widersinnig,    weil  ihm  das  Phänomen  über- 


Kritiker: ASN8.  84,  8.  419—38.  —  16)  0.  Harnack,  NoHzen  aus  d.  Nachlass  Heinrich  Meyers:  VLG.  3,  S.  373/7.  —  17)  S.o. 
1,4  N.  12.  —  rS)  J.  Schmidt,  Gesch.  d.  deutschen  Litt.  v.  Lessing  bis  auf  unsere  Zeit.  4,  241  fF.,  265  f.  (S.  o.  IV.l  N.  1 ;  vgl 
n,  1V,13  N.  1.)  —  19)  H.  Potoniö,  D.botanische  Morphologie  u.  Goethe:  NaturwissWs.  N.  6.  —  20)  M.  BUsgen,  Ueber 
Goethes  bot«nische  Studien:  GoethcJh.  11,  'S.  145—58.  —  21)  S.  o.  IV.llb  N.  21.  —  22)  E.  Grosse,  Goethe  u.  d.  Newtonianer: 
NMh.  «,  Heft  1.  -  23)  S.  o.  IV.ll  a  N.  75.  - 


IV,llf:  0.  Harnack,  Goethes  Didaktik.  141 

haupt  das  letzte,  schlechthin  einfache,  nicht  weiter  zu  erklärende  war,  und  in  der  That- 
sache,  dass  das  Sonnenlicht  unter  bestimmten  Bedingungen  sich  in  Farben  spalten  lässt, 
sah  er  keinen  Beweis  dafür,  dass  das  Liclit  überhaupt  von  Farben  gebildet  werde. 
Die  Selbständigkeit  und  relative  Berechtigung  von  Goethes  Theorie  hat  S.  selir  klar 
und  überzeugend  erwiesen;  er  geht  noch  weiter,  und  behauptet  ihren  dauernden  posi- 
tiven wissenschaftlichen  Wert,  —  ein  Problem,  das  ausserhalb  des  Kreises  unserer  Be- 
sprechung liegt.  — 


1V,12 

Schiller. 

Albert  Köster. 

Biographisches:  Vollständige  Biographien  N.  1.  —  Einzelbeiträge:  Jugendzeit  N.  5.;  Mannheimer  Jahre  N.  7; 
Aufenthalt  in  Jena  N.  9;  Verkehr  mit  Zeitgenossen  N.  30.  —  Briefwechsel  N.  37.  • —  Werke:  Gesamtausgaben  N.  47.  — 
Prosaschriften :  Recensionen,  historische,  philosophische  Abhandlungen  N.  52.  —  Gedichte:  Allgemeines  N.  60;  Einzelnes:  Don 
Juan  und  Rosamunde,  Gang  nach  dem  Eisenhammer,  Lied  von  der  Glocke,  (Guckkastonmann,)  Hero  und  Leander,  Kampf  mit 
dem  Drachen,  (Auf  J.  S.  Kerner,)  Künstler,  Orpheus,  Spaziergang  N.  68.  —  Dramen:  Räuber  N.  87;  Fiesco  N.  93;  Kabale 
und  Liebe  N.  96;  Don  Carlos  N.  99;  Wallenstein  N.  106;  Jungfrau  von  Orleans  N.  114;  Teil  N.  131;  Uebersetzungen  und 
Entwürfe:  Martinuzzi,  Demetrius,  Braut  der  Hölle  N.  142.  —  Verschiedenes  N.  155.  — 

Selten  hat  ein  Jahr  der  Schillerforschung  so  reiche  Ausbeute  gewährt  wie  das 
Berichtsjahr.  Die  wichtigste  Erscheinung  bildeten  die  ersten  beiden  Bände  von  Minors^) 
lange  vorbereiteter  Biographie.  Diese  Bände,  welche  die  Hälfte  des  vollständigen 
Werkes  darstellen  und  zusammen  1220  Seiten  umfassen,  sind  der  Frühzeit  des  Dichters 
bis  zum  Abschluss  des  „Don  Carlos"  gewidmet;  die  Weiterentwicklung  Schillers,  die 
Geschichte  der  sämtlichen  Werke  aus  der  Periode  der  Reife  wird  der  Vf.  in  zwei  weiteren 
Bänden  darbieten.  Man  mag  diese  Einteilung  auffällig  finden;  M.  selbst  hat  sie  an 
anderer  Stelle,  in  seiner  Besprechung  von  Litzmanns  Schröder-Biographie  (ADA.  17, 
S.  233),  verteidigt.  Denn  offenbar  sind  die  dort  geäusserten  Grundsätze  zugleich  pro 
domo  gesprochen:  „Jede  schüchterne  Kundgebung  des  Kindes  oder  des  Jünglings,  die 
auf  eine  Stellungnahme  zu  den  umgebenden  Personen  und  Verhältnissen  hinweist,  ver- 
dient Berücksichtigung,  während  in  den  späteren  Jahren  eine  flüchtige  Begegnung  oder 
ein  beiläufiges  Urteil  ganz  ohne  Bedeutung  ist."  Es  wäre  kleinlich,  hier,  wo  der  Raum 
zur  Besprechung  nur  eng  abgesteckt  ist,  an  Einzelheiten  von  Minors  Buche  zu  nörgeln 
oder  nur  Einzelheiten  zu  loben.  Eine  allgemeine  Charakteristik  wird  einer  so  gross 
angelegten  Darstellung  am  ehesten  gerecht.  M.  war  offenbar  von  vornherein  bemüht, 
ein  Ganzes  zu  schaffen.  Er  lässt  darum  schon  bei  Besprechung  von  Schillers  Jugendwerken 
gelegentlich  Motive  anklingen,  die  erst  in  den  späteren  Bänden  wieder  aufgenommen 
und  ausgeführt  werden;  sein  Blick  schweift  gern  über  die  Gesamtheit  seines  Stoffes. 
Trotz  dieser  unverkennbaren  Absicht  aber  wird  das  fertige  Werk  nicht  einheitlich 
wirken;  denn  der  Vf.  selbst  hat  das  unmöglich  gemacht.  Ihm  lag  daran,  über  jedes 
der  Hauptwerke  Scliillers  eine  in  sich  abgeschlossene  Studie  vorzulegen,  und  er  hat  des- 
halb die  biograpliischen  Kapitel  des  Buches  von  den  litterarhistorischen  getrennt,  um 
dadurch  Raum  in  Fülle  zu  gewinnen,  jedes  grössere  Werk,  ja  gelegentlich  jedes  einzelne 
Gedicht  einerseits  aus  sich  selbst  zu  erläutern,  andrerseits  im  grossen  Zusammenhang 
der  allgemeinen  Litteraturgeschichte  zu  zeigen.  Diese  litterarhistorischen  Abschnitte 
sollen  später  bei  der  Besprechung  der  einzelnen  Werke  gewürdigt  werden;  hier  halten 
wir  uns  vorläufig  an  die  biographischen  Kapitel.  M.  beginnt  seine  Darstellung  zwar 
nicht  mit  einem  Lapidarsatz  wie  Otto  Brahm,  doch  auch  bei  ihm  steht  Schillers  Vater 
als  ein  ehrenfester  Wächter  an  der  Schwelle.  Besonders  die  schriftstellerische  Thätigkeit 
Johann  Kaspar  Schillers  wird  ins  Auge  gefasst,  daneben  aber  auch  der  Mutter  mehr 
Einfluss  auf  den  jungen  Schiller  zugestanden,  als  frühere  Forscher  haben  finden 
wollen.     Wenn  es  freilich  M.  im  Eingangskapitel    noch    nicht    ganz    gelingen    will,    das 


I)  J.  Minor,  Schiller.  Sein  Leben  u.  seine  Werke.  1.  Bd.:  Sehwähische  Heimatjahre.  2.  Bd.:  Pfälzische  u.  sächsische 
Wanderjahre.  Berlin,  Weidmann.  III,  591  u.  629  S.  M.  16,00.  |[W.  Creizenach:  LCBl.  S.  363/5;  N&S.  53,  S.  137;  DR.  15,2, 
S.  127;  0.  Harnack:  PrJbb.  65,  S.  699  u.  66,  S.  650;  Unbescheid:  ZDU.  4,8.282;  Groeben:  BLU.  N.  27  u.  51 ;  Seliger: 
NatZg.  N.  226;  Francke:  MLN.  5,  S.289;  Veyssier:  RCr.  N.  52 ;  Hauffen:  ZOG.  41,  S.  781 ;  HambNachr.  N.  41 ;  SehlesZg. 
N.  63;  Ehrlich:  Presse  N.  59;  Zimmermann:  WienZg.  N.  112;  ChristlWelt.  S.  90  (unter  d.  Titel:  „Rückkehr  zu  Schiller 
V.  E.  W.  M.-);   F.  Vetter:  Bunds.  N.  3;   BohemiaB.  N.  25;    TglRs".  N.  9;    SchwäbKron.    N.   45;    M.    Koch:   BFDH.  NF.  6, 


142  IV,  12:  A.  Kost  er,  Schiller. 

Eltempaar  uns  anschaulich  vors  Auge  zu  rücken,   so  holt  er  (2,  S.  128)  das  Versäumte 
nach,    indem  er  die  beiden  Alten  in  Parallele  setzt    zu  Musikus  Miller  und  Frau.      Von 
dem  Eltenihause  aus  richtet  M.  den  Blick  auf  Schwaben  hinaus  und  sclaildert  Land  und 
Leute,    freilich  nicht  nach  eigenen  Eindrücken,  sondern  so,    wie   es  dem  NichtSchwaben 
sich  aus  Büchern,    zum  Teil    aus    solcher  Litteratur    darstellt,    die    der  Tag  verschlang. 
Er  lauscht  der  Journalistik  jener  Zeit  ab,  wie  weit  die  Teilnahme  Schwabens  an  littera- 
rischen Bestrebungen  ging,  und  zeigt,  wie  ehrgeizige  Nacheiferung  und  Einseitigkeit  sich 
die  Wage  hielten.     So  schafft  er  sich  den  Hintergrund  für  die  Jugendgeschichte  Schillers. 
Man  müsste  nun   eine  Unzahl  von  Einzelheiten  ausschütten,    wollte  man    hier    im  Sinne 
der  JBL.  das  „Neue"  kennzeichnen.      Das  Neue    liegt    vornehmlich    in  der  Allseitigkeit 
der  Betrachtung.      Die   Ludwigsburger  Schulzeit    ist    sehr    breit    vorgetragen,    und  den 
Vorwurf  der  Breite  muss  man  auch  der  Darstellung  des  Unterrichtswesens  in  der  Militär- 
akademie machen.     Sonst  erfreut  gerade  die  Schilderung  des  Treibens  in  dieser  Anstalt 
durch  die  Unbefangenheit  des  Vf.      Vorsicht  und  ein    feiner  historischer  Sinn    zeichnen 
ihn  aus.     Deshalb  kann  er  auch  dem  Herzog  Karl  und  seiner  Franziska  gerecht  werden 
und  selbst    die    servilen  Huldigungsgedichte    des   jungen    Schüler   entschuldigen.      Von 
sonstigen  Werken  dieser    allerfrühesten  Periode  des  Dichters    sind    die    unreifen    philo- 
sophischen und  medizinischen  Abhandlungen  mit  fast  monographischer  Breite  behandelt. 
Mit  Recht  ist  die  „Theosophie  des  Julius"  schon  diesen  ersten  philosophischen  Arbeiten 
angereiht;  sie  ist  offenbar  später  nur  leicht  überarbeitet  worden.     Ob  das  Gedicht  „Auf 
die  Ankunft  des  Grafen  von  Ealkenstein"  wirklich  von  Schiller  herrührt,  wird  sich  wohl 
nie  sicher  erweisen  lassen.    Einen  frischeren  Ton  schlägt  M.  an,  wenn  er  auf  das  Stutt- 
garter Leben  zu  sprechen  kommt.      Frauen  treten    endlich    in  Schillers  Leben  ein,    und 
M.  bemülit  sich,  uns  Wilhelmine  Andrea  („Minna")  näher  zu  führen.     Sie  bleibt  dennoch 
für  uns  ein  blosser  Name.     Interessant    ist  der  Abschnitt    über  Schillers   joui'nalistische 
Thätigkeit,  zu  dem  M.  die  Vorarbeiten  bereits  in  der  VLG.  2,  S.  346 — 94  veröffentlicht 
hatte.      Ob   bei  den   bald  eintretenden  Differenzen    zwischen    dem  Herzog    und    seinem 
Regimentsmedikus  wirklich  nur  der  nächste  Anlass    von  Bedeutung  war    und    ob    nicht 
vielleicht,    wie  Weltrich    vermutet,    ältere  Misshelligkeiten  vorlagen,    ist    immer  noch  in 
Erwägung  zu  ziehen.     Zweifelsohne  hat  aber  M.  die  Stimmung  Schillers    vor  und  nach 
der  Flucht  richtig  dargestellt:  selbstbewusste,    energische  Haltung    und    keinerlei    nach- 
hinkende Reue.     In    den  folgenden  Abschnitten  rächt    sich    M.s  Darstellungsweise    zeit- 
weilig.    Durch  die  gleichmässige  Breite,  welche  selbst  Nebendinge  in  den  Vordergrund 
treten  lässt  und    nie    der  „perspektivischen    Behandlung"  Raum    giebt,    hat    das  Bauer- 
bacher Idyll  an    intimem    Reiz    verloren,    wenn    auch  Einzelheiten,    z.    B.    die    Charak- 
teristik Reinwalds,  sein-  gut  gelungen  sind.     Den  Höhepunkt  hat  M.  erst  erreicht  in  dem 
grossen  Kapitel  „Theaterdichter  und  Litterat".     Was  hier  an  Kritik  der  Quellen  geleistet 
wird,  ist  mustergültig.    Die  allgemeinen  Zustände  Mannheims,  Bürger  und  Schauspieler, 
das  ganze  Theatertreiben  ist  in  dramatischer  Belebung  dargestellt.     Vor  allem  hebt  sich 
Ifflands  intrigante   Persönlichkeit  heraus.      Man  gewinnt  unmittelbar  den  Eindruck,    wie 
die  widerwärtigen  Kabalen  Schiller    zusetzen,  wie  Gewicht  sich    an  Gewicht  hängt,    bis 
seine  Stellung  unleidlich  und  die  Reise  nach  Leipzig    die   einzige  Möglichkeit  einer  Be- 
freiung wird.     Auf  dieser  Höhe  der  Darstellungskunst  hat    sich  M.    in    der  Schilderung 
der  Uebergangszeit  in  Sachsen    nicht    gehalten,    wie    man  denn    häufig  das  erwärmende 
Behagen  am  Erzählen  bei  ihm  vermisst.      Am  wohlsten  scheint  sich    der  Autor    überall 
dort  zu  fühlen,    wo    selbst    in    den    biographischen  Kapiteln    der  Litterarhistoriker  das 
Wort  ergreifen  darf.      Sehr  feinsinnige  Beobachtungen    sind    durch    die    verschiedenen 
Abschnitte  hin  verteilt  über  den  Einfluss,  den  litterarische  Vorbilder  auf  Schillers  junge 
Künstlerindividualität  gewannen;  freilich  wird  sie  nur  ein  sehr  aufmerksamer  Leser  alle 
vereinen  können.     Hall  er  und  Schubart  treten  früh  zurück.     Klopstock  herrscht  anfangs 
allein,  giebt  aber  bald  das  Scepter  an  Wieland  ab.     Und  während  es  auch  diesem  leise 
entsinkt,  nimmt  allmählich  Lessing  die  Führung  an   sich,    dem    sich    nun    Schiller    mit 
stets  erneutem  Eifer  zu  nähern  sucht.     Doch  nicht  den  Grossen  nur,    auch  den  Schrift- 
stellern geringeren  Grades  widmet  M.  seine  Aufmerksamkeit.     Sorgsam  sichtet  er  in  den 
biographischen  Kapiteln,  wieviel  von  der  jungen  deutschen  Litteratur  und  der  Anregung 
des  Auslands  bis  in  die  Einsamkeit  der  Mihtärakademie  vordrang.     Nur  zertrümmert  er 
leider  die  Ergebnisse  dieses  vorsichtig  abwägenden  Verfahrens    wieder   in    dem  Kapitel 
über  die  „Anthologie".      Bei    der    Ueberfülle    litterarhistorischer  Analogien,    mit    denen 
hier  jedes  einzelne  Gedicht  bedacht  wird,  verwischt  sich  für  den  Leser  die  Grenze,  wo 
die  speziellen  Anregungen  für  Schiller  aufhören    und    nur    noch  allgemeine  Traditionen 
der  ganzen  Epoche  nachzuweisen  sind.     UnmögHch  hatte  der  junge  Schiller  eine  solche 
Belesenheit,  wie  sie  M.  hier  an  den  Tag  legt;  denselben  Einwand  möchte  man  oft  auch 
bei  der  Lektüre  der  Kapitel  erheben,   die  von  Schillers  Dramen  handeln.      Gelegentlich 
weiss  M.  in    kräftigem  Pathos    zu    reden.      Oft    aber  tritt  uns  der  ernste  Gelehrte  kühl 
entgegen,   nicht  nur  in  den  Anmerkungen,    die  sich  in  reicher  Anzahl  jedem  Bande  an- 


IV,12:  A.  Köster,  Schiller.  143 

reihen.  Sie  geben  Einblick  in  die  Arbeitsgänge  des  Vf.,  ergänzen  die  litterarischen 
Beziehungen  der  im  Text  besprochenen  Werke,  bringen  kleine  Berichtigungen  und 
kritische  Erörterungen  über  strittige  Einzelheiten,  besonders  ausführlich  zur  „Anthologie" 
und  dem  „Wirtembergischen  ßepertorium".  Manche  dieser  Anmerkungen,  die  nur  Belege 
für  des  Autors  Belesenheit  sind  (z.  B.  2,  S.  596  über  die  Konradindichtungen,  deren 
Zahl  sich  ebenso  gut  auch  verdoppeln  Hesse),  dürften  ohne  Schaden  fehlen.  Im  ganzen 
sind  sie  aber  eine  reiche  Eundgrube;  denn  M.,  der  selbstverständlich  stets  auf  die 
Quellen  prüfend  zurückgegangen  ist,  hat  es  nicht  verschmäht,  die  ungeheure  Zahl  der 
oft  nur  hinderlichen  „Vorarbeiten"  zu  citieren.  —  Unbekanntes  Urkundenmaterial  wird 
ein,Schillerbiogi-aph  heutigen  Tages  natürlich  nur  noch  spärlich  entdecken;  das  Wenige, 
was  Minor  2)  besonders  im  Schiller  -  Archiv  auffand  (es  war  damals  noch  Eigentum  der 
Freiherren  von  Gleichen-Russwurm),  hat  er  nicht  in  die  Anmerkungen  vergraben,  sondern 
zu  einer  kleinen  Publikation  vereinigt.  Die  einzelnen,  hier  veröffentlichten  Dokumente 
reihen  wir  später  an  den  geeigneten  Stellen  ein  und  schicken  hier  nur  voraus,  dass  M. 
S.  129  ff",  ein  Inhaltsverzeichnis  des  von  ihm  geordneten  Schiller- Archivs  und  S.  114  ff". 
Mitteilungen  über  einzelne  Hss.,  bezw.  hs.  durchkorrigierte  Druckwerke  und  Kopien  giebt 
(„Phädra",  „Iphigenie  in  Aulis",  „Semele",  „Melancholie.  An  Laura",  „Elegie").  —  Von 
weiteren,  neu  erschienenen  Schillerbiographien ^-3a~)  sei  die  von  Hermann  Eischer  ■*)  her- 
vorgehoben. Wie  bei  dem  Bearbeiter  des  Palleskeschen  Werkes  vorauszusetzen  war, 
hat  er  in  dem  verhältnismässig  knapp  bemessenen  Räume,  den  die  ADB.  zur  Verfügung 
stellt,  Vortreffliches  geleistet,  erschöpfende  Zusammenstellung  der  biographischen  Daten 
mit  kurzen  Analysen  und  wohlmotiviertem  Urteil  über  die  einzelnen  Werke  vereint. 
Nur  die  Entstehungsgeschichte  des  „Don  Carlos"  hätte  eingehender  und  tiefer  behandelt 
werden  können.  — 

Von  Einzelbeiträgen  zur  Lebensgeschichte  Schillers  sind  zunächst  einige 
Dokumente  zu  erwähnen,  die  des  Dichters  Jugendzeit  neu  beleuchten.  Minor  5)  ver- 
öffentlicht: a)  S.  1  ff",  einen  Bericht  von  Cliristopliine  ReinAvald,  der  zwar  noch  nie  in 
ganzer  Ausdehnung  gedruckt,  aber  schon  von  Streicher,  Karoline  von  Wolzogen,  Boas 
und  Otto  Brahm  benutzt  worden  war.  Er  ergänzt  die  beiden  bekannten  Aufzeichnungen 
Christoplainens  (Briefwechsel  mit  Christophine  S.  337  ff.  und  Archiv  für  Litteraturge- 
schichte  1,  S.  452  ff.),  b)  S.  7  ff",  die  wichtigsten  Stellen  aus  dem  Briefe  Charlottens 
an  Körner  vom  Jahre  1810,  der  bislang  nur  bruchstückweise  bekannt  gemacht  war. 
Rührend  spricht  Lotte  aus  eigener  Erinnerung  über  Schillers  Eltern  und  über  sein  erstes 
Zusammentreffen  mit  Goethe.  Ueber  den  „Vetter"  weiss  sie  nur  unklare  Gerüchte  bei- 
zubringen; hier  tritt  ergänzend  ein:  c)  S.  10  f.  ein  Brief  Christophinens  an  Lotte  vom 
30.  Juli  1815,  der  bisher  lückenhaft  in  den  „Beziehungen"  S.  345  f.  vorlag,  d)  S.  17  ff. 
giebt  M.  Auszüge  aus  Censurlisten,  welche  neues  Licht  auf  Scliillers  Sprachkenntnisse 
und  sein  Ungeschick  zu  körperlichen  Uebungen  werfen.  Sie  stammen  aus  der  Militär- 
akademie und  gehören  vermutlich  dem  Jahre  1778  an.  —  „Militärakademie",  so  hiess 
die  Anstalt  bis  zum  Dezember  1781;  erst  von  da  ab  führt  sie  den  Namen  „Karlsschule". 
Hierauf  weist  J.  W.  Braun  ^)  noch  einmal  nachdrücklich  hin.  — 

Auch  für  die  Mannheimer  Jahre  hat  uns  Minor '^)  einige  Dokumente  mit- 
geteilt. Sein  Verdienst  ist  es,  auf  die  interessanten  Memoiren  des  Dänen  K.  L.  Rahbeck 
wieder  hingewiesen  zu  haben,  aus  denen  er  S.  29  ff.  die  wichtigsten  Stellen  abdruckt. 
Sie  machen  den  Eindruck  grosser  Glaubwürdigkeit  und  geben  zwischen  den  Zeilen  An- 
deutungen über  das  Verhältnis  Ifflands  zu  Schiller,  die  M.  in  seiner  Darstellung  aus- 
genutzt hat.  Ein  paar  weitere  Mitteilungen  über  Schillers  Mannheimer  Aufenthalt, 
S.  57  ff.  ein  Brief  von  der  schwatzhaften  Lmse  Pistorius  und  S.  12  ein  Bericht,  den 
Schwan  avxs  später  Erinnerung  im  Jahre  1811  niederschrieb,  sind  mit  grösster  Vorsicht 
aufzunehmen. — Die  wichtigste  Quelle  für  diese  ganze  Epoche  würden  die  von  Marter- 
steig 8)  veröffentUchten  Protokolle  des  Churfürstlichen  Hoftheater- Ausschusses  sein,  wenn 
nicht  leider  die  ganze  Ausgabe  so  unübersichtlich  und  kritiklos  angefertigt  wäre.  M. 
hat  lediglich  einen  Abdruck  veranstaltet  ohne  jede  Handhabe  zur  Kontrolle  der  einzelnen 
Angaben.  Wenn  wir  also  von  der  grösseren  Vollständigkeit  absehen,  führt  uns  das 
Buch  nicht  über  Koffka  hinaus.  — 

Unter    den    späteren  Abschnitten  von  Schillers  Leben  ^-n)  wurde  der  Aufent- 


S.  547;  A.  Köster:  HZ.  NF.  31,  S.  94.]|  —  2)  id.,  Aus  d.  Schiller-Archiv.  Ungedrucktes  u.  Unbekanntes  zu  Schillers  Leben 
u.  Schriften.  Weimar,  Böhlau.  XII,  131  S.  M.  2,00.  |[D.  Jacoby:  VossZgS.  N.  5;  Groeben:  BLU.  N.  27;  LCBl.  S.  1037; 
Bund  N.  51;  B.  Münz:  DeutschZg.  N.  6740:  M.  Koch:  BFDH.  NF.  6,  S.  654.]  |  —  3)  X  M.  Laue,  Schiller  u.  Goethe, 
ihr  Leben  u.  ihre  vorzüglichsten  Werke.  Langensalza,  Schulbuchhandlung.  III,  136  S.  M.  1,00.  —  3a)  (I,  7  N.  44.)  —  4)  H. 
Fischer,  J.  Ch.  Friedrich  Schiller:  ADB.  31,  S.  215—45.  —  5)  S.  o.  N.  2.  —  6)  J.  W.  Braun,  SchiUer  —  kein  Karls- 
schüler: SaaleZg.  N.  107.  —  7)  S.  o.  N.  2.  —  8)  S.  o.  IV, 4  N.  173.  —  9)  X  P-  Th.:  Schillers  erster  Aufenthalt  in  Volkstadt 
u.  Rudolstadt  (Mai  bis  Nov.  1788):  LZgB.  N.  47.  (Ohne  Einblick  in  Schillers  u.  Lettens  Seele.)  —  10)  X  0.  Brahm,  Schillers 
u.  Goethes  erste  Begegnungen:  Deutschland.  2,  S.  81  ff.,  101  ff.  (N.  10,  11  u.  15  sind  Bruchstücke  aus  d.  zweiten  1892 
erscheinenden  Bande  d.  Schillerbiographie  d.  Vf.)    —    II)  X  »^m  Schillers  Eintritt  in  Weimar:    FZg.  N.  44/5.    (S.  o.  N.  10.)  — 


144  IV,12:  A.  Köster,  Schiller. 

halt  in  Jena  12)  besonders  oft  behandelt.  Erwähnt  sei  vor  allen  Dingen  die  Jubiläuras- 
schrift,  die  von  B.  Litzmann  ^3)  im  Verein  mit  mehreren  seiner  Schüler  zwar  schon  im 
vergangenen  Jahre  herausgegeben  worden,  aber  1890  in  verdienter  zweiter  Auflage  er- 
schienen ist.  Alles,  was  mit  dem  äusseren  Lebensgang  des  Dichters  in  Verbindung 
steht,  ist  an  der  Hand  der  Briefe  zuverlässig  und  übersichtlich  zusammengestellt  und 
besonders  willkommen  der  durch  Grundriss  und  Aufrisse  erläuterte  Aufsatz  L.s  über  die 
Scliillerhäuser,  die  Schrammei,  das  Gartenhaus  von  1793,  das  Haus  am  Markt,  das 
Griesbachsche  Haus  und  das  Gartenhaus  an  der  Leutra.  —  Von  dem  zuletzt  genannten 
oder  richtiger  von  dem  Garten  redet  ein  ungedruckter  Brief  Goethes  an  Heinrich  Meyer 
vom  1.  Aug.  1809,  den  R.  Keil  i*)  mitgeteilt  hat.  —  Selbstverständlich  hat  die  lOOj.  Wieder- 
kehr von  Scliillers  Hochzeitstag  eine  Flut  von  Festartikeln  15-26)  gebraclit,  die  aber  weder 
durch  ihren  Inhalt  noch  durch  ihre  Form  irgend  welchen  Anspruch  auf  wissenschaft- 
liche Beachtung  machen  dürfen;  erstaunliche  Unkenntnis  verbirgt  sich  gewöhnlich  hinter 
Phrasen.  Selbstständig,  wenn  auch  gänzlich  voreingenommen  und  konfus,  urteilt  nur 
B.Kraft  27),  wenn  er  bei  Schillers  Schritt  in  die  Ehe  Körner  zeitweilig  als  bösen  Dämon 
im  Wege  stehen  sieht.  Ein  burlesker  Einfall  übrigens,  Schiller  als  Vorbild  für  Hage- 
stolze hinzustellen.  —  Sonst  hat  uns  der  22.  Eebr.  1890  noch  eine  kleine  Schrift  des 
Pfarrers  W.  Ackermann 28)  beschert,  deren  Text  bescheiden  und  unselbständig  ist, 
die  aber  durch  gute  Abbildungen  der  Kirche  von  Wenigenjena  erfreut.  —  Eine  kleine 
Korrektur  zu  Eielitz,  Schiller  und  Lotte  2,  S.  217  steuert  Leitzmann29)  bei.  — 

Zu  einer  hübschen  kleinen  Eestpublikation  zu  Ehren  ihres  Seniors  haben  die 
Familien  Schwenke  ^o)  und  Schomburg  einige  bisher  unbekannte  Schilleriana  zusammen- 
gefasst,  die  wir  an  die  Spitze  derjenigen  Arbeiten  stellen,  die  uns  über  Schillers  Ver- 
kehr mit  Zeitgenossen  unterrichten.  Besonders  auf  den  Verkehr  zwischen  Wilhelm 
von  Wolzogen  und  Schiller  fällt  einiges  neue  Licht:  S.  11  ff.  lesen  wir  Tagebuchnotizen 
aus  der  frühesten  Zeit  ihrer  Bekanntschaft;  der  erste  Eindruck  der  „Räuber"  auf  ein 
junges  Gemüt  spricht  sich  aus,  das  für  uns  verlorene  Leichengedicht  auf  Wildmeister 
wird  „sehr  schön,  freilich  etwas  frei"  gefunden.  S.  16  if.  geben  uns  Briefe,  welche 
Wolzogen  1803/4  aus  Russland  an  seine  Gattin  schrieb,  interessante  Zeugnisse  für  die 
Wertschätzung  Schillerscher  Dichtungen  am  russischen  Hofe,  einiges  Detail  zu  der  Ar- 
beit am  „Demetrius"  sowie  Mitteilungen  über  den  alternden  Klinger.  —  Ein  unbedeu- 
tendes, bei  Gelegenheit  des  ersten  Anknüpfens  Sclnllers  mit  Erau  von  Kalb^i-:^)  ent- 
standenes Gedicht  teilt  Minores)  S.  25  f.  mit.  —  Feinsinnig  und  gedankenklar  ent- 
wickelt 0.  Harnack34)  Körners  Mitarbeit  an  Schillers  Schriften;  nur  lässt  er  leider 
Anfang  und  Ende  dieses  Einflusses  unberücksichtigt  und  bespricht  daher  auch  nicht  die 
Bedeutung  Körners  für  die  Herausgabe  von  Schillers  Werken.  35)  —  Zwei  Briefe  zur 
Geschichte  der  Schwestern  Lengefeld  wollen  wir  gleich  hier  anreihen;  beide  hat 
Minor 36)  bekannt  gemacht.  Der  erste  (S.  65)  ist  inhaltlich  unbedeutend,  er  beweist 
nur,  dass  die  Herzogin  Luise  aiich  als  Grossherzogin  in  familiärem  Verkehr  mit  Lotte 
blieb.  Der  andere  jedoch  (S.  59  £)  ist  von  hohem  Literesse:  das  einzige  Zeugnis  aus 
dem  Verkehr  zwischen  Karoline  und  Beulwitz  vor  ihrer  Vermählung,  und  zwar  des 
Mannes  Antwort  auf  einen  Korb,  den  er  schon  1779  von  ihr  erhalten  hatte.  Und  diesen 
Mann  heiratete  sie  fünf  Jahre  später!  Die  widerspruchsvolle  Frau  wird  mit  jeder  neuen 
Nachricht,  die  wir  über  sie  erhalten,  rätselhafter  zugleich  und  fesselnder.  — ■ 

12)  X  Eduard  Grosse,  Thüringens  Hochschule:  ÜL&M.  64,  S.  911/3.  (Behandelt  vorübergehend  in  Wort  u.  Bild  Schillers 
Jenenser  Aufenthalt.)  —  13)  B.  Litzniann,  Schiller  in  Jena.  2.  unv.  Aufl.  Mit  4  Abbild,  u.  e.  Grundriss.  .lona,  Maucke. 
VIII,  13ti  S.  M.  1,80.  [[Kaberlin:  MUA.  59,  S.  141;  A.  Chuquet:  RCr.  N.  8;  Unhescheid:  ZDU.  4,  S.  285;  S.  Auerbach : 
DLZ.  11,  S.  1275;  M.  Koch:  BFDH.  NF.  6,  S.  116.]  |  —  14)  K.Keil,  Jena.  Zum  75j.  Burschonschaftsjub.:  FelszMeer. 
1890/1(8.  0.1  V,l  N.  71).  — 15)  XO.B  rahm,  Schiller  u.  Lotte.  E.  Jahrhundert-Erinnerung:  N&S.  52,  S.  306-33.  (D.  Aufsatz  ist 
natürlich  v.  d.  Urteil  oben  im  Text  ausgenommen.  Vgl.  o.  N.  10.)  —  16)  X  W.  Kampf,  Schiller  u.  d.  Schwestern  Lengefeld- 
Nach  d.  Briefwechsel  dargest.  Berlin,  Liebmann.  21  S.  M.  0,50.  —  17)  X  W.  Ackermann,  Schillers  Trauung.  £.  Sakular- 
erinnerung.  (Mit  Illu.strr.  u.  e.  Faks.):  SchorerFamBl.  S.  125/7.  —  18)  X  E.  B.  Kraft,  Z.  lOOj.  Ehejubiläum  Schillers:  DresdZg. 
N.  49.  —  19)  X  Eduard  Grosse,  U.  Hochzeit  unseres  volkstumlichsten  Dichters  (Z.  lOOj.  Gedenktage  d.  Hochzeit  Schillers): 
Daheim.  Bd.  26.  —  20)  X  A.  SUtterlin,  Zu  Schillers  lOOj.  Hochzeitstage.  E.  Gedenkblatt  z.  22.  Februar:  StrassbPost. 
N.  63.  —  21)  X  B.  Wasserzieher,  Charlotte  v.  Lengefeld.  E.  GedenkbL  z.  lOOj.  Wiederkehr  v.  .Scliill.  rs  llocbzeitstago 
(22.  Febr.  1790):  AZgB.  n.  45.  —  22)  X  C.  Zepka,  Charlotte  v.  Lengefeld.  Z.  Jahrhundertfeier  iluvi  V(  riiiühlung  mit 
Schiller:  NatZg.  N.  111.  —  23)  X  Schillers  Hochzeitstag:  HannCour.  N.  16286.  —  24)  X  A.  Miessler,  Schiller  u.  Lotte. 
E.  Gedenkbl.  z.  lOOj.  Hochzeitstage:  Presse.  N.  50.  (=  VolksZg.  N.  42  u.  Didask.  N.  153.)  —  25)  X  —PA.,  Z.  lOOj.  Gedenktag 
d.  Trauung  v.  Schiller  u.  Lotte:  KreuzZg.  N.  85.  (Aufruf  z.  Besten  d.  Kirchleins  zu  Wenigenjena  als  Demonstration  gegen  d. 
„Freie  Bühne".)  —  26)  X  J-  W.  Braun,  Schillers  lOOj.  Hochzeitstag:  TglRsi^.  N.  45.  —  27)  B.  Kraft,  Schillers  Ehegeschäft. 
Auch  eine  Säknlarbetrachtung:  Gesellschaft.  S.  86—103.  —  28)  W.  Ackermann,  Schiller  u.  Lotte.  E.  Gesch.  ihrer  Liebe. 
Z.  lOOj.  Gedenktage  ihrer  Trauung  in  d.  Kirche  zu  Wenigenjena  am  22.  Febr.  1790  lierausg.  Jena,  Maucke.  42  S.  mit  6  Abbildd. 
M.  0,50.  KWohlfarth:  PKZ.  N.  13;  BerlTBl.  N.  97.]|  -  29)  A.  Leitzmann,  Zu  „Schiller  u.  Lotte":  VL6.  3,  S.  506.  - 
30)  P.  Schwenke,  Kleine  Beitrr.  z.  Schillerlitt.  (=  Festgruss  Hrn.  Geh.  Staatsrat  Dr.  jur.  Julius  Schomburg  in  Weimar  ihrem 
lieben  u.  verehrten  Senior  z.  Feier  seines  50j.  Dr. -Jubiläums  am  20.  Juni  1890  dargebr.  v.  d.  Familien  Schomburg  [Eisenach] 
u.  Schwenke  [Göttingen].)  Weimar,  Hof-Buchdrnckerei.  25  S.  —  31)  X  P.  Kühn,  Schillers  Verhältnis  zu  Charlotte  v.  Kalb: 
LZg".  N.  92.  —  32)  X  Bildnisse  d.  Familie  v.  Kalb:  HambCorr.  N.  134.  (10  Originalportrr.  v.  Mitgliedern  d.  Familie  v.  Kalb 
im  Besitz  d.  Dr.  Eydam  in  Braunschweig.  Vgl.  MagdebZg.  N.  92.)  —  33)  S.  o.  N.  2.  —  34)  0.  Harnack,  KtSrners  kritische 
Mitarbeit  an  Schillers  Werken:  PrJbb.  65,  S.  391—409.  (Referat  d.  Vortr.:  VossZg.  N.  91  u.  DLZ.  11,  S.  438.)  —  35)  X  H. 
Meynert,  Mozart  n.  Dora:  Diosknren.  19,  S.  :W-46.  ^Berührt  kurz  auch  Schiller»  Verhältnis  zu  Dora  .Stock.)  —  36^  S.  o.  N.  2. 


IV,12:  A.  Küster,  Schiller.  145 

Von  Jahr  zu  Jahr  macht  sich  das  Bedürfnis  und  der  Wunsch  lebhafter  geltend, 
den  gesamten  Schillerschen  Briefwechsel  37-38)  revidiert  und  gesammelt  zu  sehen. 
Boxberger39)  hatte  seit  Jahren  eine  Ausgabe  geplant  und  hat  noch  kurz  vor  seinem 
Tode  einige  Gesichtspunkte  für  dieses  Unternehmen  aufgestellt.  —  Minor  40)  befürwortet 
in  der  mehrfach  citierten  Piiblikation  S.  40  ff.  vor  allen  Dingen  eine  Neubearbeitung  des 
Familienbriefwechsels.  Inzwischen  ist  ja  nun  eine  Ausgabe  von  Fritz  Jonas  ins  Leben 
getreten.  Die  Ausbeute  an  neuen  Schillerbriefen  war  gerade  im  Berichtsjahr  recht  be- 
deutend. Drei  Briefe  von  Schillers  Vater,  welche  M.  S.  44  if.  publiziert,  seien  zuerst 
erwähnt:  vom  13.  Febr.  1784,  18.  März  1784,  12.  Jan.  1785.  Der  mittlere  war  bislang 
garnicht,  die  beiden  anderen  höchst  ungenügend  und  verkürzt  bekannt.  Es  sind  Briefe 
eines  liebevollen  und  bekümmerten  Vaters,  der  den  ungewissen  Plänen  des  Sohnes  stets 
den  sicheren  Broterwerb  entgegenhält;  und  zwischen  Ermahnungen  unä  Entwürfen  steigt 
wieder  und  wieder  die  leidige  Schadische  und  Hollische  Schuld  auf.  —  Vor  der  wohl- 
feilen Ausgabe  des  Briefwechsels  mit  Dalberg^i)  ist  nur  zu  warnen.  Zur  Herstellung 
des  Textes  sind  nicht  einmal  die  Aufsätze  von  M.  Bernays  in  der  AZg.  1887  berück- 
sichtigt, geschweige  die  Originale  verglichen  worden.  —  Vier  Billets  von  Karoline  von 
Beulwitz  vmd  eins  von  Schiller,  die  der  Volkstädter  Zeit  angehören  und  von  Schwenke  42) 
mitgeteilt  wurden,  sind  inhaltlich  ohne  Belang.  —  Dagegen  ist  von  lebhaftem  Interesse 
das  bei  Minores)  S.  61  f.  gedruckte  erste  Schreiben  (Fragment)  des  Grafen  Sehimmel- 
mann  an  Schiller,  das  den  Dichter  auf  dem  Gebiet  der  spekulativen  Philosophie  mit 
Freuden  begrüsst  und  von  der  hohen  Verehrung  des  Grafen  für  den  „neuen  Orpheus" 
Zeugnis  ablegt.  Dieser  Brief  war  Urlichs  unbekannt  geblieben  und  ist  mit  Sicherheit 
in  das  Jahr  1793  zu  setzen,  spätestens  auf  den  23.  August.  —  Die  bei  C.  C.  T.  Litzmann44) 
wieder  abgedruckten  Briefe  Schillers  an  Hölderlin  vom  24.  Nov.  1796  und  24(?).  Aug. 
1799  mussten,  da  die  Originale  nicht  nachzuweisen  sind,  nach  dem  Schwabschen  Text 
wiederholt  werden,  ebenso  die  Briefe  Hölderlins  an  Schiller:  Ostern  1794,  4.  Sept.  1795, 
24.  JuH  1796,  20.  Nov.  1796,  20.  Juni  1797  und  5.  Juli  1799.  Dagegen  sind  Hölderlins 
Briefe  vom  23.  JuH  1795,  Aug.  1797,  30.  Juni  1798,  Sept.  1799  und  2.  Juni  1801  mit 
den  Originalen  verglichen  worden.  —  Ein  von  Elias  45)  neu  aufgefundener  Brief  an 
Cotta  betriift  die  Herausgabe  des  „Teil"  als  Neujahrsgeschenk  auf  1805.  —  Endlich 
teilt  Boxberger46)  folgende  ungedruckte  Schillerbriefe  mit:  1)  26.  Nov.  1784  an  Gleim: 
Bitte  um  Beiträge  zur  „Thalia";  2)  17.  Mai  1795  an  Herder:  Dank  für  die  „Terpsichore", 
welche  Körner  recensieren  soll;  Bitte  um  Beiträge  zu  den  „Hören"  und  zum  Musen- 
almanach; Urteile  über  Voss'  „Luise"  und  Wolfs  Homer-Theorie;  3)  22.  Jan.  1800  an 
Crusius:  über  Meyers  Zeichnung  für  die  Ausgabe  der  Schillerschen  Gedichte  von  1800; 
4)  11.  Mai  1801  an  Mad.  Unzelmann:  Repertoirnotizen;  5)  12.  Dez.  1801  an  Prof. 
Starck:  Gesundheitszustand  der  Schillerschen  Familie;  6)  28.  Juni  1801  an  Herzfeld  in 
Hamburg:  über  die  „Jungfrau  von  Orleans";  7)  23.  Dez.  1804  an  Göschen:  über  die 
Herausgabe  von  Goethes  „Rameaus  Neffe".  — 

Unter  den  Gesamtausgaben  von  Schillers  Werken  47-50)  darf  sich  die  in  der 
„Deutschen  Nationallitteratur"  unter  Leitung  von  Boxberger  und  Birlinger  ^i)  er- 
schienene und  im  Jahre  1890  abgeschlossene  ergänzend  neben  die  historisch  -  kritische 
Ausgabe  von  Goedeke  stellen.  Sie  befleissigt  sich  nicht  der  gleichen  Vollständigkeit 
wie  ihre  Vorgängerin,  hat  sie  aber  in  manchen  Teilen  dennoch  übertroffen.  Der  Nach- 
lass  ist  hier  bedeutend  besser  ediert  als  bei  Goedeke;  und  in  der  Ausgabe  der  Gedichte 
ist  man  von  dem  einseitigen  und  doch  nicht  durchführbaren  Grundsatz  der  chronolo- 
gischen Reihenfolge  zurückgekehrt  zu  der  Anordnung,  welche  Schiller  selbst  aufgestellt 
hat.  Im  Anhang  werden  dann  die  ausgeschiedenen  Gedichte  und  die  älteren  Fassungen 
einiger  umgearbeiteten  Gredichte  nachgetragen.  Soweit  die  Herausgabe  in  den  Händen 
Boxbergers  lag,  ist  sie  sehr  gut  gelungen;  der  knappen  aktenmässigen  und  datenreichen 
Uebersicht  über  Schillers  Leben  reihen  sich  vorzüghche  Spezialeinleitungen  zu  den  ein- 
zelnen Werken  an.  Die  Anmerkungen  wenden  sich,  wie  das  im  Plan  des  ganzen  Unter- 
nehmens liegt,  im  wesentlichen  an  das  grössere  Publikum,  weniger  an  die  Gelehrten. 
Leider  sind  die  zuletzt  erschienenen,  von  Birlinger  besorgten  Teile    der  älteren  Partien 


—  37)  X  Versteigerung  V.  5  Briefen  Schillers  in  London:  AZg.  N.  186.  (Notiz.)  —  38)  X  J.  W.  Brann,  Sehiller-Autograplien : 
TglRsU.  N.  91.  (Gesch.  d.  Schiller -Körnerschen  Briefwechsels  mit  Ahdr.  d.  letzten  Billets  v.  Schiller  an  Körner.l  —  39)  K. 
Boxberger,  Ungedruckte  Briefe  Schillers.  Mit  e.  Einl.  Uher  einige  Gesichtspunkte  für  e.  neue  Ausg.  v.  Schillers  Briefen: 
WJDM.  34,  S.  129—39.  —  40)  S.  o.  N.  2.  —  41)  F.  v.  Schillers  Briefe  an  d.  Frhrn.  H.  v.  Dalberg  in  d.  J.  1781/5.  E.  Beitr.  zu 
Schillers  Lehens-  u.  Bildungsgeseh.  (=  Bibl.  d.  Ges. -Litt.  N.  435.)  Halle,  Hendel.  51  S.  M.  0,25.  —  42)  S.  o.  N.  30.  — 
43)  S.  o.  N.  2.-44)  C.  C.  T.  Litzmann,  F.  Hölderlins  Leben.  In  Briefen  von  u.  an  Hölderlin.  Berlin,  Hertz.  (Vgl.  u.  IV,  13 
N.  30).  -  45)  J.  Elias,  E.  Brief  Schillers  an  Cotta:  VLG.  3,  S.  606/8.  -  46)  S.  o.  N.  39.  -  47)  X  Schillers  sämtliche 
Werke  in  12  Bdn.  Bd.  4,  5,  8,  9,  10,  11.  (=  Cottasche  Volksbibl.,  Bd.  6,  8,  14,  16,  18,  20.)  Stuttgart,  Cotta.  12°.  216,  228, 
298,  328,  316,  264  S.  jeder  Bd.  M.  0,50.  —  48)  X  id.,  Sämtliche  Werke  in  12  Bdn.  mit  Portr.  Stuttgart,  Cotta.  12".  280,  292 
259.  216,  228,  252,  223,  298,  328,  316,  264,  332  S.  geb.  in  6  Bdn.  M.  6,00.  —  49)  X  id.,  Sämtliche  Werke.  Nach  d.  vorzüglichsten 
Quellen  revid.  Ausg.  Nebst  e.  Biogr.  d.  Dichters.  Neu  her.  v.  R.  Boxberger  u.  W.  v.  Maltzahn.  13  Tle.  in  6  Bdn.  Berlin, 
DUmmler.  XCVI,  640,  253,  336,  244,  344,  177,  224,  199,  132,  196,  163,  175,  196  S.  M.  10,00.  —  50)  X  id.,  Sämtll.  Werke. 
Her.  T.  F.  A.  Krais.  5  Bde.  Leipzig,  Grunow.  XII,  623,  592,  692,  646,  556  S.  M.  15,00.  —  51)  id.,  Werke,  her.  v.  E.  Boxberger 
Jahresberichte  für  neuere  deutsche  Littoraturgeschichte  1(2).  lÜ 


146  IV,12:  A.  Köster,  Schiller. 

durchaus  unwürdig.  Ein  Blick  in  die  Anmerkungen  zum  „Wallenstein"  und  die  Ein- 
leitung zum  „Teil"  wird  dieses  Urteil  hinreichend  bestätigen.  — 

Zu  den  bisher  bekannten  Prosaschriften  ^2)  müssen  wir  in  Zukunft  zwei  bedeut- 
same Recensionen  aus  der  Jugendzeit  hinzufügen,  welche  Minor 53)  als  Schillers 
Eigentum  erkannt  und  S.  69  if.  veröffentlicht  hat.  Sie  sind  gegen  Stäudlin,  den  Rivalen 
in  der  Dichtkunst  und  der  Liebe,  gerichtet.  — "Während  die  historischen  Schriften 54-55) 
selten  zum  Gegenstand  eingehender  Prüfung  gemacht  werden,  rufen  die  philosophischen 
Abhandlungen 66)  alljährlich  neue  Untersuchungen  hervor.  Besonders  gern  wird  immer 
wieder  das  Verhältnis  Schillers  zu  Kant  ins  Auge  gefasst.  Greil57)  betont  nach- 
drücklich die  Selbständigkeit  von  Schillers  Denken;  er  stellt  damit  zwar  ein  heilsames 
Gegengewicht  gegen  Kühnemanns  allzu  einseitige  Auffassung  hin,  hält  sich  aber  seiner- 
seits nicht  von  Uebertreibungen  fern.  — R.  Philippson^^)  nimmt  eine  vermittelnde  Stellung 
ein  und  empfiehlt  sich  ganz  besonders  durch  die  Klarheit  seines  Vortrags.  In  der 
Methode  bezeichnen  Geil  wie  P.  einen  Rückschritt  gegen  Kühnemann.  —  Ergänzt  werden 
beide  durch  eine  Schrift  von  ritger^^^,  der  ohne  erschöpfen  zu  wollen  und  ohne  ge- 
lehrte Prätensionen  sein  Thema  angreift.  Es  ist  höchst  erfreulich  und  lehrreich,  einmal 
einen  bildenden  Künstler  über  Schülers  Verhältnis  zur  bildenden  Kunst  sich  äussern  zu 
hören;  klar  genug  tritt  es  zu  Tage,  wie  unreif  Schillers  Ansichten  auf  diesem  Gebiet 
noch  in  der  Mannheimer  Zeit  waren  und  wieviel  er  in  der  Periode  der  philosophischen 
Studien  und  später  durch  den  Umgang  mit  Goethe  gelernt  hat.  — 

Im  allgemeinen  halten  sich  die  populären  Ausgaben *^o-63j  ^q^  Schillerschen 
Gedichte  6*)  an  die  Auswahl  und  Gruppierung  der  Körnerschen  Redaktion.  Dagegen 
hat,  wie  schon  erwähnt  ist,  Boxberger  (vgl.  N.  51)  endlich  wieder  die  Anordnung  des 
Dichters  selbst  eingeführt.  Und  mit  vollem  Recht  tritt  Kettner  ^ß)  für  die  Beibehaltung 
dieser  Reihenfolge  ein,  wie  sie  die  Ausgabe  von  1804/5  zeigt.  Auch  sie  hat  ihre 
Schwächen ;  denn  Schiller  vereinigte  die  schönsten  Perlen  seiner  Lyrik  sorglos  im  ersten 
Bande  seiner  Sammlung  und  behielt  für  den  zweiten  nicht  so  reiches  und  vielseitiges 
Material  übrig,  dass  er  nicht  manchmal  in  der  Anordnung  Sprünge  machen  und  Will- 
kürlichkeit walten  lassen  musste.  Der  erste  Band  aber  zeigt  jedenfalls  einen  wohl- 
erwogenen künstlerischen  Plan,  und  diesen  hat  K.  mit  feinem  Verständnis  erläutert.  — 
Wie  unter  den  Prosaschriften  die  phüosopliischen  Abhandlungen,  so  findet  unter  Schillers 
Gedichten  die  philosophische  Lyrik^*^)  in  der  Forschung  am  meisten  Berücksichtigung. 
Die  Schrift  von  Neide  6"^),  die  sich  die  lohnende  Aufgabe  stellt,  Humboldts  Einfluss  auf 
Schillers  lyrische  Produktion  abzugrenzen,  krankt,  abgesehen  von  ihrer  Breite,  an  dem 
schlimmen  methodischen  Grundfehler,  dass  die  Scliillerschen  Gedichte  nicht  konsequent 
in  der  Eorm  citiert  werden,  in  der  sie  Humboldt  vorlagen,  sondern  in  der  späteren  Um- 
arbeitung, auf  die  er  keinen  direkten  Einfluss  mehi-  hatte.  — 

Ueber  einzelne  Gedichte  Scliillers  68-''i)  haben  wir  dankenswerte  Belehrinig 
erhalten:  Minor ''2)  sichtet  und  ergänzt  S.  102  ff.  die  in  der  liistorisch-kri tischen  Aus- 
gabe 11,  S.  216  ff.  und  16,  S.  354  f.  durcheinander  geratenen  Fragmente  zu  den  Balladen 
„Don  Juan"  und  „Rosamunde".  —  Als  Stoffquelle  für  den  „Gang  nach  dem  Eisen- 
hammer" gilt  allgemein  eine  Novelle  aus  den  „Contemporaines"  von  Retif  de  la  Bre- 
tonne.  Ein  Anonymus ''3)  glaubt  diese  Ansicht  widerlegen  zu  können  und  weist  auf 
einen  alten  Württembergischen  Kalender  von  1689  hin,  der  in  der  That  die  Erzählung 
enthält  und  den  nun  Schiller  benutzt  haben  soll.     Aber  die  Begründung,  Schiller  stamme 


u.  A.  Birlinger.  5.  Bd.  1.  AM.  (Wallenstein  her.  v.  Birlinger)  u.  6.  Bd.  S.  97—288  (Deutsche  Nat.-Litt.  her.  v.  J.  Kürschner, 
Lieff.  569,  571,  574,  588,  690,  591).  Stuttgart,  Spemann.  XVI,  349  S.  u.  12  Druckbogen,  jede  Lief.  M.  0,50.  —  52)  X  C.  A. 
Bach  he  im,  Schillers  prosa,  consisting  of  selections  from  Schillers  prose  works  with  Engl.  not.  and  an  introd.  (=  Deutsche 
Prosa,  vol.  1.)  London,  Low  &  Cie.  |[Ath.  N.  3280.] |  -  53)  S.  o.  N.  2.  -  54)  X  F-  v.  Schiller,  Gesch.  d.  30j.  Krieges.  Mit 
Portr.  (=  Bibl.  d.  Ges.-Litt.  N.  367/9.)  Halle,  Hendel.  359  S.  M.  0,75.  —  55)  X  id.,  Histoire  de  la  guerre  de  30  ans.  Nouv. 
^d., publice  avecdes  notices,  des  arguments  analytiques  et  des  notes  en  fran^ais  par  H.  Schmidt  et  Th.  LecJaire.  Paris,  Hachette. 
16«.  XVI,  483  S.  —  56)  X  id.,  Vom  Erhabenen.  E.  ErgUnzg.  zu  d.  gangbaren  Schiller-Ausgaben.  Mit  e.  Einleitung  v. 
S.  Saenger.  (=  Univ.-Bibl.  N.  2731.)  Leipzig,  Reclam.  12".  74  S.  M.  0,20.  —  57)  G.  Geil,  System  v.  Schillers  Ethik  nach 
d.  Dichters  philosophischen  Abhh.  zus.-gest.  Strassburg,  Heitz.  34  S.  M.  1,00.  |[M.  Koch:  BFDH.  NF.  6,  S.  659.]  |  — 
68)  S.  0.  1,3  N.  148;  vgl.  IV,  6  N.  52.] |  —  59)  A.  Eitler,  Schillers  Verhältnis  z.  bildenden  Kunst:  KunstUZ.  2,  S.  22/8.  (Vgl. 
AZg.  N.  74.)  —  60)  X  Schillers  Ged.  für  d.  Frauenwelt  ausgewählt  y.  Clara  Braun.  Diamant-Ausg.  lUustr.  v.  G.  E.  Kepler. 
Stuttgart,  Greiner  &  Pfeiffer.  IG».  XXXII,  280  S.  M.  3,50.  -  61)  X  Gedichte  v.  F.  v.  Schiller.  Stuttgart,  Neff.  544  S.  Mit 
Illustrr.  M.  7,00;  ohne  Illustrr.  M.  2,00.  (Abgesehen  v.  d.  Bildern,  e.  gut  ausgestattete,  zuverlässige  Ausg.)  —  62)  X  1"- 
Schmitt,  Po^sies  lyriques  de  Schiller.  Avee  notes  et  notices.  3.  6dit.  Paris,  Delagrave.  12".  VIII,  52  S.  (Auswahl  v.  18  d. 
populärsten  Gedd.)  —  63)  X  K.  SzAss,  J.  Vargha,  F.  Värö,  Schiller  Költemönyei,  her.  v.  d.  Kisfaludy-Gesellschaft.  |  [PestLl. 
N.  54.]  (Uebertragg.  e.  Anzahl  Schillerscher  Gedd.  ins  Ungarische.)  —  64)  X  H.  DUntzer,  Schillers  lyrische  Gedichte  erl. 
D.  Gedd.  d.  3.  Periode.  3.  Aufl.  Leipzig,  Wartig.  12«.  —  65)  G.  Kettner,  D.  Anordnung  d.  Schillerschen  Gedd.:  VLG.  3, 
S.  128—73.  —  66)  X  F.  Rehorn,  Schiller  u.  d.  griech.  Poesie  (im  Anschluss  an  d.  Briefwechsel  Schillers  mit  W.  v.  Humboldt): 
BFDH.  NF.  6,  S.  493—8.  —  67)  S.  Neide,  W.  v.  Humboldt  als  Richter  u.  Ratgeber  bei  Schillers  lyrischen  Gedichten  1.  Progr. 
d.  Gymn.  Landsberg  a/W.  4».  26  S.  —  68)  X  H.  Ganz,  D.  Lied  an  d.  Freude  u.  d.  9.  Symphonie:  PestLl.  N.  14.  — 
60)  X  K.  Rehorn,  /.  Feier  v.  Schillers  Geburtstag.  1).  Ideal  u.  d.  Leben:  BFDH.  NF.  7,  S.  47*— 59*.  (Festrede.)  —  70)  X 
Th.  Martin,  Schillers  „Unüberwindliche  Flotte"  ins  Engl,  übers.  Blackwoods  Magazine.  —  71)  X  E.  Niemeyer,  Ein  Kusu 
nahm  dM  l«tzte  Leben  von  der  Lippe  (zu  d.  „Göttern  Griechenlands"):  ZDU.  4,  S.  618.  —  72)  S.  o.  N.  2.-73)  A.,  Zu  Schillers 
„Gang  nach  d.  Eisenhammer":   LBSW.  S.  108/9.    —    74)  \V.  Masing.   E.  katalanische»  Lied  v.  d.  Glocke:    UZ.  1,  S.  240/9.  — 


1V,12:  A.  iCüster,  Schiller.  147 

ebenso  wie  der  alte  Kalender  aus  Württemberg,  ist  doch  gar  zu  schwach.  Als  eine 
bisher  unbekannte  Fassung  des  bekannten  und  beliebten  Stoffes  mag  man  den  Bericht 
dankbar  hinnehmen.  —  Ebenso  wird  jeder  Freund  Schillerscher  Dichtung  mit  Interesse 
ein  von  Masing''^)  entdecktes  Gegenstück  zu  Schillers  „Lied  von  der  Grlocke"  be- 
grüssen.  Es  ist  ein  katalonisches  Gedicht,  „Die  Ave-Maria-Glocke"  von  Victor  Balaguer, 
das  auch  in  der  deutschen  Uebersetzung  sehr  ausdi-ucksvoll  erscheint.  Aber,  wie  er- 
wähnt, nur  ein  zufälliges  Pendant  ist  es;  Beziehungen  zwischen  den  beiden  Gedichten 
liegen  nicht  vor.  —  Auf  die  Heimstätte  des  „Liedes  von  der  Glocke"  hat  sich  in  dieser 
Zeit  der  Schiller- Jubiläen  wieder  der  BHck  gerichtet ''5);  die  Mayersche  Glockengiesserei 
in  Rudolstadt,  die  Stätte  der  ersten  Anregung  zu  dem  Gedicht,  wurde  am  3.  April  1890 
mit  einer  Gedächtnistafel  geschmückt.  —  Protest  muss  man  wohl  gegen  die  Bereicherung 
erheben,  die  F.  Jonas '^ß)  den  Schillerschen  Gedichten  durch  den  Spruch  „Der  Guck- 
kasten-Mann, zum  neuen  Jalu-e  1798"  geben  wollte.  Es  mag  sein,  dass  ein  Berliner 
Versifex  den  Spruch  auf  Speners  Wunsch  nach  Schillers  „Spiel  des  Lebens"  gemacht 
hat.  —  M.  H.  Jellinek77)  hat  sich  in  seiner  Studie  über  „Hero  und  Leander"  ein 
Thema  gestellt,  dem  seine  Belesenheit  nicht  gewachsen  war.  Was  er  bringt,  ist  richtig, 
aber  unvollständig;  uns  beschäftigen  hier  nur  die  Partien,  welche  der  deutschen  Litte- 
ratur  gewidmet  sind.  Die  Hans  Sachsischen  Dichtungen  sind  inzwischen  eingehender 
durch  Drescher  behandelt.  Die  weitere  Darstellung  (Barth,  Hohenberg,  Alxinger,  Wie- 
land, Schiebeier,  Hölty)  ist  ausreichend,  wenn  sich  auch  für  jedes  Jh.  allein  in  der 
deutschen  Litteratur  Nachträge  bringen  lassen.  Vielleicht  das  Beste  in  dem  ganzen 
Buch  ist  der  Abschnitt  über  die  Schillersche  Romanze,  für  die  mit  Erfolg  die  Encyclo- 
pädie  von  Krünitz  als  Quelle  nachgewiesen  wird,  ohne  dass  doch  der  Vf.  die  Annahme 
einer  Benutzung  des  Musäus  widerlegen  könnte.  Die  Anleihen,  welche  später  Bussel 
in  seinem  Trauerspiel  „Hero  und  Leandros"  bei  Schiller  gemacht  hat,  verzeichnet  J. 
im  Anhang  seines  Buches.  In  der  Behandlung  des  Grillparzerschen  Dramas  kommt  er 
nicht  wesentlich  über  Scherer  und  Sauer  hinaus. '7^)  —  Dem  „Kampf  mit  dem  Drachen" 
will  Seiler'^ö)  eine  neue  Deutung  unterlegen:  dass  nämlich  nicht  der  Meister,  sondern 
der  Ritter  das  höhere  Prinzip  vertrete  und  dass  nicht  der  Ritter  seine  Anschauung  über 
das  Gebot,  sondern  der  Meister  seine  Anschauung  über  den  Jüngling  ändere.  Die 
Deutung  ist  mindestens  ganz  unschillerisch.  —  Das  unter  Schillers  Namen  gehende 
Jugendgedicht  auf  J.  S.  Kerner  (hist.-krit.  Ausg.  15,  1,  S.  418)  ist  nach  Minor  «O) 
S.  66  Armbmster  zuzuschreiben.  —  Eine  der  wichtigsten  Monographien  des  Jahres  ist 
die  Studie  über  ,,Die  Künstler"  von  Emil  Grosse^i).  Das  für  das  Verständnis  von 
Schillers  Geistesleben  hochwichtige  Gedicht  ist  von  dem  Dichter  oft  umgearbeitet,  ver- 
kürzt und  wieder  erweitert  worden,  ohne  dass  dabei  die  mannigfachen  Uebergänge  von 
einem  Teil  zum  andern  recht  ausgeglichen  worden  wären.  Nichtsdestoweniger  erkennt 
und  betont  G.  mit  Recht  die  Einheitlichkeit  des  Gedankeninhalts.  Die  Erläuterung  des 
Werkes  befriedigt  durchaus.  Dagegen  führt  die  Entstehungsgescliichte,  die  der  Vf. 
vorträgt,  noch  nicht  ans  Ziel.  Der  Einfluss  beratender  Freunde,  die  Art  des  frag- 
mentarischen Arbeitens,  ja  auch  die  Bedeutung  dieses  grossen  Bekenntnisses  für 
Schillers  Entwicklung  kann  überzeugender  nachgewiesen  werden.  —  Einen  bisher  unbe- 
kannten, höchst  dramatischen  Balladenentwurf,  der  wohl  aus  der  zweiten  Hälfte  der 
neunziger  Jahre  stammt,  „Orpheus  in  der  Unterwelt",  hat  Schwenke  ^2)  g,  9  ff. 
publiziert.  —  Minores)  S.  115  ff.  hat  sehr  lehrreiche  Varianten  zu  der  älteren  Fassung 
des  „Spaziergangs"  aus  Schillers  Handexemplar  der  „Hören"  mitgeteilt.  Sie  zeigen 
Humboldts  Einfluss  auf  Schillers  Metrik.  — 

Viel  Gutes  ist  für  die  Geschichte  und  die  ästhetische  Würdigung  von  Schillers 
Dramen  84-86)  gethan  worden.  Die  vier  monographischen  Aufsätze  über  des  Dichters 
Jugenddramen,  welche  Minor  ^7)  in  sein  Schillerwerk  eingelegt  hat,  dienen  nicht  nur  ihrem 
nächsten  Zweck,  sondern  ergänzen  auch  nach  mannigfachen  Richtungen  hin  unser  bis- 
heriges Wissen  vom  Drama  und  Theater  jener  Zeit  überhaupt.     Wenn  hier  die  einzelnen 


75)  A.  S.,  D.  Heimstätte  v.  Schillers  Glocke.  Mit  lUustrr.:  ÜL&M.  64,  S.  994.  (Notiz  gleichen  Inhalts:  KZg.  N.  95;  SchlesZg. 
N.  249;  HambCorr.  N.  216;  SchwäbMerk.  N.  81;  StrassbPost  N.  97;  MagdebZg.  N.  178;  KreuzZg.  N.  163;  VossZg.  N.  163; 
WeserZg.  N.  15  563;  BadLZg.  N  83;  FZg.  N.  96.)  —  76)  „Eiher  unserer  besseren  Dichter":  VossZg.  N.  41.  (Auch:  HannCour. 
N.  16263;  IlambCorr.  N.  104;  MagdebZg.  N.  71,  Fremdenbl.  N.  44;  vgl.  DLZ.  11,  S.  250;  Ath.  N.  3247.)  —  77)  M.  H.  Jellinek, 
D.  Sage  V.  Hero  u.  Leander  in  d.  Dichtung.  Berlin,  Speyer  &  Peters.  V,  92  S.  M.  3,00.  [[Nation».  8,  S.  32;  C.  Flaisehlen: 
LittMerk.  10,  S.  351;  S.  Reinach:  RCr.  II,  S.  418  (mit  Nachträgen).]]  —  78^  X  J-  Elias,  Notiz  Über  e.  Variante  d.  ErzShlg. 
V.  Hero  u.  Leander,  am  Chiemsee  in  Bayern  lokalisiert:  VossZg.  N.  351.  —  79)  F.  Seiler,  D.  Behandlung  d.  sittl.  Problems 
in  Schillers  „Kampf  mit  d.  Drachen" ,  d.  Erzählung  bei  Liv.  VIII,  7,  Kleists  „Prinz  v.  Homburg"  u.  Sophokles  „Antigene". 
Programm  d.  Gymnasiums  Eisenberg,  Kaltenbach.  40.  25  S.  (Vgl.  o.  IV,  4  N.  30).  -  80)  S.  o.  N.  2.  -  81)  Emil 
Grosse,  D.  Künstler  v.  Schiller  1789.  Berlin,  Weidmann.  IX,  120  S.  M.  2,40.  |  [Unbeschei  d:  ZDU.  4,  S.  289;  LCBl.  S.  1181.]| 
—  82)  S.  0.  N.  30.  —  83)  S.  o.  N.  2.  —  84)  X  M.  Koch,  Festvortr.  z.  Feier  d.  Sehillertages  u.  d.  vor  30  Jahren  beim 
Schillerjubiläum  1859  erfolgten  Gründung  d.  Hochstiftes:  BFDH.  NF.  6,  S.  29*— 51*.  (Bestimmt  Schillers  Stellung  in  d.  Gesch. 
d.  deutschen  Dramas.)  —  85)  X  H.  Bulthaupt.  E.  franz.  SchillerUbersetzung:  WeserZg.  N.  15540.  (lieber  d.  ausgezeichnete 
Uebersetzung  d.  Schillerschen  Versdramen  v.  Theodore  Braun.)  —  86)  X  L.  Hartmann,  D.  Schiller-Cyklus  in  Dresden: 
DBühnenßs.  N.  1.  —  87)  S.  o.  N.  1.  —  88;  Ö.  o.  N.  2.  (S.  22.)  —  89)  H.  Ottmann,  D.  Verhältnis  d.  „Räuber"  zu  d.  späteren 

10* 


UH  IV,12:  A.  Köster,  Schiller. 

Aufsätze  kurz  beurteilt  werden  sollen,  so  sei  vorausgeschickt,  dass  die  allgemeinen 
Merkmale,  die  bei  der  Abhandlung  über  die  „Räuber"  auffallen,  sich  bei  den  übrigen 
Dramen  gleichfalls  finden  und  deshalb  nicht  wiederholt  werden.  Der  Litterarhistoriker 
redet  in  diesen  Aufsätzen,  nicht  der  Biograph.  Nicht  aus  der  Seele  des  Dichters  lässt 
der  Vf.  langsam  die  Dichtungen  aufkeimen  und  dann  als  etwas  mehr  Zufälliges  die 
äussere  Anregung  befruchtend  in  das  Leben  fallen.  Nein,  umgekehrt:  zu  Anfang  wird 
die  Quellenuntersuchung  geführt,  der  sich  die  äussere  Entstehungsgeschichte  anschliesst ; 
und  dann  erst  wird,  zum  Teil  rekapitulierend  aus  den  biographischen  Abschnitten,  die 
Rubrik  „Erlebtes"  als  eine  Episode  in  die  Betrachtung  eingereiht.  So  nimmt  M.  bei 
den  „Räubern"  den  Ausgang  von  Schubarts  Erzählung,  zerlegt  dann  das  Stück  in  seine 
Hauptmotive,  Vatermord,  Brudermord,  Räuberwesen,  und  führt  eine  Geschichte  jedes 
einzelnen  Motives  vor.  Euer  wäre  Beschränkung  ratsam  gewesen,  auch  auf  Kosten  der 
Vollständigkeit;  denn  man  verliert  die  ,, Räuber"  zeitweise  gänzlich  aus  den  Augen  und 
wird  über  die  Grenzen  einer  Schillerbiographie  weit  hinausgeführt.  Vortrefflich  ist  die 
Erkläi-ung  der  Anlage  des  Stückes  im  ganzen  und  in  seinen  Teilen.  Karl  Moor  steht 
mit  Recht  im  Mittelpunkt  der  Betrachtung  als  die  Eigur,  an  der  Scliillers  Hauptinteresse 
haftete.  Eranz  ist  durchweg  so  sehr  als  Kontrastfigirr  aufgefasst,  dass  sich  hieraus 
manche  Uebertreibungen  der  Charakteristik  ableiten  lassen.  Eür  kleine  Einwände  ist 
hier  kein  Raum.  Die  bühnentechnischen  Vorzüge  der  „Räuber"  sind  vielleicht  etwas 
überschätzt,  und  mancher  wohl  niu-  unbewusst  glückliche  Griff  wird  als  bewusste  Absicht 
gedeutet.  Allzustrenge  theoretische  Erwägungen  darf  man  auch  bei  der  Umarbeitung 
des  Stückes  nicht  voraussetzen;  Schiller  war  damals  noch  kein  berechnender  Dramaturg, 
sondern  ein  naiver  Experimentator,  der  auch  den  zuversichtlich  geäusserten  Ratschlägen 
anderer  gern  sein  Ohr  lieh.  Deshalb  hat  ihn  auch  Timmes  Kritik,  wie  M.  richtig 
betont,  beeinflusst.  Die  glänzenden  Eigenschaften  des  Dialogs  in  den  „Räubern"  hat 
M.  deshalb  so  gerecht  beurteilt,  weil  er  bei  der  Kritik  ebenso  wie  Scliiller  selbst  bei 
der  Abfassung  sich  stets  die  lebendige  Deklamation  auf  der  Bühne  vergegenwärtigte.  — 
Dass  Schiller  das  Motto  der  zweiten  Raub  er- Ausgabe  „In  tirannos"  missbilligt  habe, 
macht  eine  von  Minores)  mitgeteilte  Kundgebung  glaubhaft.  —  Die  Bemerkung 
Berthold  Auerbachs,  dass  in  der  Kosinsky-Episode  schon  die  Keime  zu  „Kabale  und 
Liebe"  liegen,  sucht  Ottmann^^)  durch  zahlreiche  Parallelstellen  zu  stützen.  Vernunft 
wird  Unsinn,  wenn  man  eine  gesunde  Anregung  dermassen  übertreibt.  ^^-92^  — 

In  dem  Eiesco-Kapitel  tritt  Minores)  häufiger  als  bei  den  „Räubern"  urteilend, 
nicht  kühl  referierend  auf.  Hier,  wo  nicht  gar  zu  viele  litterarische  Traditionen  sich 
zwischen  den  Dichter  und  seinen  Stoff  drängen,  ist  auch  die  Entstehungsgeschichte  ein- 
facher und  überzeugender  vorgetragen.  Die  widerstreitenden  Rücksichten,  die  Schiller 
veranlassten,  den  Gesamtplan  und  besonders  die  Katastrophe  mehrmals  zu  ändern,  sind 
sehr  anschaulich  dargelegt.  Auch  ist  von  den  „Räubern"  zum  „Fiesco"  eine  feste  Brücke 
geschlagen  durch  die  geistvoll  durchgeführte  Parallele  zwischen  den  beiden  erhabenen 
Verbrechern  Karl  Moor  und  Eiesco.  Eür  Einzelheiten,  z.  B.  für  die  Charakteristik 
mehrerer  Personen  bleibt  freilich  noch  manches  zu  thun.  9*)  —  Einen  Anfang  dazu  macht 
Kettner  95V  indem  er  die  Bedeutung  des  Mohren  für  das  Drama  zur  Diskussion  bringt. 
Er  sieht  die  Mohrenscenen  der  ersten  Akte  als  lose  eingefügte  Interpolationen  an, 
während  Minor  hier,  wie  in  den  Scenen  des  Hofmarschalls  von  Kalb  in  „Kabale  und 
Liebe",  die  geniale  Führung  der  Handlung  bewundert  und  kleine  Inkongruenzen  als 
Folgen  „perspektivischer  Behandlung"  der  Zeitrechnung  entschuldigt.  — 

Die  Entstehungsgeschichte  von  „Kabale  und  Liebe"  ^ö-^'')  übersichtlich  zu 
erzählen,  ist  ausserordentlich  schwer.  Denn  Schiller  hatte  ursprünglich  nur  die  Absicht, 
ein  zugkräftiges  Theaterstück  zu  schreiben,  und  ist  deshalb  unbedenklich  den  Spuren 
vieler  bühnenkundigen  Vorgänger  gefolgt.  Ein  Litterarhistoriker  kann  demgemäss  den 
Massstab  für  den  Wert  von  Schillers  Leistung  erst  durch  die  Vergleichung  aller  ver- 
wandten Dramen  gewinnen,  gerät  aber  dabei  leicht  in  die  Gefahr,  durch  ein  Zuviel  des 
Details  die  Anschaulichkeit  zu  gefährden.  An  diese  KUppe  ist  auch  Minores)  mehrfach 
angerannt.  Der  Leser  erhält  kein  Bild,  wenn  ihm  ein  seitenlanger  Katalog  von  Theater- 
stücken zugemutet  wird,  in  denen  Standesunterschiede  behandelt  werden.      Sehr  scharf- 


Dramen  Schillers,  zunächst  zu  , Kabale  u.  Liebe".  Festschrift  d.  Kgl.  Gymnasium  zu  Weilburg  zu  seiner  350j.  Jubelfeier  am 
14.  Aug.  1890  gewidmet  v.  Lehrerkollegium  d.  Landwirtschaftsschule  zu  Weilburg.  Leipzig.  40.  S.  25—30.  —  90)  X 
A.  Weiss,  Wiener  Studenten-Theater:  NFPr.  N.  9186.  (Giebt  in  Verbindung  mit  d.  Anzeige  e.  Aufführung  v.  Schillers 
, Räubern"  seitens  d.  Studenten  im  Wiener  Carltheat«r  e.  Ueberblick  über  Schulkomödien  u.  akademische  Aufführungen  in  Wien. 
Vgl.  auch  AZg.  N.  85  u.  o.  IV,  4  N.  199.)  —  91)  X  E.  Krause,  Bericht  über  e.  Auffuhrung  v.  Schillers  „Räubern"  in  Königs- 
berg i/Pr.  mit  Mitterwurzer  als  Franz:  KönigsbergHZg.  N.  7.  —  92)  X  Bericht  über  d.  hergebrachte  Aufführung  d.  „Räuber" 
unter  Mitwirkung  d.  Jenaer  Studenten,  Weimar  5.  Febr.  1890:  ib.  N.  35.  —  93)  S.  o.  N.  1.  —  94)  X  F.  Servaes,  D.  .Julia- 
Episode  in  Schillers  „Fiesco".  Vortr.  geh.  in  d.  Gesellsch.  f.  deutsche  Litt,  in  Berlin:  DLZ.  II,  S.  608.  (Referat;  vgl.  VossZg. 
N.  14.3.)  —  95)  G.  Kettner,  D.  Mohr  in  Schillers  „Fiesko":  VLG.  3,  S.  556—73.  —  96)  X  E-  Müller,  Schillers  Kabale  u. 
Liebe:  KBIGRW.  37,  S.  381—403.  —  97)  X  M.  Kant,  Schillers  „Kabale  u.  Liebe"  am  Berliner  Theater: 
Nution".  8,  S.  107.  (M.  Kent  =r  M.  Uarden.)  —  98)  S.o.  N.  1.  —   99)  X  E.  Schiller,  Don  Carlos,  Infant  v.  Spanien.  E.  .Irain. 


IV,12:  A.  Köster,  Sclüller.  149 

sinnig  hat  M.  dagegen  den  Sinn  der  Umarbeitung  von  „Kabale  und  Liebe"  erkannt 
und  dargelegt,  wie  Bauerbacher  Erlebnisse  mitwirkten,  um  aus  dem  Trauerspiel  der 
Liebe  ein  Trauerspiel  der  Eifersucht  zu  machen.  Dadurch  erklären  sich  am  besten  die 
mancherlei  Widersprüche,  die  sich  zwischen  den  beiden  ersten  und  den  drei  letzten 
Akten  finden.  — 

Die  Entstehungsgeschichte  des  „Don  Carlos"  9«-io3)  hatte  bereits  E.  Elster  über- 
sichtlich dargestellt,  ohne  jedoch  das  Werden  und  Wachsen  des  Stückes  mit  den  Lebens- 
umständen des  Dichters  eng  genug  in  Verbindung  zu  bringen.  Li  diesem  Punkte  ergänzt 
a\ich  Minor  104)  seinen  Vorgänger  nicht  hinreichend.  Dagegen  hat  er  auf  S.  546  seines 
zweiten  Bandes  einen  entscheidenden  Schritt  über  ihn  hinaus  gethan.  Schade,  dass  die 
Bedeutung  dieses  Schrittes  in  der  Darstellung  nicht  recht  klar  wird.  Bei  konsequenterer 
Durchführung  hätte  sich  das  Carlos-Drama  in  seiner  zweiten  Entwicklungsphase  im 
wesentlichen  als  eine  Tragödie  zwischen  Vater  und  Sohn  darstellen  müssen.  Die  dritte 
Entwicklungsphase  hat  M.  besonders  genau  behandelt.  Ausgehend  von  der  grossen 
Unterredung  zwischen  Philipp  IL  und  Posa  definiert  er  den  „Don  Carlos"  letzter 
Passung  als  ein  Drama  der  Fürstenerziehung.  —  Auch  die  Textgeschichte  des  Stückes 
ist  durch  ein  paar  Punde  bereichert  worden.  Minor  ^^s)  veröffentlicht  eine  interessante 
Ueberarbeitung  der  ersten  Scenen  des  jetzigen  dritten  Aufzugs  sowie  den  nachgedichteten 
Monolog  Posas  mit  Varianten  nach  Schillers  eigener  Handschrift  bezw.  nach  authen- 
tischen Kopien.  — 

Ueber  die  in  der  „Deutschen  Nationallitteratur"  gebotene  Ausgabe  des  „Wallen - 
stein"  106-111)  igt  bereits  oben  (N.  51)  das  Nötige  gesagt  worden.  Von  gleicher  Be- 
schaffenheit wie  die  dort  gegebenen  Anmerkungen  sind  auch  Birlingers  n^)  selbständig 
erschienene  Miscellen.  —  Die  neue  Auflage  von  DüntzersH^)  Wallenstein-Erläuterung 
zeigt,  dass  der  Vf.  nach  wie  vor  in  allen  Einzelkenntnissen  auf  der  Höhe  der  Forschung 
bleibt.  Einer  ausreichenden  Würdigung  des  Kunstwerks  im  Ganzen  steht  die  nüchterne 
Auffassung  des  Erklärers  im  Wege.  — 

Während  das  Interesse  für  ,, Maria  Stuart"  Ii4-ii5)  im  Berichtsjahre  nur  gering 
war,  blühte  eine  um  so  reichere  Litteratur  über  die  ,, Jungfrau  von  Orleans"  aufuß-n^). 
In  Frankreich  schwanken  noch  immer  die  Meinungen ii9-i22)^  ob  man  Johanna  zur  welt- 
lichen Schutzpatronin  Frankreichs  oder  zur  Heiligen  machen  soll.  Wildes  Revanclie- 
geschrei  dringt  dabei  bisweilen  zu  uns  herüber.  123)  Aber  der  Streit  hat  auch  sein  Gutes. 
Gegenüber  der  Blindheit  oder  Verblendung  mancher  ultramontanen  Schriftsteller  muss 
die  unbefangene  Kritik  immer  wieder  das  Wort  ergreifen.  Und  eins  der  wichtigsten 
Abwehrmittel  ist  der  Quellennachweis  für  althergebrachte  Irrtümer  und  Vorurteile.  Aus 
diesem  Grunde  geht  man  durch  die  Jhli.  hindurch  den  Wandlungen  nach,  welche  die 
Beurteilung  der  Johanna  Darc  erlebt  hat.  Und  dabei  ist  manche  Dichtung  einfluss- 
reicher gewesen  als  die  historische  Darstellung;  auch  Schillers  romantische  Tragödie 
nimmt  einen  wichtigen  Platz  in  der  Geschichte  der  öffentlichen  Meinung  über  die  Jung- 
frau von  Orleans  ein.  Seine  Auffassung  von  Johannas  Wesen  ist  oft  derjenigen  Shake- 
speares gegenübergestellt.  Auch  Wetz  124)  hebt  diesen  Gegensatz  („Shakespeare"  S. 
81/5,  104/5)    hervor,  doch  nur,  um  die  verschiedenartigen  Mittel    der  Charakteristik    bei 


Gedicht.  Mit  Einl.  u.  Anmm.  her.  v.  W.  Swohoda.  (=Hölders  Klassiker -Ausgaben  ftlr  d.  Schulgebraueh.  Heft  21  u.  22.) 
Wien,  Holder.  XIV,  213  S.  Jedes  Heft  M.  0,50.  —  100)  X  W.  Maurenbrecher,  Don  Carlos  in  Gesch.  u.  Dichtung.  Vortr. 
geh.  in  d.  Verein  d.  Litt.-Freunde  zu  Wien:  NFPr.  N.  9186.  (Kurzes  Referat.)  —  101)  X  H.  Bulthanpt,  „Don  Carlos"  auf 
d.  Bremer  Stadttheater:  VVeserZg.  N.  15483,  auch  BostockZg.  N.  43.  (Marquis  Posa  soll  ftirderhin  nicht  mehr  auf  seinem 
Mantel  d.  achtstrahlige  Kreuz,  d.  Abzeichen  e.  katholischen  Ritterordens,  tragen,  weil  sonst  d.  Frage  d.  Königs  „Ihr  seid  ein 
Protestant?"  sinnlos  sei.)  —  102)  X  M.  Kent,  Don  Carlos  auf  d.  [Berliner]  HofbUhne:  Nation».  7,  S.  554/6.  —  103)  X  Notiz 
über  d.  beabsichtigte  Aufführung  d.  „Don  Carlos"  im  Odeon-Theater  in  Paris:  TglRsu.  N.  30.  —  104)  S.  o.  N.  1.  —  105)  S.  o. 
N.  2.  (S.  92  ff.)  —  106)  X  Schillers  Wallenstein.  E.  dramat.  Gedicht.  Stuttgart,  Krabbe.  16".  412  S.  M.  3,00  geb.  —  107)  X  Notiz  über 
d.  Anachronismus  v.  Blitzableiter,  Piccolomini  v.  234  f.:  LZg».  N.  131.  (Birlinger  meint  in  seiner  Ausgabe  [s.  o.  N.  51],  Schiller 
habe  an  d.  elektrischen  Telegraphen  gedacht!)  —  108)  X  Bericht  über  d.  Aufführung  d.  „Wallenstein"  im  Berliner  Theater. 
5.  April  1890:  KreuzZg.  N.  162;  Reichsb.  N.  88;  H.  Hart:  TglRs.  N.  82;  NatZg.  N.  202.  —  109)  X  Ausführl.  Besprechung  e. 
Aufführung  d.  „Wallenstein"  im  neuen  deutsehen  Theater  in  Prag:  Bohemia».  N.  49,  51.  —  MO)  Adolf  Sonnenthal  als  Wallen- 
stein: HarabCorr.  N.  228.  —  III)  X  E.  russischer  Kritiker  über  Schillers  „Wallenstein":  Post  N.  118.  (Uebersetzung  e.  Stelle 
aus  e.  Theaterkritik  in  d.  Nowosti  Deja  über  d.  Aufführung  d.  Stückes  in  Moskau;  vgl.  BLU.  N.  23.)  —  112)  A.  Birlinger, 
Zu  Schillers  Wallenstein:  Alemannia  18,  S.  187—91.  —  113)  H.  Düntzer,  Schillers  Wallenstein.  Erläutert.  5.  neu  durchges. 
Aufl.  (=Erläutt.  zu  d.  Deutsehen  Klassikern.  3.  Abt.:  Erli.  zu  Schillers  Werken.  17.  18.  Wallenstein.)  Leipzig,  Wartig.  349  S. 
M.  2,00.  —  114)  X  M.  Sehmerl,  D.  Bau  v.  Schillers  Maria  Stuart:  ZDU.  4,  S.  43  ff.  —  115)  X  F-  Schiller,  Marie  Stuart,  texte 
allemand,  preeödö  d'une  analyse  littöraire  de  Mme.  de  Staßl  et  publiö  avec  des  notes  explicatives  par  Th.  Fix.  Nouvolle  Edition. 
Paris,  Hachette.  12.  X,  212  S.  —  116)  X  Bericht  über  e.  Aufführung  v.  F.  Budharts  Konzert-Ouvertüre  zu  Schillers  „Jungfrau 
V.  Orleans"  in  Neuwied  20.  März  1890:  KZg.  N.  96.  —  117)  X  Di"-  Seh.,  D.  Jungfrau  v.  Orleans  bei  Schiller  u.  bei  Shakespeare: 
WeserZg.  N.  15567.  —  118)  X  E.  Müller,  Ueber  d.  Verheiratung  d.  Jungfrau  v.  Orleans:  KBIGRW.  37,  S.  479-86.  — 
119)  X  A.  Sorel,  La  prise  de  Jeanne  d'Arc  devant  Compiegne  et  l'histoire  des  sieges  de  la  meme  ville  sous  Charles  VI  et 
Charles  VII  d'apres  des  documents  in^dits.  Avec  vues  et  plans.  Paris,  Picard.  XII,  383  S.  Fr.  10,00.  —  120)  X  !'•  Kaufmann, 
Zerstörung  e.  Legende:  HambCorr.  v.  14.  Jan.  —  121)  X  D.  Jungfrau  v.  Orleans,  D.  Ende  e.  Legende:  SchorcrFamBl.  11,  N.  9. 
—  122)  X  A.  France,  Vie  litteraire  vol.  2.  Paris,  Calman  Lövy.  (Enthält  e.  Aufsatz:  Jeanne  d'Arc  et  la  poesie.  [vgl.  Figaro 
N.  85.])  —  123)  X  H.  Welschinger,  Jeanne  d'Arc  dans  l'histoire  et  dans  la  poösie.  Vortr.  v.  16.  März  1890  in  d.  Sooi6t6 
des  ^tudes  historiques.    Aniiens.  31  S,  —  124)  S.  o,  1,1  N.  5.    —    125)  Le  Comte  de  Puymaigre,  Jeanne  d'Arc  au  th6atre 


150  IV,12:  A.  Köster,  Schiller. 

beiden  Dichtern  zu  zeigen.  —  Nur  mit  der  dramatischen  Litteratur  über  die  Jungfrau 
beschäftigt  sich  der  Graf  Puymaigre  ^25)j  er  weist  besonders  gründlich  den  Einfluss 
von  Sclüllers  Tragödie  auf  die  neueren  französischen  Bearbeitungen  desselben  StofTes 
nach.  —  Das  gesamte  historische  und  litterarhistorische  Material  sucht  Mahrenholzi26-i27^ 
zu  bewältigen  und  ansprechend  für  die  Darstellung  zu  verwerten.  Auf  Schillers  Drama 
kommt  er  nur  vorübergehend  (S.  157 — 60)  zu  sprechen;  aber  sein  unbefangenes  Urteil 
wird  gleichermassen  dem  Historiker  Schiller  und  dem  Patrioten  wie  dem  Dichter  gerecht. 
Gerade  diese  höheren  Gesichtspunkte  vermisst  man  in  fast  allen  Publikationen  der 
letzten  Jahre  über  die  „Jungfrau  von  Orleans".  —  Kritisch  ziisammengefasst  wird  diese 
ganze  Litteratur  bei  Beckhaus  128)  ^md  Ullsperger  129)^  ohne  dass  die  eigenen  An- 
sichten dieser  Vff.  uns  wesentlich  fördern.  —  Eine  sehr  anerkennenswerte  Ausgabe  des 
Stückes  für  englische  Leser  veranstaltete  Buchheim  ^^O).  — 

In  die  Vorarbeiten  zum  „Teil"  l^^-^^g)  führen  uns  zwei  kleine  Publikationen 
bei  Schwenckei^o)  g.  3  £f.  und  Minor  ^^i^g.  110  f.  ein.  Sie  beweisen  beide,  dass 
tu-sprünglich  Gessler  eine  weit  ausgedehntere  Rolle  spielen  sollte,  als  er  jetzt 
inne  hat.  — 

Die  Litteratur  zu  den  Ueberseizungen  1*2-146)  ^nd  Entwürfen  i^'^-^^S)  war 
gering.  Den  Brief,  in  welchem  Carl  August  seinen  Plan  einer  Martinuzzi-Tragödie, 
die  er  von  Schiller  wünschte,  darlegt,  aber  gleichzeitig  wieder  verwirft,  hat  Minor '49) 
S.  105  ff.  ans  Licht  gezogen.  —  Unter  den  Ergänzungen  des  Demetrius -Fragmentes i^**) 
(vgl.  N.  30)  behauptet  die  von  Laube  151-152)  nach  wie  vor  die  erste  Stelle.  —  Eine  bis- 
her unbekannte  Scene  des  „Demetrius"  legt  Minor  153)  S.  117  ff.  vor.  Sollte  er  mit  der 
auffälligen  Vermutung  recht  haben,  dass  Charlotte  die  Vf.  dieser  Scene  sei,  so  würden  wir  hier 
einen  Beweis  ihrer  Pietät,  aber  nimmermehr  ihres  Talentes  besitzen.  Gewichtigere 
Gründe  aber  sprechen  dafür,  dass  Schiller  selbst  in  einer  Zeit  der  Krankheit  diese 
Bruchstücke  diktiert  und  später  verworfen  hat.  —  Die  Quellenfrage  zu  Schillers  „Braut 
der  Hölle"  ist  noch  immer  unbeantwortet,  weil  der  Text  des  Spieles,  auf  das  Goethe 
(vgl.  Brief  an  Schiller  1.  Aug.  1800)  durch  Tieck  geführt  war,  nicht  bekannt  ist. 
Jetzt  weist  Ellingeri54)  auf  ein  nur  sehr  entfernt  verwandtes  Puppenspiel  hin,  das 
er  hs.  in  der  Grossherzoglichen  Bibliothek  zu  Weimar  gefunden  hat  und  nun  im  Aus- 
zug mitteilt:  „Faustina,  das  Kind  der  Hölle.  Posse  in  einem  Aufzug,  aus  den  Zeiten 
der  Kreuzzüge".  — 

Damit  ist  die  Schillerlitteratur  des  Jahres  1890  erschöpft;  denn  alle  die  ver- 
schiedenen   kleinen    Anzeigen    und  Becensionen    zu  buchen,    kann    nicht  Aufgabe  der 


1439—1890.  Paris,  Savine.  II,  115  S.  |[RCr.  N.  28;  LittMerk.  10,  S.  264;  R.  Mahrenholtz:  ASNS.  85,  S.  447.]|  — 
126")  X  R-  Mahrenholtz,  Unberufene  Verbesserer  v.  Schillers  „Jungfrau  v.  Orleans":  MLJA.  59,  S.  7.53/4.  (Lässt  d.  durch 
Schiller  beeinflussten  Johanna-Dramen  Kevue  passieren.)  —  I27f  id.,  Jeanne  Darc  in  Gesch.,  Legende,  Dichtung  auf  Grund 
neuerer  Forschung  dargest.  Leipzig,  Renger.  IV,  174  S.  mit  e.  Kärtchen.  M.  4,00.  |  [BLU.  N.  30;  Pfister:  RCr.  N.  8i/3; 
Sarrazin:  LittMerk.  10,  S.  417;  FrankfJ.  N.  330.]|  (Vgl.  ASNS.  84,  S.  336.)  —  128)  H.  Beckhaus,  Zu  Schillers  Jungfrau 
V.  Orleans.  Progr.  d.  Gymn.  Ostrowo.  40.  27  S.  —  129)  F.  Ullsperger,D.  schwarze  Ritter  in  Schillers  , Jungfrau  v.  Orleans" 
9.  JB.  d.  K.  K.  Staats-Obergymn.  in  Prag-Veustadt.  Prag,  Selbstverlag  d.  Gymn.  31  S.  —  130)  Schillers  Jungfrau  v.  Orleans 
■with  an  historical  and  critical  introduction  etc.  by  C.  A.  Buchheim.  Oxford,  Clarendon  Press.  LVI,  272  S.  ([Lawrence: 
MLN.  5,  S.  8;  Ac.  38,  S.  172;  Ath.  N.  3280.]  |  —  131)  X  id.,  Wilhelm  Teil.  E.  Schauspiel.  lUustr  v.  F.  Schwörer.  (Enth.  6  Heliogrr., 
2  Typogravv.  u.  50  Holzschnn.)  Mtlnchen,  Stroefer.  40.  102  S.  geb.  mit  Goldschn.  M.  15,00.  —  132)  X  id.,  Wilhelm  Teil. 
Schauspiel.  Schulausg.  Mit  e.  Karte  her.  v.  L.  Sevin.  (=  Meisterwerke  d.  deutschen  Litt,  in  neuer  Ausw.  u.  Bearbeitung  fUr 
höh.  Lehranstt.,  her.  v.  K.  Holdermann  u.  L.  Sevin.  2.  Bdchn.)  Berlin,  Reuther.  119  S.  M.  0,60.  -  133)  X  id.,  Wilhelm 
Teil.  Schauspiel.  Edited  with  introduction,  English  notes,  maps  etc.  by  K.  Breul.  Cambridge,  üniversity  Press.  LXXl,  267  S. 
|[Ath.  S.  434  u.  472;  Imelmann:  ASNS.  84,  S.  66.]|  (Empfiehlt  sich  fllr  Schulzwecke  durch  d.  gute  Zusammenfassung  d. 
Erläuterungsmaterials.)  —  134)  X  'd.,  Wilhelm  Teil.  Texte  alleraand,  publik  avec  une  introduction,  une  analyse  littc^rnir.'  et  ilrs 
notes  gramraaticales,  historiques  et  göographiques  par  Th.  Fix.  Paris,  Hachette.  12".  XXIV,  239  S.  —  135)  X  'd-.  i'iiill;iuiiii' 
Teil,  trag6die.  Edition  classique,  pr6c6d6e  d'une  notice  littöraire  par  E.  Hallberg.  Paris,  Delalain  freros.  XX,  l^()  S.  — 
136)  X  id.,  Guillaume  Teil  pr6c6d6  d'une  notice  biographique  par  Ph.  Chasles  et  aecompagnö  de  notes  historiques,  "jiMifiraphiiiuos 
et  grammaticales  par  H.  A.  Birmann.  Paris,  Garnier  freres.  12".  XII,  142  S.  et  carte  —  137)  X  R-  v.  Gottscliall.  Die 
Leipziger  Neuinscenierung  v.  Schillers  „Teil":  LeipzTBl.  N.  65.  (Vgl.  LZg.  N.  53.)  —  138)  X  Ankündigung  d.  100.  AutniJinini,' 
„Teil"  am  Wiener  Burgtheater:  NFPr.  N.  9179.  —  139)  X  Notiz  über  d.  Plan,  im  Juli  1891  z.  600.  Gründungsfeier  d.  schwri/..  Kid- 
genoss.  „Teil"  bei  KUsnacht  im  Freien  aufzuführen:  Bohemia  N.  81.  (vgl.  SchwäbMerk.  N.  70.)  —  140)  S.  o.  N.  30.  —  141) 
S.  0.  N.  2.  —  142)  X  Scenen  a.  d.  „Phönizierinnen"  d.  Euripides  in  Schillers  Uebertragung  am  Berliner  Theater:  M.  llarde  n  ,  Go- 
genw.  8.  173;  Nation».  7,  S.  339;  Deutschland  1,  S.  411 ;  TglRsi.  N.  56.  (S.  auch  FZg.  N.  69 :  d.  Aufführung  im  Berliner  Theater  war 
nichtdieerste,  das  Stück  ist  schon  etwa  18  Jahre  früher  in  Frankfurt  a.  M.  mit  Barnay  als  Eteokles  zu  Schillers  Geburtstag  ge- 
geben.) —  143)  XX  B-  Schmidtmayer,  Schillers  Iphigenie  in  Aulis  u.  ihr  Verhältnis  z.  gleichnamigen  Drama  d.  Euripides. 
19.  Progr.  d.  deutschen  Gymn.  Budweis.  (Erst  e.  Bruchteil  d.  Arbeit  ist  erschienen.)  —  144)  X  Bericht  über  e.  Neu-AiiiViiliniiiL; 
V.  Gozzi-Schillers  „Turandot"  im  Kgl.  Schauspielhaus  zu  Berlin,  31. Dez.  1889:  K.  Frenzel:  NatZg.  N.  2;  Hart:  TglKs' .  'S.  ■2: 
VossZg.  N.  1;  A.  Rosenberg:  Post  N.  2.  —  145)  X  Schiller,  Oncle  et  neveu,  comödie  publiöe  et  auuotöe  par  A.  i'oy. 
3.  «dition.  Paris,  Delagrave.  120,  65  S.  —  146)  X  id.,  Der  Neffe  als  Onkel.  Edited  by  Raddatz.  Boston,  AUyn  and  Bacon. 
|[Wilaon:  MLN.  5,  S.  89.]|  —  147)  K.  W.  Geissler,  Schillers  dramatische  Entwüife.  E.  Blick  in  d.  Werkstatt  d.  Dichters: 
LZgB.  N.  136,  8.  537—40.  (Strotzt  v.  Fehlern.)  —  148)  X  Aufführung  d.  Tragödie  „Die  Maltheser"  mit  teilweiser  freier  Be- 
nutzung d.  Schillerschen  Entwurfes  von  H.  Bulthaupt  in  Hannover:  HannCour.  N.  16348.  (Vgl.  WeserZg.  N.  15.556.)  —  149)  S.o. 
N.  2.  —  150)  X  Timär  Päl,  Schiller  Demotriusa:  Egyet^mes  Philologiai  Közlöny.  (Vgl.  PestLl.  N.  76.)  —  151)  X  H.  Laube, 
Demetrius.  Hist.  Trauerspiel  in  5  Akten.  Mit  Benutzung  d.  Schillerschen  Fragments  bis  z.  Verwandlung  im  2.  Akte.  3.  Aufl. 
Dramatische  Werke.  Volksausg.  11.  Band.  Leipzig,  Weber.  1?4  8.  M.  1.00.  —  152)  X  K''l>erlint  D-  Laubesche  „Demetrin.«i":MLJA. 
69,  S.  38-42.  — 153)  S.  o.  N.  2.  -  154)  G.  Ellinger,  D.  Braut  d.  Hölle:  ZDl'h.  23,  S.  286.  (vgl.  o.  IV,  4  N.  143.)  -   155)  M 


IV,12:  A.  Köster,  Schiller.  151 

JBL.  sein.  Als  Vorläufer  vmserer  eigenen  Ueberscliau  seien  zwei  Aufsätze  von  M. 
Koch  155)  genannt,  welche  sehr  instruktiv  über  die  wichtigsten  Erscheinungen  in  der 
Schillerlitteratur  der  letzten  Jahre  berichten.  —  Von  sonstigen  Besprechungen  älterer 
Werke  findet  in  den  Anmerkungen  nur  eine  beschränkte  Anzahl  Platz  156-169)  j  besonders 
hervorgehoben  sei  die  ausführliche  Kritik  Kettners  i''0)  über  Elsters  „Don  Carlos".  — 
Ein  paar  Schriften,  welche  oben  nicht  bequem  einzuordnen  waren,  mögen  hier  ihren 
Platz  finden  171 -175)^  nebst  etlichen  Anekdoten  und  Notizen  i'^ß-i^?),  wie  sie  alljährHch 
durch  die  Tagesblätter  laufen  und  das  Interesse  für  unseren  volkstümlichsten  Dichter 
wachhalten.  — 


IV,13 

Romantik, 

Oscar  F.  Walzel. 

Allgemeines  N.  1.  —  Aeltere  Romantik:  ScLlegelscher  Kxeis:  Friedrich  Schlegel  N.  5;  August  Wilhelm 
Schlegel  N.  10;  Sehelling  N.  13;  Caroline  Schlegel,  Dorothea  Schlegel  und  Philipp  Veit  N.  15.  —  Savigny  N.  20.  —  Tieck 
N.  22.  —  Schleiermacher  N.  25.  —  Hölderlin  N.  30.  —  Jüngere  Romantik:  Heidelberger  Kreis:  Arnim  N.  32;  Brentano 
N.  40;  Zimmer  N.  42.  —  Schwaben:  Uhland  N.  43;  Waiblinger  N.  48.  —  Norddeutsche:  Ernst  Schulze  N.  52;  Charlotte  Stieglitz 
N.  59;  Eichendorif  N.  64.   —  Schlippenbach  N.  69.  — 

Eine  neue  allgemeine  Darstellung  der  Romantik  wird  durch  Julian  Schmidt  i) 
geboten;  mit  der  ihm  eigentümlichen  Leichtigkeit  hat  er  das  im  zweiten,  zum  Teil  auch 
im  ersten  Bande  seiner  ,, Geschichte  der  deutschen  Litteratur  seit  Lessings  Tod"  (5.  Aufl. 
1866)  enthaltene  Citatenmaterial  ganz  neu  disponiert  und  ein  Gesamtbild  der  deutschen 
Litteratur  zur  Zeit  der  Romantik  gewährt.  Allerdings  hat  eine  erschöpfende  Ausnützung 
des  Materiales  und  der  Eorsclmngen,  die  seit  1866  zu  Tage  getreten  waren,  nicht  statt- 
gefunden. Gleichwohl  begegnen  neueingefügte  Citate  aus  den  Briefen  E.  Schlegels  an 
seinen  Bruder  nach  Haym,  dann  aus  den  Briefen  des  Hardenbergs chen  Kreises  nach 
Raich;  ein  Kapitel  über  Caroline  dankt  der  Publikation  von  Waitz  seinen  Ursprung  (S.  5); 
die  Berliner  Vorlesungen  Wilhelms  und  mit  ihnen  die  Calderonübersetzung  wurden 
einbezogen  (S.  171).  Bei  der  Behandlung  Hölderlins  wird  (S.  275)  die  Erage  neu  auf- 
geworfen, ob  er  eine  problematische  Natur  gewesen  sei  oder  ob  er  vielmehr  bloss  das 
geistige  Klima  nicht  gefunden  habe,  dessen  seine  zarte  Organisation  bedurfte.  Im 
ganzen    fördert    indessen  die  Neubearbeitung    unsere  Kenntnisse  nicht  wesentlich,  wenn 


Koch,  Neuere  Schiller-Litt. :  BFDH.  NF.  6.  S.  74—126,  547—74.  —  156)  X  L-  Fränkel,  Beckhaus,  Schillers  Macbeth.  1889: 
BLU.  N.  52.  —  157)  X  G.  Kettner.  Bellerniann,  Schillers  Dramen  1:  ZDPh.  23,  S.  487.  —  158)  X  J-  Minor,  Bellermaun, 
Schillers  Dramen  1:  DLZ.  11,  S.  342,'3.  —  159)  X  0.  H[arnack],  Bellermann,  Schillers  Dramen  1:  PrJbb.  65,  S.  702.  — 
160)  X  E.  Elster,  Brahm,  Schiller  1:  LBGRPh.  11,  S.  101.  -  161)  X  G.  Kettner,  Cless,  D.  Künstler:  ZDPh.  23,  S.  490. — 

162)  X    L.    Bauer,  DUntzers  Erll.    zu    Schillers    lyrischen    Gedichten    u.    z.    Braut    von    Messina:    BBG.    26,    S.    560/1.    — 

163)  X  A.  Jung,  Geil,  Schillers  Ethik:  PhilosMh.  26,  S.  366.  —  164)  X  A.  Baldi,  Goldschmidt,  Schillers  Weltanschauung 
u.  d.  Bibel:  BBG.  26,  S.  208.  —  165)  X  H.  Bulthaupt,  Kühnemann,  Schillers  Kantische  Studien:  WeserZg.  N.  15594.  — 
166)  X  F-  Munoker,  Philippi,  Schillers  lyrische  Gedankendichtung:  BBG.  26,  S.  563.  —  167)  X  W.  Creizenaeh,  Weltrich, 
Schiller.  2.  Lief.:  LCBl.  S.  363/5.  —  168)  X  G.  Portig,  Werder,  Wallenstein :  BLU.  N.  1.  -169)  X  F-  Muncker,  Zimmer- 
mann, Versuch  e.  Schillerschen  Aesthetik:  BBG.  26,  S.  562.  —  170)  G.  Kettner,  Elster,  Entstehungsgeseh.  d.  Don  Carlos: 
ZDPh.  23,  S.  481/6.  —  171)  X  L-  Rudolph,  Schiller-Lexikon.  Erläuterndes  Wörterbuch  zu  Schillers  Dichterwerken  unter 
Mitwirkung  von  K.  Goldbeck  bearbeitet.  2.  Ausg.  2  Bde.  Berlin,  Nicolai.  XVIII,  560  u.  603  S.  M.  6,00.  (Ist  nur  Titel- 
autlage.) —  172)  X  L.  Berg,  Z.  Psychologie  Schillers  oder  Idealismus  u.  Pessimismus:  Zeitgenosse.  S.  59—61.  (D.  Vf.  ent- 
deckt in  Schillers  Geistesentwicklung  immer  grössere  Annäherung  an  Ibsen.)  —  173)  X  A.  Wechsler,  Lichtstrahlen  aus 
Schillers  Werken.  Leipzig,  Opetz.  190  S.  M.  1,00.  (Alphabetische  Ordnung  d.  landläufigen  Citate  z.  tägl.  Gebrauch.  Vgl. 
LittMerk.  10,  S.  400.)  —  174)  X  L.  Bahlsen,  Ueber  d.  Gründe  d.  Popularität  Schillers.  E.  Vortr.:  COIRealschulw.  17, 
S.  657—68.  —  175)  X  B.  Köhler,  Trachtenbilder  flir  d.  Bühne,  gezeichnet  u.  beschrieben.  1.  Jahrg.  2.  Lief.:  Die  Räuber, 
e.  Schauspiel  v.  F.  Schiller.  Berlin,  Pasch.  40.  M.  4,00.  (Vgl.  o.  IV,4  N.  183a.)  —  176)  X  E.  Anzeige  Schillers  (d.  bekannte 
Notiz  in  d.  Gothaischen  Gelehrten  Zeitungen  über  d.  Buhnenbearbeitung  d.  „Fiesco",  datiert  12.  Okt.  1783):  Didask.  N.  5.  — 
177)  X  Laura:  LBSW.  S.  224.  (E.  Gedicht  v.  d.  hochedlen  Fräulein  Laura,  das  in  H.  Kurz'  Roman  „Schillers  Heimatjahre* 
auftritt.)  —  178)  X  Feier  d.  50j.  Bestehens  d.  Leipziger  Schiller-Voreins:  AZg.  N.  315.  —  179)  E.  Engelmaun,  Gedicht  z. 
Schillerfest  in  Stuttgart  11.  Mai  1890:  MagdebZg.  N.  242.  —  180)  X  Schiller  als  Reiter  (aus  N.  2):  Didask.  N.  98.  S.  392. 
(Auch:  MUnchNN.  N.  190;  MagdebZg.  N.  213;  LZg.  N.  96;  HannCour.  N.  16390;  RostockZg.  N.  213.)  —  181)  X  F.  Schiller  an 
d.  Influenza  erkrankt:  BadLZg.  N.  1.  (Aus  e.  Brief  an  Dalberg  1782.)  —  182)  X  D-  Honorare  Schillers,  welche  er  für  d.  Auf- 
führung seiner  Werke  an  d.  Beriiner  Hofbühne  erhielt:  HannCour.  N.  16206.  (Aus  d.  TglRs.)  —  183)  X  Notiz  über  d.  d. 
Schillerhause  in  Marbach  am  9.  Mai  vermachten  Bilder  d.  Schillerschen  Familie:  KönigsbergHZg.  N.  114.  (Auch  FZg.  N.  132; 
SchlesZg.  N.  333;  TglRs.  N.  111  usw.)  —  184)  X  Wenn  man  Schiller  salutiert:  NFPr.  N.  9295.  (Schiller  =  Schillerdenkmal  in 
Wien.)  —  185)  X  Notizen  über  d.  Verbleib  zweier  Schiller-Reliquien  (e.  Petschafts  u.  e.  Spiegels):  MUnchNN.  N.  25  u.  56.  — 
186)  X  Notiz,  betreffend  d.  Fürsorge  für  d.  Goethe-Schiller-Denkmal  u.  Schillers  erste  Begräbnisstätte  in  Weimar:  SchwäbMerk. 
N.  87.  (Vgl.  FZg.  N.  102.)  —  187)  X  F.  Freudenberg,  D.  arme  Schiller!:  BLU.  N.  1.  (VgL  Bund».  N.  2;  NZürchZg.  N.  53. - 

I)  S.  0,  IV,  1  N.  1.  —  2)  S.  0,  IV,  1  N.  14.  -  3)  H.  Conrad,  Carlyle  über  deutsche  Romantiker:  DWBl.  3,  S,  21/4. 


152  IV,  13:  0.  F.  Walzel,  Romantik. 

auch  dem  Buche  nach  wie  vor  der  Ruhm  bleibt,  die  übersichtHchste  Darstellung  der 
ganzen  älteren  und  eines  guten  Stückes  der  jüngeren  Romantik  zu  sein.  2)  —  H.  Con- 
rads 3)  Zusammenstellung  Carlylescher  Urteile  über  Tieck,  Fouque,  E.  T.  A.  Hoffmann 
wh-d  durch  die  Zugabe  eigener  Fehlurteile  nicht  förderlicher.  —  Interessant  ist  Percys  *) 
Nachweis,  dass  das  Wort  „romantic"  sich  schon  1654  bei  John  Evelyn  findet.  — 

Für  die  Zeit  der  älteren  Romantik  stand  während  des  Berichtsjahres  der 
Schlegelsche  Kreis  im  Vordergrunde  des  Interesses.  Die  von  Walzel  ^)  veranstaltete 
umfangreiche  Ausgabe  der  Briefe  Friedrich  Schlegels  an  seinen  Bruder  August 
W^ilhelm  überlieferte  endlich  dem  allgemeinen  Gebrauche  ein  Material,  das  vor  zwanzig 
Jaliren  für  Haym  und  Dilthey  die  Hauptquelle  ihrer  Arbeiten  über  die  älteren  Roman- 
tiker gewesen  war.  Da  auch  Waitz  in  seiner  „CaroHne"  einzelne  Bruchstücke  der  ge- 
genannten Briefe  mitgeteilt  hatte,  entbehrt  die  Veröffentlichung  für  die  Jahre  1791 — 1803 
des  Interesses  völliger  Neuheit.  Wenn  auch  gelegentlich  einige  bisher  nicht  gegebene 
Hinweise  möghch  waren ,  z.  B.  auf  W.  Schlegels  Uebersetzung  einer  politischen  Bro- 
schüre Rendorps  (S.  71  Anm.  1),  seine  Amsterdamer  Abhandlung  über  Euphonie  (S.  160 
Anm.  1),  F.  Schlegels  erste  Recension  (S.  46  Anm.  2),  so  beweist  doch  im  ganzen  die 
Veröffentlichung  der  Briefe  aus  der  genannten  Periode  nur  die  grosse  Genauigkeit,  mit 
der  Haym  und  Dilthey  das  Material  verwertet  haben.  Immerhin  bleibt  der  Vorteil,  dass 
liier  einzelnen  zersplitterten  Notizen  gegenüber  ein  Gesamtbild  der  Korrespondenz  vor- 
gelegt wird,  umsomehr  dem  Buche  gewahrt,  als  Haym  zum  grössten  Teile  nur  in  den 
Nachträgen  seines  Werkes  die  genannten  Schriftstücke  hat  benützen  können.  Für  die 
Jahre  1803 — 11  haben  sich  keine  Briefe  finden  lassen.  Dagegen  zieht  sich  durch 
die  Zeit  von  1811 — 28  ohne  grössere  Lücken  eine  Brieffolge,  die  zum  ersten  Male  diese 
Periode  von  F.  Schlegels  Leben  im  Zusammenhange  übersehen  lässt;  führt  ja  doch 
Raichs  „Dorothea  von  Schlegel"  nur  bis  1816.  F.  Schlegels  Thätigkeit  am  Frankfurter 
Bundestag  (1815 — 18),  seine  unter  Metternichs  Aegide  durchgeführte  italienische  Reise  tritt 
zum  ersten  Male  in  helleres  Licht.  In  den  letzten  Jahren  seines  Lebens,  die  theolo- 
gischen Zwecken  gewidmet  sind,  erkalten  allmählich  die  Beziehungen  zu  dem  Bruder; 
sichtlich  hält  F.  Schlegel  ihm  gegenüber  mit  seinen  Absichten  hinter  dem  Berge.  Die 
letzten  Briefe  sind  Dokumente  des  vollständigen  Bruches.  Von  W.  Schlegels  Antworten 
sind  nur  sechs  (S.  487  f.  652  f.  656  ff.  660  f.)  und  auch  diese  nur  in  Abschriften  erhalten: 
Dorothea  hatte  auf  seinen  Wunsch  nach  Friedrichs  Tode  verbrannt,  was  sie  von  seinen 
Briefen  in  Händen  liatte.  —  Das  hier  vorgelegte  Material  hat  sofort  zu  neuen  Studien 
Anlass  gegeben.  Levy-Bruhls  6)  geistreicher  Essay  über  die  Schlegel  und  über  den 
Kreis  L.  Tiecks  ist  reich  an  fesselnden  und  anregenden  Werturteilen,  ohne  indessen  die 
historische  Erkenntnis  der  Romantik  wesentlich  zu  fördern.  Die  Formeln,  auf  welche 
Tieck  („docilite  trop  mobile,  accent  de  sincerite  precieuse")  und  Wackenroder  („sincerite 
profonde")  zurückgeführt  werden,  nützen  wenig;  dass  F.  Schlegel  ein  „pedant"  genannt 
wird,  lässt  sich  reclitfertigen.  Die  „Lucinde"  durch  die  „maladresse  plastique"  der 
Deutschen,  wie  sie  in  der  bildenden  Kunst  der  Zeit  erscheint,  zu  erklären,  ist  ein  Fehl- 
griff. —  Ebenso  wie  Levy  -  Brühl  verwertet  auch  Fester'')  die  neue  Ausgabe  der 
Schlegelbriefe  in  seinem  Kapitel  über  F.  Schlegel  (S.  188 — 211);  seine  Darlegung  berück- 
sichtigt zum  ersten  Male  die  Geschichtsphilosophie  F.  Schlegels  in  ihrem  ganzen  Umfange, 
wähi-end  bisher  von  protestantischer  Seite  nur  die  historisch-philosophischen  Tlieorien 
bis  zu  den  Pariser  Vorlesungen,  von  katholischer  Seite  nur  die  Vorlesungen  von  1828 
zur  Untersuchung  herangezogen  worden  waren.  F. s  Ergebnisse  sind:  Schlegel  übernimmt 
von  Herder  die  beiden  Ideen,  jedes  Volk  habe  ein  Maximum  seiner  Kultur  und  jedes 
Klima  habe  eine  eigene  Grösse  und  Schönheit,  und  erhebt  sie  zu  seinen  Hauptthesen. 
Dennoch  vergisst  er  bald,  was  er  Herder  zu  danken  hat,  und  unterschätzt  dessen  Be- 
deutung. Vor  gleicher  Undankbarkeit  gegen  Rousseau  bewahren  ihn  Kant  und  Fichte. 
Herder  und  Rousseau  drängen  ihn  zu  dem  Plane  einer  Philosophie  der  Geschichte,  der 
schliesslich  in  der  Recension  von  Condorcets  „Esquisse"  und  in  dem  „Versuche  über 
den  Republikanismus"  zu  Tage  tritt,  in  einigen  Fragmenten  (Athenäum-Fgm.  80,  216, 
222,  227,  322,  426;  speziell  über  Rousseau  196,  450.  Lyceum-Fgm.  111)  anklingt.  Für 
Schlegel  hat  weder  Herder  noch  Kant  den  Beweis  der  Perfektibilität  des  Menschen- 
geschlechtes erbracht;  er  selbst  glaubt  an  sie,  verzichtet  indessen  vorläufig  darauf,  nach 
einem  Beweise  zu  suchen.  Nur  in  der  Poesie  der  Griechen  findet  er  jene  organische 
Entwicklung,  die  zur  Aufstellung  historischer  Gesetze  leiten  kann.  In  den  Pariser  Vor- 
lesungen von  1804  nimmt  er  zu  Rousseau  ausdrücklich  Stellung.  Rousseaus  Paradoxien 
seien  empirische  Vorurteile.    Die  empirische  Ansicht  sehe  im  Menschen  ein  reines  Sinnen - 


—  4)  Th.  8.  Percy:  ZVLR.  NF.  3,  S.  491.  —  5)  Friedrich  Schlegels  Briefe  an  seinen  Bruder  August  Wilhelm  her.  v.  0.  F. 
Walzel.  Berlin,  Speyer  &  Peters.  XXVI,  680  8.  M.  18,00.  |[0.  Pniower:  VossZg.  1889,  N.  50;  H.  Fallcenheim:  Natione. 
8,  8.  60,76;  L.  Geiger:  Gegenw.  N.  1;  E.  Straten  Post  N.  15;  W.  Creizenach:  LCBl.  N.  12;  K.  Fronzel:  NatZg, 
N.  417;  A.  Chuquet:  RCr.  N.  52.11  —  6)  L.  L6vy-Bruhl,  Les  premiers  romantiquos  allemands:  RDM.  101,  S.  120—47.  — 
7)  8.  0.  IV,  1  N.  27.  —  8j  X  Kuno  Fischer,   Gesch.  d.  neueren  Philosophie.    Neue  Ges.-Ausg.    Bd.  5.    Heidelberg,  Winter. 


IV,13:  0.  F.  Walzel,  Romantik.  l^KK  ^^"^ 

weseu,  und  der  rein  sinnliche  Naturmensch  sei  gewiss  der  unverdorbenste.  In  den 
Pariser  Vorlesungen  schreitet  F.  Schlegel  auch  zu  historischen  Gesetzen  vor.  Er  weist 
der  Pliilosophie  als  erste  Aufgabe  die  Ergründung  der  Gesetze  von  Natur  und  Welt  zu, 
er  will  also  die  Philosopliie  in  Geschichte  umwandeln;  die  Geschichte  aber  lehrt  ihn 
aus  dem  übernatürlichen  Anfange  aller  Dinge  auf  ein  übernatürliches  Ende  schliessen. 
Den  "Weg  zu  diesem  Ende  werde  die  Menschheit  finden,  wenn  sie  zu  einem  Individuum 
werde.  Dieses  Ziel  zu  erreichen  müsse  Staat  und  Kirche  zur  völligen  Einheit  werden. 
In  diesen  Sätzen  klingt,  wie  F.  S.  203  andeutet,  manches  an  ältere  Aufstellungen 
Schlegels  an.  Noch  immer  fordert  er  neben  dem  katholischen  Glauben  und 
neben  einem  gründlichen  Studium  der  Geschichte  eine  poetische  und  idealistische 
Begeisterung.  Nach  1808  stellt  er  dem  heidnisch-poetischen  den  hellsehenden  christ- 
lichen Katholizismus  gegenüber.  Grundgedanke  der  neuen  Geschiclitsphilosophie  von 
1828  ist  der  schon  1804  vorgetragene  Satz,  Naturbestimmung  des  Menschen  sei  Rück- 
kehr zur  verlorenen  Freiheit.  Dieser  Zustand  der  verlorenen  Freiheit  ist  indessen  nicht 
der  Rousseausche  Naturzustand,  vielmehr  kennzeichnet  sich  letzterer  schon  als  Verwilderung 
und  Ausartung.  Die  Befreiung  erfolge  in  zwei  Momenten,  deren  erstes,  die  Einsetzung 
des  Christentums,  schon  eingetreten  sei,  während  das  zweite,  die  göttliche  Erlösung,  be- 
vorstehe. Während  also  Schlegel  jetzt  in  das  Stadium  eines  „alles  zerreissenden  Dua- 
lismus" tritt,  wie  Schelling  behauptete,  ergeben  sich  doch  wiederum  seine  Thesen  nur 
als  katholisierende  Umformungen  der  meist  durch  Schiller  und  Fichte  veranlassten  Jugend- 
ideen. Nur  überträgt  Schlegel  auf  das  vor-  und  nachghibellinische  Mittelalter,  was 
Schiller  vom  Gegensatz  des  naiven  Altertums  und  des  sentimentalen  modernen  Menschen 
vorbringt.  Als  politische  Konsequenz  der  Theorie  erscheint  die  Idee  der  heiligen  Allianz. 
Zum  Schlüsse  warnt  F.  davor,  Schlegels  Aufstellungen  mit  denen  Bossuets  zu  ver- 
wechseln, und  erinnert  an  ihre  Verwandtschaft  mit  denen  K.  L.  v.  Hallers.  Zu  wenig 
berücksichtigt  F.  die  Griechenaixfsätze  der  Jugendzeit,  garnicht  die  Fichterecension  der 
Heidelbergischen  Jahrbücher.  Fichte^)  selbst  wird  in  einem  eigenen  Kapitel  (S.  113 — 58) 
behandelt,  ebenso  Schelling  (S.  159 — 87).  Die  Beziehungen  zu  Schiller  treten  in  beiden 
Fällen  stärker  hervor  als  die  zur  Romantik;  selbst  bei  Schelling,  der  ausdrücklich  als 
Philosoph  der  Romantik  gefasst  wird,  kommt  nicht  zu  Tage,  was  er  der  Romantik  und 
was  die  Romantik  ihm  verdankt.  Ein  besonderer  Abschnitt  (S.  281/7)  behandelt  die 
„positive  Philosophie"  des  alten  Schelling.  —  Aus  F.  Schlegels  Wiener  Zeit  stammt 
ein  undatierter  Brief  an  Gräfin  O'Donell  geb.  Gaisruck,  geschrieben  anlässlich  der  Ueber- 
reichung  seiner  Vorlesungen  über  neviere  Geschichte  an  die  Kaiserin  Maria  Ludovica. 
R.  M.  Werner  ^)  hat  dem  Brief  Notizen  über  W.  Schlegels  Wiener  Erfolge  nach  Mit- 
teilungen Bretschneiders  an  Nicolai  angefügt,  sowie  eine  Reihe  von  Briefen  Adam  Müllers 
an  die  Grafen  Moriz  und  Heinrich  O'Donell  aus  den  Jahren  1814 — 27;  in  ihnen  finden 
sich  interessante  Urteile  über  die  Augsburger  Allgemeine  Zeitung,  über  juristisches 
Studium  in  Oesterreich,  über  Montesquieu  und  Adam  Smith.  — 

Für  August  Wilhelm  Schlegel  beschränkt  sich  Muncker  lo)  nicht  auf  einen 
Auszug  aus  den  Darstellungen  Hayms  und  Minors.  Er  hat  manche  Notiz  verwertet, 
die  von  den  Genannten  niclit  aufgenommen  war.  Neue  Gesichtspunkte  wurden  aber 
nicht  beigebracht;  insbesondere  wäre  eine  stärkere  Betonung  von  Carolinens  Bedeutung 
für  W.  Schlegel  zu  wünschen  gewesen.  Der  wesentlichste  Vorzug  des  Artikels  be- 
steht in  der  relativ  vollständigen  Zusammenstelhmg  der  biogi'aphischen  und  bibliogra- 
phischen Daten.  Kleine  Unklarheiten  laufen  zuweilen  uiiter;  so  hätte  sich  über  die 
„Betrachtungen  über  Metrik"  nach  Walzeis  oben  (vgl.  N.  5)  behandelten  Schlegelbriefen 
S.  160  n.  1  leicht  Präciseres  sagen  lassen.  —  Guglia^),  der  ebenfalls  die  Schlegelbriefe 
benutzt  hat,  giebt  dankenswerte  Analysen  der  wenig  beachteten  Schriften  W.  Schlegels 
„Sur  le  Systeme  Continental"  und  „Betrachtungen  über  die  Politik  der  dänischen  Regie- 
rung", ohne  das  Thema  der  politischen  Thätigkeit  der  Brüder  zu  erschöpfen.  —  Den 
alten  W.  Schlegel  betreffen  die  von  F.  X.  Kraus^^)  herangezogenen  Angaben  von  Anna 
Jameson,  die  ihn  aus  persönlichem  Umgang  schildert  und  von  ihm  die  Aeusserung  be- 
richtet, er  sei  das  Urbild  des  Prinzen  von  Castel  forte  in  der  „Corinna".  — 

Schellings  ^3)  Leben  hat  durch  JodP*^  eine  neue  Behandlung  erfahren;  sie 
schiebt  das  biographische  Moment  in  den  Vordergrund.  Seiner  Gattin  Caroline  wird 
besondere  Beachtung  zu  teil.  J.  betont  ausdrücklich  das  „Herzensbedrängnis"  zwischen 
Caroline  und  ihrer  Tochter  Auguste  Böhmer;  er  findet  in  Carolinens  Briefen  Nachklänge 
der  beglückten  Münchener  Zeit.  Den  ideellen  Beziehungen  Schellings  zur  Romantik 
gegenüber  verhält  sich  J.  negativ.     „In  den  mannigfaltigsten  Wendungen",  so  erklärt  er. 


XXVni,  840  S.  M.  18,00.  (J.  G.  Fichte  u.  seine  Vorganger.)  —  9)  R.  M.  Werner,  Aus  d.  Wiener  Lager  d.  Romantik.  Mit 
ungedr.  Briefen:  ÖUR.  8,  S.  283-95.  —  10)  F.  Muncker,  A.  W.  v.  Schlegel:  ADB.  31,  S.  354—68.  —  il)  E.  Guglia, 
D.  Brllder  Schlegel  während  d  Befreiungskriege:  AZg''.  N.  128/9.  —  12)  F.  X.  Kraus,  Frauenarbeit  in  d.  Archaeologie : 
URs.  62,  S.  390.  —  13)  X  K.  Fischer,  Gesch.  d.  neueren  Philosophie.  Neue  Ges.-Ausg.  Bd.  2.  Heidelberg,  Winter.  XXIII, 
975  S.  M.  10,00.  (F.  W.J.  Schelling.)— 14)  F.  Jo  dl,  F.W.  J.  Schelling:  ADB.  31,  S.  6— 27. -15)  F.  Muncker,  D.  C.  A.  Schelling: 


IM  IV,13:  0.  F.  Walzel,  Romantik. 

„werden  verwandte  Gedanken  von  dem  ganzen  Kreise  ausgesprochen,  in  dem  Schelling 
heimisch  war,  von  F.  Schlegel,  von  Hölderlin,  von  Hardenberg:  es  ist  unmöglich,  in 
diesem  intimen  geistigen  Wechselleben  über  Nehmen  und  Geben  genau  Buch  zu  führen." 
Dagegen  weist  J.  ausdrücklich  auf  Schellings  Gegensatz  zu  F.  Schlegel,  Baader  und 
Görres  hin,  der  sich  in  ihm  trotz  allem  Interesse  für  Mystik  und  Magie  in  den  zwanziger 
Jahren  kundthut.  — 

Der  Artikel,  den  Muncker^^)  Caroline  Schlegeli*'-^'')  gewidmet  hat,  dankens- 
wert als  erste  bequeme  Zusammenstellung  ihrer  litterarischen  Arbeiten,  berücksichtigt 
zu  wenig  ihren  Einfluss  auf  das  Zustandekommen  des  deutschen  Shakespeare.  —  Für 
Dorothea  Schlegel  hat  Muncker  i^)  gleichfalls  zum  ersten  Male  eine  Uebersicht  über 
ihr  Leben  und  ihre  gesamte  litterarische  Thätigkeit  geboten.  Man  hat  für  beide  Frauen 
bisher  die  Daten  sich  selbst  zusammensuchen  müssen.  —  Nach  Raichs  „Dorothea"  stellt 
Valentin  19)  die  Jugend  Philipp  Veits,  des  jüngeren  Stiefsohnes  von  F.  Schlegel,  dar. 
Ueber  seine  spätere  Künstlerlaufbahn  in  Rom  und  Frankfurt  giebt  V.  gute  Auskunft. 
Er  betont,  dass  Veits  Rücktritt  von  der  Leitung  des  Städelschen  Instituts  in  Frankfurt 
nicht  durch  konfessionelle,  sondern  durch  künstlerische  Ursachen  veranlasst  war.  Nicht 
der  Gegenstand,  sondern  die  Form  von  K.  F.  Lessings  „Huss",  der  gegen  seinen  Willen  an- 
geschafft wurde,  veranlasste  ihn  zur  Niederlegung  seines  Amtes.  — 

Einige  interessante  Notizen  über  den  Jenenser  Kreis  der  Romantiker  aus  den 
Jahren  1799  und  1800,  also  aus  der  Zeit  des  Streites  um  den  Fichteschen  Atheismus 
und  des  Konfliktes  zwischen  den  Romantikern  und  der  Allgemeinen  Litteraturzeitung, 
finden  sich  in  der,  mit  fast  übergrossem  Notizenmateriale  überhäuften,  Ausgabe  von  17 
aus  einem  reichen  Briefschatze  durch  A.  Stoll^o)  ausgewählten  Scln-eiben  Savignj^s 
an  Friedrich  und  Leonhard  Creuzer;  auch  aus  diesen  Schriftstücken  hatte  wie  aus  deii 
oben  (N.  5)  besprochenen  Sclilegelbriefen  Haym  (PrJbb.  9,  S.  478  ff.)  zuerst  Mitteilungen 
gemacht.  Savigny  beurteilt  als  kühler  Beobachter  Jean  Paul,  Wieland,  Goethe;  aus  dem 
romantischen  Lager  beide  Schlegel  (S.  27  eine  Notiz  über  Gottft-.  Hermanns  ungünstige 
Ansicht  über  F.  Schlegels  philologische  Arbeiten),  Caroline,  Schelling,  Ficlite.  S.  glaubt 
(S.  35  Anm.  183)  die  Quelle  des  ,, mathematischen  Punktes"  in  Brentanos  „Gustav 
Wasa"  (S.  129  ff.  in  Minors  Ausgabe)  gefunden  zu  liaben.  Amalie  v.  Imhof  wird  er- 
wähnt. Im  übrigen  bringen  die  Briefe  nichts  Neues  zur  Geschichte  der  jüngeren  Ro- 
mantik bei;  deshalb  sind  sie  auch  an  dieser  Stelle  zu  erwähnen  gewesen.  —  Dass 
Savigny  selbst  nur  durch  freundschaftliche  Beziehungen,  nicht  als  Mensch  und  Gelehrter 
mit  der  jüngeren  Romantik  zusammenhänge,  sucht  Landsberg  2i)  zu  erweisen:  er  sei 
kein  katholischer  Romantiker,  sondern  Klassiker  nach  Bildung,  Gesinnung,  Empfindung, 
Schreibart,  Denkart  und  als  Klassiker  Goethes  Ebenbild.  L.s  Würdigung  des  Juristen 
Savigny  bringt  keine  neuen  Gesichtspunkte  über  Savignys  Zusammenhang  mit  den  histo- 
rischen Tendenzen  seiner  Zeitgenossen,  bietet  indessen  dem  Litterarhistoriker  bequeme 
Anhaltspunkte  für  den  stilistischen  und  formalen  Fortschritt,  den  Savignys  Schriften 
bezeichnen.  — 

Die  Theatergeschichte  von  Tiecks  ,,Genoveva"  erfährt  durch  einige  Notizen 
über  Friedrich  Wilhelms  IV.  dramatische  Experimente  eine  neue  Beleuchtung.  Wie 
Dingelstedt  durch  diese  Bemühungen  des  Romantikers  auf  dem  Throne  Preussens  zu 
einer  Travestie  des  Tieckschen  Dramas  veranlasst  worden  ist,  erzählt  J.  Rodenberg^S) 
an  gleicher  Stelle.  23-24)  _ 

Wie  einst  Haym  vor  dem  Abschlüsse  seines  Herderbuches  in  der  ADB.  eine 
gedrängte  und  doch  umfassende  Darstellung  von  Herders  Leben  und  Wirken  gegeben 
hatte,  ebenso  greift  Diltheys^s)  monumentaler  Artikel  über  Schleiermacher  seiner 
im  vollendeten  biographischen  Darstellung  vor:  eine  hochbedeutsame  Arbeit,  an  der  kein 
Litterarhistoriker  vorübergehen  darf,  die  auch  nach  der  Vollendung  des  Schleiermacher- 
werkes zu  rascher  und  doch  eindringlicher  Orientierung  unschätzbar  bleiben  wird.  D. 
giebt  zunächst  einen  knappen  Auszug  aus  dem  1.  Bande  seines  Buches  und  eröffnet  die 
neue  Periode  von  Schleiermachers  Leben  (1802)  mit  einer  Erörterung  seiner  Platoüber- 
setzung.  Zu  ihr  war  er  durch  F.  Schlegel  gedrängt  worden;  der  lässige  Anteil  des 
Freundes  hat  nicht  wenig  zur  Lockerung  des  Verhältnisses  beigetragen.  Die  Trennung 
von  ihm  führt  zur  Trennung  von  der  Romantik;  Schleiermacher  geht  zur  wissenschaft- 
lichen Theologie  über.     Für  D.  ergab    sich    deshalb   die  Aufgabe,  auch  Schleiermachers 


ib.  8.  3-6.  (=  Caroline  Schlegel.)  —  16)  X  A.  Sidgwiek,  Caroline  Schlegel  and  her  friends.  London,  Unwin.  1889.  255  S. 
7  g.  6  d.  IfSpeciator  1890,  S.  64.]|  —  17)  X  A.  Birlinger,  Schwaben  in  d.  Briefen  d.  Caroline:  Alemannia  18,  S.  191/2. 
(Citate  aus  Waitz'  , Caroline".)  —  18)  F.  Muncker,  Dorothea  Schlegel:  ADB.  31,  S.  372/6.  —  19)  V.Valentin,  Ueber  Kunst, 
Künstler  u.  Kunstwerke.  [(S.o.  1,3  N.  100.)]  S.  147— 71.  —  20)  A.  Stell,  F.  K.  v.  Savignys  sächsische  Studienreise.  1799  u.  1800. 
Progr.  d.  Kgl.  Frie  richsgymn.  zu  Cassel.  4«.  42  S.  —  21)  E.  Lands berg,  Fr.  K.  v.  Savigny:  ADB.  30,  S.  425—52.  — 
22l  S.  u.  IV,  14  N.  53.  —  23)  X  L.  Tieck,  D.  Lebens  Ueberfluss.  E.  Novelle.  {=  Meyers  Volksbb.  N.  692.)  Leipzig.  Bibl.  Inst. 
60  S.  M.  0,10.  —  24)  X  D-  Sanders,  Zu  L.  Tiecks  Novelle  ,D.  Geheimnisvolle"  (Dresden  1823):  ZDS.  3,  S.  273/7.  (Stibst. 
N'otizen.)  — 25jW.  Dilthey,  F.  D.  E.  Schleiermacher:  ADB.  31,  S.  422— 57.  —  26)H.  Binn,  Schleiermacber  n.  seine  romantischen 


IV,13:  0.  F.  Walzel,  Romantik.  155 

wissenschaftlich-theologische  Arbeiten  zu  analysieren,  und  dieser  Aufgabe  ist  der  tiber- 
wiegende Teil  des  Artikels  gewidmet.  Von  der  Romantik  und  von  Schleiermachers  Be- 
ziehungen zu  ihr  war  nichts  Neues  mehr  zu  erzählen.  —  Rinn^ß)  beschränkt  sich  darauf, 
altbekannte  Briefstellen  und  oft  wiederholte  Notizen  über  das  Verhältnis  Schleiermachers 
zu  den  Romantikern  aufzuwärmen.  — Beifall  gefunden  hat  neuerdings  Ritschis 27)  Ver- 
such nachzuweisen,  dass  Schleiermachers  mit  dem  Christentume  nicht  vereinbare 
Aeusserungen  nicht  von  seinem,  sondern  vom  Standpunkte  eines  „Verächters"  der 
Religion  gedacht  sind.  28-29)  — 

Wenn  Hölderlin  überhaupt  als  Seitentrieb  der  Romantik  zu  fassen  ist,  so 
bietet  doch  sein  Briefwechsel,  den  C.  C.  T.  Litzmann ^o)  zum  ersten  Male  zu  einem 
Corpus  vereint  hat,  keine  Bereicherung  unserer  Kenntnisse  romantischer  Bestrebungen. 
Der  Herausgeber  hat  143  bisher  unbekannte  Briefe  beigesteuert,  39  mehr  oder  minder 
vollständig  bekannte  nach  der  Urschrift  abgedruckt.  Leider  ist  diese  ausserordentliche, 
nur  dem  emsigsten  Sammelfleisse  mögliche  Vermehrung  des  bisher  bekannten  Materiales 
zum  überwiegenden  Teile  den  Jugendjahren  des  Hyperiondichters  zu  gute  gekommen, 
und  hier  nehmen  wiederum  recht  gehaltlose  Familienbriefe  einen  grossen  Raum  ein. 
Ein  wertvolles  Geschenk  ist  der  Briefwechsel  mit  Luise  Nast  und  mit  ihrem  Bruder 
Immanuel:  Hölderlins  erste  Liebesregungen  lassen  sich  genau  verfolgen.  Ge- 
legentlich stellt  sich  auch  eine  litterarliistorisch  interessante  Notiz  ein,  wie  deren  in 
neuen  Briefen  an  Neuffer  mehrere  begegnen.  Schmerzlich  vermisst  man  wesentliche 
neue  Quellen  für  das  Verhältnis  zu  Schiller;  dennoch  erhellt  allenthalben,  wie  wichtig 
Schiller  für  Hölderlins  Entwicklung  war.  lieber  Schelling  finden  sich  einige  neue  No- 
tizen (S.  127,  284,  447,  vgl.  S.  525  f ).  Einen  ausführlichen  Kommentar  hat  L.  nicht 
beigegeben;  manche  Anspielung  ist  unerklärt  geblieben.  Dagegen  hat  er  den  sieben 
einzelnen  Abteilungen  des  Briefwechsels  umfangreiche  biographische  Einleitungen  voran- 
gestellt und  ausführlich  über  die  Zeit  der  geistigen  Umnachtung  Hölderlins  gehandelt: 
seine  Vorbemerkungen  bilden  zusammen  die  umfangreichste  und  eindringlichste  der 
Hölderhnbiographien ;  sie  beschäftigen  sich  auch  mit  der  Entstehungsgeschichte  der 
Hölderlinschen  Dichtungen  und  ergänzen  L.s  ältere  Aufsätze.  Eine  litterarhistorische 
Würdigung  freilich  wurde  nicht  geboten.  Die  Biographie  indessen  ist  eine  um  so  wich- 
tigere Ergänzung  des  Briefwechsels,  als  Hölderlin  mit  der  ihm  eigenen  Keuschheit  des 
Gefühls  den  Namen  seiner  Diotima,  Susette  Gontard,  nur  zweimal  ganz  beiläufig  nennt 
(S.  385,  462).  —  Wilbrandt^\)  hat  seine  schon  zweimal  gedruckte  Hölderlinbiographie 
ein  drittes  Mal  unverändert  in  neuem  Gewände  vorgelegt.  — 

In  die  jüngere  Romantik  führt  ein  am  12.  Dezember  1867  zu  populären 
Zwecken  in  Berlin  gehaltener  Vortrag  Scherers  32)  über  Arnim.  S.  sucht  Arnims 
Wirken  auf  die  Formel  zu  bringen,  er  habe  nicht  nur  dem  Gebildeten  die  Poesie  des 
Volkes,  sondern  auch  dem  Volke  die  Poesie  der  Gebildeten  zuführen  wollen.  Zwar  werden 
auf  diesem  Wege  die  redaktionellen  Ausschreitungen  der  Herausgeber  des  ,,Wunder- 
liorns"  gerechtfertigt,  allein  Arnims  ganze  Lebensarbeit  schränkt  sich  zugleich  auf  eine 
popularisierende  Modernisierung  älterer  Ueb erlief erung  ein.  Innerhalb  dieser  Aufgabe 
aber  habe  er  den  Brüdern  Grimm  die  Piiblikation  im  Volke  mündlich  lebender  Er- 
zählungen abgetreten,  den  Tieck  und  Görres  die  Volksbüclier,  anderen  die  Erzählungen 
des  13.  Jh.;  er  selbst  habe  sich  die  Erzälilungen  des  15.  bis  17.  Jh.  vorbehalten.  Den 
echten  Volkston  der  Grimm  habe  Arnim  nicht  getroffen,  weil  sein  Stil  spröde  ist,  weil  er 
nicht  die  für  Spukgestalten  des  Volksaberglaubens  notwendige  märchenhafte  Atmosphäre 
zu  schaffen  versteht,  weil  er  keiner  Kunstregel  folgend  nur  den  Eingebungen  der  Phan- 
tasie gehorcht.  —  Wie  Arnim  die  Erzählungen  des  15.  bis  17.  Jli.  verwertet  hat,  zeigt 
für  den  „Wintergarten"  Reichl^S).  Die  Ergebnisse  seiner  Arbeit  sind:  Kellers  Ver- 
mutung (Stuttgarter  Litterarischer  Verein  57,  S.  368),  dass  die  im  ersten  Winterabend  mit- 
geteilte „Liebesgeschichte  des  Kanzlers  Schlick  und  der  schönen  Sienerin"  auf  Niklas 
von  Wyles  Translation  ,,Euryalus  und  Lucretia"  zurückzuführen  sei,  hat  R.,  was  freilich 
keine  sehr  schwierige  Aufgabe  war,  zur  völligen  Gewissheit  erhoben.  Arnim  hat  stark 
gekürzt,  mythologische  und  geschichtliche  Anspielungen  gestrichen  und  auch  einige  das 
moderne  Gefühl  verletzende  Einzelheiten  beseitigt;  den  Schluss  dagegen  hat  er  unver- 
ändert gelassen.     „Das  wiedergefundene  Paradies"  des  zweiten  Winterabends  vergleicht 


Freunde.  (=  Samml.  gemeinverständl.  wiss.  Vorträge.  NF.  Serie  5.  Heft  111.)  Hamburg,  Verlagsanst.  u.  Druckerei  A.-G.  30  S. 
M.  0.60.  —  27)  0.  Kitschl,  Schleiermachers  Stellung  z.  Christentum  in  seinen  Reden  über  d.  Religion.  Gotha,  Perthes.  1888. 
VII,  107  S.  M.  2,40.  |[H-r:  LCBl.  N.  13  (sehr  anerltennend  u.  in  d.  Hauptsache  zustimmend).]  |  —  28)  X  K.  Steffenson, 
Gesamm.  .Aufsätze  mit  e.  Vorw.  v.  R.  Eucken.  Basel,  Detloff.  VIII,  232  S.  M.  5,00.  (S.  292  D.  wissensch.  Bedeutung  Schleier- 
machers. [1868].)  —  29)  X  F.  D.  E.  Schleiermacher.  Monologen.  E.  Neujahrsgabe.  (==  Bibl.  d.  Ges. -Litt.  N.  370.)  Halle,  Hendel. 
64  S.  M.  0,25.  —  30)  C.  C.  T.  Litzmann.  Friedrich  Hölderlins  Leben.  In  Briefen  von  u.  an  Hölderlin.  Berlin,  Hertz.  X,  684  S. 
M.  10,00.  |[K.  Fischer:  AZg.  N.  274/5;  HambCorrB.  N.  33.] |  (Mit  e.  Bilde  d.  Diotima  nach  e.  Relief  v.  Ohmaeht.)  —  31)  X 
A.  Wilbrandt,  Friedrich  Hölderlin.  Fritz  Reuter.  (S.  o.  IV,  3  N.  115.)  —  32)  W.  Scherer,  Achim  v.  Arnim.  E.  Vortr.  aus 
d.  Nachlasse:  DRs.  65,  S.  44—63.  —  33)  A.  Reichl,  Ueber  d.  Benutzung  älterer  deutscher  Litt. -Werke  in  L.  A.  v.  Arnims 
^Wintergarten".  2.  T.    9.  JB.  über  d.  k.  k.  Staats-Obergymn.    Arnau.    1889—90.  S.  1-8.    (Fortsetzung   d.    8.   JB.    1888/9.)    — 


156  IV,13:  0.  F.  Walzel,  Eomautik. 

R.  Satz  für  Satz  mit  der  „Insel  Felsenburg",  ohne  zu  einer  charakteristischen  Zusammen- 
fassung seiner  Beobachtungen  zu  gelangen.  Den  eingeschalteten  „Amtsbericht  von  dem 
Tode  des  Generals  Grafen  Schaifgotsch"  kann  er  nicht  belegen.  Die  „Altdeutschen 
Landsleute"  im  dritten  Abend  sind  nach  R.s  Ansicht  der  Zimmerschen  Chronik  entnommen 
(Ausgabe  von  Barack,  Stuttg.  Litt.  Ver.  93,  S.  107 — 116);  die  Namen  stimmen  nicht 
ganz:  so  erscheint  bei  Arnim  Andelon  für  Andelow,  Ponazari  fürBonaziri.  R.  stellt  starke 
Zugeständnisse  an  moderne  Sentimentalität  fest  und  zieht  Halms  „Griseldis"  zum  Ver- 
gleich heran.  Arnim  bietet  ferner  eine  Reihe  positiver  Angaben,  insbesondere  von 
Zahlen,  die  in  der  Zimmerschen  Chronik  fehlen.  Die  Erzählung  des  vierten  Abends 
„Der  Krieg"  ergiebt  sich  als  eine  mit  freier  Stoffdisposition  vorgenommene  Umarbeitung 
des  ,, Sechsten  Gesichts"  von  Moscherosch,  in  welche  (Werke  5,  S.  180 — 185)  Teile 
aus  Grimmeishausens-  „Springinsfeld"  (Stuttg.  Litt.  Ver.  3,  S.  31 — 47)  eingefügt  sind. 
Der  Scliluss  ist  frei  erfunden  und  liuldigt  dem  Prinzip  poetischer  Gereclitigkeit.  Den 
Autor  der  Eingangsverse  vermutet  R.  in  Zincgreff.  „Die  drei  Erznarren"  des  sechsten 
Winterabends  weisen  starke  sprachliche  Abweichungen  von  dem  gleichnamigen  Romane 
Ch.  Weises  auf;  insbesondere  sind  die  Fremdwörter  beseitigt.  Die  eingelegten  Partien 
aus  „Schelmuffsky"  opfern  manche  Derblieit  auf  und  bilden  eine  Auswahl  aus  dem 
Buche  Ch.  Reuters  mit  Zuthaten,  deren  Quelle  R.  in  der  „Lisel  Felsenburg"  vermutet. 
Der  Schluss  Weises,  die  Beschreibung  der  Narren,  fehlt,  wie  denn  Arnim  überhaupt 
das  Narrenproblem  nicht  mit  dem  Ernste  Weises  behandelt.  Die  Quelle  der  Erzählung 
des  siebenten  Winterabends  nennt  Arnim  selbst  in  Abraham  v.  Frankenberg;  sie  war 
R.  nicht  zugänglich.  —  Für  das  Lied  „Hört  zu,  ein  neuer  Pantalon"  im  „Wunderhorn" 
(2,  S.  559)  teilt  Bolte^*)  die  Lesarten  einer  unbekannten  Fassung  nach  einem  Drucke 
von  1536  (Berlin  Yd  7854,  32)  mit.  35-39)  — 

Sehr  glücklich  weist  Geiger  ^o)  den  Autor  einer  enthusiastischen  Recension 
der  ersten  Berliner  Aufführung  von  Beethovens  „Fidelio"  in  Brentano  *i)  nach 
(Spenersche  Zeitung  11.  Okt.  1815);  ihre  Chiffre  ,,C.  B."  und  ihre  Uebereinstimmnngen 
mit  einem  (ib.  d.  19.  Okt.  1815)  mitgeteilten  Gedichte  Brentanos  „An  Frau  Milder- 
Hauptmann"  erheben  die  Vermutung  über  allen  Zweifel;  über  die  Beziehungen  Beethovens 
und  Brentanos  sind  einige  Daten  hinzugefügt.  — 

In  die  für  den  Kreis  der  Heidelberger  Romantik  wichtigen,  im  Vorjahre  schlecht 
herausgegebenen  Briefe  an  Zimmer  sucht  Walzel *2)  Ordnung  zu  bringen;  insbesondere 
werden  Datierung  und  hier  und  da  auch  Erläuterung  der  Briefe  versucht,  die  Görres 
an  den  genannten  Verleger  gerichtet  hat.  — 

Unter  den  schwäbischen  Romantikern  wird  U  hl  and  s  Protestantismus  von  R. 
Weitbrecht  43^  gßgen  die  Behauptungen  katholischer  Litteraten,  insbesondere  gegen  F.  W. 
Grimme  (Frankfurter  zeitgemässe  Broschüren  7,  7:  1887)  und  G.  Stöckle^)  verteidigt. 
Gewiss  hat  W.  Recht,  wenn  er  sich  gegen  die  leidige  Art  ultramontaner  Publizisten 
wendet,  erzprotestantische  Schi^ftsteller  wie  Schiller,  Uhland  oder  Geibel  ins  katholische 
Lager  hinüberziehen  zu  wollen.  Leider  ist  der  Stil  seiner  Polemik  ebenso  schlecht,  wie 
ihre  Tendenz  gut  ist.  —  Eine  ganz  unbedeutende  Skizze  Uhlands  hat  Neubürger **») 
in  seine  Sammlung  aufgenommen,  nicht  Ein  neuer  Gedanke,  nicht  Eine  interessantere 
Betrachtung  begegnet  in  dieser  mehr  dem  Menschen  als  dem  Dichter  geltenden  Zeich- 
nung. —  D üntz er  s  45)  Erläuterungen  zu  Uhlands  Balladen  und  Romanzen  zeigen  in  der 
Neuauflage  wenig  Veränderungen,  keine  Verbesserungen;  in  bekannter  Gewohnheit  führti 
er  meist  polemisierend  die  neuere  Litteratur  ein  (so  etwa  S.  341  gegen  R.  M.  Werner, 
ADA.  14,  S.  171);  wenn  er  dagegen  L.  Fränkels  Notizenauf häufung  (ASNS.  80,  S.  34  ff.) 
bedeutend  nennt,  wird  ihm  ausser  Fränkel  wohl  niemand  beistimmen.  —  Ergänzt  werden 
Düntzers  Erläuterungen  durch  Sprengers  4^')  Erklärung  einiger  Uhlandscher  Wendungen 
in  den  Balladen  „Graf  Eberhard  der  Rauschebart",  ,,Der  Schenk  von  Limburg",  „König 
Karls  Heerfahrt";  Lyon  hat  S.s  Erklärungen  kritisiert. 47)  — 


34)  S.  0.  111,2  N.  17.  —  35)  X  L-  A.  v.  Arnim,  Trost  Einsamkeit.  Her.  v.  F.  Pfaff.  Zweite  [Titel-]  Ausg.  Freiburg,  Mohr. 
XCVI,  412  S.  mit  10  Abbildd.   M.  2,00.    —    36)    X    Bettina  v.  Arnim,    Goethes  Briefwechsel  mit  e.  Kinde.    Seinem  Denkmal. 

4.  Aufl.  her.  v.  H.  Grimm.  Berlin,  Hertz.  XXXll,  546  S.  M.  6.00.  (Neudruck.)  —  37)  X  id.,  Goethes  Briefwechsel  mit  e. 
Kinde.  Seinem  Denkmal.  Mit  e.  Einl.  v.  F.  Brümmor.  (=  Univ.-Bibl.  N.  2691/5.)  Leipzijr,  Reclam.  583  S.  m.  Abb.  M.  1,00.  — 
38)  X  id.,  D.  GUnderode.  Ausg.  v.  1S40.  Berlin,  Hertz.  442  S.  M.  4,00.  |  [Deutschland  2,  S.  135;  HarabNachrB.  N,  43.]  |  (Neu- 
druck.) —  39)  X  Emil  Wolff,  V.  d.  Sybille:  HambCorr.  v.  7.,  9.  u.  10.  Dec.  (Knllpft  an  38  an.  D.  Sybille  ist  d.  GUnderode.) 
—  40)  L.  Geiger,  Clemens  Brentano  u.  L.  Beethoven:  AZg.  N.  331b.  _  41)  x  Gl.  Brentano,  Gockel,  llinkol  u.  Gackeleia. 
E.  Märchen.  (=  Familienbibl.  Serie  5.  N.  9— 10.)  Einsiedeln.  Benziger.  238  S.  ni.  1  Bild.  M.  0.60.  —  42)  0.  F.  Walzel, 
H.  W.  L.  Zimmer,  Johann  Georg  Zimmer  u.  d.  Romantiker:  ZOG.  S.  629—34.  (vgl.  ib.  S.  1156.)  —  43)  K.  Weitbrecht,  D. 
katholische   L.   Uhland:   DEBll.    15,  S.  774-80.    —    44)  G.  Stoeckle,  L.  Uhland  u.  d.  Wallfahrten:  Katholische  Bewegung. 

5.  419.  —  44a)  E.  Neu bUrger,  Uhlands  Leben  u.  Charakter  (1787— 1862).  (=  Edle  Menschen  u.  Thaten.  Frankfurt  a/M., 
Mahlau.  1889.  VIII,  332  S.  M.  4,20.)  |[Gegenw.  38,  S.  .350;  Schranka:  BLU.  S.  248.]|  (D.  Buch  behandelt  u.  a.  auch  Pestalozzis 
Lisbeth  u.  Salomon  Heine.)  —  45)  H.  DUntzor,  Uhlands  Balladen  u.  Romanzen.  Erläutert.  2.  neubearb.  Aufl.  (=  ErlHutt.  zu 
d.  deutschen  KlMsikem.  7  Abt.)  Leipzig,  Wartig.  YIII,  351  S.  M.  2,00.  |[Sohroeter:  BLU.  N.  31;  KZg.  N.  173.]|  -  46)  R. 
Sprenger,  ZDU,  4,  8.  271/2,   375/7.    —    47)   X    R.  H.  (in  Karlsruhe),   Uhlandscho  Klänge  (z.  9.  MHrz):  StrassbPost  N.  75. 


IV,13:  0.  F.  Walzel,  Eomantik.  157 

Ein  angedrucktes  Gedicht  W.  Waiblingers,  1829  auf  Capri  geschaffen,  wird 
von  Hubl*8-*9)  mitgeteilt;  dieser  giebt  aus  Briefen,  die  Waiblinger  1827  aus 
ItaHen  an  seinen  Vater  richtete,  Aeusserungen,  die  des  Dichters  Beziehungen  zu  Platen 
feststellen;  zuletzt  spendet  H.  Aphorismen  aus  Waiblingers  Tagebuch  (1821  f.)  über 
Schiller  und  Goethe,  Aeusserungen  über  beide  aus  einem  Briefe  vom  5.  März  1821,  über 
Mörike  (Brief  vom  2.  April  1822),  über  Uhland  (Brief  vom  30.  Mai  1822),  dann  einen 
Monolog  aus  einem  ungedruckten  Schauspiele  „Liebe  und  Hass".  — 

Unter  den  norddeutschen  ^o-5i^  Spätromantikern  hat  Ernst  Schulze  52) 
besondere  Beachtung  gefunden.  Weiter  fortgesetzt  wiu-den  die  durch  Franzos  53-57j 
gebotenen  Mitteilungen  des  Vorjahres  (DDichtung  7,  S.  50  und  97),  die  es  sich 
zum  Ziele  setzen,  Schulzes  Wandlung  vom  schwärmerischen  Jüngling  zum  genuss- 
frohen Schüler  Wielands  zu  erklären,  den  Gegensatz  begreiflich  zu  machen,  der  zwischen 
seiner  sittenreinen  Lebensführung  und  seinem  Streben  bestand,  anderen  frivol  zu  er- 
scheinen. Die  von  Marggraff  nur  zum  Teile  und  mit  Aenderungen  publizierten  Briefe"*^) 
an  Bülow  (16.  Apr.  1811),  Bergmann  (15.  Febr.,  9.  März,  5.  Jioli  1810),  dann  einige  jetzt 
vollständig  abgedruckte  Tagebuchnotizen  der  Zeit  enthüllen  in  Schulze  einen  eitlen, 
selbstgefälligen  platonischen  Liebhaber.  Seine  Beziehungen  zu  Sophie  von  Witzendorff 
und  Adelheid  in  Plessburg,  kommen  zu  endgültiger  Aulklärung.  Weitaus  anziehender 
ist  Schulzes  letztes  Tagebuchblatt,  eine  Episode  seines  letzten  Lebensjahres.  Er 
beschreibt  den  plötzlichen  Tod  einer  jugendlichen  Freundin;  das  Ganze,  plastisch  dar- 
gestellt, liesst  sich  wie  eine  reizvolle  I^ovelle.  Mitgeteilt  hat  F.  endlich  eine  bisher 
ungedruckte,  am  4.  Febr.  1817  begonnene  „Elegie",  das  letzte  vollendete  Werk  des 
Dichters;  in  ergreifenden  Worten  fleht  er  schon  voll  Todesahnung  um  seine  Ge- 
liebte, wühlt  er  in  der  schmerzlichen  Vorstellung,  dass  sie  einem  anderen  angehören 
könne,  klagt  er  über  sein  Leben.  Ein  melancholischer  Schwanengesang,  der  zum 
Schönsten  gehört,  was  wir  von  Ernst  Schulze  besitzen.  — 

Geisslerö9)  sucht  zu  erweisen,  dass  von  Treitschke  ^o)  den  hohen  Motiven  des 
Selbstmordes  der  Charlotte  Stieglitz ''i)  nicht  gerecht  geworden  ist.  —  Im  Gegensatz 
zu  dieser  Apologie  der  phantastischen  Selbstmörderin  will  Mauthner^s)  mittelst  der 
neuedierten  Briefe  von  Stieglitz  an  Gustav  Kühne  ß-^)  darthun,  Charlotte  sei  nur  durch 
das  Zeugnis  ihres  Gatten,  „des  Narren",  und  durch  das  des  „Lügners"  Mundt  zu  einer 
berühmten  Frau  geworden;  er  weist  ferner  daraufhin,  dass  die  Berliner  Zeitungen  jener 
Tage  erklärt  hätten,  Charlotte  habe  ihre  Kinderlosigkeit  nicht  ertragen  können.  — 

Li  der  Seltenheit  Eichendor  ff  scher  64-60  j  Preundesbriefe  sieht  K  r  e  i  t  e  n  6'?  j  den  Wert 
der  von  ihm  veröffentlichten  Briefe  des  Dichters  an  seinen  Schützling  Lebrecht  Dreves; 
sie  reichen  von  1848 — 53  und  beschäftigen  sich  vorzüglich  mit  der  durch  Eichendorff 
eingeführten  Gedichtsammlung  des  Adi'essaten  (Berlin  1849),  der  nach  K.  nicht  als 
Schüler  Eichendorffs  zu  betrachten  ist.  Aus  den  Briefen  erhellt,  dass  Eichendorffs  ur- 
sprünglich als  Drama  gedachtes  Prosamärchen  „Libertas",  das  erst  nach  dem  Tode  des 
Dichters  veröffentlicht  wurde,  schon  am  1.  Aug.  1849  fertig  war;  ferner  bieten  die 
Briefe  Daten  zu  seiner  Uebersetzung  Calderonscher  Autos,  zu  seinem  „Julian"  und  zu 
seiner  Darstellung  des  deutschen  Romans.  Seinem  Gegensatz  zu  Adolf  Scholl,  Ludwig 
Rellstab,  Häring  wird  Ausdruck  gegeben.  Eichendorff"  ist  nicht  erst  im  Juli,  sondern 
schon  im  Mai  1849  nach  Dresden  gekommen.  Das  letzte  Schreiben  enthält  das  in 
Böttigers  „Album  für  1858"  abgedruckte  Gedicht  „Einem  Pathen  zum  ersten  Geburts- 
tage"; gerichtet  ist  es  an  ein  Kind  von  Dreves.  Die  Briefe  von  Gentzs  Schüler,  dem 
Hofrat  Jarcke,  vier  an  der  Zahl,  kommen  für  die  Geschichte  der  Romantik  nicht  in 
Betracht.  Sie  fallen  in  die  Zeit  unmittelbar  nach  der  Wiener  Revolution  von  1848 
und  schildern  Jarckes  heikle  Lage  nach  dem  Sturze  Metternichs.  —  Lyon68)  erläutei'te 


(Gedicht  auf  d.  Ausfall  d.  ReicLstagswalilen  1890.)  —  48)  W.  Waiblinger,  Lied  aus  Italien:  DDichtung.  7,  S.  241.  — 
49)  V.  P.  Hubl,  Ungedrucktes  v.  W.  Waiblinger:  ib.  8,  S.  47—50.  —  50)  X  Fouquö,  Undine.  E.  Erzählung.  Edited  with  an 
introduction,  notes  and  vocabulary  by  Hans  C.  G.  v.  Jagemann.  New-York,  Henry  Holt  &  Co.  X,  220  S.  |  [H.  Schmidt- 
Wartenberg:  MLN.  5,  S.  98f.]|  —  51)  X  Undine.  Eomantische  Zauberoper.  Dichtung  u.  Musik  v.  A.  Lortzing.  VoUständ. 
Buch.  Durchgearb.  y.  C.  F.  Wittmann  (=  Univ.-Bibl.  2626.)  Leipzig,  Reclam.99  S.  M.  0,20.  —  52)  X  E.  Schulze,  D.  bezauberte 
Rose.  E.  Gedicht  in  3  Gesängen.  (=  Meyers  Volksbb.  N.  772.)  Leipzig,  Bibl.  Inst.  71  S.  M.  0,10.  —  53)  K.  E.  Frauzos, 
E.  Schulze  in  Göttingen.  Nach  ungedruckten  Quellen  3—4.:  DDichtung.  7,  S.  170/3,  193/5.  (Vgl.  auch  Umschlag  zu  Bd.  8, 
Heft  9  [1.  Aug.  1890].)  —  54)  id.,  Thekla.  Aus  Ernst  Schulzes  Tagebüchern:  ib.  8,  S.  198—203.  —  55)  id.,  Ernst  Schulze. 
Elegie  (Ungedr.  Nachlass):  ib.  S.  279—82.  —  56)  id.,  D.  Dichter  d.  bezauberten  Rose.  Ernst  Schulzes  Selbstbiographie:  FZg. 
N.  219,  224,  231.  —  57)  X  id..  Aus  Briefen  von  u.  an  Ernst  Schulze:  ZGJuden.  4,  S.  378 — 84.  (Zusammenstellung  einzelner 
Schulzeseher  Urteile  über  Juden.)  —  58)  X  D-  Sanders,  Zu  Briefen  v.  Ernst  Schulze:  ZDS.  3,  S.  378.  (Stilist.  Bemerkk.  zu 
DDichtung.  6,  S.  552.)  -  59)  G.  Geissler,  Ch.  Stieglitz  u.  H.  v.  Treitschke:  AZg.  N.  320».  —  60)  S.  o.  IV,  1  N.  10.  — 
61)  Vgl.  u.  IV,  14  N.  1.  —  62)  F.  M[authner],  Neues  über  Charlotte  Stieglitz:  Deutschland.  S.  282/3.  —  63)  S.  u.  IV,  14  N.  50. 
64)  X  J.  Frhr.  v.  Eichendorff,  Aus  d.  Leben  e.  Taugenichts.  Novelle.  Mit  39  Heliogravüren  nach  Originalen  v.  Ph.  Grot  Johann 
u.  E.  Kanoldt.  2.  Aufl.  Leipzig,  Amelang.  4".  87  S.  M.  20,00.  —  65)  X  id.,  Aus  d.  Leben  e.  Taugenichts.  Novelle.  Leipzig, 
Knaur.  160.  127  S.  M.  1,20.  —  66)  X  id.,  Gedichte.  Für  d.  Frauenwelt  ausgew.  v.  Clara  Braun.  Diainant-Ausg.  Illustr.  v. 
R.  E.  Kepler.  Stuttgart,  Greiner  &  Pfeiffer.  16".  XXXI,  290  S.  M.  3,50.  67j  Ungfldr.  Briefe  v.  J.  v.  Eichendorff  u.  K.  E.  Jarcke 
an  L.  Dreves  v.  W.  Kroiteu:  StML.   38,    S.    69—83,   309—24.   —    68)  0.  Lyon,  D.  Jäger  Abschied.   Gedicht  y.  J.  y.  Eichen- 


158  IV,13:  0.  F.  Walze],  Romantik. 

EichendorfFs  Gedicht  „Der  Jäger  Abschied"  zwar  nur  für  die  Schule,  hat  aber  durch 
das  Heranziehen  anderer  Gedichte  Eichendorffs  das  Verständnis  überhaupt  gefördert.  — 
Angeschlossen  sei  an  diese  Norddeutschen  der  isolierte  kurländische  Romantiker 
Schlippenbach,  dessen  Biogi-apliie  Diederichs  69)  nach  dem  reichen  von  Bilterling 
in  den  „Zeitgenossen"  (1830  111,1  : 7,  S.  51—70)  zusammengetragenen  Material  ge- 
schrieben hat.  — 


IV,14 

Das  junge  Deutschland. 

Ernst  Elster. 

Allgemeines  N.  1.  —  Heine:  Gesaratcharakteristik  N.  6:  Sarkasraus,  Verhältnis  zur  Religion  N.  10; 
Verskunst  N.  13.  —  Leben:  Einzelnes  N.  14;  Briefe  N.  25;  Verhältnis  zu  Spitta,  zu  den  schwäbischen  Dichtern  N.  27.  — 
Werke:  Ausgaben  N.  29;  Uebersetzüngen  N.  37 ;  Untersuchungen  (Heimkehr,  Im  wunderschönen  Monat  Mai,  ßimiiii)  N  41.  — 
Börne  N.  45.  —  Gutzkow  N.  49.  —  Kühne  N.  50.  —  Dingelstedt  N.  53.  — 

Die  bedeutendste  Erscheinung  über  das  junge  Deutschland  im  allge- 
meinen, die  während  des  Jahres  1890  hervorgetreten,  ist  der  6.  Band  von 
G.  Brandes'  i)  „Hauptströmungen".  Das  grosse  eigenartige,  freilich  auch  etwas  ein- 
seitige Werk  des  Vf.  ist  damit  zum  Abschluss  gelangt.  30  Kapitel,  künstlerisch  aufge- 
baut, vergegenwärtigen  die  wichtigsten  Epochen  des  jungen  Deutschland  von  ihren  An- 
fängen bis  zur  Revolution  von  1848.  Die  Beziehungen  der  öffentlichen  Verhältnisse 
zur  Litteratur  werden  stets  in  den  Vordergrund  gerückt:  das  Buch  beginnt  mit  einer 
Schilderung  der  politischen  Zustände  und  mündet  in  eine  solche  aus.  Im  Anfang 
werden  bekannte  Thatsachen  des  politischen  Lebens  hübsch  erzählt,  allerdings  mit  einer 
Verteilung  von  Licht  und  Schatten,  die  nicht  jedem  gerecht  erscheinen  wird.  Das 
2.  Kapitel,  „Wissenschaft  und  Reaktion",  beleuchtet  die  Billigung  der  bestehenden  Ver- 
hältnisse durch  die  Hegeische  Philosophie,  die  Vereinigung  dieser  rücksclirittlichen 
Richtung  mit  der  übertriebenen  Goetheverehrung,  ferner  die  Abzweigung  der  roman- 
tischen Reaktion  aus  gewissen  Elementen  der  Bewegung  von  1813.  Dem  gegenüber 
macht  sich  die  oppositionelle  Grundstimmung  bei  Chamisso,  Platen,  der  Burschenschaft 
usw.  geltend  (Kap.  3),  und  durch  die  Juli-Revolution  (Kap.  4)  werden  alsbald  die 
Jungen  und  die  Gereiften,  die  B.  in  Börne  und  Heine  sehen  will,  in  lebhafteste  Be- 
wegung versetzt.  Im  5.  Kapitel  wird  Byrons  Einfluss  charakterisiert,  die  Wirkung 
seines  starken  Unabhängigkeitsgefühls  auf  Wilhelm  Müller,  Heine,  Börne  u.  a.  zu 
schildern  versucht.  Aber  B3rrons  Wesen  ist  nicht  genug  erläutert:  die  äusserliche  That- 
sache  seiner  Wirkung  wird  erzählt,  nicht  aber  der  geistige  Gehalt  seines  Einflusses, 
nicht  die  Wendung,  die  er  bringt,  noch  die  Bereicherung,  die  er  bedeutet.  Nach  einem 
Ueberblick  über  den  Wert  der  jungdeutschen  Litteratur  (Kap.  6),  in  der  nur  Heine  von 
bleibender  Bedeutung  sei,  wird  in  den  Kapiteln  7 — 10  eine  ausführliche  Charakteristik 
Börnes  gegeben.  Als  Hauptpunkte  werden  hervorgehoben  seine  Abneigung  gegen  Goethe, 
seine  Beeinflussung  durch  die  jüdischen  Verhältnisse,  seine  Abhängigkeit  von  Jean  Paul. 
Treffend  wird  seine  Geistesart  geschildert:  durch  und  dtxrch  nur  JournaHst,  ward  er 
leicht  und  schnell  von  den  Tagesereignissen  ergriffen,  sah  alle  Dinge  durch  seine  politische 
Brille  an  und  war  nie  fähig,  ein  grosses  Ganzes  zu  schildern.  Sein  radikaler  Liberalis- 
mus offenbart  sich  in  dem  einseitigen  Urteile  über  Schillers  „Teil".  Treu  aber  hält  er 
immer  und  überall  an  seiner  Ereiheitsgesinnung  fest,  er  bewahrt  sie  gegenüber  einem 
verlockenden  Anerbieten  Mettemichs:  er  ist  ein  Charakter.  Seine  Abneigung  gegen 
Goethe  erklärt  sich  weniger  aus  dem  notorischen  Mangel  an  Kunstsinn  als  aixs  der 
Beschränktheit  seines  politischen  Eifers.  Börnes  Liebesverhältnisse  zu  Henriette  Herz 
und  zu  Frau  Wohl,  namentlich  das  letztere,  das  sein  Denken  und  Fühlen  so  stark  be- 
stimmte, werden  in  fesselnder  Darstellung  gut  vorgetragen;  die  pohtische  Leidenschaft 
der  Pariser  Briefe  erfahrt  unparteiische  Beurteilung.  Börne  war  kein  Staatsmann,  sondern 
ein  Schwärmer;  wie  reich  ihm  aber  die  Gunst  der  Zeitgenossen  zugewendet  war,  zeigte 
das  Hambacher  Fest.  Dem  Christentum  hatte  er  sich  aus  Ueberzeugung  zugeneigt. 
Börnes  Urteil  über  Heine  lässt  B.  in  milderem  Lichte  erscheinen,  als  gerecht  ist:  schon 


dorif.  Für  d.  Schule  erl.  u.  bebandelt:  ZDÜ.  4,  S.  76-83.  (Vgl.  R.  Sprenger  ib.  378.)  —  69)  Diederiehs,  Ulrich  v.  Schlippen - 
bacb:  AÜB.  31,  S.  522/5.  — 

I)   ti.  Branden,   D.  Litt.  d.  19.  Jh.  in  ihren  Uauptstrdmungeu.    6.  Bd.    D.  junge  Deutschland.    Leipzig,  Veit.    V, 


IV,  14:  E.  Elster,  Das  junge  Deutschland.  159 

vor  der  Veröffentlichung  der  „Eranzösischen  Zustände"  lauerte  Borne  mit  Missgunst  dem 
liberalen  Gesinnungsgenossen  auf,  wie  gehässige  Briefstellen  aus  dem  Jahre  1831  be- 
weisen. Die  Kapitel  11 — 17,  der  wichtigste  Teil  des  Buches,  handeln  über  Heine.  Die 
Stellung,  die  unsere  Zeit  diesem  gegenüber  einnimmt,  wird  angemessen  beleuchtet.  Nach 
einem  IJeberblick  über  die  politische  Konstellation  der  Rheinlande  wird  Heines  Napoleon- 
kultus besprochen;  die  „Grenadiere"  werden  mit  Berangers  „Souvenirs  du  peuple"  in 
Parallele  gesetzt  und  treffend  gewürdigt.  Heines  politische  Gesinnung  wird  als  eine 
Mischung  aus  revolutionären  und  aristokratischen  Elementen  geschildert :  er  war  ein  Ver- 
elu-er  führender  Geister  und  des  Cäsarismus;  er  liasste  die  Mittelmässigkeit,  die  geist- 
lose Masse  und  ein  Dasein  ohne  den  Schmuck  der  Kunst.  Diese  Schilderung  giebt  eine 
Erklärung  für  den  Napoleonkultus,  aber  keine  Rechtfertigung  für  Heines  politisches 
Schwanken:  sein  „Transagieren"  im  Jahre  1828  und  1837,  seine  Schwenkung  gegenüber 
dem  Napoleonismus  in  den  „Briefen  über  die  französische  Bühne"  usw.,  diese  Schwächen 
hätten  stärker  betont  werden  müssen,  ß,  bahnt  die  Erklärung  zu  einem  Verständnis 
der  politischen  Bestrebungen  Heines  an,  gelangt  aber  nicht  zum  Ziele.  Der  nächste 
Abschnitt  (Kap.  12)  bringt  biographische  Angaben.  Die  irrige  Bemerkung,  dass  Heine 
1813  sich  zum  Ereiwilligendienst  im  deutschen  Heer  gemeldet  habe,  ist  von  Elster  bereits 
widerlegt  worden;  ebenso  sind  die  S.  139  erwähnten  zahlreichen  poetischen  Namen 
für  Amalie  nicht  zutreffend:  „Molly"  findet  sich  nur  in  Briefen,  „Zuleima"  in  einem 
Rollengedicht,  „Evelina"  und  „Ottilie"  beziehen  sich  auf  Therese.  Im  übrigen  ist  das 
Biographische  bis  zum  Abschluss  der  Studienjahre  gut  und  knapp  vorgetragen.  Die 
hierauf  folgende  Charakteristik  des  „Buches  der  Lieder"  wird  unter  häufiger  Anlehnung 
an  die  Arbeiten  von  Bölsche,  Kirchi)ach  und  Elster  gegeben;  alle  Hauptpunkte  werden 
deutlich  hervorgehoben;  nur  kommt  das  Moment  der  Entwicklung  des  Dichters,  nament- 
lich der  Fortschritt  in  der  Handhabung  der  dichterischen  Ausdrucksmittel,  in  B.s  Dar- 
stellung nicht  genügend  zur  Geltung,  Manche  Effekte  der  hier  und  da  unwahren,  über- 
triebenen und  unanschaulichen  Poesien  Heines  werden  nach  Kirchbachs  Vorgange  ver- 
urteilt. B.s  älterer  Vergleich  von  Heine  und  Rembrandt,  die  beide  durch  grelle  Licht- 
effekte wirkten,  wird  wiederholt.  Die  Wahrheit  der  Erzählung  und  der  Gestalten  lässt 
nach  B.  öfter  zu  wünschen  übrig;  dagegen  weiss  er  aber  auch  viele  Vorzüge  rühmend 
hervorzuheben;  so  preist  er  besonders  ,,Die  wilde  Jagd"  im  „Atta  Troll".  Im  „Winter- 
märchen" findet  sich  stets  dieselbe  Vermischung  von  Alltäglichkeit  und  Vision, 
schwärmerischem  Pathos  und  parodistischem  Witz,  und  immer  wieder  Rembrandtsche 
Beleuchtung.  Das  nächste  Kapitel  (15.)  weist  auf  die  Abhängigkeit  Heines  von  seinen 
Vorgängern,  namentlich  von  Goethe,  hin.  Treffend  wird  dabei  die  ausserordentliche 
Gedrängtheit  von  Heines  poetischem  Stile  im  Gegensatz  zu  Wilhelm  Müller  hervorge- 
hoben, der  sonst  einige  Wirkung  auf  ihn  gehabt  hat;  die  Einwirkung  Brentanos  wird 
dagegen  wie  bei  Grisebach  überschätzt:  die  ,, Romanzen  vom  Rosenkranze",  auf  die 
der  letztere  besonders  hingewiesen  hatte,  sind  erst  1853  erschienen,  haben  also  nur  auf 
die  Gedichte  aus  Heines  drei  letzten  Lebensjahren  („Bimini")  Einfluss  üben  können. 
Der  Gegensatz  zu  Goethe  ist  gut  vorgetragen:  bei  Heine  findet  sich  keine  Vertiefung  in 
das  Gefühl,  sondern  nur  ein  knapp  zugespitzter  Ausdruck  des  Gefühlten ;  bei  ihm  kommt 
nicht  die  geistige  Bedeutung  und  innere  Fülle  der  Liebe  zum  Wort,  die  bei  Goethe 
z.  B.  in  den  innigen  Versen  an  Erau  von  Stein  („Warum  gabst  du  uns  die  tiefen 
Blicke")  zu  herzergreifendem  Avisdruck  gelangt;  bei  Heine  findet  sich  stets  eine  grelle 
Verkoppelung  von  Liebe  und  Tod;  im  Ausdruck  reiner  Liebessehnsucht  sind  beide 
ebenbürtig,  doch  Heine  stellt  Kontraste  dar,  während  Goethe  die  Widersprüche  des 
Lebens  versöhnlich  überwindet.  Gut  wird  Heines  innere  Beziehung  zu  Aristophanes 
auseinandergesetzt:  er  ahmt  dessen  Eoraien  nicht  nach,  steht  ihm  aber  geistig  nahe  wie  kein 
anderer  durch  den  Witz,  die  Kühnheit  und  die  Schamlosigkeit  seiner  Angriffe;  dabei 
haben  jedoch  Heines  politische  Ideen  eine  andere  Richtung  als  die  des  Griechen:  er 
ficht  für  den  Fortschritt,  Aristophanes  für  den  Rückschritt.  Heines  Prosa  wird  kurz 
beiseite  geschoben:  sie  sei  von  geringerer  Bedeutung;  es  wird  nur  erwähnt,  er  habe  Byrons 
Schlachtschwert  aufgenommen.  Dann  wird  seine  letzte  Lebenszeit,  sein  Verhältnis  zu 
der  Mouche  und  dessen  durchgeistigter,  hinreissender  Charakter  treffend  geschildert.  — 
Bei  der  „Parteinahme  in  der  Poesie",  über  die  das  treffliche  18.  Kapitel  handelt,  komme 
es,  so  sagt  B.,  darauf  an,  welche  Stellung  man  zu  der  Zukunft  nehme,  welchen  Zielen 
man  zustrebe;  hierbei  wird  allerdings  ein  ganz  illusorischer  Gegensatz  von  Partei  und 
Vaterland  konstruiert,  und  die  Partei  wii'd  als  die  höhere  Instanz  bezeichnet.  Auch  an 
dieser  Stelle  ist  die  geschichtliche  Entwicklung  von  Heines  Anschauungen  nicht  genügend 
ins  Licht  gestellt,  und  insofern  bedarf  das  sonst  anregende  Kapitel  einer  sorgfältigen 
Revision.  Nach  einer  kurzen  Besprechung  Immermanns,  die  treffend  und  anziehend  aus- 
gefallen ist  (Kap.  19),  wird  die  Hegeische  Philosophie  (Kap.  20)  in  grossen  Zügen  ge- 
würdigt, wobei  zum  Schluss  ein  Hinweis  auf  die  Möglichkeit  der  später  von  den  Schülern 
Hegels  wirklich  gezogenen  radikalen  Folgerungen  in  Bezug  auf  Staat,  Kirche,    Ehe  und 


160  IV,14:  E.  Elster,  Das  junge  Deutschland. 

Eigentum  gegeben  wird.  Dass  auch  Bismarcks  Staatsidee  und  Massenorganisation  mit 
Hegels  Gedanken  in  innerer  Beziehung  stehen,  wird  freilich  nicht  erwähnt.  Die  Hegeische 
Abneigung  gegen  den  Individualismus,  sein  epochemachender  Historismus,  seine  Be- 
tonung des  Gresamtwillens,  findet  bei  B.  offenbar  kein  volles  Verständnis.  Wienbarg, 
der  dem  jungen  Deutschland  den  Namen  gegeben,  wird  ohne  viel  Sympathie  kurz  ab- 
gethan,  während  er  doch  die  Fruchtbarmachung  der  Litteratur  für  das  Leben  in  besonders 
nachdrücklicher  Weise  gepredigt  hatte.  Gutzkows  Anfänge  bis  zur  „Wally"  werden 
gerecht  und  sachgemäss  geschildert;  seine  plumpen  Uebertreibungen  erscheinen  in  deut- 
licher Beleuchtung.  Hierauf  wird  eine  Erzählung  von  Menzels  bekannten  Denunziationen 
wie  bei  anderen  vorgebracht,  des  Vaterlandsretters  bornierte,  phrasenhaft-unehrliche 
Biedermann erei  ins  rechte  Licht  gestellt;  die  Eingriffe  des  Bundestags  werden  gebührend 
verurteilt.  Wie  Gutzkow,  Laube,  Mundt  u.  a.  sich  gegenüber  dem  Bundestagsverbote 
verliielten,  berichtet  das  nächste  Kapitel  (22.)  Mit  Entschiedenheit  lehnt  sich  Heine  auf, 
am  männlichsten  aber  benimmt  sich  Gutzkow,  der  charaktervoll  schwere  Leiden  der  Auf- 
opferung seiner  Ueberzeugung  vorzieht.  Aus  dieser  Stimmung  ging  „Der  Sadducäer 
von  Amsterdam"  hervor,  der  später  im  ,,Uriel  Acosta"  dramatisiert  wurde.  Die  sympto- 
matische Bedeutung  des  Stückes  wird  treffend  gezeichnet,  während  die  anderen  drama- 
tischen Arbeiten  Gutzkows  entsprechend  abgefertigt  werden.  „Zopf  und  Schwert"  wird 
wegen  seines  nationalen  Gehaltes  gerühmt;  wenn  B.  es  aber  dem  ,, Prinzen  von  Hombiu-g" 
an  die  Seite  stellt,  so  ist  das  des  Lobes  zu  viel.  Die  litterarische  Bedeutung  der  Be- 
handlung eines  historischen  Stoffes  im  Lustspiel  findet  bei  B.  keine  besondere  Aner- 
kennung. Endhch  kommt  der  „Königslieutenant"  mit  dem  Theaterfrätzchen  des  jungen 
Goethe  viel  zu  gut  weg.  Die  treffende  Charakteristik  von  Laube  setzt  mit  einem  vollen 
Akkord  ein:  Laube  war  ein  Mann  mit  einer  Eülle  ,,Zweiterhandgedanken  ohne  Tiefe". 
Auf  die  Erzählung  der  persönlichen  Schicksale  folgt  eine  gute  Erklärung  der  littera- 
rischen Abstammung  Laubes  von  Heine  und  Heinse:  die  ,, Reisenovellen"  sind  an  die 
„Reisebilder",  das  , junge  Europa"  im  ersten  Teil  an  den  „Ardinghello"  angelehnt;  der 
zweite  und  dritte  Teil  des  Werkes,  sodann  die  „Monaldeschi",  „Struensee",  die  „Karls- 
schüler" werden  ohne  tiefer  führende  Bemerkungen  kurz  besprochen.  Mundt  erhält  eine 
etwas  drastische  Charakteristik,  in  der  es  z.  B.  heisst,  dass  seine  Ausfälle  nur  die  gefahr- 
losen Stösse  eines  wildgewordenen  Hammels  gewesen  seien;  seine  „Madonna"  wird  aus- 
führlich behandelt,  die  „Geschichte  der  Litteratur  der  Gegenwart"  gerülimt,  doch  nimmt 
B.  an  Einseitigkeiten  und  Formlosigkeit  des  Werkes  Anstoss.  Es  folgt  eine  kurze 
Würdigung  von  Kühne,  Marggraff'  und  Alexander  Jung;  Tiecks  Angriffe  im  „Wasser- 
menschen" werden  als  eine  schwache  Karikatur  zurückgewiesen.  Mit  grossem  Anteil 
sind  die  Gestalten  der  drei  Frauen  Rahel,  Bettina  und  Charlotte  Stieglitz  (vgl.  o.  IV,  13 
N.  59,  60,  62)  gezeichnet.  Raheis  grossartige  vielseitige  Anempfindung,  ihre  Duldsamkeit 
und  Vorurteilslosigkeit  springt  deutlich  hervor;  sie  sieht  wie  Goethe  im  Menschen  ein 
Naturprodukt.  Ihr  sensitives  und  leidenschaftliches  Wesen  fühlt  sich  durch  das  Bewusst- 
sein  ilirer  jüdischen  Abkunft  bedrückt;  sie  selbst  aber  ist  ohne  Mitgefühl  für  ihre  Stammes- 
genossen; ihre  Lebensumstände,  ihre  wissenschaftlichen  Studien,  ilire  hingebende  Ver- 
ehrung für  Goethe,  ihr  Wahrheitsstreben,  ihre  sibyllinische  Unklarheit,  ihre  unkünst- 
lerische Sclu-eibweise  —  alles  ist  schön  und  treffend  erzählt.  Bei  Bettina  wird  der 
Gegensatz  ihrer  Goethe verehi-ung  gegenüber  derjenigen  Raheis  gut  gewürdigt.  Auch 
sie  ist,  wie  Rahel,  von  politischen  Ideen  tiefbewegt,  aber  ihre  Bemühungen,  bei  Hofe 
ein  geneigtes  Ohr  zu  finden,  zerstören  nur  die  günstige  Stellung,  die  sie  hier  besass. 
Charlotte  Stieglitzens  trauriges  Schicksal  wird  breit  dargestellt,  nicht  ohne  jene 
Ueberschätzung  der  typischen  Bedeutung  ihres  peinlichen  Todes,  die  durch 
die  liberale  Legende  aufgekommen  war.  Die  allen  Dreien  gemeinsame  Un- 
ruhe, infolge  ewiger  Selbstbetrachtung,  übertriebener  Genieverherrlichung  und 
Originahtätssucht  ist  mit  bedeutenden  Ansätzen  von  socialem  und  politischem  Ver- 
ständnis verbunden.  Alle  drei  aber  begreifen  nicht  den  Wert  ernster  Arbeit;  es  fehlt 
ihnen  Sammlung,  Klärung  und  zweckvolles  Streben.  Das  nächste  Kapitel  berichtet  über 
die  Wandlungen  in  Preussen  seit  der  Thronbesteigung  Friedrich  Wilhelms  IV.: 
der  Umschwung  nach  der  ursprünglichen  Begeisterung  wird  im  einzelnen  durch  die 
Klarlegung  der  Wirkung  deutlich  erwiesen,  welche  verschiedene  Regierungsmassregeln 
hervorbrachten.  Der  unreife  vormärzliche  Liberalismus  findet  in  der  Verherrlichung 
Herweghs,  „der  eisernen  Lerche",  seltsamen  Ausdruck ;  „die  vier  Fragen"  des  Di'.  Jacoby 
und  sein  Prozess  sind  von  allgemeiner  Bedeutung;  der  König  befreundet  sich  mit  dem 
Zaren,  die  Reaktion  blüht,  die  politische  Konstellation  ist  traui'ig.  In  dieser  Zeit  gelangt 
die  neutrale  Litterattu-  noch  einmal  zu  grösserem  Ansehen,  A.  v.  Humboldt,  Tieck, 
Fouqu6,  Rückert,  Scherenberg,  der  Fürst  Pückler  -  Muskau,  Freihgrath  u.  a.  werden 
flüchtig  an  unseren  Augen  vorübergeführt.  Die  politische  Gährung  nimmt  inzwischen 
zu  (Kap.  25)  und  die  oppositionelle  Lyrik  blüht  immer  mächtiger  hervor.  Anastasius 
Grün,    Georg    Herwegh,    dessen    unpatriotisches   späteres   Verhalten    merkwürdigerweise 


IV,14:  E.  Elster,  Das  juiige  Deutschland.  161 

keine  Verurteilung  erfälu't,  Dingelstedt,  Freiligratli,  sie  alle  werden  in  knappen 
Zügen  gut  geschildert;  Dingelstedt  legt  bald  das  politische  Kampfschwert  beiseite,  um 
auf  den  Brettern,  welche  die  Welt  bedeuten,  glücklichere  Schlachten  zu  schlagen.  Mit 
grosser  Begeisterung  wird  Feuerbach  behandelt:  seine  charaktervolle  Lebensführung, 
der  Grundgedanke  seiner  Philosophie,  dass  das  religiöse  Problem  ein  psychologisches 
sei,  dass  alles,  was  der  Mensch  über  Gott  sage,  doch  nur  nach  Menschenmasse  gemessen 
sei:  das  wird  schön  und  mit  Wärme  vorgetragen.  Von  dem  Fortschritte  der  revo- 
lutionären Poesie  melden  die  nächsten  Kapitel  (27/8).  Freiligrath  sagt  seinen  exotischen 
Kunststücken  Valet  und  singt  grossartige  Revolutionslieder.  Prutz  giebt  in  seiner 
politischen  ,, Wochenstube"  ein  bedeutsames  Zeitbild.  Nach  kurzen  Worten  über 
Friedrich  von  Sallet  und  Alfred  Meissner,  dessen  trauriges  Ende  durch  die  gediegene 
Jugendpoesie  ausgeglichen  werde,  giebt  uns  B.  ein  breites  Charakterbild  Moritz  Hart- 
manns, dessen  tiefe  mutige  Freiheitsbegeisterung  und  charaktervolle  Tüchtigkeit  er  mit 
Anteil  würdigt.  Es  folgt  die  Revolution  (Kap.  29),  ergreifende  Sturmlieder  erschallen 
von  allen  Seiten;  in  diesem  Zusammenhange  ist  übrigens  (S.  441)  die  Nadowessische 
Totenklage  als  ein  Gedicht  Goethes  bezeichnet.  Ausführlich  und  packend  wird  die  Be- 
wegung in  Wien,  dann  die  in  Berlin  geschildert,  und  mit  gespannter  Teilnahme  ver- 
folgen wir  die  weitere  Entwicklung,  den  Ausgang.  Dabei  wird  immer  die  Parallele  zur 
Litteratur  stark  betont;  Freiligrath  und  Hartmann  ziehen  als  die  Grössten  voran.  Ein 
Rückblick  des  letzten  Kapitels  (30.)  mündet  aus  in  eine  Rechtfertigung  des  Gesamt- 
planes, nach  dem  B.  sein  sechsbändiges  Werk  gearbeitet  hat.  —  Die  Streitschrift,  welche 
Nerrlich  2)  gegen  Treitschke  veröfientlicht  hat,  giebt  eine  bis  ins  einzelne  gehende 
schroffe  Kritik  der  Darlegungen,  die  der  berühmte  Historiker  über  das  junge  Deutsch- 
land in  seiner  „Geschichte  des  19.  Jh."  '^)  geboten  hat.  Zweifellos  waren  bei  Treitschke 
etliche  Unrichtigkeiten,  Einseitigkeiten  und  Uebertreibungen  zu  finden,  die  eine  Zurück- 
weisung erforderten.  N.  aber  geht  in  einem  so  scharfen  rücksichtslosen  und  beleidigenden 
Tone  gegen  den  hochverdienten  Mann  vor,  dass  er  sich  um  ein  gut  Teil  seiner  Wirkung 
gebracht  hat;  Treitschke  einen  der  konfusesten  Köpfe  zu  nennen,  ihm  Unwissenheit  und 
Oberflächliclikeit  vorzuwerfen,  von  einer  Thersitesnatur  dieses  Gelehrten  zu  sprechen, 
etliche  Teile  seiner  Darstellung  mit  Pfuirufen  zu  beantworten  und  dergleichen  mehr: 
das  ist  ein  Ton,  den  wir  nicht  mehr  würdig  nennen  können.  Wir  geben  sachlich  dem 
Vf.  oft  Recht:  die  Anordnung  in  Treitschkes  Darstellung  ist  nicht  glücklich;  Börne  und 
Heine  werden  mit  antisemitischem  Vorurteil  besprochen;  die  Citate  Treitschkes  sind  oft 
ungenau;  Dinge,  die  nicht  zusammengehören,  vereinigt  er  an  einigen  Stellen  dergestalt, 
dass  sie  einen  Sinn  hervorrufen,  der  von  dem  betreffenden  Autor  ursprünglich  nicht  be- 
absichtigt war.  Diese  und  andere  Punkte  hebt  N.  mit  advokatorischem  Eifer  hervor. 
Aber  er  bleibt  auch  nicht  frei  von  ganz  einseitigen  Urteilen;  so  z.  B.  hat  er  für 
die  meisterhafte  Schilderung,  die  Treitschke  von  dem  Wirken  des  alten  Goethe  bietet, 
gar  kein  Verständnis.  Des  Gegners  edler  Patriotismus  und  sein  feines  ästhetisches 
Gefühl  bleiben  bei  N.  ganz  unbeachtet.  Treitschke  war  einseitig,  N.  ist  gehässig  und 
schroff.  —  Das  Berichtsjahr  brachte  auch  bereits  die  ersten  Vorarbeiten  von  J.  Prölss"^"^) 
ausführlichen  Studien  über  das  junge  Deutschland;  sie  werden  später  in  grösserem  Zu- 
sammenhange gewürdigt  werden. 

Die  kritischen  und  litterarhistorischen  Arbeiten  über  Heine  enthalten  einiges  Be- 
achtenswerte zur  Gesamtcharakteristik.  Ein  englisches  Urteil  ist,  soweit  Chotzners  6) 
Bericht  erkennen  lässt,  zwar  sehr  lobend,  aber  keineswegs  bedeutend  ausgefallen.  ')  — 
L.  Berg^)  richtet  ein  scharfes  Wort  gegen  die  einseitigen  Verurteiler  Heines  (Goedeke, 
Menzel,  Treitschke,  Hehn,  Kirchbach,  Sandvoss),  die  von  antisemitischen  Regungen  ge- 
leitet überhaupt  nicht  den  Willen  hätten,  die  Eigenart  des  Dichters  zu  begreifen;  aber 
auch  die  Biographen  vermöchten  der  proteusartigen  Gestalt  meist  nicht  gerecht  zu 
werden;  die  Beurteilung  Heines  leide  durch  den  üblichen  Vergleich  mit  Goethe.  Nicht 
der  sentimental-romantische  Heine  sei  für  die  Gegenwart  mehr  lebendig,  sondern  der 
Neuerer,  der  Zerstörer  und  Empörer,  der  wie  Kleist  von  dem  herrschenden  Zeitge- 
schmack ziu-ückgewiesen  worden  sei;  das  Urteil  der  Vergangenheit  habe  die  Schätzung 
seines  Wertes  ungünstig  beeinflusst.  —  Das  stets  parteiische  Zeitungsgerede  über  die  Denk- 
malfrage 9)  kann  mit  blosser  Erwähnung  abgethan  werden.  —  Ueber  Heines  Sarkasmus 


462S.  M.  8,60.  |[A.  Dresdner:  Moderne  1,N.  4;  W.  Bölsehe:  FrB.  1,  S.  1177/81.  —  2)  P.  Nerrlich,  Herr  v.  Treitselike  u.  d. 
junge  Deutschland.  1./-2.  Aufl.  Berlin,  Rosenbaum  &  Hart.  84  S.  M.  1,00.  |  [Post  N.  148;  Grenzh.  49,  2,  S.  523.  R.  Hessen: 
DWBl.  3,  S.  399;  Deutschland  1,  S.  666;  Bohemia».  N.  145;  Bund  N.  171.]]  (Erschien  im  Berichtsjahr  auch  noch  in  3.  Aufl.) — 
3)  S.  0.  1V,1  N.  10.  —  4)  XX  J-  Proelss,  D.  Frauen  u.  d.  junge  DeutscWand:  FelszMeer.  1.  1890/1.  S.  24—30,  161/9.  — 
5)  XX  id.,  D.  Oottasche  Buchhandlung  u.  d.  junge  Deutschland.  Nach  Originalbriefen  v.  Börne,  Heine,  Gutzkow,  Kolh,  Laube, 
Menzel,  Joh.  Fr.  u.  Georg  v.  Cotta:  AZg.  N.  181,  186/7,  198,  200/1,  212,  214/6,  261,  263/4».  -  6)  Chotzner,  E.  modernes 
englisches  Urteil  über  H.  Heine:  MLIA.  59,  S.  100/2.—  7)  X  Havelock  Ellis,  The  new  spirit.  New-York,  Scribner  &  Wel- 
ford.  (Nicht  zugänglich.)  —  8)  L.  Berg,  H.  Heine  u.  unsere  Zeit.  E.  litt.-hist.  Skizze:  Deutschland  1,  S.  505/8.  —  9)  Ueber  d. 
Heine  -  Denkmal  schrieben  z.  B.:  BerlTBl.  N.  285;  tJL&M.  S.  896;  NZUrchZg.  N.  169;  NatZg.  N.  330;  DeutschZg.  N.  6628; 
.Tahresberichte  fUr  neuere  deutsche  Litteraturgeschichte  1 1.2).  1 1 


162  IV,  14 :  E.  Elster,  Das  junge  Deutschland. 

handelt  eine  verworrene  Schrift  von  A.  Appara  tu s  i^).  Neben  diesem  dürftigen  Tertianer- 
exerzitium nimmt  sich  A.  Ch.  Kalischers  ^J)  Schrift  über  Heines  Verhältnis  zur 
Religion  günstig  aus;  befriedigend  ist  diese  Arbeit  allerdings  auch  keineswegs.  Immer- 
hin sind  hier  mit  grossem  Eleiss  zahlreiche  Stellen  aus  Heines  Werken  zusammenge- 
tragen, in  denen  der  Dichter  sich  über  Gott,  Unsterblichkeit,  Seelenwanderung,  Wesen  der 
Seele,  über  Moses,  Christus,  Dreieinigkeitsglauben,  Marienkultus,  Katholizismus, 
Protestantismus,  Staatsreligion,  über  hervorragende  religiöse  Denker,  wie  Luther,  Spinoza, 
Mendelssohn,  Lessing,  ferner  über  sein  Verhältnis  zu  den  Juden,  über  seine  spätere 
religiöse  Umkehr  usw.  ausspricht.  Aber  diese  fleissige  Zusammenstellung  entbehrt  der 
gründlichen  Verarbeitung,  und  der  Vf.  hat  auch  die  Hauptforderung,  die  man  an  ihn 
stellen  muss,  dass  er  nämlich  die  religiöse  Entwicklung  des  Dichters  zeichne,  nur  un- 
vollkommen erfüllt.  12)  — 

Ueber  Heines  Verskunst  verdanken  wir  Rem  er  i^)  einen  guten  Essay.  Schon 
seine  1889  erschienene  Dissertation  über  die  freien  Rhythmen  der  „Nordseebilder"  Hess 
die  gesunden  Anschauungen  des  Vf.  erkennen;  in  der  neuen  Arbeit  hebt  er  hervor, 
dass  Heines  Rhythmik  mehr  als  die  Rhythmik  anderer  Dichter-  den  Bann  der  Opitzschen 
Schablone  und  der  antikisierenden  Metrik  durchbrochen  habe  und  sich  am  entschiedensten 
dem  altgermaiiischen  accentuierenden  Verse  nähere.  So  zeige  sich  Heine  im  Versbau 
als  einer  der  deutschesten  Dichter;  Form  und  Inhalt  seien  überdies  in  schönste  Harmonie 
gebracht  worden,  die  Form  hebe  den  Inhalt.  R.s  Anschauungen  verdienen  allen  Beifall, 
doch  hätte  er  nicht  übersehen  sollen,  dass  namentlich  bei  dem  späteren  Heine  die  freie 
Form  schon  gelegentlich  in  Formlosigkeit  übergeht,  dass  das  richtige  Prinzip  nicht 
immer  tadellos  durchgeführt  worden  ist.  Auch  hätte  erwähnt  werden  müssen,  dass 
Wilhelm  Müller  auf  Heines  Verskunst  stark  gewirkt  hat.  Dass  das  Wort:  „In  der  Be- 
schränkung zeigt  sich  erst  der  Meister",  von  Schiller  herrühre,  hätte  dem  Vf.  nicht  ent- 
schlüpfen dürfen.  — 

L.  Beers^*)  Artikel  über  die  Tragödie  in  Heines  Leben  hebt  in  nicht  immer 
abgeklärter  Gedankenfassung  die  qualvolle  Bitternis  der  Lebensumstände  des  Dichters 
hervor,  ohne  aber  alle  fraglichen  Thatsachen,  wie  z.  B.  des  Dichters  Liebe  zu  Therese, 
zu  bemerken.  —  Von  Arbeiten,  die  auf  einzelne  Lebens-  und  Entwicklungsepochen 
des  Dichters  Licht  werfen i^),  erwähne  ich  zunächst  ein  durch  G.  Karpel es  i*^)  Mitteilung 
bekannt  gewordenes  Kapitel  aus  den  Memoiren  von  Heines  Bruder,  Maximilian  Heine, 
der  in  leichtem  Stil  Unbedeutendes,  anderweit  bereits  Berichtetes  vorträgt  und  sich  hier 
ebenso  wie  in  den  „Erinnerungen  an  Heinrich  Heine"  als  ein  unselbständiger  und  eitler 
Patron  erweist.  —  Ob  ein  undatierter  Separatabdruck  eines  Artikels  von  A.  WedelP'^) 
über  Heines  Stammbaum  müttei'licherseits  1890  erschienen  ist,  weiss  ich  nicht:  ich  habe 
ihn  in  diesem  Jahre  erhalten  und  möchte  dies  wichtige  Schriftstück  hier  nicht  uner- 
wähnt lassen.  Ein  glücklicher  Fund  und  eifrige  Bemühungen  haben  es  dem  Vf.  ermög- 
licht, Heines  Geschlecht  bis  ins  9.  Glied  mütterlicherseits  zu  verfolgen.  Eine  falsche 
Angabe  von  Karpeles  über  Heines  Grossvater  mütterlicherseits  wird  auf  diese  Weise 
berichtigt.  —  Unter  den  sonstigen  Arbeiten,  die  alle  ziemlich  wertloses)  sind,  mögen 
einige  Artikel,  die  bei  Gelegenheit  des  90.  Geburtstages  von  Charlotte  Embden,  des 
Dichters  Schwester,  erschienen  sindi9-22)^  sowie  Notizen  über  Heines  Arzt.  Dr.  Wert- 
heim 23),  und  den  Maler  E.  B.  Kietz 24),  genannt  sein.  — 

Von  bisher  unbekannten  Briefen  Heines  sind  keine  eigentlich  hervorragenden 
Stücke  zu  Tage  getreten.  Am  bemerkenswertesten  ist  ein  Schreiben  an  Mignet^s)  vom 
17.  Januar  1849,  wo  sich  Heine  mit  bekanntem  Sarkasmus  über  die  politischen  Ver- 
hältnisse Deutschlands  äussert.  Dort  herrsche  bereits  der  Kommunismus,  man  sei  zu 
völliger  Gleichheit  des  Vermögens  gelangt,  da  niemand  mehr  etwas  besitze;  auch  be- 
richtet er  über  seine  religiöse  Umkehr  in  derselben  Weise  wie  an  anderen  Stellen.  — 
Ein  Brief  an  Kertbeny26)  enthält  einen  Dank  für  die  von  dem  Adressaten  übersandte 
Petöfi-Üebersetzung.  — 

Recht  beachtenswert  sind  einige  Stellen  aus  der  Einleitung  L.  Spittas^'-)  zu 
der  neuen  Ausgabe  von  Philipp  Spittas  „Psalter  und  Harfe".     Hier  werden  interessante 


FZg.  N.  164;  KielZg.  N.  13725.  —  10)  A.  Apparatus,  Uel)or  d.  Sarkasmus  H.  Hoiiies.  LoobschUtz,  Sclmurpfeil.  26  S.  — 
II)  A.  Oh.  Kalißcher,  H.  Heines  Verhältnis  z.  Religion.  Dresden,  Oelilmann.  72S.M.  1,60.  — 12)  X 'i'he  influence  of  the  BiWe 
on  the  poetry  of  Heine.  Transl.  from  the  Frcnch  of  G.  Valbert  by  Virginia  6.  Sully:  Queries  Magazine.  S.  346  f.  (Nicht 
zugänglich.)  —  13)  P.  Remer,  Z.  Verskunst  H.  Heines:  NeueZeit  8,  S.  170—84.  —  14)  L.  Beer,  D.  Tragödie  in  Heines  Leben: 
Nation».  7,  8.  694,  708,  723.  —  15)  X  F.  WOnig,  ü.  junge  Heine:  LoipzTBI.  v.  3.  Jan.  —  16)  Maximilian  Heine,  Memoiren, 
her.  T.  G.  Karpeles  (,D.  soziale  Berlin  d.  20er  Jahre"):  Zeitgeist  N.  9.  —  17)  A.  Wedeil,  H.  Heines  Stammbaum  mütter- 
licherseits. (W.  war  Rabbiner  d.  Synagogenbezirks  Düsseldorf.)—  18)  X  [E.  Heine-Anekdote]:  Didask.  N.  131.  —  19)  X  G-  Kar- 
peles, D.  Lottchen:  Gartenl.  N.42.  —  20)  X  Gust.  Schubert,  Charlotte  Embden,  H." Heines  Schwester:  IllZg.  95,  N.2468.  — 
21)  X  Z.  90.  Geburtstag  d.  Schwester  H.  Heines  (Frau  Charlotte  Embden  in  Hamburg):  HambCorr.  N.  737.  —  22)  X  E.  Inter- 
view mit  d.  Schwester  H.  Heines:  FremdenBl.  N.  272.-23)  X  D""-  Wertheim  u.  H.  Heine:  LZg.  N.  81.  (Aehnliehes  in  mikIit.mi 
Blattern.)  —  24)  X  SchwabMerk.  v.  17.  Juni.  (Bericht  über  E. B. Kietz  [gest.  31.  5.  90],  v.  d.  e.  treffliches  Porträt  Heines  h(>niihrt.)  — 
25)  H.  Heine,  Brief  an  Mignet  v,  17.  Jan.  1849:  TglRs^.  N.  146.  (üebors.  aus  Fran9ois  Mignet  par  Edouard  Petit.  Paris, 
Didier,    1889.)  -  26)    E.   lirief  H.  Heine.s  an  Kcrtbeny    (v.  15.  8.  1849):    MLIA.    59,   S.  373/4.     —    27)    S.  o.  IV,2  N.  198.    — 


IV,14:  E.  Elster,  Das  junge  Deutschland.  163 

teilen  aus  Briefen  von  Adolf  Peters  an  Spitta  angeführt,  die  das  Verhältnis  Heines 
zu  Spitta  beleuchten.  Es  wird  erwähnt,  dass  die  beiden  Dichter  trotz  bereits  damals 
gefühlten  starken  Gegensatzes  sich  mit  Achtung  gegenübergetreten  seien,  und  es  wird 
ein  eigenartiges  Gedicht  Spittas  zur  Charakteristik  der  Heineschen  Dichtung  abge- 
druckt. —  Ueber  Heines  Streit  mit  den  schwäbischen  Dichtern  bringt  Eranzos  28) 
in  einem  breit  ausgeführten  Artikel  auf  Grund  ungedruckten  Materials  einiges  Neue  vor. 
Sein  Gesamturteil  über  das  dickköpfig-thörichte  Benehmen  der  Schwaben  ist  sehr 
treffend. .  Leider  sind  dem  Vf.  aber  einige  thatsächliche  Irrtümer  durchgelaufen ;  so  z.  B. 
ist  die  verschärfte  Fassung  der  Strophe  über  die  Schwaben  in  dem  „Tannhäuser-Gedicht" 
erst  1844  erschienen  und  die  erste  minder  scharfe  Form  auch  erst  1837,  während  F. 
sogar  für  die  zweite  Fassung  einen  noch  früheren  Termin  ansetzt:  das  Frühjahr  1836. 
Auch  ist  der  Ausdruck  „Mitschüler"  von  Heine  nachweislich  gebraucht  worden  (5,  S.  351), 
während  F.  behauptet,  dass  er  sich  gar  nicht  in  Heines  Buch  finde,  „weder  in  jenem 
Kapitel  noch  anderswo".  — 

Unter  den  neuen  Ausgaben,  die  von  Heines  Werken  im  Berichtsjahre  er- 
scliienen,  sei  zunächst  die  von  Elster  29)  erwähnt,  deren  7.  und  letzter  Band  im  August 
herauskam.  Er  enthält  die  Schrift  über  Börne  in  iirsprünglicher  Gestalt;  denn  die 
Aenderungen,  die  Heine  geplant  hatte,  waren  von  ihm  selbst  nicht  mehr  ausgeführt 
worden.  Ferner  ist  liier  die  Nachlese  in  Prosa  abgedruckt,  worunter  sich  auch  die 
Memoiren  befinden.  Wie  in  den  früheren  Bänden,  hat  E.  auch  in  dem  letzten  durch 
Einleitungen,  Anmerkungen  und  ausführliche  Verzeichnisse  der  Lesarten  kritischen  An- 
forderungen zu  entsprechen  versucht.  Diesem  letzten  Bande  wurde  auch  eine  Biographie 
Heines  aus  E.s  Feder  beigegeben,  in  der  er  über  die  Lebensumstände  einige  Ergebnisse 
eigener  Forschung  zum  erstenmal  verwertet  hat.  E.  war  bemüht,  Heines  Schaffen  im 
Zusammenhange  der  Zeitereignisse  zu  schildern  und  das  Moment  der  Entwicklung 
seines  künstlerischen  Vermögens  zu  betonen.  Die  unerfreulichen  Erscheinungen  in 
Heines  Charakter  werden  oft  durch  die  unglücklichen  Lebensumstände  des  Dichters 
erklärt  und  entschuldigt.  —  Im  übrigen  sind  einige  Ausgaben  des  „Buches  der  Lieder" 
zu  verzeichnen.  Die  bei  Grote  erschienene  Diamantausgab e^o)  bringt  den  üblichen  ent- 
stellten Text  der  Strodtmannschen  Bearbeitung  mit  Einschiebseln,  die  Heine  selbst  be- 
seitigt hatte.  —  Die  Ausgabe  von  Klara  Braunol)  bezeichnet  sich  selbst  als  eine  für 
die  Frauenwelt  ausgewählte,  entwaffnet  aber  damit  die  Kritik  nicht  völlig.  Viele  Ge- 
dichte, die  in  das  „Buch  der  Lieder"  nicht  hinein  gehören,  sind  mit  aufgenommen; 
dabei  ist  die  Auswahl  ungeschickt,  die  Anordnung  verschoben;  die  Bilder  sind  ziemlich 
schlecht.  —  Gut  ist  dagegen  die  bei  Knaur  erschienene  Ausgabe  3^)^  die,  wie  Stich- 
proben ergeben,  nach  der  Elsterschen  gedruckt  ist.33-33a)  —  Die  illustrierte  Bergidylle '^^) 
der  „Harzreise"  benutzt  den  dritten  Abschnitt  des  Heineschen  Gedichtes  zu  ganz  ge- 
fälliger, aber  nicht  charakteristischer  Illustration.  —  Hierzu  kommen  einige  englische 
Ausgaben,  zunächst  von  Heines  „Harzreise".  Buchheim  3^),  der  Herausgeber  von 
„Heines  Prosa",  lässt  die  bedenklichen  Stellen  weg,  nimmt  andrerseits  von  Heine  aus- 
gemerzte wieder  auf,  z.  B.  S.  30  und  52,  benutzt  in  seinen  Anmerkungen,  die  im  ganzen 
befriedigend  orientieren,  auch  Quellen,  deren  Anführung  er  nicht  für  erforderlich  hält; 
auf  S.  84  wird  behauptet,  „Lüder"  sei  bei  den  Göttinger  Studenten  ein  beliebter  Name 
für  Hunde  gewesen:  in  Wahrheit  aber  war  Lüder  ein  Kommilitone  Heines,  der  in  den 
siebziger  Jahren  als  General-Auditeiir  des  10.  Armeekorps  in  Hannover  gestorben  ist.  — 
Die  bei  Holt  &  Comp,  erschienene  Ausgabe  der  „Harzreise"  ^6)  ist,  wie  die  von  Buch- 
heim, für  englische  Schulen  bestimmt;  auch  sie  giebt  einen  kurzen  Lebensabriss  und 
eine  Karte  vom  Harz;  die  Anmerkungen  sind  im  ganzen  ordentlich  hergestellt,  beruhen 
aber  ausschliesslich  auf  den  Leistungen  der  Vorgänger.  Falsch  ist  die  Bemerkung 
(S.  92),  dass  mit  der  gegen  Ende  angeredeten  „Agnes"  Amalie  Heine  gemeint  sei.  — 
Von  Uebersetzungen  waren  uns  die  griechische ^7)  des  „Buches  der  Lieder" 
eben  so  wenig  wie  die  französische ^8)  der  „Heimkehr"  zugänglich;  die  Einleitung  zu 
der  letzteren    von    M.  Prevost^^)    bietet    ein    wüstes    Durcheinander  falsch   gedeuteter 


28)  K.  E.  Franzos,   Heiue  u.  d.  Schwaben.    Mit  ungedr.  Briefen   Cliaraissos,  Heines  u.  Schwabs:    PZg.    N.  144,  149,  155.    — 

29)  H.  Heine,  Sumtl.  Werke.  Mit  Einleit.,  erläut.  Anmerk.  U.Verzeichnissen  sämtl.  Lesarten,  her.  v.  E.  Elster.  7.  (Schluss-)Bd. 
Leipzig,  Bibl.  Inst.  122,656  8.  M.  2,25.  |[DRs.  65,  S.  320;  A.  Sauer:  DLZ.  12,  S.  757/8;  C(reiz  enach):  LCßl.  1891, 
S.  215/6;  FZg.  N.  351;  KreuzZg.  v.  4.  Sept.]  |  —  30)  id..  Buch  d.  Lieder.  Diamant-Ausg.  Mit  12  Kupferdrr.  nach  Zeichnungen 
von  P.  Orot  Johann,  lierlin,  Grote,  1889.  16«.  270  S.  geb.  M.  4,00.  —  31)  id..  Buch  d.  Lieder.  Für  d.  Frauenwelt  ausgew.  v. 
Klara  Braun.  Illustr.  v.  R.  E.  Kepler.  4.  Aufl.  Stuttgart,  Greiner  &  Pfeiffer,  1889.  16«.  XVI,  286  S.  geb.  M.  3,50.  -  32)  id.. 
Buch  d.  Lieder.  Leipzig,  Knaur.  223  S.  m.  1  Portr.  M.  1,80.  —  33)  X  id..  Buch  d.  Lieder.  Min.-Ausg.  Leipzig.  Fock.  12». 
XII,  296  S.  geb.  M.  1,50.  —  33  a)  X  id->  Buch  d.  Lieder.  Berlin,  Warschauer.  12«.  IX,  210  S.  M.  1,00.  —  34)  id.,  Berg-Idylle. 
München,  Stroefer.  gr.  12".  8  S.  mit  färb.  lUustrr.  Cart.  M.  0,60.  —  35)  id.,  Harzreise.  With  a  life  of  Heine,  a  descriptive 
Sketch  of  the  Harz  and  an  index.  Second  revised  edition.  Witli  English  notes  by  C.  A.  Buch  he  im.  Oxford,  Clarendon  Press. 
XXV,  134  S.  —  36)  id.,  D.  Harzreise.  Edited  with  introduction  and  notes.  New- York,  Holt.  XIII,  97  S.  [[H.  S enger:  MLN.  5, 
S.  307/9.]|— 37)  X  id-,  Buch  d.  Lieder,  ins  Neugriechische  übersetzt  v.  A.  Vlachos.  (Unzugänglich.)—  38)  id.,  D.  Heimkehr 
(Le  Ketour).  Traduciion  en  vers  de  M.  J.  Daniaux,Pr6face  de  M.  Marcel  Prövost.  Paris,  Lemerre.  |[Didask.  N.  253  (H.  Heine 
in  franz.  Gewände).]  |    —    39)    M.  Prövost,   Le  premier  amour  de  Henri  Heine.    Am61ie  Heine:    EPL.  45,  I.    S.  496—501.  — 

11* 


164  IV,14:  E.  Eisner,  Das  junge  Deutschland. 

Stellen  und  haarsträubender  Kombinationen  von  einem  fast  durchweg  schlecht  unter- 
richteten Manne.  —  Dagegen  ist  eine  englische  Uebersetzung  der  Erzählungen  und  Dramen 
von  M<=Lintock40)  hohen  Lobes  wert,  wenn  auch  die  Auswahl  ziemlich  befremdlich 
ist.  Das  Buch  enthält  den  „Rabbi  von  Bacharach",  den  ,,Almansor",  den  „William 
Ratcliff"  und  einige  grössere  Romanzen  Heines.  Die  Uebersetzung  der  Dramen  bietet 
eine  zum  Teil  etwas  gedrängtere  Wiedergabe  von  Heines  Versen;  die  ersten  sieben 
Zeilen  des  „Ratcliff"  giebtMcL.  durch  fünf  wieder;  durch  eine  Anzahl  Enjambements  ver- 
leiht er  nicht  selten  dem  Verse  gefälligeren  Eluss.  Das  etwas  süssliche  Lied  aus 
„Almansor":  „Güldne  Sternlein  schaiien  nieder"  gewinnt  in  der  englischen  Form  ganz 
entschieden;  die  Romanze  „Das  Sklavenscliiif"  ist  ausgezeichnet  übersetzt:  während 
Heine  nur  die  zweite  und  vierte  Zeile  auf  einander  reimen  lässt,  verbindet  der  Engländer 
auch  die  erste  und  dritte  Zeile  durch  solchen  Schmuck;  kleine  Zusätze,  die  er  sich 
erlaubt,  sind  wohl  gelungen.  Die  knappe  Einleitung  enthält  freilich  manche  Irrtümer: 
der  „Rabbi  von  Bacharach"  ist  keinesfalls  bereits  1819  begonnen  worden;  der  „Ratcliff" 
ist  1875  in  Italien  und  1888  in  Frankfurt  a.  M.  aufgeführt  worden.  — 

Wenige  Untersuchungen  nur  sind  den  Werken  Heines  gewidmet  worden. 
Eine  sehr  verdienstliche  Abhandlung  hat  Seuffert^i)  über  die  „Heimkehr"  veröffent- 
licht. Er  hat  erkannt,  dass  dieser  Gedicht-Cyklus,  dessen  eigentliche  Anordnung  bis 
dahin  nicht  durchschaut  worden  war,  eine  kunstvolle  Gruppierung  von  acht  Abteilungen 
aufweist,  die  von  einander  durch  sogenannte  Rollengedichte  deutlich  abgehoben  sind. 
Die  erste  und  letzte  Gruppe  dienen  als  Einleitung  und  Schluss,  die  zweite  und  siebente 
erzählen  von  niederer  Minne,  die  dritte  und  sechste  von  zweifacher  unerwiederter  hoher 
Minne;  die  dritte  Gruppe  bezieht  sich  auf  Amalie,  die  vierte  und  sechste  auf  Therese, 
die  Lieder  gelten  solchen  Erlebnissen,  die  in  die  Zeit  vom  Mai  1823  bis  zum  Sommer 
1824  fallen.  Die  Einsicht  in  Heines  künstlerisches  Schaffen  ist  durch  diese  Arbeit  ge- 
fördert worden.  —  „Im  wunderschönen  Monat  Mai"  wurde  von  R.  M.  Werner ^2) 
auf  Hagedom  nach  Ranchin  zurückgeführt.  —  Zu  dem  Gedicht  „Bimini"  hat 
D.  S ander s43)  einige  unbedeutende  sprachliche  Anmerkungen  geliefert,  bei  denen  ilim 
das  Missgeschick  begegnet  ist,  dass  er  zwei  Druckfehler  der  ganz  unzuverlässigen  Volks- 
ausgabe von  Heines  Werken  (Hambiirg  1876,  12  Bände)  gelehrt  erklärt,  nämlich 
,,krischten"  statt  des  in  guten  Heineausgaben  stehenden  „kreischten",  und  „gemannt" 
statt  „bemannt".  44)  — 

Aus  Börnes  Nachlass  sind  neuerdings  recht  interessante  Schriftstücke  zu 
Tage  gekommen.  Zunächst  einige  Jugendarbeiten  über  jüdische  Dinge,  die  Schnapper- 
Arndt  4^)  veröffentlicht  hat.  Die  erste  derselben:  „Die  Juden  in  Frankfurt  am  Main", 
geschrieben  Ostern  1807,  ist  eine  harmlose  Plauderei,  nicht  ohne  witzige  Pointen:  der 
in  der  Welt  herumgekommene  Schriftsteller  belächelt  rituelle  Vorurteile  und  ängstHches 
Benehmen  seiner  Stammesgenossen,  lässt  aber  gleichzeitig  gemütvollen  Anteil  an  ilu-em 
Thun  und  Treiben  erkennen.  Der  zweite  Artikel  giebt  abgerissene  philosophische  Be- 
trachtungen über  das  Verhältnis  zwischen  Juden  und  Christen.  Weitaus  am  wichtigsten 
ist  der  dritte  Aufsatz,  der  in  ausführlicher  Darstellung  über  die  1808  unter  dem  Fürsten- 
Primas  Karl  Theodor  von  Dalberg  veröffentlichte  neue  „Stättigkeits-  und  Schutzordnung 
für  die  Judenschaft  in  Frankftirt  am  Main"  handelt.  Diese  brachte  den  Juden  starke 
Enttäuschung,  da  sie  trotz  einiger  Milderungen  doch  viele  Bestimmungen  der  alten 
Stättigkeit  von  1616  erneuerte.  Börne  beurteilt  alle  Einzelheiten  dieses  neuen  Gesetzes 
mit  Ingrimm  und  bittrer  Satire;  er  lässt  schon  hier  sein  charaktervolles  Eintreten  für 
Menschenwürde  und  Freiheit,  durch  das  er  später  so  mächtig  wirkte,  in  deutlichem 
Lichte  erkennen.  Formell  ist  die  Arbeit  nicht  einwvirfsfrei,  es  fehlt  die  letzte  Redaktion ; 
der  Schluss  ist  verloren  gegangen.  Warum  sie  nach  der  Abfassung  nicht  erschienen, 
entzieht  sich  unserer  Kenntnis ;  vermutlich  riet  des  Vaters  vorsichtige  Bedenklichkeit  von 
der  Veröffentlichung  ab.  S.,  von  dem  die  Schrift  jetzt  veröffentlicht  ist,  hat  sie  mit  einer 
guten  Einleitung  und  erläuternden  Anmerkungen  versehen.  —  Franzos*^)  hat  uns  durch 
den  interessanten  Fund  eines  Gedichtes  von  Börne  überrascht;  in  Anlehnung  an  dessen 
Mitteilung  giebt  er  von  Börnes  Verhältnis  zu  den  Frauen,  d.  h.  zu  Henriette  Herz  vuid 
Jeannette  Wohl  eine  anziehende  Charakteristik.  Das  am  15.  Mai  1828  (nicht  28.  Mai, 
wie  F.  Seite  54b  irrig  schreibt)  verfasste  Gedicht  bezieht  sich  allerdings  auf  keine 
dieser  beiden  Frauen;  die  stark  sinnliche  Leidenschaft,  die  daraus  spricht,  ist  einer  un- 
bekannten Schönen  zugewendet.    Es  ist  in  poetischer  Beziehung  ohne  jeden  Wert,  ja  es 


40)  Heine  ae  novelist  and  dramatist,  being  a  selection  from  bis  longer  works.  In  English  by  R.  M'Lintock.  London,  Roper  & 
Drowley.  Xm,  268  S.  —  41)  B.  Souffert,  Heines  Heimkehr:  VLG.  3,  S.  589—601.  -  42)  R.  M.  Werner,  Lyrik  u.  Lyriker 
[8.  o.  1,3  N.  36]  S.  202/3.  (Vgl.  auch  B.  Litzmann,  Schröder  [s.  o.  IV,  4  N.  166]  S.  257;  A.  t.  Weilen:  DLZ.  11,  S.  1096,  u. 
F.  Härder:  ZVLR.  3,  S.  365/7.)  —  43)  [D.  Sanders],  Zu  Heines  Gedicht  Bimini:  ZDS.  4,  S.  74/5. —44)  X  D-  Wallfahrt  nach 
Kevelaer:  FZg.  N.  68.  (Katholische  Bedenken  gegen  d.  Aufführung  d  Komposition  v.  Humperdink.)— 45)  Jugendarbeiten  L.Börnes 
Über  jüdische  Dinge,  her.  v.  G.  Schnapper-Arndt:  ZGJuden  2,  S.  375-60;  4,  S.  201-74.  —  46)  K.  E.  Franzos, Börne  u.  die 


IV,14:  E.  Elster,  Das  junge  Deutschland.        1^H|P  165 

bekundet  Börnes  dichterische  Unfähigkeit  in  hohem  Grade;  aber  als  biographisches  Be- 
kenntnis und  als  ganz  vereinzelte  Leistung  des  ehrenwerten  Volkstribunen  verdient  es 
Anteil  und  Beachtung.  —  Ein  angeblicli  ungedruckter  Brief  Börnes  an  seinen  Vater, 
vom  14.  Juli  1807,  der  durch  verschiedene  Blätter  wanderte*''),  ergab  sich  bald  als 
längst  bekanntes  Schriftstück.  —  Ein  in  Sanders' 48)  Zeitschrift  erschienener  Artikel 
über  Börnes  Besprechung  von  Thiers'  „Geschichte  der  französischen  Staatsumwälzung" 
begnügte  sich  mit  der  Aufdeckung  eines  Druckversehens  und  einiger  Sprachfehler;  als 
Vorschlag  zur  Besserung  des  einen  wird  die  ungeheuerliche  Leistung  geboten:  „Der 
Lieblingsheld  des  sich  hierin  als  echten  Schauspiele  jeder  Art  leidenschaftlich  liebenden 
Pariser  zeigenden  Verfassers  ist  Mirabeau."  Und  das  nennt  sich  Zeitschrift  für  deutsche 
Sprache!  — 

Ueber  Gutzkow  liegt  nur  eine  kleine  Arbeit  von  Festeres)  vor,  in  der  die 
Jugendschrift  „Zur  Philosophie  der  Geschichte"  einer  genaueren  Würdigung  unterzogen 
wird.  Nach  einer  knappen  Darlegung  über  die  Entwicklung  der  religiösen  und  philo- 
sophischen Ideen  des  jungen  Gutzkow  geht  der  Vf.  auf  die  thörichten  Anschauungen 
der  „Wally"  ein  und  berichtet,  wie  während  der  vierwöchigen  Haft,  die  Gutzkow  in- 
folge dieser  Veröffentlichung  erdulden  musste,  die  neue  Schrift,  die  „Philosophie  der 
Geschichte",  in  ihm  aufkeimte.  Sich  anlehnend  an  Kants  Buch  über  den  Frieden  und 
Eousseaus  Auszug  aus  St.  Pierres  Traktat  über  den  ewigen  Frieden  entwickelte  Gutzkow 
Ideen,  die  als  ein  Abglanz  von  der  Gegenüberstellung  der  alten  und  neuen  Zeit  im 
„Nero"  erscheinen  und,  wenn  auch  von  keiner  absoluten  Bedeutung,  so  doch  für  die 
Entwicklungsgeschichte  des  Dichters  bemerkenswert  sind.  In  dem  Satz:  „Das  Leben 
ist  kein  Genuss,  sondern  eine  Aufgabe"  zeigt  sich  ein  Zug  männHcher  Entsagung;  ins- 
besondere aber  begegnet  uns  hier  die  Ausführung  des  Gedankens,  dass  die  Geschichte 
den  epischen  Parallelismus  verschiedener  Entwicklungsstufen  des  Geistes  aufweise. 
Hieraus  entnahm  Gutzkow  dann  die  Forderung  des  „Nebeneinander",  die  er  in  seinen 
beiden  grossen  Romanen  praktisch  bedeutungsvoll  bethätigte,  während  er  dieselbe  Theorie 
zu  seinem  Schaden  auch  in  den  Dramen  der  vierziger  Jahre  befolgte,  bis  er  im  „Uriel 
Acosta"  und  in  „Zopf  und  Schwert"  statt  dessen  das  „drastische  Nacheinander"  bevor- 
zugte. Gutzkows  Schrift,  über  die  F.  verständig  und  lehrreich  berichtet,  ist  als  Vor- 
läuferin der  grossen  Romane  von  Wert.  — 

Wichtige  Schriftstücke  sind  aus  Gustav  Kühnes  Nachlass  von  E.  Pierson^) 
veröffentlicht  worden.  Die  liebenswürdige,  edle  Persönlichkeit  eines  tüchtigen,  stark  zur 
Reflexion  neigenden  Epigonen  tritt  uns  in  den  Bekenntnissen  dieses  nur  halb  „jung- 
deutschen" Schriftstellers  entgegen,  und  wir  erfahren  manches,  was  unsere  Kenntnis 
erweitert.  Besonders  interessant  ist  die  aus  Hundts  Briefen  gewonnene  Aufklärung 
über  dessen  tiefe  und  reine  Liebe  zu  Charlotte  Stieglitz:  hier  wird  mitgeteilt,  dass  der 
Selbstmord  der  feinsinnigen  Frau  keineswegs  nur  aus  heroischer  Rücksicht  auf  ihren 
Mann  erfolgt  sei,  sondern  ebenso  sehr  aus  Rücksicht  auf  sie  selbst,  die  den  Geständ- 
nissen Hundts  gegenüber  nicht  kalt  blieb.  So  ist  die  längst  durchschaute  Legende  von 
dem  typisch-bedeutungsvollen  Opfertod  vollends  erschüttert;  persönlichste  Hotive  lagen 
der  künstlich  aufgebauschten  That  mit  zu  Grunde^i).  Interessant  sind  auch  die  Dar- 
legungen über  die  Verfolgungen,  die  Hundt  1835  und  36  (leider  sind  die  genaueren 
Briefdaten  nicht  angegeben)  in  Berlin  erduldete.  Vom  vierten  Kapitel  an  tritt  Kühnes 
eigene  Person  in  den  Vordergrund.  Sein  Briefwechsel  mit  Fanny  Tarnow  und  Frau  A-H. 
in  Leipzig  zeigt  uns  viel  liebenswürdige  Reflexion,  viel  redselig-wohlstilisierte  Herzens- 
ergüsse eines  braven,  aber  nicht  viel  Verstandesenergie  verratenden,  etwas  weiblichen 
Hannes.  Daneben  finden  sich  rousseauisierende  Kraftäusserungeu  des  abenteuerlich 
umherschweifenden  Fürsten  Schwarzenberg,  des  Sohns  des  Feldmarschalls.  Die  tiefsten 
Einblicke  gewährt  das  fünfte,  „Liebesfrühling"  betitelte  Kapitel,  in  dem  wir  des  Dichters 
Herzensregungen  von  dem  ersten  bangen  Erwarten  bis  zur  seligsten  Erfüllung  verfolgen 
können:  es  enthält  Briefe  an  die  früher  genannten  Frauen,  an  Ottilie  von  Goethe  und 
an  die  Braut.  Das  nächste  Kapitel  „Des  Dichters  Ehestand"  giebt  Berichte  über  Kühnes 
litterarische  Arbeiten,  eingehende  kritische  Erörterungen,  Aufklärung  über  persönliche 
Beziehungen  und  Hinweise  auf  das  politische  Leben,  zumal  das  Jahr  1848,  enthält  aber 
einige  Partien,  die  entbehrlich  gewesen  wären  und  nichts  von  sehr  tiefer  Bedeutung. 
Im  siebenten  Kapitel  „Die  Dresden-Hosterwitzer  Epoche"  ist  am  interessantesten  der 
Nekrolog    auf   Ottilie  v.  Goethe,    mit    der    Kühne    befreundet  war  und    der  er  hier  ein 


Frauen:  DDichtung  9,  S.49— 55.  —  47)  E.  Brief  Börnes  an  seinen  Vater:  FZg.  N.  36/7  (u.  anderwärts:  Presse  7.2.  90).  (Nach- 
weis, dass  früher  bereits  gedruckt  [u.  a.  in  d.  WOrleinschen  Ausg.  v.  Börnes  Ges.  Schrr.,  1880]  im  FrankfJoum.  N.  97.)  — 
48)  [D.  Sanders],  Zu  e.  Aufsatze  v.Börne:  ZDS.  4,  S.  249/50.  —  49)  E.  Fester,  E.  vergessene  Geschiehtsphilosophie.  Zur 
Gesch.  d.  jungen  Deutschlands :  (=  Samml.  gemeiuverst.wissenschaftl.Vortrr.  NF.  5.  Serie.  Heft  98.)Hamburg,Verl.-Anst.  38  S.  M.  0,80. 
—  50)  E.  Pierson,  Gustav  Klihne,  sein  Lehensbild  u.  Briefwechsel  mit  Zeitgenossen.  Mit  e.  Vorwort  v.  W.  Kirchhach.  Dres- 
den u.  Leipzig,  Pierson,  o.  J.  XV,  311  mit  Portr.  M.  4,00.  |[NationB.  7,  S.  450;  N&S.  55,  S.  148;  AZg.  N.  38».;  Post  N.  39; 
BohemiaB.  N.  60;  KZg.  N.  65;^Tgms«.  N.  62.]  |  —  51)  Vgl.  o.  IV,13  N.  59-62.  —  52)  Empfundenes  u.  Gedachtes.   Lose  Blätter 


166  IV,14:  E.  Elster,  Das  junge  Deutschland. 

schönes  Ehrendenkmal  errichtet  hat.  Ein  Anhang,  „Gedankenspähne"  betitelt,  enthält 
Reflexionen  über  Pessimismus,  Materialismus,  religiöse  Fragen  (Wunder,  Unsterblichkeits- 
glaube), über  Liebe,  Frauen  und  Vermischtes.  Immer  wieder  der  anziehend  edle  Kopf, 
aber  ohne  tiefdringende  Schärfe.  —  Dasselbe  gilt  von  einer  selbständigen  Sammlung 
der  ebenfalls  von  E.  Pierson ^2)  vorgelegten  Lebensbetrachtungen  Kühnes,  die  sich 
auf  weite  Gebiete  von  Kunst  und  Leben  erstreckt.  Nach  zutreffenden  und  liebens- 
würdigen Bemerkungen  über  die  Erauen  werden  wenig  hervorragende  Gedanken  über 
Plastik  und  Architektur,  ausführliche  über  die  Dichtkunst  vorgetragen:  ein  langer 
litterarhistorischer  Exkurs  über  die  Entstehung  des  Dramas  bei  den  verschiedenen 
Völkern  enthält  Veraltetes  mit  Zutreffendem  vermischt,  im  ganzen  aber  wenig  Selbstän- 
diges. Das  Kapitel  über  Musik  ist  sehr  schwach;  in  der  ,,Aesthetik"  treffen  wir  einige 
bedenkhche  Definitionen  an,  so  z.  B.  über  den  Unterschied  von  Genie  und  Talent  und 
über  das  Wesen  des  Komischen.  Li  den  „Betrachtungen  über  Religion  und  Philosophie" 
wird  gegen  naturwissenschaftliche  Irrtümer,  die  jetzt  als  überwunden  gelten  können, 
polemisiert  und  über  das  Wesen  Gottes,  Unsterblichkeit  usw.  manch  feingefühltes  Wort 
vorgebracht.  In  dem  Abschnitt  „Zur  deutschen  Religionsphilosophie"  finden  wir  eine 
ruhige,  aber  nicht  sehr  tiefe  Auseinandersetzung  mit  Strauss  und  Eeuerbach,  und 
schhesslich  folgt  ,, Vermischtes"  ohne  Wert.  Im  ganzen  beobachten  wir  mein*  Angeeig- 
netes als  Eigenes  in  diesen  Betrachtungen,  aber  sie  zeugen  von  einem  feinfühligen 
Herzen  und  vielseitig  gebildetem  Kopfe,  denen  wir  Achtung  zollen,  wenn  auch  ein  ge- 
wisses idealistisches  juste  milieu  gelegentlich  etwas  beschwerlich  wird.  — 

Die  bereits  1889  begonnenen  hochinteressanten  Veröffentlichungen  über 
Dingelstedt  hat  J.  Rodenberg^^^  im  Berichtsjahre  fortgeführt  und  beendigt.  Ihm  stand 
hierbei  der  gesamte  litterarische  Nachlass  zur  Verfügung,  ferner  Dingelstedts  Briefe  an 
seinen  Vater,  die  Freunde  Friedrich  Oetker,  G.  A.  Vogel  u.  a.  R.  wollte  keine  eigent- 
liche Biographie  liefern,  aber  doch  mehr  als  blosse  Nachträge  zu  dem,  was  er  in  seinen 
„Heimatklängen"  (Berlin  1882)  über  Dingelstedt  gesagt  hatte.  In  der  That  bietet  er 
sehr  reiche  Gaben,  denn  jener  Nachlass  war  aussergewöhnlich  gross,  da  Dingelstedt 
im  Drang  der  zeitraubenden  Berufsgeschäfte  zahlreiche  dichterische  Arbeiten  unfertig 
liegen  Hess.  Die  im  Berichtsjahr  veröffentlichten  Abschnitte  umfassen  Dingelstedts 
vierzig  letzte  Lebensjahre,  die  Zeit  von  1841 — 81.  Zunächst  „Der  kosmopolitische 
Nachtwächter  und  Geheime  Hofrat".  Briefe  und  Gedichte,  die  während  des  Aufenthaltes 
in  Paris,  London  und  Wien  geschrieben  sind,  lassen  die  ausserordentliche  Frische  des. 
mutig  durch  die  Welt  eilenden  Dichters  deutlich  erkennen.  In  Stuttgart  (1843 — 51)  erfolgt 
der  Umschwung.  Der  „Nachtwächter"  wird  Bibliothekar  des  Königs  und  dichtender  Hof- 
beamter. R.  stellt  dies  ,,Transigieren"  in  mildem  Lichte  dar,  doch  er  hat  für  Dingel- 
stedts Charakter  offenbar  das  rechte  Wort  der  Würdigung  gefunden:  er  beschönigt 
nichts,  aber  er  hütet  sich  vor  einseitiger  Schärfe,  und  er  hebt  die  liebenswürdigen 
Eigenschaften  Dingelstedts,  seine  Freundestreue,  die  Liebe  für  den  Vater,  die  Gattin, 
die  Kinder  wohlwollend  hervor.  Von  den  Liedern,  die  der  Dichter  der  jungen  Gattin 
gewidmet  hatte,  teilt  R.  eine  Anzahl  ungedruckter,  z.  T.  poetisch  wertvoller  mit,  femer 
zärtliche  Verse  für  die  Kinder  aus  späterer  Zeit.  Aber  bei  all  diesen  sympathischen 
Zügen  des  Dichters  bleibt  doch  ein  Bruch  in  seinem  Leben  unverkennbar;  dies  zeigt 
sich  insbesondere  in  der  Nichtvollendung  etlicher  Werke,  von  denen  bedeutende  Bruch- 
stücke vorhanden  sind.  Namentlich  versprach  der  Roman  „Sieben  Jahre",  der  in  Kassel  zur 
Zeit  des  „Königs  Luschtik"  spielt,  ein  hervorragendes  Werk  zu  werden.  R.  teilt 
fesselnde  Fragmente  mit,  gesteht  aber,  dass  über  Fortsetzung  und  Schluss  nur  allgemeine 
Andeutungen  zu  machen  seien.  Dagegen  gelang  dem  Dichter  die  Ausführung  des  tüch- 
tigen Trauerspiels  „Das  Haus  des  Oldenbarneveldt",  während  zahlreiche  andere  dramatische 
Pläne,  über  die  R.  genauer  berichtet,  unvollendet  blieben.  Dingelstedt  verfolgte  dabei 
das  eigentümliche  Verfahren,  mit  befreundeten  Schriftstellern  wie  Ed.  Devrient  und 
Hackländer  über  einzelne  Schwierigkeiten,  die  ihm  aufstiessen,  schriftlich  zu  verhandeln: 
seine  Fragen  und  ihre  Antworten,  oft  nur  abgerissene  Notizen,  liegen  der  Hs.  jener 
Fragmente  bei.  Der  letzte  Abschnitt,  „Der  Theaterintendant  und  Freiherr",  behandelt 
die  drei  Epochen  von  München,  Weimar  und  Wien.  Die  Münchener  Zeit  war  für 
Dingelstedt  in  vieler  Hinsicht  die  glücklichste:  hier  wirkte  er  mit  Erfolg  und  ver- 
lebte in  dem  dichterischen  Kreise  des  Königs  Max  anregende  Jahre,  bis  ihn  schmäh- 
liche Ränke  der  Ultramontanen  1857  zu  Falle  brachten.  Als  ihm  der  hochsinnige  Franz 
Liszt  hierauf  einen  neuen  Wirkungskreis  in  Weimar  zu  vermitteln  bereit  war,  zauderte 
Dingelstedt  anfänglich,  ob  er  sich  noch  einmal  binden  oder  vielmehr  der  inneren  Stimme 


ans  G.  Kühnes  Scliriften.  Seinen  Freunden  gewidmet.  Her.  v  E.  Pierson.  Dresden  n.  Leipzig,  Pierson,  o.  J.  VIII,  262  S. 
M.2,00.  —  53)  Franz  Dingelstedt.  Blätter  aus  seinem  Nachlasse  mit  Randliemerkungen  v.  J.  Eodenherg:  DRs.  62,  S.  114—26, 
423-63;  63,  S.  90-108,  290-304;  64,  S.  90—108,  211—36,  378—96.  (Auszug  aus  d.  ersten  Artikel  ahgedr.  FremdenBl.  v. 
3.  Jan.;  unterz.:  — h— ). 


IV,  14:  E.  Elster,  Das  junge  Deutschland.  167 

folgen  solle,  die  die  Bethätigung  seines  dichterischen  Talentes  verlangte.  Er  wandelte 
die  bequeme  Strasse,  die  unmittelbare  Ehren  bot,  trat  1857 — 67  in  den  Mittelpunkt  der 
Weimarischen  Geistesaristokratie,  schrieb  für  Liszts  Neu -Weimar -Verein  anziehende, 
von  R.  zuerst  mitgeteilte  Festgedichte,  trug  gleich  anfangs  durch  seinen  „Erntekranz" 
vind  einen  ebenfalls  hier  zuerst  veröffentlichten  Prolog  zur  Verherrlichung  der  Eeier  bei, 
die  bei  der  Enthüllung  des  Goethe-Schiller-Standbilds  xmd  bei  der  Grundsteinlegung 
des  Karl-August-Denkmals  am  3.  und  4.  September  begangen  wurde.  Von  Weimar  aus 
ging  Dingelstedt  nach  Berlin,  wo  er  am  22.  März  1861,  am  Geburtstag  des  Königs,  im 
Viktoriatheater  die  berühmte  Aufführung  des  „Wintermärchens"  veranstaltete.  Dem 
Stück  ward  ein  bedeutender  Prolog  Dingelstedts,  voll  weitschauenden  Verständnisses 
für  den  neuen  Königlichen  Herrn,  vorausgeschickt,  und  zum  ersten  Male  begeisterte 
hier  die  Zuschauer  ein  neuer  Stern  der  Schauspielkunst:  Charlotte  Wolter.  R.  wider- 
legt den  alten  Bericht,  dass  Dingelstedt  Eranz  Liszt  aus  Weimar  verdrängt  habe:  wenn 
sich  auch  die  Unterordnung  Liszts  unter  den  Intendanten  Dingelstedt  auf  die  Dauer 
als  unhaltbar  erwies,  so  war  doch  von  einem  Bruch  der  alten  Freundschaft  beider 
Männer  nicht  die  Rede.  Die  letzte  Epoche,  die  Wiener  (1867 — 81),  war  vor  allem  durch 
die  erfolgreiche  Aufführung  der  Königsdramen  ausgezeichnet.  Von  eigenen  dichterischen 
Arbeiten  ist  an  erster  Stelle  ein  ungedrucktes,  für  Liszt  verfasstes  Oratorium  „Stanis- 
laus"  zu  nennen,  das  aber  von  diesem  als  für  die  Komposition  unbrauchbar  zurückge- 
wiesen wurde.  Mit  Berichten  über  Lebensereignisse,  besonders  auch  über  erneute  Be- 
ziehungen zu  Friedrich  Oetker,  führt  R.  die  Arbeit  zu  Ende.  Er  hat  das  umfangreiche 
Material  schön  gesichtet  und  geordnet,  sein  Urteü  ist  klar  und  gerecht,  und  die  oft 
sehr  spannende,  trotz  mancher  Ungunst  des  Stoffes  niemals  ermüdende  Darstellung  zeugt 
von  der  zielbewussten  Sicherheit  des  vielbewährten  und  erprobten  Schriftstellers.  — 


--wvwvw^ 


Autorenregister. 


Abel,  A.    I  5  :  57. 
Achelis,  Th.    13:  46. 
Achleitner,  A.    III  4  :  58. 
Ackennann,  F.  A.    14:  88, 

-  W.    IV  12  :  17,  28. 
Adam,  P.    I  4  :  106. 
Adler,  G.    IV  3  :  17. 

Mesnard,  M.    IV  1  :  9. 

Alberti,  C.    I  3  :  84,  124. 
Albisser.    IV  1  :  89. 
Albrecht,  P.    13:117. 
AUram,  J.    IV  2  :  172;  3  :  125,  128. 
Altenrath,  S.    II  6  :  52. 
AltmUller,  K.    IV  3  :  75  a. 
AmmaDn,  J.  J.    15:  66.   II  3  :  10. 
Andreae,  C.    I  6  :  37. 
Antoniewicz,  J.  v.    IV  4  :  4. 
Apparatus,  A.    IV  14  :  10. 
Anninius  s.  Terburg-Arminius. 
Assmus,  R.    IV  4  :  188. 
Auerbach,  S.    IV  12  :  13. 
AumüUer.    II  7  :  11. 

Babad,  I.    IV  IIa:  23. 

Baeh,  S.    I  3  :  126.     IV  6  :  8. 

Baehmanu.    17:5. 

Backhaus,  W.  E.    13: 18. 

Bächtold,  J.    II  4  :  1,  12/5;  5  :  24,  24a, 

34.1115:30.     IV  2  :  80/1;  IIa  :  73. 
Baer,  J.    IV  lle  :  35. 
Bahlmann,  P.      14:  50,  85.    II  5  :  16; 

8 :  57. 
Bahr,  H.    I  3  :  62,  133/4. 
Bahlseu,  L.    IV  12  :  174. 
Bailly,  M.    IV  4  :  66. 
Baldensperger,  F.    15:  39. 
Baldi,  A.    IV  3:22;  12:  164. 
Balke,  G.    II  7  :  67  ;  8  :  28. 
Bamberg,  F.     IV  4  :  134. 
Bargmann.    I  5  :  103. 
Barta,  F.     13:  24. 
Barth,  P.    FV  6  :  62. 
Barthel,  G.  E.    IV  3  :  137/8. 
Bartholomaei,  F.    16:  25. 
Bartholomäus,  W.    I  6  :  47. 
Basch,  V.    I  2  :  16. 
Basedow,  F.    I  7  :  23. 
Basedow,   H.  v.      13:  61.    IV  1  :  41 ; 

IIa:  6;  llf  :  14. 
Bauer,  Erwin.    I  3  :  128. 

-  Jak.    I  3  :  66. 

-  L.    IV  12  :  162. 

-  W.    IV  6  :  39. 
Baumanu,  J.    16:3. 
Baumgarten,  F.    II  7  :  21. 

-  H.    IV  1  :  14. 
Bautz,  J.    IV  2  :  250. 
Bayer,  C.    IV  2  :  148. 

-  E.    I  5  :  68. 

— ,  —     rV  2  :  118-20. 

-  E.  A.    IV  3  :  83. 
Becher,  R.    16:  7. 
Bechstein,  L.    I  1  :  14. 

-  R.    II  1  :  15.    IV  IIb  :  66. 
Beck,  E.    II  6  :  8. 

-  M.     III  2  :  29. 
Becker,  H.  jr.    IV  3  :  15. 

-  J.    II  6  :  33. 

-  Th.    IV  4  :  30. 


Becker,  W.    IV  3  :  16. 
Beckh-Widmannstetter,  L.  t.    I  5  :  124. 
Backhaus,  H.    IV  12  :  128. 
Beckmann,  G.    14:  66. 
Beer,  L.    IV  14  :  14. 

-  R.    I  4  :  61. 
Behaghel,  0.    IV  3  :  19. 
Beheim-Schwarzbach,    M.    IV    1  :  108; 

2  :  245. 
Behringer.    I  7  :  21. 
Belling,  E.    IV  2:56;  lle  :  31. 
Benda,  A.    IV  lle  :  46. 
Bender,  H.    16:  6.    IV  lle  :  11,  49. 
Benrath,  K.  II  7  :  34. 
Berg,  L..    13:  125.    IV  1  :  16;  4  :  131 ; 

12:  172;  14:  8. 
Berger,  A.  Frhr  v.    I  3  :  32.   IV  4  :  203. 

-  A.  E.    IV  1  :  103. 
Bergler  s.  Tann-Bergler. 
Bernhardt,  E.    I  6  :  88. 

-  G.    I  7  :  26. 

-  J.    17:  11. 
Bernoni,  D.    14:  39. 
Bernstein,  M.    IV  4  :  185. 
Bertheau,  C.    II  6  :  32. 
Berthold-Schneeberg.     II  5  :  35. 
Bertz,  E.    I  3  :  18,  90,  113. 
Bessou,  P.     n  3  :  20.     IV  IIb  :  14. 
Bettelheim,  A.      13:  129.     IV  3  :  115. 
Bewer,  M.     IV  IIa  :  8. 

Beyer,  C.    IV  2  :  104,  106. 

-  Th.    16  :  86. 
Bezold,  F.  V.    II  1  :  1. 
Biedermann  s.  Dörmann-Biedermann. 

-  K.    IV  1  :  14. 

-  W.  V,    IV  1  :  94;  4  :  61;  IIa:  76. 
Bielschowsky,  A.    IV  11c  :  9. 
Bienemann,  F.    IV  2  :  81. 

Biese,  A.      13:  36,  88,  90,  94/6,  105. 

IV  2:234;  IIb:  73. 
Biltz,  K.    I  3  :  53.    II  2  :  46. 
Binder,  Subrektor.    IV  3  :  62;  6  :  28. 
Birliuger,  A.  I  5  :  10,  20,  98.   II  2  :  31, 

37;      5:20,  47.      III  2  :  8;    5  :  27/8. 

IV  2  :  222;  12  :  51,  107,  112;  13  :  17. 
Birmann,  H.    IV  12  :  136. 
Biachoff  s.  v.  Littrow-BischofF. 

-  Th.    III  5  :  14. 
Bitaub6.    IV  lld  :  6. 
Blackie,  J.  Stuart.    IV  IIa  :  45. 
Bleibtreu,  K.    13:  45. 
Blennerhassett,   Lady  Charlotte.     I  5  : 

49.    IV  1  :  18,  114. 
Blind,  K.     II  6  :  39. 
Blume,  L.    IV  IIa  :  89;  11c  :  21. 
BlUmel,  E.    II  6  :  66. 
Bobö,  L.    IV  2  :  10. 
Bobertag,  F.    III  3  :  5/6.    IV  4  :  50. 
Bock,  A.     IV  2:139;  Hb  :  122. 
70. 


1;  14:1. 


Bockenheimer,  K.  G. 

IV  1 

Bodemann,  E.    III  5  : 

1. 

Bodenstedt,  F.     IV  1 

:60. 

Böhm,  F.     16:  91. 

Böhme,  A.    I  6  :  36. 

-  J.    IV  10  :  5. 

-  W.    I  7  :  77. 

Bölsche,  W.    I  3  :  57. 

IV  3 

Boettcher,  C.    17:  24. 

Bötticher,  G.    17:4. 

II  6 

Bohn,  E.     II  2  :  13. 

Bolte,  J.    I  5  :  66;  6  :  10/1.    II  1  ;  13; 

2  :  6,  23,  25/9,  32/4,    38-40;    3:  13; 

4  :  9,  16/9,  25,  33/4,  40,  46;  5:3,  18; 

8  :  64,  66.  III  2  :  5-6,  13/9,  21/2,  24, 

28;    3:9;    4  :  3,  9,    11.      IV    1:  77; 

2 :  64/5. 
Bonet-Maury,  G.    FV  2  :  35. 
Bonghi.     16:6. 
Borchardt,  A.    I  5  :  90. 
Borinski,  K.    13:  28.    IV  1  :  27. 
Bormann,  W.    IV  1 :  41;  4  :  78,187,  189. 
Bornhak,  G.    III  2  ;  33. 
Borowski,  F.  W.    17:  13. 
Bosse,  F.    16:  18/9.    IV  6  :  27. 
Bessert,  A.    II  3  :  20. 

—  G.    II  6  :  49,  50,  67 ;  7  :  21,  30,  55, 
66. 

Boxberger,  R.  I  4  :  103;  7  :  42.  U  5  : 
23.  IV  1  :  90;  3  :  48,  93,  131 
4  :  81,  85;  Hb  :  116;  12  :  39,  46,  49 
51. 

Braeker,  U.    FV  3  :  20. 

Brahm,  0.  IV  4  :  135;  IIa  :  68;  12  : 
10/1,  15. 

Brandeis,  A.    IV  lic  :  22. 

Brandenstein,  A.  v.    15  :  14. 

Brandes,  G.    IV  1  :  43 ;  14  :  1. 

Brasch,  M.    I  6  :  63. 

Braun,  C.     IV  4  :  76. 

—  Clara.     IV  12  :  60;  13  :  66;  14  :  31. 

—  J.      14:  40/4.     IV  3  :  90. 

—  J.  W.     IV  lle  :  12;   12  :  6,  26,  38. 

—  K.    IV  3  :  105. 

—  0.     IV  IIa  :  81. 

—  Theodore.    IV  12  :  86. 
Brauns,  C.  W.  E.    IV  4  :  18. 
Brausewetter,  E.    13:  34b.     III  4  :  27 
Breitinger,  H.    I  3  :  144.  IV  1  :  20,  37 

118/9. 
Brendicke,  H.     IV  3  :  50. 
Brentano,  C.  t.    KI  4  :  56,  57. 
Breul,  K.    IV  3  :  66;  12  :  133. 
Breymann,  H.    II  3  :  33. 
Brieger,  A.    13:  139. 

—  Th.   16:  66.  II  6  :  10a;  7  :  64,  74. 
Brodbeck,  A.    I  1  :  12. 

Brode,  R.    IV  4  :  31. 

Bruch,  J.  F.    16:  27. 

Bruchmann,  K.    I  3  :  89. 

Brucker,  J.    I  5  :  102. 

Bruder,  J.    I  5  :  102. 

BrUmmer,  F.      IV  1  :  129;    3  :  12,  75b, 

82,    91,    120;    4  :   16,    83/4;    6  :  68; 

13  :  37. 
Brühl  s.  Lövy-Bruhl. 
Brunetiere,  F.  I  3  :  58.  IV  1  :  114,  117. 
Brunnhofer,  H.    IV  IIa:  4. 
Buchheim, CA.  IV  12  :  52,  130;  14  :  35. 

—  R.    17:  13a. 
Buchholtz,  A.    I  4  :  38. 

—  F.    I  5  :  81. 
Buchholz,  R.    III  4  :  12. 
Büchner,  W.    IV  IIa  :  67 ;  lle  :  28a. 
Buchwald,  G.    II  2  :  2;  6  :  5,  8,  9,  12. 
Buddensieg,  R.    II  6  :  4,  4a. 
Büchner,  A.    IV  2  :  106. 

~  L.    IV  1  :  28. 
BUeler,  Q.    I  4  :  79. 


Autorenregister. 


169 


Bülow,  Ed.    lY  3  :  20. 

Bürge],  F.  W.    16:5. 

Bttsgen,  M.    IV  llf  :  20. 

Bulle,  0.    IV  IIa  :  44. 

Bulthaupt,   H.     13:  34b.      IV  4  :  173; 

12  :  85,  101,  148,  165. 
Burekhardt,  A.     15:  123.     II  8  :  5. 

-  F.     I  6  :  45. 

Burdach,    K.      II    1  :  12  ;    6  :  25.       IV 

11c:  4. 
Burger,  A.     IV  6  :  22. 

-  K.     14:  106. 

Burkhardt,  C.  A.  H.    IV  IIb  :  20,  53. 
Busch,  K.    I  4  :  49. 

Calwer,  R.    III  4  :  60,  62. 

Carel,  G.    I  7  :  45,  49. 

Carriere,    M.     I  3  :  18,  36,   123;    7:  1. 

II  8:  10.    III   1:7.    IV  1:41,   112; 
2:  131,  215;  IIb:  66. 

Carstens,  C.    IV  1  :  91. 
Cartmell,  J.  W.    IV  lld:  11. 
Cassel,  H.    16:  49. 

—  P.    II  7  :  7,  8. 
Castendyck,  W.     14:  71. 
Cauer,  P.    I  7  :  18.   IV  10  : 5. 
Chasles,  Ph.    IV  12  :  136. 
Cherbuliez,  V.     IV  6  :  58. 
Chiavaeci,  V.    IV  4  :  107. 
Chotzner,  H.     IV  IIa  :  54;  14  :  6. 
Chrysander,  F.    III  4  :  21. 
Chuquet,  A.    II  4  :  25,  40;  8  :  56.    IV 

1  :  74;  2:  35;  4: 166;  IIa:  67;  12:13; 

13:5. 
Claar,  E.    IV  IIb:  26. 
Closs,  G.    IV  8  :  13. 
Cohen,  Hermann.    I  3  :  12. 
Cohn,  Alb.   14:12.   IV  1  :  46;  IIb  :  22; 

lle:4,  35a;  llf:  17. 
Cohn,  Ferdinand.    II  8  :  6. 
Conrad,  H.    IV  13  :  3. 

—  M.  G.    I  6:63.    IV  IIa:  72. 
Conway,  W.  M.    II  6  :  46. 
Cordt,  B.    IV  6  :  59. 
Corvinus,  H.    IV  11  o:  19. 
CreeeUus,  W.    II  2  :  30,  35/6.    III   2  : 

9-12. 
Creizenach,  W.    II   4  :  3,   25;   8  :  56. 

III  2:2,   65;  4  :  16.    IV  4  :  2,  13, 
166;  12:1,  167;  13:5;  14:29. 

Cremer,  W.     II  6  :  27. 
Crusius,  0.    II  8  :  50. 
Curto,  H.    IV  lle:39. 
Czihak,  E.  v.    II  8  :  36. 

Dahn,  F.    IV  1  :  59;2  :  102. 
Daisenberger,  J.  A.     III  4  :  55. 
Damm,  H.    I  7  :  85. 
Dangers.  III  1  :  2. 
Daniaux,  M.  J.  IV  14  :  38. 
Dechent,  H.  IV  IIb  :  38/9,  74. 
Deckel,  J.    I  3  :  32.    IV  4  :  203. 
De  Guimp,  E.    IV  6  :  33. 
Delius,  J.    17:  67. 
Denecke,  A.    II  5  :  32. 
Denzel.    I  7  :  35. 
Dessoir,  M.  IV  6  :  49,  50. 
Destouches,  E.  v.  IV  4  :  184. 
Detlefsen,  D.    I  6  :  81. 
Devrient,  0.    IV  lle  :  8. 
Dickmann.  H.     I  5  :  27. 
Dieckmann,  W.    I  7  :  90. 
Diederichs,  H.    IV  13  :  69. 
Diemer,  s.  Meissner-Diemer. 
Dietlein,  R.  u.  W.    17:  31/2. 
Dietz,  A.    IV  IIb  :  42,  63. 

—  M.    IV  4  :  140. 
Diez,  M.    I  7  :  79.    IV  4  :  193. 
Dilthey,     W.     I    3  :   17.     IV  6  :  21; 

13  :  25. 
Dissel,  K.    III  2  :  43;  5:7. 
Distel,  Th.     I  4  :  47.    U  7  :  43,  53,  63; 

8:21.    1112:63. 
Dittes,  F.     I  6  :  1,  15,  46. 


Dobbert,  E.  IV  IIb:  121. 

Doeberitz,  s.  v.  Knebel-Doeberitz. 

Döllinger,  J.    II  6  :  45. 

Döring.  A.     I  1  :  5 ;  3  :  60. 

Dörmann-Biedermann,  F     IV  4  :  124. 

Derer,  E.    IV  2  :  189. 

Dorsch,  P.    II  2  :  1. 

Dove,  A.    IV  llf  :2. 

Dowden,    E.     IV    IIa:  53;    IIb:  61; 

lld:  27. 
DrUseke,  J.    III  2  :  36;  3  :  10. 
Drescher,  C.    II   4  :  29-30. 
Dresdner,  A.    I  3  :  98.    IV  14  :  1. 
DUntzer,   H.     IV  6  :  46;     IIa  :  33,  74, 

76;    IIb:  43,    113;  lld  :  10,  20,  29; 

11  e  :  17,  29,  36;  12  :  64,  113;  13  :  45. 
Dttsterdieck,  F.    II  6  :  31. 
Dunger,  H.    IV  11c:  12. 
Du  Frei,  C.     IV  4  :  55. 
üziatzko.  K.    I  4  :  25.   31,  51. 

Ebel,  K.    I  6  :  60. 
Ebeling,  A.    II  6  :  30. 

-  V.yf.    15:  109.    II  3  :  15. 
Eber,  C.     15:  35. 

Ebers,  G.    I  2  :  22;  5  :  46.  IV  3  :  34. 

Ebner,  Th.    III  4  :  31. 

Eck,  S.    III  5  :  6. 

Edelmann,  A.    15:  60. 

Edler,  0.    I  3  :  10. 

Egelhaaf,  G.    II  1  :  5. 

Eggers,  K.    IV  IIa  :  33. 

Egli,  E.    II  7  :  25. 

Ehrhardt,  A.    IV  lld  :  22. 

Ehrlich.    IV  12  :  1. 

Eichler,  F.    IV  lle  :  14. 

-  M.    15:  107. 
Einsle,  A.    IV  4  :  101. 
Eisenhart,  Staatsrat  v.    12:2. 
Eitner,  G.    IV  lle  :  45. 

-  R.    III  2  :  44;  4  :  20. 

Elias,  J.  III  4  :  41;  5  :  10,  24.  IV 
2  :  84,  214;  4  :  55,  186;  IIa  :  57; 
IIb  :  20;  12  :  45,  78. 

-  J.  M.     IV  3  :  75c, 

Ellinger,  G.  I  1  :  11;  3  :  36.  II  1  :  2, 
8;  2  :  19;  4  :  3;  6  :  18;  8  :  12, 
32.  lU  4  :  16.  IV  1  :  52;  2  :  7, 
239;  3  :  49;  4  :  58,  143;  12  :  154. 

EUis,  Havelock.     IV  14  :  7. 

Elster,  E.    IV  12  :  160. 

Enders,  L.    U  6  :  14;  7  :  9,  70. 

Engel,  G.    IV  3  :  51. 

-  K.    III  4  :  26. 
Engelmann,  A.    III  4  :  53. 

-  E.    IV  12  :  179. 

-  G.    I  7  :  80. 
Englert,  A.    II  3  :  24. 
Erdmann,  D.    n  8  :  35. 

-  K.    13:  75/6,  78/9. 

-  0.    I  7  :  4.  II  6  :  2.    IV  2  :  6. 
Erdmannsdörffer,  B.    III  1  :  4. 
Erler.    IV  2  :  26. 

Ernst,  A.  W.    16:  50. 

-  0.    13:  112/4;  7  :  2. 
Eseher-Ott,  C.    IV  6  :  42. 
Ettmayr,  C.     IV  6  :  63. 
Eucken,  R.    IV  13  :  28. 

Euling,  K.     n  3  :  8,  18;   5  :  5,  12/3. 
Evers,  A.    IV  IIb  :  29. 

-  G.  G.    II  6  :  47. 

-  M.    17:  78. 
Eyssenhardt,  F.    15:9. 

Faber,  M.    II  3  :  7. 

Fabian,  E.    II  7  :  41. 

Faguet,  B.    IV  1  :  25. 

Falck,  R.    I  5  :  38. 

Falk,  F.    II  5  :  8-10. 

Falkenheim,  H.    I  3  :  11.    IV  13  :  5. 

Feist,  S.    IV  lle:  50. 

Fellner,  R.    IV  4  :  80,  104. 

Ferber,  H.    15:  89. 


Fesler,  R.    II  7:26.    IV  1:27;  llf:  5; 

13  :  7;  14  :  49. 
Filon,  A.    IV  1  :  115. 
Finsler,  G.    IV  1  :  32. 
Finnery.    IV  IIb  :  37. 
Fischer,  A.    II  2  :  9.    III  2  :  48. 

—  H.    IV  12  :  4. 

—  Kuno.   IV  lle  :  28a;  13  : 8,  13,  30. 

—  L.  H.  I  3  :  1  III  3  :  2;  4:  18. 
IV  6  :  25. 

Fitger,  A.    IV  12  :  59. 
Fix,  Th.    IV  12  :  115,  134. 
Flaischlen,  C.    I  1  :  11;  4  :  89.    IV  1  : 

69,  124;  4:9;  12:  77. 
Fleischer,  0.  III  2  :  22. 
Fränkel,  Alb.    I  2  :  22. 

—  L.  I  1  :  5;  3  :  93;  4  :  45, 
83;  5  :  56.  II  2  :  21,  23;  3  :  18, 
25;  4:  3,  25.  III  1  :  8;  2  :  1,  23,  31, 
65;  3:3;  4:27;;  6:  19.  IV  1:78, 
123,  126;  2  :  240;  4  :  2,  18/9,  58; 
6:73;  7:3;  IIa:  67;  12  :  156. 

France,  A.    IV  12  :  122. 
Franeke.    IV  12  :  1. 

—  Kuno.     IV  IIb  :  105/6. 
Francus,  J.    14:  87. 
Franke,  C.    I  3  :  55.    II  6  :  15. 
Frankl,  L.  A.    IV  2  :  140,  154,  163/4. 
Franz,  R.    I  7  :  50(1.    IV  IIa  :  77. 
Franziszi,  Fr.    I  5  :  104.    IV  4  :  149. 
Franzos,  K.  E.    IV  1  :  87;  2  :  170,  225; 

3:32,   90,   108;    IIb:  24;    13:53/7; 

14  :  28,  46. 
Frapan,  Ilse.    I  3  :  23. 
Frensdorff,  F.    IV  1  :  96. 
Frenzel,  K.    IV  12  :  144;  13  :  5. 
Fresenius,  A.    IV  10  :  11. 
Freudenberg,  F.    IV  12  :  187. 
Frey,  A.    IV  3  :  100. 

—  E.    IV  4:  97. 
Freybe,  A.    III  4  :  1  a. 
Freye,  H.    I  5  :  76. 
Freytag,  E.  Rr    IV  2  :  246. 

—  G.    I  3  :  34. 

—  L.    IV  2  :  176. 
Friok,  0.    17:6,  6a. 
Fried,  A.    I  3  :  120. 
Friedwagner,  M.    IV  lle  :  3. 
Pritsche,  H.    I  6  :  87. 
Fritzsche,  0.  F.    II  8  :  16. 
Froebel,  J.    IV  3  :  76. 
Fröhlich,  G.    IV  6  :  23. 
Froitzheim,  J.    IV  IIb  :  8,  10,  ]2;3. 
Frommann,  H.    IV  Hb  :  20. 
Frommel,  W.    I  1  :  13. 

Fuchs,  Reinhold.    I  3  :  92. 
Fürst,  R.    I  3  :  19. 
Fulda,  L.    IV  3  :  135. 
Funke,  A.    I  7  :  70. 

Gabler,  J.    IV  2  :  238. 

Gaedertz,  K.  Th.  II:  14.  II  4  :  6.  IV 
2  :  211,  214a;  3  :  112/3;  8:6; 
IIa:  31;  llc:5. 

GaUe6,  J.  H.    II  5  :  36/8. 

Gallois,  L.    II  1  :  18. 

Gander,  C.    15:63,    110.    1115:22. 

Ganghofer,  L.    IV  4  :  107. 

Gänsen,  J.    I  6  :  14,    56. 

Ganz,  H.    IV  12  :  68. 

Gast,  E.  R.    17:  69.     IV  IIa  :  78. 

Gebier,  H.    I  4  :  68. 

Geiger,  L.  I  2:15;  5:16.  II  1  :  1; 
2:23;  3:26;  8:  1,2,  5,  9,  12,  15/6, 
1,  18,  18a,  20,  26,  46,  52,  56.  IV 
1  •  11,  34,  53,  76,  78,  80,3,  87,  103, 
106;  2:13,  53/4,  92/3;  4:18,166; 
6-1  4,  14;  8:4;  IIa  :  9,  22/3,26, 
31,  33,  66;  IIb  :  8,  17,  20,  52,  67,89 
-90,  110;  11c  :  23;  lld  :  22;  lle  :  54; 
13  :  5,  40. 

Geil,  G.    IV  12  :  57. 

Geilfus,  G.    IV  3  :  54. 

Geiser,  K.    I  6  :  65. 


170 


Autorenregister. 


Goissler,  G.    IV  13  :  59. 

-  K.  W.    IV  7  :  1 ;  12  :  147. 
Gemming.    III  4  :  46. 

Gen6o,  R.    II  4:11.    IV  4  :  150. 

Geusiehon,  0.  F.    IV  IIb:  76. 

Gerhard,  C.    IV  2:  143. 

Qerok,  K.    III  2  :  51. 

Gerstenberg,  H.    IV  2  :  208/9. 

Gess,  F.    I  4  :  95,  97,  99. 

Gessner,  E.    UI  3  :  1. 

Giesing,  F.    I  3  :  29. 

Gildenmeister,  J.  F.    IV  .'J  :  25. 

Gildersleeve,  B.  L.  I  3  :  64.    IV  2: 125. 

Gille,  Ph.    IV  1  :  114. 

Gilow,  P.    17:7. 

Ginzel.    IV  4  :  135. 

Girot,  A.    IV  lld  :  12. 

Glöde,  0.    IV  2  :  89. 

Gloel,  H.    I  7:  16.    IV  lle  :  15. 

Glogau,  G.    13:16.   IV  IIa  :  5;  llf  :  1. 

Glossy,  C.     IV  2  :  141 ;  4  :  99,  123. 

GlUcksmann,  H.     IV  1  :  130. 

Görner,  K.  R.  t.     IV  1  :  85. 

Goette,  R.    IV  1  :  2,  26. 

Goetze,  E.    U  4  :  26/7. 

Götzinger,  E.     IV  2  :  17. 

Gohr,  R.    IV  1  :  104. 

Goldbaura,  W.    IV  1 :  19;  2  :  233. 

Goldbeck,  K.    IV  12  :  171. 

Goldmann,  K.    I  3  :  121. 

Goldseheider,  P.    17:  5. 

Goldstein,  L.    m  2  :  30. 

Golther,  W.    II  3  :  5. 

Goosen,  M.  A.    II  7  :  36. 

Gorges,  M.    16:  96. 

Gottlieb,  Th.    14:  5. 

Gottschall,    R.    v.      IV   3:  35;    4  :  135; 

12  :  137. 
Gräfe,  B.    IV  lld:  25. 
Gräsel,  A.    14:  53. 
Graf,  J.  H.    U  8  :  9. 
Graniclistädten,  E.    IV  4  :  135. 
Grans,  H.    IV  4  :  70. 
Grasberger,  H.    IV  2  :  159;  IIa  :  91. 
Graue,  G.    II  6  :  41. 
Grein,  F.    16:  80. 
Greiner,  H.    14:  73. 
Greinz,  R.  H.    I  3  :  50.    IV  2  :  175, 177. 
Grimm, H.  17:1.     IV  1  :  42;    2   :  34/5; 

11c:  24;  lle  :  56;  13:36/8. 
Grisebach,  E.    IV  2  :  34;  3  :  13. 
Griswold,  W.  M.    14  :  80. 
Groeben,  M.    IV  2  :  185;  3  :  1,  2;  6  :  63; 

12  :  1/2. 
Gröpler,  W.    14:11,  65/6.      m  2  :  50. 
Gross,  F.  III  4  :  52.  IV  2  :  146;  4  :  135, 

203. 

-  J.    15:  121. 

Grosse,  Ed.  1 4  :  27.  IV  llf  :  22  ;  12  :  12 
19. 

-  Emil.    IV  12:81. 
Groth,  E.    11:3. 
Grottewitz  s.  K.  Pfütze. 
Grotthuss,  J.  V.    IV  IIb  :  47. 
Gruchot,  H.    14:  37. 
Grucker,  E.    13:  5. 
Grudzinski,  S.    IV  2  :  32. 
GrUn,  A.    IV  2  :  150. 
GrUnig.    IV  3  :  87. 
Grundt,  F.    U  6  :  29. " 
Günther,  C.    16:  b2. 

-  0.    I  7  :  41. 

-  K.    16:   13. 

-  S.    II  1:  17;  3:  11;  5:41. 
Guglia,  E.    IV  1  :  04,  88;  13  :  11. 
Cuillaurae,  J.     IV  6  :  34. 
Gumppenberg,    C.  Frhr.  v.    IV  4  :  146. 

-  H.  Frhr.  v.    IV  4  :  147. 
Gurlitt,  C.    IV  IIb  :  120. 
Gutbier,  Luise.    I  5  :  40. 
Guttonbrunn  s.  MüUer-Guttenbrunn. 

Haarhaus,  J.  R.    IV  IIb  :  84. 
Habicht,  L.    IV  IIa  :  15;  llf  :  11. 


Häberlin,  C.    I  4  :  64. 
Häokermann.    IV  3  :  109. 
Hähnol,  F.    I  6  :  52. 
Hälinor,  H.    IV  6  :  38. 
Haek,  D.    III  4  :  24. 
Haendcke,  B.    II  1  :  19. 
Hager,  H.    IV  1  :  87. 
Hahn,  A.  v.    III  4  :  59. 

-  W.    I  7  :  81. 
Halatschka,  R.    IV  lle  :  20. 
Halbwaehs.    IV  3  :  46. 

Hallbcrg,  E.    IV  IIb  :  42a;  12  :  135. 

Haller,  A.    I  7  :  12. 

Hallior,  E.    I  3  :  26/7. 

Halling,  K.    IV  2  :  126. 

Hamerling,  R.    IV  3  :  121/2. 

Hannenhoim,  J.  v.    III  1  :  5. 

Hansen,  P.    IV  lle  :  33. 

Hansjakob,  H.    IV  1  :  62. 

Hanslick,  E.    IV  4  :  198. 

Haussen,  Ola.    I  3  :  1-27. 

Harden,  M.    I  3  :  130;  7  :  1.    IV  3  :  1, 

140;  4  :  1:^5;  12  :  97,  102,  142. 
Härder,  C.     II  7  :  13. 

-  F.    IV  14  :  42. 

-  W.  IV  4  :  46,  79. 
Harless,  W.  I  2  ;  18. 
Hanns,  W.    I  6  :  89. 

Harnack,  0.    I  3  :  18,  90;  4  :  38;  7  :  1. 

IV  3  :  1,   83;     4  :  33,  204;     6  :  63; 

IIa  :  1,  27,  30,  34,  49,  07;  IIb  :  16; 

lle  :  37;  llf  :  16;  12  :  1,  34,  159. 
Hart,  H.     IV  12  :  108,  144. 

-  J.     13:  141. 

Hartfelder,  K.    I  6  :  15,  61.    H  7  :  44; 

8  :  5,  12,  18,  30,  56. 
Hartmann,  A.    11  3  :  4,  16,  19. 

-  C.    IV  6  :  20. 

-  E.  T.    IV  1  :  41. 

-  L.     IV  4  ;  130;  12  :  86. 
Härtung,  E.  G.    IV  4  :  18. 

-  0.    IV  3  :  33. 
Hasenclerer,  A.    IV  lle  :  19. 
Hasselblatt,  A.    I  6  :  59. 
Haueis,  E.    II  4  :  10. 
Hauff,  G.    IV  IIa  :  18. 
Hauffe,  G.    I  6  :  44.    IV  10  :  4. 
Hauffen,  A.    I  2  :  16.  U    1    13;  2  :  18; 

3  :  23;    4  :  40.    IV  1  :  2;    4  :  120; 

12  :  1. 
Haug,  E.    IV  10  :  5. 
Haupt,  E.    n  6  :  28. 
Haushofer,  M.    16:  6*. 
Hausig,  F.    III  2  :  58/9. 
Hayn,  H.    I  4  :  81.     II  2  :  45;  5  :  43. 

III  2  :  1,  3. 

Hayward,  A.    IV  lle  :  32a. 
Hecht,  R.    IV  2  :  50. 
Hedlor,  A.    I  2  :  4. 
Hedrieh,  F.    IV  3  :  104. 
Hoerwagen,  H.    III  5:8.     IV  7  :  9. 
Hefele,  C.  J.  v.    H  6  :  48;  7  :  1. 
Heigel,  K.  Th.    IV  1  :  67. 
Iloimann,  F.     I  4  :  58. 
Hoine,  C.    II  4  :  5,  45.    III  4  :  15. 
Heinomann,  K.    I  3  :  54;  7  :  42/3,  52. 

IV  4  :  205;  IIa  :  77;    IIb  :  36a,  68, 
93a. 

-  0.  y.    14:7,  25,  60.     II  7  :  42. 
Heinrieh,  P.  W.    IV  3  :  107. 
Heinze,  P.    IV  1   :  2. 

Heinzel,  R.    12:5. 

Heitmüller,  F.    IV  4  :  6. 

Heitz,  P.    II  3  :  2. 

Hellinghaus,    0.      17:  71.     IV    1  :  8; 

3  :  46,  C8. 
Held,  L.    IV  4  :  173. 
Helferich,  H.    I  5  :  51. 
Hellen,  E.  v.  d.    IV  IIa:  73. 
Hellwag,  R.    IV  1  :  72, 
Hengesbach.    17:4. 
Henke,  0.    I  0  :  75. 
Henkel,  H.    IV  IIa:  19-  20;  llf :  6. 
Henne  am  Bhyn,  0.    15:  1—4. 


Henrici,  E.     II  3  :  3. 

Herding,  W.    I  6  :  12. 

Herford,  C.  H.    IV  2  :  230. 

Hergenröther,  J.    II  7  :  1, 

Hermann,    A.      I    3  :  134;    6  :  51.   II 

8  :  2. 
Herold,  M.     II  7  :  20. 
Herrmaun,  C.    16:  63. 

—  E.    1  5  :  61. 

—  M.     15:  100.     II  1  :  12;   8:  1,  42, 
52,  56.  IV  IIb:  44  ;llc:  7;  lld:  21. 

Herzen,  A.    15:  50. 

Herzfelder,  J.    IV  IIb  :  50/1. 

Herzog,  A.    I  3  :  104. 

Hesselbarth.    I  5  :  85. 

Hessen,  R.     IV  4:  44;  14  :  2. 

Heussler,  H.  I    3  :  87. 

Heussner,  F.    I  7  :  17,  20.    IV  IIb  :  5. 

Heuwes,  J.    17:71.     lU  2  :  27;  4  :  8. 

IV  IIa  :  78. 
Hevesi,  L.  IV  2  :  167;  4  :  203;  IIa  :  91 
Heyl,  J.  A.    15:  77. 
Hidber,  K.    III  4  :  14. 
Hildebrand,  R.     I  7:3.     IV    IIb  :  45 

11c  :  11,  16,  18,  21a,  30. 
Hildt,  E.    IV  4  :  65. 
Hirsch,  F.    III  1  :  2. 
Hirschfeld,  G.    I  6  :  48. 
Hirth,  G.    15:6. 

Hirzel,  L.    II  4  :  11.     IV  IIb  :  20,  92. 
Hochberg,  C.    IV  4  :  77. 
Hochdörffer,  B.    IV  4  :  90. 
Hoche,  R.    I  6  :  30.    II  8  :  14,    19,  34, 

37/8.    IV  1  :  92. 
Hochheim.    I  6  :  77. 
Hodermann,  R.     III  1  :  8;  5  :  29. 
Höber,  K.    IV  2  :  78. 
Höfior,  A.    IV  IIa  :  92. 
Hölscher,  L.    IV  1  :  102. 
Hoepfer.    IV  4  :  93. 
Hörmann,    L.     v.     15:  31/2,  80.     IV. 

2  :  176. 
Hofor  s.  Neumann-Hofer. 
Hoffmann,  0.    IV  10  :  11. 
Hoffmoister,  H.    IV  6  :  69. 
Hofmann,  J.  Ch.  K.    II  6  :  46. 
Hofmeister,  A.      14:  36.     II  3:  17; 

5  :  42.     III  4   :1. 
Hoheuhauson,  Frau  v.    IV  G  :  48. 
Holdermann,   K.     I  7:25.     IV  3:23; 

12  :  132. 
Holland,  H.  III  4  :  50.  IV  3  :  112,  132; 

4  :  57,  72/4,  162. 
Holstein,  H.    II  8  :  22. 
Holtey-Wober,  G.    II  5  :  33. 
Honef,  M.    II  6  :  64. 
Honke,  E.     I  7  :  22. 
Horst,  R.    16:  35. 
Hosaus,  W.    IV  2  :  48. 
Hubl,  V.  P.     IV  13  :  49. 
Hüffer,  H.    IV  2  :  184. 
Hülsen,  Helene  v.     IV  1  :  100. 
Huemer.  C.    I  3  :  31. 
Huffschmid,  M.    IV  2  :  218. 
Humperdinek.     IV  14  :  44. 
Hunnius,  C.    II  6  :  40. 
Hütten,  K.  v.    II  8  :  41. 

Ilgen,  P.    I  4  :  69. 

—  Th.    HS  :  55. 

Imelmann,  J.    17:  53.    IV  12  :  133. 
Immermann,  W.    IV  2  :  127. 
Irmisch,  L.    14:  17. 

Jacobs,  E.    II  8:  17. 

—  H.  E.     II  6  :  44. 
Jacobsen,  A.    IV  10  :  9. 

Jacoby,  D.   II  8  :  33.   IV  1  :  87  ;  4  :  20; 

6  :2,  3,  5;  12:2. 

—  L.    IV  2  :  185. 

Jagemann,  H.  C.  G.  v.    IV  13  :  50. 
Jahn,  U.    I  6  :  22. 
Jahncke,  H.    IV  1  :  30. 
Jan,  T.  8.  Ludwig,  Hermann. 


Autorenregister. 


171 


Janet.     IV  1  :  22. 

Janitschek,  H.     13:  100.     II  1  :  19. 

Janssen,  J.     II  1  :  6—7. 

Jecht,  R.    I  6:  117. 

Jeep,  E.    11  3  :  25. 

Jellinek,  M.  H.    IV  12  :  77. 

Jellinghaus,  H.    IV  2  :  37. 

Jenikego,  L.    IV  lld  :  2;  lle  :  16a. 

Jenny,  G.     IV  1  :  126. 

Jerusalem,  W.    I  3  :  119. 

Joachim,  E.     11  6  :  36. 

Joachirasohn,  P.    II  8  :  45. 

Jodl,  r.     IV  13  :  14. 

John,  A.    IV  IIa  :  85. 

Jonas,  A.     17:  76.     IV  IIa:  78. 

—  F.     III  2:  53;  3:  7.    IV  3  :  58;  6  : 
31;  lle  :29b. 

Jostes,  F.  IV  2  :  31. 
Jttlicher,  A.  II  7  :  3. 
Jung,  A.     I  6  :  84.     IV  12  :  163. 

—  K.    IV  IIb  :  119. 
Junge,  A.    14:3. 
Jungfer,  J.    IV  4  :  31. 
Jungmann,  J.    IV  lld  :  8. 
Junker,  H.    IV  lle  :  60. 


Kaberlin.    I  3  :  50,  83.    IV  12  :  13,  152. 

Kade,  R.   III  2  :  20,  46,  61/2.    IV  4  :  28. 

Kämpf,  W.     IV  12  :  16. 

Kaindl,  K.  F.    IV  6  :  60. 

Kalbeck,  M.    IV  IIa  :  69. 

KalfF.    II  1  :  16. 

Kaliseher,  A.  Ch.    IV  14  :  11. 

-  S.    IV  IIa  :  73. 
Kanoldt,  E.    IV  13  :  64. 
Kapferer,  J.  A.    IV  2  :  175. 
Karpeles,  E.    IV  IIa:  21;  llf:7. 

-  G.    IV  IIb  :  57,  77,  101;  14  :  16,  19. 
Kastner,  W.  A.    13:  63. 

Katt,  F.    IV  4  :  182. 
Kauffmann,  E.    IV  IIa  :  93. 

-  F.    I  5  :  13. 
Kaufmann,  A.    III  2:4. 

-  G.    II  8  :  5,  16. 

-  R.    IV  12  :  120. 

Kawerau,  G.     U   6  :  3,  5,   11,   17,  49, 
56/9,  61;  7  :  25,  33,  35,  38,  65,  71. 

-  V^f.    II  5  :  28 ;   7  :  66.    HI  4  :  44. 
IV  7:5. 

Kayser,  J.     I  6  :  2. 

Keck,  K.  H.    17:  69. 

Kehr,  C.   I  4  :  1 ;  6  :  4-5. 

Kehrbach,  K.    I  6  :  24. 

Kehrein.    16:2. 

Keil,  K.     IV   1  :  71;  8  :  9;   IIb  :  54; 

12  :  14. 
Keiter,  H.     IV  2  :  186;  3  :  3. 
Keller,  A.    I  6  :  56. 

-  H.  A.  V.    n  1  :  12. 

-  L.    II  2  :  11 ;  7  :  15/6,  56/7. 
Kemke,  J.    I  4  :  30. 

Kent  s.  M.  Harden. 

Keppol,  K.    IV  2  :  100. 

Kern,  F.     17:4.     IV  2  :  122;   lld  :  3; 

lle  :  37. 
Kettner,  G.    IV  12  :  65,  95,  157,  161,  170. 
Keussen,  H.    I  6  :  70. 
Keysser,  A.    I  4  !  62. 
Keyssner,  G.    II  6  :  24. 
Kienzl,  H.    IV  4  :  97,  135. 
Kilian,  E.    I  3  :  18.    IV  4  :  21,  33,  51, 

119,  173,  190;  lle  :  6a. 
Kinzel,  K.     II  6  :  6.     III  4  :  43. 
Kirchbaeh,  W.    IV  14  :  50. 
Kirehhoff,  A.     1  4   48,  86,  90/4,  98. 
Kirchner.     III  2  :  32. 
Kisch,  W.    I  5  :  87. 
Klaar,  A.    1  3  :  18. 
Klee,  G.    I  7  :  46.    IV  4  :  32. 
Klein,  0.    13:  86.    IV  lld  :  16. 
Kleiner!,  G.     13:  143. 

-  K.  E.     IV  3  :  123. 
Kleinschmidt,  A.    I  5  :  118,  122. 


Kleinstiick,  G.     14:  63. 
Kleinwächter,  H.     II  7  :  61. 
Klewitz,  E.     I  6  :  60. 
Klopfer,  K.  E.    IV  1  :  86. 
Kluckhohn,  A.  v.     IV  6  ^  18. 
Knaake,  J.  K.  F.     14:  34.     II   6  :  35; 

7  :  39. 
Knapp,  J.     IV  6  :  15. 
Knauer,  0.    IV  1  :  111. 

-  V.     I  3  :  18. 
Knauth,  F.     I  7  :  26. 

Knebel  -  Doeberitz,    H.    v.     IV    8  :  7 ; 

IIb  :  110. 
Knittl,  M.     I  5  :  74. 
Knod,  6.    11  8  :  58. 
Knoop,  0.    15:  17,  34. 
Koboll,  L.  V.     14:2. 
Koch,  A.    I  4:  102.    IV  11c:  29. 

-  M.  I  3  :  60;  5  :  16.  II  7  :  75.  IV 
1  :  126;  2:  185;  4:  166;  6:19;  8:15; 
lla:l;  12:  1-2,  13,  57,  84,  155. 

Kochendörffer,  K.     14:5,  53.    II   1  : 

12.    IV  IIb  :  9,  11. 
Köhler,  B.    IV  4 :  183a;  12  :  175. 

-  F.     I  3:43;  7  :  86. 

-  Reinh.     II  2  :  23.     IV  IIb  :  103. 

-  Rieh.    IV  3  :  37. 
Költzsch,  F.     II  7  :  40. 
Königsberg,  A.    IV  4  :  134. 
Könnecke,  G.    II  7  :  27. 
Koppen,  F.  v.    m  1 :  10. 
Körner,  F.    IV  6  :  23. 
Köster,  A.    IV  1  :  126;  12:  1. 
Köstlin,  H.  A.     II  7  :  20. 

-  J.     I  6:67.     II  6:5,  13;  7  :  51/2 
Kofahl,  A.    IV  6  :  45. 
Kohlschmidt.    II  7  :  36. 

Kohn,  Gotthilf.    IV  2  :  97. 

-  M.    IV  1  :  120. 
Kohrs,  H.    IV  2  :  90. 

Kohut,  A.    IV    2:113;     3:6;    4:113, 

165. 
Kolde,  Th.    U  6  :  1,  10,  16,  49,  57,  63; 

7  :  38,  73. 
Koldewey,  F.    I  6  :  55. 
Koller,  0.     IV  7  :  6. 

-  Th.    17:5. 
Kollmann,  A.    III  4  :  30. 
Konieki,  A.    IV  IIb  :  87. 
Kont,  J.    IV  IIb  :  2. 
Kootz,  .7.     15:  97. 
Koppmann,  K.     III  4  :  2,  19,  43. 
Korn,  E.    IV  4  :  51. 
Korneck.    II  6  :  27. 
Korscheit,  G.    IV  2  :  11. 
Koser,  R.    IV  1  :  98. 
Kotelmann,  R.    15:8. 

Kraft,  B.    IV  12  :  18,  27. 
Krais,  F.  A.    IV  12  :  50. 
Kramer,  L.  v.     IV  lld  :  4. 
Krassuig,  J.    13:  70. 
Kraus,  F.  X.     IV  13  :  12. 
Krause,  E.    IV  12  :  91. 

-  K.  E.  H.  I  2:  13.    II  4  :  44;  5  :  11. 

-  R.    I  6  :  42. 
Krauske.    I  5  :  111. 
Krauss,  F.  S.    I.  5  :  15. 
Kraz.    I  7  :35. 
Krebs,  C.    IV  4  :  181. 
Kreiteu,  W.    IV  13  :  67. 
Kreitz,  W.    I  6  :  39. 
Kremer,  A.  Freiherr  v.    15:  7. 
Kressner,  A.    IV  1  :  107. 
Kroyssig.    IV  lle  :  37. 
Kronenberg,  M.     I  3  :  11.  IV  0  :  63. 
Kroschel.    I  6  :  74. 

Krüger,  G.    I  7  :  67. 
Kühn,  P.     IV  12  :  31. 
Kühnemann,  E.    IV  6  :  63. 
Kueke,  E.    I  3  :  18. 
Kürschner,  J.     IV  2  :  41 ;  12  :  51. 
Kummer,  K.  F.    II  4  :  22.  IV  4  :  107. 
Kuntze,  F.    III  4  :  17. 
Kurtz,  J.  H.    II  7  :  2. 


Lambol,  H.     IV  Üb:  20;  llf  :  21. 
Lamey,  F.    14:10.    IV  1  :  47;  IIb  :  20. 
Lammers,  A.     IV  2  :  19. 
Landau,   M.      II  8  :  2.     III  1  :  12.     IV 

1  :  65;  4  :  103. 
Landauer,  G.     13:  51. 
Landesberg,  A.    IV  4 :  129. 
Landois,  H.    IV  2  :  188. 
Landsberg,  E.    IV  IIb  :  118;  13:21. 

-  G.     I  3  :  74. 

Lang,  W.      13:  22.      IV    1  :  121/2;. 

2  :  16,  21.5a;  6  :  74. 
Lange,  H.    15:  86. 
Langenberg,  E.    I  6  :  31. 
Langer,  P.     16:6. 
Langlois,  Ch.  V.    14:1. 
Laporte,  A.    IV  1  :  113. 
L'Arronge,  A.    IV  4  :  82. 
Lassen,  A.    13:    101.     IV  6:9. 
Lasswitz,  K.     I  3  :  80;  5  :  47. 
Latendorf,  F.    IV  2  :  64/5. 
Lauchert,  F.  II  5  :  26.  III  2:  7;  5    17/8, 
Laue,  M.      IV    1:39;    2:76;    IIb  :  36; 

12  :  3. 
Lauenstein,  A.    13:  137. 
Lautenbacher,  J.  v.    IV  10  :  8. 
Lavisse,  E.    15:  112. 
Lawrence.    IV  12  :  130. 
Leander,  R.    IV  2  :  224. 
Leblanc,  E.    IV  IIb  :  108, 
Lechleituer,  F.  IV  4  :  148. 
Leclaire,  Th.  IV  12  :  55. 
Lederer,  S.    II  2  :  23. 
Lehmann,  A.    I  7  :  10. 

-  R.     17:4,  19.     IV  10  :  2. 
Leineweber,  H.     17:  27.    IV  lld  :  4a. 
Leist,  F.    IV  6  :  63. 

Leitner,  K.  G.  v.    IV  2  :  155(8,  162. 

Leitschuh,  F.    I  4  :  19. 

Leitzmann,    A.      II  1  :  12.      IV  4:11; 

6  :43;  IIb:  34;  12:29. 
Leixner,  0.  v.    13:  140. 
Lemcke,  C.    I  3  :  25. 
Lemme,  L.    II  7  :  10. 
Lemmermayer,   F.     I  1  :  4;   3  :     115/6 

III  4  :  42,  48.    IV  2  :  83 ;  3  :  86,  106 

126;  4:97,  134. 
Lentner,  F.    IV  4  :  133. 
Lerp.    II  7  :  12. 
Levin,  M.     IV  6  :  11. 
L6vy,  B.    IV  lld:  7. 
L6ry-Bruhl,  L.     IV  1  :  22/3;  13  :  6. 
Lewes,  G.  H.    IV  IIb  :  35. 
Lewin,  A.    IV  3  :  119. 
Leser,  M.  v.    12:  8/9a. 
Leyser,  J.  A.    IV  Hb  :  86. 
Lichtenhold,  A.    I  7  :  74/5. 
Liebrecht,  F.    I  5  :  18. 
Lies,  H.  A.    IV  4  :  163. 
LUiencron,  R.  v.     15:  119.     II  2  :  10; 

4  :  2,   47/8 ;  6  :  19  ;  8  :  31,  48. 
Lindau,  P.     IV  4  :  208. 
Linde,  J.    IV  IIa  :  7. 
Lindemann,  W.    IV  1  :  3,  8. 
Linder,  G.  II  7  :  25. 
Lingg,  H.     IV  2  :  22/3. 
Linke,  J.    II  2  :  8,  12. 
Lipps,  Th.     13:  35/6,  68/9. 
Littrow-Bischoff,  A.  v.    IV  IIb:  80. 
Litzmann,     B.      IV    4:106;    IIb  :  20; 

12:  13;  14:42. 

-  C.  C.  T.     IV  12:44;  13 :  .30. 
Loebner,  H.    IV  4  :  204. 
LOhn-Siegel,  A.  IV  2:39;  4:69;  6:47. 
Loeper,    G.    v.      IV    IIa :  10,    73,   76; 

IIb:  7;  lle:  25;  llf:  12. 
Loesche,  G.    II  1:1,  13;  7  :  47/9. 
Löschhom,  H.    17: 54,  66.    IV  IIa  :  77. 
Lötze,  C.    I  6  :  20. 
LOwenfeld,  R.    IV  4  :  97,  176. 
Lohmeyer,  K.  H.    IV  4  :  155. 
Lohr,  0.     I  5  :  55. 
Lombard,  E.     IV  4  :  64. 
Looten,  C.    III  4  :  25. 


172 


Autorenregister. 


Lorion,  B.    IV  4  :  67. 
Loserth,  J.    I  4  :  6 ;  6  :  69. 
Louvier,  F.  A.    IV  lle  :  38. 
Ludwig,  H.    IV  1  :  31 ;  IIb  :  46a. 
LUbke,  W.    IV  2  :  81 ;  4  :  187  ;  IIa:  33. 
Lttdemann,  E.    II  6  :  20. 
Lüttge,  E.    I  6  :  41. 
Lyon,0.    1 1: 16;  7  :  7-7a,  44,  55,  85a; 
IV  2:227;  12:3a;  13:68. 

Machule,  P.    11:6. 

Madschid  Pascha.    IV  3  :  65. 

Mahly,  J.    I  2  :  20.  IV  1  :  119;  3  :  103 

Mager,  A.    IV  8  :  17. 

Mahrenholtz,  R.     IV   1  :  27,    109  — 10, 

123;  2:  146;  4:  126/8;  12:  125/7. 
Majunke,  P.    II  6  :  56,  62,  69. 
Maltzahn,  W.  v.    IV  12 :  49. 
Manitius.    IV  1  :  2. 
Manz,  G.    IV  4  :  54. 
Marbach,  H.    I  3  :  77. 
Marcks,  E.    IV  1  :  41. 
Mariou,  H.     16:  15. 
Markgraf.    II  8  :  55. 
Markhof  s.  Mautner-Markhof. 
Marquardt,  H.     14:  70. 
Martersteig,  M.     IV  4  :  173;  12  : 8. 
Martin,  E.    I  2  :  3.  II  3  :  1,  20 ;  4  :  25 ; 

7  :60.  III  2  :  24.  IV  IIb  :  117;  11c:  8. 

—  Th.    IV  12  :  70. 
Maschke,  R.    13:  106. 
Masing,  W.    IV  12  :  74. 
Masoch  s.  Sacher-Masoch. 
Massonius,  M.    13:  13. 
Matthias,  A.    I  7  :  47. 

—  E.    II  5  :  29 ;  8  :  56. 

—  Th.    13:  67. 

Mauerhof,  E.    13:  49.    IV  IIb  :  109. 
Maureubrecher,  W.    IV  12  :  100. 
Maury  s.  Bonet-Maury. 
Mauthner,  F.    IV  IIb  :  69;  13  :  62. 
Mautner- Markhof,  0.    I  3  :  82 ;  5  :  52. 
Mayerhofer,  J.    II  3  :  28/9. 
McLintoek,  R.    IV  14  :  40. 
Mederus,  P.    III  2  :  35. 
Mehring,  S.    I  3  :  40. 
Meier,  Gabriel.    I  5  :  94. 

—  J.    II  3  :  12. 
Meinhof,  H.    II  7  :  55. 
Meisner.    IV  IIa  :  48. 
Meissner-Diemer,  F.    IV  4  :  116. 
Mekler,  S.    13:  31, 

Melzer,  E.    IV  IIa:  11;  llf  :9. 
Merkens,  H.    IV  1  :  101. 
Merlo,  J.  J.    IV  4  :  174. 
Merschberger.    IV  4  :  19. 
Mesnard  s.  Adler-Mesnard. 
Meyer,  A.  G.    17:8. 

—  Christian.    II  8  :  27. 

—  Conr.  F.    IV  3  :  39. 

—  F.  Herrn.  I  4  :  96,  100/1.  II  1  :  14. 

—  Julius.    IV  4  :  5. 

—  Mathias.    I  7  :  89. 

—  Oscar.    I  4  :  53,  81. 

—  R.  M.    13:  36,  88.    IV  6  :  40. 

—  T.  G.    14:5. 
Meyer-Markau,  W.    16:  47. 

Meyer  ron  Waldeck,    F.  IV  lle  :28a. 
Meynert,  H.    IV  12  :  35. 
Michaelis,  C.    I  7  :  66. 

—  L.    IV  1  :  56. 
Michel,  R.    II  3  :  14. 
Michels,  V.    II  4  :  31/2. 
Mickley-Thoinert.    IV  2  :  28. 
Mielck,  W.  H.    IV  2  :  229. 
Mielke,  H.    IV  3  :  1. 
Miessler,  A.    IV  12  :  24. 

Minor,  J.^  II  4  :  3.  III  2  :  65.  IV  1  :  38; 
4:9,  47,  124/5,173;  11c:  13;  12:1 
-2,  5,  7,  33,  36,  40,  43,  53,  72,  80, 
83,  87/8,  93,  98,  104/5,  141,  149, 
153,  158. 

Mirsch,  P.    IV  3  :  33. 

Mix,  G.    IV  4  :  52. 


Moser,  A.    IV  3  :  127. 
Moldehn,  A.    16:8. 
Moleschott,  J.    IV  11c  :  14. 
Molin,  J.    IV  lle  :  24. 
Morgenstern,  0.    14:  67. 
Mor-Sunnegg,  E.  v.    IV  2  :  110,  147. 
Mosapp,  H.    IV  2  :  202. 
Mosen,  P.    II  7  :  69. 
Moser,  0.    IV  4  :  43. 
MUhlhausen.    12:7. 
Müller,  E.    IV  12  :  96,  118. 

-  Georg.    I  6  :  54.     II   7  :  28/9.     III 
4:  13. 

-  Hans.    I  3  :  65. 

-  Max.    IV  llf  :3. 

-  M.  R.    IV  3 :  71. 

-  Wilhelm.    12:5. 
.    IV  1  :  12/3;  IIa:  3. 

MUUer-Guttenbrunn,  A.  IV  4  :  97. 
MUnz,  B.    IV  IIa:  2;   IIb:  81;   12:2. 
Mummenhoff,  E.    II  7  :  19. 
Muncker,  F.    IV  2:107;   7:6;   8:12; 
lle  :  6;  12  :  166,  169;  13  :  10,  15,  18. 

Nagel,  W.    II  2:43;  4:49. 

Nagele,  A.    IV  2  :  144.      . 

Nanarelli,  F.    IV  4  :  93. 

Nardelli,  G.    IV  lld  :  9. 

Nathusins,  M.  v.    IV  2  :  38. 

Natzmer,  G.  E.  v.    III  5:2-4. 

Naumann,  E.    I  7  :  71;  IV  10  :  5. 

NaviUe,  E.    IV  6  :  35. 

Nebel,  W.    III  5  :  13. 

Necker,  M.    I  3  :  18.  IV  3  :  101 ;  4  :  98, 

203. 
Neff,  J.    II  8  :  15. 
Neide,  S.    IV  12  :  67. 
Nemo.    IV  3  :  98. 

Nerrlich,  P.    IV  3  :  28,  31,  33 ;  14  :  2. 
Neubauer,  J.    17:  73. 

-  L.    III  2  :  39. 

-  R.    I  7  :  68.    II  6  :  6. 
Neubürger,  E.    IV  13  :  44a. 
Neumann-Hofer,  0.    13:  132,  138. 
Nick,  P.     14:9. 

Nicklas,  J.    I  7  :  4—5. 
Nicolai,  W.    I  3  :  14. 
Niemeyer,  E.    IV  12  :  71. 
Niggli,  A.    IV  4  :  168. 
Nippold,  F.    rV  1  :  33. 
Nitsch,  F.    II  7  :  38. 
Nitzold,  F.  F.    I  6  :  21. 
Nodnagel,  E.  0.    IV  lle  :  53. 
Nöldeke,  W.    I  7  :  57.    IV  IIa  :  77. 
Nolhac,  P.  de.    14:  39. 
Nolte,  Mary.    IV  3  :  73. 
Nonnemann,  F.    15:6. 

Oberbreyer,  M.    IV  3  :  18. 
Obser,  K.    IV  2  :  243. 
Odinga,  Th.    II  2  :  4. 
G.  Oekander,  G.    IV  lle  :  30a. 
Oertel,  G.    IV  IIb  :  55. 
Oettingen,  W.  V.    IV  IIa:  31,  73. 
Offermann,  F.    I  3  :  102. 
Ofterdinger,  L.  F.    IV  8  :  14. 
Osthaus,  C.    IV  1  :  99. 
Ott  s.  Escher-Ott. 
Ottmann,  H.    IV  12  :  89. 
Otto,  E.    I  5  :  84. 

-  F.    I  2  :  6a;  7  :  28. 

-  G.    I  6  :  59. 

-  H.  W.    IV  lld  :  26. 

Pachtler,  G.  M.    16:  58. 
Paetow,  W.    IV  4:97;  IIb  :  70. 
Painter,  F.  V.  N.    II  6  :  22. 
Päl,  Timär.    IV  12  :  150. 
PaUmann,  H.    IV  IIb  :  41. 
Palm,  A.    IV  2  :  79. 

-  R.    I,  7  :  58.    IV  IIa  :  77. 
Paludan,  J.    III  4  :  23. 
Panitza,  0.    UI  4  :  39. 
Panuier,  K.    III  2  :  52. 


Pascal,  Dr.  s.  Leo  Berg. 
Paulsen,  F.    IV  lle  :  48. 
Paulton,  E.  A.    II  3  :  35. 
Peetz,  P.    14:  4. 
Percy,  Th.  S.    IV  13  :  4. 
Porfall,  K.  V.    IV  4  :  190.;  lle  :  6. 
Perlbach,  M.    14:5. 
Perrens,  F.  E.    16:  15. 
Pestalozzi,  F.  0.    IV  3  :  53. 
Peters,  J.    II  4  :  42. 

-  W.    IV  6  :  54. 
Petersen,  J.    IV  lle  :  40. 
Petz,  G.    II  4  :  5. 

Pey,  A.    IV  12  :  145. 

Pfaff,  F.  IV  13  :  35. 

Pfeiffer,  G.  J.     IV  3  :  9;  lle  :  42. 

Pflster,  H.     IV  12  :  127. 

Pfitzner,  E.    III  2  :  57. 

Pfütze,  C.  I  3  :  103,  131,  135/7.  IV  4  :  14. 

Philippson,  Rob.     I  3  :  14a.     IV  0  :  52; 

12:58. 
Pichler,  A.      13:  36.     III  2  :  60.      IV 

2  :  173,  182. 
Pieper,  J.    IV  6  :  30. 
Piersou,  E.    IV  13  :  63;  14  :  50,  52. 
Pietsch,  P.    II  6  :  26. 
Pilo.    13:71. 

Pinloche,  A.    16: 15.    III  4  :  5. 
Plaumann,  E.    I  3  :  91 ;  5  :  56. 
Plöhn,  R.    I  3  :  36. 
Puiower,  0.    11:2.    IV  lle  :  37,  41a, 

43;  13  :  6. 
Pohlandt,  M.     I  6  :  43. 
Polack,  F.  R.    16:  39. 
Poll,  M.    IV  4  :  90. 
Pollak,  L.    IV  IIb  :  23. 
Polzer,  A.    IV  3  :  124. 
Portig,  G.     13:  27,    36,    72,    81,    122, 

140.    IV  12  :  168. 
Potoni6,  H.    IV  llf:  19. 
Preger,  W.    IV  2  :  101. 
Prem,    S.  M.      III   4  :  45.      IV   2  :  174, 

178;  IIb:  115. 
Pr6vost,  M.    IV  14  :  38/9. 
Primer,  ü.    IV  3  :  47. 
Probst,  H.     16:5. 
Prochäzka,  R.  Frh,    I  3  :  39. 
Pröhle,  H.      12:12.      IV  1  :  40,    93 ; 

2  :  30,  135,  137  ;  3  :  36,  92;  4  :  49. 
PröU,  K.    IV  2 :  161/3. 

-  L.    15:  101. 

Proelss,  J.   IV  2  :  247  ;  4  :  68;  IIa  :  29; 
14  :  4—5. 

-  R.    IV  2  :  24. 
Pröscholdt,  L.    11:5. 
Prosch,  F.    13:  44. 
Prou,  M.    14:1. 
Pumpe,  P.     III  6  :  26. 
Pucskö,  A.    IV  6  :  66. 
Puls,  A.    UI  2  :  45. 

Puymaigre,  Le  Comte  de.      IV  12  :  125 
Pyl,  Th.    II  7  :  58. 

Quarck,  M.    IV  14  :  45. 
Quellobold  usw.    II  1  :  10. 

Raab,  R.     13:  107. 

Rabe,  M.    IV  4  :  177. 

Raddatz.    IV  12  :  146. 

Rade,  P.  M.     II  6  :  5. 

Rady,  J.  B.    II  0  :  53;  7  :  22. 

Raiz,  A.    IV  lle:  41. 

Ranke,  L.  v.    IV  llf:  2. 

Ransohoff,  G.    IV  8  :  16. 

Rathgeber,  J.    I  5  :  36.    IV  2  :  221. 

Ratzel,  F.    III  5  :  33/4. 

Rau,  A.    I  3  :  85. 

Rebbert,  J.    II  6  :  54. 

R6e,  P.     I  4:  15;  5:91. 

Regnet,  C.  A.    III  4  :  53. 

Rehberg,  K.    I  3  :  38. 

Rehorn,  F.    IV  12  :  66. 

-  K.     IV  3:  2;  12:69. 

R«ich,  E.    13:6,  18.    IV  4 :  121,  125. 


Autorenregister. 


173 


^'Keiehel,  E.    I  3  :  142.  IV  6  :  44. 

—  R.    IV  lle  :  21. 

Keichl,  A.    II  4  :  7.    IV  13  :  33. 
Reifferscheid,  AI.    III  1  :  6. 
Reimann,  H.    III  4  :  20. 
Reinach,  S.     IV  12  :  77. 
Reindell,  W.     II  6  :  37;  8:29. 
Reinhardstöttner,  K.  v.    II  8:3,  12/3, 

52.     IV  4:  56/7;  6:  18. 
Reinick,  R.     IV  2  :  58. 
Reinthaler,  C.     IV  4 :  34. 
Eeissenberger,  A.    IV  4 :  112. 
Remer,  P.    IV  14  :  13. 
Renn,  B.    14:  78. 
Rentsch,  J.    IV  4  :  2-3. 
Requin.     I  4  :  31. 
Reuling,  C.     II  4 :  3.     III  4  :  .^2. 
Reuter,  H.    III  5  :  5. 

—  W.     I  7  :  29. 
Rieardou.    I  3  :  73. 
Richter,  A.    I  5:25;  6:93/4. 

—  F.     I  6  :  48. 

—  Karl.     I  6 :  32,  34. 

—  P.  E.    14:  54. 
Rickert,  H.     IV  6  :  13. 
Riedel,  K.    IV  6  :  37. 
Riedl,  J.  K.     IV  8 :  15. 
Ries.s,  M.     II  5 :  27. 
Riffert,  J.    IV  3 :  8,  79. 
Ringeling,  W.     IV  11c:  17. 
Rinn,  H.     III  5:  14.     IV  13:  26. 
Ripley,  A.  L.    IV  3 :  66. 
Ritscbl,  0.  IV  13:  27. 

Ritter,  M.     II  1  :  3.     III  1:1. 

Robert.    13:8. 

Robert-tornow,  W.    IV  1 :  84. 

Rod,  E.     IV  IIb:  85. 

Rodenberg,  J.    17:1.    IV  4:71;   13: 

22;  14:  53. 
Roediger,  M.    I  1 :  11.    II  8:56. 
Röhm,  J.  B.     II  6:50;  7:72. 
Röhr,  J.     13:  20. 
Röhricht,  R.     14: 84. 
Röseler,  W.    IV  2  :  23. 
Rössler,  C.    I  2  :  21.    IV  4  :  36. 
Roethe,   G.     II   2:14/6,   20;    3:9;    5: 

31,  44. 
Röttecken,  H.    IV  4  :  29;  lle  :  2. 
Rogers,  A.    IV  lle:  27;  lld:  1. 
Rogge,  B.     IV  2:226;  IIb:  98. 

—  C.     I  5:  21. 
Rohnert,  W.    II  6  :  42. 
Rollet,  H.    IV  IIb  :  20. 
Ropp,  G.  Frhr.  v.  d.     III  1  :  6. 
Roquette,  0.    15:  43. 
Rosenberg,  A.    IV  12  :  144. 
Rosner,  L.    IV  4 :  105. 

Rost,  J.  R.     16:9.     II  7  :  54. 
Roth,  H.    III  4 :  54. 
Rucktäschel,  Th.    13:  9. 
Rudolph,  L.     16:  35.  IV  12  :  171. 
Rück,  K.     II  8  :  23. 
RUdigor,  0.     14:  104. 
Ruepprecht,  C.     14:  57. 
Ruland,  C.     IV  IIa:  62. 
Rumpelt,  H.  B.     I  3:  43;  7:  86. 
Rüssel.    IV  6  :  33. 

Sacher-Masoch,  L.  v.    IV  4  :  135. 

Saenger,  S.    IV  12  :  56. 

Sahr.     IV  2  :  33. 

Salis.     II  8  :  15. 

Sallmann,    K.      II  6  :  5,  66.     III  1  :  8. 

IV  3  :  112. 
SallwUrk,  E.  v.    16:  15,  25. 
Salomon,  L.    IV  2  :  22,  206;  4  :  135. 
Saltarino,  Signor.  III  4  :  35.  IV  3  :  94; 

4  :  151,  154. 
Sander,  H.    I  5  :  105. 
Sanders,  D.  I  5  :  28 ;  2  :  14.  IV  3  :  43/4, 

61;  6  :  57;    Hb  :  6,  32,  75;    lld:  24; 

lle:  25,    28;     llf :  13;    13:24,    58; 

14  :  43,  48. 
Sarcey,  P,    IV  lle  :  16. 


Sarrazin,  G.    III  4  :  6. 

—  J.     IV  12  :  127. 
Sarreiter,  J.    IV  3  :  75. 
Sattler,  M.    I  6  :  62. 

Sauer,   A.     I  1  :  18.     IV  2  :  3,    9,    36 ; 

4:2,  96 ;  8:3;  14  :  29. 
Savits,  .T.     IV  4  :  187. 
Srhachinger,  R.     IV  1  :  49;    4  :  110. 
Schack,    Graf  v.    I  3  :  99.    IV  3  :  134 ; 

lla:l. 
Schädel.    II  7  :  23. 

—  0.    IV  4  :  53. 
Schaefer,  .1.  W.    I  7  :  39. 
Schäfler,  J.    IV  2  :  108. 
Schalk,  G.    IV  3  :  119. 
Schall,  J.     II  8  :  25. 
Scharlemann,  W.    IV  2  :  96. 
Sehaubaeh.    II  5  :  17. 
Schaurer,  T.    IV  4  :  197. 
Scheele,  G.    IV  1  :  97. 
Schenkl,  K.    I  6 :  73. 
Scherer,  H.    I  6  :  33. 

—  W.     IV  13  :  32. 
Scheuffler,  II  7  :  47/8. 
Schilling,  M.     I  1  :  10 
Schinzer,  F     15:  108. 
Schirlitz,  G.    IV  1 :  103 ;  4  :  18. 
Schlecht,  J.    I  5  :  95. 

Schienther,   P.      III  4  :  40.    IV  4  :  24, 

171,  178/9,  194,  196,  206;  IIa:  57. 
Schlesinger,  M.    IV  IIb  :  59. 

—  S.    IV  4  :  133, 

Schletterer,  H.  M.    IV  4  :  158,  160. 
Schlösser,  R.    IV  4  :  13. 
Schlossar,  A.    IV  1  :  95;  6  :  79. 
Schmeisser,  R.    16:  28. 
Schmerl,  M.    IV  12:  114. 
Schmid,  AI.  R.    I  6  :  72. 

—  Anton.    IV  1  :  5. 

—  G.  I  6  :  16.  IV  6  :  26. 
Schmidkunz,  H.  13:  87. 
Schmidt,  Aug.    I  5  :  99.    IV  4  :  180. 

—  Erich.  I  3:  117.  II  4:  23;  7  :  37. 
III  2  :  42.  IV  3  :  41,  128a ;  4  :  8,  24, 
33,36,  138;  IIa:  1,  73;  lle  :  28a,  59. 

—  E.  V.    17:  82. 

—  H.    IV  12  :  55. 

—  Joh.    I  2  :  19. 

—  Julian.    IV  1  :  1 ;  lle  :  37a;  llf  :  18. 

—  Karl.     I  6  :  53. 

—  Lothar.     I  3  :  62. 

—  Otto.     IV  1  :  123. 

—  P.  0.     13:  59. 

—  Reinh.     II  5  :  14/5. 
Schmidtmayer,  R.    IV  12  :  143. 
Schmidt- VS^artenberg,  H.    IV  13  :  50. 
Schmidt-ViTeissenfels,  Ed.    IV  1  :  15. 
Schmitt,     L.      IV    11c  :  2;      lle  :  18; 

12  :  62. 
Schmoller,  Dekan.    II  7  :  65. 
Schuapper-Arndt,  G.    IV  14  :  45. 
Schneeberg  s.  Berthold-Schneeberg. 
Schneege,  G.     IV  IIa  :  17  ;  llf  :  4. 
Schneidawind,  A.    16:  23. 
Schneider.  E.    IV  llf:  3. 

—  J.     II  7  :  59. 

—  K.  Th.     II  6  :  5. 
Schnittger,  Doris.    IV  IIb  :  79. 
Schnorrenberg,  J.    14:  52. 
Schnütgen,  Em.    I  6  :  79. 
Schönbach,  A.  E.    I  3  :  37 ;   5  :  26,  44. 

II    2  :  24;     5:22.    IV    2  :  85,    161; 

4  :  121,  135. 
Schöne,  A.    I  7  :  14. 
Schönlank,  B.    I  5  :  116. 
Schöppe,  G.    I  7  :  59. 

Schott,  Th.     16:  29.     III  2  :  54. 
Schrader,  H.  IV  7  :  8. 

—  0.    IV  IIb  :  94. 
Schräm,  W.    IV  IIa:  32. 
Scliranka,  E.  M.    IV  13  :  44a. 
Schröder,  Edw.    I  2  :  10/1,  17.  II  4  :  8; 

5  :  2,  6,  19.    IV  7  :  7. 
Schröer,  A.    11:5.    IV  2  :  240. 


—  K.J.  IV  IIa:  24,  67,  91;  lle  :  I, 
31a,  55. 

Schroeter,  A.  I  1  :  11 ;  3  :  99.  II  1  :  9. 
IV  1  :  1;  2:3;  3:  83:4:  93;  IIa:  1; 
13  :  45. 

—  M.  V.     IV  4  :  15. 
Schubart,  M.    IV  IIb  :  20. 
Schubert,  E.    II  5  :  39. 

—  Gust.    IV  14  :  20. 
Schttddekopf,    C.      II   3  :  32;    8  :  43. 

IV  4  :  10. 
Schttssler,  M.    I  5  :  92. 
Schttttelkopf,  B.    I  5  :  33. 
Schütze,  H.    II  2  :  41/2.  IV  2  :  249. 
Schuller,  I  5  :  120. 
Schultheiss,  G.    IV  1  :  24. 
Schultz.     I  5  :  72. 

—  Alwin.     III  1:11. 
Schultze,  Fritz.    13:6. 

—  W.    IV  1  :  14. 

—  Walther.    II  5  :  40. 
Schulz,  B.     16:  56. 
Schulze,  E.     IV  13  :  52. 

—  G.     I  6  :  76. 

—  Ludwig.     II  5  :  7. 
Schumann,  A.     II  5  :  45. 

—  G.     I  6:4;  7  :  31|2.     II  4:28. 
Schurtz,  H.    IV  2  :  72. 
Schuster,  A.    I  4  :  20. 

—  Ch.  F.  A.    17:  87. 

—  T.     II  2  :  3. 

Schwabe,  J.    IV  1  :  63;  IIa  :  82. 
Schwartz,  A.    IV  1  :  73. 

—  K.  I  2  :  6a. 
Schwarz,  J.    I  6  :  73. 

—  Walther.    IV  2  :  12. 
Schwarzbach  s.  Beheim-Sehwarzbach. 
Schwebe!,  0.    III  5  :  9.  IV  IIb  :  102. 
Schweitzer,  Ch.    II  4  :  25. 
Schwenke,  P.    IV  12  :  30,  42,  82,  140. 
Schwörer,  F.    IV  12  :  131, 

Seeber,  J.    IV  1  :  3. 

Seeberg,  R.    II  7  :  66. 

Seelmann,  W.    II  3:25;  4:  1. 

Seidensticker,  0.    IV  1  :  125. 

Seiler,  F.    IV  4  :  30 ;  12  :  79. 

Seinecke,  F.    I  7  :  90. 

Seitz,  K.    I  6  :  82. 

Seliger,  P.    IV  lle:  9;   12  :  1. 

Sembrzycki,  J.    II  7  :  32.    III  4  :  10. 

Semler,    Ch.      II  6  :  73.    IV  IIa:  12; 

lld:  13,  17;  llf  :8,  10. 
Senckel,  E.    II  6  :  43. 
Senger,  H.    IV  14  :  36. 
Servaes,    F.      I   3  :  32.    IV   IIa  :  39; 

12  :  94. 
Seuifert,  B.     13:4.     IV  3:  9;   8:1-2, 

5;  10:  10;  IIb  :  91 ;  14  :  41. 
Sevin,  A.    IV  3  :  23. 

—  L.  IV  12  :  132. 
Soyboth,  A.    II  3  :  21. 
Seydlitz,  W.  v.    II:  15. 
Sidgwick,  A.     IV  13  :  16. 
Siegel  s.  Lohn-Siegel. 
Siegen,  K.    IV  4  :  33. 
Siegfried,  C.    IV  IIb  :  19;  11c  :  28. 
Sievers,  E.    II  1  :  12. 

S  ig  wart,  Chr.    I  6  :  68. 

Singer,  W.    IV  lle  :  16. 

Sittard,  J.     III  4  :  4,  20.     IV  4  :  166. 

Sloet,  L.  A.  J.  W.    15:  54. 

Socin,  A.    12:1. 

Sohns.     I  5  :  30.     II  6  :  27. 

Soir6,  E.    IV  lle  :  13. 

Sommert,  H.    I  7  :  88. 

Sorel,  A.    IV  1  :  115;  12:119. 

Sotzmann.    IV  4  :  153. 

Speidel,  A.     IV  2  :  81 ;  4  :  135;  6  :  12. 

Spengler,  F.    II  4  :  37 ;  8  :  51. 

Sperber,  E.    16:4. 

Speyer,  0.    I  7  :  28;  IV  llf:  15. 

Spielhagen,  F.    I  3  :  98.    IV  1  :  58. 

Spieser,  J.    15:  37. 

Spitta,  L.    IV  2  :  198;  14  :  27. 


174 


Autorenregister. 


.Spittclor,  K.    I  a  :  97,  108.    II  1  :  19. 
Sprenger,   R.     II  4  :  40/1.    III  5  :  12. 

IV   2:  18,     47,     62,     88;     3:7,     42; 

4:26/7,  42,  60;  11c:  26;  lle  :  22,26. 

47,   51,    55,  57 ;  13  :  46,  68. 
Stark,  R.     IV  2  :  205. 
Steffen,  W.    14:  72. 
SteffenLagen,  E.    14:5,  53. 
Steger,  A.    I  7  :  83. 
Stehle,  B.    I  5  :  62. 
Steiff,  K.    14:  33. 
Steig,  R.    IV  10  :  6. 
Stein,  L.    17:9.- 
Steinbrück,  0.    I  7  :  79. 
Steine],  0.    IV  2  :  100,  103/5,  121. 
Steiner,  R.    IV  IIa  :  60,  75;  ll'f :  23. 
Steinhausen,  G.    lU  1  :  8—9. 
Steinmeyer,  E.    12:5. 
Stengel,  E.    IV  2  :  169. 
Stern,  Ad.    11:8.    II  8  :  2.    III  4  :  49. 

IV  2:61,216;  IIa:  79;   IIb  :  60. 

—  Alfr.    II  3  :  6.    IV  3  :  102. 

—  B.    IV  2:  165;  4:  136. 

—  F.    IV  4  :  170. 

—  L.  Clir.    IV  2:  117;  3:83. 
Sternfeld,  R.    IV  4  :  195. 
Stiefel,  L.    II  4  :  4. 

Stiller,  0.    I  7  :  16,  84. 

Stocker,  F.  A.    15:  88.    IV  2  :  59. 

Stoeckle,  G.    IV  13  :  44. 

—  J.    IV  3  :  97. 
Stoll,  A.    IV  13  :  20. 

Straeter,   E.     IV   IIa:  57/8;    lle:  44; 

13:5. 
Strauch,  Ph.   I  1  :  17.    II  4  :  40;  5  :  30. 
Strehlke,  F.    IV  IIa  :  76. 
Stricker,  E.    II  7  :  24. 
Suck,  J.  H.    IV  2  :  29. 
Sudhoff,  K.     II  5  :  39;  8  :  7. 
Sttdenhorst  s.  v.  Z  wiedinoek-SUdenhorst. 
SUpfle,  Th.    IV  1  :  111. 
SUtterlin,  A.    IV  12  :  20. 
Suhle,  H.    I  6  :  79. 
SuUy,  Virginia  G.    IV  14  :  12. 
Sunuegg  s.  Mor-Sunnegg. 
Suphan,    B.     IV  1  :  102,    128;    2:109; 

4:  12;    8:8;     10  :  7  ;     IIa  :  30,    59; 

IIb:  31,    56,    93;  11c:  3;    lle  :  29a, 

31c. 
Sutter,  J.    II  6  :  74. 
Sydow,  Marie.    IV  2  :  25. 
Swanwick,  Anna.    IV  lle  :  32b. 
Swoboda,  W.    I  7  :  72.    IV  12  :  99. 
Szamatölski,  S.    II  3  :  30;  6  :  35;  8  :  1, 

24,  27,  29.    III  4:27;  5  :  19. 
Szäss,  K.    IV  12  :  63. 


Taun-Bergler,  0.    UI  4  :  37. 

Tappert,  W.    II  2  :  44.    III  2  :  64. 

Taubert,  0.    III  4  :  7. 

Terburg-Anninius,  G.  I  5  :  29.   II  5  :  21. 

Teuber,  0.    IV  4  :  200. 

Teufel.    IV  11c:  20. 

Teuffenbach,  A.  Frh.  v.    IV  3  :  27. 

Teutsch,  Q.  D.    II  8  :  47. 

Texte,  J.    II  3  :  34 

Thaler,  K.  v.    IV  2  :  166,  182. 

Theden,  D.    IV  3  :  95. 

Thenn,  A.    II  6  :  61. 

Thierry-Poux,  0.    14:  32. 

Thijm,    Alberdingk  P.    II  3  :  27. 

Thora,  H.    I  3  :  56. 

Thomas,  C.    IV  4  :  91. 

Thorbecke,  A.    I  7  :  60. 

Tille,  A.    I  5  :  24,  67/8.    II  3  :  14a,  31 ; 

8  :  39.      m   2  :  65/6;     4  :  27/9.     IV 

4  :  H5. 
Tübler,  G.     III  4  :  14. 
—  L.     II  2  :  22. 
Toischer,  W.    II  1  :  13. 
Tomascheck.    I  7  :  33. 
Toschi,  R.    IV  4  :  142. 
Toy,  W.  D.    IV  4 :  92. 


Trabert,  A.  IV  4  :  129. 
Traub,  Th.  IV  IIa:  11. 
Trautmann,  K.    II  8  :  12,  52/3.    III  4  : 

38.  IV  4:57;  6:  18. 
Treichel,  A.  15:  113. 
Treitschke,   H.  v.      IV  1  :  10;    13  :  60; 

14:3. 
Trinius,  A.     I  4:28,  46;  6:  22. 
Trommershaugen.    II  6  :  07. 
Trost,  L.     IV  6:63. 
TrUmpelmann,  A.     II  4  :  22. 
Tschackert,  P.  II  6 :  34/5 ;  7  :  31,  34. 
Tschirsch.     IV  7  :  2. 
TUrck,  H.     I  3  :  47.     IV  IIa  :  47. 
Tupetz,  Th.    IV  1  :  65/6. 

Ueberhorst,  K.    IV  lle:  10. 
Uhlhorn,  G.    II  6  :  38. 
UUsperger,  F.    IV  12  :  129. 
Ulrich,  A.    I  4  :  64. 
Uubescheid.    IV  12  :  1,  13,  81. 
Unruh,  Th.    IV  1  :  50. 
Unseld,  W.    I  5  :  19. 
Ursus.    IV  1  :  116. 
Usteri,  J.  M.    II  7  :  45. 

Valbert,  G.    IV  14  :  12. 

Valentin,  V.    I  3  :  36,  100,  109-11.    IV 

IIb  :  40;  13:  19. 
Vä,li,  B.     IV  4:202. 
Vallat.  I  5:11. 
Vargha,  J.    IV  12  :  63. 
Vilrö,  F.    IV  12  :  63. 
Varrentrapp,  C.     IV  6  :  55. 
■Vermehren,  M.    IV  3  :  84. 
Vesterling,  H.    IV  10  :  3. 
Vetter,  F.     II  5  :  1.     IV  3  :  88;    12  :  1. 
Veyssier.    IV  12  :  1. 
Vilmar,  A.  F.  C.    II:  8. 
Vincenti,  K.  v.    IV  IIa  :  90. 
Violet,  F.    I  7  :  01/3.     IV  IIb  :  46. 
Virchow,  R.    II  8  :  27. 
Vischer,  F.  T.     IV  2  :  94. 
Vitu,  A.    IV  lle  :  16. 
Vlachos,  A.    IV  14  :  37. 
Vleek,  F.    IV  116:34. 
Vogel,  E.    14:8. 
Vogeler,  E.    16:  86. 
Vogt,  0.    II  7  :  60. 
Voigt,  L.    I  7  :  48.    II  3  :  22. 
Volbehr,  Th.    IV  1  :  21. 
Volkelt,  Joh.    I  3  :  118. 
Volkmann,  L.     13:  30. 
Voltz,  H.     IV  6  :  61. 
Volz,  B.    IV  1  :  12. 
Vonbun,  F.  J.    15  :  106. 
Vorberg,  M.    IV  1  :  4. 
Votsch,  W.    17:  34.    II  8  :  24. 
Vulpiuus,  Th.    II  8  :  40. 
Vulpius,  Ch.  A.    IV  3  :  25. 

Wackernell,  J.  E.    II  2  :  17. 
Wäschke,  H.    II  5:4;  7  :  46. 
Waetzoldt,  St.    17:  5,  14.    II  8  :  56. 
Wagener,  B.    IV  IIa  :  46  ;  lle  :  5. 
Wagenmann.    III  2  :  55/6. 
Wagner,  E.    I  6  :  26.    IV  6  :  29. 

-  H.  F.    II  4:39;  8:49. 

-  J.  N.    IV  lld:6. 

-  W.    IV  lld:  11. 
Wähle,  J.    IV  IIb  :  95. 
Waiblinger,  W.    IV  2  :  86 ;  13  :  48. 
Waizer,  R.    I  5  :  79. 

Wald,  C.     15:  42. 
•Waldberg,  M.   Frhr.  t.     13:2-3,    II 

4  :  21.    III  2  :  2,  37,  40/1,  47,  49. 
WaldmUller,  R.    I  3  :  36. 
Waldner,  F.    1  4  :  35. 
Waltenborger,  A.    III  4  :  61. 
Walther,  C.    III  5  :  31. 

-  E.    IV  1  :  127;  4:  17. 

-  F.    IV  1:60;  4:  110. 

-  W.    II  6  :  23,  68,  70. 


Walzol,  0.  F.    IV  4    :  48;    lle   :    Hb, 

30,  31b;  13  :  5,  42. 
Warteuberg  s.  Schmidt-Wartenberg. 

-  W.    IV  lle  :  23. 
Wasiliewski,  J.  W.  v.    IV  IIa  :  40. 
Wasserzieher,  E.    IV  lld  :  14;  12  :  21. 
Wattonbach,  W.    II  8:  11,  27. 
Wattendorff,  L.    I  6  :  56. 

Weber  s.  G.  Holtei-Weber. 

-  L.    II  7  :  4-6. 

-  R.    IV  3  :  89. 
Wechsler,  A.    IV  12  :  173. 

-  E.     IV  2  :  136. 
Wedeil,  A.    IV  14  :  17. 

Wegele,  F.  X.  v.     15:  119.     II  5  :  48; 

8:  12. 
Wehl,  F.    IV  1  :  Ol;  4:  173. 
Wehlo,  J.  H.    14:  107. 
Wehrmann,  M.    II  4  :  24. 
Weichelt,  H.    IV  3  :  85. 
Weiffenbaeh,  W.    II  7  :  36. 
Weigelt,  C.    I  6  :  90. 
Weihe,  E.    14:  59. 
Weilen,   A.    v.      II   4 :  3,  5,    36/6,    45. 

III  4  :  2a.     IV   3  :  136;    4  :  144,  166, 

191/2;  6:  17;  14:42. 
Weinhold,  K.    IV  11c  :  10. 
Weiske,  H.    IV  2  :  81. 
Weiss,  Pastor.    IV  6  :  7. 

-  A.     IV  4  :  199  ;  12  :  90. 

-  K.    11:9. 

Weissenfeis  s.  Ed.  Schmidt-Weissenfels. 
Weisstein,  G.  I  4:12.  IV  1 :  44 ;  1  Ib  :  20, 

30. 
Weitbrecht,  J.    IV  2  :  203. 

-  K.    IV  2  :  82. 

-  R.     II  7:62.     IV  3:75;    13  :  43. 
Welschingor,  H.    IV  12  :  123. 

Welti,  H.     IV  4  :  159,  161,  104. 
Weltner,  A.  J.    IV  2  :  145. 
Weuck,  W.    I  5  :  12. 
Weninger,  A.    16:  83. 
Wenzelburger,  Th.    14:  26. 
Werner,  C.    16:  57. 

-  J.     U  2  :  7 ;  5  :  2.5. 

-  K.     IV  2  :  168;  3  :  39;  4  :  132,  137. 

-  R.  M.  13:  18,  34/6,  42,  50.  88. 
114:39;  8:49.  III  4:34;  6:15;  IV. 
1  :  36;  2:  177,  183;  3:40;  4:  107, 
110;  6  :  16;  IIb  :  33,  71;  13  :  9; 
14  :  42. 

Wernicke,  A.    I  3  :  72. 
Wertheimer,  E.    IV  1  :  66. 
Werther,  Th.    IV  lld  :  16. 

-  W.     17:  37/8. 
Wespy,  L.     IV  2  :  35. 
Westermayer,  G.    II  8  :  4. 

Wetz,  W.     I  1:6;    3:48.     IV  4:37; 

12:  124. 
Wetzel.    I  5  :  69. 

-  A.    I  4  :  38. 
Whistling,  K.  W.    IV  1  :  45. 
Wiehert,  R.  v.    13:  72. 
Wichmann,  H.     IV  1  :  55. 
Widmann,  J.  V.    IV  4  :  31. 
Widmannstetter      s.    Beckh-Widmann- 

stetter. 
Wiedenhofer,  F.    17:  73.    IV  IIa  :  78. 
Wieland,  C.    IV  1  :  68. 
Wiese,  F.    I  6  :  38. 
Wieser,  J.    II  6  :  51. 
Wilbrandt,  A.    IV  3  :  115;  13:  31. 
Wildennuth,  A.    IV  3:  111. 
Wilhelm,  Ad.    IV  2  :  21 ;  4  :  45. 
Wilke,  E.    I  6  :  40. 
Willms,  A.    IV  3:  111. 
Wilmanns,  W.    I  3  :  36. 
Wilson.    IV  12  :  146. 
Wimmers,  P.    IV  6  :  30. 
Winckelmann,  0.    II  7  :  68. 
Windel,  H.     I  7  :  64. 
Winder,  E.     IV  2  :  179. 
Winkel,  G.  G.     IV  2  :  15. 
Winkowski,   T.    IV  4  :  41. 


Autorenregister. 


175 


Winter,  li.     II  1  :  1,  3. 

Winterfeld.    IV  111)  :  112. 

Wintherlin,  F.    16: 15. 

Witkowski,    G.      III    1  :  6;    2:26.     IV 

2:  1/2.  8;  11c:  15. 
Wittly,  G.     I  5  :  102. 
Wittmann.  C.  F.     IV 
Wlislocki,  H.  V.     15: 
Wölfflin,  H.    IV  1  :  35. 
Wönig,  F.     IV  4:  33;  14:  15. 
Wohlfarth.     IV  12  :  28. 
Wolf,  F.    IV  2  :  169. 

—  G.    IV  1 :  65, 

—  Th.     II  4  :  20: 
Wolff,  E.    I  3  :  33  52. 

—  Eugen.     I  1  :  1 ;  3  : 
IV  1  :  51;  4:  3;  lld  ; 


4:  139;  13:51. 
38a;  0  :  71. 


IV  13  :  3&. 
60.     in   4: 
:18. 


Wolfruin.     II  2:5. 

Wolkan,  R.     II  1  :  13 ;  III  2  :  25. 

WoUorner,  S.     III  2  :  2 ;  4  :  16. 

Worbs,  0.     I  7  :  30. 

Wraugel,  E.    13:  21. 

Wunsche,  M.    IV  4  :  7. 

Wulckow,  R.     IV  IIa  :  67;  IIb  :  72. 

Wunderlich,  H.    11  8  :  44. 

Wundt,  W.  IV  1  :  29. 

Wustmann,  G.     IV  2  :  235/6. 

Wychgram,  J.    1  7  :  65.     IV  1  :  105. 

W^l,  W.     III  4 :  51,  63. 

Wyss,  A.     14:  25,  29. 

Zachariae,  R.  N.     IV  3  :  110. 

Zarncke,  F.     IV  IIb  :  58. 

Zeidler,  J.     II  4  :  38.     IV  4  :  94,  115. 


Zoiika,  C.     IV  12  :  22. 
Zernin,  G.    16:  92. 
Zick,  A.    IV  4  :  22. 
Ziegler,  Hans.  I  5  :  45a. 

—  Th.     I  3:  12;  6:  15.     III  5:  14. 
Zimmer,  H.    11:7. 
Zimmermann,  Curt.    IV  4  :  109;  6  :  51. 

—  Gustav.    I  3  :  15. 

—  P.     III  5  :  21. 

—  R.     IV  12:  1. 
Zolling,  Tli.    IV  4  :  25. 
Zschech,  F.    IV  lld  :  19. 
Zschokke,  E.    III  5  :  23. 
Zurabini,  15.    IV  IIa  :  61. 

Zupitza,  J.  II  3  :  3:i.  IV  2  :  240;  3  :  1.30. 
Zwiedineck-SUdenhorst,  H.  v.  III  1  :  2. 
IV  1  :  98. 


Sachregister. 


Aalen.    II  8  :  54. 

Abbt,  Th.    IV  G  :  15. 

Abcedarien.    I  6  :  69. 

Aberglauben.  I  5:1-2.  11  1  :  1 ;  5  :  26. 

Ablass.     II  1  :  1  ;  5  :  5. 

Ablassbriefe.     I  4  :  29 ;  30zeiliger  4  :  51 

Ablassbulle  v.  12.  Dec.  1479.    I  4  :  52. 

Abraham  a  S.  Clar.i.    III  1 :  11 ;  2  :  7 ; 

5  :  15/8. 
Absentien.  I  6  :  61. 
Ackermann,  C.     IV  4  :  160/8. 

—  L.    IV  1  :  18. 

Adami,  J.  S.  (Misander.)    II  3  :  31, 

Addison,  J.    IV  1  :  12.5. 

Adel,  Niederer  Deutschland.s.    II  1  :  1. 

Adelung,  J.  Ch.    IV  lle  :  20. 

Aderer,  A.    IV  lle  :  16. 

Aelbl.    III  4  :  38. 

Aelst,  P.  V.  d.    IV  11c  :  11/3. 

Aeneas  Sylvins.     I  5  :  119.     II  8  :  55. 

Aeschacius  Major.    III  3  :  2. 

Aesop.  I  6  :  85. 

Aosthetik.    I  1  :  5;  3  :  51. 

—  Geschichte  der.  I  3  :  1—24. 
Aesthetisches  Gefalleu.  I  3  :  ^2 
Aesthetik  uud  Grammatik.     I  3  :  64/7- 

—  u.  Naturwissenschaft,  13:57,  61/3. 
Aesthetische  Erziehung.    I  3  :  15.     IV 

I  :  27  ;  6  :  52. 
Affenheim.    II  5  :  21. 
Agricola,  H.  0.     14:  35. 

—  J.     II  5  :  17. 

—  R.    I  1  :  11.    11  8  :  2' 

Agrippa  von  Nettesheim,  H.  C.  118:10. 
Agyrta  von  Bellemont.    II  3  :  25. 
Akademie,  Berliner.    IV  1  :  O**. 
Alamodewesen  und  Dichtung  dagegen 

II  2  :  34.     III  2;  5  :  11. 
Alarcon,  P.  A.  de.    IV  lle  :  3. 
Albert,  H.    III  2  :  2. 
Albertinus,  A.    I  5  :  101. 

Albrecht,    Herzog    von    Preussen.     II 

6  :  34/6;  7:34, 

—  V.  von  Bayern-München.    II  8  :  3. 
Alciatus,  A.    II  5  :  30. 

Alchymie.    II  1  :  1,  12. 

Alda     III  2  :  12. 

Alesius,  A.    II  7  :  44. 

Alexander  I  v.  Russland.  IV  3  :  32. 

Alexandriner.    III  5  :  23. 

Alexis  s.  Häring,  W. 


Allegorisch.    I  3  :  109. 
Allegorische  Dichtung.    11  1  :  12 ;  5:4. 
Allgemein-Menschliches.  I  3  :  103 
Allgemeine  Zeitung  (Augsburg)  IV13  :  9. 
Almasy  s.  Wickenburg-Almasy. 
Ahneida-Garrett,  J.  B.    IV  3  :  134. 
Alpen.    I  5  :  31/2,  80. 
Alt,  Georg  (Simon).    II  8  :  11. 

—  Th.    I  :^  :  69. 
Alltagsleben  im  18.  Jh.    III  1  :  11. 
Altenburg,  M.    14:9. 
Altenstoin,  K.  Frh.  v.    IV  6  :  55. 
Alxinger,  J  B.  v.     IV  4  :  169;  12  :  77. 
Amadis-Littoratur.    III  3  :  1. 
Araandus,  G.     II  7  :  37. 

Amerbach.    I  5  :  88. 

Amerika.    IV  IIb  :  105/7;  1  :  78. 

Amon,  P.  IV  1  :  49. 

Anakreontik.    IV  2  :  1 — 15;  11c  :  15. 

Anatomie.  II  8  :  5—7. 

Andernach.     II  3  :  12. 

Andrea,  J.    II  7  :  65. 

—  J.  V.    III  1  :  6. 

—  Wilhelmine.    IV  12  :  1. 
Andreas  v.  St.  Mang.    II  8  :  3. 
Auekdotensammlungen.     III  5  :  20,  30. 
Anfossi.    IV  lle  :  29b. 
Angenehme,  das.    I  3  :  14,  69. 
Anhalt.  III  5  :  7. 

Anmerkungen,  Stellung  der.    11:1. 

Anna  Amalie,  Herzogin  v.  Sachsen-Wei- 
mar.   IV  8:  1,  lOfl;  IIb  :  91. 

Anna  Christina  v.  Bayern.    15:  124. 

Anonyme  Gedichte  d.  15/6.  Jh.  II  1  :  12. 

Anomilus.    II  7  :  37. 

Anthologie.    IV  1  :  8—9 

Anthropomorphismus.    I  3  :  90. 

Antigene.    III  2  :  27. 

Antike  Litteratur.  III  2  :  45/6.  IV 
1  :  52,  107;  6  :  54;  13  :  7. 

Anton  Ulrich  v.  Brannschweig.  I  5:81; 
III  3  :  9. 

Anzengruber,  J.    IV  4  :  138. 

—  L.     15:  31/2.     IV  3  :  1 ;  4  :  138. 

Aphorismen.    IV  3  :  28,  34/5. 

Aramena  (Schauspiel).    III  3  :  9. 

Archenholtz,  J.  W.  v.    15:  12. 

Archive  in:  Freiburg.  II  8  :  16;  Mün- 
chen. II  8  :  3;  Nürnberg.  II  4  :  31. 
Rostock.  II  4  :  43 ;  Weimar  (Goetho- 
und   Schiller-).     IV  8  :  10/1;     IIa  : 


59  —  00,   66,   73;     Hb  :  1;     lld  :  3; 

llf  :  12;  12  :  1-2. 
Aretius,  B.     II  8  :  7,  9. 
Arigo.     II  8  :  44. 
Aristophanes.     IV  14  :   1. 
Aristoteles.    13:6,  25,  28,  60;  0  :  03. 

II  1  :  1. 
Armbruster.    IV  2  :  80. 
Armenpflege.    II  6  :  38. 
Arnd,  J.     III  5  :  2. 
Arndt,  E.  M.     IV  1  :  33,  47,  71 ;  2:  74; 

3  :  112. 

Arnim,  Elisabeth  v.    IV  1  :  10,  41/2, 
61;  3  :  76;  IIb  :  1;  11c  :  24;  14:1. 

—  Familie  v.    IV  11c  :  3. 

—  L.  A.  V.  IV  13  :  32/4. 
Arnstein  (Kloster).    IV  Hb  :  4a. 
Ars  raoriendi  s.  SterbebUchlein. 
Arzneibücher.  II  6  :  30/9. 
Assing,  Ludmilla.    IV  1  :  61. 
Association.     I  3  :  20,  68,  90. 
Astrologie.    II  1  :  1. 

Aue,  Hartmann  v.  s.  Hartmann. 
Auerbach,   B.    15:  :35  7.   IV    1  :  60/1, 
111;      2  :    105;      3  :  2,     4,     7G,   90; 

4  :  183;  12  :  89. 

—  J.     II  8  :  3. 

Auorsperg,     Graf    A.  A.  v.    (A.  Grün). 

I  5  :  109.    IV  1  :  61;  2  :  144,  151/5. 
Auffuhrung  des  Dramas.     I  3  :  32. 
Aufklärung     IV    1  :  27,    30/1,    64,    76, 

100;  2  :  53. 
Augsburg.     14   :    3:3,    40/1;     5   :  94 ; 

6  :  10/1.     II  1  :  12. 
August  d.  J.,  Herzog  v.  Braunschweig. 

14:7. 

—  V.  Sachsen.    I  6  :  56. 

—  komische  Figur.    III  4  :  86. 
Augusta,  Kaiserin  v.  Deutschland.    IV 

IIb  :  94—102. 
Augustinus.    II  0  :  8. 
Aurifaber.  II  7  :  44. 
Autocharakteristik.    IV  8  :  2,  4. 
Autographon.    I  4  :  10/4.     IV  1  :  44/8. 

—  s.  auch  Handschriften. 
Autorschaftsfragen.    IV  11c  :  13. 
Avenarius,  J.     II  1  :  1.3. 

Aventin,  J.     II  8  :  12,  56.    IV  4  :  56. 
Avignon.     I  4  :  31. 
Ayrer,  J.     II  4  :  3. 

—  M.    14:  20. 


176 


Sachregister. 


Baader,  F.  v.     IV  13  :  14. 
Bacli,  Ph.  E.    IV  7  :  6. 
Bacheracht,  Therese  v.    IV  1  :  61. 
Bacberl,  F,    IV  1  :  38. 
Baden.   II.  2  :  43. 
Bader.    II  8  :  18. 
Baechtold,  J.    II  3  :  24. 
Bämler,  J.    II  8  :  56. 
Bärensprung,    H.    W.      II  4  :  43. 

III  4  :  19. 

Baggeseu,  Jens.    IV  1  :  47. 

Bahrdt,   K.  F.      14:  38,    96 ;    5  :  12. 

IV  1  :  50,  76;  lle  :  4. 
Bahrrecht.   III  5  :  28. 
Balaguer,  V,    IV  12  :  74. 
Balduiig,  H.     II  1  :  19. 
Balladendichtung.    IV  2  :  161,  185. 
Balticus,  ö.    II  8  :  52. 

—  M.    II  8  :  3,  52. 
Bamberg.    I  4  :  19-20. 

—  F.    IV,  4  :  134. 
Bandello.     III  3  :  2. 
Bapst,  M.     II  5  :  39—40. 
I^arckhusen,  H.    I  4  :  36.    II  3  :  17. 
Barclay,  J.     III  1  :  6. 
Bardendichtuug.    IV  2  :  16/7. 
Barre,  de  la.    III  5  :  1. 

Bartet.    III  3  :  1. 
Barth,  C.    III  1  :  «. 

—  K.    IV  12  :  77. 
Bartsch,  J.    III  1  :  6. 

—  K.    II  3  :  9;  4  :  11. 

—  M.    III  1  :  6. 
Baryphonus,  H.   II  8  :  17. 
Basedow,  J.  lt.      I   (J  :  15,  17,  21.    IV 

6  :  24/7. 
Basel.     I  5  :  88,  115,  123.      II    3  :  19. 

IV  1  :  68. 
Basilius,  S.    I  4  :  51. 
Batacchi,  Domeniko.    IV  Hb  :  103. 
Batizius,  A.    II  7  :  44. 
Batsch,  Prof.    IV  IIb  :  20. 
Bäuerle,  C.    IV  4  :  94. 
Bauer,  B.     IV  6  :  62. 
Bauer,  der,  im  deutschen  Liede. 

II  2  :  23. 
Bauerbach.    IV  12  :  1,  98. 
Bauernfeld,  E.  v.    IV  4  :  135/6. 
Bauerngespräch.    III  2  :  14. 
Bauernkriege.    II  1  :  1. 
Bauernlieder.    II  2  :  23.    III  2  :  22. 
Bauerntheater.    IV  4  :  146/8. 
BauiLann,  N.    II  3  :  17. 
Baunibach,  B.    15:  45a. 
Baumgart,  H.     I  3  :  28. 
Baumgarten,  Ä.  6.    13:11. 

—  H.    n  1  :  2. 

—  N.    rv  1  :  78. 
Baumgartuer.    IV  1  :  3. 
Baur,  D.    I  4  :  35. 

—  H.    I  4  :  35. 

Bauten,  deutsche  im  15/16.  Jh.  II  1  :  1. 
Bayer  (Byr),  R.    IV  3  :  104. 

—  T.    II  8  :  55. 

Bayern.      I    6  :  23.       II    3  :  19.      IV 

IIb  :  50/1. 
Bayle.    IV  6  :  61. 
Beatus  Rhenanus  II  8  :  18. 
Beaufort.    IV  6  :  61. 
Bechwind,  H.  v .    II  3  :  6. 
Beck,  F.    IV  4  :  174. 

—  K.    IV  1  :  61,  130. 
Becker,  B.    III  5  :  6. 

—  Christiane  A.  L.    IV  IIb  :  104. 

—  R.  Z.    IV  6  :  27. 
Beckmann,  F.    IV  4  :  157. 
Beer,  M.    IV  4  :  60,  54. 
Beethoven,    L.    v.       IV     IIa   :   41/3; 

13  :  40. 
Befreiungskriege.     IV    1  :  15,   22;  2  : 

00-75;  lle  :31a;  14  :  1. 
Begharden.    II  1  :  1. 
Behaim,  M.    II  1  :  17. 
Behrmann,  F.    IV  4     6. 


Belial,  Buch.    11  5  :  1. 
BeUe-Forest.    III  3  :  2. 
Bellermann,  J.  J.    IV  1  :  80. 
Belletristik.    IV  1  :  4-7. 
Bendavid,  L.    IV  1  :  80. 
Benecke,  G.  F.    12:5. 
Benedix,  B,    IV  4  :  88,  174. 
Benkowitz.    IV  1  :  126. 
Böranger,  P.  J.  de.    IV  14  :  1. 
Berenclow.    III  5  :  13. 
Berg,  A.    II  5  :  41;  8  :  3. 
Berge,  E.  G.  v.    IV  I  :  126. 
Bergen.    III  4  :  1. 
Bergmann,  J.    I  8  :  69.    IV  13  :  53. 
Bergobzoomer.     IV  4  :  174. 
Berkeley.    IV  1  :  125. 
Berkhusen,  II.     s.  Barckhusen 
Berlin.    lU  4  :  18;  5  :  31.    IV  1  :  40, 
60,77/9,87;   2:53;  IIa  :  10;  llb:52; 
Bern.    III  4  :  14. 
Bernays,  J.    I  3  :  28. 

-  M.    IV  lle  :  4;  12  :  41. 
Bernburg.    I  4  :  58. 
Bernegger.  M.    III  1  :  6. 
Bernhard,  Herzog  v.  Weimar.  IV  IIb  :  92. 
Bemhardi,  A.  F.    IV  1  :  78. 
Bernold,  Fr.  J.  B.    IV  2  :  17. 
Beroaldus,  Ph.    III  5  :  19. 
Berthold,  M.    II  1  :  13 
Beschwörungsbueh.     IV  6  :  60. 
Betbruderschaften.    II  1  :  1. 

Bettel  u.  Bettelorden.    II  1  :  1,  12; 

II  5  :  25. 
Bettelheim,  A.    IV  lle  :  13. 
Bettina  s.  Arnim,  Elisabetli  v. 
Betulius  s.  Birk  und  Birken. 
Benlwitz,  Caroline  v.  s.  Lengefeld. 

-  Herr  v.    IV  12  :  36. 
Beyer,  C.    13:  42. 
Beyle,  M.  H.    IV  lld  :  22. 
Bezold,  F.  V.     II  1  :  2;  8  :  2. 

Bibel.    I    4  :  18-20,    25.      III    5  :  14. 
IV  IIa:  18—21;  llf  :  6-7. 

Bibelübersetzung.    II  1  :  1;  6  :  23/8. 

Biber,  G.    II  1  :  13. 

Biberach.    I  5  :  98.    IV  8  :  5. 

Bibliothek  der  schönen  Wissenschaften. 
IV  8  :  2. 

Bibliotheken.  I  4  :  53-74;  in  Anhalt 
I  4  :  58;  Berlin  IV  1  :  78;  llf:  12 
Bernburg  I  4  :  58;  Göttingen  12:5 
Köln  I  4  :  62;  München  II  8  :  3 
Olmütz  I  4  :  61 ;  Raudnitz  I  6  :  69 
Prag  I  6  :  69;  Weimar  IV  12  :  154 
WolfenbUttel  I  4  :  59;  Zerbst  I  4  :  58. 

Bibliographie.    I  4  :  75—89. 

Bibran,  A.  v.    III  1  :  6. 

Bichler,  Ch.    II  1  :  12. 

Biedermann,  W.  v.    IV  IIa  :  25;  lle  :  1. 

Binder,  G.    II  4  :  11,  34. 

-  W.    II  8  :  24. 
Biondo,  F.    II  8  :  55. 
Birch-Pfeiffer,  Charlotte.   IV  1  :  61 ; 

4  :  183. 
Birk,  Sixt.    II  8  :  48,  51. 
Birken,  S.  v.    III  5  :  7. 
Bismarck,  0.  Fürst  v.      15:  53.     IV 

IIa  :  8;  14  :  1. 
Blado.    I  4  :  39. 
Bleibtreu,  K.    IV  1  :  5. 
Blennerhasset,  Lady.     IV  1  :  114. 
Blessig,  J.  L.  IV  Hb  :  13. 
Blockbücher.    I  4  :  21. 
Boas,  E.    IV  12  :  5. 
Bobertag,  F.    III  3  :  2. 
Bode,  J.  J.  Ch.    15:  12. 
Bodenstedt,  F.  M.  v.  IV  1  :  60;  3  :  111. 
Bodmer,  J.  J.    13:4.    IV  1  :  39,  119, 

126;  2  :  3,  16.    IV  4  :  2;  8  :  2,  5. 
Böcking,  E.    II  8  :  18,  24,  28. 
Böcler,  J.  A.     III  1  :  6. 
Böhm,  J.    IV  4  :  174. 
Böhmen.    I  6  :  69.    II  1  :  13. 
Böhmer,  Auguste.    IV  13  :  14. 


Bölsche,  W.      IV  14  :  1. 

Börne,  L.      IV    1  :  2,     10/1,  41,  111  ; 

3  :  76;  14  :  1,  2,  29,  45/8. 
Börnes  Vater.     IV  14  :  46/7. 
BoethiusUbersetzung.    II  1  :  12. 
Böttiger,  K.  A.     IV  1  :  63 ;  6  :  53 ;  8  :  5. 
Boie,  n.  Chr     I  5  :  12.    IV  1  :  51,  64. 
Boissard.     II  8  :  27. 

Boisseröe,  S.    IV  3  :  53. 

Boisteau,  P.    III  3  :  2. 

Bojardo.     IV  4  :  103. 

Boltz,  V.    II  8  :  51. 

Bondeli,  Julie.    IV  1  :  119. 

Bone,  H.    IV  1  :  8. 

Boner,  U.    I  4  :  20. 

Bongars,  J.     III  1  :  6. 

F.ongart,  H.     I  4  :  21. 

Boos,  H.  II  8  :  5 

Borchardt,  N.    IV  Ha  :  49. 

Borinski,  K.    13:3. 

Borkenstein,  F.    IV  4  :  6. 

Bornemann,  W,    IV  2  :  250. 

Borosini,  F.    III  4  :  35. 

Bossuet,  J,  B.    IV  13  :  7. 

Botanik.      II   8   :   5—7.      IV  Hb  :    1 ; 

llf  :  20. 
Bothe,  F.  H.     IV  1  :  77. 
Bourignon,  Antoinette.    III  5  :  1. 
Boxberger,  B.  IV  12  :  64. 
Brachvogel,  A.  E.    IV  1  :  61 ;  2  :  105 ; 

4  :  183. 

Brahm,  0.    IV  3  :  40;  12  :  1,  5. 
Braitmaier,  F.    13:  4. 
Brandes,  G.    IV  Ha  :  8, 

—  J.  C.  IV  4  :  9. 

Brandis,  Graf.    III  2  :  60.    IV  2  :  173. 
Brant,  S.    I  1  :  11;    7  :  48.    II  1  :  1 ; 

6  :  27,  31. 
Braubach.    HI  5  :  13. 
Braun,  Th.    IV  12  :  85. 
Braunau.    II  5  :  22. 
Braunfels,  L.    III  3  :  1. 
Braunsberg.    I  4  :  37. 
Braunsehweig.    14:  17. 
Braydlongne,  de.    III  5  :  1. 
Breitinger,  J.  J.    13:4. 
Breitkopf,  J.  H.    IV  Hb  :  43. 
Bremer  Beiträge.    IV  1  :  39. 
Brentano,  C.    IV  4  :  57 ;    13  :  20,   40; 

14  :  1. 

—  Maximiliane.    IV  lld  :  20. 

—  P.  IV  lld  :  20. 

Breslau.      I   4  :  43.      III   5  :  31.      IV 

Hb  :  59. 
Bresnicer,  A.    II  7  :  37. 
Bretonne  s.  Rötif  de  la  Bretonne. 
Bretschneider,  H.  G.  v.   IV  Hb  :  8,  13; 

13  :  9. 
Brenner,  Grafen.    IV  4  :  197. 
Briefwechsel.    I    1  :  1;  3  :  4.    III    1  : 

6;     5  :   1/7;     13  :   24.      IV     1    :    34, 

46—55,    61;    3   :    31,    53,    90,    111/4, 

122,  127. 

—  s.  auch  Handschriften. 
Briessmann,  J.  II  7  :  31,  34. 

Brion,  Friederike.   IV  11c:  8;  lld  :  15. 
Brockes,  H.    III    1  :  12.     IV    1  :  126; 

2  :  1—2. 
Brockmann,  J.  F.  H.    IV  4  :  19,  174. 
Bruch.    I  6  :  27. 
Brüder,  Böhmische.    II  1  :  1,  13. 
Brüder  v.  gemeinsamen  Leben.    II  1:1; 

5  :  7. 

—  Streit    der   drei  lasterhaften.    III 
5  :  19. 

Brühl,  Graf.    IV  Hb  :  56. 
Brüx.     II  1  :  13. 
Brunfels,  0.  v.    II  8  :  18. 
Brunner,  S.    IV  1  :  3. 
Bruno,  Ch.    II  8  :  3. 

—  G.    II  8  :  10.    m  1  :  7. 
Bruschius,  C.    16:  74.    II  3  :  19. 
Brusoni.    IV  lle  :  28  ä. 
Brysmannus,  J.  L.    I  6  :  54, 


Sachreffister. 


177 


Buchdrama.     I  3  :  32. 
Buchdruck.     I   4   :    15-31.     II    1    :  1; 
8  :  66.     III  2  :  65. 

—  in  Augsburg  I  4  :  33,  40/1; 
Avignon  I  4  :  31 ;  Bamherg  I 
4  :  20;  Böhmen  II  1  :  13;  Brauns- 
berg I  4  :  37;  Breslau  I  4  :  43; 
Frankreich  14:  32 ;  Freisingen  I 
4  :  42;  Görlitz  I  4  :  43;  Hessen 
I  4  :  22;  Innsbruck  I  4  :  35  ;  Jung- 
bunzlau  II  1  :  13 ;  Köln  I  4  :  21 ; 
Königsberg  I  4  :  23.  II  7  :  34; 
Konstanz  I  4  :  42;  Leipzig  I  4  :  24  ; 
München  I  4  :  41 ;  Klirnberg  II 
1  :  13;  Paris  I  4  :  32;  Prag  II 
1  :  13;  Reutlingen  I  4  :  33;  Riga 
I  4  :  38;  Rostock  I  4  :  36;  Stras.s- 
burg  I  4  :  18,  31 ;  Stuttgart  I  4  :  33  ; 
Tirol  I  4  :  35 ;  Tübingen  I  4  :  33 ; 
Ulm  I  4  :  42;   Wittenberg  II  1  :  13. 

Bucheinband.    I    4  :  105/6. 
Bucherzählung.     I  3  :  32. 
Buchhandel.      I    4    :    38,    90—104.     II 

1  :  13. 
Buchhandlungsdeputierte.     I  4  :  96. 
Buchhandlung  der  Gelehrten.    I  4  :  96. 
Buchlyrik.    I  3  :  32, 
Buchner,  A.    III  1  :  6. 
Buchon,  M.     IV  1  :    111. 
Buchsweiler.    IV  lld  :  15. 
Buchwesen.    14.    II  8  :  3. 
Buckle,  Th.     15:1. 
Bucretius,  D.     III  1  :  6. 
Budaus,  G.     IV  1  :  37. 
BudweLs.     II  1  :  13. 
Bücher,  Beste.    I  6  :  43/5. 
Büchner,  L.    IV  1  :  111. 
BUIow,  E.  V.    IV  3  :  40;  13  :  53. 
Bünau,  H.  v.    II  8  :  22. 
Bürger,  Elise.    IV  1  :  78. 

—  G.  A.  I  6  :  12.  IV  1  :  40,  51, 
108,  126,  128;  2  :  28,  30/8,  48;  2  :  13; 
4  :  169;  6  :  51. 

—  H.  (Drucker)    II  1  :  13. 
BUssel.  IV  12  :  77. 
BUtzüw.     I  6  :  10/1. 

Buff,  Charlotte.     IV  IIb  :  85. 
Bugenhagen,    J.     16:9.     II    6  :  13 ; 

7  :  50/5. 
BuUinger,  H.     II  ■)  :  11 ;  5  :  24a;  7  :  36. 
Bulthaupt,  H.     IV  12  :  148. 
Bundestag,  Frankfurter.     IV  13  :  5. 
Bundschuh.    II  1  :  1. 
Bunsen,  C.  K.  J.  v.     IV  1  :  33. 
Burdach,  K.    IV  lle  :  20. 
Burg,  V.  d.  s.  Enk  v.  d.  Burg. 
Burschenschaft.     IV  1  :  51;  14  :  1. 
Butler.    IV  1  :  125. 
Butzbach.    I  5  :  84. 
Butzer,  M.    II  8  :  12. 
Byr  s.  Bayer,  R. 
Byron,  Lord  G.  I  4  :  89.    IV  1  :  123/4  ; 

lle  :  28a,  40;  14  :  1. 


*)  Caesar,  Joachim  s.  Aesehacius  Major. 
Caesartragödien.    IV  4  :  52. 
Calvinismus.     II  7  :  36.     III  1  :  6. 
Callenbach,  F.     III  1  :  11. 
Calderon,  P.    III  4  :  20.    IV  13  :  1,  67. 
Cambridge  (Amerika).    IV  IIb  :  107. 
Camerarius,  J.    II  7  :  49;  8  :  37. 
Campanella,  Th.     II  8  :  10. 
Campe,  J.  H.    I  5  :  12;  6  :  20,  22.    IV 
6  :  27. 

—  Frau  Edukationsrat.    IV  6  :  27. 
Cancellarius.    I  4  :  30. 
Capranica,  Cardinal.     II  5  :  9. 
Caprivi,  J.  L.  v.     III  2  :  58/9. 
Cardanus,  H.     IV  3  :  40. 
Carlsbad.     IV  IIa  :  83;  IIb  :  5G/7. 
Carlyle,  J.    IV  13  :  3. 

•)  S.  auch  K. 
Jahresberichte  für  neuere  deutsche 


C'arpzow  (Geschlecht).    111  5  :  9. 

Castner,  G.     II  8  :  3. 

Castelli,  F.     IV  1  :  47;  4  :  91. 

CastelUo,  S.     II  8  :  9. 

CasseL     IV  IIa  :  81. 

Caspar,  F.  v.     IV  4  :  56. 

Casparius,  C.     II  8  :  48. 

Casaubonus,  J.    III  1  :  6. 

Cato.     I  6  :  85.     II  5  :  14/5. 

Cattaneo,  G.     IV  IIb  :  22;  llf  :   17. 

Cavo  canera.  III  1  :  6. 

Cazotte.    IV  3  :  49. 

Celius,  M.     II   1  :  13. 

Cellini,  Benvenuto.     IV  IIa  :  73. 

Celtis,  C.     I  5  :  92.     II  8  :  30. 

Censur.     I  4  :  95.    II  1  :  1;  5  :  8.    IV 

I  :  65/6;    2  :  148     50;   3  :  54. 
Cervantes,    M.     III    3  :  1.     IV    3  :  40; 

4  :  8;  lle  :  44. 
Chamisso,  A.  v.    IV  1  :  46;  2  :  87-97; 

3  :  49,  76;  14  :  1. 
Charaktere,  gute  u.  schlechte.    13:6. 
Cliatrian  s.  Erckraann-Cluitriau 
Chaucer,  G.    IV  4  :  8. 
Chemnitz,  B.  Ph.  v     III  1  :  2,  4. 
Cherbuliez,  V.    IV  6  :  58. 
ClK^zy,  Helmine  v.    IV  4  :  139 
Chorlieder.     II  4  :  47/9;  8  :  48. 
Christ,  Hofrat.     IV  2  :  3. 
Christian  von  Brieg.    III  1  :  6. 
Christoph  v.  Württemberg.    I  6  :  56. 
Chroniken:  II  1:1;  Erfurter  II  3  :  30; 

Koelhoft'sche  I  4  :  25;  v.  Schwäbisch- 

Hall   II   3  :  15;  Weifische  II  3  :  19; 

Zimmersche   IV  13  ;  33;    s.  auch   II 

3  :  5-6. 
Chuquet,  A.     IV  IIb  :  14;  lle  :  18. 
Chyträus,  D.     I  6  :  85. 
Cicero,  M.    IV  8  :  5. 
(.'ichiu,  V.     14:  60. 
Cid-Romanzen.    III  3  :  1. 
Clajus,  J.     III  5  :  7. 
Clara  a  St.  s.  Abraham  a  St.  Clara. 
Classen.    II  8  ':  2. 

Claudius,  M.    IV  2  :  17,  20/9,  48,  137. 
Clodius,  Ch.  A.    IV  2  :  9,  48. 
Cochlaeus,  J.     II  6  :  56;  7  :  73. 
Coolibat.    IV  11c  :  22. 
Cöutgen.    IV  IIb  :  40. 
Cogswell,  J.  G.    IV  IIb  :  105/7. 
Costenoble,  C.  L.    IV  4  :  170. 
Colerus,  Chr.     III  1  :  6. 
Collin,  J.  V.     IV  1  :  66;  4  :  24/5. 
Comenius,  A.    I  4  :  3;   6  :  12,  15,  86. 

III  1:4.    IV  6  :  38. 
Condoreet.    IV  13  :  7. 
Conrad,  M.  G.    IV  1  :  5. 
Constant,  B.     IV  1  :  118. 
Constitutiones    synodales    evangelicae. 

II  7  :  34. 
Conz,  K.  Ph.     IV  1  :  78. 
Coquelin.     IV  4  :  208. 
Corneille,  P.    IV  lle  :  3. 
Cornelius,  P.  v.    IV  1  :  41;  2  :  216. 
Corrarus,  G.    II  8  :  48. 
Corvinus,  J.  s.  W.  Raabo. 
Cothurnius,  G.    III  1  :  6. 
Cotta,  J.  F.     IV  1  :  121;  12  :  45. 
Crailsheim,  Frhrn.  v.    IV  4  :  5. 
Gramer,  K.  F.    IV  11c  :  22. 
Cranach,  L.     I  4  :  34.     II  1  :  1. 
Crantz,  A.     IV  4  :  181. 

—  M.     I  4  :  32. 
Cranz,  A.  F.     15:  12.     IV  3  :  9. 

—  Kriegsrat.    IV  1  :  78. 
CroceUns,  W.     I  2  :  18. 
Creizenach,  W.    IV  14  :  29. 
Crelinger,  Auguste.     IV  4  :  134. 
Croussner,  F.     II  8  :  56. 
Creuz,  F.  C.  C.  Frhr.  v.     IV  6  :  20. 
Creuzer,  B.    IV  13  :  20. 

—  Fr.     IV  13  :  20. 
Crocus,  C.     II  8  :  17. 
Cronegk,  J.  F.  Frhr.  v.    IV  4  :  5. 

Litteraturgeschichte  1 12.'. 


Cronhjelni,  Frhr.  v.     IV  IIb  :  7. 
Crotus,  Rubcauus  J.     11    6  :  1;  7  :  34. 
Crusius.     IV  1  :  46;   12  :  46. 

—  M.     I  6  :  68. 
Cugnoni.     II  8  :  55. 
Cunradus,  C.     III  1  :  6. 

—  Chr.     III  1  :  6. 
Cyeloff,  W.    II  2  :  2. 
Czepco,  D.    III  1  :  6. 

Dach,  S.  III  2  :  2,  33. 
Daktylus.  I  3  :  39-40. 
Dänemark.       III    4  :  24;     5  :   14,     24; 

IV  1  :  128. 
Dahlmann,  F.  C.     IV  1  :  10,  22. 
Dahn,     F.       IV   1  :  58;    2  :  lUO,    105; 

3  :  1—2,  4. 

Dalberg,    H.    Frh.    v.      IV  4  :  20,  173: 
12  :  41,  181. 

-  K.  Th.  V.,  Fürst-Primas.  IV  14  :  45. 
Daisenberger,  Ä.    III  4  :  55. 

Dante.    IV  lld  :  25. 
Danzel,  Th.  W.     IV  1  :  49. 
Danzig.     III  2  :  39;  5  :  31. 
Darc,  Johanna.     IV  12  :  116—30. 
Daschitzky,  G.     II  1  :  13. 
David  und  Goliath.     II  8  :  51. 
Dawison,  B.     IV  1  :  61. 
Deduktive  Poetik.    I  3  :  25— 39b. 
Defoe,  D.    IV  1  :  125. 
Deichsel.    I  6  :  66. 
Deinhardstein,  M.    IV  4  :  110. 
De  la  Chalotais.     I  6  :  15,  17. 
De  la  Motte  s.  Fouiiuö,  F. 
Delisle,  J.    IV  4  :  103. 
Demantius,  Ch.    14:  8.    III  2  :  20. 

—  Ch.  d.  j.     III  2  :  20. 

Denis,  M.    IV  1  :  89;  2  :  17;  11c  :  16/8. 

Denaisius,  P.    III  1  :  6. 

Denk,  J.    II  7  :  73. 

Donnstedt,  v.    II  3  :  30. 

Denner,  L.  A.    IV  4  :  174. 

Denso.    I  6  :  85. 

Denzel.    I  6  :  32. 

Descendenztheorie.    I  1:3.  IV  Hb  :  1 ; 

llf  :  20. 
Devrient,  Ed.     IV  4  :  19;    14  :  53. 

—  Emil.    IV  1  :  61;  4  :  183. 

—  Familie.    IV  4  :  175. 

—  L.     IV  4  :  177. 

—  s.  auch  SehrOdor-Devrieiit. 
Dossoir,  L.  IV  4  :  183. 
Deutsche  Blätter.    IV  1  :  14. 
Deutsches  Museum,    IV  1  :  88. 
Deutschgesinute  Genossenschaft 

'  III  5  :  7. 

Deutschtümelei.    III  1  :  4. 
Dialektdichtung.    IV  1  :  69. 
Dialog.     I  3  :    16. 

—  s.  auch  Gespräche. 
Dibelius.    II  2  :  2. 
Dichter,  seine  Arbeit.    11:1. 
Dichterisches  Schaifcn.  I  3  :  36,  88-99. 
Dichterschule,  preussische.    IV  2  :  30. 
Dickens.  Ch.    IV  3  :  1,  2. 
Didaktik.  II  5;  8  :  55/8.  III  5  IV  6;  llf. 
Diderot,  D.    I  1  :  5.  IV  4  :  9;  11c  :  22. 
Didot,  F,  IV  1  :  111. 
Diede,  Charlotte.    IV  6  :  58. 
Diesterweg,  A.    16:  31—52. 
Dietz,  L.    I  4  :  36.    II  3  :  17. 
Diez,  F.  Ch.  v.     IV  IIb  :  19. 
Dilettantismus.     I  5  :  40. 
Dilthey,  W.    IV  13  :  5,  25. 
Diminutiva.    13:3. 
Dingelstedt,   F.     IV  1  :  61 ;     2  :  105; 

4  :  68;    6  :  74;    13  :  22;    14  :  1,  53. 
Dissertationen.    I  4  :  75. 
Döbbelin,  K.  Th.  IV  1  :  78;  4  :  174,  181. 
Docen,  B.  J.     II  3  :  4. 
Doctrinal  de  Caballeros.    III  3  :  1. 
Dodsley.     12:5.     IV  1  :  93. 
Dölsch,  J.     II  6  :  10. 
Döring,  H.    IV  IIb  :  32. 

12 


17H 


Sachregister. 


Dooriiig,  Th.     JV  4  :  208. 

Dohin.     IV  6  :  14. 

Donatus.     II  8  :  3. 

Don  Juan.    IV  4  :  5:5. 

Don  Quijotc.    III  3  :  1. 

Dornavius,  C.     III  1  :  <5. 

Dostojewski.  F.  M.     I  3  :  120. 

Drach,  F.     14:  52. 

Drama.    II  1:8;  II  4.  Ill  4.  IV  4;  lle. 

—  biblisches.    II  1  :  13. 

—  Neulateinisches.    II  8  :  48—54. 
Dramatik.    I  3  :  25,  36,  69. 
Dramatiker,  Braunsehwciger.  II  4  :  18; 

Fränkische  II  4  :  25—34;  Hessische 
II  4  :  19;  Holsteiner  II  4  :  40; 
Niederdeutsche  II  4  :  40/6;  Oesler- 
reichische  II  4  :  37/9;  Poramersche 
II  4  :  23/4;  Sächsische  II  4  :  16/7, 
21  f3;  Schweizer  U  4  :  3,  11/5,  49; 
WUrttemberger  II  4  :  35. 

Dramatische  Charaktere.    1  3  :  42,  46/9. 

Dramaturgie.     IV  4  :  203. 

Dreikönigslieder.    IV  1  :  62. 

Dreisler.    IV  1  :  69. 

Dresden.    III  4  :  13;  5  :  23. 

Dreves,  L.    IV  13  :  07. 

Dreyer.    I  5  :  90. 

Dringenberg,  L.    II  8  :  43. 

Drosto-Hülshoff,  Annette  v.  I  5  :  119. 
IV  1  :2;  2  :  184,9. 

Droysen,  J.  G.    IV  1  :  67. 

Dryden,  J.    III  4  :  20. 

Dschami.  IV  3  :  134. 

Du  bist  min,  ich  bin  diu.  II  2  :  38. 
lU  2  :  21. 

Duboc,  J.    IV  1  :  15/7. 

Du  Bos,  Abbö.    I  5  :  52. 

Düntzer,  H.  II  8  :  42.  IV  lld  :  3; 
lle  :  31a. 

Düren.     II  4  :  46. 

DUror,  A.     II  1  :  1,  19;  5  :  46;   7:37. 

Düsseldorf.     I  5  :  89. 

DuUor,  E.    I  5  :  109.    IV  4  :  134. 

Dumas,  A.,  Aeltore.    IV  1  :  111. 

Dungersheim,    I  6  :  66. 

Dusch,  J.  J.    IV  2  :  3. 

Duttenhofer.    IV  2  :  16. 

Eber,  P.  II  7  :  49. 

Eberhard  v.  W^ürttemberg.  II  1:12; 
8:  21. 

—  J.  A.     IV  6  :  21. 
Eberlin,  J.    II  1  :  1;  7  :  21. 
Ebers,  G.     IV  2  :  105;  3  :  2,  4. 
Ebert,  J.  A.    IV  2  :  6. 

—  K.  E.    IV  I  :  48. 
Ebhardt.     II  7  :  37. 

Ebner-Eschonbach,  M.  V.    IV  3:1,  136. 
Eccard,  J.    12:4. 

Eck,  Joh.    II  8  :  18,  56. 

Eckenberg,  J.  K.    IV  4  :  174. 

Eckonstein,  Lina.    II  6  :  46. 

Eekennann,  J.  P.    IV  IIa:  17. 

Edda.    IV  10  :  7. 

Edelbeck,  B.    II  1  :  13. 

Edlibacb,  Agnes.    II  5  :  24. 

Eger.    II  1  :  13. 

Eggestoin,    H.    14:  18. 

Egmont,  Graf.    IV  lle  :  15a. 

Ehrhard,  A.    IV  1 :  109-10. 

Eichendorff,  J.  v.  I  2  :  22.  IV  13  :  64/8. 

Eichholtz.    IV  1  :  58. 

EichstUtl.    I  5  :  95. 

Einfachheit.    13:6. 

Einheit  der  Zeit.    13:6. 

Einsiedel,  F.  H.  v.     I  4  :  12;  5  :  12.    IV 

1  :  46 ;  Hb  :  20. 
Eisenhart.    II  8  :  36. 
Eisenmann  II  8:3. 
Ekkehard.    15:5. 
Elbe.    1115:31. 
Elbogen.    II  1  :  13. 
Elckerlijck.     II  4  :  40. 
Elgersma.    I  6  :  66. 


Elisabeth  Charlotte  v.  Orleans.   III  3:9; 

5  :  2,  24. 
Ellinger,  G.    II  3  :  30. 
Ellissen.    IV  3  :  13. 
Elogius,  K.      II  1  :  13. 
Elsass.     I  5:35/7,  103.      IV  1  :  111. 
Elster,  E.     IV  12  :  103,  170  ;  14  :  1,  33. 
Erabden,    Charlotte    van.  IV  14  :  20/2, 
Empfindsamkeit.    IV  1  :  19. 
Emser.    H.      IC:  76.      II  5:9;  6:  14; 

7  :  69-70. 
Encyklopädio  der     Littoraturgesehichte 

11:1. 
Engel.  J.  J.     IV  6  :  40/1. 
Engfrd,  J.     II  8  :  3. 
England.    IV  1  :  15,    122/7;     IIa:  45/7, 

50/4. 
Enk  V.  d.  Burg,  M.  L.  IV  1  :  38 ;  4 :  109. 
Ense  8.  Varnhagen  v.  Ense. 
Entladung.     I  3  :  60. 
Eobanus  Hessus.    II  8  :  34. 
Epigramm.    II  5  :  23/4. 
Epik.     I  3  :  25,  36,  60.     IV  14  :  49. 
Epistolae  obscurorum  vironi:n.    I  6  :  61. 
Epos.  II  5;  8:41/7.    III  5.  IV  6;  lld. 
Erasmus,    D.      I  1  :  II :   4  :  39;  5  :  88; 

6:  7.   II  1  :  1,  11;  7  :  37;  8:  18,  20. 
Erbauungslitteratur.     II    1:1;    5  :  45  ; 

7  :  37 
Erckmann-Chatriir,    IV  1  :  HI. 
Erdbebenlitteritur.    II  5  :  40/1. 
Erdmann,  J.  E.    IV  6  :  62. 
Erfurt.     II  3  :  30. 

-  Hans  V.    s.  Haus  v.  Erfurt. 
Erh»  ene,  das.    I  3  :  11,  14,  59. 
Eringer,  G.    14:  20. 
Ernährung.     15:8. 

Ernst  der  Fromme  v.  Gotha.    III  1  :  4; 
5:  14. 

-  II.  V.  Gotha.    IV  IIb:  28. 

-  Friedrich  V.  Baden-Durlach.  II  8:36 
E  S,  Meister.    II  5  :  9. 
Eschenbach,  Wolfram  v.  s.  Wolfram. 
Eschstruth,  Nataly  v.    15:  45a. 
Esplandian.     III  3:1. 

Essay.     IV  1  :  58. 

Esslingen.    I  6  :  29.    II  8  :  45. 

Esthland.    I  5  :  114. 

Ethnographie.     11:5. 

Ewald,  J.  J.     IV  2  :  7. 

Eugen,  Prinz.     III  2  :  64. 

Eulenspiegel.    I  1 :  11.    II  1  :  8;  3  :  14, 

14a,  23. 
Euripides.    I  3  :  103.    IV  4  :  4. 
Eutin.    IV  1  :  72. 
Evelyn,  J.    IV  13  :  4. 
Everyman.    II  4  :  40. 
Evolution.    I  3  :  57—61,  119. 
Extemporieren  d.  Schauspieler.  IV  1 :65. 
Eyb,  A.  V.     15:100.    II  5:9;  8  :42,  56. 

-  G.    II  8  :  56. 

Eybenberg,  Frau  v.    IV  IIb  :  20. 
Eyring,  E.    II  5:  17. 
Eysenhoven,  J.    11  3  :  4. 

Fabricius,  A.    II  7  :  44. 

-  J.  A.    14:3. 

-  P.    III  2  :  6. 
Faber,  J.  G.    IV  2  :  16. 
Fallersleben,  Holfmann    v.   s.   H.  Hoff- 
mann. 

Fallmerayer,  J.  Ph.    IV  1  :  CO. 
Falschmünzer.  III  5  :  28. 
Familienroman,  christlicher.    IV   1:4. 
Fassmann,  D.    III  5  :  15. 
Fastnachtsi)iele.    II   1  :  1,  8,  13;  4  :  3, 

10,  31;  5  :  34. 
Faust,    Faustsage    und    Faustdichtung. 

II     3  :  26-35.      III     2    :    65/6;    4  : 

26/9,  32.    IV  3  :  9;  4  :  145,  174.    (S. 

auch    Goethe,    Elingemann,  Lessing, 

.T.  V.  Voss.) 
Faustina,   das  Kind  der  Hölle.    IV  4  : 

143;  12  :  154. 


Fochuor,  Th.     I  3  :  20.  57,  90. 
Feder,  .1.  G.  H.    IV  6  :  2. 
Fohrbelliu.     III  3:4.     IV  4  :  31. 
Feind,  B.    III  4  :  23. 
Felbiger,  J.  L  v.     I  6  :  90. 
Fels,  J.  M.    III  5  :  23. 
Ferber,  A.    I  4  :  36. 
Ferdinand  I.    II  8  :  16. 

-  II.    16:  62. 

-  Erzlierzog  v.  Oesterreich.  1  4  :  35. 
Fernglas,  das  moralische.     IV  1  :  87. 
Ferry,  Mme.    IV  IIb  :  108. 

Feste.     I  5  :  68-70. 

Feuchtersleben,  E.  Frhr.  v.    IV  2  :  1C8. 

Feuerbach,  L.    IV  1  :  l.-i'7.  29,  33,  43; 

14  :  1,  52. 
Feuilleton.    13:  115. 
Feyerabend,  S.    14:  93. 
Fichard,  J.    II  5  :  33. 
Fichte!  H.  J.    IV  1  :  41. 

-  .L    G.      IV     1  :  22,    26/7,    29,   47, 
CC,  78,  120;  6  :  52;  8  :  10;  13  :  7,  20. 

Fielitz,  W.    IV  12  :  29. 
Figulus,  W.    14:8. 
Filidor.    III  4  :  32. 
Finkelthausen,  L.    I  4  :  92. 
Fischart,   J.     I   5  :  60;    7  :  48.     II  3 

20/5;  5  :  32/4. 
Fischer,  Ch.    II  1  :  13. 

-  F.  J.    IV  4  :  20. 

-  Karl.    II  1  :  2. 

-  Kuno.     11:6.     IV    1  :  27;    lle  : 
17,  29,  33,  37. 

Fitger,  A.    IV  1  :  5. 

Flach,  M.    I  4  :  18. 

Flock,  C.    IV  4  :  181. 

Fleissner,  G.    II  1  :  13. 

Fleming,  P.      13:3.     III  1   :  12;    2  : 

28-:i2.     IV  C  :  51. 
Fletcher,  J.    12:5. 
Floquot.     IV  IIb  :  108. 
Flugschriften.   II  1  :  1,  8.   III  1  :  2-4; 

3  :  2;  5  :  14,  28. 
Förster,  E.    IV  3  :  28. 

-  F.     IV  2  :  65. 
Folien.  A.  A.  L.     IV  3  :  76. 

-  K.     IV  2  :  75. 

Folz,  H.    I  1  :  11.    II  1  :  1. 
FonUne,  Th.    IV  1  :  4;  3  :  137-41. 
Fontenelle.    IV  6  :  61. 
Form.    I  8  :  15,  20,  69,  109. 
Forster,  G.    I  5  :  12.    IV  1 :  64;  6:42/3. 

-  R.     IV  6  :  42. 

-  W.     15:  120. 
Foscolo,  U.     IV  lld  :  19. 
Foucher  de  Careil.    IV  1  :  28. 
Fou(iu6,    F.    de  la  Motto.      IV    3  :  1; 

13  :  3;  14  :  1. 
Fränkel,  L.    IV  13  :  45. 
Franck,  K.    II  1  :  13. 

-  M.    14:8. 

-  S.     15:  101.    II  3:  6;  5  :  47.    III 
5  :  19. 

Francko,  A.  H.    1  6  :  12.     III  5  :  2. 

-  .1.     14:  94. 
Franjois,  Luise  v.    15:  45a. 
Frankeuberg,  Abr.  v.    IV  13  :  33. 
Frankfurt  a.  M.     14:  90.     IV  1   :  88; 

lla:63/4;  IIb  :  1,38,40,48;  11c:  46. 
Frankfurter,  Ph.    II  3  :  15. 
Frankl,  L.  A.    IV  2  :  163/7. 
Frankreich.    Ill  5  :  23.    IV  1  :  15,  27, 

1U5,  108-21;  IIa  :  50;  IIb  :  14,  37; 

12  :  119-23,  125. 
Franzosenhass.    IV  1  :  22. 
Franz  II.  v.  Oesterreich.    I  6  :  73. 
Frauen.    I  1  :  13.    III  1  :  9.    IV  1  :  3. 
Frauonscherz,  J.     II  1  :  12. 
Freher,  M.     III  1  :  6. 
Freie  Bühne.    IV,  12  :  25. 
Freiheitskriege  s.  Befreiungskriegs. 
Freiligrath,   F.     IV    1  :   12,  58.  61 ;    2  : 

128-35;  14  :  1. 
Freinshemius,  J.    111  1  :  6. 


Sachregister. 


179 


Freisiugen.     I  4  :  42. 

Fromdwörterbekämpfuiig.    12:6. 

Fresenius,  J.  Th.    IV  Hb  :  30. 

Freulor,  B.     II  8  :  16. 

Frey.  J.    II  3  :  25. 

FreyT)e,  A.    III  4  :  1. 

Freytag,  G.     I  3  :  32;  5  :  5.    II  8  :  5. 

IV    1  :  16,  58,  61,  99,  108;    2  :  105; 

3  :  2;  4  :  89-92. 

—  G.  W.  F.     IV  11c  :  29. 
Friburger,  M.     I  4  :  32. 
Friede,  ewiger.     IV  1  :  27. 
Friedländer,  D.    IV  1  :  78,  83. 

—  J.    IV  IIb  :  121. 

Friedrieb   der   Grosso.    IV    1  :  22,  29. 
30,  78,  96—106;  6  :  53;  7  :  2,  5. 

—  Prinz  V.  Homburg.    IV  4  :  31. 

—  III.  V.  d.  Pfalz.     II  7  :  36. 

—  d.  Weise  v.  Sachsen.    II  7  :  73. 
Friedrich  Wilhelm  ni.    IV  1  :  13. 

IV.   IV  IIb  :  25;  13  :  22;  14  :  1. 

Friedrich,  D.    14:8. 

—  M.     II  5  :  44. 
Fries,  H.    II  1  :  19. 

Frisehlin,  N.    II  8  :  48.    III  4  :  9. 
FrOlich,  J.     I  4  :  18. 

II  4  :  31. 

Fromraann,  Fr.  H.    IV  IIb  :  20. 
Froschauer,  H.    14:  41. 
Fruchtbarer  Moment.    I  3  :  76. 
Fruchtbringende  Gesellschaft.    III  5  :  7. 
Frundsberg,  G.  v.    II  3  :  19. 
Flinkelin.    II  7  :  37. 
Ftirstenerziehung.     16:7,   53/4.     IV 

13  :  104. 
FUrstenfeld.    I  5  :  86. 
FUrstengruft.    IV  Ha  :  82. 
Fürstenspiegel.    III  5  :  14. 
Fuetrer,  V.    I  1  :  11.  II  3  :  3-4;  8  :  3. 
Fugger,  J.    15:  121. 
Fugitive,  Poesie.    IV  2  :  1—2. 
Fulda,  K.     IV  1  :  40. 
Funk.    IV  4  :  36. 
Fust,  J.    I  4  :  25,  51. 

Gabel  (Böhmon).     II  1  :  13. 
Gabler,  H.     III  5  :  7. 
Gaodortz,  K.  Th.     III  4  :  1. 
Galeatius  Capella.     16:8. 
Galenus.    II  5  :  39. 
Galilei,  G.    III :  6. 
Gallmeyer,  Josefine.    IV  4  :  94. 
Gang  nach  dem  Eisenhammer   (Erzäh- 
lung).   IV  12  :  73. 
Ganz,  E.     IV  6  :  62. 
Garrick,  E.    IV  4  :  71. 
Garve,  Chr.    I  5  :  12. 
Gassarns,  J.    II  8  :  48. 
Gassmann,  Fl.    IV  4  :  140. 
Gatterer,  J.  Ch.    14:  3. 

—  Philippine.    IV  2  :  38. 
Gaudf,  F.  V.    IV  2  :  97/8. 
Gebete.    II  5:5. 
Gebhard,  M.    III  5  :  7. 
Gebier,  C.  Th.    IV  4  :  201. 
Gebweiler.     II  4  :  9. 
Gedike,  F.    IV  1  :  78. 
Geffcken,  Frau.    IV  4  :  49. 
Gegenreformation.    III  1  :  1—2. 
Geibel,  E.    IV  1 :  33,  41,  60/1 ;    2  :  105, 

202;  3  :35;  4:86;  13:43. 
Geiger,  L.    II  1  :  1. 
Geiler    v.    Kaisersberg,  ,J.    I  1:11.    II 

I  :  1;  5:1,  9;     8:18. 
G  ei  ssler.  II  1:1. 

Geistliche  Lehrdichtung   des    15./6.  Jh. 

II  5:  1-6. 

—  Lehrprosa  d.  15./6,  Jh.    II  5:1-2 
7—10. 

—  Lieder.    II  2  :  6-9.    III  2  :  48-58; 
3:  9. 

—  Litteratur.    II  1  :  13. 
Gelegenheitspoesie.  I  3:3.     1116:7,23. 
üelenius,  M.    II  7  :  44. 


Geliert,  Chr.  F.   14:  12.   IV  1  :  30,  46; 

2  :  17;  3:7. 
Gemmingen,    0.  H.  Frh.  v.    IV  2  :  16; 

4:9. 
Gen6e,  B..    IV  lle:6. 
Genf.     III  5  :  31. 
Gongenbach,  P      I  5  :  88. 
Genie.    I  3  :  81/87. 
Gennep,  J.  van.    II  4  :  40. 
Genovefa.     II  3:12. 
Gentilis,  Scipio.     III  1  :  0. 
Gentz,  F.  V.    15:  12. 
Georg  IL  v.Hesson-Darmstadt.    111  5: 13. 

—  Schenk     v.     Limburg,    Hischof   v. 
Bamberg.    II  3  :  29. 

Geographie.    II  1  :  18. 

G6rard  de  Nevers  et  la  belle  Euryanthe. 

IV  4  :  1.39. 
Gerechtigkeit,  poetische.    I  3  :  32/4,  69. 
Gerhard,  P.     III  2  :  51. 
Gering,  U.     I  4  :  32. 
Gerte,  H.    14:8. 
Gern,  A.     IV  4  :  182. 

—  G.     IV  4  :  182. 
Gernrode.    I  4  :  58. 

Gerock,  K.    IV  1  :  2;  2  :  105,  199-297. 
GersdorfF,  Henriette  von.     III  5  :  2. 
Gerson,  J.    II  5  :  9. 
Gerstäcker,  F.    IV  1  :  61. 
Gerstenberg,  H.  W.  v.  IV  1  :  128;  2  :  27, 

48;  6:  16;  7:6. 
Gertrud,  Heilige.    II  5:5. 
Gervinus,  G.  G.     I  1    :  3;  3  :   3.        IV 

1  :  22;  3:  35;     4  :  134. 
Gesangbücher.     II  1:13;  2:5.      Berlin 

IV  1    :    48;      Heidelberg   II    2  :  5; 

Sachsen      II    2    :    2;     Siebenbürgen 

II   2:3;     Zürich  II  2  :  4. 
Geschichte.      II  1  :  1-11 ;   IV  1  :  10/4, 

27. 
Geschichtliche  Dichtung.   II  1:1,  12/3; 

2  :36/7;  3:  5—6.     III  2  :  10. 
Geschichtsphilosophie.  IV  1:27;  6:61/2; 

llf  :5. 
Geschichtsschreibung.  IV  llf:  5. 
Geschmack.    I  3  :  11,  100. 
Geschmackvoll.    I  3:  100/1. 
Gespräche    und  Gesprächlittoratur   des 

16.  Jh.  II  1  :  1;  3: 19;  5:  11;  1111:8. 
Gessner,  S.    IV  1  :  35,  125;  2  :  6,  9,48, 
Gesundheitspflege.    II  6  :  40. 
Gettin.    I  6  :  94. 
Gewissensregung.    II  1  :  11. 
Ghillany.     II  1  :  17. 
Gieseke,  K.  L.     IV  4  :  96. 
Gigas,  J.     II  7  :  49. 
Gilm,  H.  V.     IV  1  :  3;  2:  179-181/2. 
Giphanius,  0.     III  1  :  6. 
Giteusky,  J.    II  1  :  13. 
Glareanus,  H.    II  8  :  16. 
Glasbrenner,  R.     IV  1  :  61. 
Glaser,  J.     IV  4  :  133. 

—  M.     II  8  :  56. 
Gleich,  A.    IV  4:  94,  100. 
Gleichen-Russwurm,  Frhr.  v.    IV  12  :  1. 
Gleira,    J.  W.  L.    I  5:  12;    7  :  41.    IV 

1  :  40,  78 ;  2  :  3,  5-6,  9,  30,  48 ;  6  :  17; 

llc  :  15;  12:46. 
Globus.    II  1  :  17. 

Glockengiesserei,  Mayers.     IV  12  :  75. 
Gloner,  S.    HI  1  :  6. 
Glutz,  A.     IV  llc  :  26. 
Gluck,  F.  W.  V.     IV  1  :  78 ;  7  :  C. 
Gmelin,  J.    IV  4  :  35. 
Gnapheus,  G.     II  4  :  11,  34;  7  :  34. 
Göchhausen,  Luise  v.     IV  Hb  :  91. 
Göckingk,  G.  v.    15:  12.     IV  1  :  78. 

2 :  36/7,  48. 
Goedeke,  K.    11:2.     11  3:  25;   5:27; 

8  :  44,  48,  56,  58.  III  5:7.  IV  12  :  51 ; 

14:8. 
Göring,  Ch.    III  2  :  2. 
Görlitz.    I  4  :  43;  5  :  117. 
Görner,  C.  A.    IV  1  :  61, 


Görres,  G.     IV  1  :  8. 

—  J.     IV  1  :  22,  60;  13  :  32,42. 
Göschen,  G.  J.    IV  12  :  46. 

Goethe,  A.  v.  IV  IIa  :  82  ;  IIb  :  20,  76/8. 

—  Catharina  Elisabeth.  IV  IIa  :  66; 
IIb  :  1,  20,  65-76. 

—  Cornelia  (G.s  Grossmutler).  IV 
IIb  :  63;  lle  :  2. 

—  E.     IV  IIb:  62. 

—  Joh.  Caspar.  IV  Ha:  66;  llb:20, 
63/4;  lld  :  15. 

—  J.  W.  V.  IV  11.—  II:  5,  12; 
3  :  101,  104,  115;  4  :  10;  5  :  .53.  89; 
7  :  43.  II  6  :  73.  IV  1  :  1.  3,  7 
10,  15,  19,  22,  25,  27,  38,  40,  46(7, 
51/2,  5.'-),  58,  63,  76,  78,  8.3,  94,  96. 
115,  118,  121,  122,  123/4,  125,  128; 
2  :  82,  107,  188,  227,  250;  3:36,  53; 

6  :  9,  40,  51;  8  :  8;  10  :  9 ;  12  :  5, 
14,  59,  154;  13:20/1,49;  14:1—2. 
-  Lyrik.   IV   llc.    -    I  7   :   51.    IV 

2  :  28;  4  :  12;  Ha  :  66,  73;  Harz- 
reise. IV  1  :  40.  Heidenröslein. 
IV  1  :  38.  Sonette.  IV  1  :  42. 
Waffensegen.  IV  2  :  65.  Wirkung 
in  d.  Ferne.     IV  2  :  48. 

—  Epos.  IV  lld.  -  IV  3  :  1-2;  Achil- 
leis. IV  1  :  108.  Hermann  u.  Dorothea. 
IV  1  :  40,  108;  llf  :  10.  Melusine. 
IV  3:  49.  Novelle.  I  7:57;  Novellen. 
IV  Ha  :  74.   Römischer   Karneval.    1 

7  :  57.  St.  Rochus-Fest.  I  7  :  57. 
Unterhaltungen  deutscher  Ausgewan- 
derten. II 8 :  42.  Werther.  IV  2 :  16  ;4 :  14; 
Ha:  74;  llc  :  8.  Wilhelm  Meister.  IV 
1  :  118;  Ha  :  74.  Wahlverwandt- 
schaften. IV  1:40;  Ha:  74;  Hb  :  6; 
llf  :  2. 

—  Drama.  IV  lle.  —  IVlla:66.  Cla- 
vigo.  I  7  :  73.  Concerto  dramatico. 
I  4:12.  IV  1 :  46.  Egmont.  I  7  :  6,69. 
IV  2  :  205.  Erwin  und  Elmire.  IV 
llc  :  3.  Faust.  I  3  :  76.  IV  1  :  1, 
10,  40,  46,  115,  122;  3  :  9;  IIb  :  8. 
Götter,  Helden  u.  Wieland.  IV  8  :  6—7. 
Götz.  17:6,  71,  77.  IV  4  :  28, 
183a,  205|6.  Jphigenie.  I  7 : 6,20. 
IV  1  :  40.  Jery  u.  Bätely.  IV  3  :  54. 
Mitschuldigen.  IV  4  :  205.  Nau- 
sikaa.  IV  1  :  108.  Tasso.  17:6, 
58,  76.    Vögel.    IV  1  :  96. 

—  Briefe  aus  der  Schweiz.  I  7  :  57. 
Dichtung  u.  Wahrheit.  I  7  :  17.  IV 
1  :  58;  Ha  :  73.  Farbenlehre.  IV 
1  :  122;  Ha  :  73.  Gnomisches.  IV 
llc:  4.  Kunstgeschichtliches.  I  7:66. 
Rameau.  IV  12  :  46.  Sausculottis- 
mus.  IV  6  :  51.  Shakespeareredo. 
I  4  :  12.     IV  1  :  46. 

—  Ottilie  V.    IV  Hb:  79-80;  14:50. 

—  Wolf  V.    IV  Hb  :  81/2. 

—  Ausstellungen.    IV  IIa  :  62. 

—  Jahrbuch.    IV  Ha  :  66: 

—  Museum.    IV  Ha  :  61. 

—  Stiftung.    IV  Ha  :  56. 
Göttingen.    I  4  :  16.    IV  1  :  120. 
Göttinger   Dichter.    IV  1  :  39,  125. 
Göttinger  Sieben.    IV  1  :  10. 
Goetz,  J.    II  8  :  51. 

—  J.  N.     IV  2  :  3. 

—  V.  Sletstadt,  N.     I  4  :  21. 

—  Major.    IV  4  :  31. 
Goldast,  W.    III  1  :  6. 
Goldoni.    IV  lle  :  3a,  28a. 
Goldsmith,  0.    I  3  :  143.    IV  1  :  125; 

3  :  1.30;  lld  :  22;   lle  :  13. 
Goltz,  B.    IV  4  :  134. 
Goraez,  Frau  v.    IV  3  :  40. 
Goncourt.    IV  lle  :  13. 
Gontard,  Susette.    IV  13  :  30. 
Goropius  Becanus.    II  8  :  34. 
Gosche,  R.    I  2  :  22. 

Gotha.    I  6  :  28,  30. 
Gothofredus,  D.    III  1  :  6. 

12* 


180 


Sacliromster. 


Gottor,  F.  W.     IV   1  :  126;  4  :  12|3; 

lle  :  3lc. 
Gottschall,  K.  v.    IV  2  :  105. 
Gottsched,   .1.    C.    I  3  :  4;  4  :  12.    11 

1  :  14.    IV  1:  22,  39,  49,  125;  2:3, 
4;  4  :  1,  2,  6,  6,  106. 

—  Luise  Adelgunde  Victorino.  11:13. 
IV  4  :  6-7. 

Grabbe,  Chr.  D.    IV  4  :  50|1,  53. 
Grabschrifteu.    I    5  :  32.    II  5  :  21.    IV 

2  :  176. 

Graf,  J.  H.    II  8  :  7. 

Gramann  (Grauniann)  s.  Poliander. 

Gran,  H.    11  8  :  42. 

Graser.    IV  1  :  49. 

GraubUndten.     I  5  :  119. 

Gravina,  G.  V.    13:6. 

Gravius,  M.    II  8  :  43. 

Grebel,  K.    II  7  :  14. 

Greff,  Joach.    II  4  :  48;  6  :  19;  8 :  58. 

Greflinger,  G.    III  2  :  2,  39;  5  :  31. 

Greif,  M.     IV  2  :  227. 

Greift'euberg,  Katharina  v.     II:  13. 

Greyff,  M.    I  4  :  33. 

Gribus,  B.    II  5  :  27,  29. 

Griechisch.    II  8  :  58. 

Griechentum.    IV  1  :  27,  96,  108. 

Griesbach,    J.  J.    IV  12  :  13. 

Grillenvertreiber.     II  3  :  25. 

Grillparzer,  F.    13:  18j9,  32 ;  7  :  74|5. 

IV  1  :  3,  61;  2  :  141J2,  161;  4  :  111 

—29,  183a,  203|4;  12  :  77. 

-  J.  IV  4  :  122. 
Grimm,  H.    IV  1  :  55;     lle  :  31a. 

—  J.    12:  4— 9a.  II  8  :  44.  IV  1  :  10; 
lle  :  11. 

—  Brüder.    IV  2  :  38;  4  :  57;  10  :  6; 
lle  :  20;  13  :  32. 

—  M.     IV  1  :  119. 

—  W.    12:  5-8.    IV  10  :  6. 
Grimme,  F.  W.    IV  13  :  43. 
Grimmelshausen,  H.  J.  Ch.  v.    17:  46. 

III  3:8.     IV  13  :  33. 
Grisebach,  E.    IV  14  :  1. 
Grob,  J.    III  5  :  23. 
Grobianus.    II  1  :  8. 
Gröber,  G.    11:5. 
Grossmann,  W.    IV  4  :  174. 
Groth,  K.    IV  2  :  229-30. 
Grotius,'  H.    III  1  :  6. 
Groot,  G.     I  1  :  11. 
GrUbel.    I  5  :  88. 
Grlln,  A.  s.  Auersperg,  Graf  v. 
Grönbeck,  V.    II  1  :  1. 
Grüner,  F.    IV  lle  :  9. 
Grüninger,  J.    I  4  :  18. 
Gnissformen.    I  5  :  64. 
Gruterus,  J.    III  1  :  6. 
Gruytor,  W.  de.    II  2  :  20. 
Gryphius,  A.    III  1  :  6,  12;  4  :  23. 
Guarini.    I  5  :  101.    II  2  :  35. 
Guckkastenmann.    IV  12  :  76. 
Gülcher.    IV  1  :  61. 
Günther,  J.  Ch.    III  2  :  61|2. 
GUntzburg.  II  2  :  25. 
GUnzburg,  Eborlin  v.  s.  Eberlin. 
Güstrow.    I  6  :  10/1. 
GUttel,  C.    I  6  :  66.    II  6  :  48. 
Guevara  I  5  :  lül. 
Gngler,  J.  Frhr.  v.    IV  4  :  9. 
Guimp,  R.  de.    IV  6  :  33. 
Guizot,  F.  P.  G.    IV  1  :  111. 
Guldenschaiff,  J.    I  4  :  21. 
Gundling,    N.   H.     I  4  :  3;    5  :  111/2; 

m  5  :  15. 
Guoth.    IV  2  :  16. 

Gustav  Adolf  t.   Schweden.    III  1  :  0. 
Gustodt,  Jenny  v.  s.  Pappenheim. 
Gutenberg,  J.  I  4  :  25,  29,  31. 
Guticke,  Charlotte.    IV  4  :  49. 
Gutzkow,     K.        IV     1  :  15,     68|9,  61; 

3  :  2;  4  :  68,  204;  14  :  1,  49. 
Gwalther,  B.     II  8  :  61. 
Gjron  le  courtoi».    IV  8  :  16, 


Haake.     IV  1  :  126. 

Habsburger.    II  1  :  1. 

Ilatkländer,  F.  W.    IV  14  :  53. 

llnring,  W.     IV  1  :  (iO;  13  :  G7. 

Hässlich.     1  3  :  «8. 

Hätzlerin,    Clara.     I  1  :  11.    II   1  :  12; 

3  :  16. 
Hafner,  Pli.     IV  4  :  201. 
Hagedorn,  Fr.  v.     IV  4  :  2. 
Hagen,    F.    H.    v.    d.      12:  4—5.    II 

3  :  1.5,  2". 
Hagius,  J.     II   1  :  13. 
Hahn-Huhn,  Ida  v.     IV  3  :  3. 
Halden,  J.  Chr.     14:8. 
llakenbcrgei-,  A.     14:8. 
Halem,  G.  A.  v.     15:   12. 
Halle.     IV  1  :  74. 

Haller,   A.    v.      II    8  :  7.     IV  1  :  126; 
2  :  17;  6  :  1,  20;  12  :  1. 

-  K.  L.  V.    IV  13  :  7. 
Hallmann,  J.  Ch.    III  4  :  7,  32. 
Halm.  F.  s.  MUnch  -  Bellingliauseu. 

-  K.     IV  1  :  51. 
Hamann,  J.  G.     IV  10  :  2. 
Hambacher  Fest.    IV  14  :  1. 
Hamburg.     I  5  :  90.      III   4  :  4,   21/2; 

5  :  7,    13,    31.      IV    4:6,    19,    168; 

12  :  46. 
Hamburger,  P.     II  3  :  3. 
Hamel.    II  8  :  37. 
Hamerling,  P.     IV  3  :  121/8. 
Hammann,  E.     14:  24. 
Hammer-Pnrgbtall,  F.  v.  IV  2  :  110,  147  ; 

4  :  134. 

Hansen,  Th.     III  5  :  7. 

Handel,    Deutscher   des    15/6.    Jh.      II 

1  :  1,  17. 

Handschriften  in:    Augsburg  II  8  :  42, 
56;     Bamberg    II  5  :  35;    Basel    II 
8  :  18a;  Berlin  II  2  :  6,  39;    6  :  10; 
IV  3  :  83 ;  Breslau  II  8  :  35j6;  Darm- 
stadt   III   5:13;    Dessau    I   4:11 
Ebstorf  II  5  :  2,  6 ;   Erfurt  II  8  :  23 
Eutin  IV  3  :  21;  Freiburg  II  8  :  30 
St.  Gallen  II  2  :  43 ;  5  :  32.  III  5  :  23 
Gotha     II    5  :  36,    38;      Hamburg 

II  6  :  12;   III   5  :  7,  31;    Hannover 

III  5  :  1 ;  Herisau  III  5  :  23;  Herren- 
hut III  5:2/4;  Hildeshoim  II  5  :  5; 
Hirschberg  II  8  :  35;  Karlsruhe  I 
4  :  10.     IV    1  :  47;    Königsberg    II 

2  :  26 ;  Kopenhagen  III  2  :  19 ;  5  :  23 ; 
Krakau  I  4  :  30;  London  II  5  :  46; 
8  :  43;  Lübeck  II  6  :  11;  Marburg 
II  5  :  19;  München  I  4  : 2.  II  2  :  25; 
3:5;  5  :  13,  22;  8  :  23,  30.  III 
4  :  38;  Stift  Neuburg  (bei  Heidelberg) 

IV  11c  :  25;  Nürnberg  II  1  :  12,  17; 

2  :  23;  3  :  10;  5:  12;  8  :  45;  Ober- 
glatt III  5  :  23;  Olmütz  I  4  :  61; 
Paris  II  8  :  46;  Prag  14:6.  IV 
1  :  48;  Rostock  II  5  :  11;  Schwein- 
furt II  3  :  24 ;  Seifersdorf  IV  1  le  :  29a ; 
Strassburg   II  3   :   24;    Stuttgart   II 

3  :   15.    III   4   :   20;     Tübingen    II 

I  :  12;    Upsala  II  8:22/3;    Utrecht 

II  5  :  36/7;  Weimar  IV  4  :  143; 
W^ernigerode  II  3  :  9 ;  W^ien  II  5  :  22. 

III  4:  16.  IV  4:  110,  126;  Wolfeu- 
bUttel  14:7.    II  5  :  36.    III  3  :  9. 

IV  6  :  27 ;  Zerbst  II  5  :  4 ;  Zörbig 
II  5  :  14/5;  Zürich  II  5  :  24  ;  8  :  18a. 
IV  1  :  41 ;  Zwickau  II  6  :  8. 

Handschriftenkatalogo.     I  4  :  5 — 9. 

Handwerk,  Deutsches.    II  1  :  1. 

Handwerks-Ansprachen.    I  5  :  113. 

Hannard.    II  8  :  3. 

Hans  V.  Erfurt.     I  4  :  33. 

Hansa.     III  4  :  1. 

Hanswurst.     II  4  :  3.    III  4  :  32/6. 

Happel,  E.  W.    III  6  :  31. 

Harbke.    IV  1  :  40. 

Hardenberg,  F.  v.  (Novalis)  IV  I  :  33; 

13  :  1.  14. 


Hardenberg,  K.  A.  v.     IV  r,  :  55. 
Härder,  F.     IV   14  :  42. 
Hariiack,  0.     IV  llf  :  '.i. 
Harnisch.  Ch.  W.  1  G  :  32. 

—  O.-S.     14:8. 

Harras,  der  kühne  Springer.   IV  2  :  72. 
Harssdörfer,     G.  Ph.      13:3;     4:3. 

III  1  :  8;  5  :  7,  29. 
Hart,  Brüder.    IV  1  :  2,  6. 
Hartfeldor,  K.     II  8  :  2. 
Hartknoch,  J.  F.     14:  .58. 
Hartlib,  .S.     14:  3. 

Hartlieb,  J.    I  4  :  40.     II  5  :  27. 
Hartmann  v.  Aue.    II  3  :  3. 

—  Andreas.    II  7  :  37. 

—  August.     III  4  :  38. 

—  E.  V.     13:  68.     IV  6  :  62. 

—  G.  D.    IV  2  :  16. 

—  M.     IV  1  :  61;  14  :  1. 
Harvard-College.    IV  IIb  :  107. 
Harz.     I  5  :  107.     IV  14  :  26. 
Has,  K.    II  1  :  12. 
Hasenhut,  A.    IV  4  :  94. 
Hassler,  H.  L.    14:8. 

Hauff,  W.     IV  1  :  2,  89;  3  :  67—74. 

Hauffen,  A.    II  5  :  30. 

Haug,  J.  Ch.  F.     IV  2  :  93.. 

Hauntingcr.    I  5  :  94. 

Haupt-  u.  Staatsaktionen.  III  4  :  20,  23. 

Hauptmann,  G.     IV  1  :  7. 

—  M.     II  1  :  13. 
Haussttann,  V.    14:8. 
HaussprUche.    I  5  :  31. 
Haut-  u.  Haarpflege.     15:8. 
Havelberg.    III  3  :  10. 

Haym,  R.    IV  1  :  1 ;    13  :  1,  5,  10,  20. 
Hebbel,    F.     I  3  :  49,   125.    IV  I  :  3 ; 

4  :  130/4,  203/4. 
Hebel,    J.    P.      15:  88.    IV  1  :  111; 

2  :  26,  53-60,  220;  llf  :  18. 
Hebenstreitus,  J.    III  1  :  6. 
Hebräisch.    II  8  :  18a. 
Hecyrus,  Ch.    II  1  :  13. 
Hedio,  K.     II  7  :  44. 
Hedwig,  Herzogin  v.  Pommern.  I  6 :  85. 
Hoerwagen,  H.    III  5  :  8. 
Hegel,  G.  W.  F.    13:  6,  22,  26;  5  :  88. 

IV  1  :  1,    15,   22,  27/9,    46,    55,    111 
113;  6  :  62;  llf  :  1;  14:  1. 

Hegelianer.    FV  1  :  10;  6  :  62. 
Hegendorffer,  Ch.    II  5  :  31. 
Hegner,  U.    IV  3  :  53(4;  6  :  40. 
Hehn,  V.    IV  1  :  52/5;  IIa  :  18;  14  :  8. 
Heidelberg.  II  3  :  15 ;  4  :  30.  Ul  1  :  6. 
Heiden,  S.     I  6  :  85. 
Heidrich,  C.    II  7  :  49. 
Heiligenverehrung.    II  1  :  1. 
Helling,  H.    IV  2  :  71. 

—  M.    II  7  :  44. 

Heimthal,  Max   s.  Schneckenburger,  M. 
Heine,  Amalie.    IV  14  :  1,  36. 

—  H.  I  5  :  89.  IV  1  :  2,  10/1,  20, 
22,  46,  00,  61,  111,  113,  130;  2  :  3, 
97,  107,  137,  198,  202;  8  :  49,  70; 
4  :  134;  0:74;   11c  :  19;  14:  1  —  14. 

—  Therose.    IV  14  :  1,  30. 
Heinitz,  Minister  v.    IV  1  :  40. 
Heinrich  v.  Mecklenburg.    II  3  :  17. 
Heinrich    Julius    v.    Braunschweig.     1 

6  :  85.    II  4  :  3;  8  :  48. 
Heinrich,  G.  A.    IV  1  :  9. 
Heinse,   W.     IV  3  :  5,    17/9;  4  :  lo9; 

6  :  51;  lle  :  28a;  14  :  1. 
Heinsius,  D.    III  1  :  0. 

—  N.    II  8  :  38.    III  I  :  6. 
Held,  H.  V.    IV  I  :  78. 
Heldengedicht  d.  17.  Jh.    III  3  :  10. 
Heldensage.    II  3  :  1-2;  4:30;  5:36. 
Heldt,  G.    16:  66. 

Helena.    IV  lle  :  56. 
Heliandforschung.    12:4. 
Hell,  Th.    IV  1  :  61. 
Holle,  Fr.  W.    IV  1  :  3. 
Hellen,  E.  v.  d.    IV  lle  :  5. 


Sachreffister. 


181 


Heller,  S.    IV  3  :  129. 
Hollwag,  Ch.  F.     IV  1  :  51. 
Hellwig,  Ch.    II  5  :  35. 
Helmasperger.     I  4  :  29. 
Helmbold,  L.    14:8. 
Helmstedt.    I  5  :  118. 
Hempel,  Maler.    IV  2  :  6. 
Hemsen.    IV  3  :  111. 
Hendel,  J.  Ch.     III  5  :  16. 
Henke,  H.     IV  6  :  27. 
Hennenberg,  F.  v.    II  5  :  11. 
Henneqnin,  E.     II:  3. 
Henning,  J.     16:  66. 

-  M.     16:  66. 

Ilense,  K.  0.  F.     IV  lle  :  5. 
Hensler,  F.  (Ileuseler)  IV  4  :  94/6. 
Ilenrichmann,  J.     11  5  :  34. 
Hensel,  Luise.     IV  1  :  8. 

—  Sophie.     IV  4  :  166. 
Heraklit.    IV  lle  :  37. 
Herford,  Ch.  H.    II  3  :  15. 

Herbart,  J.  F.  16:  24/6.  IV  1  :  27  ; 
6  :  52. 

Herder,  J.  G.  v.  IV  10.  —  I  1  :  5: 
4  :  12,  38 ;  5  :  12.  IV  1  :  22,  39,  47, 
6.3,  96, 11.3,  128;  2  :  16,  30,  48;  4 :  169, 
187;  6  :  20,  49;  IIa  :  17;  lle  :  30; 
lld  :  25;  lle  :  5;  13  :  7;  Fragmente 
IV  6  :  16;  Ideen  IV  1  :  27;  Lyrik 
IV  11c  :  12/3;  Predigten  IV  1  :  50; 
Prosaschriften  I  7  :  50;  Shakespeare 
IV  I  :  128;  Terpsichore  IV  12  :  46. 

Herisau.     III  5  :  23. 

Hermann  v.  Sachsenheim  s.  Sachsen- 
heim. 

—  Ch.     II  1  :  13. 

—  D.     I  4  :  38. 

-  G.     IV  13  :  20. 

-  N.     II  1  :  13. 
Hermes.     I  5  :  12. 

Hero    und    Leander.      III  2  :  19.     IV 

12  :  77/8. 
Herrenhut.     III  5  :  2— G. 
Herrig,  H.    II  1  :  10.    IV  4  :  150. 
Herrmann,  G.  M.  G.  v.    15:  121. 
Herwegh,  G.    VI  1  :  12;  14  :  1. 
Herz,  Henriette.    IV  14  :  1,  46;    1:80. 

-  M.     IV  1  :  78,  80,  83. 
Ilerzfeld,  C.     IV  4  :  170. 

—  Schauspieler.     IV  12  :  46. 
Herzlieb,  Minna.    IV  1  :  40;   IIb  :  87. 
Hesenloher,  A.    II  3  :  4;  2  :  25. 

-  H.     II  3  :  4,  16. 
Hess,  D.     IV  3  :  53. 
Hessen -Darmstadt.     III  5  :  13. 
Hettner,  H.     11:3.    IV  3  :  102. 
Heufeld,  F.     IV  4  :  19. 

Heune,  J.  s.  Gigas. 

Hexenwesen.    I  5  :  86.     II  1  :  1. 

Hey,  J.  W.    IV  1  :  33. 

Heyn.     I  6  :  77. 

Heyne,  Ch.  G.    I  6  :  16. 

Heyse,  P.    15:  45a.     IV  3  :  2,  4,  85, 

135;  4  :  183. 
Hiatus.     I  3  :  39—40.    IV  2  :  185. 
Hiecke,  R.    17:4. 
Hierarchie.     II  1  :  1. 
Hildobrand,  R.     I  7  :  13a. 
Hildebrandslied,  das  jUngere.    III  2  :  2. 
Hintzel,  A.     IV  1  :  56. 
Hippel,  Th.  G.  v.    13:  143.  IV  0  :  13. 
HirsehfUugerorden.    III  5  :  20. 
Hirth,  6.     I  1  :  14. 
Ilirtz,  M.    II  1  :  12. 
Hirtzwigius,  H.     II  7  :  37.    III  1  :  6. 
Hirzel,  C.    IV  1  :  37. 

—  S.     12:8. 
Historiographie.    II  8  :  11/2. 
Historische  Dichtung  s.  Geschichtliche 

Dichtung. 
Historisches  Lustspiel.    IV  14  :  1. 
Hoehzeitsgedichte.    I  4  :  81.  III  2  :  1, 

35. 
Hocker.    I  5  :  90. 


Höfer,  E.    IV  1  :  61;  3  :  111. 
Hölderlin,  Fr.    IV  2  :  16;    13  :  1,  14, 

30/1 ;  12  :  44. 
Hölty,  L.  H.  Ch.    IV  1  :  51 ;  2  :  17/8; 

12  :  77. 

Hoernen,  A.  ther.    I  4  :  21. 

—  P.  ther.    I  4  :  21. 

HofPmann,  E.  T.  A.    IV  1  :  113;  3 :  49; 

13  :  3. 

—  Hans.     IV  1  :  6. 

—  V.  Fallersleben,  H.     III  5  :  25.    IV 
1  :  12,  61;  2  :  208-15;  4  :  43. 

Hofmann,  K.     III  5  :  10. 

—  V.  Hofmanswaldau,  Chr.  III  1  :  12. 
Hofnarren.     I  5  :  109—12. 

Hogel,  Z.     II  3  :  30. 
Holie  Lied.    11  5:7. 
Hohenborg.     IV  12  :  77. 
Hohenhausen,  Elise  v.     15:  45a. 
Hohenheim,  Franziska  v.     IV  12  :  1. 
Holbein,  H.     II  1  :  19.    IV  3  :  53. 
Holberg,  L.    IV  4  :  4,  170. 
HoH,  V.     II  1   :  12. 
Hol'.e.    IV  12  :  40. 
HoUonbach.     IV  6  :  22. 
Hollonius,  L.     III  4  :  32. 
Holstein,     H.     II  4  :  1,  22;  8  :  23. 
Holtei,   K.   V.     IV  1  :  61;     3  :  94.     IV 

4  :  104,  124/5,  154. 
Holz,  A.     IV  1  :  5-6. 
Holzschnitte.    II  5  :  27,  29. 
Holzwart,  M.     II  8  :  51. 
Holzstöoke.    II  3:1—2. 
Homburg,  Prinz  v.  s.  Friedrich. 
Homer.     13:6,    103.     IV  1  :  51,  108, 

126;  lld  :  3;  lle  :  56. 
Honorare.    IV  IIb  :  53;  12  :  182. 
Hopfen,  H.    I  5  :  119. 
Hopf  er.    II  1  :  1. 
Horanyi.     II  8  :  37. 
Horaz.     IV  7  :  9. 

Hören  (Zeitschrift).     IV  12  :  46,  83. 
Hosmann,  Ch.     II  1  :  1;^. 
Hotomannus,  J.    III  1  :  6. 
Huber,  J.    IV  1  :  41. 

—  M.     IV  2  :  16. 

—  Therese.    IV  2  :  38. 
Huberinus,  C.    II  7  :  37. 
Hudemann,  M.     IV  2  :  1—2. 
HUisemann,  J.     III  5  :  7. 
Hülsen,  B.  v.     IV  1  :  61. 

—  W.  V.     IV  1  :  100. 
HUlshoff  s.  Droste,  Annette  v. 
Huff,  J.     II  8  :  56. 

Hugo,  V.    IV  1  :  113,  115. 
Hummeln.     II  3  :  25. 
Humanismus.       I    1  :  11;     6   :  61.     II 
1  :  1,  11;  8.  IV  1  :52,  108;   IIa:  24. 

—  Heidelberg  II  8  :  2. 

—  München  II  8  :  3. 
Humanität.    IV  10  :  3—4. 
Humboldt,  A.  v.  IV  1  :  71,  111;  3:76; 

14  :  1. 

—  W.    V.      IV  1  :  10,    27;    3  :  76; 
6  :  55/8;  llf  :  5;  12  :  66/7,  83. 

Hume,  D.    IV  1  :  125 

Humor.  I  3  :  143/4.  IV  1 :  58;  IIb  :  73. 

Hundeiker.     I  6  :  18/9.     IV  6  :  27. 

Hundeliobhaherei.    I  5  :  58. 

Hunziker.    IV  6  :  14. 

Hupfuff,  M.    I  4  :  18. 

Huss,  J.     II  1  :  1 ;  8  :  32. 

Husschin  s.  Oecolampadius. 

Huswedel,  J.    III  5  :  81. 

Hütten,  Ph.  V.    11  3  :  28. 

—  U.  V.    I  5:88.   II  1:  1;  0  :  1,  14, 
37;  7  :  37;  8  :  24/9,  32. 

Hygin.     IV  lle  :  17. 

Ibsen,  H.    IV  4  :  131/2;  lle  :  40. 
Icilius,  Quintus.    IV  I  :  78. 
Idealisieren.      I  -3  :  101, 
Idealismus.  13  :4,101,  118,  120.  IV  1:58. 
Idee  einer  Dichtung.     11:2. 


Iffland,  A.  W.    15:  12,  94.  IV  1  :  47, 

111;  4  :  170,  182;  12  :  1,  7. 
Ikonographie.    I  1  :  14/5. 
Imhof,  Amalie  v.    IV  13  :  20. 
Immermann,  K.  I  7  :  45.   IV  1  :  10,  58; 

4  :  44/9,  54,  190;    14  :  1. 

Index  librorum  prohibitorum.  II  1  :  13/4. 
Induktive  Poetik.    I  3  :  35—50,  08. 
Inkunabeln.    I  4  :  49—52. 
Inschriften.    1  5  :  32. 
Inzingkofen.     II  2  :  39. 
Iselin,  J.    IV  1  :  27,  68;  4  :  168. 
Isuy.     II  1   :  12. 

Italien.    II  4  :  4;  8  :  20.     IV  IIa  :  28 
—30,  44;  IIb  ;  15/7,  60,  91. 

Jacob,  C.    II  8  :  56. 
Jacobi,   F.    H.    I    4  :  12;    5  :  80.      IV 
1  :  46,  64,  67 ;  3  :  31 ;  6  :  23. 

—  J.  G.    IV  6  :  17. 
Jacobs,  F.    IV  IIb  :  30. 
Jäger,  Ch.    III  2  :  48. 

—  J.  s.  Crotus  Rubeanus. 
Jagd.  I  5  :  59.  III  5  :  20. 
Jahn,  L.     IV  6  :  67/9. 

—  0.     11:2. 

Jahresberichte  über  deutsche  Litteratiir 

geschichte.    I  1  :  16/8. 
Jahrmarktslied.     III  2  :  63. 
Jakoby,  J.    IV  14  :  1. 
Jamespn,  Anna.    IV  13  :  12. 
Janetzky.     III  4  :  21. 
Janssen,  J.     II    1  :  1—2,  8-10;  0:48. 
Jarcke,  K.  E.    IV  13  :  67. 
Jean  Paul  s.  Richter,  J.  P.  F. 
Jena.    IV  IIb  :  20,  54;  12  :  12—29,  92. 
Jenson,  N.  I  4  :  29. 
Jenisch,  D.    IV  1  :  78. 
Jerschel,  B.    II  1  :  13. 
Jesuiten.    I  6  :  12,    73.    II   1  :  6.    III 

1  :  6;  5  :  14. 

Theater.   III  4:13,38.    IV  4:199. 

Jerusalem,  K.  W.    IV  lld  :  18. 
Joachimsthal.    II  1  :  13;  7  :  49. 
Jöcher,  C.  G.    II  8  :  34,  37/8. 
Johnson,  S.     IV  1  :  125. 
Johann,  Landgraf  von  Hessen-Braubach. 

III  5  :  13/4. 

—  Kurfürst  von  Sachsen.     II    6  :  33. 

—  von  Sachsen-Weimar.     I  6  :  54. 

—  Johann  Friedrich  IV.  von  Sachsen- 
Weimar.    I  6  :  54. 

Jokai,  M.    15:  46. 
Jonas,  E.    IV  IIa  :  8. 

—  F.     IV  12  :  40. 

—  J.     II  2  :  2. 

Jordan,  W.    IV  3  :  2;  4  :  134. 
Joseph  II.    16:  73,  91.    IV   1  :  64/5. 
Josephdrama.    II  4  :  .35. 
Journal    von   n.   für  Deutschland.     IV 

1  :  88. 

Journalistik.    IV  1  :  85/9;  12  :  1. 

Judä,  L.     II  7  :  36. 

Juden.      IV    1   :  11,   80/4;    6  :  3—4, 

11,  13/4;  IIa  :  22/3;  14  :  1,  45. 
JUngstdeutsche.    IV  IIb  :  109. 
Jung,  A.    IV  14  :  1. 

Stilling,  J.  H.     IV  2  :  48. 

Junges  Deutschland.   IV  1  :  10,    12,  22, 

29,  110;  IV  14. 
Jungius,  N.    III  5  :  7. 
Junghegelianer.    IV  1  :  111. 
Junius,  H.     I  6  :  10/1. 
Juristisches.    II  1  :  12;  5  :  1. 
Jus   potandi.    III   6  :  19;    talionis    III 

5  :  28. 

*)  Kachelofen,  K.  I  4  :  95. 

Kadner,  G.  II  1  :  13. 

Kärnthen.    I  6  :  33,  79. 

Kästner,  A.  G.     15:  12.     IV    1  :  96 

2  :  48;  6  :  21. 
Kaisersage.    II  1  :  1. 

*)  S.  auch  C. 


182 


Sachregister. 


Kaisersberg,  J.  Geiler  v.  s.  Geiler. 
Kalb,  Charlotte  t.    IV  12  :  31/3. 

-  Familie  t.    IV  12  :  32. 
Kaienberg,  Pfaflf  v.      I  1  :  11;  5  :  109. 

11  3  :  15;  5  :  26. 
Kalendorlitterotur.    II  1  :  13;  5  :  35. 

IV  12  :  73. 
Kalidasa.    IV  3  :  134. 
KaramerbUhl.    IV  IIa  :  85. 
Kampsohulte,  F.  W.    II  6  :  1. 
Kanne,  .1.  A.    IV  3  :  31. 
Kant.  J.     I  3  :  11/4,  16,  126;  4  :  38; 

5    :    119.        IV    1    :   22,      25,     27/9, 

46,     111,     120;      6   :   9,     21/3,      52; 

8  :  10;   10  :  3;    llf  :  1,  4;    12  :  56; 

13  :  7;  14  :  49. 
Kanzelberedtsatnkeit    I    5:8.      III 

5  :  15,  21. 
Karl  V.    II  1  :  1-2,  12. 

-  Herzog  v.  Württemberg.   IV  12  :  1. 
Karl  August  v.  Sachsen-Weimar.   IV  1 : 

63;  8  :  8,  10;  IIb  :  20,  22,  25,  92/3a; 

12  :  149. 

Karl  Ludwig,   Kurfürst    vou  der  Pfalz 

III  1  :  4;  3  :  9. 

Karl    Wilhelm   Ferdinand   von   Bnuin- 

schweig.    IV  6  :  27. 
Karlsschule  s.  Schulen    (.''olitude). 
Karlstadt,  A.    II  1  :  1. 
Karoline,  Prinzessin  v.  Sachsen-Weimar. 

IV  8  :  1. 

Karpeles,  6.     IV  IIa  :  2,  48;    14  :  17. 
Karsch,  A.  L.      II:  13.      IV    1  :  78; 

2  :  12/5. 
Kartenspiel.    II  5  :  42. 
Kaspar  v.  d.  Eon.    I  1  :  11. 
Katechismen.    II  6  :  30/2;  7  :  35/6. 
Katharsis.    I  3  :  28. 
Katholizismus.    I  5  :  45.  IV  1 :  3,  8 ;  3  :  3. 
Kauffmann,  Angelika.     IV  IIa  :  32. 
Kaufmann,  Erzählung  r.  armen. 

II  1  :  12. 
Kaufringer,  H.    11  1  :  15. 
Kawerau,  W.    IV  1  :  74. 
Kefer,  F.  X.    16:  23. 
Keiser,  K.    III  4  :  22. 
Keller,  A.  v.    II  4  :  26.    IV  13  :  33. 

-  G.       I    5  :  46.     IV    1  :  3-4,    61 ; 
2  :  161;  3  :  4,  49,  99-102. 

-  J.     III  1  :  6. 
Kempis,  Th.  a.    I  4  :  21. 
Kepler,  J.    III  1  :  6. 
KerchofF.    II  5  :  11. 
Kern,  F.    IV  lle  :  29. 

Kemcr.  J.    IV  2  :  76/9,  84;  3  :  111. 
Kertbeny,  K.  M.    IV  14  :  26. 
Kestner,  Charlotte.    IV  IIb  :  108. 
Kielmann,  H.    II  4  :  23/4;  7  :  »7. 
Kietz,  E.  B.    IV  14  :  24. 
Kindbetthof,  Lied  v.    II  1  :  12. 
Kinderlitteratur.    IV  1  :  62,  111. 
Kindesmörderin.  III  5  :  28. 
Kinderpredigt.    II  5  :  13. 
Kinkel,  G.    IV  1  :  61 
Kirchbach,  W.    IV  1  :  5;  14  :  1,  8, 
Kirchengfschichte.  II  1:2;  7.  III  1:6. 
Kirchenlied.      II   2  :  46;     7  :  37,   67. 

IV  1  :  3. 
Kirchenliederdichter.    II  1  :  13;  -dich- 

terinnen.    I  1  :  13. 
Kirchhain.    II  5  :  44. 
Kirchhoff,  H.  W.    II  8  :  25. 
Kirchhoffer,  G.    II  8  :  20/1. 
Kirchner,  C.    III  1  :  0. 
Kinug,  F.    IV  IIb  :  20,  26. 
Klaffer,  Spruch  gegen  die.    II  1  :  12. 
Klamer  Schmidt  8.  Schmidt,  Klamer. 
.Klar"  und  «fein"  andeutech.    I  2  :  5. 
Klassizismus  13:6.    IV  1  :  4,  36/7; 

2  :  105. 
Kleidung.    15:8. 
Klein,  Baurevisor.    IV  Hb  :  23. 
Kloist,  Chr.  R.  v.    I  7  :  41.    IV  2  :  7, 

H  -11,  27;  4  :  20;  0  :  6. 


Kleist,  n.  V.  I  3  :  125;  7  :  8,  64,  77.  IV  1  : 
61;  3  :  40/2,  49;  4  :  22-42,  94, 
183a,  206;  IIb  :  109;  12  :  79; 
14  :  1,  8. 

Kleksographie  IV  2  :  77. 

Klomm,  H.  II  3  :  25. 

Klenke,  C.  L.  v.    IV  1  :  78. 

Klingemann,  A.  v.    IV  4  :  59-60. 

Klinger,  F.  M.  v.  I  4  :  38.  IV  3  :  9; 
4  :  14;  lle  :  42;  12  :  30. 

Klopstock,  F.  G.  IV  7.  —  I  5  :  12; 
7  :  42.  IV  1  :  39;  2  :  6,  30,  48; 
6  :  16;  8:  5-6,  8;  lld:  22;  12  :  1. 
Dichtungen.  I  7  :  62;  Messias  IV 
1  :  126;  3  :  9.    Oden  IV  2  :  17,  227 

-  Meta.    IV  7  :  1. 
Knaake,  C.     II  6  :  1,  9,  18,  37. 
Knapp,  A.     IV  1  :  2. 
Knauer,  M.     II  5  :  35. 

Knebel,  K.  L.  v.     I  5  :  12.     IV  1  :  46 

47;  8  r  6-7;  IIb  :  110;  lle  :  29. 
Knesebeck,  K.  F.  v.  d.    IV  1  :  40. 
Knigge,  A.  Frhr.  v.     I  4  :  38;  5  :  12. 
Knoblauch.  J.     I  4  :  18. 
Knoblochtzer,  H.    I  4  :  18. 
Koberger,  A.    II  8  :  56. 
Koberstein,  A.    IV  3  :  19. 
Koberwein,  Fr.    IV  4  :  174. 
Kobold-Gandersheimer.    11  8  :  3. 
Koch,  M.     IV  8  :  15. 
Kochend« rffer,  K.    I  4  :  12. 
Köhler,  Reiuh.     III  5  :  3". 
Koelhoff,  J.    I  4  :  21,  49. 
Köln.     I  4  :  21;  5  :  60. 
König,  H.     IV  6  :  73. 

—  J.-U.    IV  4  :  6. 

Königsberg.     I  4  :  23;  5  :  119.    II  7  : 

34.    III  4  :  9-12. 
Körner,  Ch.  G.     I  6  :  12.     IV  1  :  40; 

12  :  5,  27,  34/8,  46,  64. 

—  Th.  17:  49.  IV  2  :  61-72; 
4  :  39-41. 

Köster,  A.    IV  lle  :  81a. 

Köstlin,  K.    I  3  :  69. 

Koffka.    IV  12  :  8. 

Kolb,  G.    IV  6  :  74. 

Kolbe,  Maler.     IV  IIa  :  31. 

Kollar.     II  8  :  55. 

Kolross,  J.    II  4  :  11. 

Komisches  Gedicht.    I  3  :  39—40. 

Komische,  Das.    I  3  :  59. 

Komödianten,  Badische.  IV,  4  :  174; 
Englische  I  1:11.  114  :  2-8.  III  4: 
4,  7,  19,  20;  Hessen-Casselsehe  IV 
4  :  174;  Polnisch -Sächsische  IV 
4  :  174. 

KomplimentierbUcher.    II  6  :  43. 

Konstanz.     I  4  :  42;  6  :  10/1. 

Konradindichtungen.    IV  12  :  1. 

Konversationspoesie.  13:3. 

Kopenhagen.     III  4  :  23;  5  :  Sl. 

Koppe.    IV  lle  :  28a. 

Korntheuer,  J.    IV  4  :  94. 

Kotzebue,  A.  v.  I  5  :  12.  IV  1  :  111, 
125;  4  :  9,  62/7,  103,  170. 

Kosmographie.    II  1  :  17. 

Kostüm.    IV  4  :  183a;  12  :  101. 

Kozmian.    IV  lle  :  1. 

Kraft.    IV  lle  :  29. 

-  W.   II  6  :  23/4. 
Kraftgenies.    IV  8  :  6. 
Krahne.    I  6  :  94. 
Krain.    IV  6  :  66. 
Kralik,  B.    III  4  :  29. 
Krause,  C.  Chr.  F.     IV  1  :  27. 
Kretschmar,  W.    IV  4  :  31. 
Kretzer,  M.     IV  1  :  5—6. 
Kritik.    I  1  :  1,  3. 

Krieg,  SOjahr.    III  1  :  2,  4. 
Kriegslyrik  von  1870.    IV  1  :  9. 
Krones,  Therese.     IV  4  :  94,  165,  200. 
KrUdener,  Juliane  v.     IV  1  :  32. 
KrUnitz*  Encyklopaedie.    IV  12  :  77. 
Kügülgen,  G.  v.    IV  IIa  :  36. 


Kühne,  A.    IV  4  :  134. 

-  G.    IV  13  :  62/3;  14  :  1,  50,  52. 
Kühnemann,  E.    IV  6  :  52 ;    12  :  57/8. 
Künstlerromane.    IV  3  :  5. 

Künzli.     IV  2  :  3. 

Kürschner,  J.     IV  6  :  51. 

Kulmacher,  Ph.    II  1  :  13. 

Kulturgeschichte.    11:1,  3—6;  5. 

Kulturkampf,  niederl.     III  1  :  6. 

Kulturkreise.    15:2. 

Kummerfeld    s.    Schulze  -  Kumraerfold. 

Kune,  J.    I  6  :  66. 

Kunst,  Wesen  der.     I  3  :  15. 

-  bildende.  I  1  :  5;  5  :  48  II  1  : 
1,  17,  19;  IV  IIa:  27-34;  llf:  16/8; 
12  :  59. 

Kunst,  W.    IV  4  :  174. 
Kunstgärten.     II  8  :  6. 
Kunstgriffe.    I  3  :  42. 
Kunstlyrik.     I  3  :  36/7. 
Kunstschöne,  das.    13:  14,  25,  90. 
Kuriosa.     III  5  :  20. 
Kurz,  H.   IV  2  :  84;  12  :  177. 

-  Isolde.    IV  1  :  4. 

-  J.  V.    IV  4  :  174. 
Kurzsche  Truppe.    III  4  :  26. 

Kyau,  F.  W.  Frhr.  v.      I  5  :  110.      III 

5  :  22. 
Kyd,  T.     III  4  :  6,  19. 

Laach.    II  3  :  12. 

Laas,  E.    I  7  :  4—5. 

La  Calprenede.    III  3  :  9. 

Lachmann,  K.    I  1  :  2;  2  :  5. 

Lämel,  L.  v.    IV  Hb  :  20. 

-  S.  V.    IV  IIb  :  20. 
Lahn.     IV  IIb  :  4a. 
Laienbuch.    II  3  :  25. 
Lamotte.    11:5. 
Lampadius,  A.    II  8  :  17. 
Lamola,  J.    II  8  :  56. 
Landadel.    I  5  :  101. 
Landesmann,  H.  (H.  Lorm).  IV  1  :  00. 
Landen,  J.    14:  21. 
Landsberger,  M.    II  8  :  56. 
Landsknechte.     II  1  :  1. 
Langbehn.  I  5  :  54. 

Langbein,  A.  F.  E.    15:  58. 
Lange,  E.  G.  II  3  :  32. 
Langer,  E.  Th.    IV  1  :  40. 

-  J.    II  5  :  17. 
Langheim.    II  5  :  35. 
Lassenius.    I  6  :  82. 
Lasso,  0.  di.    14:  8. 
Laroche,  C.    IV  4  :  94. 

-  Sophie  V.  IV  2  :  38;  11c  :  3. 
L'Arronge,  A.     IV  lle  :  59. 
Larroumet.     IV  lle  :  13. 
Lasius,  H.  F.    IV  2  :  46/7. 
Lassalle,  F.    IV  6  :  62. 
Lateindiehter.    III  3  :  10;  5  :  23. 
Laube,  H.     IV  1  :  59,   61;     3:2,  19; 

4  :  68,  126,  183,  204;  6  :  74;  14  :  1.' 

Lauenburg.    I  5  :  82. 

Lauremberg,  H   W.    III  5  :  12. 

Laurimanus,  C.    II  7  :  37. 

Laut.    I  3  :  25. 

Lautenschlägor,  K.    IV  lle  :  6. 

Lavater,  J.  C.  I  4  :  12;  5  :  88.  IV 
1  :  44,  46,  51,  81/3,  119,  121 ;  2  :  16, 
48;  3:53;  6:45;  Hb:  20;  He  :  14a. 

Leander,  R.  s.  Volkmann. 

Lebensalter.    II  5  :  18. 

Löffel,  C.    II  8  :  28. 

Lefranc  de  Pompignan.    IV  4  :  4. 

Legende.    II  3  :  12/3. 

Lohmann,  Aug.    IV  lle  :  20. 

-  Cb.    III  5  :  25/6. 

Leibniz,  G.  W.  v.    III  1  :  2;  5  :  1.  IV. 

1  :  22;  llf  :  1. 
Loipa.  11  1  :  13. 
Leipzig.    I  4  :  90/4;     Hb  :  1,     12.i,  1 : 

12  :  1. 
Leisewitz.  .1.  A.    IV  4  :  10/1  ;  Hb  :  34. 


Sachregister. 


Leitner,  K.  G.  R.  v.    IV  2  :  156-62. 
Lengefeld,  Karoline  v.    IV  12  :  36,  42. 
Lessing,    G.  E.     [IV  9.]    —    I  3  :  49, 
126;  4  :  12,  60;  5:  53.  III  5:25.  IV 

1  :  22,  39,  46,  61,  78,  104,  128;  2:3; 
4  :  2,  14,  18,  20,  174,  205;  6  :  5,  9, 
16,  20;  8  :  2;  llo  :  13;  12  :  1. 

—  Drama:  Emilia  Galotti  17:6, 
34.  IV  4  :  206.  Faust  IV  3  :  9. 
Minna  17:6,  33,  70,  77.  Nathan 
17:6,  35.     Philotas  17:6,  41. 

—  Abhandlung  über  d.  Fabel.  I  7  :  62- 
Anti-Goeze  I  7  :  39.  Briefe  anti- 
quarischen Inhalts  I  7  :  37.  Drama- 
turgie I  7  :  38/9,  55.  IV  4:  12,  205. 
Erziehung  des  Menschengeschlechts 
IV  1  :  27.  Fabeln.  I  7  :  39—40. 
Laokoon  I  3  :  76,  111;  7  :  36,  39 
00.  Litteraturbriefe  I  7  :  38,  61. 
Ueber  d.  Epigramm  I  7  :  37.  Wie 
d.  Alten  d.  Tod  gebildet    I  7  :  37,  62. 

—  K.  Fr.     IV  13  :  19. 

—  K.  G.    IV  1  :  51. 

Lenau,  N.  s.  Niempsch  v.  Strehlenau. 
Lenore-Dichtung.    IV  1:40;     2:30/2. 
Lenz,  Chr.  L.    IV  6  :  27. 

—  J.  G.    IV  IIb  :  20. 

—  J.  M.  R.  I  4  :  12.  IV  1  :  46,  128; 
4:14;    IIb:  9;   lle:9-10;   lle  :  29. 

Lensing,  Elise.    IV  4  :  134. 
Leonardo  da  Vinci.    IV  llf  :  10. 
Loopardi,  G.    IV  lle  :  28a. 
Leopold  II.  V.  Oesterreich.    I  0  :  73. 

—  Fürst  von  Anhalt-Dessau.  IV 
0  :  65. 

Lercheimer,  A.    II  5  :  47. 

Lermolieff,  J.    11:3. 

Lettres  d'un  officier  prussien.  IV  1  :  97. 

Leu,  Peter.    II  3  :  15. 

Lewis.    IV  3  :  49. 

Lexikographen.  I  2  :  11/4. 

Liber  vagatorura.    II  1  :  1 ;  3  :  25. 

Liberalismus,  süddeutscher.    IV  6  :  74. 

Lichtenberg,  G.  Ch.  IV  3  :  13;  6  :  44. 

Lichtenberger.    IV  lle  :  18. 

Lichtenstein,  F.    IV  lle  :  3. 

Liebesdichtung.     II  1  :  12.    III  2:6,  9. 

IV  14  :  1. 
Liebeskind,  E.    IV  4  :  96. 
Liebesthätigkeit,  kirchliche.    II  1  :  1. 
Liebig.     IV  1  :  41/2. 
Liederbücher.    14:8.    II  1  :  12.    III 

2  :  2-3.  Augsburger  II  2  :  25.  (1454) 
II  5  :  18.  Frankfurter  (1600)  II 
2  :  40. 

Liedertafel.    IV  2  :  249—50. 
Ligator.     I  4  :  30. 
Lili  s.  Elisabeth  Schönemann. 
Lilieneron,  D.  v.     IV  2  :  234. 
Lille,  G.    IV  1  :  125;  lle  :  31a. 
Lindau,  P.     IV  3  :  2. 
Lindemann,  J.     IV  1  :  8. 
Lindener,  M.     II  3  :  19. 
Lindenpoesie.    I  3  :  91 ;  5  :  55/7. 
Lindnor.     IV  lle  :  14. 
Lingelsheim,  F.    III  1  :  6. 

—  G.  M.    III  1  :  6. 
Lingg,  H.    IV  2  :  100,  231/2. 
Linke,  J.    II  6  :  18. 
Lippstadt.    I  5  :  85. 
Lipsius,  J.     III  1:6.- 
Liscow,  Chr.  L.    IV  4  :  2. 
List,  F.    IV  6  :  74. 

Liszt,  F.    IV  IIa  :  56;  14  :  53. 
Litteraturarchive.    IV   1  :  44;  IIa  :  59. 


Litteraturgeschichte   I  1.  IV  1 
2  :  227. 

—  als  Strom.    I  1  :  11. 

—  in  Tabellen.     I  1  :  12. 

—  und  Kunstgeschichte.    II  1  : 

—  und  Musikgeschichte.    II  1  : 
Littrow,  Auguste  v.    IV  4  :  203. 
Litzmann,  B.     IV  14  :  42. 
Livius,  T.    IV  4  :  30. 


1-3; 


19. 

48. 


Lobbetius,  J.     III  1  :  6. 

Locher,  J.    II  8  :  18. 

Locke,  J.    16:7,  12,  15. 

Loeper,  G.  v.  IV  IIb:  11;  lle  :31a,  55. 

Lohenstein,  C.  v.    III  1  :  12. 

Lokale    Gesichtspunkte.    I  5  :  74—83. 

11  8  :  2-4.    IV  1  :  64-84. 
Lombardus,  P.  s.  Petrus  Lombardus. 
Lombroso.  0.  I  3  :  84. 

Lomönie,  L.  L.  de.    IV  lle  :  13. 

Loner,  J.    I  6  :  74. 

Loosbüeher.    II  5  :  42/3. 

Lope  8.  Vega. 

Lorenz,  0.    II  1  :  8;  8  :  55. 

Lorenzo  und  Elisabetha.    II  2  :  35.  III 

2  :  12. 
Lorm,  H.  s.  H.  Landesraann. 
Lortzing,  A.     IV  3  :  49;  4  :  174. 
Lotze,  H.     I  3  :  20. 
Luckau.     II  5  :  44. 
Lucianua.     II  5  :  30.  IV  4  :  103. 
Lucrez.     IV  6  :  20. 
Ludecus,  Karoline  v.     IV  3  :  40. 
Luden,  H.     IV  1  :  63;  IIb  :  111. 
Luder,  P.     II  8  :  2. 
Ludwig,  Fürst   zu  Anhalt-KOthen.     III 

5  :  7. 

—  König  V.  Bayern.  IV  2  :  147/8. 

—  0.     I  3  :  49.     IV  1  :  3,  61 ;  3  :  40; 
4  :  76,  204. 

Ludwigsburg.    IV  12  :  1. 

Lüder,  W.  IV  14  :  35. 

LUgendichtung.     II  5  :  12. 

Lüneburg.    15:  119. 

Lütkemann,  P.  I  4  :  8. 

LUtzow,  Elisa  v.    IV  4  :  24. 

Lützower.    IV  2  :  66. 

Luft,  H.    II  7  :  34. 

Luise,  Königin  v.  Preussen.  IV  2  :  56. 

—  Herzogin  v.  Sachsen- Weimar.    IV 

12  :  36. 

Lundius,  Z.     III  1  :  6. 

Luther.  M.     II  6.  —     15:  53,    101 ; 

7  :  68.    II   1  :  1,   11.  II  7  :  37,  51/2, 

70/1.    IV   IIa  :  12;     llf  :  8.    An   d. 

Ratsherren.    I  7  :  67.    Katechismus. 

16:8.     Bibel.     I  4  :  93.     II  1  :  1. 

IV  lle  :  57.    Lieder.    II  2:2;  4  :  48; 

7  :  37.     Prosaschriften,   kleinere.     I 

7  :  59.     Serraou  v.  ehelichen  Stand. 

16:8.  Streitschriften.  II  7  :  37,  70. 
Lutherbilder.    II  1  :  1. 
Lutherdichtungen.  II  1  :  13;  4  :  21/3; 

7  :  37.    IV  4  :  150. 
Luzern.     IV  1  :  89. 
Lyrik.  I  3 :  25.  36,  38—40.  II  2;  8 :  30-40. 
m  2;  5  :  23-102.    IV  2. 

Macchiavelli,  N.    15:  101. 

Mache,  die.     I  3  :  32. 

Macropedius,  G.    II  4  :  40. 

Märchen.    I  5  :  46/7. 

Maffei,  A.    IV  4  :  13. 

Magdalena  Sibylla  v.  Württemberg.   III 

4  :  20. 
Magdeburg.    I  4  :  94.    III  2  :  2.3.     IV 

1  :  74;  7  :  5. 
Magie.    15:9.    II  1  :  1. 
Mahlmann,  S.  A.     IV  3  :  31. 
Mai,  L.     II  4  :  20 

Maine  de  Biran,  F.  P.  G.    IV  6  :  35. 
Mailand.     IV  IIb  :  60. 
Mainz.     II  5  :  8.     IV  1  :  70. 
Major,  G.    II  7  :  41. 
Malerei  und  Dichtung.     I  3  :  42. 
Malespini.     II  8  :  42. 
Malsburg,  E.  v.    IV  1  :  60. 
Maltzahn,     W.      v.        IV      1     :     44/6; 

lle  :  4,  34. 
Mancz,  C.     II  8  :  56. 
Mandeville,  Sir  J.    II  1  :  17. 
Mangelsdorf     IV  6  :  27. 
Mannheim.    IV  12  :  1,  7—8,  59. 
Mansfeld.     II  6  :  02. 


IKJ 


Manso.     IV  lle  :  28a. 

Mantuanus,  B.     II  5  :  9. 

Manuel,  N.    N.    II  1  :  1,  19. 

Manutius,  A.     14:  39. 

Manzoni,  A.    IV  llf  :  1.5. 

Maria  Ludovica,   Kaiserin.     IV    13  :  9. 

Maria  Theresia.    I  6  :  91. 

Marbach.     IV  12  :  183. 

Marburg.     I  4  :  22. 

Marggraff,  H.  IV  13  :  53;  14  :  1. 

Maria  von  Wald'eck.     I  6  :  75. 

Mariastein.     I  5  :  95. 

Marie  Antoinette.    IV  IIb  :  9. 

Mariendichtungen.     II  1  :  12;  5  :  5. 

Marina.     II  8  :  42. 

Marinus,  W.     II  1  :  13. 

Marinismus.     13:6.     III  1  :  12. 

Marivaux,  J.     IV  4  :  4. 

Markolf     II  5  :  20. 

Marr,  H.     IV  1   :  Gl. 

Marschner,  H.     IV  3  :  49. 

Marschalk,  N.     14:  36. 

Martersteig,  M.     IV  lle  :  7. 

Martini,  L.     II  1  :  Vi. 

Martinsgans.     II,  2  :  24. 

Matrikelbüeher.    I  6  :  59—00. 

Marx,  K.     IV  6  :  62. 

Mascov,  G.    IV  1  :  125. 

Massinger,  Ph.    12:5. 

Materialismus.     IV  1  :  17/8. 

Mathesius.  J.     II  1  :  13;  7  :  47.'9. 

Matthisson,    F.    v.     IV  2  :  17,    19,   48; 

10  :  11. 

Matter,  J.     IV  1  :  111. 
Mattheson.     IV  lOe  :  14. 
Maurenbrecher,  W.    II  6  ;  33. 
Mauritius,  G.     II  8  :  51. 
Mauthner,  J.    IV  2  :  170/1. 
Mauvillon,  J.     I  5  :  12.     IV  1  :  22. 
Maximilian  I,  Kaiser.    II  1  :  1;  8  :  16. 

—  IL  von  Bayern.    IV  0  :  63;  14  :  53. 
Mayer,  Martin.    II  8  :  3. 

Mayr,  J.     III  4  :  63. 
Mecklenburg,  A.    IV  1  :  58. 
Mecour,  Susanne.    IV  1  :  78. 
Mederus,  P.    III  2  :  3.5. 
Medizinisches.     II  1  :  12;  5  :  3j— 41; 

8  :  5. 
Meerpoesie.    I  3  :  92. 
Meier,  G.  F.  I  3  :  4. 
Meisl,  C.    IV  4  :  94,  103. 
Meissen.    II  3  :  25. 
Meissner,  A.     IV  3 :  1,  104/3;  14  :  1. 

—  M.  II  1  :  13. 

Meister,  J.  H.    IV  1  :  118/9. 
Meistergesang.    II  1  :  8,  13;  2:13,25; 

4  :  32. 
Melanchthon,    Ph.     I    5  :  101;    6  :  85. 

11  1  :  1,  6,  11;  7  :  38-44,  49;  8  :  33, 
52. 

—  Dichtung  auf     II  1  :  13. 
Melissopolitanus.    II  8  :  58. 
Melissus,  P.    I  1  :  11.    III  1  :  6. 
Mencke,  J.  B.    III  2  :  61. 
Mendelssohn,  M.    13:4.    IV  1  :  27, 

81/3;    2   :  6;    4  :  20;    6  :  2-12,    16, 

23;  8  :  2;  IIb  :  112. 
Mengegefühl.    I  3  :  32. 
Menken,  J.  H.    IV  IIb  :  30. 
Menschenhass.    IV  4  :  103. 
Mentel,  J.     I  4  :  18. 
Mentzel,  E.    IV  lle  :  3. 
Menzel,    W.      II    1   :   8.      IV    1   :  10; 

14  :  1,  8. 
Merck,    J.    H.     IV    6  :  46;     IIb  :  113. 

—  J.  K.     II   8  :  54. 
Mercurius,  J.  F.  S.    III  3  :  2. 
Mercur,  Nordischer.    III  2  :  39. 

—  der  deutsche.    IV  1  :  64,  88. 
Merian  s.  Meyer-Merian,  Th. 
Merope.    IV  4  :  12/3. 
Meseritz,  Elisabeth   v.     II  2  :  2. 
Messauslegungen.    II  5  :  8. 
Mossorer.    II  4  :  31. 


l84 


Sachregistei*. 


Messerschmiede,    Tanz  der.    II  2  :  26. 
Motaphoriscbes.    I  3  :  88  -  90. 
Metastasio,  P.    13:6.    IV  4  :  4,  8. 
Methodisches.     I    1:1-5;    3:4,   35, 

57.     IV  1  :  34/8;  Uc  :  19. 
Methodik  d.  Unterrichts.    16:5. 
Methodus,  der  neue.    III  I  :  4. 
Metrik.    I  3  :  39—40.   II  5  :  17  ;  8  :  28, 

48.  —   Eyering.    II    5  :  17.     Goethe 

IV  lle  :  81,   41.     Gotter    IV  4  :  13. 

Grob   III  5  :  2=3.    Heine   IV  14  :  13. 

Hütten   n    8  :  28.     H.   v.  Kleist   IV 

4  :  26.    J.  E.  Schlegel  IV  4  :  2. 
Metternich,    Cl.  Fürst.    IV  13  :  5,  67; 

14  :  1. 
Metz  (Theologe).    I  6  :  66. 
Meusebach,   K.    6.   Frhr.  v.    I    2  :  6a. 

III  2  :  3. 
Meyer,  C.  F.    IV  2  :  161;  3  :  1. 

—  F.  L.  W.     III  4  :  26.     IV  4  :  169 ; 
6  :  51. 

—  H.     IV  3  :  53;  IIa  :  34;  llf  :  16; 

12  :  14.  46. 

—  J.    II  5  :  24a. 

—  V.  Lindau,  J.    IV  IIb  :  13. 
Merian,  Th.    IV  2  :  60. 

Meyern,  W.  v.    IV  3  :  27. 
Meyr,  M.    IV  1  :  41. 
Mezieres.    IV  1  :  22. 
Michaeler,  K.  J.    II  3  :  3. 
Michaelis,  Caroline.    IV  6  :  51. 

—  J.  B.    IV  11c  :  15. 
Michaelis-BrUder.    I  4  :  36. 
Mickiewicz,  A.    IV  2  :  32. 
Micyllus.  J.    II  8  :  2. 
Milder-Hauptmann,   Anna  Pauline.    IV 

13  :  40. 
Milieu.    I  1  :  3;  5. 

Miller,  J.  M.     IV  1  :  51 ;  3  :  9. 
Milton,  J.    IV  1  :  126/6;  3  :  9. 
Mimik.    I  3  :  32. 
Mineralogie.    IV  llf  :  21. 
Miniaturmalerei,    14:2. 
Minnesang.    II  2  :  20;  7  :  37. 
Minor,  J.    IV  13  :  10. 
Mirabilia  nrbis  Romae.    I  4  :  41. 
Misander  s.  Adami,  J.  S. 
Mittelalter,  Ausgang  des.     II  1  :  1. 
Mitternacht,  J.  S.    lU  4  :  32. 
Mode.    I  3  :  100;  5  :  71. 
Modestus,  J.  A.    II  6  :  3. 
Moebius,  P.  H.  A.    16:  28. 
Möllemann,  St.    14:  36. 
Möller,  H.  F.    IV  4  :  15. 
Wörike,    E.      I    3   :  37 ;    5  :  38a.      IV 

1  :  8,  10,  61;  2  :  80,6;  13  :  49. 
Moser,  A.    IV  3  :  127. 

—  J.    IV  1  :  27. 
Mohom.    II  5  :  39. 
Mohrungen.    IV  10  :  1. 
Moiban,  A.    II  2  :  2. 

Moli6re,    J.  P.     IV  1  :  109—10;   4:4, 

103,  170;  lle  :  3, 
Molitor,  U.    II  1  :  1. 
MoUyn,  N.    14:  38. 
Molmann,  F.    IV  6  :  30. 
Moltke,  H.  V.    IV  IIa  :  8. 
Monachus  Weingartensis.    II  3  :  19. 
Mona,  F.  J.    II  3  :  24. 
Monner,  W.    16:  54. 
Monolog.    I  3  :  36. 
Montaigne,  M.  E.  de.  IV  3  :  40. 
Montagüklub  in  Üeilin.   IV  1   :  76,  78. 
Montanas,  M.     II  3  :  25. 
Montccuculi,  R.  Graf  v.    III  3  :  4. 
Montemajor,  J.  de.    III  3  :  5. 
Montesquieu,  Ch.  de.    IV  13  :  9. 
Monumenta  Oerraaniae  Paedagogica.    I 

6  :  53. 
Moral  und  Acsthetik.    I  3  :  11. 
Moralitat.    II  4  :  6,  40;  7  :  37. 
Moraltheologie.    III  5  :  13. 
Morata,  Olympia.    I  1  :  13.    II  8  :  2. 
Morf,  H.     IV  6  :  34. 


Morgenrot.  II  1  :  12. 

Morgenstern,  K.    IV  6  :  59. 

Morhof,  D.  G.    14:3. 

Moritz,  K.  Ph,    13:  126.    IV    1  :  40. 

78;  6  :  49,  60. 
Mosclierosch.   J.   M.    III    1:2,    3,   6 ; 

5  :  7,  10,  11.     IV  13  :  33. 
Mosellanus,  P.    I   6  :  66. 
Mosen,  J.  IV  1  :  61,  73. 
Mosenthal,  S.  H.    IV  1  :  61;  4  :  87. 
Moser,  K.  v.    I  5  :  12.    IV  IIb  :  30. 
Motive.     11:2. 
Motschmann,  J.    II  3  :  30. 
Mozart,  W.  A.     IV  lle  :  31a. 
Muchheimin,  M.    11  2  :  43. 
MUchler,  K.  IV  1  :  7S. 
MUhlbach,  Luise.     IV  1  :    61. 
MUllenhoff,  K.     II  3  :  10. 
Müller,  A.    IV  1  :  27;  4  :  183;  13  :  9. 

—  Friedr.,  Maler.    IV  3  :  9. 

—  Friedr.    v.,    Kanzler.     IV  1  :  122; 
lle  :  64. 

—  J.  (in  Bamberg).    I  4  :  20. 

—  J.  V.    15:  12,  118.    IV  1  :  64,  78; 
(i  :  59;  10  :  11. 

—  .1.  G.    IV  3  :  54;  4  :  49. 

—  M.     IV  1  :  18. 

—  Sophie.    IV  4  :  200. 

—  W.    IV  1  :  2;  2  :  48;  14  :  1,  13. 
Mülmarckart,  M.  II  1  :  13. 
MUnch-BoUingbausen,  F.  v.    IV  1  :  38; 

2  :  101  ;  4  :  48,  109-10;  13  :  33. 

München.    I  4  :  41 ;  5  :  94.    II  6  :  41  ; 

8  :  52.    IV  1  :  60,  67 ;  4  :  70,  73. 

—  -Nienburg.  I  4  :  58. 
Münchhausen.  IV  3  :  13. 
Münster  i.  W.    II  8  :  31.  III  5  :  13. 

—  S.    15:  101.    II  1  :  1;  8  :  18a. 

—  Georg,  Graf  zu.    IV  IIb  :  20. 
MUnzer,  Th.    II  1  :  1. 

Muffel,  N.    II  8  :  45. 

Mulicb,  B.     II  5  :  14/5. 

Muneker,  F.    IV  3  :  40;   7  :  2—3,  6—7. 

Mundt,  Clara.    IV  1  :  61. 

—  Th.     IV  14  :  1,50. 
Muratori,  L.  A.    IV  lle  :  28a. 
Musaeus.    IV  12  :  77. 

Musik.    II  1  :  13;  4:  47/9;  8  :  48.    IV 

7:6;   IIa  :  40/3,  92/3. 
Muskatblüt.    II  2  :  25;  5  :  12. 
Musset,  A.  V.    IV  1  :  115. 
Murner,    Th.     I    4  :    18;    5  :  101.     II 

1  :  1;  5  :  26/9;  7  :  6Ö/8. 
Murmellius,  J.     II  5  :  16. 
Murr,  Ch.  G.  v.     II  1  :  17. 
Muth,  F.  A.    IV  1  :  8. 
Mylius,  Ch.    IV  6  :  1. 
Mysterien.    II  4  :  6—9. 
Mystik.    II  1  :  1;  5  :  1. 
Mythologie.    I  5  :  14,  23/4. 

Nachahmungstheorie.     13:6,  26,  69. 

Nageli,  G.    IV  2  :  250. 

Namedy.     II  3  :  12. 

Napoleon  I.     IV  1  :  63;  3  :  54;  6  :  59; 

14  :  1. 
Nast,  J.    IV  1  :  38;  13  :  80. 

—  Luise.    IV  13  :  30. 
Nasus,  J.     II  5  :  34. 
Nationalcharakter.    11:5. 
NationalgefUhl.    IV  1  :  22/6. 
Natürlichkeit.     13:6. 

Natur,  Darstellung  dor.     II  1  :  19. 
Naturalismus.     I   3  :  32,   101,    118-44. 

IV  1  :  58;  6  :  30;  IIa  :  70/2. 
Naturschöne,  Das.     I  3  :   14,  25/7,  90. 
Naturvölker.    15:1. 
Naturwissenscliaft.     I    1  :  2,  5;   IV  6  : 

44;  IIa:  6;  IIb:  115,  122;  llf:  19-23. 
Nathiisius,  Familie.    IV  4  :  49. 
Natzmer,  D.  G.  v.    UI  5  :  3. 
Naumann,  J.    III  5  :  7. 

—  J.  G.    IV  lle  :  29a. 
Neapel.    13:6. 


Neff.     III  5  :  23. 

Nefflen,  J.     IV  1  :  69. 

Noidhart  v.  Reuenthal.    II  3  :  16. 

—  Fuchs.     II  3  :  16. 
Nemo,  S.    II  3  :  13. 
Nepotismus.     I  6  :  61. 
Nero.    III  3  :  9. 

Nestroy,  J.    IV  4  :  94,  105/7. 
Neubauer,  V.  II  1  :  13. 
Neuber,  Caroline.    IV  4  :  6. 
Neuffer,  Ch.  L.     IV  2  :  48. 

—  Gr.  H.     IV  13  :  30. 
Neuhumanismus  I  6  :  16. 
NeujahrswUusche.     II  1  :  12;  5  :  19. 
Neukarsthans.     II  1  :  1. 
Neukirch,  B.     I  1  :  11.     III  1  :  12. 
Neusidler,  H.     14:8. 
Neu-Weimar  (Verein).     IV  14  :  53. 
New-York.     IV  IIa  :  84. 

Newton,  J.     IV  llf  :  23. 

Nicolai,    Fr.     I    3  :  4.    IV    1  :  46,   51, 

78;  2  :  3,  7;  6  :  14,  16;  8:2;  13:  9. 
Nicotiauische  Policey.    III  5  :  20. 
Nidbruck,  C.  v.    II  7  :  49. 
Niebuhr,  B.  G.     IV  1  :  10;  6  :  61. 
Niederdeutsches.     II    5:2,   4—6,    16. 

III    2   :  6,    40;    4  :  1.      IV    2  :  230; 

7  :  7 ;  s.  auch  Dramatiker. 
Niederländische  Litteratur.     II  1  :  16. 
Niemand,  Heil.    II  3  :  13. 
Niomeyer,  A.  H.    I   6  :  32.    IV  4  :  49. 
Niempsch    v.    Strehlenau,    N.    (Lenau). 

I  7  :  22.    IV  1  :  130;  2  :  84,  136-40, 

144;  4  :  93,  102,  110. 
Niondorf,  Emma.    IV  2  :  84. 
Noailles,  Cardinal  von.     III  5  :  2. 
Nodier,  J.  Ch.  E.    IV  1  :  115. 
Nördlingen.    I  5  :  94. 
Nolhac,  P.  de.    II  8  :  20. 
Nordau,  M.     I  3  :  59. 
Nordhoff.    II  8  :  31. 
Novalis  s.  F.  v.  Hardenberg. 
Nürnberg.     I    4  :    15;    5  :  66,  92.     II 

1  :  17;    4  :  25;    ö  :  42;    7  :  19,   20, 

73.    IV  1  :  21. 
Nürnberger  Reichstag.    II  1  :  1. 
Nüsslor,  B.  W.     III  1  :  6. 

—  M.     III  1  :  6. 
Nützlichkeit  d.  Poesie.     13:6. 

Oberammergau  s.  Passionsspiolo. 
Obereichstätt.    II  5  :  14. 
Ochsenkhun,  S.     14:8. 
O'Donell,  H.  Graf.     IV  13  :  9. 

—  M.  Graf.    IV  13  :  9. 
Oecolarapadius,  J.     11  6  :  16;  7  :  46. 
Oehlenschläger,  A.     IV  4  :  134. 
Oeser,  Friederike.    IV  IIb  :  89. 
Oesterreich.    I   5  :  101,  104/5;    6  :  96. 

III  4  :  29.     IV  1  :  64,6,  95. 
Oesterreichische  Dichter.    IV  1  :  3;  2: 

136—72. 
Oesterreicher,  A.     II  4  :  31. 
Oetker,  F.     IV  14  :  53. 
OettingiseheWappengeschichle.il  3:  19. 
Oldenburg.     I  5  :  81.     IV  1  :  73. 
Olearius,  A.    III  5  :  7. 
Olevianus,  C.    II  7  :  36. 
Olpe,  P.  V.     I  4  :  21,  49. 
Onomatopoisch.     I  3  :  39—40. 
Operntexte.    III  4  :  20.   IV  4  :  139—42. 
Opitz,    M.      I   3  :  3;   5  :  101.     III    1   : 

3,   6;    2:2,  26  7,  48;    4  :  7,  8;    5  : 

31.     IV  7  :  9;  14  :  13. 
Opitzieren.     III  2  :  43/4. 
Opitzianismns.    III  5  :  23. 
Oporinus,  J.    I  5  :  88. 
Orient.     IV  IIb  :  19. 
Orientfrage.     III  5  :  14. 
Orleans,  Jungfrau  v.  s.  Darc. 
Orth,  .1.  P.     IV  lle  :  46. 
Osiander,  A.     II  6  :  17;  7  :  :,4. 
Osnabrück.     III  5  :  13. 
Ossinn.     IV  1  :  125. 


Sachregister. 


185 


Osterspiel.    II  4  :  11. 

Oswald  T.  Wolkenstein  s.  Wolkenstoin. 

Otmar,  J.     I  4  :  33.     II  8  :  56. 

—  S.     II  8  :  56. 
Otter,  F.  F.    15:  73. 
Otther,  J.    II  8  :  18. 

Otto  von  Freising.    II  8  :  55. 
Oxenstieriia,  A.  Graf  v.    III  5  :  13. 

—  J.  Graf  V.     III  5  :  13. 


4.    IV 


4. 


9. 


IV  IIb  :  114. 

I    5  :  88,  101. 
7-8,  10. 

II  5  :  2. 


Pacificus,  M.     II  1  :  13. 
Paedagogik.    I  6  :  1—3.   III  1 
3  :  37;  6  :  21-39;  IIa  :  16. 
Paläographie.     I  4  :  1—2. 
Palleske,  E.     I  7  :  13a.     IV  12 
Palinerin.     III  3  :  1. 
Paltz,  J.  V.     II  5  :  9;  6  :  48. 
Paludan,  J.     III  5  :  12. 
Pantheismus.     IV  IIa  :  17;  llf 
Papirista.     I  4  :  30. 
Pape,  A.     II  8  :  51. 
Papponheim,  Jenny  v. 
Paracelsus,    P.  A.   Th 

II  1  :  1 ;  5  :  39 ;  8  ; 
Paraphrase,  geistliche. 
Pareus,  Ph.  III  1  :  6. 
Parganieuista.     I  4  :  30. 

Paris.  1 4  :  32.   II  8  :  5,  58.  IV  1  :  10, 115. 
Parodie.     II  1  :  8.     IV  4  :  94. 
Parteipoesie.     IV  14  :  1. 
Partidas.     III  3  :  1. 
Passionalbüchlein.     16:8. 
Passiousspiele:    II    4:9;    Augsburger 

III  4  :  38 ;  Oberaramergauer  I  4  :  88. 

III  4  :  38-63.     IV  4  :  146. 
Patriotismus.    III  1  :  2,  4.   IV  2 
Pauli,  J.     I  8  :  56.     II  3  :  19. 
Paulinenzelle.     IV  IIb  :  54. 
Paul,  Jean,  s.  Richter,  J.  P.  F. 
Paulus  Paulirinus.     I  4  :  30. 
Pausner,  H.  0.     IV  IIb  :  20. 
Pawel,  A.    ni  1  :  6. 

—  J.    IV  7  :  6-7. 
Peck,  D.    I  4  :  24. 
Peguitzschäfer.    I  5  : 
Peisker,  J.    III  5  :  7. 
Pellieanus,  K.    II  8  : 
Peroy  „Reliques".   IV  1 
Perfektibilitat.    IV  1  :  27 
Perinet,  J.    IV  4  :  94,  96 
Pernecker,  H.    14:  20. 
Perotti,  N.     11  8  :  56. 
Perrault.    11:5. 
Pestalozzi,   J.   H.       16 

IV  1  :  89;  2  :  48;  6 


14/5. 


92.     III  5  :  8. 


18,  18a. 
125. 


6  :  23,   32,   39. 
32/9. 


Pestalozzianismus.     IV  6  :  34,  35. 


;  13. 

198;  14  :  27. 
130;  14  :  26. 

101. 
J.  s.  Schultzc,  Gott- 


Peterle,  M.  II  1 
Peters,  A.  IV  2 
PetOfi,  A.  IV  1 
Petrarca,  F.  I  5 
Petrus  de  JJerael 

fried. 
Petrus  Lombardus.    II  7  :  38. 
Petzensteiner,  H.    14:  20. 
Pfalzgrafenwürde.    III  3  :  10;  5  :  7. 
Pfau,  L.     IV  1  :  61. 
Pfeffel,  G.  K.    IV  1  :  78. 
Pfeiffer,  Charlotte  s.  Birch-Pfeiffor. 
Pfeil,  J.  G.  B.    IV  1  :  40. 
Pfeyl,  J.    I  4  :  20. 
Pfister,  A.     I  4  :  19,  20,  25. 
Pflanzen.     I  5  :  53/7. 
Pflug,  J.     II  7  :  44. 
Pfretzschner,  Rektor.    I  6  :  78. 
Phantasie.    I  3  :  4,  6,  11,  87/8,  118,  120. 
Philanthropinismus.      16:7,    15 — 22. 

IV  6  :  24/8. 
Philipp  V.  Orleans,  Regent.    III  5  :  2. 
Philologie:    I  1  :  1—6;    deutsche    I  2. 

IV  10  :  6;  klassische  11:2". 
Philosophie.    11:6.   IV  1  :  3,  27—31, 

111;  6  :  63;  IIa  :  11/2;  llf  :  1-5. 
Physiologie  der  Lyrik.    I  3  :  36. 
Piaristen.    I  6  :  73. 


5. 


12.    II  4:4; 


Pichler,  A.    IV  2  :  182/3. 
Pietismus.     I  6  :  12. 
Pilgerreiseu.    I  4  :  84. 
Pirkheimer,  Charitas.    I  5  :  100. 

-  W.     I  5  :  92,  100.     II  5  :  46. 
Pistorius,  J.     II  8  :  36. 

-  Luise.    IV  12  :  7. 
Pius  II.  s.  Aeneas  Sylvius. 
Pitaval.     IV  3  :  40. 

Placentius  Evangelistes.     II  3  :  48. 

Plagiat.     I  3  :  117. 

Plagwitz.     III  4  :  27. 

Platen,    A.  v.    IV    1:8,  41/2;    2:  125; 

13  :  49. 
Plato.     II  1  :  1. 
Platter,  F.    I  5  :  88.    II  8 

-  Th.     15:  123.     II  8  : 
Plautus,  M.  Accius.    I  4 

8  :  56.     III  4  :  19. 

Plavius,  J.     13:3. 

Plessiug.     IV  lle  :  29. 

Plufaireh.     IV  4  :  103. 

Poach,  A.    II  6  :  19. 

Pocci,  F.  Graf.    IV  4  :  57. 

Podagra.     III  5  :  29. 

Pogwiseh,  Ulrike  v.    IV  IIb  :  79. 

Poetik.     I  3  :  25,  36,  42/5. 

Polen.     III  5  :  14.     IV  IIa  :  48. 

Polenlieder.    IV  1  :  10. 

Polheim,  Juliane  v.     III  5  :  2. 

Poliander,  J.     I  6  :  66.     II   7  :  34. 

Politik.  I  1  :  5;  2  :  6.  II  1  :  1,  12. 
III  1  :  1-5;  5  :  13/4,  23/4.  IV  1  : 
22,  27,  29;  6:  73:4;  IIa  :  24/5. 

Politische  Gedichte.    II  1  :  12. 

Politor.    I  4  :  30. 

Poll,  P.    II  1  :  12. 

Polmann,  J.    14:  24. 

Polus,  Th.    II  5  :  47. 

Pommern.     I  5  :  34. 

Pompignau  s.  Lefrauc  de  Pompignan. 

Pontanus,  J.     II  1  :  13. 

Pope,  A.     IV  1  :  108,  125;  6  :  20. 

Porto,  L.  da.     III  3  :  2. 

Portt,  C.     II  1  :  12. 

Portugal.    II  1  :  17. 

Posonyi,  A.    IV  lle  :  4. 

Postel,  Chr.  H.     III  4  :  21. 

Postillen.    II  5  :  8. 

Pradl.    IV  .4  :  148. 

Praöl,  J.     I  4  :  21. 

Prätorius.     II  7  :  49. 

-  K.    I  6  :  77. 

-  M.     14:8. 
Prag.     I  4  :  31 ;  6  :  69. 
Prager,  W.    IV  2  :  100/1. 
Praktiken.     II  5  :  34/8,  41. 
Prantl.K.  v.     16:4.     II  8  :  3. 
Predigtlitteratur    des   15./16.  Jahrhun- 
derts.    II    1:1,  13;   5  :  28;    7  :  11, 
47i8,  65. 

Premierfait,  Laureus  du.     II  8  :  44. 
Preus.fen,  Reformation  in.     II  7  :  34. 
Prövost,  A.  F.  (l'Abbö).     IV  IIb  :  1. 
Priaraeln.    II  5  :  26.    III  2  :  0;  5  :  17. 
Prostitution.     15:8. 
Proudfort-ßegg.     I  3  :  68. 
PrUss,  J.     I  4  :  18. 
Prunius,  J.  H.    IV  4  :  174. 
Prutz,  R.     IV  1  :  12,  61;   14  :   1. 
Psychiatrie.     11:5. 
Psychologie.  1 1  : 1,  3;  3  :  35/6,  60,  69,  83. 
Publicistik.    III  1:2.    IV  1  :  26,  90/5. 
Publikum.     11:1. 
PUckler-Muskau,  Fürst  v.    IV  14  :  1. 
Püterich,  J.     I  1  :  11. 
PUtter,  J.  St.    IV  1  :  125. 
Pufendorf,  S.     III  1  :  2,  4,  6. 
Purgstall  s.  Itammer-rurgstall. 
Purismus.     13:3. 
Puschmann,  A.     I  1  :  11.     II  2  :  13. 
Puschkin,  A.     IV  IIa  :  49. 
Puppeuspiele.    III  4  :  19,   26—31.    IV 
4  :  57,  143/5. 


Putlitz,  G.  V.     IV    1  :  60;   4  :  79-81, 

183. 
Pyni,  J.  J.     IV  11c  :  21a. 
Pyramus  und  Thisbe.     III  2  :  19. 

Quaestiones  fabulosae.     II  5  :  27. 
Quarck,  M.     IV  14  :  45. 
Queiss,  E.  v.     II  7  :  34. 
Quentel,  H.    I  4  :  21. 
Quetelet,  L.  A.  J.     IV  IIb  :  20. 
Quinoä,  B.    II  1  :  1.3. 
Quodlibet.    II  5  :  13. 

Raabe,  F.     IV  IIa  :  66. 

—  W.     IV  3  :  38. 

Rahel  s.  Varnhagen  v.  Ense. 

Rabe.     I  6  :  66. 

Rabener,  G.  W.    IV  2  :  17 ;  IIb  :  1. 

Raciue,  J.     I  3  :  101. 

Radolfszell.     II  8  :  4.5. 

Ratsei.    I  4:82;  5  :  31/2.    II  5:23,43. 

Rahbeck,  K.  L.     IV  12  :  7. 

Raich,  J.  M.     IV  13  :  1. 

Raimund,    F.      IV    1  :  3,    48;     4  :  94, 

97  —  104,  165,  200. 
Rambaeh,  F.  E.     IV  6  :  51. 
Ramler,  K.  W.      I    7  :  41.      III  5  :  30. 

IV  2  :  6,  7,  9. 
Ramminger,  H.  II  1  :  12. 
Ramsay,  CA.     14:  3. 
Ranke,  L.  v.     II  1  :  1,  2.     IV   1  :  10, 

55;  llf  :  5. 
Rappolt,  L.     11  4  :  31. 
Rasch,  J.     II  5  :  41. 
Raselius,  A.     14:8. 
Rasinus,  B.     II  8  :  56. 
Raspe,  E.    IV  3  :  13. 
Rat,  Frau  s.  Goethe,  Catharina  Elisabeth. 
Rathenow,  Belagerung  von.     III  3  :  4. 
Ratichius,  Vf.     l  6  :  12.    III  1  :  4. 
Rationalismus.     IV  6  :  1  —  20. 
Ratzeberger,  M.    II  6  :  19. 
Rauch,  D.  Ch.     IV  IIa  :  33,  38/9. 
Raufseysen     IV  1  :  78. 
Raumer,  F.  v.    13:  28. 

—  K.  G.  V.    IV  1  :  78. 
Raupach,  E.     IV  4  :  204. 
Rausch,  Bruder.     II  5  :  26. 
Reaktion,  romantische.    IV  14  :  1. 
Realien.    15:8. 

Realismus.      13:4,  19,  89,  101,  118. 

IV  1  :  15,  58. 
Rebenlein,  J.    III  5  :  7. 
Rebmann,  A.  G.  F.     IV  1  :  70. 
Recht,  Römisches:  Reception.    II  1  :  1 
Rechtswissenschaft.    II  8  :  13. 
Recke,  Elise  v.  d.     IV  1  :  47 ;    2  :  16, 

38/9;  6  :  47/8. 
Redensarten.     I  5  :  25. 
Reformation.    II  1  :  1,  2,  8,  11  ;  4  :  1, 

23,  25;  7  :  1—18. 
Reformation,  sogenannte  Kaiser  Sigis- 

munds.  II  1  :  1. 
Reformationslitteratur.     II  7. 
Reformversucho,     kirchliche     vor     der 

Reformation.     II  1  :  1. 
Regel,  Die.    13:4. 
Regensburg.    I  5  :  60. 
Begiumontanus,  J.     II  1  :  17. 
Regius  s.  Rhegius. 
Reich,  E.     I  3  :  69. 

—  P.  E.     14:  96.     IV  1   :  46;  8  :  5. 
Reichard,  H.  A.  0.     IV  2.  :  AH. 
Reichardt,  J.  Fr.     IV  1   :  78. 
Reichel,  J.  G.    IV  8  :  2. 

Reiche  Mann,  Der.  (Drama.)    II  4  :  11. 
Reichraann.     II  3  :  30. 
Reichskammergerii'ht.     IV  Hb  :  49. 
Reichsreform  unter  Max  I.    II  1  :  1. 
Reimbrechung.    II  5  :  13. 
Reimchronik    über  den  Schwabe nkring. 

II  3  :  5—6. 
Reimreinheit.    I  3  :  .39-40. 


18G 


Sachregister. 


Beineke  Fuchs,    I  4  :  8).   113  :  17/8; 

5  :  5. 
Reinhard,   K.  F.  Grafv.   IV  1  :  121/2; 

lle  :  54. 
Reinhold,   K.  L.      IV  1  :  47,    63,    71; 

8  :  9,  10. 
Reinhold  v.  Freientahl  s.  Grob,  .1. 
Reinkingk,  D.  v.    III  5  :  14. 
Reinwald,  (-'hrifitophine.    IV  12  :  5. 

-  W.  F.  H     IV  12  :  1. 
Reisch,  G.    II  8  :  18. 
Reisehandbucher.    III  5  :  31. 
Reiselieder.    III  5  :  7. 
Reitenberger,  Abt.    IV  IIb  :  115. 
Reiter  und  Jungfrau.      II  2  :  28.      III 

2  :  13. 
Reiz.    I  3  :  14. 
Reizschwelle.    I  3  :  59. 
Rekahn.    I  6  :  94.    IV  1  :  30. 
Religiöses.    IV  1  :  27,  32/3;  IIb  :  74. 
Religionsedikt.    IV  1  :  76. 
Reliquien.    II  1  :  1. 

RellsUb,  L.    IV  13  :  67. 
Rembrandt,  H.    I  5  :  53.    IV  14  :  1. 
Remus,  G.    III  1  :  6. 
Renaissance.   II  8.-    II  1  :  1,  11,  18/9. 

IV  IIa  :  26. 
Reniheu,  L.  v.    I  4  :  21. 
Roiidorp,  J.    IV  13  :  6. 
Reue-Taillaudier.    VI  1  :  111. 
R6tif  de  la  Bretonne.    IV  12  :  73. 
Rettich,  C.    IV  4  :  192. 

-  Julie.    IV  4  :  191. 

Reuchlin,  J.    II  1  :  1,  11 ;  8  :  2,  21/3. 
Reuss,  Erdmuth  Gräfin.    III  5  :  3. 

-  F.  A.    IV  IIb  :  21. 
Reussner,  N.    II  8  :  36. 

Reuter,  Ch.    lU  4  :  16.     IV  13  :  33. 

-  F.    IV  3  :  112/9. 

-  Q.    III  1  :  6. 
Reutlingen.    I  4  :  33. 

Revolution.    I  5  :  12.     IV  1  :  22,  78; 

7  :  4. 

Revolutionäre  Poesie.    IV  14  :  1. 
Revue  gennanlque.    IV  1  :  111. 
Rejher,  A.  I  6  :  12. 
Rhegius,  U.    II  7  :  37. 
Rhein.    IV  11c  :  3. 
Rheinlande.    IV  14  :  1. 
Rhetorik.     I  3  :  64. 
Rhythmus.     I  3  :  39,  40,  57,  76. 
Rhodiginus,  C'aelius.    II  8  :  50. 
Richardsou,  S.    IV  1  :  125. 
Richter,  A.    IV  6  :  22. 

-  J.    IV,  4  :  94. 

-  J.  P.  F.   iJean   Paul).      I   2  :  6a; 

8  :  143;  4  :  12;   IV  1  :  51 ;   2  :  30; 

3  ;  28-39;  8  :  10;    13  :  20;  14  :  1. 
Riedel  (in  Weimar).    IV  1  :  63. 
Riedesel,  Friederike  v.    IV  1  :  57. 
Riegger.    II  8  :  15. 

Riemer,    F.  W.      IV  1  :  47 ;     IIb  :  1; 

lle  :  31e,  64;  llf  :  12. 
Riga.    I  4  :  38. 

Riggi,  Haddalena.    IV  IIb  :  60. 
Riuckhard,  M.      I  4  :  24.    II  4  :  21/3; 

7  :  37.     111  2  :  49—50. 
Ringelhardt,  E.     IV  4  :  174. 
Ringmannus  Philesius.    II  8  :  18. 
Ringwaldt,  B.     II  7  :  37. 
Rist,  J.      13:3.     III  1  :  2,  6 ;  2  :  2, 

36/7,  40;  3  :  10;  6  :  7,  29. 
Ritschi,  A.    II  8  :  56.    III  5  :  6. 
Ritter,  christlicher     II  4  :  23 ;  7  :  37  ; 

fahrender  111  3  :  1. 
Ritterdrama.     IV  4  :  148. 
RitUrshaus,  E.     IV  2  :  100. 
Rittershusius,  C.    III  1  :  6. 
Ritz,  J.  W.     II  4  :  12. 
Ritzsch,  G.    I  4  :  24. 
Rlvander,  Z.     II  7  :  87. 
Ririus,  J.    I  6  :  10/1. 
Robert- tornow,  M.  IV  1  :  84. 
RoLertiu,  H.     III   1   :  6. 


Rochlitz,  J.  F.    I  5  :  119.     IV  1  :  94; 

4  :  61. 

Rochow,  F.  E.  V.   16:  94.    IV  1  :  30; 

6  :  27. 
Rodrigo.    III  5  :  10. 
Röhr,  J.  F.    15:  119. 
Röhrich.    II  8  :  58. 
Ron,  Kaspar  v.  d.  s.  Kaspar. 
Rördara.     II  8  :  33. 
Rösicke.    IV  4  :  178. 
Rogiano.    13:6 
Rollengediclite.    IV  14  :  41. 
Rollenhagen,  G.    II  8  :  48. 
Rom.    13:6. 
Roman.  IV  3.  III  3  :  8(9.  IV  lld  :  22  ; 

biblischer    IV    1:4;    deutscher    IV 

1    :    111;     historischer    IV     3:2; 

höfischer    II  3  :  3-4;     Theorie   IV 

3  :  1—2. 
Romantik.  IV  13.—  11:5.    IV  1  :  1, 

13,  15,  22,37,  110;  4:55,  57;  13:4. 
Romberg,  Angelika.    IV  1  :  78. 
Romeo  und  Julia-Stoff.    III  3  :  2—3. 
Rosegger,  P.  K.     15:  31/2. 
Rosenblüt,  H.    I  5  :  92.    II  1  :  1,  12; 

3  :  7-8;  5  :  12. 

Rosengarten.    II  5  :  26. 

Rosenorden  s.  Deutsfhgesinnte  Ge- 
nossenschaft. 

Rosenthal,    Dorothea    Eleonore  v.     III 

5  :  7. 

Rosner,  F.    III  4  :  38. 

-  H.    II  1  :  12;  5  :  12. 
Rossbach,  A.    IV  lle  :  31. 
Rossscliwanz,  J.  II  5  :  34. 
Rost,  J.  Ch.    IV  3  :  19. 

Rostock.      I  4  :  36.      II  3  :  17.      III 

4  :  19. 
Roter.    I  6  :  77. 
Rothe,  R.  IV  1  :  33. 
Rothmann,  B.    II  7  :  56. 
Rousseau,  J.  J.      I  3  :  11 ;   6  :  15,  17. 

IV  1  :  27,  123 ;  13  :  7 ;  14  :  49. 
Rubeanus  s.  Crotus. 
Rudel  (Theolog).    I  6  :  66. 
Rudhart,  F.    IV  12  :  116. 
Rudolf,   Kronprinz  v.  Oesterreich.     IV 

1  •  3. 
Rudolfslied.    IV  1  :  62. 
Rudolstadt.     IV  12  :  75. 
RUckert,  Fr.     IV  2  :  99—124;  3  :  83; 

IIb  :  31;  14  :  1. 
RUstow,  W.    I  5  :  119. 
Rute,  H.  V.    II  4  :  13  ;  8  :  52. 
RUthling,  B.     IV  4  :  185. 

-  J.  F.    IV  4  :  179. 
RUxner,  G.    II  5  :  48. 

Rug^,  A.    IV  1  :  111;  4  :  75;  6  :  62. 

Ruodlieb.    IV  3  :  2. 

Rusdorf,  J.  r.     III  1  :  6. 

Russland.    IV  IIa  :  49;  12  :  30,  111. 

Russow,  B.    I  5  :  119. 

Russworm.    I  5  :  119. 

Russwurm  s.  Gleichen-Russwunn. 

Rutgers,  J.    II  8  :  38.    III  1  :  6. 

RÜtilius,  M.    II  2  :  10. 

Ryff,  A.    I  5  :  88.    II  5  :  38. 

Saal,  J.    IV  4  :  193. 

Sabinus,  G.    II  7  :  34;  8  :  32. 

Sacco,  Johanna.    4  :  194. 

Sacer,  G.  W.     13:3.    III  2  :  47. 

Sachs,  H.  13:  3;  5  :  92,  101.  II 
1  :  1,.15;  2  :  86;  3  :  23;  4:3,  25 
—  33;  7  :  9;  8:23,  48,  50/1,  50.  III 

5  :  19.    IV  8  :  1;  lle  :  57;  12  :  77. 

-  M.    II  6  :  45. 
.Sachsen.    IV  12  :  1. 
Sachsenheim,  H.  r.     I  1:11.    II  1  :  8; 

3  :  9;  5  :  1,4. 
Sack,  F.  S.  G.    IV  2  :  3. 
Sackmann,  J.  S.    III  5  :  21. 
Sadoleto,  J.    I  6  :  101. 
Sagan.     I  6  :  90. 


Saint-Pierre,  B.  de.    IV  14  :  49. 
Sailer.    15:  119. 

—  J.  M.  I  5  :  119. 

-  S.     IV  1  :  69: 
Salat,  H.     II  4  :  14. 
Saldern,  Frau  v.    16:  77. 
Salieri,  A.    IV  4  :  140. 
Salzdahlum.     I  5  :  118. 
Salingrd,  H.     IV  4  :  82. 
Salis-Seewis,  J.  G.  Fr.  v.     IV  2  :  17. 

-  Familie  v.      I  5  :  119. 
Sallet,  F.  v.    IV  14  :  1. 
Sallustius,  r.    III  5  :  23. 
Salmasius,  C.     III  1  :  6. 
Salvini,  T.  IV  4  :  208. 
Salvius.     III  5  :  13. 

Salzmann,  Ch.  6.  I  6  :  23.  IV  6  :  27  -30. 

-  F.  R.     IV  IIb  :  9,  116. 

-  J.  D.     IV  IIb  :  9,  117. 
Sambucus,  J.    II  8  :  37. 
Sand,  K.     I  5  :  119. 
Sander,  Ch.  L.    IV  1  :  129. 

-  J.  D.     IV  1:90;  IIb  :  20. 

-  J.     II  4  :  18. 
Sanders,  D.    I  2  :  14. 

Saudrini,  Maria  u.  Luigia.     IV  4  :  158. 

Sandrub,  S.     II  5  :  23. 

Sandvoss  (Xantippus).    IV  14  :  8. 

Saphir,    M.    6.     IV  1  :  95;  6  :  7r./9. 

Sapidus,  J.    II  8  :  58. 

Sarasin.     IV  I  :  (W. 

Sartorius,  P.    14:8. 

Sasoerides,  J.     II  8  :  33. 

Sastrow,  B.     II  7  :  58. 

.«^atireu.     11:3.    II  1  :  1 ;  5  :  25-34. 

III  5  :  10—22.     IV  6  :  72. 
Satirische,  das.    I  3  :  143. 
Sattler,  M.    II  2  :  11;  7  :  57. 

-  W.  J.    IV  2  :  100. 
Satzton.    I  3  :  39-40. 

Sauer,  A.  IV  lld:  20;  lle  :  5;  12:77; 
14  :  29. 

-  J.    I  6  :  66. 

Säur,  A.     II  4  :  19;  8  :  54. 

Savigny,      F.    K.    v.       IV    13  :  20/1; 

IIb  :  118. 
Savils,  H.    III  1  :  6. 
Savonarola,  H.    II  1  :  11. 
Saxonius,  J.     II  8  :  1 1. 
Sayve,  L.     14:  8. 
Sealiger,  J.  J.     II  8  :   19.     III  1  :  6. 
Siaudelli,  A.     14:8. 
Scaria,  E.    IV  4  :  195. 
Schack,  A.  F.  Graf  v.    IV  2  :  126/7. 
Schade.    IV  12  :  40. 

-  0.    II  3  :  15. 

Schadow,  G.    IV  IIa  :  35;  IIb  :  120/1 
Schardt,  Fr.  v.    IV  lle  :  29. 
Schäferdichtung.    III  3  :  6.    IV  3  :  19. 
Schaeffler,  .).    14:  42. 
Schaidenreisser,  S.    II  8  :  4. 
Schaitberger,  J.    III  2  :  56. 
Schall,  C.  IV  4  :  83. 
Sehalling,  M.  der  Sohn.    II  2  :  12. 
Schambaeh,  G.  S.    12:  12. 
Schaper,  Prälat.    I  5  :  119. 
Schapff,  G.     14:  40. 
Scharff,  G.  B.     III  2  :  65. 

-  J.  G.     III  2  :  57. 
Scharffenberg,  C.     14:  43. 
Scharnhorst,  G.  J.  D.  v.     1  r,  :  lly. 
Scharpffenecker,  A.    11  4  :  M. 
Scharrer.    1  5  :  119. 
Scharschmid,  M.     II  4  :  17. 
Schartau.    I  5  :  90. 

Sehasler,  M.    13:  68, 
Schauberg,  G.  A.     14:  44. 
Schauer,  H.     I  4  :  41. 
Schaufert,  H.  A.  IV  4  :  72. 
Schauplatz  der  Vorliebten.     III  3  :  2. 
Schauspielkunst.     IV  4  :  207/8. 
Schobest,  Agnese.    IV  4  :  158. 
Schechner,  J.     II  2  :  14. 

-  Nanette.     IV  4  :  160. 


Sachregister. 


187 


Schedel,  H.    II  8  :  11. 

Sehedius,  G.    I  6  :  10/1. 

Scheffel,    J.  V.  v.      IV   1  :  8;  2  :  105, 

217/9;  3  :  96/7. 
Scheffler,  J.    IV  lle  :  37. 
Scheffner.    I  5  :  119. 
Schegk,  J.    I  6  :  68. 
Scheibe!,  J.  G.     15  :  119. 
Sehein,  J.  H.    14:8.    III  2  :  44. 
Seheit,  C.    II  3  :  25;  5  :  30. 
Schelhorn,  J.  G.    15:  119. 
Schellenhauer,  J.  H.     III  2  :  54. 
Scheller,  K.  Fr.  A.     I  2  :  11. 
Öchelling,  Caroline  s.   Schlegel. 

—  F.W.  J.  V.  IV  1  :  27;  3  :  76,  111; 
6  :  63;  llf  :  1;    13:7,    1314,    20,  30. 

Schenck,  M.  I  6  :  10/1. 

Schenk,  E.  v.  IV  1  :  59;  4  :  50,  55. 

—  F.  u.  Francisca.    IV  4  :  185. 

—  J.  H.  V.    IV  1  :  67. 

Schenk  v.  Limburg  s.  Georg  S.  v.  L. 
Schenkel,  D.     15:  119. 
.^chenkendorf,  M.  v.    IV  2  :  73. 
Scher,  H.  H.     III  2  :  40. 
Scherer,  J.    12:4. 

—  W.  I  1  :  1,  2,  11;  2  :  15/6; 
3  :  .32,  69.  n  1  :  1 ;  3  :  19.  IV  1 :  55; 

2  :  30;  4:  203;  lle  :  17,  31a,  33,  43; 
12  :  77. 

Schernhergk,  Th.    II  4  :  7,  8. 
Scherenberg,  L.  F.    IV  14  :  1. 
Scherffer  v.  Scherffenstein,  W.  III  2  :  42. 
Scherr,  J.    I  2  :  20.   IV  3  :  103. 
Schertlin,  L.  II  5  :  31. 

—  S.  V.  Burtenbach.    I  5  :  88. 
Schertweg,  J.    II  4  :  15. 
Seherz,  J.  G.    12:3. 
Schesaeus,  Ch.    II  8  :  47. 
Sehetz,  G.    II  8  :  34. 
Seheubel,  N.    I  6  :  66. 
Seheurl,  Ch.    II  7  :  19. 
Scheurlin,  G.    IV  3  :  132. 
Scheve,  H.    II  8  :  31. 
Schick,  G.    I  5  :  119. 

—  Margarethe.    IV  4  :  161. 
Schickedanz.    I  6  :  78. 
Schieksalstragödie.     IV    1  :  12;  4  :  43, 

126,  204. 
Schiebeier,  D.    IV  4  :  8;  12  :  77. 
Schier,  Ch.  IV  4  :  81. 
Schiessler,  S.  W.    IV  4  :  84. 
Schikaneder,  E.  J.  IV  4:  96;  lle  :  31a. 
Schiida.    II  3  :  25. 
Schildbürger.    II  3  :  25. 
Schilher,  J.    II  2  :  15. 
Schildkneeht.    II  1  :  12. 
Schildo,  E.     II  5  :  44. 
Schiller,  Charlotte  v.    IV  Hb  :  20,  99; 

12  :  5,  9,  15—29,  36,  153. 

—  Elisabetha  Dorothea.    IV  12  :  1,6. 

—  Ernst  V.    IV  1  :  40     IIa  :  82. 
Schiller   F.  v.    IV    12.—    II:   5,  15; 

3  :  14a,  15,  8213,  115,  126;  4  :  12; 
5:  12,  46a,  63;  7  :  44.  IV  1  :  1,  27, 
38,  40,  46,  50,  61,  63,  71,  76,  78, 
125,  130;  2  :  34,  48,  203;  4  :  66,  205; 
6  :  62;  8  :  10;  IIb  :  20,  36;  13  :  7, 
30,  43,  49. 

—  Lyrik.  I  7  :  54.  Kampf  mit  dem 
Drachen.  IV  4  :  80.  W^ürde  der 
Frauen.    IV  11c  :  6. 

—  Epos:  Geisterseher.    IV  3  :  49. 

—  Drama:  Braut  v.  Messina.  IV  4  :  30; 
lle  :  31a.  Jungfrau.  I  7  :  65.  IV 
1  :  108;    4  :  94.    Menschenfeind.  IV 

4  :  103.  Räuber.  IV  1  :  40;  3  :  49; 
4  :  170,  183a.  Teil.  I  7  :  77.  IV 
4  :  146;  Hb  :  53;  14  :  1.  Wallen- 
stein. I  7  :  56,  78.  IV  1  :  1,  121; 
4  :  36,  170. 

—  Gesetzgebung  des  Lykurg.  IV 
1  :  38.  Prosaschrifteu.  I  7  :  63. 
Ueber  naive  u.  sentimentale  Dichtung. 
I  7  :  63.    IV  1  :  58. 


6. 


163. 

7. 

91. 


118, 
:  1, 


1,6, 


-  Zeitschriften:  Hören.  IV  lle  :  22. 
Musenalmanach.  IV  12  :  46.  Thalia. 
IV  3  :  48. 

-  J.  K.     IV  12  :  1,  6,  40. 

-  K.  Ch.     12:  13. 

-  Vetter.    IV  J2  :  5. 
Schilling,  A.  I  6  :  80. 

-  Ch.    II  8  :  36. 

-  G.     IV  3  :  48. 
Schilter,  J.     12:2. 
Schimmelmann,  Graf  E.  v.     IV  12  :  43. 
Schimon,  F.    IV  4  :  162. 

Schimpf-  und  Glimpfreden.     III  5  :  .30. 

Schinderhannes.    16:  119. 

Schindler,  J.  IV  3  :  131. 

Sehink,  J.  F.     IV  4  :  15. 

Schinkel,  K.  F.    IV  lle  : 

Schirges.    IV  3  :  91. 

Schirmer,  A.    IV  3  :  120. 

-  D.     III  I  :  12. 

-  Fr.     IV  4  :  174. 

-  Friederike.    IV  4 

-  M.  III  2  :  63;  3 
Schiraeh,  G.  B.  IV  1 
Schlaf,  J.     IV  1  :  6. 

Schlagin tweit,  Familie  v.    15:  119, 
Schlayss,  J.     II  4  :  36.     III  4  :  39. 
Schlee,  Chr.    II  4  :  44. 
Schlegel,  A.  W.     IV  1  :  8,  51,  7 

128;  4  :  94,  187;  lle  :  28a ;  1 

6,  6,  9—12,  16,  20. 

-  Brüder.    IV  1  :  111. 

-  Caroline.    IV  lle  :  31a;  13 
9,  14 1 7,  20. 

-  Dorothea.    IV  13  :  5,  1819. 

-  F.  IV  1  :  2,  27,  66,  78;  4  :  139; 
lle  :  14b,  30,  31b;  13  :  1,  6-7,  9, 
11,  14,  19.  20,  26. 

-  J.  A.    14:  12. 

-  J.  E.    IV  4  :  2—4. 
Schleich,  M.    II  2  :  16.    IV  4  :  73. 
Schleicher,  A.    I  2  :  19.    IV  1  :  60. 
Schieiden,  M.  J.    I  5  :  119.   IV  1  :  61. 
Schleiermacher,    Fr.      II   6  :  43.      IV 

1  :  33  ;  13  :  2619. 
Schleifer,  M.    IV  2  :  140. 
Schlenkert,  F.  Ch.    IV  3  :  12. 
Schlesien.    IV  IIb  :  58. 
Schlesisehe    Schule,    zweite    und   ihre 

Gegner.    III  2  :  60|2. 
Schleswig.    IV  IIb  :  79. 
Schlez,  F.  J.    16:  93. 
Schlichtegroll,  A.  H.  F.    IV  1 
Sehliehtkrull,  Aline  v.    IV  3  : 
Schlick,  Graf.    I  6  :  119. 
Sehlippenbaeh,  U.  Frh.    IV  13 
Schlosser,  F.  A.     IV  1  :  10;  11c  :  25. 

-  J.  G.    16:  12. 

-  P.  H.    IV  IIb  :  119. 
Schlözer,  A.  L.  IV  1  :  64,  96;  6  :  14. 

-  Dorothea.    IV  1  :  120. 
Schlue,  J.    II  4':  40. 

Schlüter,  Ch.  B.  I  5  :  119.  IV  1  :  8. 
Schmalz.     I  5  :  119. 

-  A.     IV  4  :  164. 
Schmalkaldischer  Krieg.    II  1  :  1. 
Schmelka,  A.    IV  4  :  176. 
Schmeller,  A.    12:4,  10. 
Schmeltzl,  W.    II  4  :  37. 
Sehmid,  Bernhard.    14:8. 

-  Ch.  V.  15:  119.  IV  1  :  93;  3  : 
63 '4;  4  :  146. 

4  :  16. 
IV  4  :  74. 
I  6  :  29. 
I  5  :  31/2. 
,  M.    II  4 


:  92. 
109. 


69. 


II 


—  G 

—  H.  V. 

—  K.  A. 

—  L.  V. 
Schmidder, 
Schmidt,  Erich.   I  1 

—  F.     IV  3  :  92. 

—  F.  L      IV 

—  H.     IV  4 

—  .Julian.      I 
3  :  1-2. 

—  Karl.    I  6 


8  :  48. 

IV  4  :  9,  36. 


4  :  171/2. 
196. 
2  :  21.      IV    1  :  20,  55; 

:  30. 


Schmidt,  J.  Chr.    IV  2  :  6. 

-  J.  G.     IV  Hb  :  39. 

-  Th.     II  4  :  36. 

-  Klamer,  E.  K.    IV  2  :  48. 

Wemeuehen,  F.  W.  A.   IV  1  :  40. 

Schmieder,  H.    III  4  :  26. 
Schnabel,  L.    IV  4  :  49 ;  13  :  33. 
Schnadahüpfel.     IV  2  :  175. 
Schneckenburger,  M.    IV  2  :  215a. 
Schneefallgedichte.     I  3  :  36. 
Schneider,  E      IV  1  :  31. 

—  H.     II  1  :   12;  5  :  41. 

-  J.  K.    IV  IIb  :  42. 

-  Th.     II  1  :  13. 

-  V.     I  6  :  74. 
Schnepperer.  II  5  :  12. 

Sehnyder  von  Wartensoe.    II  4  :  11. 

Sehobsser,  H.    II  8  :  56. 

Schoch,  J.  G.    III  4  :  14. 

Schock,  P.     II  8  :  43. 

Schöffer,  P.    I  4  :  51/2. 

SehöU,  A.  IV  lle  :  29;  13  :  67. 

Schönaieh,  Ch.  0.  v.  IV  8  :  2. 

SehOnborg,  H.  F.  v.  II  3  :  25. 

Schönborn,  C.  IV  2  :  29. 

Schöne,  das.    I  3  :  11,  14,  20,    59,   68 

—81,  83. 
Schöneraann,  Elisabeth.     IV  IIb  :  86. 

—  J.  F.     IV  4  :  6,  166. 
Schönkopf,  Käthchen.  IV  Hb  :  81. 
Sehön<perger,  H.     II  8  :  56. 
Schöpper,  J.     II  8  :  51. 
Scholastieismus.     II  1  :  1. 
Scholz  V.  Rosenau,  L.  II  8  :  6. 
Seholze,  J.  S.    111  2  :  62. 
Sehomburg,  Familie.    IV  12  :  30. 
Schopenhauer,  A.  I  3  :  6.  IV  1  :  16/7. 

27/9,  111. 

—  Johanna.    IV  1  :  47. 
Schosser.    IV  3  :  131. 
Schott,  G.    III  4  :  21. 
Schottel,  J.  G.  I  3  :  3. 
Schreiber,  H.    II  8  :  15/6,  18. 
Schreyer,  H.   IV  lld  :  12. 
Sehreyvogel,    C.   (West)     IV   4  :  108, 

126,  136. 
Schriftsprache.  11:11.  II  8  :  17. 
Schriftwesen.    I  4. 
Schröder,  Edw.    II  8  :  48. 

—  F.  L.  IV  1  :  47;  4:9,  18/9, 
166,  169—70,  181;  6  :  51. 

—  J.     III  4  :  19. 

—  Sophie.     IV  4  :  170. 

—  Sophie  Charlotte.    IV  4  :  166. 

—  -Devrient,  Wilhelmine.  IV  4  :  152. 
Schröer,  K.  J.    IV  lle  :  29,  55. 
Sehröter,  Corona.  I  4  :  12.   IV  1  :  46; 

Hb  :  90. 
Schubart,  Ch.  F.  D.  1^5  :  12.  IV  2  :  40/7 ; 
11  :  1,  87. 

-  F.  X.    IV  4  :  35. 
Schubert,  F.  IV  4  :  137. 
SchUeking,  L.    IV  6  :  74. 
Schüler,  G.  s.  Sabinus. 

-  G.  IV  Hb  :  20. 
Sehuoler.    IV  1  :  47. 
Schttrer,  M.  II  5  :  42. 
Schütz,  J.  W.    III  3  :  2. 
Schütze,  St.    IV  1  :  40. 
SchUtzonwesen.  I  5  :  60. 
Schuldrama.       II  4  :  39,  44/8;    8  :  48; 

Bern  III  4  :  14;  Salzburg  II  8  :  49; 
Wien  IV  12  :  90 

Schulactus  (Berlin)  III  4  :  18. 

Schulausgaben.  17.-  IV  12  :  54,  99, 
132;  Englische  IV  12  :  52,  130,  133, 
146;  Französische  IV  12  :  55,  62, 
115.  134/6,  145 

Schuld  und  Sühne.     I  3  :  32,  34,  Hl. 

Schulen  (Akademien,  Gymnasien,  Uni- 
versitäten usw.) :  I  6.  —  Arnstadt  I 
6  :  74;  Barmen  I  6  :  75;  Ba.sol  II 
8  :  18a;  Bayern  I  6  :  23;  Berlin  I 
6  :  76:     Böhmen  I  6  :  91;     Bologna 


188 


Sacliregister. 


11  8  :  56;  Brandenburg  a.  H.  16: 
77;  Braunschweig  I  6  :  65;  Dessau 
(Philanthropin)  I  6  :  21,  78.  IV  6  : 
25,  27,  42;  Eupen  I  6  :  79;  Glück- 
stadt I  6  :  81 ;  Halle  I  6  :  67  ; 
Heidelberg  II  8  :  2;  Iferten  IV  6  : 
34;  Ingolstadt  I  6  :  64.  II  8  :  30; 
Jena    IV  1  :  60,  71;    Königsberg    II 

7  :  34;  Landshut  I  6  :  64;  Leipzig 
I  f>  :  61,  63.  II  1  :  13;  5  :  17; 
Mahren  16:91;  Marburg  II  8  :  7 ; 
Montpellier  II  8  :  5;  München  I 
6  :  64.  II  8  :  8,  52 ;  Münster  II  5  : 
16;  Neuhof  IV  6  :  34  ;  Neustadt  (0.- 
Schl.)I  6  :  84;  Neustettiu  I  6  :  85; 
Oesterreieh  I  6  :  91 ;  Pavia  II  8  :  56 ; 
Sachsen  I  6  :  56;  Salzburg  16:  62; 
Schlesien    I  6  :  90;     Schlettstadt  II 

8  :  58;    Schweiz   I  6  :  65 ;    Soest  I 
6  :  86;    Solitude   IV  1  :  46;    12  :  1, 
5-6;  Stettin  I  6  :  87;  Strassburg  II 
8  :  18a.     III    1:6;     Tübingen  I  6 
68;  Ulm  II  8  :  52;  Weilburg  I  6  :  88 
Weimar    IV  10  :  5;    Wien  I  6  :  73 
Worms  II  5  :  30. 

Schulenburg,  Graf  Matthias  v.  d.      IV 

6  :  64. 
Scliulorduungen.  Jesuitische    I  6  :  58; 

siebenbUrgisch-sächsische  I  6  :  67. 
Schulprogramme  I  4  :  76. 
Schultz,  Johannes  14:8. 
Schnitze,  G.    III  5  :  31. 
Schult,     Anmariek    (Wuthenow).      IV 

3  :  112. 
Schulwesen.    16.    II  1  :  1.    III  1  :  4. 

IV  10  :  5 ;  s.  auch  Volksschulwesen. 
Schulz  (Berliuer  Aufklärer).  IV  1:76. 
Schulze,  E.    IV  13  :  52/7. 

-  -Kummerfeld,  Caroline.    IV  4  :  166 ; 
IV  IIb  :  44. 

Scturaan,  H.    II  1  :  13. 
Schumann,  R.    IV  4  :  134. 

-  V.    II  3  :  25. 

Schupp,  J.  B.    III  1  :  3,  6 ;  5  :  13/4. 

Schurz,  K.    IV  1  :  58. 

Schussenried.    I  5  :  94 

Schuster,  F.    IV  4  :  94. 

Schuwitz,  M.    IV  1  :  78. 

Schwab,  G.  IV  2:38,  48,  202;  3:77|8; 

12  :  44. 

-  J.  Chr.    IV  2  :  16. 
Schwabische  Dichtung.  IV  1 :  69 ;  2  :  16; 

12  :  1 ;  14  :  28. 
SchwSbisch-Hall.    II  3  :  15. 
Schwan,  C.  F.    IV  12  :  7. 
Schwankbücher.    I  5  :  101.  II  3  :  1416. 
Schwartz,  G.    II  1  :  13. 
Schwarz,  F.  H.  Ch.     16:  32. 

-  Sibylla.     1 1  :  13. 
Schwarzonberg,  J.  v.    II  1  :  1 ;  7  :  37. 

-  L.  J.  F.    Fürst  V.    IV  14  :  50. 
Schweden.    III  1  :  6 ;  5  :  13|4. 
Schwedisch-polnischer  Krieg.  III  5  :  14. 
Schweisthal,  M.    I  3  :  68. 
Schweitzer,  Ch.  II  3  :  23. 

Schweiz.    III  5  :  23,  25.    IV  1  :  32,  68, 

89,  126;  IIb  :  50. 
Schweizer,  die.    IV  2  :  3,  16. 
Schwenckfeld,  K.  v.    II  1  :  1. 
Schwieger,  J.    III  2  :  45. 
Scioppius,  C.    III  1  :  6. 
Scott,  W.    12:5.    IV  3  :  1-2. 
Scriptor.    I  4  :  30. 
Scultetua,  A.    III  1  :  6, 

-  J.    III  1  :  6. 
Scurris,  De.    II  6  :  25. 
Sebastian!,  F.    IV  4  :  174. 
Sebisias,  A.    III  1  :  6. 
Seckeudorf,  V.  L.  v.    III  1 :  2,  4 ;  5 :  14. 

-  S.  T.    IV  Uc  :  3,  21. 
Seebcr,  J.    IV  1  :  3. 
Beelengirtlein.    II  5  :  7—8. 
Seidl,  A.    I  3  :  17. 
Seiler,  A.    IV  4  :  13,  174. 


Sektenwesen.    II  1  :  1 ;  9,  10,  12|8. 

III  5  :  1-6. 
Selbstbiographien.       IV     1    :    66—63; 

IIb  :  1-14. 
Seiden,  Camilla.    IV  14  :  1. 
Seiner,  J.    III  4  :  35. 
Selneccer,  N.    11  7  :  37;  8:  47. 
Senckeuberg,  H.  Ch.  Frh.  v.  IV  1  Ib  :  64. 
Senfl,  L.    II  4  :  48;  6  :  19. 
Senftleben,  A.    III  1  :  f>. 
Sensenschmidt,  J.    14:  20. 
Sentenzen.    III  5  :  27. 
Sepp,  J.  N.    III  4  :  62. 
Serassi.    IV  Ile  :  28a. 
Servaes,  F.    13:4. 
Sesonheim.    IV  IIb:  45/7;      11c  :  8-9. 
Seuffert,     15.       II  3  :  12.     IV  8  :  14; 

11c  :  15;  lld  :  20. 
Sexuelles.  I  3  :  125. 
Sexwochius,    Wigaudus    P.ohemus.     III 

4  :  24. 
Seyfried,  J.  v.    IV  4  :  181. 
Shaftesbury,   A.  A.  C.  v.    13:  0.     IV 

1  :  126 ;  6  :  49. 
Shakespeare,  W.     I  1   :  5;  3  :  46,  101, 

103.    II  4  :  2,  46.    III  4  :  5,  6.     IV 

1  :  40,  1-25,  127/8;  4  :  4,  14,  17—21,  28, 

94,  103,  119,  169,  183,  183a,  187-90, 

203;    6  :    5;    IIa  :   45/7;    lld  :   22; 

llo  :  27,  40,  52;  12  :  117,  124;  13  : 

15;  14  :  53. 
Sbakespearebühne.  IV  4 :  187—90;  llo  :  6. 
Sibylla  Ursula,   Prinzessin  von   Brauu- 

schweig.    III  3  :  9. 
Siekingen,  F.  v.    II  1  :  1. 
Sidonle  v.  Sachsen.    II  5  :  9. 
Sieben  Freuden.    II  3  :  18. 
Sibmacher,  J.    15:  101. 
Siegfriedslied.    II  3  :  1—2. 
Silesius,  Angelas,  s.  Scheffler. 
Simplicius  Simplicissimus.    III  3  :  8. 
Sinner,  K.  F.    IV  IIb  :  92. 
Sittengeschichte  s.  Kulturgeschichte. 
Skepsis,  Historische.    IV  6  :  61. 
Sleidanus,  J.    15:  101. 
Smith,  A.     IV  13  :  9. 
Soeialismus  (im  Roman).     IV  3  :  17. 
Socialpolitik.    III  1  :  2. 
Soden,  J.  Frhr.  v.    IV  4  :  9. 
Somnambulismus.    IV  4  :  30,  35. 
Sonnenfels,  J.  v.    IV  1  :  65. 
Sophie  V.  Hannover.    III  3  :  9. 

—  Grossherzogin    von    Sachsen.     IV 
IIa  :  73;  IIb  :  15,  18. 

Sophie  Eleonore.    III  4  :  7. 
Sophokles.    I   3  :  103.    III  4:8.    IV 

4  :  30,  61;  12  :  79. 
Soubretten.    IV  4  :  165. 
Spalatinus,  G.    II  8  :  12. 
Spalding,  G.  L.    IV  1  :  78. 

—  J.  J.    IV  11c  :  15. 
Spalting,  S.    II  7  :  44. 
Spangenberg,  W.    II  8  :  54. 
Spanien.    II  4  :  4.    III  3  :  1. 
Spannagel.    III  4  :  20. 
Spaziergangsmotiv.    II  1  :  12. 
Speculariator.     I  4  :  30. 

Spee,  F.     I  1  :  11.    III  2  :  52. 

Speior.    I  4  :  52.    II  3  :  21. 

Spener,  J.  K.  Ph.    IV  6  :  42;   12  :  76. 

Spengler,  L.    I  5  :  92. 

Speratus,  P.    II  7  :  34. 

Sperontos.    III  2  :  62. 

Spiegel.    IV  Hb  :  20. 

Spiel  und  Gegenspiel.    I  3  :  31. 

Spielberger.   IV  4  :  174. 

Spielgrafen.    I  5  :  108.    IV  4  :  197. 

Spielhagen,  F.    IV  1  :  6,  58;  3  :  2,  4. 

Spindler,  G.     H  1  :  13. 

Spinoza,  B.    IV  IIa  :  17;  llf  :  1,  4. 

Spitta,  C.  J.  Ph.     IV  2  :  190/8. 

—  H.    IV  2  :  198. 

Spittler,  L.  Th.  Frhr.  v.    15:  12, 
Sporor,  H.    I  4  :  20. 


Spottlicder.     II  l  :  12.     III  2  :  7 
Sprache  (Stil):  Bibel.  IV  4  :  14;  llf:6; 

Fischart.     II   5    :    32;      Goethe.    IV 

llo  :  19;     lld   :  2l;     Ue  :  20,   41; 

J    Grimm.    12:6;    W.  v.  Humboldt. 

IV  6  :  57.    H.  v.  Kleist.  IV  4:  26/8; 

Lenz  IV  4  :  14;    Munier   II  5  :  26; 

J.  E.  Schlegel.  IV  4  :  2;  Steinhöwel. 

II  8  :  44. 
Sprachwissansehaft     11:1,  5—6. 
Sprachgesellschaften.    III  5  :  7—8, 
Spreng,  J.  J.    IV  1  :  68. 
Sprichwörter.  II  5  :  17,  26;   6  :  27.  III 

2  :  6  ;  5  :  25/6. 
Sprüche,    I  5  :  2:i;8.    II  1  :  12;  3  :  10. 

19;   5  :  2,  II,  14—22,   24/5,    42.    III 

5  :  28. 
Staatsrecht     III  5  :  13. 
Staden,  J.     14:8. 
Stadiin  s.  Zehnder-S. 
Städcl,  Rosine.    IV  Ile  :  5. 
Städele,  Ch.    IV  2  :  43. 
Städelsches  Institut.    IV  13  :  19. 
Städtewesen.     II  1  :  1. 
Stael,  Anne  Louise  Gorvaise  de.    IV  1  : 

114-20;  13  :  12. 
Staudlin,  G.  F.    IV  12  :  53. 
Stahr    A.     IV  1  :  73. 
Stammhoira.     II  5  :  24a. 
Stapfer,  Ph.  A.    IV  6  :  35. 
Staphylus,  F.     II  7  :  34. 
Starck,  Prof.    IV  12  :  46. 
Stauf.     IV  Hb  :  7. 
Staupitz,  .L  V.     5  :  9;  7  :  9—11 
Stegreifdichtung     I  5  :  113. 
Steiermark.    I  5  :  78 
Stein,  Charlotte  v.  IV  IIb  :  33/4;  14  : 1. 

—  H.  V.    13:  0. 

—  Marquard  v.    II  3  :  19. 
Steiner,  H.    II  8  :  56. 
Steinfass,  M.    III  5  :  7. 
Steinhöwel,  H.  I  1  :  11.    II  8  :  44. 
Stendhal  s.  Beyle. 
Stenographie.    I  4  :  3—4. 
Stephani,  C.     II  1  :  13. 

—  J.     14:8. 

Stephanie,  G.  d.  jUng.     IV  1  :  83. 

—  J.  G.  u.  Frau.     IV  4  :  174. 
Stern,  A.    IV  3  :  102. 
Sterbebüchlein.    II  5  :  9,  10. 
Sterbenden   Menschen,    Moralitilt    vom. 

II  4  :  6. 
Sterne,  L.     I  :i :  143.   IV  1  :  125;  8:17. 
Sterzinger  Spiele.    II  1  :  8. 
Stettin.     11  4  :  24. 
Stiefel,  M.    II  2  :  2. 
Stieglitz,  Charlotte.  IV  1  :  61 ;  13  :  50 

-62;  14  :  1,  60. 

—  H.     IV  1  :  60;  13:62. 
Stieler,   K.    I  5  :  31/2. 
Stiepanek,  E.    IV  4  :  200. 
Stifter,   A.    IV  1  :  2;  3  :  3,  111. 
Stifter,  geistliehe.    I  5  :  94/5. 

Stil.  I  3  :  101/2,    104/9,  11    IV  13  :  21  ; 

14  :  1.     S.  auch  Sprache. 
Stilvoll.    I  3  :  101. 
Stintzing,  J.  A.  R.  v.     II  8  :  15. 
Stiruer,  M.    IV  1  :  16.  3:t,  60. 
Stock,  Dora.    IV  12  :  :!5. 

—  J.     II  8  :  7. 
Sto.kholm.     III  5  :  31 
Stöber,  A.     IV  2  :  220/1. 
Stoflfvergloichung.    11:5. 
Stolberg,  Brüder     IV  2  :  48. 

—  Ch.  Graf  zu     IV  I  :  76. 

—  F.    L.    Graf     zu.      I    5  :  12.    IV 

I  :  51,  72,  126. 
Stolle,  K.    II  1  :  1. 

Stollmcrs,  Sophie,  s    Sehröder,  Sophie. 
Storm,  Th.     I  5  :  8i.    IV  3  :  49. 
Stranitzky,  J.  A.    II  4 :  3.  III  4  :  32/5. 
Stransky.    I  3  :  68. 
Strassburg.    I  4  :  18,  31,  75;    5  :  102. 

II  3  :  20/1,   24;  8  :  39,  .'>4,  58.     III 


Sachregist^ 


189 


1:6;    2  :  24.      IV    IIb  :  1,   8—13, 

4Ga;  11c  :  8,  14. 
Straube,  W.     IV  4  :  102. 
Straucli,  P.     II  8  :  42,  44. 
Strauss,   D.    F.     II  8  :  24.     IV  1  :  15, 

33;  3  :  2;  14  :  52. 

—  N.    II  1  :  13. 
Streicher,  A.    IV  12  :  5. 
Streitschriften.    11:3.    II  7  :  37. 
Streufdorf.    II  5  :  17. 

Stricker,  B.    I  6  :  81. 

—  J.    II  4  :  40/2. 
Strodtinann,  A.     IV  1  :  58;  14  :  30. 
Strophe.    I  3  :  25. 

Stroza,  C.     II  5  :  30. 

Strube,  G.     III  2  :  38  ;  3  :  10. 

Strümpell,  L.     IV  6  :  22. 

Studiersucht.     I  5  :  73. 

Stüven,  P.    IV  4  :  6. 

Sturm,  J.    III  1  :  6.    15:  101. 

-  J.  V.    16:  10/2. 

Sturm  u.  Drang.     IV  1  :  19,  127;     2  : 

17,  40;  4  :  9-16. 
Studeiitenleben,      Comödie    vom.      III 

4  :  14. 
Studeuteuthoater.      III    4    :    19.      IV 

4  :  199. 
Stumpf,  J.     II  5  :  24/4a. 
Stuttgart.     I  4  :  33;     6  :  29.    III  4   : 

20.     IV  12  :  1. 
Sucre,  Ch.  J.    IV  2  :  6. 
Sudermann,  D.    II  7  :  37. 

-  H.    IV  1  :  61. 
Sue,  E.    IV  3  :  1,  2. 
Sueton.    IV  llo  :  27. 
Sultanstochter    im    Bluineugarten.     II 

2  :  39. 
Sulzer,  Th.    IV  2  :  16. 
Suphan,  B.    IV  lle  :  5,  17,  31c. 
Surgant,  J.    II  5  :  9. 
Suso,  H.    II  5  :  9. 
Swift,  J.     I  3  :   143.     IV  1   :  125. 
Swoboda.    IV  1  :  3. 
Syllabus  autorum  irenicorum.   III  1  :  6. 
Symbol.     I  3  :  14,  C9,  109. 
Symbola.     II  1  :  13. 
Syntax.     II  8  :  44. 
Szamatölski,    S.      II    3  :  28;     8   :   28. 

III  5  :  19. 
Sztaukovitz,  S.     IV  4  :  124/5. 


Tabak.    I  5  :  72.    III  5  :  20. 

Taboritou.    II  1  :  1. 

Tacitus,  P.    15:5. 

Tagebücher,    11:1. 

Taillaudier  s.  Renö-Taillandier. 

Taine,  H.    I  1  :  1 ;  5  :  1. 

Tanaweschel.    II  4  :  10. 

Tanz.    I    5   :  66/7.    112:26;    3  :  10; 

5  :  1,  3.    III  2  :  26/7. 
Tarifla  v.  J.  1572.    II  1  :  17. 
Tarnow,  Fanny.    IV  14  :  50. 
Tarraeus  llebius  nob.  a  Sperga  s.  G.  M 

Lingelshoim. 
Tatius,  Markus.  II  8  :  4. 
Tauck,  J.  II  5  :  39. 
Tauler,  J.    I  4  :  95. 
Taylor,  G.    IV  3  :  4. 
—  W.     IV  1  :  125. 
Technik  der  Dichtkunst.    I  3  :  25. 
Teckler,  J.    II  8  :  51. 
Teilsage.  I  1  :  11.  II  5  :  24.  IV  IIb  :  53. 
Tendenziös.    I  3  :  112/3. 
Teientius,  P.    IH  4  :  19. 
Tetschen.    II  1  :  13. 
Tetzel,  J.    II  6  :  49;  7  :  71. 
Teuerdank.    I  5  :  101. 
Teufel,  der.    II  5  :  3,  44.    III  4  :  39. 
Textkritik.    II  8  :  56.    III  5  :  12. 
Textor,  SV.    II  5  :  9. 
Thalia  s.  Schiller. 
Theater.     I  5  :  40/2.     II  8  :  48.     IV 

4  :  151-200;  Hb  :53;  lle :  29b, 


In  Berlin.  IV  1  :  61,  76;  4  :  34, 
104,  175-83;  Dan-iig.  IV  4  :  166; 
Dresden.  IV  4  :  32;  Hamburg.  IV 
4  :  6,  19,  168,  170/2  ;  Köln  IV  4  :  174; 
Leipzig.  IV  4:  156;  IIb:  44;  Magde- 
burg. IV  4  :  172;  Mannheim.  IV 
4  :  9,  21,  173;  12  :  1,  8;  München. 
IV  4:  57,  68,  183-90;  Nürn- 
berg. II  4  :  31/2;  Prag.  IV  4  :  20; 
Rostock.  II  4  :  43  j  4;  Salzburg.  II 
4  :  39;  Schweiz  IV  4:166|8;  Tilsit. 
IV  4  :  155;  Torgau.  III  4  :  7.  Un- 
garn IV  4  :  201 1 2;  Vicenza  III  4  :  38; 
Weimar  IV  4  :  13,  61;  Wien  III 
4  :  35,  94-138.  141,  183,  191-202; 
lle  :  9;  Württemberg.  III  4  :  20; 
Zürich.     IV  4  :  168. 

Thausing,  M.     II  5  :  46. 

Tliomar,  A.  Werner  v.  s.  Werner. 

Theologisches.  II  1  :  1,  12.  III  1  :  6. 
IV  1  :  33. 

Tlieophilus.    II  4  :  7. 

Tlieuerdank  s.  Tcuerdank. 

Thiers,  L.  A.  de.    IV  14  :  48. 

'1  hiersch,  F.     12:  5. 

Thill.     IV  2  :  16. 

Thrmasius,  Ch.     IV  1  :  2J. 

Thompson,  J.     IV  1  :  125. 

Thoranc,  Graf  (Thorano)  IV  IIb  :  41. 

Tbuanus,  J.  A.     III  1  :  6. 

TliUmmel,  M.  A.  v.    13:  143. 

Thüringen.     IV  IIb  :  53. 

Thym,  G.     II  7  :  41. 

Tieck,  L.  IV  1  :  2,  47,  61 ;  3  :  5,  40, 
49;   4  :  57,  134,  143,  190;    12  :  154; 

13  :  3,  6,  22/4.  32;  14  :  1. 
Tiedge,  Ch.  A.    I  5  :  12.  IV  1  :  47,  78; 

2  :  48. 
'lierepos.    II  3  :  17/8. 
Tiere.    I  5  :  53. 
Tietzen,  H.    III  5  :  6. 
Timme,  Ch.  F.    IV  12  :  87. 
Timon.     IV  4  :  103. 
Tinte.    II  1  :  17. 
Tischbein,  H.    IV  3  :  53, 
Tittmann,  J.     11  4  :  30. 
Titurel.     I  4  :  18. 
Töpfer,  K.    IV  3  :  120. 
TöpfFer,  R.    IV  1  :  111. 
Toppen.     II  8  :  32. 
Toggenburg.     III  5  :  23. 
Toleranz.     I  6  :  81. 
Tolotzqui    N.  II  1   :   13. 
Tolstoi,  L.    I  3  :  120;  5  :  67. 
Tomaschek,  K.     13:  15. 
Tommaseo,  N.     IV  llf  :  1-5. 
Torressani,  A.     14:  39. 
Totentänze.   II.   2  :  32/3.   III  2  :  15/6; 

4:3.     IV  4  :  57. 
Trachtenbilder.    III  1  :  4,  11. 
Träger,  A.    IV  2  :  233. 
Tragödie.     13:6,  32,  50,  90,  111.    II 

1  :  13;  8  :  3. 
Tranchierbücher.  II  5  :  43. 
Transsumptor.     I  4  :  30. 
Trapp,  E.  Ch.    IV  6  :  27. 
Traummotiv.    II  1  :  12. 
Trautmann,  K.    II  8  :  52. 

—  M.     13:  69. 
Troitscbke,  H.  v.  IV  lle  :31a;  13:  CO; 

14  :  1,  8. 
Trendelenburg,  A.    17  1. 
Trenkle,  J.  B.     IV  11c  :  26. 
Tressan,  Graf.     IV  8  :  16. 
Treuter.    IV  IIa  :  27. 
Tricesius,  A.  '  II  7  :  44. 
Trinklieder.    III  2  :  7,  9. 
Tritbemius,  J.    II  1  :  1;     8  :  22. 
Tscherning,    A.  I    3  :  3.  III  1:6;  2  :  34. 
'1  sehechisehe  Litteratur     II  1  :  13. 
Trochäus,  achtfüssiger.     III  5  :  23. 
Trompeterständchen.     III  2  :  19. 
TrUmpelmann,  A.     II  1  :  10. 
Tücher,  Sixtus.    II  8  :  30. 


Tübingen.     I  4  :  .33. 

Türkenfurcbt.     III  5  :  14. 

TUrkengedicht.     II  1  :  12. 

Turenno,  Henri    Vieomte  de.    III  3  :  4. 

Turgenjew,  J.  IV  lle  :  13. 

Turn,  Kitter  vom.     II  5  :  8. 

Turnebus,  A.    III  4  :  8. 

Typus.     I  3  :  104,  109,  118/9,  12i. 

Tyrol.     I  5  :  77.     IV  2  :  173-82. 

Uebersetzungen,  deutsche.  II  1  :  13. 
5  :  14/6.  III  2  :  27.  3  :  1—2,  9;  4  : 
19-20.  IV  1  :  3;  Aesop  II  8  :  44 
Apollonius  II  8  :  44;  Corneillo  IV 
lle  :  3;  Dekameron  II  8  :  44;  De- 
mosthenes  11  8  :  21 ;  Griseldis  II  8  : 
44;  Homer  II  8  :  4;  Lucian  -11  8  : 
21,  23;  U.  Pisani  II  8  :  56;   Plautus 

11  8  :  56;  Poggius  II  8  :  46;  Reuch- 
lins  Henno  II  8  :  23;  Sapidus'  La- 
zarus II  8  :  58. 

Uhde,  H.     IV  1  :  61;  4  :  171. 
Uhlaud,  L.     17:7.     IV    1  :  111;    2  : 

137,   161,   202;    3  :  53,  76;    4  :  134; 

13  :  43|7,  49. 
Ulilich,  G.     IV  4  :  6. 
Ulm.     I  4  :  42;  6  :  29.     II  8  :  52. 
Ulrich,  Herzog  v.  Pommern.     1   6  :  85. 

—  V.  Württemberg.    II  1  :  12. 
Ulriei,  H.    IV  1  :  41;  4  :  187. 
Ulseu,  D.    II  8  :  18. 

Unckel,  B.  v.    14:  21. 
Ungarn.     IV  1  :  66,  129;  12  :  63. 
Ungern-Sternberg,  A.  v.    IV  1  :  58,  61. 
Universitäten  s.  Schulen. 
Universitätsangelegenheiten.     I    1:5; 

4  :  75.     IV  1  :  120;  IIa  :  66. 
Unordnung,  Künstliche.    13:6. 
Unsittlichkoit.     15:8. 
Unterhaltungen  (Zeitschrift).  IV  IIb:  44. 
Unterricht,  deutscher.    I  7  :  1—17. 
Unterrichtsanstalten  s.  Schulen. 
Unzelmann,    Friederike.     IV    IIb  :  24; 

12  :  46. 

Unzer,  L.  A.    IV  4  :  19. 
Urform  der  Poesie.     I  3  :  60. 
Urlichs,  L.    IV  12  :  43. 
Ursinus,  Z.     II  7  :  36. 
Usteri,  J.  M.    IV  1  :  121;  2  :  48;  3  :  53. 
Utilitätsprinzip.     16:6. 
Uz,  J.  P.     II  3  :  32.     IV  2  :  3,  4—17; 
8  :  2-3. 

Vahlen,  J.    IV  lle  :  17. 
Vaigel,  G.    II  8  :  3. 
Varnhagen  von  Rnse,  Friederike  (Rahel). 
IV  1  :  10,  84;  14  :  1. 

—  K.  A.    IV  1  :  61,  84;  6  :  64;  llf  :  12. 
Vaudreuil,  Gräfin  v.    IV  IIb  :  61. 
Vega,  Lope  de.    IV  Uc  :  3. 

Veghe,  J.    II  5  :  7. 

Veit,  G.    IV  13  :  19. 

Veldeke,  H   v.    IV  1  :  126. 

Velsius,  J.    11  7  :  44. 

Veiten,  J.    III  4  :  15. 

Veithera,  Anna  Elisabeth.    IV  4  :  174. 

Venedig.    III  5  :  31. 

Venusgärtlein.   III  2  :  2. 

Vt^ra,  A.    IV  1  :  111. 

Vererbungstheorie.    11:1. 

Vergleichende    Litteraturgeschichte.     I 

1  :  5. 
Verlorener  Sohn.    II  4  :  5.    III  4  :  2a. 
Venator,  B.    III  1  :  6. 
Vernunft,   Tempel   der,   in   Strassburg. 

IV  1  :  31. 
Vers.    I  3  :  25,  100,  142. 
Versfuss.    I  3  :  25. 
Verstand.     13:4. 
Viehoff,  H.    13:  42,  69. 
Vierordt,  H.     IV  2  :  228. 
Villers,  Ch.  de.   IV  1  :  47,  120;  IIb  :  29. 
Vinci  s.  Leonardo  da  V. 


190 


Vincke,  E.     II  5  :  11. 

Vindler,  .7.  W.    II  2  :  44. 

Vintlor,  H.  v.     IV  2  :  174. 

Virbio,  L.    IV  lld  :  t». 

Virdung,  M.    III  1  :  6. 

Virgilius,  Zauberer.    II  1  :  12. 

Vischer,    F.     13:  22,  26/7.     IV   1  : 

60,  69;  2  :  80/1,  94,  223;  6  :  62. 
Visclierin    (Fischartin  ?),    Barbara.      II 

8  :  20|1. 
Visitationsberichte.    I  6  :  57. 
Vital,  M.     I  4  :  31. 
VitalienbrUder.    III  2  :  2. 
Vlcek,  F.    IV  lle  :  34. 
Vogel,  Ign.     IV  2  :  17. 
Voigtländer,  G.    III  2  :  22. 
Volkmann,  R.  v.   (R.  Leander).     IV  2  : 

224/6. 
Volksbücher.     I    4  :   18,  33;    5  :  101. 

II  3  :  14,   14a,  25-35;   5  :  26.    IV 
13  :  32. 

Volksepigramraatik.    I  5  :  29. 

Volksetymologie.    I  5  :  30. 

Volkskunde.    I  5  :  15—38. 

Volkslieder.  I  3  :  36/7;  7  :  47.  II 
1  :  1,  8;  2  :  17-42.  lU  2  :  2-19, 
20/2,  63/5.  IV  2;  32.  54,85/6,  175/6, 
235-49;  4:  14;  11c:  11/3,  26;  13:34. 

Volk-smarcheu.     IV  2  :  32;  13  :  32. 

Volkspädagogik.    I  5  :  39—55. 

Volksschulwesen.    16:8,  32,  35,  90/4. 

III  1  :  4. 

Volksstucke.     II   4  :  33.     IV    4  :   57, 

74,  94,  126,  146/9. 
Volkswitz.    I  5  :  30. 
Volkstädt.    IV  12  :  42. 
Voltaire,  F.  M.  A.  de.    IV  1  :  98,  103, 

105/7;  2  :  48;  4  :  6,  19;  lle  :  31a. 
Volz,  P.    II  8  :  18. 
Voudel,  J.  V.  d.    III  4  :  25,6. 
Vormbaum.    I  6  :  56. 
Voss,  A.    IV  1  :  51 ;  3  :  21. 

—  Ernestine.    IV  1  :  51;  3  :  21. 

—  J.  H.  I  5  :  12.  IV  1  :  47,  51,  72, 
108;  2  :  30,  36,  48;  3  :  22/4;  llf  : 
18;  12  :  46. 

—  H.  jnn.    IV  1  :  51, 

—  Julius  V.    IV  4  :  58. 

—  R.    IV  1  :  5. 
Vulpes,  N.    II  8  :  56. 
Vulpius,  (Jh.  A.    IV  IIb  :  1. 

—  J.  A.    III  4  :  14. 

Wächter,  J.  G.    IV  1  :  49. 
Wackenrodcr,  H.  IV  13  :  6. 
Wackernagel,  W.    II  5  :  34. 
Waetzoldt,  St.    IV  lle  :  20. 
Wagonseil,  J.  Ch.    14:  3. 
Wagner,  Antonie.    IV  4  :  97. 

—  G.  F.    IV  1  :  69. 

—  H.  L.    IV  1  :  51;  IIb  :  8. 

—  B.    IV  4  :  141/2. 

—  V.    II  2  :  3. 

—  Fausts  Famulus.    III  4  :  27. 
Waiblinger,  W.     IV  13  :  48/9. 
Waitz,  G.    IV  13  :  1,  5. 
Wahrheit,  poetische.    I  3  :  114. 
Walda,  ß.    II  1  :  13. 
Waldenser.    II  1  :  1 ;  7  :  17/8. 
Waldis,  B.    II  4  :  40. 
Waldvogel,  P.    I  4  :  31. 
Wallfahrten.    II  1  :  1. 
Wambach,  W.    II  3  :  30. 
Wampen,  E.  v.    II  5  :  2. 
Wandertruppen.    IV  4  :  174. 
Waniek,  G.    IV  llo  :  21a. 
Warberg.    11  3  :  17. 
Warburg.    I  4  :  36. 
WarnBdorff,  t.    IV  IIb:  80. 
Wartenseo  s.  Schnyder  v.  Wartensee. 
Wattenbaeh,  W.  II  8  :  2. 

Weber,  C.  M.  v.    IV  4  :  139. 

—  F.  W.    II  1  :  10.    IV  3  :  97. 

—  H.    II  3  :  10. 


Sacliregister. 


Wochmar.    II  5  :  45. 

Weckherlin,  6.  B.    III  1  :  2,  6.   IV  2  : 

1—2. 
Wogele,  F.  X.  v.    II  8  :  11. 
Wehl,    F.      IV    1    :    Ol,    75;    4    :    32/3, 

77/8. 
Weidmann,  P.     IV  3  :  9. 
Weidmannsdie  Buchhandlung,  IV  1  :  46. 
Weiennann,  J.  II  5  :  34. 
Weilen,  A.  v.    IV  14  :  42. 
Weimar.   I  6  :  54.    IV  1  :  63;  6  :  45/9; 

IIa  :  10,  55,    57/8,   66;    IIb  :  15/7, 

53,    91 ;    12  :  92,    154,  186. 
Weingarton.    I  5  :  94. 
Weingruss.    II  1  :  12. 
Weinreich.    II  7  :  34. 
Weise,    Ch.    II   4:3.    III  4  :  32.     IV 

13  :  33. 
Weiss,  0.    III  4  :  38. 
Weisse,  C.  F.    IV  4  :  174. 
Weissenborn,  W.    IV  IIb  :  61. 
Weitbrecht,  K.  u.  R.    IV  1  :  69. 
Wekhrlin,  W.  L.    15:  94. 
Weieker,  F.  G.    IV  llo  :  17. 
Weller,  E.    III  4  :  3.    IV  IIb  :  20. 

—  H.    II  7  :  37. 

—  J.    III  4  :  13. 
Weltanschauung,  Moderne.    II  1  :  1. 
Weltbürger.    IV  1  :  87. 
Weltlitteratur.    11:1.    IV  IIa  :1 -2. 
Weltschmerz.    IV  1  :  19-20. 
Weltrich,  R.    IV  12  :  1. 

Wendeler,  C.    I  2  :  6a.    II  3  :  7,  19. 
Wenigenjena.    IV  12  :  25,  28. 
Werben,  um  Städte.    III  2  :  23. 
Werckshagen,  C,     II  6  :  37;  8  :  29. 
Werden,  M.  v.    I  4  :  21. 
Werder,   D.  t.  d.  I  4:8.  III  3  :  6 ;  6:  7. 
Weraher.     12:5. 
Wernicko,  Ch.     III  5  :  24,  31. 
Werner,   A.  v.  Themar.     II   8:2,    18. 

III  2  :  12. 

—  B.  M.    IV  1  :  51 ;  4  :  10 ;  13  :  45. 

—  Z.    IV  4  :  43. 
Werthoim.    II  7  :  21. 
Wertheim,  Dr.  med.    IV  14  :  23. 
Werther,  Emilie  v.    IV  lle  :  29. 
Werthern,  Gräfin  Jeanette  Luise  v.    IV 

lle  :  28a,  79. 
Werlherzeit.    IV  IIb  :  108. 
Werturteile  in  der  Geschichte.    II  1:8. 
Wessenberg,  J.  H.  v.    IV  1  :  122. 
West,  C.  s.  Sehreyvogel. 
Westenrieder,  L.  v.    IV  6  :  18. 
Westfalen.    II  5  :  7. 
Westphal,  R.    IV  lle  :  31. 
Wetzlar.    IV  IIb  :  49. 
Wickenburg-Almasy,  Wilhelraine  Gräfin 

V.    IV  2  :  172. 
Wickram,  G.     I  1  :  11.    II  4  :  36.    III 

4  :  38. 

—  J.    I  5  :  88. 
Widmann,  A.  J.    II  3  :  15. 
Wicdemann,  Th.    II  8  :  3. 
Wiedertäufer.    II   1  :  1 ;  7  :  15/8,  56/7. 
Wiogenbänder.    IV  2  :  14/5. 
Wiegenlied.    IV  3  :  7. 

Wieland,   Ch.  M.   v.    IV   8.  -  I  3:4; 

4  :  12 ;  5  :  12,  99 ;  7  :  42.  IV  1  :  39, 
46'7,  63,118;  2:16,30,48;  3:9; 
7:2;  10  :  10;  IIb  :  93;  11c  :  15; 
lld  :  22;  12  :  1,  77;  13  :  20,  53. 
Henn  u.  Gulpenheh  II  1 :  12;  Johanna 
Gray  IV  4  :  166;  Lucian  II  8  :  23; 
Oberen  I  7  :  72.  IV  1  :  50;  Shake- 
speare IV  1  :  128;  Teutscher  Merkur 

IV  1  :  64 ;  Wurde  u.  Bestimmung  e. 
schönen  Geistes  IV  2  :  3. 

Wien.     I   5  :  87.     II   3  :  15;   4  :  .38; 

5  :  41.  IV  1  :  60,  66;  IIa  :  67, 
86-91 ;  12  :  90. 

Wienbarg,  L.    IV  14  :  1. 
Wiener  Jahrbücher   der   Litteratur.    I 
2  :  5, 


Wiklif,  J.    II  1  :  1. 
Wilbrandt,  J.  B.    IV  IIb  :  122. 

—  A.    IV  3  :  114;  4  :  183. 
Wridauor,  Mathilde.    IV  4  :  200. 
Wildonbruch,    E.    v.     IV     1    :    5,    7; 

4  :   183a. 
Wildermuth,  Ottilie.    IV  3  :  111. 
Wilhelm    I.,    Deutscher    Kaiser.      IV 

IIb  :  98;  14  :  53. 

—  V.  Oranien.    IV  lle  :  15a. 
Willemer,    Marianne    v.      IV    IIb  :  88; 

lle  :  4-5. 
Willensfreiheit,  Leugnung  der.    II  1  :  1. 
Willra,  J.    IV  1  :  111. 
Willmann,  0.     IV  6  :  22. 
Wilmscr,  Fr.  E.    IV  1  :  78. 
Wimpheling,  J.  II  1  :  1.    II  8  :  2,  18, 

22,  43,  58. 
Wimpina,  C.    II  7  :  71. 
Winckelmann,  J.  J.    IV  6  :  49;  llf:  2 

18. 
Winsemius,  V.    III  4  :  8. 
Winter,  J.    III  4  :  29. 
Winterfeld,  A.  v.    IV  3  :  130. 
Winterköniglieder.    III  2  :  25. 
Winters  v.  Homberg,  K.    14:  21. 
Winzerer,  K.    II  3  :  19. 
Wirtembergisches      Eepertorium.       IV 

12  :  1. 
Wirtschaftsgeschichte.    II  1  :  1—2.  III 

1  :  1-5. 
Wise,  J.    I  6  :  66. 
Witekind,  H.    II  5  :  47. 
Wittelsbaeher.    I  6  :  53. 
Wittenberg.    II  3  :  25. 
Wittenberg,  A.    IV  4  :  19. 
Wittenweiler,  H.    II  1  :  8. 
Wittich,  J.     I  6  :  74. 

—  W.  I  7  :  76. 

Witzendorff,  Sophie  v.    IV  13  :  .53. 
Witzige,  das.     I  3  :  143. 
Wizel,  G.     II  6  :  48. 
Wochenschriften,  moralische.  IV  1  :  22, 

87. 
Wöchentliche  Nachrichten.   IV  IIb  :  44. 
Wöhrd,  der  Bauer  von.    II  1  :  1. 
Wörterbuch,  Bayrisches.    I  2  :  10. 

—  Deutsches.    I  2  :  7—8. 
Wohl,  Jeanette.    IV  14  :  1,  46. 
Wolf,  F.  A.     rv  6  :  54 ;   12  :  46. 

—  Hier.     I  6  :  10/1. 

—  Hugo.     IV  IIa  :  92/3. 
Wolff,  Ch.  V.    IV  1  :  22. 

—  J.  I  5  :  45a. 

—  0.  L.  B.    III  3  :  8. 

—  P.  A.    IV  1  :  47. 

Wolfram  von  Eschenbach.     1  4  :  18. 
Wolke,  Ch.  H.    I  6  :  21.    IV  6  :  27. 
Wolkenstein,    0.  v.    II  2  :  25;  3  :  16. 
Wolter,  Charlotte.    IV  14  :  53. 
Wolzogen,  H.  v.    IV  lle  :  6. 

—  Karoline  v.    IV  1  :  49;  12  :  5. 

—  W.  V.    IV  IIb  :  20;  12  :  30. 
Wormser  Beichstag.    II  1  :  1. 
Wostefeldes,  A.    I  6  :  66. 
Wrangel,  F.  H.  E.  Graf  v.    I  6  :  85. 
WUrsung,  M.    II  1  :  12 ;  8  :  56. 
Württembergisches     Bepertorium,      s 

Wirtembergisches  Bepertorium. 
WUrzer,  H.     IV  1  :  76. 
Wüstemann,  M.    IV  lle  :  4a. 
Wulfer,  W.    II  7  :  33. 
Wunderhorn,  Des  Knaben.    III   2  :  17. 

IV  13  :  32,  34. 
Wustmann,  G.    III  4  :  13. 
Wychgram,    J.    I  7  :  14. 
Wyle,   N.    V.     II:    11.     II    8   :    42, 

44/6.    IV  13  :  33. 
Wyss,  A.    I  4  :  25. 

Xantippus  s.  Sandvoss. 
Young,  E.     IV  1  :  125;  6  :  20, 


Sachregister. 


191 


Tack,  J.    II  1  :  13. 
Zahn,  A.  v.     II  5  :  46. 
Zarncke,  F.     I  6  :  63. 
Zasius,  IT.     II  8  :  13,  18. 
Zauberopeni.    IV  4  :  96. 
Zechrecht  s.  Jus  potandi. 
Zedlitz,     J.  Ch.    Frhr.    v.     IV   1  :  111; 
2:  143—50. 

-  K.  A.  Frhr.  r.    IV  1 :  30. 
Zeitungen.    I  4  :  86/7.     II  1  :  13.    IV 

1  :  63,  85/9,  96. 
Zehnder-Stadtlin.     IV  6  :  34. 
Zeitgedichte.    III  2  :  11. 
Zeitgeschmack.     11:3. 
Zeitvertreiber,  Tugendhafter  III  2  :  3—5 
Zell,  U.    I  4  :  21. 
Zelter,  H.    IV  Ha  :  36. 
Zenge,  Wilhelmine  v.    IV  4  :  24/5. 


Zerbst.     I  4  :  58. 

Zettel,  K.     IV  2  :  100. 

Zesen,     Ph.  y.       13:3.      111  2  :  43; 

3  :  5;  5  :  7. 
Ziegler,  A.  v.    II:  11. 

-  H.     II  8  :  3,  48,  52. 

—  J.     II  2  :  43. 

Zimmer,  Joh.  H.  G.     IV  13  :  42. 
Zimmermann,  F.     II  1  :  13. 

-  J.  G.  I  4  :  12;  5  :  12.  IV  1  :  46. 

—  M.     I  6  :  74. 

Zimmern,    Graf  v.     II    I  :  1  ;     8  :  18a. 

IV  3  :  33. 
Zigeuner.   I  5  :  38a. 
Zincgreff,  W.  J.    III  1  :  6.  IV  13  :  33. 
Zing,  P.    II  1  :  12. 
Zinzendorf,  Charlotte   Justine,    v.     III 

5 :  3-6. 


-  K.  1).  V.     III  5  :  2. 

-  N.  L.  y.     III  5  :  2-6. 
Zittau.     II  1  :  13. 
Zöllner,  H.    IV  lle  :  5.-?. 

Zola,  E.     I  3  :  118-20.  IV  3  :  1-2. 
ZoUing,  Th.     IV  3  :  40/2. 
Zorilla.     IV     4  :  53. 
Zschokke,  H.    IV  1 :  89;  3  :  40 ;  6  :  70/1. 
Zürich.    I  5  :  60.  II  3  :  24. 
ZUrichzee,  C.  y.    I.  4  :  21. 
Zukunft  der  Litteratur.  I  3  :  132-44. 
Zweck,  H.    II  I  :  13. 
Zwickau.     II  7  :  41. 
Z  wiefalten.     I  5  :  94. 
Zwischenakt.     II  8  :  48. 
Zwischenaktsmusik.  118:48.  IV  4:  205. 
Zwingli,  U.  II  1  :  1.  II  6  :  16;   7  :  14, 
45/6. 


Abt,  Eud.  -  Passau.     III  4  :  57. 
Ackermann,  Th.  -  München.    III  4  :  53. 
Ahn,  Alb.  -  Köln.    IV  3  :  2. 
Albert,  Jos.  -  München.    14:2. 
Albrechts     Selbstverl.  -  Hamburg.       I 

3  :  117. 
Alcan,  F(51ix  -  Paris.     I  3  :  76. 
AUyn  &  Bacon  -  Boston.    IV   12  :  146. 
Amelangs   Verlag,    C.   F.  -  Leipzig.     I 

5  :  45a.     III  2  :  51.     IV  13  :  64. 
Anstalt,    Litterar.  -  Frankfurt   a.  Main. 

I    3  :  100,     109-11.      rV    Hb  :  40; 

13  :  19. 
Aschendorffscho  Buchh.  -  Münster  i.  W. 

IV  3  :  45,  68. 
Asher  &  Co.  -  Berlin.  I  4  :  25,  75/6. 
Augustin  -  Glückstadt.    I  6  :  81. 


Bachern,  J.  P.  -  Köln.    I  5  :  94;  7  :  9. 

II  5  :  8,  9;  7  :  54. 
Batmeister,   J.  -  Eisenach.    IV  4  :  148. 
Baedeker,  J.  -  Leipzig.    11:9. 
Bär  &  Co.  -  Frankfurt  a/M.  IV  lle  :  35. 
BaerensprungscheHofbuchdr.-Schwerin. 

I  4  :  36. 
Bagel,  Felix  -  Düsseldorf.    IV  3  :  119; 

4  :  165;  Ha  :  8. 
Ballhorn,  C.  -  Nürnberg.    III  5  :  14. 
Bassermann,    Friedr.  -  München.      IV 

lle  :  6. 
Beiford  &  Cie.  -  New-York.    II  3  :  35. 
Belin  -  Paris.    IV  4  :  64. 
Bell    &   Sons-  London.    IV    11c:  27; 

lld  :  1;  lle  :  32a. 
Benshcimer    Verl.,   J.  -  Mannheim.    IV 

4  :  173;  12  :  8. 
Bonziger  &  Co.  -  Einsiedeln.  IV  13  :  41. 
Berger -Levrault  &   Co.  -  Paris-Nancy. 

I  2  :  16.     II  4  :  25. 
Berman  &  Altmann  -  "Wien.    I  7  :  88. 
Bertelsmann,    C.  -  Gütersloh.    12:6; 

7:1.     II  7  :  20,  65. 
Beyer,  Paul  -  Leipzig.    IV  4  :  2,  32. 
—    &    Söhne,    H.  -  Langensalza.      I 

6  :  24/5. 
Biedermann,   F.   W.    v.  -  Leipzig.     IV 

IIa  :  20. 


Verlegerregister*) 


Blaesings  Universitiltsbuohh.,  Th.  -  Er- 
langen.   I  6  :  12. 

Bode  -  Grimma.     I  6  :  21. 

Böhlau,  Herrn. -Weimar.  IV  IIa  :  73; 
IIb  :  1,  15,  18,  94,  110;  11c  :  1; 
12  :  2,  5,  7,  40,  43,  53,  72,  80,  83,  88, 
105,  141,  153. 

Böhme  Nachfolger,  A.,  jetzt  E.  Ungleieh- 
Leipzig.     II  6  :  42. 

Bonifacius  -  Druckerei  -  Paderborn.    II 

6  :  54. 

Bonz    &    Co.  -  Stuttgart.     IV   2  :  217; 

4  :  107. 
Borgmeyer,  Franz-Hildesheim.  II  6  :  50 ; 

7  :  72. 

Bouillon,  Emile -Paris.    IV  1  :  113. 
Brachvogel  &  Kauft  -  Berlin.  IV  2  :  56  ; 

4  :  31. 
Brandner,  Otto -Dresden.   IV  2  :  193/4. 
Bredt,  Ernst  -  Leipzig.     I  7  :  78. 
Breitkopf  &  Härtel  -  Leipzig.  IV  1  :  CO  ; 

2  :  237  ;  lle  :  8. 
Brill,  J.  C.  -Leiden.    II  1  :  16;  7  :  36. 
Brockhaus,   F.  A.  -  Leipzig.    IV  1  :  41, 

112;  6  :  56. 
Brönnersche  Buchh.  -  Eichstätt.  I  5  :  95. 
Bruhn,  Harald  -  Braunschweig.   I  6  :  51. 
Brunnemann,  K.  -  Cassel.   II  6  :  66. 
Bruns'  Verl.   J.    C.   C.  -  Minden   i.   W. 

I  3  :  115/6. 
Brzezowsky  -  Wien.   I  6  :  73.  II  4  :  38. 
Buchh.    d.    Ev.   Bundes  -  Leipzig.     II 

7  :  4-5,  23. 

—  d.  Waisenhauses  -  Halle.    II  6  :  6. 
Buchner  Verlag,   C.   C.  -  Bamberg.    II 

1  :  17;  4  :  27;  8:  12,  52.  III  4  :  38. 

IV  2  :  107 :  4  :  57 ;  6  :  18. 
Burt.  A.  L.  -  New-York.    IV  lle  :  32b. 

Cavael,  F.-Leipzig.    IV  2  :  191. 
Clarendon  Press  -  Oxford.  IV  12  :  130; 

14  ':  35. 
Claussner,     Rob.  -  Leipzig  -  Eeudnitz. 

I  3  :  56. 
Cohn,  A.- Berlin.    I  4  :  12.   IV  1  :  46; 

IIb  :  22;  lle  :  4;  Ilf  :  17. 
Colin  &  Cie.,  A.  -  Paris.    I  6  :  15.    III 

4:4.    IV  :  4  :  1. 


Conrads  Buchh.,  C.  F.  -  Berlin.  IV  4  :  51 
Costenoble,  Herrn. -Jena.    IV  3  :  95. 
Cottasche    Buchh.    Nachfolger,   J.    G.  - 
Stuttgart.     I    7  :  74/5.     II    1    :   4/5. 

III  1  :  1/2.  IV  1  :  55,  98;  2  :  63 
3  :  67,  76,  134;  4  :  40,  86,  111,  138 
6  :  63;  8  :  12;  10  :  8;  IIa  :  80 
12  :  47/8. 

Dannenberg.  H.  -  Stettin.  I  6  :  87. 
Danz,  Alex.  -  Leipzig.  IV  3  :  104. 
Deichert    Nachfolger,    A.  -  Leipzig.    II 

6  :  23,  57,  63;  7  :  38. 
D61alain    freres  -  Paris.     IV    lld  :  5 

12  :  135. 
Delagrave  -  Paris.     IV  4  :  65;   11c  :  2; 

lld  :  12;  lle  :  18;  12  :  62,  145. 
Delavigne  -  Paris.    IV  1  :  9. 
Detloffs  Buchh.,  C.-Basel  jetzt  Reich,  R. 

IV  13  :  28. 

Deubner,  A.  -  Moskau.     I  7  :  82. 
Deuticke,  Franz  -  Wien.    I  3  :  120. 
Dieksche  Buchh.  -  Leipzig.    II  8  :  55. 
Didier  -  Paris.    IV  14  :  25. 
Diesterweg,  M.-Frankfurt  a/M.  I  6  :  31/2. 

IV  1  :  63. 
Dieter,   Heinr.  -  Salzburg.     II   4  :  39; 

8  :  49. 
Doerlings  antiqu.  Buchh.,  F.  -  Hamburg. 

I  5  :  90. 
Drescher  &  Co.  -Wien.    IV  4  :  129. 
Dümmlers    Vorlagsbuchh.,    F.  -  Berlin. 

1  3  :  12.     IV  IIa  :  76;   12  :  49. 
DUrselen,  H.  -  Wiesbaden.    I  3  :  140. 
Du  Mont-Schaubergsche  Buchh.  -  Köln. 

I  4  :  21,  62;  7  :  30. 
Duncker,  Alex.  -  Beriin.    III  5  :  25. 

-  Cari  -  Beriin.    IV  6  :  49. 

—  &   Humblot  -  Leipzig.     I   5  :  119. 
IV  1  :  66;  Ilf  :  2. 


Eckstein  Naehf.,  R.  -  Beriin.  I  3  :  121 ; 

5:5.    IV  1  :  6/7;  IIa  :  70. 
Edelmann,  A.  -  Leipzig.    I  6  :  66. 
Ehlermann,  L.-Dresden.  II  8:2,  20,  26. 

IV  1  :  76,  87,  106 ;  2  :  12,  126 ;  3  :  115 ; 

IIa  :  22,  26;  IIb  :  89;  13  :  31. 


*)  Von  der  G.  J.  Göschen'schen  Verlagsbuchhandlung  in  Stuttgart  hergestellt. 


192 


Verlegerregi.ster. 


Ehrliardta    Uiiiv.-Budili.  -  Marburg.    I 

4  :  22.     II  C  :  37;  8  :  29. 
EliÄoher  Nac.lif.,  B.  -  Leipzig.  III  4  :  52. 

IV  Ue  :  30a. 
Elwertgche    Verlh.,    N.    G.  -  Marburg. 

11:8.    IV  2  :  HS9. 
Engol,  H.  -  Berlin.  IV  IIa  :  2J ;  llf  :  7. 
EngelniHnn.  W.  -  Leipzig.  IV  llf  :  3. 
Eiike.  Ferd.  -  Stuttgart.    I  3  :  27. 
Ensslin  &  Laiblin-Koutlingcn.  IV  3  :  77. 

Fock,    <i. -Leipzig.     I   3  :  13,    31.    66' 

90     IV  2  :  68,  95,  192 ;  3  :  8,  70,  74. 

79;  4  :  13,  30;  6  :  22,  45;   12  :  79; 

14  :  33. 
Foessor    Nach  f.,    M.  -  Frankfurt   a.  M. 

II  6  :  52/3;    7  :  22.     IV   2  :  186; 

3  :  97. 
Fontane  &  Co.,  F.  -  Berlin.    III  4  :  63. 

IV  2  :  208/9;  IIa  :  33. 
Fournier  &  Haberler-  Znaira.    I  6  :  91. 
Francks  Buclih.,  E.-Oppeln.  IV  1 :  123. 
Franks  Naclif.,  O.-Wien.    I  5  :  87. 
Freunds  Verlag,  L.  -  Breslau.   I  6  :  44. 

IV  4  :  18. 
Freytag,  G. -Leipzig.    I  7  :  25. 
Friedrich,  Willi.  -  Leipzig.  I  3  :  45,  124. 

IV  2  :  234;  8  :  9. 
Froramannsche  Buchdr.- Jena.  IV  6:  39. 
Frotscher,  Emil  -  Arnstadt.    I  6  :  74. 

Gadow  &  Sohn,  F.  W.  -  Hildburgliausen. 

II  5  :  17. 
Gärtner,  R.  -  Berlin.    I  1  :  10  ;  6  :  36  ; 

7  :  5,  8. 

Garnier    freres    -    Paris.       IV   4  :  67 ; 

IIb  :  2,  13;  12  :  136. 
Georg,  H.- Basel.    I  5  :  88. 
Germania,  A.-G.  -  Berlin.    II  6  :  55. 
Gerolds  Sohn,  C.  -  Wien.    IV  IIa  :  41; 

lle  :  3. 
Gesenius,  Herrn.  -  Halle  a.  S.    IV  2  :  196. 
Göschen,  G.  J.  -  Stuttgart.      I  1  :  11 ; 

3  :  23;  6  :  13;  7  :  33— 41.    II  4  :  3. 
IV  1  :  27;  2:3,  128;  3:  86/7;  4:9; 

8  :  3,  13;  llf  :  6;  13  :  7. 
Goldschmidt,  Alb.  -  Berlin.     IV  4  :  22. 
Graefe,  Emil  -  Leipzig.    II  6  :  33. 
Graesor,  Carl,  -  Wien.      I   7  :  73.      IV 

IIa  :  78. 
Graveurs  Verl.,    J.  -  Neisse.    I  3  :  43; 

7  :  86.     IV  IIa  :  11;  llf  ;  9. 
Greiner  &  Pfeiffer  -  Stuttgart.      IV  2  : 

197,  199,  200,  202;  12  :  60;  13  :  66; 

14  :  31. 

Griesbachs  Verl.,     C.  B.  -  Gera.      IV 

6  :  71. 

Grotcsche  Verlagsbuchh.,    G.  -  Beriin. 

11  1  :  1.  III  1:4.      IV  2  :  34;  4  : 
134;  lld  :  4;  14  :  30. 

OrUning,  Herrn.  -  Hamburg.  IV  lle  :  38. 
Grumbach  -  Leipzig.    16:7,  13. 
Grunow,    F.    W.  -  Leipzig.      I  5  :  12. 

Ill  5:6.    IV  IIa  :  79;  12  :  50. 
Guercke,  P.  -  .lauer.    I  3  :  30. 
Guudort,  D.  -  Stuttgart.    II  6  :  38. 

Haack,   A.  -  Berlin.     I  3  :  88;  5  :  16; 

6  :  76. 
Haaso   Verlag,    A. -Prag.     II    1  :  13; 

2  :  18. 

Ilachetto    &    Co.  -  Paris      13   :  8,  68; 

4  :  32.    IV  1  :   22/3,    115;    2  :  36; 

8  :  71;    4  :  66;  6  :  .34,  58;  lld:  7; 

12  :  66,  116,  134 

HaesBöl,  H. -Leipzig.    IV  2  :  177. 
Hahnsche  Buchh.  -  Hannover.  II  8  :  24. 
Hainaner,  Jul.  -  Breslau.   II  2  :  13. 
Harrassowitz,  0.  -  Leipzig.    14:5. 
Hartleben,    A. -Wien.      I  4  :  107.     IV 

3  :  128. 

Hartnngsche  Veriagsdruckerei  -  Königs- 
berg L/Pr.    I  4  :  23. 


Heath&Co.  -  Büstou.   IV  1:99;  3:47; 

4  :  92. 
Heckenasts   Nachf,    Gust.  -  Pressburg. 

IV  4  :  87. 
Hedeler,  G.  -  Leipzig.    I  4  :  bi. 
Heinsius  Nachf,  M.  -  Bremen.  I  5:41; 

IV  2  :  190 ;  3  :  72. 
HeinzesVerl.,  Paul  -  Dresden  -  Striesen. 

IV  1  :  2. 
Heitz,   J.    H.  Ed.  -  Strassbnrg  i./E.     I 

4:  77;  5  :  39,  93;  6:27.  II  3  :  2,  21 ; 

7:24.  IV  IIb:  8;  12  :  67. 
Helmichs  Verlag,  A.  -  Bielefeld.  I  0  :  47. 
Helwingsche  Verlagsbuchh.  -  Hannover. 

I  6  :  49. 

Hendel,  O.-Halle  a/S.     I  3  :  22 ;  7  :  26. 

II  5  :  33.  III  3  :  8;  5  :  16.  IV 
3  :  11,  24,  30,  52,  63/4,  78;  4:62, 
63;  6  :  64;  12  :  41,  5t;  13  :  29 

Henninger,  Gebr.,  jetzt  0.  R  Roisland  - 

Leipzig.    III  1  :  6. 
Herbig,  F.  A.  -  Berlin.    I  7  :  28 
Herdersche    Verlagsh.  -  Freiburg   i.    B. 

1  7  :  29;  II  1  :  6/7;  6  :  48;  7:1. 
IV  1  :  3,  8;  3  :  75. 

Heroldsche      Buchh.  -  Hamburg.       III 

2  :  43;    5  :  7.      IV  4  :  19;    10  :  5. 
Herros^s    Vorlag,   R.  -  Wittenberg.      I 

6  :  39. 

Hertz,    Georg  -  Würzburg.      IV   3   :  9; 
lle  :  42. 

—  Wilh.  -  Berlin  I  7  :  81.  IV  1  :  1 ; 
lle  :  37a,  56;  llf  :  18;  12  :  44; 
13  :  1,  30,  36,  38. 

Herzberg  -  Neustettin.    I  6  :  86. 
Heusers  Verlag  -  Neuwied.    II  4  :  28. 
Hinrichssche    Buchh  ,    J.    C.  -  Leipzig. 

II  7  :  73. 
Hinstorffs  Verlag,  C.  -  Danzig.    15:1. 

—  sehe  Hofbuchh.-Wismar.  I  6  :  38. 
IV  3  :  112,  116/8. 

Hirschfeld,    C.   L.  -  Leipzig.    .1  3  :  77; 

5  :  53.  IV  IIa  :  3. 
Hirt,  Ferd.  -  Breslau.    16:8. 
Hirths      Kunstverlag,     G.  -  München. 

15:6. 
Hirzel,  S.  -  Leipzig.  I  3  :  3-la.  II  6  :  35; 

7  :  34.  III  1:11.  IV  1:  10;  4:89; 
13  :  60;  14  :  3,  51. 

Höhr,  S.  -  Zürich.    I  5  :  76. 

Hoeldcr,  Alfred.  -  Wien.    I  7  :  72 ;    IV 

I  :  65;  4  :  110;  12  :  99. 

Hoepli,  U.  -  Mailand.   I  4  :  39   IV  4  :  93. 
Hörning,  J.  -  Heidelberg.     IV  6  :  20. 
Hofer  -  Saarbrücken.    II  6  :  67. 
Holfmann,  Max  -  Leipzig  -  Reudnitz.    I 
3:47;  6:9,  20.  II  7:54.  IV  IIa:  47. 
Hofmann,  Th.  -  Gera.     17:6,  6a,  31. 

—  &  Cie.,  A  -  Beriin.    I  6  :  55,  58. 
Holt  &  Co.  -  New- York.      IV    4   :   91; 

13  :  50;  14  :  36. 
Huber,  J.  -  Frauenfeld.  I  3  :  144;  4  :  79. 

II  1  :  19;  4  :  11;  8  :  16.  III  5  :  30. 
IV  1  :  20,  37,  119. 

—  &  Co.  -  St.  Gallon.    IV  2  :  17. 
Hübscher,  C.  -  Bamberg.    I  4  :  19. 

Jacob,  Friedr.  -  Torgau.    II  4  :  22.   III 

4  :  7. 
Jaenecke,  Gebr.  -  HanuoTer.     I  4  :  64. 
Jahnke,  A.  -  Borna.  I  6  :  42.  IV  10  :  4. 
Janike  -  Görlitz.    I  5  :  117. 
Jnstitut,  Bibliogr.  -  Leipzig.  II  2  :  14 ; 

6:7.   IV  1  :  101 ;    2  :  28 ;   3  :  57, 

81;  4  :39;6  :  75/7;  IIb  :  4;  13  :  23, 

62;  14  :  29. 

—  Litt.     Dr.   M.    Huttier  -  München. 

III  4  :  64,  56. 

Jolowiez,    Nordd.    Verl.  -  Inst.  -  Berlin. 

IV  2  :  195. 

Kahnt  Nachf.,  C.  F. -Leipzig.  IV  2  :  216. 
Kaemmerer  &   Co.,   C.   A.  -  Halle   a/S. 
II  7  :  69. 


Karras'  Vori.,  Ehrh.-  Halle  a/S.     IV  4  : 

169;  6  :  51. 
Kellerer's    Hofbuchh. ,   Max  -  Mlinchcii. 

IV  lle  :  6a. 
Kerlor,  Heinrich  -  Ulm.    II  3  :  33.     IV 

2  :  240. 
Keyssncr-Meiningen.    II  6  :  24. 
Kiesler,  C.  -  Würzen.    IV  3  :  75c. 
Kirchheim,  Franz  -  Mainz.    II  6  :  47. 
Klein,   Hugo  -  Barmen.    I   6   :    75.     II 

6  :  59,  65. 
Kleinmayor,  Ferd.  v.  -  Klagenfurt.  I  5  :  79. 
Klinkhardt,  Jul.  -  Leipzig.    I  6  :  1,  40. 
KIoss,  C. -Hambuig.    13  :  113;    7  :  2. 
Knaur,  Th.  -  Leipzig.  IV  13  :  65 ;  14  :  32. 
Kober,  J.  L.  -  Prag.    IV  lld  :  8. 
Körner,  Gust.  -  Leipzig.    1  3  :  39. 
Kösel'sche  Buchh.,  J.  -  Kempten.  I  6  :  62. 
Kohlhamraer,  W.  -  Stuttgart.    I  3  :  22 

III  4  :  20;  IV  2  :  16,  215a;  6  :  74. 
Konogen,    C.  -  Wien.     I   3    :    32.     IV 

4  :  203. 

Korff,  Heinr.  -  München.    III  4  :  55. 
Krabbe,  Cari  -  Stuttgart.     IV   12  :  106. 
Krämer  Verlag,  G.  -  Hamburg.  I  6  :  15. 
Kraus,  C.  -  Düsseldorf.    I  5  :  89. 
Krumm,  Herrn.  -  Remscheid.    I  4  :  72. 
Kuhn,  Reinh.  -  Beriin.    IV  4  :  15. 
Kupferberg,  Florian  -  Mainz.    II  6  :  56, 
62.  69.    IV  1  :  70. 

Laudien,  G.  -  Leipzig.    II  8  :  41. 
Lauppsche  Buchh.,    H.  -  Tübingen.    II 

I  :  12. 

Lemerre  -  Paris.    IV  14  :  38. 
Lenz,  G.  F.  -  Berlin.    IV  6  :  69. 
Leon  senior,  Joh.  -  Klagenfurt.  15:  78. 
Leroux  -  Paris.    II  1  :  18. 
Leuschner     u.     Lubensky  -  Graz.       I 

5  :  44. 

Lewontal  -  Warschau.     IV  llo  :   16a. 
Lieboskind,    G.  A. -Leipzig.     1    5  :  yl, 

32.     IV  2  :  175,  182. 
Liebfrauendruckerei-MUnchen.  II  6  :  64. 
Liebmann,  Otto  -  Berlin.    IV  12  :  16. 
Lintzscho  Buchh.,  Fr.  -  Trier.    I  7  :  27. 
Lipsius    &    Tischer  -  Kiel.      1    1:1; 

3  :  60. 
List   &    Francko  -  Leipzig.      I    4  :   14. 

IV  lle  :  4a. 
Louis  -  Clermont  -  Forrand.  IV  lld  :  22. 
Low  &  Co.  -  London.    IV  12  :  52. 
Lucas,  Sam.  -  Elberfold.    I  4  :  71. 
Lüstenöder,    H.  -  Beriin.     I    2    :    14; 

3  :  128;  5  :  109.    II   3  :  15.    IV  1  : 

15;  2  :  153;   3  :  127. 
Lung,  Ad.  -  Esslingen.    I  1  :  12. 
Lunos,  B.  -  Kopenhagen.    LH  4  :  23. 
Luppos  Hofbuchh.,  E.  -  Zerbst.  I  6  :  89, 
Lutheran     Publ.      Soc.  -  Philadolpliia. 

II  6  :  22. 


Mahlau  &  Waldschmidt  -  Frankfurt  a.  M. 

IV  13  :  44a. 
Malthiesen  -  Dorpat.     I  6  :  59. 
Manz'scho   k.    k.   Hof-Verl.-   u.   Univ.- 

Buchh.  -  Wien.    I  3  :  18.   IV  4  :  125. 
Maukes   Verlag,   Fr.  -  Jena.     1    6  :  28. 

IV  12  :  13. 
Mayer,  C.  J.  -  Eupen.    I  6  :  79. 
—   &   Müller  -  Beriin.     I    5  :  22.      II 

2  :  23;  4  :  30.    III  2  :  22. 
Mc.  Cherry  -  Chicago.    IV  lld  :  28. 
Meidinger,    Herrn.  -  Berlin.      I    5  :  38 ; 

7  :  23. 
Meissners   Verlag,    Otto  -  Hamburg.     I 

7  :  89. 
Merhoffs  Veriag,  C.  -  München.  III  4  :  50. 
Meyer,  Carl  -  Hannover.    II  6  :  30. 
Mittler*  Sohn,  E.  S.  -  Beriin.  1114:18. 
Mohr,  J.  C.  B.  -  Freiburg  i.  B.   I  6  :  68 ; 

IV  13  :  35. 
Mosersche  Buchh.   TJ.  -  Graz.    I  5  :  86. 


Verlegerregister. 


193 


Mühlmanns    Verlag,    Rieh.  -  Halle.      I 

7  :  87. 
MUUersehe     Buchh.  -  Eudolstadt.      IV 

11h  :  55. 
Mttller,  C.  E. -Bremen.    IV  IIa  :  31. 

—  G.  W.  F.  -  Berlin.     I  7  :  85. 
Murray  -  Baltimore.   I  3  :  64.    IV  2  :  125. 

Nassesche     üuohdnu-kerei  -  Soest.      I 

6  :  86. 

Nauck,  G.  -  Berlin.     III  2  :  59. 
Naumann,  Heinr.  J.  -  Dresden.   II  6:4. 
Neff,  P.  -  Stuttgart.     IV  1  :  13 ;  12  :  61. 
Neumanus    Verlag,   Aug.  -  Leipzig.     II 

7  :  2. 

Nicolaische    Verlagsbuchh.  -  Berlin.     I 

6  :  35.     IV  12  :  171. 
Niemeyer,    M.  -  Halle   a.  S.    I   4  :  74; 

6  :  67.  II  5  :  29;  6  :  14,  70;  7:21, 
35,  55,  66;  8  :  25.  III  2  :  2,  65; 
4  :  16,  44.     IV  IIa  :  46;  lle  :  5,  20. 

Nijhoff,  M.  -  Gravenhagen.  I  5  :  54. 
Nössler,  Max.  -  Bremen.  IV  3  :  73. 
Nutt,  Dav.  -  London.    IV  lld  :  27. 

Oehlmann,  Ferd.  -  Dresden.    IV  14  :  11. 
Oehmigkes  Verlag,  L.  -  Berlin.   I  5  :  40 ; 

7  :  84.     IV  3  :  58. 

Oesterwitz   Nachf.,   Herrn.  -  Leipzig.    I 

6  :  43. 
Opetz,  Wilh.  -  Leipzig.    IV  12  :  173. 
Orell  FUssli  &  Cie.,  jetzt  Artist.  Institut 

Orell  FUssli-Zürich.  II 5  :  23.  III 4 :  22. 

Pasch,  Max  -  Berlin.    IV  12  :  175. 
Paetel,  Gebr.  -  Berlin.    IV  1  :  78,  100; 

2  :  7,  53,  92;  4  :  58. 

Pätzsche     Buchdr.,    G.  -  Naumburg.    I 

4  :  66. 
Perthes,  F.  A.- Gotha.      I    7  :  67,  69. 

IV  1  :  4;     2  :  184,    198;     Ha  :  78; 

lle  :  40;  13  :  27;  14  :  27. 
Peters  Verlag,  Ed.  -  Leipzig.    I  7  :  80. 
Pfeifersche  Buchh.  -  Halle  a.  S.      13: 

72,  87. 
PfeilstUcker,  Fr.  -  Berlin.    I  5  :  43. 
Picard,    A. -Paris.      14:1,    31.       IV 

12  :  119. 
Pichlers  Wwe.,   A.  u.  Sohn -Wien.      I 

6  :  34.     IV  6  :  37. 
Piersons    Verl.  -  Dresden.      I    3  :  50. 

IV  13  :  63;  14  :  50,  52. 
Pohls  Verlag,  Ed.  -  München.   I  5  :  60. 
i'ohle,  Herrn.  -  .Jena.    I  6  :  72. 
I'oussielgue -Paris.    IV  lld  :  6. 
Irochaeka,  C.  -  Teschen.    m  4  :  42. 
l'utnam  -  New-York.  IV  Hb  :  3. 

Quantins  -  Paris.     I  5  :   11. 

Rauert  &  Kocco  -  Leipzig.    IV  IIa:  4. 
Kawsche    Buchh.,    J.    Ph.  -  Nürnberg. 

I  4  :  15. 
Keclam  jr.,  Ph.  -  Leipzig.      IH   2  :  52. 

IV  2  :  149;    3  :  18,  20,  60,  75b,  88; 

4:  59,  139;  6  :  65,  68,  78;  lle  :  32; 

12  :  56;  13  :  37,  51. 
Reher,  A.  C.  -  Altona.    IV  1  :  61. 
Reimer,  G.  -  Berlin.    IV  3  :  83. 
Reinboth,  F. -Leipzig.     III  4  :  49. 
Reiss,  P.  -  Worms.      11:5;    3  :  48. 

IV  12  :  124. 
Reisland,  0.  R. -Leipzig.     IV  6  :  62. 
Reissner,     C.  -  Leipzig.       I     1    :    16; 

3  :  137. 

Reiter  -  Dessau.    16:78. 
Rengersche  Buchh.  -  Leipzig.      IV  4  ; 

126;  12  :  127. 
Reuthers  Verlagsbuchh.,  H.  -  Berlin.     I 

4  :  84.     IV  3  :  22;  12  :  132. 
Richter, Rieh. -Leipzig.  I  5  :  25;  6  :  93/4. 
Riegersche  Verlh.  -  Stuttgart.   IV  3 :  69. 
Ritter  -  Wiesbaden.    I  6  :  88. 
Robolsky,  J.  H.  -  Leipzig.    14:3. 


Rohrer,  Rud.  M.  -  BrUnn.  IV  IIa  :  32. 
Rosenbaum  &  Hart  -  Berlin.      II  7  :  7, 

8.     IV  14  :  2. 
Rossberg'sche  Buchh.-Leipzig.  I  1 :  6/7. 
Roth,  Emil  -  Giessen.     I  6  :  33. 
Roux- Turin.     IV  lle  :  39. 

Sallis'scher  Verl.  -  Berlin.    I  3  :  125 
Sauerländer,  H.  R.  -  Aarau.     IV   3  :  56, 

89;  6  :  70. 
Sauniers  Buchh.  -  Stettin.     II  7  :  50. 
Savine  -  Paris.    IV  12  :  125. 
Schade  -  Berlin.     11  5  :  27. 
Scherzer,  E. -München.    III  4  :  58. 
Schles.  Buchdr ,  Kunst-  u   Verl.-Anst., 

vorm.    S.   Sehottländer,  Breslau.    IV 

1  :  14;  13  :  2. 
Schmid'sche   Buchh  ,  B.  -  Augsburg.  III 

4  :  61. 

Schmidts  Verl.,  Herrn. -Berlin.  IV  3  :  25. 
—  C'aes.  -  Zürich. .  III  4  :  51. 
Schmorl  u.  v.  Seefeld  Nachf.  -  Hannover. 

I  7  :  90. 
Schnurpfeil,  G.  -  Leobschütz.  IV  14  :  10. 
Schob  -  Spandau.    I  6  :  55. 
Schoenhof,  C. -Bostnn.    IV  4  :  90. 
Schöniugh,  Ferd.  -  Paderborn.   16:2, 

14,  56;  7  :  70/1.  III  1:8,  IV  2:  188; 

3  :  3;  6  :  30;  IIa  :  78. 
Schrags    Verlag,    J.  L.  -  Nürnberg.     I 

5  :  91.     III  5  :  8. 

Schroedels    Verlag,  Herrn.  -  Halle  a.  S. 

1  7  :  83. 

Schuh  &  Co.,  G.  -  München.   III  4  :  47. 

Schulbuchh.  -  Braunschweig.     I  4  :  17' 

Langensalza.     I  6  :  26.  IV  1  :  39; 

2  :  76;  6  :  23,  29;    IIb  :  36;  12  :  3. 
Schulzesche  Hofbuchh.  -  Oldenburg.    I 

3  :  34b.    III  4  :  26/7.   IV  1 :  73 ;  4  :  204. 
.'^chwetsehke    &    Sohn,    C.   A.  -  Braun- 
schweig.    II  6  :  5,  20.     IV  3  :  1. 

Scribner  &  Welford  -  New-York.  IV  14:7. 
Seemann,  Artur.  -  Leipzig.    IV  2  :  81. 

-  E.  A.-  Leipzig.  I  3  :  25;  4  :  105. 
Siegisraund   &  Volkening  -  Leipzig.      I 

6  :  41,  52.     IV  2  :  213. 
Siffer  -  Gent.    II  3  :  27. 

Smitt,  Eider  &  Co.  -  London.  IV  IIb  :  35. 
Soci6t6    Beige     de    Librairie  -  BrUssel. 

III  4  :  25. 
Soltaus  Verlag,  D.  -  Norden.    II  4  :  40. 

III  4:1. 

Sonnenschein  -  London.    IV  6  :  3.3. 
Spamer,   0.  -  Leipzig.     III  4  :  59.     IV 

1  :  12;  4  :  70. 
Speraann,  Wilh.  -  Berlin.     II  5  :  1. 
Speyer  &  Peters  -  Berlin.    I  3  :  11.    II 

8:1.      IV   lle  :  14b,  30,  31a,  31b  ; 

12  :  76;  13  :  5. 
Spohr,  Max  -  Leipzig.     IV  1  :  28. 
Staackmaun,  L.  -  Leipzig.    I  3  :  98.  IV 

1  :  58. 

Stallings  Verlag,  G.  -  Oldenburg.  I  5  :  81. 
Stauffer,  Th.  -  Leipzig     I  5  :  42. 
Stein,  Aug.  -  Potsdam.  I  3  :  53.  IV  1 :  40. 
Stephanus,  Heinr.  -  Trier.    IV  lld  :  4a. 
Steyl  &  Thomas  -  Frankfurt  a.  31.     IV 

2  :  250. 

Stolle,  jetzt  Woldag,  H.  -  Harzburg.   I 

5  :  107. 
Strauss,  E.  -  Bonn.    IV  1  :  103. 
Stricker,  R.  =  Nicolaische  Verl.-Buchh.  - 

Berlin.  IV  lle  :  37. 
Stroefers    Kunstverl,,     Th.  -  München. 

IV  12  :  131;  14  :  34. 
Stürtz,  H.  -  Würzburg.    12:8. 
Stuks,  Sigm.  -  Teschen.    I  4  :  79a. 
Styria  -  Graz.    IV  10  :  10. 

Tascher,  J.  J.  -  Kaiserslautern.  I  6  :  37. 
Tempsky,  F.-Prag  u.  Wien.  I  3  :  6;  5  :  7. 
Teubner,  B.  G.  -  Leipzig.    I  3  :  15,  29; 

7  :  3,  7,  24,  85a.     IV  2  :  227. 

-  Franz -Köln  a.  Rh.    14:  81.    III 
2  :  1,  3;  5  :  20. 


Thienemann,  E.  F.  -  Gotha.    I  6  :  4—5. 

IV  1  :  111. 
Thoraa  -  Lindau.    I  6  :  83. 
Thomannsche  Buchh.,  Jos.  -  Landshut. 

1  4  :  78. 

Tract  Society -London.    II  6  :  74. 
Trowitzsch  &  Sohn  -  Berlin.    IV  4  :  141. 
TrUbner,  K.  J.-  Strassburg  i.  E.    15: 
102.    IV  1  :  97. 

Union  -  Stuttgart.  II  7  :  67 ;  8  :  28 
IV  2  :  61;  3  :  13,  111;  IIa:  74/5 
lld:20,29;  lle:l;  llf:23;  12:51. 

University  Press  -  Cambridge.  II  5  : 
46.    IV  lld  :  11;  12  :  133. 

Unwin- London.     IV  13  :  16. 

Vandenhoeek    &    Ruprecht  -  Göttiugen. 

12:5. 
Veit  &  Cie.  -  Leipzig.    16:3.   IV  13  : 

61;  14  :  1,  51. 
Velhagen   &  Klasing  -  Bielefeld.    I  7  : 

42—66.    n  3  :  22.    IV  2  :  201;  IIa  : 

77;  IIb  :  36a;  12  :  3a. 
Verein  für  deutsehe  Litteratur,  AUgem. 

Berlin.     15:2.     IV  1  :  oO. 
Vereinsbuchh.  -  Calw  u.  Stuttgart.    II 

2  :  1. 

Verlag  d.  Akadem.  Monatshefte  -  Mün- 
chen.   I  6  :  63/4. 

Verlags  -  Anstalt,  Deutsche  -  Stuttgart. 
I  3  :  99.     IV  2  :  77;  IIa  :  1. 

—  u.    Druckerei,    A.-G.  -  Hamburg.    1 
5  :  9,  38a.    II  2  :  17;  6  :  73;  8  :  27. 

III  4  :  24.     IV   3  :  121,  122/4;    IIa  : 
12;    llf  :  8;  13  :  26;   14  :  49. 

—  f.  Kunst  u.  Wissenseh.  -  München. 

1  1  :  15. 

—  vorm.    G.   J.    Manz  -  Regensburg. 

IV  2  :  238. 
Verlags-Institut,   Südd.  -  Stuttgart. 

2  :  106. 

Verlags-Magazin  -  Zürich.    I  3  :  134. 
Volkmann    &    Jerosch  -  Rostock.     U 

5  :  42. 

Voss,  L. -Hamburg.  I  3  :  35/6;  5  :  8, 
47.     IV  4  :   166;  14  :  42. 

Wagnersche    Univ.- Buchh.  -  Innsbruck. 

1  5  :  77,  80,  105.     IV  2  :  179. 
Warschauer,  A.  -  Berlin.    IV  14  :  33a. 
Wartigs  Verl.,  Ed. -Leipzig.     IV   lld  : 

10;  lle  :  29,  36;  12  :  64,  113;  13:45. 
Weber,  J.  J.  -  Leipzig.    I    4  :  52.    IV 

4  :  88;  12  :  150. 
Weichelts.  Dr.  Herm.,  Verl.  -  Reichen- 
berg i.  B.     IV    2  :  150;    3  :  10,  85; 

4  :  109. 
Weidraannscho   Buchh.  -  Berlin.    I   6  : 

40;  7  :  4,  77.    II  8  :  56.    IV  2:  74; 

12  :   1,  81,  87,  93,  98,  101. 
Weiss,  Georg  -  Heidelberg.    IV  1  :  62. 
Weissbach,  Herm.  -  Weimar.     IV  1  :  5. 
Wendt  &  Klauwell-Langensalza.  I  7  :  79. 
Westermann,    G.  -  Braunschweig.     IV 

4  :  14. 
Westhausser,  Louis  -  Paris.   IV  1  :  114. 
Wiegandt  &  Schotte  -  Berlin.    IV  1  :  33. 
Wiemann,  B.  D.  -  Barmen.    II    1  :  10; 

6  :  49;  7  :   6. 

Wiesike,  J.  -  Brandenburg  a.  H,    16:  77. 
Wigand,  G.  -  Leipzig.     I  1  :  14. 

—  Verl.,  Georg  H.  -  Cassel.   IV  3  :  75a. 
Winters  Univ.-  Buchh.  -  Heidelberg.    II 

7  :  25.     IV  llo  :  28a;  13  :  8,  13. 
Wittichsche  Hofbuchdruckerei,   L.  C.  - 

Darmstadt.    I  6  :  80. 
Wyss,  K.  J.  -  Bern.    I  6  :  65. 

Zarichelli  -  Bologna.    IV  4  :  142. 
Ziegenhirt,  C.  -  Leipzig.     I  5  :  3—4. 
ZUcklers    Verlagsh.,    R.  -  Zwickau.    II 

2  :  2. 

Zwissler,  Jul.  -  Wolfenbüttol.  14:7, 
8.    II  3  :  25. 

13 


Siglenregister. 


a)  Siglen  für  einzelne  Zeitschriften. 


AAALA.  Atti  dellar.  Accademia  di  Archeologia, 

Lettere  e  belle  Arti 
Ac.  The  Academy 

ADA.  Anzeiger  d.  Zeitschrift  für  deutsches 
Alterthum 

ADB.  Allgemeine  Deutsche  Biographie 
AELKZ.    Allgemeine  Evangelisch-Lutli.  Kir- 

chen-Zoitung 
ADLZg.    Allgemeine  Deutsche  Lehrerzeitung 
AltprMschr.  Altpreussische  Monatsschrift 
AnnELScPol.      Annales   de   l'^cole  libre    des 

Sciences  politiques 
AnzSchwG-.  Anzeiger  für  Schweiz.  Geschichte 
ASNS.    Archiv  für    d.  Studium    der  neueren 

Sprachen 
Ath.    The  Athenaeum 
AZgt*.    Beilage  d.  Allgemeinen  Zeitung 

BBG.    Blätter   für    d.  Bayrische    Gymnasial- 
schulwesen 
BFDH.    Berichte  d.  Freien  Deutschen  Hoch- 
stifts 
BLU.  Blätter  für  Litterarische  Unterhaltung 
BP  "WS.    Berliner  Philologische  Wochenschrift 
BIIRS.    Bibliotheque    Universelle    et   Eevue 
Suisse 

CBlBibl.   Centralblatt  für  Bibliothekswesen 

DBIEU.     Deutsche  Blätter   für  Erziehung  u. 

Unterricht 
DEBll.  Deutsch-Evangelische  Blätter 
Didask.    Didaskalia    (Beiblatt   z.  Frankfurter 

Journal) 
DEKZ.   Deutsche  Evang.-Kirchenzeitung 
DLD.    Deutsche  Litteraturdenkmale 
DLZ.    Deutsche  Litteraturzeitung 
DNL.    Deutsche  Nationallitteratur 
Dß.    Deutsche  Revue 
DRs.    Deutsche  Rundschau 
DWBl.    Deutsches  Wochenblatt 

EKZ.    Evangelische  Kirchen-Zeitung 

FBPG.     Forschungen    z.    Brandenburgischen 

u.  Preussischen  Geschichte 
FrB.    Freie  Bühne  für  modernes  Leben 
FZg.  Frankfurter  Zeitung 

GGA.    Göttingische  Gelehrte  Anzeigen 

HPBll.    Historisch-Politische  Blätter 
HTB.    Historisches  Taschenbuch 
HTD.    Historisk  Tidsskrift  (Dansk) 
HZ.  Historische  Zeitschrift  (v.  Sybel) 

IllZg.   Illustrirte  Zeitung 

JSav.    Journal  des  Savants 

JBG.  Jahresberichte  d.  Geschichtswissen- 
schaft 

JBGPh.  Jahresbericht  über  Germanische 
Philologie 

JBL.  Jahresberichte  für  neuere  deutsche  Lit- 
terat Urgeschichte 

JGGPÖ.  Jahrbuch  d.  Gesellschaft  für  Ge- 
schiclite  d.  Protestantismus  in  Oesterreich 

JNS.  Jahrbücher  für  Nationalökonomie  und 
Statistik 


KBIGRW.     Korrespondenzblatt    für    d.    Go 

lehrten-  u.  Realschulen  Württembergs 
KM.  Kirchliche  Monatsschrift 
KunstUZ.  D.  Kunst  unserer  Zeit 
KZ.  Kölnische  Zeitung 

LBlGRPh.  Litteraturblatt  für  Germanische 
u.  Romanische  Philologie 

LBSW.  Litterarische  Beilage  d.  Staatsan- 
zeigers für  Württemberg 

LCBI.    Litterarisches  Centralblatt 

L&K.    Literatur  og  Ki'itik 

LZgB.  Wissenschaftliche  Beilage  d.  Leipziger] 
Zeitung 

MD.    Moderne  Dichtung 

MHL.  Mitteilungen  aus  d.  Historischen  Litrj 
teratur 

MIÖG.  Mitteilungen  d.  Instituts  für  Ostern 
reichisch«  Geschichtsforschung 

MLIA.  Magazin  für  Litteratur  d.  In-  unc 
Auslandes 

MLN.  Modern  Language  Notes 

MNLGAU.  Mitteilungen  d.  Niederlausitzer " 
Gesellschaft  für  Anthropologie  u.  Urge- 
schichte 

MNEKR.  Mitteilungen  u.  Nachrichten  für  d. 
Evangelische  Kirche  in  Russland 

MVGDB.  Mitteilvingen  d.  Vereins  für  Ge- 
schichte d.  Deutschen  in  Böhmen 

Nation^.  Nation  (Berlin) 
NationNY.  Nation  (New- York) 
NFPr.  Neue  Freie  Presse 
NKZ.    Neue  Kirchliche  Zeitschrift 
N«feS.    Nord  u.  Süd 

ÖUR.    Österreichisch-Ungarische  Revue 

PKZ.   Protestantische  Kirchenzeitung 
PrJbb.    Preussische  Jahrbücher 

QF.  Quellen  u.  Forschungen  z.  Sprach-  u. 
Culturgeschichte  d.  germanischen  Völker 

RCr.  Revue  Critique  d'histoire  et  de  littö- 
rature 

RDM.  Revue  des  Deux  Mondes 

RepKunstw.  Repertorium  der  Kunstwissen- 
schaft 

RESS.  Revue  de  l'Enseignement  Secondaire 
et  Sup^rieure 

RH.    Revue  Historique 

RiCrLI.  Rivista  Critica  della  Letteratura 
Italiana 

RIE.  Revue  Internationale  de  l'Enseignement 

RPL.  Revue  Politique  et  Littöraire 

SchwäbKron.    Schwäbische  Kronik    (Beiblatt 

•A.  Schwäbischen  Merkur) 
Sammler'*.  D.  Sammler  (Berlin) 
Sammler*.  D.    Sammler  (Tägliche  Beilage  d. 

Augsburger  Abendzeitung) 
StMBCO.     Studien    u.    Mitteilungen    aus    d. 

Benediktiner-  u.  d.  Cistercienser  Orden 
StML.  Stimmen  aus  Maria  Laach 

TglRsi^.    Unterhaltungsbeilage    d.    Täglichen 

Rundschau  (Berlin) 
ThJB.  Theologischer  Jahresbericht. 
ThLBl.    Theologisches  Litteraturblatt 


Siglenregister. 


195 


I 


TKLZ.  Theologische  Litteraturzeitung 
ThStK.    Theologische  Studien  u.  Kritiken 
ThZSchw.    Theologische    Zeitschrift  aus  der 
Schweiz 


ÜL&M.    Über  Land  u.  Meer 
UZ.   Unsere  Zeit 

WPK.  Vierteljahrsschrift  für  Volks  Wirtschaft, 

Politik  u.  Kulturgeschichte 
VLGr.  Vierteljahrschrift  f  Litteraturgeschichte 

WIDM.  Westermanns  Illustrirte  Deutsche 
Monatshefte 

WSKPh.  Wochenschrift  für  Klassische  Phi- 
lologie 

WZ.  Westdeutsche  Zeitschrift  für  Geschichte 
u.  Kunst. 

Z  ADSprV.  Zeitschrift  d.  AllgemeinenDevitschen 

Sprachvereins 
ZBK.    Zeitschrift  für  Bildende  Kunst 
ZDA.  Zeitschrift  für  Deutsches  Altovthum 


ZDKG.  Zeitschrift  für  Deutsche  Kultur- 
geschichte 

ZDMG.  Zeitschrift  d.  Deutschen  Morgen- 
ländischen Gesellschaft 

ZDPh.   Zeitschrift  für  Deutsche  Philologie 

ZDS.    Zeitschrift  für  Deutsche  Sprache 

ZDU.  Zeitschrift  für  d.  Deutschen  Unterricht 

Zeitgeist.  Der  Zeitgeist  (Montagsbeilage  zum 
Berliner  Tageblatt) 

ZFSL.  Zeitschrift  für  Fj-anzösische  Sprache 
u.  Litteratur 

ZGORh.  Zeitschrift  für  d.  Geschichte  d.  Ober- 
rheins 

ZGW.  Zeitschrift  für  Geschichtswissenschaft 

ZKG.   Zeitschrift  für  Kirchengeschichte 

ZKWL.  Zeitschrift  für  Kirchliche  Wissen- 
schaft u.  kirchliches  Leben 

ZOG.  Zeitschrift  für  d.  Österreichischen  Gym- 
nasien 

ZPTh.    Zeitschrift  für  Praktische  Theologie 

ZVK.    Zeitschrift  für  Volkskunde 

Z^rLR.  Zeitschrift  für  Vergleichende  Littera- 
turgeschichte u.  Renaissance-Litteratur 

ZVPsS.  Zeitschrift  für  Völkerpsychologie  u. 
Sprachwissenschaft 


b)  Abkürzung  zur  Bezeichnung  der  übrigen  Zeitscliriften. 


A.  Archiv,  Archives,  Arkiv.  —  AbhAk.  Ab- 
handlungen d.  Akademie  (d.  Wissenschaften.' 
—  Alm.  Almanach.  —  Ann.  Annalen,  An- 
nales. —  Ant.  Antiquarisch.  —  Anz.  An- 
zeiger. —  AV.  Altertums  verein. 

B.  Beiträge.  —  BBl.  Börsenblatt.  —  Bblgr. 
Bibliographie.  —  BG.  Beiträge  z.  Geschichte. 
BETV.  Bericht  d.  Historischen  Vereins.  — 
Bibl. Bibliothek.  —  BK.  Beiträge  z.  Kunde.— 
Bl.,  BH.  Blatt,  Blätter.  —  BLVA.  Berichte 
d.  Landesvereins  für  Altertumskunde.  — 
BVGW.  Berichte  über  d.  Verhandlungen  d. 
Gesellschaft  d.  Wissenschaften.  —  BVL. 
Blätter  d.  Vereins  für  Landeskunde. 

CBl.  Centralbiatt.  —  Chr.  Chronik.  —  Cr. 
Critique.  —  CGI.  Centralorgan  für  d.  In- 
teressen. 

D.  Deutsch. 

E.  Erdkunde. 

F.  Forschungen. 

G.  Geschichte.  —  GBL,  GBll.  Geschichtsblatt, 
Geschichtsblätter.  —  Ges.  Gesellschaft.  — 
GV.  Geschichtsverein. 

H.  Historisch,  Histoire,  Historique  etc.  — 
HG.  Historische  Gesellschaft.  —  HT.  Hi- 
storisk  Tidsskrift.  —  HV.  Historischer 
Verein. 

I.  Institut.  —  It.  Italia,  Italiano. 


J.  Journal.  —  JB.  Jahresbericht,  Jahresbe- 
richte. — Jb.  Jahrbuch.  —  Jbb.  Jahrbücher.  — 
JbHV.  Jahrbuch  d.  Historischen  Vereins.  — 
JbVG.  Jahrbuch  d.  Vereins  für  Geschichte. 

KBl.  Korrespondenzblatt.  —  KBIVL.  Korres- 
pondenzblatt d.  Vereins  f.  Landeskunde.  — 
KG.  Kirchengeschichte.  —  KunstG.  Kunst- 
geschichte. 

L.  Litteratur,  Litterarisch  usw.  —  LB.  Littera- 
turbericht.  —  LBl.  Litteraturblatt.  —  LK. 
Landeskunde. 

M.  Mitteilungen.  —  MA.  (MAlich.)  Mittelalter 
(-lieh.).  —  Mag.  Magazin.  —  MBL,  MBU. 
Monatsblatt,  Monatsblätter.  —  MGG.  Mit- 
teilungen d.  Gesellschaft  für  Geschichte.  — 
Mh.  Monatshefte.  —  Mschr.  Monatsschrift.  — 
Mus.  Museum.  —  MusV.  Musealveveln.  — 
MVG.  Mitteilungen  d.  Vereins  für  Geschichte. 

N.  Neu,  Nouveau,  Nuovo  etc.  —  NF.  Neue 
Folge.  —  Njbl.,  Njbll.  Neujahrsblatt,  Neu- 
jahrsblätter.   —    NN.    Neueste  Nachrichten. 

Ö.  Österreich,  Österreichisch. 

P.  Preussisch.  —  Ph.  Philologie.  —  Philos. 
Philosophie.  —  Pr.  Presse. 

O.  Quartalschrift. 

R.  Revue.  —  Rep.  Repertorium.  —  Rh.  Rhein, 
Rheinisch.  —  Ri.  Rivista.  —  Rs.  Rundschau. 

13* 


196 


Siglenregister. 


SB.  Sitzungsbericht .  Sitzungsberichte.  — 
SBAk.  Sitzungsberichte  d.  Akademie  (d. 
Wissenschaften).  -  Sbnbg.  Siebenbürgen.  — 
SchlH.  Schleswig  -  Holstein  -  Lauenburg.  — 
Schw.  Schweiz,  Schweizerisch.  —  Spr. 
Sprache,  Sprachforschung.  —  SVG.  Schriften 
d.  Vereins  f.  Geschichte. 


TBL    Tageblatt   (Tag- 


Tb.   Taschenbuch, 
blatt). 

Vjs.  Vierteljahrsschrift. 

WBl.  Wochenblatt. 


2.  Zeitschrift.  —  Zg.  Zeitung.  —  ZGG.  Zeit- 
schrift d.  Gesellschaft  für  Geschichte.  — 
ZHV.  Zeitschrift  d.  Historischen  Vereins. 


Beispiele  für  Verbindungen: 

JbMünchG.  Jahrbuch  für  Münchener  Ge- 
schichte. 

BVGWLeipzig.  Berichte  über  d.  Verhand- 
lungen d.  Gesellschaft  d.  Wissen- 
schaften in  Leipzig. 

UngR.  Ungarische  Revue. 

MVAnhaltG.  Mitteilungen  d.  Vereins  für  An- 
haltische Geschichte  u.  Altertums- 
kunde. 

MhMusikG.  Monatshefte  für  Musikgeschichte. 

SVGBerlin.  Schriften  d.  Vereins  für  d.  Ge- 
schichte Berlins. 

NASächsG.  Neues  Archiv  für  Sächsische  Ge- 
schichte. 

ZVHambG.  Zeitschrift  d.  Vereins  für  Ham- 
burgische Geschichte  —  usw. 


Bemerkungen  für  den  Gebrauch. 

An  dieser  Stelle  sei  zunächst  das  „Handbuch  zu  Litteraturberichten"  von  J.  Jastrow 
(Berlin,  Gärtner  1891)  rühmend  genannt,  dem  die  technische  Einrichtung  sich  im  wesent- 
lichen anschliesst. 

1)  Die  Disposition  ist  jedem  einzelnen  Abschnitte  vorangedruckt  und  im  Text, 
auf  den  allein  sie  sich  bezieht,  durch  Absätze  und  Sperrung  der  Stichwörter  kenntlich. 

2)  Die  Stellung  der  Anmerkungsziffer  vor  oder  hinter  dem  Punkt  am  Ende 
eines  Satzes  charakterisiert  die  nähere  odar  fernere  Zugehörigkeit  des  unten  angeführten 
Buches  zum  Text. 

3)  Neben  den  Werken  des  Berichtsjahres  sind  nur  in  Ausnahmefällen  Schriften 
des  unmittelbar  vorhergegangenen  Jahres  besprochen.  Die  Litteratur  der  auf  das  Berichts- 
jahr folgenden  Zeit  blieb  durchweg  ausgeschlossen,  ausser  wo  es  sich  um  Recensionen  der 
1890  erschienenen  Arbeiten  handelt.  Als  Jahreszahl  ist  zu  jeder  in  den  Anmerkungen 
citierten  Schrift  die  des  Berichtsjahres  (für  Bd.  1  also  1890)  hinzuzudenken,  insofern  eine 
andere  nicht  ausdrücklich  genannt  ist.  Wo  bei  Lieferungswerken,  Zeitschriften  usw.  Lie- 
ferungstitel  und  Bandtitel  verschiedene  Jahreszahlen  tragen,  ist  der  letztere  als  massgebend 
betrachtet  worden. 

4)  Die  Bedeutung  der  Zeichen  in  den  Anmerkungen  ist  folgende: 

X  Hier  sei  dem  Titel  nach  angeführt 
XX  Hier  sei  angeführt    unter  Vorbehalt  genauerer   Besprechung  im 
nächsten  Jahrgang. 
(II,  4  N.  13)  Hier  ist  ein  Bericht  ausgefallen  zu  Gunsten  von  II,  4  N.  13. 
|[  ]|  schliesst  das  Verzeichnis  der  Recensionen  ein. 

5)  Ein  Verzeichnis  der  zur  Abkürzung  von  Zeitschriften-  und  Zeitungs- 
titeln verwendeten  Siglen  findet  sich  S.  194 — 196.  Ausserdem  sind  folgende  Abkürzungen 
angewendet:  Hs.,  Hss.  =  Handschrift,  Handschriften;  hs.  =  handsclu-iftlich;  Ms.,  Mss.  = 
Manuskript,  Manuskripte ;  Vf.  =  Verfasser;  Jh.,  Jhh.  =  Jahrhundert,  Jahrhunderte. 

6)  Das  Autorenregister  verzeichnet  nur  die  Verfasser  der  besprochenen  Arbeiten, 
zu  denen  auch  die  Recensionen  gerechnet  v/erden.  Die  Art  der  angeführten  Werke  wird 
durch  die  Kapitelzahl  einigermassen  gekennzeichnet. 

7)  Für  das  Sachregister  sei  angemerkt,  dass  die  einzelnen  Werke  von  Goethe, 
Herder,  Klopstock,  Lessing,  Luther,  Schiller,  Wieland  nur  für  diejenigen  Stellen  heraus- 
gehoben werden,  die  nicht  durch  die  Dispositionen  der  speciellen  Berichte  zu  finden  sind. 
Ferner  beachte  man  überall  Zusammenstellungen  wie  Bibliotheken,  Drama,  Schulen,  Sprache. 

8)  Die  Zahlen  der  Register   sind  aus  folgenden  Beispielen  zu  verstehen: 

II  3  :  4  =  n,  3  N.  4.    —    II   3  :  4-5  =  II,  3  N.  4—5.    —   II  3  :  4;  ö  :  7  =  H,  3  N.  4;  H,  6  N.  7. 

9)  Die  Verfasser  von  selbständigen  Werken  wie  auch  namentlich  von  Dissertationen, 
Programmen,  Festreden  usw.  sowie  von  Zeitschriften- Aufsätzen  werden  dringend  ersucht,  ein 
Exemplar  an  die  JBL.  einzusenden  od6r  die  Einsendung  seitens  ihres  Verlegers  zu  veranlassen. 
Bei  Abhandlungen,  die  an  entlegenen  Stellen  veröfi'entlicht  sind,  wäre  die  Redaktion  schon  für 
den  blossen  Hinweis  (vielleicht  mit  kurzer  Angabe  des  Inhalts)  dem  Autor  zu  Dank  verpflichtet. 

10)  Die  Adresse  der  Redaktion  findet  sich  am  Schlüsse  der  Vorrede,  die  der  Ver- 
lagshandlung auf  dem  Titelblatt,  die  der  einzelnen  Mitarbeiter  im  Inhaltsverzeichnis. 


I 


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2231 
J2$ 

Bd.i 


Jahresberichte  für  neuere 
deutsche  Literatur- 
geschichte 


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UNIVERSITY  OF  TORONTO  LIBRARY 


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